1908 / 10 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

plaz—Alexanderstraße—Münzstraße—Kaiser Wilhelmftraße— Schönhauser Tor—Schönhauser Allee (Bornholmer Straße) beabsichtigt, das Enteignungsrecht zur Entziehung und dauernden Beschränkung des für diese Fortsezungslinie in Anspruch zu nehmenden Grundeigentums verleihen. Die ein- gereihte Uebersichtskarte folgt anbei zurü. Cadinen, den 9. Oktober 1907. WilhelmR. Breitenbach.

An den Minister der öffentlihen Arbeiten.

Auf Jhren Bericht vom 21. Dezember 1907 will Jch dem Kreise Schmiegel im Regierungsbezirk Posen, welcher die Genehmigung zum Bau und Betriebe einer Kleinbahn von Wielihowo nah Rakwiy erhalten hat, das Enteignungs- recht zur Entziehung und zur dauecnden Beschränkung des für diese Anlage in Anspru zu nehmenden Grundeigentums ver- leihen. Die eingereichte Karte erfolgt zurü.

Neues Palais, den 30. Dezember 1907.

WilhelmR. Breitenba ch. An den Minister der öffentlichen Arbeiten.

Auf Jhren Bericht vom 23. Dezember d. J. will Jh dem Kreise Reichenbach im Regierungsbezirk Breslau, welcher den Bau einer Chaussee von Seherrswaldau über Olbersdorf und Prauß bis zur Kreischaussee Pilzen—Lauterbach bei Nieder- Langseifersdorf beschlossen hat, das Enteignungsrecht für die zur Ausführung dieses Baues erforderlichen Grundstücke verleihen. Die eingereihte Karte folgt zurü.

Neues Palais, den 30. Dezember 1907.

Wilhelm R. Breitenbach. An den Minister der öffentlihen Arbeiten.

Finanzministerium. Königliche Generallotteried irektion.

BetañnutmaGunta Jn Gemäßheit des Art. 1 des Staatsvertrages zwischen S euen und Waldeck vom 22. April 1907 (Geseßsamml. 1908 S. 1) ist fortan die Königlich Preußische Klassenlotterie auch in den Fürstentümern Waldeck und Pyrmont ausschließlih zugelassen. j Die Geschäfte der Generallotteriedirektion für das Gebiet der Fürstentümer habe ih in dem in meiner Bekanntmachung vom 1. April 1906 bezeihneten Umfange der Geschäftsstelle der Königlich Preußischen Generallotteriedirektion in Darmstadt übertragen. Berlin, den 9. Januar 1908. Der Präsident E der Königlich Preußischen General!otteriedirektion. Dr. Strußg.

Ministerium des Jnnern.

Dem Landrat Dr. Freiherrn von Zedlig und Ne u- kirch ift das Landratsamt im Kreise Waldenburg übertra gen

worden.

Minifterium der r d Unterrichis- und

Medizinalangelegenheiten.

Dem Dozenten Dr. phil. Karl Déguisne in Frank- furt a. Main i} das Prädikat Professor beigelegt worden.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen, Berlin, 13. Fanuar.

Seine Majestät der Kaiser und König besuchten, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern vormittag den Reichskanzler Fürsten von Bülow und hörten darauf im Königlichen Schlosse den Vortrag des Chefs des Marinekabinetts, Vizeadmirals von Müller. gee vormittag sprahen Seine Majestät bei dem Reichskanzler Fürsten von Bülow und dem Staats- sekretär des Auswärtigen Amts von Schoen vor.

Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Verkehr sowie die vereinigten Ausshüsse für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rehnungswesen hielten heute Sizungen.

Oesterreich-Ungarn.

Das ungarische Abgeordnetenhaus hat gestern, O E La e Ausschuß von 21 Mitgliedern zum Studium der Bankfrage gewählt, in dem Graf Theodor Batthyany zum Präsidenten und der Abg. Hollo zum Berichterstatter bestellt worden sind.

Frankreich.

Infolge der marokkanischen Ereignisse hat gestern beim Ministerpräsidenten eine Konferenz stattgefunden, an der der Kriegsminister, der Finanzminister und der französishe Gesandte Regnault teilnahmen. Die Minister erórterten, „W. T. B.“ zufolge, eingehend die Lage sowie die etwaigen Schußmaßnahmen, welhe die Sicherheit der Europäer in Rabat und in allen jenen

afenstädten erfordern könnten, in denen nah der Algeciras- Ft Frankrei die Polizei auszuüben hat. Der französische Vertreter in Rabat wurde telegraphisch um genaue Auskunft ersuht. Endgültige Beschlüsse werden erst nah dem Eintreffen dieser Auskünfte gefaßt werden.

Rußland.

Der Ministerrat hat, laut Meldung des „W. T. B.“, das provisorishe Ausgabebudget für die Monate Januar,

Ftalien.

Der Minister des Auswärtigen Tittoni hat vorgestern eine Depesche des Residenten der Kolonie Benadir erhalten, in der dieser, der „Agenzia Stefani“ zufolge, berichtet, keine direkten Nachrichten über den Zwischenfall bei Lugh zu haben. Durch einen besonderen Kundschafter habe er aber folgende Mitteilungen erhalten, die auch von einem Ver- wundeten bestätigt würden, der an dem Zusammenstoß teil- genommen habe: : / Der Kampf zwischen den Askaris des Hauptmanns Bongiovanni und den Abesfiniern habe am Morgen des 15. Dezember in Bagallei bei Bardabe stattgefunden, zehn Wegstunden von Buracaba. In diesem Gefechte seien der Hauptmann Bongiovanni, zwei eingeborene Unteroffiziere und eine kleine Zal Askaris getôtet worden. Die übrigen hätten in zwei Abteilungen den Rückzug angetreten, die eine na Lugh, die andere mit dem Hauptmann Molinari nach einer anderen Richtung. Segre, der Vertreter der italienischen Kolonial- gesellshaft, halte Lugh, wohin fünfzehn Askaris ih zurückgezogen bätten. Die Abessinier seien, wie in Burac_ba versihert werde, nah Norden zurückgegangen. j E

Nah einem gestern in Nom eingetroffenen Telegramm des italienishen Ministerresidenten in Addis-Abeba an den Minister des Aeußern hat der Negus Menelik, wie das „W. T. B.“ meldet, auf den formellen Protest der italienishen Regierung wegen des Zwischenfalles bei Lugh und auf die Forde- rung von Genugtuung erklärt, daß er die Vorkommnisse, von denen er nihts gewußt habe, auf das tiefste bedauere. Er ver- sichere die italienishe Regierung von neuem seiner Freundschaft und Loyalität und sei bereit, volle Genugtuung zu gewähren. Die Verantwortung treffe allein die Häuptlinge, die auf eigene Faust und gegen seinen Willen gehandelt hätten und exem- plarish bestraft werden sollten. Auch werde er sofort Maß- nahmen treffen, um alle Abesfinier, die sich noch bei Lugh oder im Hinterlande von Benadir befänden, zum Rückzug zu veranlassen.

Türkei.

In einer vorgestern stattgehabten Versammlung der Botschafter bei dem Doyen Freiherrn von Marschall wurde eine Kollektivnote vereinbart, die nah ihrer D E sofort der Pforte übergeben wurde. Jn der Note ist na ) einer Meldung des „K. K. Telegraphen-Korrespondenzbureaus“ kurz und entschieden erklärt, daß die Mächte an dem Verlangen bezüglih der Verlängerung der Mandate der Reform-

organe festhalten. Norwegen.

Die Storthingsession ist gestern eröffnet worden. Zum Präsidenten ist, „W. T. B.“ zufolge, der bisherige Präsident Berner, zum Vizepräsidenten der bisherige Vizepräsident Knudsen wiedergewählt worden. Die feierlihe Eröffnungs- sißung, an der auch der König teilnehmen wird, findet heute statt.

Asien.

Das persishe Parlament hat gestern eine nit öffent- lihe Sißzung zur Besprehung der Beziehungen zwischen Regierung und Parlament und der Lage an der türfkish-persishen Grenze abgehalten. Die Beziehungen zwischen der Regierung und dem Parlament sind, nach einer Depesche des „Reuterschen Bureaus“, wieder un- befriedigend. Auch die: politischen -Klubs beginnen sih wieder zu rühren und verlangen ¿die Erfüllung der vom Schah am 22. Dezember v. J. gegeb/nen Versprechungen. Sie werfen dem Gouverneur und der N der Hauptstadt ihre Un- tätigkeit in bezug auf die Verfolgung verschiedener Mordtaten vor und willen die Einrichtung einer Munizipalgarde und eines ständigen Nachtdienstes.

Afrika.

Wie offiziell bestätigt wird, ist der Sultan Abdul Asis abgesezt und Mulay Hafid am 4. d. M. in der Moschee von Fes zum Sultan profklamiert worden. Der Grund der Absezung Abdul Asis' ist, der „Agence Havas“ zufolge, seine Haltung gegenüber den Europäern und Frankreich. Abdul Asis wird beschuldigt, das Eindringen der Christen in das marofkfanishe Gebiet geduldet zu haben und mit ihnen-wegen der Organisation der Polizei, die den maroffa- nishen Ueberlieferungen und Gebräuchen widerspreche/, im Einvernehmen zu stehen. Die Proklamation Mulay Hafids zum Sultan hat nah einer Versammlung der Vorsteher der Stadtteile von Fes stattgefunden. Die Schorfas (Theologen), die der Verjammlung ferngeblieben waren, wurden unter Drohungen gezwungen, die an Mulay Hafid ge- richtete Botschaft zu unterzeichnen. Die _ Proklamation stellt als Bedingungen: erstens Einstellung der Steuerzahlungen und zweitens Aufhebung jeglichen Verkehrs mit den Europäern, soweit dieser nicht durch Gebräuche und Verordnungen vor- geschrieben sei. Nachrichten aus Larrash zufolge ist Mulay Hafid am 4. Januar auch in Mekines von der Bevölkerung und den Notabeln zum Sultan ausgerufen worden. Obiger Quelle zufolge ist der heilige Krieg erklärt worden.

Nach einer Mitteilung, die El Mokri einem Bericht- erstatter durch seinen Dolmetsher hat machen lassen, dürften die Ereignisse von Fes die Eng: Suronas und besonders Franfkreihs niht ändern. Abdul Asis verträte die Sache der Bivilisa!ion; er wolle die von Europa für nötig erachteten Reformen entsprechend dem Abkommen von Algeciras ver- wirklichen. Europa könne ihn niht im Stich lassen.

Der General d’Amade hat, wie das „W. T. B.“ meldet, am 9. d. M. die Kasbah Fedala, nördlich von Casablanca, besezt und dann seinen Marsh nah Norden soreets, um das auf halbem Wege nah Rabat liegende Bumika zu besegen. Nach einer Meldung des Generals Liautey haben die Beni Snassen mehr als die Hälfte der Geldstrafen entrichtet. Auf die Bitten vieler einge- borenen Notabeln hat der General den Rest der Strafen er- lassen und* die Wiederaufnahme der Feldarbeiten sowie den freien Marktverkehr mit dem Vorbehalt gestattet, daß im Falle der geringsten Feindseligkeit volle Zahlung gefordert werden würde. Die Abnahme von Waffen und Munition dauert indessen fort.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die vorgestrige Sißung des Reichstags befindet sih in der Erstcn und Zweiten Beilage.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding und der Staatssekretär des Aus: wärtigen Amis von Schoen beiwohnten, standen die in Brüssel am 16. Oktober 1907 mit Belgien und die in Rom am 9. November 1907 mit Jtalien abgeschlossene Uebereinkunft, betreffend den Schuß an Werken der Literatur und Kunst und an Photographien, zur ersten und eventuell zweiten Beratung. É : 4 Abg. Detto (nl.) gab der Befriedigung über das Bemühen der Neichéregierung Äutdruck, daß sie es sih fortgefeßt an- gelegen sein läßt, auch den Schuß des geistigen Eigentums zu sichern und zu fördern. Leider besteze zwishen Rußland und Holland überhaupt noch kein sclher Vertrag. Mit den Vereinigten Staaten bestehe zwar ein Uebereinkomm-n, doch sei dieses nah der Ansicht des Deutshen Verlegertages durhaus unzulänglih. Solche Verbältniffe täten natürlich der ehrlichen Arbeit großen Schader durch das Freibeutertum, das sid in folhen Ländern zu entwideln pflege. Es sei deshalb nur zu wünschen, daß die Reichs. regierung mit jznem Staat in neue Verhandlungen eintrete.

Damit {loß die erste Beratung; in zweiter Lesung wurden die beiden Konventionen in ihren Einzelbestimmungen ohne Diskussion genchmigt.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten überwies in der heutigen (9.) Sißung, welcher der Finanzminister Freiherr von Nheinbaben, der JZusiizmigster Dr. Bésékor, der Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach, der Minister des Jnnern von Moltke und der Minifter der geistlihen, Uuterrihts- und Medizinalangelegenheiten Dr. Holle beiwohnten, die allgemeine “Rechnung über den Staatshaushalt für das Etatsjahr 1904 und die Rechnung von den Verwaltungseinnahmen und -ausgaben der Preußischen Zentralgenossenshaftskasse für 1904 owie die Uebersiht von den Staatseinnahmen und -ausgaben für das Etatsjahr 1906 nebst der Uebersicht von den Verwaltungs- einnahmen und -ausgaben der Preußischen Zentralgenofsen- schaftsfasse für dasselbe Etatsjahr der Rehnungskommiffion und trat dann in die erste Beratung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1908 ein. S : Zunächst nahm der Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach - das Wort, um mit Rücksicht auf die außer- ordentliche Bedeutung des Etats der Eisenbahnverwaltung für den gesamten Staatshaushalt einige Erläuterungen zur finanziellen Lage der preußifchen Staatseisenbahnen zu geben. Seine Rede wird morgen im Wortlaut wiedergegeben werden. Nach dem Minister sprach der Abg. Freiherr von Zedlig und Neukirch (freikons.).

(Schluß des Blattes.)

Hollweg, der

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Durchschnittspreise der wihtigsten Lebens- und Futtermittel im Monat Dezember 1907

betruzen in Preußen nach der „Stat. Korr.“ für 1000 kg: Weizen 212 (im A L 1907 221, im Dezember 1906 172) „#, Roggen 198 (203 bezw. 158) M, Gerfte 170 (173 beziw. 159) #, Hafer 167 (173 bezw. 160) 4, gelbe Erbfen zum Kochen 264 (263 bezw. 245) 4, weiße Speisebobnen 308 (312 bezw. 314) 4, Linsen 560 (557 bezw. 580) Æ, Efßkartoffeln 61,8 (60,7 bezw. 52) 4, Richtstroh 53,2 54 bezw. 48,8) #, Heu 72,5 (71,3 bezw. 52,4) 4, Rindfleisch im roßhand?:l 1232 (1267 beiw. 1298) Æ; im Kleinbandel für 1 kg: Rindfleish von der Keule 1,61 (1,62 bezw. 1,66) #, vom Bauche 1,37 (1,37 bezw. 1,41) A, Schweinefleish 1,51 (1,53 bezw. 1,63) 4, Kalbfl:isch 1,62 (1,64 bezw. 1,67) 4, Hammelfleish 1,58 (in den beiden VergleiW8monaten 1,59) #4, inländischen geräucherten Speck 1,70 (1,72 bej¡w. 1,84) A, Gßbutter 2,58 (2,58 bejw. 2,55) #4, in- lândishes Schweineshmalz 1,66 (1,67 bezw. 1,79) #4, Weizenmehl zur Speisebereitung 37 (38 bezw. 31) 4, Roggenmehl 33 (33 bezw. 27) A, für 1 Shock Eier 5,92 (5,12 bezw. 5,60) E Die Preise der vier Getreidearten haben im Dezember v. J. fast überall nachgegebèn. Eine Uebersicht der Preisbewegung im verflossenen Jahre zjeigt, daß im Durchschnitt der 23 bedeutendsten

p ishen Märkte BAE 1000 kg

Ht Weizen Roggen Gerste Hafer E 159 159 164 E Or 166 160 171 E 168 161 175 E 172 164 180 A 192 170 192 206 200 173 197 206 199 174 196 208 T e e Gt «218 193 17: E. s O 201 2 172 E . . . ZeL 203 178 173 E i A 198 170. 167 Mark kosteten. Die Preise der verschiedenen Fleischsorten sind während des Monats Dezember im allgemeinen in ihrer rückläufigen Bewegung verblieben.

Die jugendlichen Verbrecher in Preußen 1895—1905. Dem Tatorte nach wurden in Przußen wegen Verbrechen und Vergeben gegen die Reichsgeseße jugendliche, d. h. zur Zeit der Tat 12 bis unter 18 Jahre alte Personen rechtékräftig verurteilt*) im Jahre überhaupt männliGße weibliche 1895 26 644 22 133 4511 1896 26 007 21 683 4 324 1897 26 280 21 711 4 569 1898 217 993 23 596 4 397 1899 27 820 23 429 4 391 1909 28 903 24 439 4 464 1901 30 007 25 262 4745 1902 31 002 26 109 4 893 1903 30 088 25 329 4 759 30 363 25 502 4 861 31 295 26 499 4 796.

Im Zeitraume 1895/1905 hat uh _hiernah die Zahl der ver- urteilten Sa überhaupt um 17,5 v. H., in den Jahren 1900/05 um 8,3 v. H. und ven 1804 auf 1905 um 3,1 v. H. M mehrt. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der wegen Verbrechen uns Vergehen gegen die Reichsgeleße Verurteilten ift vcn 92 Tausend teilen im Jahre 1895 auf 96 im Jahre 1905 gestiegen. Bei e männlihen Jugentlihen war die Zunahme der Verurteilten viel L deutendex als bei den weiblichen; die männlichen machten im Ja L 1895 83, im Jahre 1905 hingegen 85 vom Hundert aller jugendliche

erurteilten aus. E, f Ein wesentlich zutreffenderes Bild von der Kriminalität e Jugendlichen erbält man, wenn die Zahlen vorstehender Ueberfidt s dur die Volkszählung ermittelten Gesamtzahl der jugendlichen Stra mündigen degticikergeitelié werden.

*) Vergl. Statistik des Deutschen Reis, Kriminalftatistik für

ren und März 1908 im Betrage von 642 975 579 Rubeln estätigt.

Jn der fav 78. Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern Dr. von Bethmann

die Jahre 1895 bis 1905.

Es wurden rechtskräftig verurteilt von je 100 000 jugendlichen strafmündigen Zivilpersonen E in der Provin überbaupt männlichen weiblihen

n DEE Ì 1895 1900 1905 | 1895 1900 1905 | 1895 1900 1905 Ostpreußen. . 764 735 751] 1277 1257 1248| 953 212 248 Westpreußen . 941 919 858] 1581 1524 1427| 295 511 284 Stadtkreis

Berlin . . . 1086 1045 959 | 1822 1736 1640| 428 426 346 - Brandenburg. 743 666 672] 1195 1094 1132| 281 234 213 ommern .. 748 659 684] 1276 11083 1145| 206 196 209

890 854 762] 1425 7462 1281| 279 249 240

«.. 812 752 7471 1337 1239 1243| 289 266 253

Sasfen ... 777 804 700] 1222 1315 1141| 324 284 254 S{leswig-

Holstein .. 463 407 4991| 749 635 793| 170 171 196 Hannover. .. 584 569 514] 971 964 853| 184 163 166 Westfalen .. 450 555 607] 753 938 1029| 129 142 159 Hefsen-Nafsau 604 540 5351 1006 967 975 |* 203 118 986 Rheinland .. 522 646 7231 887 1132 1262| 149 149 178 Hohenzollern. 335 303 240] 562 585 464| 117 26 826 im Staate 693 696 692] 1145 1169 1167| 236 216 213.

Hiernach hat sich im Gesamtstaate diz Kriminalität der Jugend- lien überbaupt von 1895 auf 1900 etwas vershléchtert, von 1900 auf 1905 aber verbessert, und zwar so, daß sie im legten Berichts jahre noch ein wenig geringer als im ersten war. Insbesondere der Bruchteil der männlichen VBerurteilten jugendlihen Alters hat h, nachdem er 1895—1900 stark in die Höbe gegangen war, 1905 etwas vermindert, war aber in diesem Jahre noch erheblich größer als im Zahre 1895; dagegen ist die Kriminalitätsziffer der weiblihen Jugendlihen im Zeitraume 1895—1900 ret beträhtlih und auch von 1900 auf 1905 weiter, wenns{on weniger bedeutend, gesunken. Auf die Bewegung der Kriminalität der Jugendlihen im legten Jahrfünfte scheint das im Jahre 1901 in Kraft getretene Gesetz über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger vom 2. Juli 1900 w!e auch die zunehmende Anwendung des bedingten Strafaufshubs nit :ohne günstigen Einfluß gewesen zu sein.

In den östlichen Landesteilen findet man im allgemeinen höhere Kriminalitätsziffern der Jugendlichen als in den westlihen. Während sie aber in jenen in der Bericht8zeit fat durchweg gesunken sind, ist in mehreren Gebieten des Westens, und zwar in Scchleswig- Holstein, Westfalen und Rheinland, das Umgekehrte der Fall; namentli unter den männliten FJugendlihen der überwiegend induftriellen Provinzen Rheinland und Westfalen hat das Verbrecher- tum stark zugenommen, sodaß die Rheinprovinz im Jahre 1905 die vierthöhste, im Jahre 1895 hingegen noh die viertlezte Ziffer aufwies. Anderseits ist in S{leswig- Holstein ungeahtet ter ers wähnten Hâufigkeitssteigerung die Kriminalität der Jugen*lihen männlihen Geshlechts nähst den Hohenzollernshen Landen noch immer am geringsten in Preußen. U-z-beraus günstig war in Hoben- ¡zollern und Hessen-Nassau die zifffermäßige Bewegung der Ver- urteilungen weibliher Jugendlichen. Bei weitem die größte Hâäufigs keit der verurteilten männlichen wie weiblihen Jugendlichen tritt in der Berichtszeit in Berlin hervor; es folgen bei den männlihen Jugend- lihen Westpreußen und Posen, bei den weiblichen seit 1900 West- Pienen So Safen) und sodann mit einander ziemli§ gleihen Ziffern Sathsen (1895 Westpreußen) und Stlesien. (Stat. Korr.)

* Zur Arbeiterbewegung.

Der frühere preußische Minister für Handel und Gewerbe, Staatsminister Freiherr von Berlepfch bat \i§, wie biesige Blätter melden, bereit erklärt, den Vorsitz in der am 27. Januar d. F M Leipzig z¡usammentretenden Schlihtungskommission der Zentralvorstände des Arbeitgebershußverbandes und des deutschen Holzarbeiterverbandes zu übernehmen. Es handelt sich um die Erneuerung von 32 Tarifverträgen in ebensoviel

Städten. :

Die Patzenhofer Brauerei, Aktiengesellshaft, teilt mit, daß die der „Post“ entnommene Meldung, betreffend die Arbeits, einstelung der in ihrer Abteilung Spandau mit der Eis- gewinnung beschäftigten Arbeiter (vgl. Nr. 7 d. Bl.) nit zutrifft. Die betreffenden Arbeiter erhalten nah wie vor täglich 3,90 G und 1 1 Bier, sodaß also eine Lohnkürzung nit eingetreten ist. Außerdem trägt die Abteilung Spandau noch die vollen Beiträge zur Kranken- und Invaliditätsversiherung, was umsomehr in Betracht B, als die Eisgewinnung în Spandau teurer n ae Tui

erlin.

_ Die {on seit längerer Zeit in den Kreisen der bei den Leip- ziger Rechtsanwälten beshäftigten S chreiber und sonstigen Angestellten tätige Agitation zum Zwecke der Organisation dieser Berufe und der Aufbesserung ihrer wirtschaftlihen. Lage bat es, wie die „Lpz. Ztg“ berichtet, erreitt, daß die Anwalts- gehilfen jeßt zum zweiten Male in eine Lohnbewegung einge- treten sind. Sie fordern hauptsächlich den Abschluß s\chrift- licher Lehrverträge mit den Lehrlingen, in denen die Lehrzeit auf genialiens zwei und höchstens drei Jahre festgelegt werden soll.

eiter fordern sie für die Gehälter einen Mindestsaß, der nit unter- boten werden darf. Dieser Mindestsaß beträgt monatli 20, 30 und 40 Æ für Lehrlinge im ersten, zweiten und driiten Lebrjahre, 50 bis 100 Æ für Gehilfen, 125 bis 150 A für Bureauvorsteher. Der Gebalt foll halbmonatlih ausgezahlt werden, die täglihe Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten, Ueberstundenarbeit mit einem ents sprechenden Zuschlag bezahlt, an den Sonnabenden die Bureauzeit früher ges{lofsen werden usw. Am morgigen Dienêtagabend werden mib orderungen Gegenstand einer großen öffentlichen Versamm- ung sein.

Die Lohnbewegung, die seit Anfang dieses Jahres in der Stutt- garter Möbelinduftrie bestand, ist, der „Köln. Ztg.“ zufolge, in friedliher Weise beendigt und ein neuer Vertrag zwi{h:n Arbeit- gebern und Arbeitnehmern abge\chlofsen worden.

Die in Hamburg gepflogenen Einizungsv?rhandlungen zwischen den [okalorganisierten und den zentralorganisi-rten Bauarbeitern sind, wie eW. T. B." meldet, gescheitert. Eine Versammlung der lokalorganisierten Bauarbeiter bat die Einigungsbedingungen des Ber- liner Kongresses abgelehnt.

Kunft und Wissenschaft.

p; Im Kupferstihkabinett ist eine neue Ausstellung von Radierungen, Holzschnitten und Litbographien eröffnet worden. Der große Führer des französishen Impressionismus Edouard Manet ist mit einem farbigen Blatt, einen Pierrot darstellend, vertreten. Von zarrièóre finden wir eine Reihe Porträts, die in weicher ver- [chwommener Helligkeit aus tiefem Dunkel ungewiß hervorl-uhten, bon Steinlens Drucken ist besonders der ruhende Maädchenakt ge- lungen. Camille Pisarros Sohn Lucien, der in London lebt, läßt in seinen farbigen Holzschnitten erkennen, was er von den Engländern, unter anderen von Walter Crane und Beardtley, gelernt hat. Ein weibliher Rückenakt von Fautni- Latour, der erft in seiner Spât- zeit fich mehr und mehr der Lithograpbie zuwandte, ift von großer artbeit der Kontur und raffinierter Modellierung in den bellen lâhen. Der Schwede Anders Zorn hat sein in der Nationalgalerie Fefindliches Bild „Maja* radiert, Larsson schildert Szenen aus einem Hause, die allerdings trocken und nit so geistreih wie die all- geannten Blätter aus dem köstlihen Werke „bet hem* wirken. Suderst malerisch sind die Farbdrucke von Carlos Grethe: hiffe im Regensturm, die sich durh {were See mühsam durh- ¿ ten. ermann Gattiker ftrebt mehr nah einfacher, raum- lherer Komposition und großer Linie. Alle überflüssige gziaffage ist verbannt, nur die charakteristishen Züge einer ndschaft Holt er heraus und erreiht so einen vornehmen ruhigen Gesamteindruck. Von Fnges find ein paar seltene, in G uktion Mohrmann erworbene Blätter ausgestellt. mil Orliks japanis§e Reiseerinnerungen, die als Farbdrucke in em Max Lehrs zugeeigneten Album vereinigt sind, würden felbst

einem japanisGen Künstler alle Ehre mahen. Au zwei neue Namen finden wir unter der Neihe der bekannten Größen: Olaf Lange und Adolf ShHinnerer. Besonders der Leßtere hat mehrere fränkische Landschaften radiert, Landstraßen, Brücken, Gehöfte, die in ihrer schlihten, sahlihen Vortragsweise wahr und echt deut{ch wirken. Die Reise des jungen Tobias, ein Zyklus von Blättern ‘von demselben Künstler, erinnert an Hans Thoma. Wenig Eindruck magen die Engländer; ein kleinlicher, fahriger Zug geht fast dur alle Bläiter, der unheilvolle Einfluß Whistlers scheint nicht ernten JE wollen. r. Sch—Kk.

v. A. Der Gurlittsche Kunstsalon läßt in seiner neu- eröffneten Auéstellung drei Künftlerinnen zu Worte kommen. Alice Trübner aus Karlsruhe gehört \hon zu den bekannten Ecscheinungen im Berliner Ausftellungsleben. Sie ift hier mit einer Anzahl ibrer farbentiefen, breit und kräftig beruntergemalten Stilleben und au mit einigen Landschaften vertreten. Besonders in letzteren tritt die Wesensverwandtshaft ihrer Bilder mit denen ihres Gatten in ganz frappanter Weise zutage. Diese Verwandtschaft geht fo weit, daß ein von dem Künstlerpaar gemeinsam gge- maltes Bild wie aus einem Guß -erscheint. Verschieden ist bei beiden die Wahl der Motive. Nur ausnabmsweise wird Alice Trübner durch irgend einen Naturaus\chnitt gefesselt; was sie in Waßhrheit interessiert, sind Farbenharmonien in den Innenräumen, satte, gedämpfte Töne, die sie weich und mitunter wirkli mit er- lesenem Geshmack gegeneinandec abjustimmen weiß, Stilleben von größter Einfachkeit des Arrangements, aber apart in dem Zusammen- klang der Farbennuancen. Wilbelm Trübner seinerseits sieht diesen Reichtum an farften und berrlihen Farben gerade in der Natur, in dem Kortrast von dunkelgrünem Laub gegen weihen, grauen Wolkenhimwel. Er ift zweifellos die ungleih selbständigere und zu- glei \chöpferishe Natur, aber Alice Trübner ist seine gelehrige, ver- ständnisvolle Schülerin, die in das, was sie von ihm gelernt hat, einen Ton von eigener Bedeutung zu bringen wußte. Charlotte Ozen hat gleihfalls eine gute Shulung binter sit, fie hat bei Artbur Kampf gelernt. Aber sie erscheint wobl selbständiger als Alice Trübner. Sie geht nicht auf in der Art ihres Lehrers, ahmt ihm nicht nach. Man fühlt in der sanften Klarheit ein eigenes, starkes Erleben, das nab bescnderem Ausdruck ringt. Von \chöner, ruhiger Wirkung sind die Raumverhältnifse ibrer Bildnisse. Sie gibt die darge- stellten Persönlichkeiten in ihrem Milieu, ohne dies Milieu auf- dringlich zu betonen Es s{wingt nur mit in der feinen, leisen Charakteristik, die se den Menschen zu geben weiß. Ihre Farben find matt urd zart und werten in threr milden Gesamt stimmung nicht oft von einem stärkeren Ton unterbrochen. Sie erinnert darin ein wenig an nordishe Künstler, die auch dies leise Vershleiern ter Dinge und Menschen lieben, von denen trogdem ein ungewöhnlih starkes, lebhaftes Bild in uns zurückbleibt. Weniger glücklich wirkt neben diesen beiden Künstlerinnen die dritte, Bertha Scharfen- berg-Kalkhof, die in einer Reihe von Aquarelen Heite- stimmungen festzuhalten sucht. Das formlos Vershwommene dieser Blätter, in denen jede festere Zeichnung fehlt, läßt einfach irgend eine Art von Stimmung nicht auskommen, denn weih ineinander ver- wishte, harmonishe Farbentupfen können wohl für einen Augenblick das Auge befriedigen, vermögen aber keinen Stimmungsreiz au8zulssen. Von vielen dieser Aquarelle weiß man einfa niht, was se vorstellen sollen; man ist {on glücklich, wenn man eine Baumform oder eine Hügelkette zu untersheiden vermag. Bei der zweifellos vorhandenen foloriftishen Begabung der Malerin würde sie gewiß bei größerer Bestimmtheit der Zeihnung gute Wirkungen erzielen können.

Von Künstlern hat Paul Höniger eine Sammlung neuer Land- haften ausgestellt. Auch Höniger ist in das Lager der Impressionisten übergegangen und streift sogar nabe an den Neoimpressionismus in seinen neuen Bildern. Er malt in li@ten Farbentupfen, fast aus- {ließli in hellen Tönen, wie Gelb und Rot und lihtes Grün und Blau, Farben, die wunderbar zur Darstellung liter Frühblingstage geeignet sind, aber als dauerndes Rezept für jede Naturstimmung an- gewandt ermüden und unwahr wirken. Was an den Bildern Hôönigers aber anziebt, ist die klare und sihère Zeichnung, die besonders in den Baumgruppen und Veräftelungender Zweige eine scharfe, gute Beobachtung verrät. Last not least ift ein großes Gemälde von Arnold Böcklin ¡u erwähnen, das aus Privatbesiß stammt und bisher wenigstens in Berlin wobl noch niht zur Ausstellung kam. Es tellt die , Malerei und Dichtung“ dar, aber in einer anderen, als der bekannten Faffung. Der Marmorbrunnen, an dem die beiden Geftalten stehen, ist nit von einem Lorbeerhain umgeben, fondern von einer Säulenballe aus dunkelrotem Marmor. Die Farben sind von seltener Praht und Köstlichkeit, garz berauschend in ihrer leuchtenden Tiefe und Harmonie, während die Geftalten selbst ein längeres Einleben verlangen, ebe man eine gewisse Fremdheit ibnen gegexüber zu überwinden vermag.

Als Protektor der Deutschen OrientgesellsGaft hatte Seine Majestät der Kaiser und König Sein Erscheinen zu dem gestern in der Singakadewmie veranstalteten Vortrage des Professors Dr. Eduard Meyer über Aeavpten zur Zeit der Pyra- midenerbauer in Aussicht geftellt; mit Seiner Majestät er- schien auch Ihre Majestät die Kaiserin. Nathdem der erfte Vorsitzende, Staatt sekretär a.D. Hollmann und Herr James Simon die Majestäten nah Ihrer Loge geleitet hatten, begann der Professor Dr. E. Meyer feinen dur zablreihe Lichtbilder unterstützten Vor- trag, in dem er ein anshauliches Bild über die alte ägyptishe Kultur entwarf. Während die ersten Königsgräber einfach aus Holz und Nil- {lamm hergestellt waren, wurde die ägyptishe Kunst mit der Ver- shiebung des Neiches nah Memphis {hon vornehmer, und man ftellte die Königsgräber aus Ziegeln her, später aus Stein. Während die ersten König8gräber einfah den Namen des betreffenden Königs trugen, waren die Seitenwände der Grabportale der Königsgräber der späteren Dynastien neben Darstellungen über den Totenkultus mit Dar- stellungen der Familie des Toten und mit Darstellungen aus dem Leben des Verstorbenen geschmückt. Mit dem Tode wurde der König unter die Fixrsterne am Himmel eingereiht und trat in die Macht des weltbeherrschenden Sonnengottes ein. Wie aus den verschiedenen Reli-fs hervorgeht, hat die äzyptishe Kunst die Aufgabe, den Menschen richtig zu zeichnen, niemals rect gelöst ; dagegen haben die Künstler der V. Dynastie es verstanden, das Leben der Könige und was den Jahalt ihres Lebens ausmat§te, vollständig auf den Grabtafeln zu verzeichnen, was der Vortragende auf mehreren Reliefs veranschaulihte. Besonderes Interesse zeigte sch bei den Vorführungen der großartigen Tempelanlagen zur Zeit der V. Dynastie, wo der Sonnenkult in hoher Blüte stand. Mit der Umwandlung der religiösen Ideen der alten Aegypter hielt der Wandel auf sittlihem Gebiete und in der Artitektur gleichen Shritt. Der Vortragende hofft, daß aus der Zeit der Y. Dynaîtie auch mehrere \{ône Stücke im hiesigen Museum werden aufgestellt werden können; vorläufig konnte er die reihen Schätze der leßten Aus- grabungen nur im Bilde vorführen. Mit der Zeit der VI. Dynastie trat dann eine Zeit des Verfalls ein, aus der nur wenig Denkmäler erhalten geblieben find. Der Redner \hloß mit dem Wunste, daß es der Deutshen Orientgesellshaft beschieden sein möge, au in Zu- g wie bisher Bausteine zur Geschichte der alten Kultur sammeln zu können.

Die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg wählte, eW. T B.“ zufolge, die Professoren von Wilamowi »Dtoetlen: dorff -Berlin, Helmert-Potsdam und Lotz- München zu korre- spondierenden ‘Mitgliedern.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Am Sonnabend sang in der Aufführung des „Siegfried“ Herr Willy Buers als Gast den Wotan. So gut seine Leistung im

ganzen war, so entsprach sie stimmlih nicht ganz den Erwartungen, die man von der Wirksamkeit des Künstlers an der Komischen Oper her

zu hegen berechtigt war. Seine dort überaus kroftvoll erscheinende Stimme hatte hier Mühe, \ih gegen das Orcheiter zu behaupten. Vielleicht lag das aber weniger an einer Schwäche des Organs, an die man nicht recht glauben mag, als an der mangelnden Vertrautheit des Künstlers mit der Akustik des Hauses. Die Brünnhilde sang ebenfalls ein Gast, Fräulein Melanie Kurt vom Hoftheater in Braunschweig, die bereits in der „Walküre*® mitgewirkt batte. Eine gut geshulte, schöne, ergiebige Stimme und eine der Rolle entsprehende Gestalt lassen sie für diese Aufgabe als wobl geeiznet ersheinen; nur wirkt die junge Kürstlerin als Persönlichkeit noch nit bedeutungsvoll genug, und daber gebra es ihrer Leistung an ergreifendem Auédruck und sieghafter Kraft. Die Beseßung der anderen Rollen war die be- kannte; besonders zeihneten sih die Herren Kraus urd Licban, die gesanälich und darsftellerisch besonders gut aufgelegt waren, als Sieg- fried bezw. Mime aus. Mit ibnen wurde am S&[luß auch der trefflihe musikalishe Leiter des Werks, der Kapellmeister Ble, ver- dientermaßen mehrfah hervorgerufen,

Lesfingtheater.

Gerhard Hauptmanns neues Werk: „Kaiser Karls Geisel“, ein Legendenspiel in vier Akten, fand bei seiner EGrstaufführurg am Sonnabend im L-ssingtheater eine geteilte Aufnahme; der sehr fübl- bare Mangel an dramatishem Gehalt, die epishe Breite und die Wiederholung gleichartiger Szenen waren die Ursache, daß dem Stüdte, das unzweifelhaft manhe poetishe S{önheit aufweist, der volle Bühnenerfolg versagt blieb. Die Gestalt Karls des Großen ftebt im Mittelpunkt der Handlung. Hauptmann wählte für seine s frei auf dem Gebiet des Märchens bewegende Dichtung wit Bedacht wobl gerade diesen Helden, weil er die suggestive Kraft, die der Name allein ausübt, brauchte, um seinen mit allen Herrschertuger. den aus8- gestalteten Königlichen Greis von vornhzrein als mätige, Ebrfurdt ge- bietende Persönlichkeit hinzustellen. Nicht den ge\hihtlihen Kaiser Karl wollte er zeichnen, sondern den gewaltigen Necken, wie er im Volkébewußtsein fortlebt und um den ‘die Sage {hon manche Fäden gesponnen hat. Diesem wird eines Tages in seiner Kaiserpfalz zu Aachen ein Sachsenmädhen, Gersuind mit Namen, vorgeführt, das er als Geisel nach - der Niederwerfung eines Aufstandes einst ¡urüdck- behalten und einem Kloster zur Grziehung überwiesen hatte. Die Klosterfrauen können mit dem Wildling, der in angeborezem Freibeit8- drang ihnen immer wieder ents{lüpft, nichts auêrihten. Der Kaiser aber, der Gefallen an der Maid findet, \henkt dea Berichten über ihre Verderbtbeit keinen Glauben, läßt ihr vielmehr ein Gemah im Schlosse anweisen, um hie fortan unter seiner Obbut erziehen zu laffen. Aber Karl täuscht sich sowohl in dem Mädchen wie in sih selbst. Gersuind ift troß ihrer Jugend und ihres bolden, unshuldvollen Antlites ein Wesen, dem jegliches sittliche Bewußtsein fehlt, das sh jedem Manne an den Hals wirft, der ihm in den Weg fommt; und Karls Gefüble für sie sind keineswegs väterlicher Art, sondern echte und reckte Verkiebt- heit eines sih in ihm an der Schrwelle des Alters regenten Johbannis- triebes. Dennoch wil er sis ebensowenig eingestehen, wie er an Gersuinds Verfeblungen, die ihm immer wieder z1 Ohren kommen, glauben mag. Erft da ihre Schande ofenkundig und zum sfernt- lihen Aergernis wird, erft da er aus dem Munde seines Kanzlers, der ihm die VernatSlässigung dringender Staat8geshäfte vorwirft, vernimmt, daß Gersuird si bei nättlihem Gelage schamlcs mit niedern Knechten vergangen habe, verweist ér sie des S{lofses. Der Sélußakt bleibt etwas dunkel. Im Kloster, wo sie Zuflußt suchte, sehen wir Gersuind als Sterbende wieder. Wir erfahren, daß der Zorn Kaiser Karls ihren Sinn gewandt babe, und Andeutungen von einem Trank, den ein alter Mann ibr gereiht, lasen ahnen, daß der Kanzler auf seine Weise Vorsehung spielte, um die Ursache des allgemeinen Volksunwillens, die Here, die den Kaiser umgarnt, hinwegzuräumen. _Karl, dem Gersuind immer noSch im Sinn liegt, betritt das Kloster in den- Augerblick, da die Schwestern die Tote in der Kapelle aufzubahren si anschicken, rimmt rübrenden Abschied von der leßten Liebe seines Lebens und gelobt, fortan sich nur dem Wohle des Reichs, das ec, kurze Zeit träumend, vernachlässigt, zu widmen. Schon aus der Inhaltéangabe geht hervor, daß der Stoff, zu dem Hauptmann dur eine mittelalterlihe Novelle angeregt wurde, dem Bübnendichter keine Handhabe zur Ausgestaltung eines dramatishen Konflikts bietet. Dafür kann die sorgsam gewählte Vers- sprache, die Hauptmann hier anwendet, auf der Bühne wenigstens, nit entschädigen ; es bleibt ein Epos in Dialogform und wäre besser überhaupt als poetishe Er¿ählung behandelt worden. In der Auffüßrung, die dem Auge viel S{ônes darbot, wirkten ausnabmsIos tüdhtige Darsteller mit. Herr Marr war ein stattliher Kaiser Karl, kraftvoll und männlih im Auftreten, nur in der Sprache zuweilen gar zu uns deutlich. Die Gersuind Fräulein Orlofs war ¡war äuferlih die zier- liche Mädchenblume, die die Dichtung erfordert, an das Däâmonische dieses Râtselwesens konnte sie aber nit recht glauben magen. NReicher war ein eifriger und eindruckévoller Kanzler, Kurt Stieler ein gewandter Würdenträger der Umgebung Karls, und Oskar Saue1s abgeklärte Art bewährte sih in der Rolle eines weisen Freundes und Benaters des Kaisers. S@{licht und ber1lich gaben Mathilde Sussin und Ella Eabtri zwei Klosterfrauen. Die Wikuna des Werks auf die Zuschauer, unter denen bervorragende Vertreter aller \chöônen Künste zahlreih zugegen waren, wurde hon eingangs gekennzeichnet.

Im Königlichen Opernhause geht morgen, Dienstag, als dritter Tag des Bühnenfestspiels „Der Ning des Nibelungen“, „Söôtterdämmerung“* in Szene. (Anfang 63 Uhr.) Dirigent ift der Kapellmeister Blech. Den Siegfried singt Herr Kraus, die Brünnbilde Fräulein Melanie Kurt vom Herzoglichen Hoftheater in Braunschweig als Gast, den Gunther Herr Cornelius Bronsgeest vom Stadttheater in Hamburg als Gast, die Gutrune Fräulein Ekeblad, den Hagen Herr ESriswold, die Waltraute Frau Goege, den Alberih Herr Krasa, die Nornen und Rheintöhter: die Damen Herzog, Rothauser, von Scheele-Müller und Ober.

Im KöniglihenSchauspielhause wird morgen „Die Braut von Messina® von Schiller, mit den Herren Sommerstorf, Staege- mann, Eggeling, Kraußneck, Geisendörfer und den Damen Lindner und Steinsieck in den Hauptrollen, aufgeführt.

In Weimar fand am Sonnabend in Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers die feierlihe Eröffnung des neuen Hoftheaters statt, das sih an der Stelle erhebt, wo das alte, an die künftlerishe Blütezeit Weimars gemahbnende, {chlichte Bübnenhbaus stand. Um 6 Uhr war Seine Majestät, von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog am Bahnhof empfangen, in der festlich geshmüdckten Stadt eingetroffen. Um 7# Ubr begann im Hoftheater die Eröffnungsvorstellung. Das von Pro- fessor Littmann - München erbaute Haus, das weiter unten näher beschrieben wird, lehnt sich in seinen äußeren Formen an das alte Theater an, im Innern ist es geräumig, einfa und würdig, im Stil antifisierend in W-i5 und Gold auf blatt- grünem Grund gehalten. Das sehr steil anfteigende Parkett war, wie „W. T. B.* berichtet, mit geladenen Herren beseßt, beide Ränge mit Damen und höheren Würdenträgern in glänzenden Zivil- und Militär- uniformen. Geladen waren über 1000 Personen, darunter außer den Verren und Damen der Umgebungen und des Gefolges der anwesenden Fürstlichkeiten, der Staatsminister Rothe, die Spigzen der Behörden, der preußishe Gesandte Graf von Wedel, die Gesandten Sathsen®s, Rußlands, Hollands, der Bundesratsbevollmächtigte Dr. Nebe, der Rektor der Universität Jena, der Oberbürgermeister von Weimar, die Generalität, das Offizierkorps, die Generalintendanten, Inten- danten und Direktoren aller bedeutenderen deutsGen Bühnen, Schriftsteller, Komponisten, Schauspieler, Sänger, Vertreter der resse, das Präsidium der deutschen Bübnengenofsenshaft, deren hrenmitglieder, die Vorstände der Goethe-Gesellshaft, der Sbakespeare-

Se lchatal der Schillerstiftung sowie die Ehrenmitglieder des biesigen oftheaters.

Unter F anfarenklängen betrat der Hof das Theater. Der Ober- bofmarshall Freiherr von Fritsh und der Generalintendant von Vignau geleiteten Seine Majestät den Kaiser, Seine König-