1887 / 197 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Aug 1887 18:00:01 GMT) scan diff

die zur Partei gehörenden Mitglieder der Zweiten Kammer ersuht werden sollen, in zweiter Lesung für die ver- änderte Verfassung zu stimmen. Damit hat diese Partei ihren bisher festgehaltenen Standpunkt aufgegeben, weil fie überzeugt is, daß die eben zu Stande gekommene Aenderung keine endgültige, sondern nur eine vorläufige ist und in einigen Jahren doch wieder auf die Tagesordnung gesezt werden muß. Da die neuzuwählende Kammer nur die Aufgabe zu erledigen hat, die Verfassungs- entwürfe anzunehmen oder abzulehnen, und man nunmehr in Folge des Utrechter Beschlusses das leßtere nicht mehr zu befürhten hat, jo werden die Liberalen in den von Orthodoxen vertretenen Bezirken diesmal gar keine eigenen Kandidaten aufstellen. Aus Atjeh wird gemeldet, daß Tuanka Abdul Medjid, der Enkel des früheren Sultans Jbrahim und der Schwiegervater des Präsidenten von Atjeh, Tuanka Mahomed Daud Schah, am 10. Juni in Kota-Radja angekommen sei und am Morgen des 16. auf den Gräbern seiner Vorfahren dem König der Niederlande den Eid der Treue geschworen habe. Zu gleicher Zeit fanden Unterhandlungen zwischen niederländishen Beamten und verschiedenen noch nit unter- worfenen Reichsgroßen von Atjeh statt.

O sten de, 23. August. (W. T. B.) Hiesige Fischer ließen sih heute bei dem Versuch, das Aus- schiffen einer englischen Fishladung zu verhin- dern, erhebliche Ausschreitungen zu Schulden kommen, wobei sie einen Theil der Ladung zerstörten. Polizei- beamte und Gendarmen mußten einschreiten und von der Waffe Gebrau machen. Mehrere Fischer wurden schwer verwundet. Die Ruhe is jeßt wiederhergestellt. Die Aus- ladung mehrerer englishen Fischerboote erfolgt unter dem Schuyz der Gendarmerie.

Belgien.

Großbritannien und Jrland. London, 22. August. (A. C.) Der Dubliner Corre)pondent der „Times“ schreibt: „Die Proklamation, betreffend die Nationalliga, ist in Jrland mit einer Ruhe aufgenommen worden, welche wahrscheinlich als Zeichen der Bestürzung aufzufassen ist. Obgleih sich nicht sagen läßt, daß die Handlungsweise der Regierung ganz unerwartet kam, da das bevor- stehende Verbot {on seit einiger Zeit öffentlich von den Parnelliten erörtert wurde, waren fie dennoch nit bereit, sofort eine bestimmte Bahn einzushlagen, sondern mußten ih erst etwas umschauen, um si zu überlegen, wie sie wohl am’ besten der O Lage begegnen könnten. Da das weitere Verfahren der Regierung zumeist von dem Benehmen der Liga abhängt, ist Vorsicht um so nothwendiger, wenn man sich auch ein troßiges Aussehen giebt. Die Aufgabe ist für die Nationalisten nicht leiht, wenn die Negierunç wachsam und entschlossen ist. Mittlerweile, werden natürli Entrüstungsversammlungen organistrt und wird die erste Vorstellung am Dienstag Abend unter dem Vorsitz des Lordmayors in der Rotunda stattfinden. Unter den Rednern werden ih Dillon und O’Brien sowie mehrere englische Parlaments-Mitglieder befinden. Vielleiht wird der Muth und die Entschlossenheit beider Parteien, der Liga wie der Exekutive, dabei zuerst auf die Probe gestellt werden. Wenn die englishen Abgeordneten wirk- lih so begierig sind, dur leidenshaftiäihe, auf- reizende Reden Märtyrer zu werden, so werden die Behörden zu erwägen haben, ob es im Jnteresse des Gemeinwohls liegt, Nachsicht zu üben. Die Parnellitishe Presse giebt sih den Ansthein, als betrachte sie die Proklamation als großen Fehler. Wären natürlich keine Schritte geshehen zur Unterdrückung der Liga, so hätte es geheißen, daß die Regierung si fürchte, und selbst jezt werden Stimmen laut, die sagen: es sei ein taktisher Fehler, die Liga nicht ohne Weiteres zu unterdrücken. Derartige Reflexionen haben aber keine Bedeutung. Die Be- theiligten werden die Wirksamkeit des Geseges danah beur- theilen, welchen Gebrauch die Regierung davon macht. Zeigt die Exekutive, daß es ihr Ernst ist, so wird das irische Volk das Gesetz halten ; s{hwankt sie aber und ist furchtsam oder wiederum zu hißtig, so wird das Geseß die Uebelthäter niht shrecken, und Denjenigen, welche unter der Tyrannei einer ungeseßlihen Association leiden, die die Funktionen einer verfassungsmäßigen Regierung usurpirt,, keine Hülfe ge- währen.“

Dem Parlament wurde am Sonnabend ein amt- licher Bericht über die Ausdehnung des Boycott- wesens am 31. Juli d. J. in Frland vorgelegt. Nach demselben bestanden in der Provinz Ulster an dem genannten Tage 58 Boycottfälle, und wurden 355 Personen geboycottet. 34 Personen standen unter polizeilihem Schus. In der Provinz Leinster gab es 170 Boycottfälle und betrug die Zahl der Geboycotteten 1054, während 233 Personen poli- zeilih beshüßgt wurden. Jn Connaught wurden 115 Fälle von Boycotten gemeldet, bei denen §49 Personen geboycottet wurden ; 180 Personen mußten polizeilichen Shuß anrufen. Am höchsten stellte sih die Zahl der Fälle von Boycotten in der Provinz Munster: hier werden nicht weniger als 768 berichtet; die Zahl der Geboycotteten belief sich_ auf 4835, während 554 Personen sihch_ unter polizeilihen Schug stellten. Álles in Allem bezifferte sich die Zahl der Boycott- fälle in Jrland auf 768; 4835 Fen Eh wurden geboycottet und 1100 standen unter polizeilihem Schuß.

Am nächsten Donnerstag wird Gladstone, unterstüßt von seiner und der ganzen Parnellitishen Partei, die Adresse an die Krone beantragen, dahinlautend: die Pro- flamation, betreffend die National-Liga aufzuheben. Wie der „Daily Telegraph“ erfährt, würden Chamberlain und einige liberale Unionisten gegen die Regierung stim- men, die meisten Mitglieder der Partei aber das Mini- sterium unterstüßen, während \fih einige wenige der Abstim- mung enthalten würden. Parnell selbst glaubt nicht daran, daß die Regierung bei der Abstimmung eine Niederlage er- leiden werde, und hält es au nicht einmal für wünschens- werth, selbst wenn es möglich wäre, die Regierung bei der Moe ren Konstellation zu stürzen. Die Anhänger der

Regierung sind der A LETgeu gung, daß die Opposition jeßt in einer Weise ihre Zuflucht zur D struktion nehmen werde, wie sie noch nie dagewesen fei.

_ Das Resultat der Rekrutirung für die eng- lishe reguläre Armee in der ersten Hälfte des laufenden Jahres is höchst unbefriedigend gewesen. 4 Während im Jahre 1885 in demselben Zeitraum 20524, im Jahre 1886 18 626 Rekruten angeworben wurden, gelang es in den ersten 6 Mo- naten des Jahres 1887 nur 15 160 Rekruten für den Dienst im englischen Heere zu gewinnen.

Der Correspondent der „Times“ in Kalkutta berichtet u. d. 21. d. über die Lage in Afghanistan wie folgt:

Der fkürzlihe Sieg Gholam Hyder's scheint wenigstens einft- weilen den Aufstand niedergeworfen zu haben. Die füdlichen Gbilzaistämme haben aufgebört, offenen Widerstand entgegenzu?eßen, und große Haufen Tarakhis, Tokhis, Hotaks und Andaris baben si auf britishes Gebiet oder in das unabhängige Kakaristan geflüchtet. Viele find in Quetta angekommen, und wle ih von dort erfahre, erklären sie, daß sie feine Begnadigung annehmen und nicht wieder in ihre Heimath zurückchren wollen. Wegen des Mangels an Nahrungsmitteln konnten sie in den Bergshluchten nit länger mehr aushalten, und da es ihnen nicht gelang, eine Hauptshlacht herbeizuführen, so zerstreuten sie sih. Eine Verfolgung fand nicht statt, denn Gholam Hyder rückte ibnen nur 30 Meilen vom Schlachtfelde na§ und marsircte dann nördlich mit den Cabuler Truppen, wäh- rend er die Candaharer Regimenter nah Kelat-i-Ghilzai fandte. Es geht das Gerücht, daß Gholam Hyder deshalb nah Norden marschirte, weil die Suleiman Kheyl Ghilzais sich erhoben, welche

‘A bisher neutral verbalten hatten. Das Signal zu dem Aufstande

soll das Dekret des Emirs gebildet baben, die Waffen au3zuliefern. Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß Hyder's Cabuler Truppen, nah der Niederlage und Auflösung der südlichen Truppen, si weigerten, noch länger im Süden zu bleiben. Nach den leßten Nachrihten von Cabul ist der Emir voller Selbstvertrauen und kann es keinem Zweifel unter- liegen, daß sein Prestige durch die Unterdrückung des Aufstandes sehr wabsen wird. Seine Gesundheit soll wieder gut sein. Er leidet nur an Zahnweh und hat einen englis@en Zabnarzt von Simla kommen lassen. Der Versuch, die Gegend an der neuen russischen Grenze mit Duranis vom Helmund-Stamm zu besiedeln, ist mißglückt, indem die Ansiedler wieder nah ihren alten Heimstätten zurückgekehrt ind.

24. August. (W. T. B.) Bei der Berathung der Budget Us E für die diplomatische Ver- tretung Englands in der heutigen Unterhausfigun erklärte der Unter-Staatssekretär Fergus)on: bezüglich Egyptens fänden zur Zeit keinerlei Unterhandlungen statt, auch sei es niht wahrscheinli, daß Unterhandlungen über Egypten in der Kürze wieder aufgenommen würden.

Dublin, 24. August. (W. T. B.) Gestern Abend fand hier unter dem Vorsiy des hiesigen Lordmayors und unter Betheiligung mehrerer irisher und englischer Mitglieder des Unterhauses eine Protestkundgebung gegen die Pro- klamirung der Nationalliga als staatsgefährliche Verbindung statt. Es wurde einstimmig eine Resolution genehmigt, welche die Proklamirung als „einen gewissenlosen Versuch bezeichnet, das irishe Volk vom Pfade des friedlichen E verfassungsmäßigen Kampfes für seine Rechte abzu- rängen.“

_ Frankreich. Paris, 22. August. (Lds.-Ztg. f. E.-L.) Die Syndikatskammer der französishen Zucker- fabrikanten hat am 11. d. M. in Bezug auf den von England vorgeschlagenen Zuckerkongreß und die von demselben er- wartete internationale Konvention folgenden Beshluß gefaßt:

_ „In Erwägung, daß diese Konvention, der übrigens alle Zuer- länder der Erde und niht nur die Europas beitreten müßten, die aus- ländischen Regierungen nit verhindern würde, ihre Industrie dur versteckte Begünstigungen zu unterstüßen; in Erwägung, daß es keine zwingende Formel geben würde, um alle Betheiligten zu einer loyalen Ausführung der Konvention zu veranlassen; in Erwägung, daß die wirthscaftliden Bedingungen der Produktion nicht in allen Ländern dieselben sind, daß es namentli der französishen Industrie in ihren jeßigen Verhältnissen abéolut unmögli ist, gegen die Zucker- industrie und insbesondere die Landwirtbschaft Deutichlands ju kämpfen, daß sie erst seit drei Jahren in ihrér Umbildung begriffen ist, wäh- rend ihre Nebenbublerin, Dark der Geseßgebung, welche sie seit vierzig Jahren besitzt, auf einer Höhe des Fortschritts und der Vervollklommnung angekommen ift, die un!ere Landwirthschaft nit kennt; in Erwägung ferner, daß in Folge weniger hoher Steuern, niht fo theuerer Preise für Löhne und alle Bedarfs- artifel wie Kohlen 2c. Deutshland Zucker herstellen kann unter wirthsaftlihen Bedingungen, die in Frankreih unmögli zu verwirk- lichen sind; in Erwägung au, daß die Konkurrenz gegen die Robr- zucker-Produktionéländer, wovon einige den Sack Zucker zu 22 Fr., d. b. zu einem unter den Kosten der Rüben stehenden Preise verkaufen, nit mebr möglich ift, und überzeugt, daß die franzofisce Zuckerindustrie unbedingt nit existiren kann, wenn man ihr die Fabrifationsprämie und den Eingangsaufs{lag entzieht, protestirt die Kanimer einstimmig und auf das Energischste gegen das Projekt ciner internationalen Kon- vention. Sie spriht den Wunsch aus, daf die französishe Regierung es ablehnen möge, der Konferenz beizutreten, und fie beauftragt ihre frühere Zwölferkommission, deren Vollmachten sie erneuert, dem Herrn Minister-Präsidenten ihren energischen Protest gegen die projektirte Konvention zu überreiden, ibm vorstellig zu machen, daß die Unter- drückung der Prämien den Untergang der französischen Landwirthschaft und Zuckerindustrie zur verbängnißvollen und unwiderruflihen Folge haben würde, und ihn aufs Dringendste zu bitten, dem entgegen- zuwirken, daß die französishe Regierung ibre Zustimmung zu einer den französischen Interessen so chädlihen Konferenz ertheile.“

___— 283. August. (W. T. B.) Der Minister-Prä- sident Rouvier verläßt heute Abend für einige Tage Paris und wird am 29, d. M. zurückehren. Der Kriegs- Minister trifft am Donnerstag hier wieder ein.

Spanien. Madrid, 23. August. (W. T. B.) Das amtliche Blatt veröffentliht ein Dekret, durch welches die Ernennung des Generals Salamanca zum Gou- verneur von Cuba wieder annullirt wird.

Ftalien. (Köln. Ztg.) Am 20. August ist mit der Zu- sammenstellung des Kolonial-Corps für Afrika be- gonnen worden. Man hofft, daß dasselbe bis Ende Sep- tember vollständig eingerichtet sein wird. Die Dienstzeit dauert vier Jahre, doch kann dieselbe sowohl von Seiten der Regierung als auch von den betreffenden Freiwilligen nah zwei Jahren gelöst werden. Die Löhnung ist für die ganze vierjährige Dienstzeit auf 2000, für eine zweijährige Dienstzeit auf 1000 Lire festgeseßt. Nah vollendeter vierjähriger Dienstzeit können Ver- längerungen derselben von zwei zu zwei Jahren vorgenommen werden, do dürfen die eintretenden Mannschaften das 32., die Chargen das 36. Lebensjahr nicht überschritten haben. Das Corps wird aus vier Regimentern Jnfanterie (Jägern), einer Shwadron Kavallerie (berittenen Jägern), einer Artillerie-, einer Genie-, einer Sanitäts-, einer Verpflegungs- und einer Train-Compagnie be- stehen und ungefähr 5000Mann stark sein. Man hält diese Macht für die Behauptung des italienischen Besitßes in Afrika für mehr als ausreichend, sobald einmal regelmäßige Zustände in jenen Gegenden hergestellt sein werden. Aus den Kreisen des römischen Adels haben \sich mehrere junge Leute zum frei- willigen Eintritt gemeldet. Auch das Offiziercorps wird der Armee im Wege freiwilliger Anmeldung entnommen werden.

Rumänien. Bukarest, 23. August. (W. T. B.) Der Minister des Auswärtigen, Pherekyde, ist aus Kon- stantinopel wieder hier eingetroffen.

_ Bulgarien. Sofia, 22. August. (W. T. B.) Der feierlihe Einzug des Prinzen Ferdinand von Coburg in die Stadt erfolgte heute Abend 6 Uhr; ein Theil

der Bevölkerung hatte denselben {hon außerhalb der Stadt erwartet und mit lebhaften Kundgebungen begrüßt. Nach der Ankunft in der Stadt und nah Entgegennahme der Bewil[- kommnung durh den Bürgermeister und die Depu- tationen verschiedener Korporationen begab sich der Prinz nah der Kathedrale, wo ein Tedeum stattfand. Von der Kathedrale aus begab sich der Prinz unter den Hurrah- rufen der in den Straßen versammelten Menge nah dem Fürstlichen Palais.

23. August. (W. T. B.) Der Hauptpassus der gestrigen Rede des Prinzen in Erwiderung auf die Ansprache des Bürgermeisters lautet: „I goffe, mit versöhnlicher Gesinnung, mit der Ahtung vor den Gesetzen, mit der Erfüllung unserer internationalen Verpflichtungen, ins- besondere mit der wohlwollenden Unterftüßung der er- habenen Pforte und der ehriichen Beobachtung unserer Pflichten gegen den \suzeränen Hof wird es uns gelingen, die Krisis zn beendigen, Bulgarien wieder auf den normalen Weg zu lenken und eine Aera des Friedens, der Ordnung und des Gedeihens zu eröffnen. Jh danke Jhnen für den mir bereiteten Empfang. Es lebe Bul- garien!“ Ueber die Bedeutung der Worte: „Erfüllung der internationalen Verpflichtungen“ befragt, erwiderte der Prinz: er meine damit die Fertigstellung der Eisenbahnen, die Lösung der Frage der Staatsshuld und des Tributs an die hohe Pforte, die Lösung der Frage der Vakufs 2c.

Nach dem gestrigen Tedeum in der Kathedrale hielt der Bischof Clement eine Rede, in welcher er sagte: die Dankbarkeit sei eine Tugend des bulgarischen Volkes, das Rußland dankbar sei für seine Befreiung und feine Existenz. Der Fürst müsse daher auf dieser Bahn das bulgarische Volk erhalten, welches alsdann den Thron ficher stüßen werde. Der Prinz empfing heute früh die Dffi- ziere der Garnison von Sofia und empfahl denselben Disziplin und Einigkeit, denn vollständiges Einvernehmen zwischen dem Fürsten und der Armee bilde die Sicherheit für die Zukunst des Landes.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 23. August. (W. T. B.) Die Yacht „Dershava“ i begleiiet von der Yacht „Zarewna“, unter Kaiserlicher Standarte heute Nachmittag gegen 4 Uhr von Kronstadt nah Kopenhagen abgefahren. Der Großfürst Michael Nicolajewitsch ist heute ins Ausland abgereist.

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Zeitungsftimmen.

Auf dem Verbands fest der katholishen Arbeiter-Vereine von Köln und Umgegend hat ein katholischer Geistlicher, der Kaplan Oberdörffer, eine Nede gehalten, in welcher er nach der „Kölnishen Volkszeitung“ u. A. sagte:

Man bört oft bittere Klagen, daß man von oben her zu wenig Bedacht nehme auf das Wohl der arbeitenden Stände. Wenn wir binblickden auf das, was in anderen Ländern vor si geht, dann müssen sicherlich die Klagen als unberechtigt ersheinen. Aber au dann, wenn wir den positiven Werth der Schutzgesete der leßten Jahre ins Auge fassen, finden wir eber den Grund, dankbar zu fein, als heftige Beschwerden zu führen, Wir stehen allerdings erst ganz im Anfang einer gedeihlihen Sozialgeseßgebung. Das, was ge- sehen ift, bedeutet wenig im Vergleich zu dem, was zu geschehen bat, um für die arbeitenden Stände eine besere es zu fihern. Und insoweit die laut werdenden Klagen nur der Ausdruck eines etwas un- gestümen Drängens sein sollen, kann man sie hon pasfiren laffen. Im Uebrigen, glaube ih, dürfen und müssen wir das Vertrauen haben , daß die Regierung unferes Kaisers gewillt ift, allmäblih eine neue, umfangreiche Sozialgeseßgebung zu shaffen. So lange der Kultur- kampf auf der Tagesordnung stand, konnten wir ein berechtigtes Miß- trauen begen. .… . Man hat aber den Kulturkampf aus der Welt zu schaffen gesucht, um cristliche Sozialpolitik treiben zu können. Das ift die beste Garantie dafür, daß man auf dem be- tretenen Wege der Sozialgeseßgebung voranschreiten wird Heute ist die allgemeine Lage der Dinge eine folche, daß es mir \eint, mit friedlihem und freundlihem Entgegenkommen erreichen wir am meisten. Seien wir ni{t allzu fkleinmüthig und engherzig. Papst und Kaiser haben si die Hand zum Frieden gereicht, um an der Heilung der kranken Gesellschaft zu arbeiten. Hoffen wir, daß der Friede ein wahrer, ein voller, ein gedeiblicher werde; hoffen wir auch, daß man mit Kraft und Entschiedenheit an der Besserung der sozialen Verhältnisse arbeiten wird. Aber arbeiten wir au mit!

Das „Bromberger Tageblatt“ schreibt über die wirthschaftlihe Lage und das Sparkassenwesen :

___ Die Klagen über die wirthschaftlihe Lage der Bevölkerung, in- sonderheit der arbeitenden Klafsen, spielen in der freisinnigen Preffe eine Hauptrolle. Dem gegenüber ift s{bon wiederholt betont worden, daß namentli die arbeitenden Klassen sich in einer durhaus günstigen Lage befinden, daß der Niedergang der Preise nur den Geschäfts- gewinn der Unternehmer gekürzt bat, daß die Arbeiter dagegen im All- gemeinen weder in ihren Lohnverbältnifsen benachtheiligt worden find, noch daß erheblihere Arbeiterentlassungen stattgefunden haben und daß ihnen namentli der niedere Stand der Lebenêmittel zu Gute kommt. Bee E wird dies auch in den Handelskammerberihten be- 1tatigtk.

__Die Einzelbeobachtungen und Wakhrnehmungen in dieser Be- ziehung erbalten eine untrüglihe Bestätigung in der günstigen Ent- wickelung des Sparkassenwesens. Es ist schon wiederholt hierauf hingewiesen worden. Heute liegt uns eine Uebersicht über den Ge- \chäftsbetrieb und das Resultat der Sparkassen in der Provinz West- falen während des Jahres 1886 vor. Verglichen mit den Vorjahren ergiebt sich Folgendes: Am Shluß der betreffenden Jahre belief n der Betrag der Sparkafsseneinlagen

1883 auf 384573 688 1884 , 403349454 , 1885 „, 424047105 , : 1886 , 451937048 ,

_ Die Steigerung ist also eine fletige, von 1883 auf 1884 sind die Einlagen um 184 Millionen Mark, von 1884 auf 1885 um beinahe 91 Millionen Mark, und von 1885 auf 1886 um fast 28 Millionen Mark (genau 27 939 942 H) gestiegen.

_ Nun ift es ja richtig, daß in neuerer Zeit mehr und mehr au die woblhabenderen Mittelklassen ihre Ersparnisse statt in Papieren in Sparkassen anlegen. Das Óauptkontingent der Sparkafsen-Einleger bildet aber nah wie vor der fleine Mann Arbeiter, Ta elöhner, Dienstboten u. \. w. Das beweist die überwiegend große Zahl der leinen Einlagen unter 600 A _Im Jahre 1884 waren an Einlagen in den westsälishen Sparkassen unter je 600 M im Ganzen 224 099 vorhanden, während an größeren Einlagen 134584 ge* zählt wurden; dagegen waren im Zabre 1886 an fleineren Ein- lagen 244 221, an größeren 148 011 Stück vorhanden. Die kleinen Einlagen sind also in zwei Jahren um 20122 Stück gestiegen, wäh- rend die größeren Einlagen von je über 600 Æ der Zahl nah nur um 13 427 stiegen ; mit anderen Worten, die Zahl der kleinen Einlezer hat sich um 20 122, die der größeren um 13 427 vermehrt ein un trügliher Beweis der steigenden Sparfäbigkeit auch der kleinen Leute sowie dafür, daß die Steigerung der Einlagen zum großen Theil auf die Rechnung dieser fällt.

_ In jedem Falle beweist das bedeutende Wachsthum an Spar- fassen-Cinlagen, daß die wirtbshaftlihen Verhältnisse in Westfalen

si in steigendem Aufs{wunge befinden und daß die entgegengésetlen R | mgt mindesten in den Verhältnissen dieser Provinz keinen An- alt finden.

a Ueber die Fortschritte auf dem Gebiet der sozial- politishen Geseßgebung spricht sih, wie der „Schwäbische Merkur“ mittheilt, der Jahresbericht der Handelskammer zu Elberfeld folgendermaßen aus : :

Als eine erfreulihe Erscheinung ist die Bereitwilligkeit zu be- zeihnen, mit welcher die Industrie den bedeutenden Anforderungen der Kranken- und Unfallversicherung entsprochen hat. Es darf nah etwa anderthalbjährigem Bestehen der Unfall - Berufsgenossenschaften wohl bervorgeboben werden, daß, Dark der willigen Mit- arbeiterschaft_aller betheiligten Betriebsunternehmer, die verbältniß- mäßig neue Organisation, welche, ganz abgesehen von den pekuniären Auflagen, den Mitgliedern, wie ganz besonders den gewählten Organen der Genossenshafts- und Sektionsvorstände große Opfer an Zeit und Arkeitékraft auferlegt, in glatter und befriedigender Weise funktionirt. Die neben der UÜnfallentshä- digung den Genossenschaften übertragene Aufgabe der Unfall- verhütung ift Seitens derselben ebenfalls bereits durch den Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften, an deren Berathung die Arbeitervertreter betheiligt waren, und die eingeführte Ueberwaung der Betriebe dur sachverständige Beauftragte mit Erfolg in Angriff genommen.

Landtags - Angelegenheiten.

Zu Kamitz bei Torgau starb am 21. d. M. eines der ältesten Mitg: ieder des preußischen Herrenhauses, der Königliche Kammer- berr Hennig Arnd von Stammer, geb. am 16. März 1803. Der- selbe overtrat scit dem Jahre 1856 den Verband des alten und des befestigten Grundbesißes im Landschaftsbezirk Ober-Sachsen.

Statiftische Nachrichten.

Kosten der Ernährung des Mensfwen. (Stat. Corr.) Ueber die vielbesprochene Ernährung der Menschen na Gewicht, Stoffen und Kosten finden sich in einer vor Kurzem erschienenen Sérift von W. Hennigsen!) Sammlungen von Angaben, welche vor allem den Zweck haben, die Möglichkeit eines billigen Lebensunterhalts bei angemessener und rationeller Ernährung in den weniger bemittelten Volkéfklassen darzuthun. Bezüglich der Forderungen einer den wissen- \haftlihen Forschungen entsprechenden Ernährung werden die Ziffern von König und Voit zu Grunde gelegt, während bei den Preisen der in Frage kommenden Nahrungsmittel leytjährige Durschnittspreis E sind. j - :

Aus der Küche der Soldaten erfahren wir, daß für eine Person im täglihen Durchschnitt verbraußt werden: 750 g Brot für 11,25 s,

1/5 5 Sia. , 10,60 y E oder 150 g Graupen für 7,50 S, 120 Neis 240 950 SifficalcuOe - O0 . 1500’, Kartoffeln O f S. eal ,. Ou ;

10 , Kaffee 0,70

zusammen 29,58 oder rund 30 ß,

Die Kost der Gefangenen berechnet si nach den eiwas anders zusammengeseßten Nahrungsmitteln auf 31 , diejenige der Arbeits- losen (welche durch folde Verpflegung wieder arbeitstüchtig werden sollen) auf 35 A; die Ernährung einer Arbeiterfamilie stellt fich auf 47 A immer pro Tag und Kopf der Erwachsenen —, die eines bürgerlichen Hauses auf 86 S und die einer einzelnen Person auf 88 „L.

Gegenüber den wünschenswerthen Bestandtheilen der Nährstoffe (120 g Eiweiß, 56 g Fett und 500 g Stärkemehl für eine Person tägli) ergeben die einzelnen Kostarten zu viel (+) bezw. zu wenig (—) :

bei der Kost der Soldaten der Gefangenen. der Arbeitslosen der Arkeiterfamilie des bürgerlichen Hauses. der einzelnen Person . . 38,8 64,5 , 233,6

Fn unscrer Quelle finden sich außerdem Anleitungen für die zweckmäßige Zubereitung verschiedener Speisen, }owle Angaben über deren Verdaulichkeit und Analysen einer Reibe von Nahrungêmitteln mitgetheilt; die jüngste Schrift von Dr. Meinert 2) konnte hierbei feine Berücksichtigung mehr finden. Wir entnehmen leßterer Abhand- lung, welche vom Berein zur Förderung des Wohles der Arbeiter „Concordia“ preisgekrönt wurde: daß für einen gesunden arbeitenden Mann bei leiter Arbeit in einer täglichen Kost durchsnittlich 100 g verdaulihes Eiweiß, 50 g Fett und 500 (450) g Koblebydrate (ftick- stoffreie Extraftstoffe) als erforderlich angenommen werden. Ein Haushalt mit einer jährlihen Einnahme von 800 bezw. 1100 soll nahezu 60%, ein solcher von 1590 Æ Einkommen etwa 529% auf die Nahrung verwenden, wenn die Familie aus Mann, Frau und zwei 10—12jährigen Kindern besteht, welcher Haushalt zusammen drei erwachsenen S gleihgeseßt wird. An Geld entfallen demnach auf die Nahrung 480, bezw. 630 und §90 4 oder auf den Tag 1,32 bezw. 1,72 und 2,20 E

Es versteht sich bei der unendlihen Mannigfaltigkeit der ein- \{lägigen Verhältnisse von felbst, daß derartige Angaben nie mehr als einen ungefähren Anhalt zur Berechnung der Nahrungskofst en dar- bieten können.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage der Akademischen Verlagsbuchbandlung von _CTB. Mohr (Paul Siebeck) in Freiburg 1. Br. erschienen teinishe Stilübungen“ aus dem Nathlaß von Wilhelm Sigmund Teuffel, Profe}or der flassishen ologie in Tübingen, herausgegeben von Dr, Sigmund ffel, Professor am Gymnasium in Tübingen. Ladenpreis Stilübungen, welhe der Herautgeber Vaters veröffentliht, sind zum weit- aus größten Theil entstanden für die entsprechenden Uebungen des Tübinger philologis&en Seminars, soweit diefe Uebungen vom Verfasser geleitet wurden, und zwar während eines längeren Zeitraums. Das in den Anmerkungen Enthaltene it eine Auëwahl aus dem, was die Praxis ergeben hat oder auch was bei der mündlichen Behandlung ¡u berücksihtigen war. Der Umfang der literargeshichtlichen Studien des Verfassers hat es mit sih gebracht, daß er sih nit nur auf Cícero beschränkt, sondern auch das Vündige und Treffende von

an Eiweiß an Fett an Stärkemehbl

48,8 g

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a Phil e

u 3M 60 4, Diese aus dem Nawblaß seines

Schriftstellern der silbernen Latinität annabm. Zum Zweck der Ver-“

öffentlihung hat der Herausgeber die Stüde erst genau durgesehen und manche Unebenheiten ausgeglichen. Eine Prüfung des vorliegenden Buchs läßt erkennen, mit wel{er Sorgfalt und gediegenen Sach- kenntniß der verstorbene Professor Teuffel diese Stüccke zusammen- gestellt und für den bestimmten Zweck bearkbeitet bat. Ein beson- derer Vorzug ist, daß er Stücke aus unseren bedeutendsten Ge- \hihtswerken, den besten Biograpbien und Abhandlungen aus dem Gebiet der Kunst und Wissenschaft wählte, selbst ein Ab- schnitt aus einer medizinishen Abhandlung ist beigegeben, womit freilidó ein hoher Maßstab _an die Sprachfectigkeit der sich mit dem Uebersezen der Stücke Beschäftigenden gelegt wird. Die treffliche Lateinüberseßung, welche der Verfasser selbst beigegeben hat, erleihtert dem Schüler wesentli die Arbeit und giebt ihm Ge-

1) Etwas aus der Küche der Soldaten, der Gefangenen, der

Arbeitslosen u. \. w. Hamburg 1886. ; D e nährt a ih t und billig?“ Berlin, Mittler & Sohn.

legenheit, die von ihm verfaßte Ueberseßung mit der mustergültigen des Verfassers zu vergleichen, seinen Stil an demjenigen der lateinishen Uebersezung zu Üben, und die feinen Ueber- tragungen namentlich moderner Ausdrücke und Begriffe fennen zu lernen. Ausdrücke, wie Kontraste, Nüancen, Nationalcarakter, Generalsentenzen, Genie u. \. w. entsprehend im Lateinischen wieder- zugeben, ist befanntlich äußerst schwer ; ein eingehendes Studium der Teuffel’sben Uebungsftücke giebt Proben treffliher Ueberseßung der- artiger Worte und zeigt zugleih, wie man die sinngetreue Ueber- tragung aus dem Deutschen ins Lateinische und umgekehrt in zu- treffender Weise vornimmt. Zum Beweis für die Mannig- faltigfeit und die sorgfältige Auswahl betreffs der einzelnen Stüde secien hier einige Namen von Autoren genannt, deren Werken Teufel die betr. Uebungsabschnitte entnahm. Das But Leginnt gleich mit dem Anfang der griehishen Geschichte von Curtius, welche im Originaltert und daneben in mustergültigem Latein gegeben ist; Mommsen, Peter, Boissier, G. Freytag, Weber, Gervinus, Goethe, Prust, K. Fr. Hermann u. f. w. sind in bunter Reihenfolge vertreten und zeigen uns die Schönheiten und Eigenarten beider Sprachen in carakteristishen Proben. Dr. Sigmund Teufel bat ch entschieden cin Verdienst dur die Herauëgabe diefes nah- gelassenen Werkes seines Vaters erworben.

Die aus Anlaß der 59 jährigen Errichtung des Gutenberg-Denkmals zu Mainz von den vereinigten Mainzer Buchdruckern und Buchhändlern berauêgegebenen Gedenkblätter sind, wie die „Darmfst. Ztg.“ mittbeilt, auf einheit- lier Grundlage von 18 Mainzer Druereien hergestellt. Sie bieten in formeller Hinsit somit ein Bild der Leistungen der Mainzer Drack- firmen Naÿh der fünstlerishen Seite erfuhr die Festshrift durch zahlreiche Beiträge des als Illustrator hervocragenden Mainzer Künstlers P, Halm eine höchst werthvolle Bereicherung. Der in der grapvhischen Kunstanstalt von Karl Wallau hergestellte Umschlag schließt fich mit voller Treue an den Schöffer’shen Psalterdruck an. Neben der geschmadckvollen Ausstattung bieten die Gedenkblätter inbaltlih in buntem Wesel Beiträge Mainzer Schriftsteller. Der Fest-Gelegenheit ge- widmet, reihen si poetische Erzeugnisse an Rüblicke auf die Geschichte des Denkmals; taneben aber finden sih wissenshaftlihe Arbeiten von bleibendem Wertb, welche der Mainzer Druckunst und ihrer Entwickelung in alter und neuer Zeit gewidmet find. Die bochfeine Erscheinung des stattliben Bandes giebt demselben in der That das Anrecht, als würdige Leistung der Mainzer Drucffirmen und Vuch- bändler die Gedähtniffeier in die weitesten Kreise hinauszutragen.

Land- und Forftwirthschaft.

Zur Statistik der Provinz Hannover. (Ems- und Hase-Bl.) Das kürzlih erschienene, voin Königlichen Statistischen Bureau berausgegebene „Gemeinde-Lerikon“, welches auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 bearbeitet ift, bringt in seinem Heft IX Provinz Hannover ein reiches Zablenmaterial, von dem Einiges herauszuheben und überhaupt zusammenzustellen, immer- hin von Interesse ist.

Wichtig scheint uns vor allem Anderen mit Rücksicht auf die Bestrebungen unseres Landesdirektoriums, Aufforstung und Moor- fultur zu beben, das Zahlenmaterial, welches uns einen Begriff giebt von dem Verbältniß von Kulturflähe zu den Oedländereien, Zwar muß bei diesen Zahlen, wie der Vorbericht bemerkt, berücksichtigt werden, daß unter Ackerland niht die Gärten und unter Wiefenland nicht das Marsbland miteinbegriffen sind, aliein dieselben geben do mit dieser Einschränkung einen lebrreiben Ueberblick und zu Ver- gleihungen der Regierungsbezirke Anhaltsvunkte,

Die Provinz Hannover hat einen Gesammt-Flächeninhalt von

3 848 068 ha. Davon Aterland 1235 175 Wiesen . 498 165 103/19, Holzungen . 618 901 161/19, 2252241 = 584 9%. Die 414% betragende unkultivirte Fläche oder 159 827 ha vertheilen si auf die Regierungsbezirke folgendermaßen : Hannover Kult. 360859 Dedl. 210 785 ha Hildesheim „, 476211 2 55 887 , Lüneburg 608421 ADDOON Stade 5 297 253 2 DOL 980 Osnabrück „, 286418 B41 Aurich z 153 098 S und zwar Hannover ildesheim Lüneburg Stade

321/19,

. 82347 188 102 220 050

38 311

A. 210 746 W. 250 287 345 100 184 958 Osnabrüdck 134 910 58 21 83 219 Aurich 1001904 3033 , 6 871 Bei den Regierungsbezirken Aurich und Stade sind von der be- zifferten Oedflähe die Marschen mit sehr erhebliher Summe, bei Lüneburg auch nit unbeträchtlih in Abzug zu bringen, so daß unser Regierungébezirk Osnabrück fich denn leider dadur auêzeihnet, die größte Oedfläche zu besißen. Aurich und Stade bei Seite gelassen, tellt fich das Kulturland gegen Oedland annähernd bei Hannover wie 12 zu 7, Hildesheim 8 zu 1, Lüneburg (inkl. Marschen) 7 ju d, dagegen bei Osnabrück wie 4 zu ö. Zahlen entscheiden und reden deutli. Es zählt Osnabrück auf 100 ha 47 Einwohner, Aurich 68, Hannover §0 und Hildesheim 83. Es dürfte sich dar- nach doch wohl ernstlih empfehlen, daß für unsere Gegend in erster Linie Meliorationen ausgeführt werden; die fünf emsländischen Kreise Meppen, Aschendorf, Hümmling, Lingen und Bentheim haben bei einer Flähe von 399925 ha nur 122221 ha Kulturland = 31 9%/o, Kreis Bersenbrück bei 106 030 ha Fläche 61 652 ha oder 58 9/ Kultur- land, während die fünf osnabrüdtischen Kreise bei 123 605 ha Fläche 102 545 ha oder 83 9/0 Kulturland aufweisen. Von den eméländischen Kreisen stellt ich das Kulturland in Lingen auf 44s ?/o, Bentheim und A’Gendorf auf 30%, Meppen auf 29% und Hümmling auf 224 9% der Fläche.

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Gewerbe und Handel.

Nath den statistishen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller belief sich die Robeisenproduktion des Deutschen Reis (ein]chließlich Luxemburgs) im Monat Juli 1887 auf 326075 t, darunter 149413 t Puddelrokeisen und Spiegeleisen, 42491 t Bessemerroheisen, 91075 t Thomatê- robeisen und 43 096 t Gießereiroheisen. Die Produktion im Juli 1886 betrug 280347 t. Vom 1. Januar bis 31. Juli 1887 wurden vroduzirt 2174556 t gegen 1983515 t im gleichen Zeit- raum des Vorjahres. 5 : S

In der Generalversammlung der Aktionäre der West- holsteinishen Eisenbahn wurde die Bilanz und die Dechargirung der Direktion genehmigt und die Dividende der Prioritäts-Stamm- Aktien, wie vorgeschlagen, auf 45 °/o festgestellt. Die Mitglieder des Aufsichtsratbs, die Herren Kablke, Thomsen und Rathjens wurden wiedergewählt. 4 S

Dem Aufsichtsrath der Frankfurter Gütercisenba hn- Gesellschaft wurde über das Betriebsresultat dcs ersten Semesters vorgestern Bericht erstattet; nah demselben hat fi der Betrieb sehr günstig gestaltet. Während nämlich im Betriebsjahre 1886 (9 Monate) der Uebershuß im Ganzen 175 000 Æ betrug, wovon ca. 69 000 M ¡u Rücklagen und Abschreibungen verwendet wurden, ergiebt si pro 1. Semester cr. ein Ueberschuß von ca. 135 000 «4 Das Erträgniß des Monats Juli tellt si gleichmäßig günstig. Behufs nothwendiger Vermehrung der Betriebsmittel (es sind pro I. Semester ca. 110 000 Æ Kahnmiethen verausgabt), sowie TOEnng eines Oder- bafens in Breslau mit Schienengeleise 2c. ist die Erhöhung des Grundkapitals beschlossen; es soll eine Generalversammlung auf den 24. September cr. nah Breslau berufen werden.

Von Bremens Reishandel berihtet die „Nordsee-Ztg.“ : „Wenn vor etwa drei Wocben an dieser Stelle angeführt worden it, daß die bis dahin größte Seglerladung Reis, bestehend aus annähernd

35 000 Säten, mit dem englishen Shiffe „Bay of Panama“ für Rechnung von Hrn. R. C. Rickmers in Bremen bier von Rangoon angebracht worden sei, so sind wir jeßt in der Lage, berihten zu fönnen, daß für diese nämliche Firma gestern die größte, jemals von den Burmab-Reishäfen verschifte Seglerladung, bestehend aus 35400 Säcken oder reichlih 3500 Brutto-Tons Reis, mit dem englifchen Viermaster „Cawdor“ von Bafsein hier angekommen ist. Die An- fünfte so ungewöhnlid großer Seglerladungen Reis, mit ebenfo stolzen als folofsalen Schiffen, in Verbindung gebracht mit der ür Deutschlands Seehandel überaus wichtigen Thatsache, daß Bremens diesjähriger Reisimport während der ersten siebeneinbalb Monate nah den jüngsten statistishen Angaben den gleihperiodischen von Liverpool und London um das erbeblihe Quantum von 57 004 Tons bezw. 41 997 Tons wieder überflügelt und damit wieder, wie im Jahre 1885, Bremen die erste Stelle unter sämmtlichen Reismärkten der Welt einnimmt, führen unwillfürlih zu einem Rückblick auf Bremens Reisimporthandel während der leßten 10 Jahre Und da ift gleich seit 1878, im welwem Iabre die hier bereits altrenommirte Firma R. C. Riémers sich in Bremen etablirt hat, ein aanz erheblicher Aufi {wung in Bremens MReizimporthandel zu verzeichnen. Denn während dieser letztere im Mittel der vorbergehenden 5 Jahre, von 1874 bis 1878, nur 76 746 Tons jährlich betrug, beziffert 1ch derselbe im Jahre 1880 bereits auf 129 810 Tors und weist im Mittel der letzten 5 Jahre, von 1882 bis 1885, noch mehr als eine Verdoppelung des ersteren Dur&schnittäguantums, nämli 155 129 Tons Reis auf. Dabei mabt Bremens Reiéimport, wie bereits vorhin angegeben, aub in diesem Jahre wesentlihe Fortschritte; sind doch während der ersten ca. 8 Monate bis zum beutigen Tage \chon 1313 040 Säe alei ca. 131000 Tons Reis über Bremerhaven und bier angebracht worden, darunter allein für die Firma R. C. Rickmers in Bremen 612 935 Sâte Reis, Diese ebenso großartigen als auch für uns in den Hafenstädten an dec Unterweser hochst werthvollen und deshalb mit Recht hervorzuhebenden Resultate, auf die Bremen stolz sein fann, sind wieder einmal ein Beweis dafür, was die Thatkraft, Energie und Umsiht des Einzelnen zu {hafen und herbeizuführen vermag; selbst zu einer Zeit, wo es Bremen für nöthig erachtet, zur Erbaltung der Eristenz- und Konkurrenzfähigkeit eines sonstigen Handels und zur weiteren Hebung desselben 30 Millionen Mark für die Korrektion der Unterweser aufzuwenden, und wo der bislang größte Reisimvorthandel Livervools im Mittel der leßten fünf Jabre um 1723 Tons Reis gegen dessen jährlichen Durchschnittsimport von 1874—78 zurüdgegangen it.“

Nat dem Jahresbericht der Northern Pacific Eifen- babn betrugen während des am 30, Juni 1887 beendeten Jahres die Brutto - Einnabmen 12789448 Doll, eine Zunahme von 1058921 Doll. gegen das Vorjahr; die Betriebskosten 6 904 616 Doll, eine Zunahme von 748352 Doll. gegen das Vorjahr; die Netto-Einnahmen 5 884832 Doll., eine Zunabme von 310569 Doll.; andere Einnahmen 484280 Doll. Die Gesammt-Nettoeinkünfte bezifferten sich auf 6 379 112 Doll., eine Zunahme von 479 014 Doll. gegen das Vorjahr; die feststehenden Lasten bingegen betrugen 6 287044 Doll, eine Zunahme von 508 145 Doll.; Surplus 82068 Doll., eine Abnahme von 99 131 Doll. gegen 1885/86, Die Landverkäufe beliefen nch auf 310 355 Acres.

Leivzig, 24. August. (W. T. B.) Die während der bevors- stehenden Michaelis-Me ss e in den Räumen der Leipziger Börsen- halle abzubaltende Garnbörse wird Freitag, den 23. September ibren Anfang nehmen.

Antwerpen, 23. August. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten wurden 4149 B. Spdney-Wolle, davon 3098 B, verkauft, 1987 B, Melbucrne - WoUe, wovon 598 B. verkauft, 391 B. Adelaide- Wolle, hiervon 98 B. verkauft, 41 B, diverse Wollen, davon 26 B, verkauft Feît.

Mailand, 24. August. (W. T. B.) Die Einnabmen des italienishen Mittelmeer-Eisenbahnnezes während der zweiten Dekade des Monats August 1887 betrugen, nach provisorischer Grmiitelung, im Personenverkebr 1405 849, im Güterverketr 1772525, zusammen 3 178 375 Lire, gegen 3 103 987 Lire im gleichen Zeitraum des vorigen Jahres, mithin mebr 74 387 Lire.

St. Petersburg, 23. August. (W. T. B.) Durch ein heute veröfentlihtes Gesey werden Getreidesäde, welde in den Häfen des Schwarzen- und Asowschen Meeres eingeführt werden, um im laufenden Fabre zur Ausfuhr von Getreide auf dem Wa/!erwege zu dienen, für zollfrei erflärt, jedoch unter Zollkontrole gestellt.

New - York, 22. August. (W. T. B.) Weizen - Ver- ihiffungen der leßten Woche von den atlantisben Häfen der Vero einigten Staaten nah Großbritannien 215 000, do. nach Franfk- rei 28 000, do. nah anderen Häfen des Kontinents 84 006, do. von Kalifornien und Oregon na Großbritannien 45 000, do. na anderen Häfen des Kontinents Qrts.

23, August. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Wothe ausgeführten Produkte betrug 6241 345 Doll., gegen die Vorwoche 6 769434 Doll.

Submissionen im Auslande.

E Sftälten.

1) 15. September. Direktion der Sardinischen Eisenbahnen in Rom: 30000 Stück Schwellen aus Steineichenholz;

ferner in Aussicht stebend:

Bei der Direktion der Adriatishen Eisenbahn in Florenz:

29) 8054 m Stablschienen für die Strecke Ponto Bcenta— Poiana, Linie Feschiera— Venedig. Voranschlag 215 000 Lire.

Bei der Direktion der Mittelmeerbahn in Mailand:

3) 17928 m Eisenschienen Modell L nebst zwei Weichen - stellen Modell 2, für die Linie Novara—Gozzano. Voranschlag 439 000 Lire.

4) Ebendort: Auëftattung von Schwellen- Material mit eisernen Unterlagen (piastre di fondo) auf verschiedenen Linien. Voranschlag 240 990 Lire. :

5) Projekt einer Drahtseilbahn von Piazza Monte- santo in Neapel nach dem Vomero.

6) Bau eines neuen Irrenhauses in Bergamo. Vor- ans{lag rund 1 Million Lire.

Náheres bei den Sekretariaten der Provinzial-Deputationen in Mailand, Brescia, Como und Bergamo.

II. Niederlande.

1) 5. September, Mittags 12 Uhr. s Ryks Centraal-

Magazyn van Militaire Kleeding, Uitrusting enz zu Amsterdam. Lieferung von zugeshnittenem Oberleder und Sohlen für 5009 Paar Stiefel.

Bedingungen im genannten Magazyn für 50 Cts. fäufli.

9) 8. September, Nahm. 1 Uhr Magistrat zu Enkbuizen, Provinz Nord-Holland, im Naadhuis daselbt, Lieferung einer eisernen Hafenlaterne auf dem südlihen Hafendamm. Bedingungen käuflich für 1 Fl. in der Gemeente Secretarie zu Enkhuizen.

3) Lieferuag von :

12 400 kg Superphosphat und 8400 „, Ammoniak-Superphospbat.

Auskunft ertheilt Herr F. A. Rovers zu Steenbergen (Provinz

Nord-Brabant ).

Verkehrs - Anstalten.

Dem kürzlih erschienenen statistishen Bericht über den Betrieb der unter Königlich sächsisher Staatsverwal- tung stehenden Staats- und Privateisenbabhnen im Jabre 1886 zufolge betrug die Bahbnlänge der sächsischen Staatsbabnen 9265,99 km, wovon 196,75 km im Auslande lagen; 1499,00 km waren ein-, 766,55 km zwei- und mehrgleisig, 1629,84 km im Voll- betrieb, 636,15 km im Sekundärbahnbetrieb. Angekauft wurden die Gashwitz-Meuselwißer Privateisenbabn mit 27,83 km Länge und die vormals Dr. Heine'shen Gleisanlagen bei Leipzig. Im Sekundärbahnbetriebe standen die \chmalspurigen Strecken : Wilkau—Saupersdorf mit 10,05 km, Hainsberg—Kipsdorf mit