1908 / 12 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

gramm der Regierung nichts geändert habe, und dann, „W. T. B.“ zufolge, ausführte: Ohne dem E1gebnis der Arbeit der Kolonialkommission vorzu- fen, könne man feststellen, daß die Prüfung der Dokumente und nlagen zu dem den Vertrag, betreffend Aygiierung des Congo» ftaats, billigenden Geseßentwurf die Erwartungen bezüglich der materiellen Entwicklung der zukünftigen Kolonie bestätigt, vielleicht fogar übertroffen habe. Gewisse Punkte bedürften vielleicht noch einer näheren Beleuhtung; aber der Wert des im Congo vollbrahten Werkes sei unbestreitbar, denn die Nation in ihrer großen Mehrheit wünsche die Angliederung des Congostaats, und der Gedanke, daß der Congo Belgien zugehöre, sei in der Masse d au3geprägt, daß sie dem cngesao! schon deshalb den Namen Belgish-Congo beigelegt habe. Wahr sei allerdings, daß die Bestim- mungen im Angliederungsvertrag bei vielen, selbst bei kolonialpolitisch durchaus ergebenen Bürgern gewisse Bedenken erregt hätten. Die aufs merksame Prüfung der Frage werde erweisen, bis zu welhem Punkte die erhobenen Einwände begründet seien und ob ihnen niht durch gewisse neue Abmachungen Rechnung getragen werden könnte. Die Regterung wünsche auf das lebhafteste, daß bei der Prüfung dieser großen patriotischen Gra e keine anderen Gedanken mitsprähen als solche für das Wohl un die Wohlfahrt des Mutterlandes, der Kolonie und der eingeborenen Bevölkerung, und sie appelliere an die Mitarbeit Aller.

Türkei.

Der Pforte sind von den diplomatishen Missionen der Schiffahrt treibenden Länder gleichlautende Noten überreicht worden, die, wie das „W. T. B.“ meldet, das in der leßten Note

estellte Verlangen wiederholen, die seit dem Kriege mit Griechen- and im Jahre 1897 verbvtene nächtlihe Durchfahrt der ost)chiffe durch die Dardanellen wieder zu gestatten. rüheren unrichtigen Kommentaren ge sei fejtgestellt, daß hierdurh die Meerengenfrage niht berührt werde, und daß es sih nur um Handelserleihterungen handele, die auf Ver- trägen basieren.

Afsieu.

Das persishe Parlament bewilligte, nah einer Meldung der St. Tee Telegraphenagentur, als Gegenleistung für die Zugeständnisse des Schahs die Unterdrückung einiger Zeitungen zur Strafe für ihre den Schah beleidigenden Aeußerungen. Den Extremen wurde verboten, / in den Moscheen Reden zu halten, und die E des Schahs wurde um 300 Rbl. erhöht. Die

bgeordneten senden nah allen Provinzen Depeschen über die endgültige Aussöhnung. / j

Wie aus Tokio dem „W. T. B.“ gemeldet wird, sind der Finanzminister Sakatani und der Verkehrsminister Yamagata aus dem Kabinett ausgeshieden. Auch der Minister- präfident Marquis Salonji hat seine Demission angeboten, die aber abgelehnt worden 1st.

Afrika.

Nach Depeschen des Admirals Ot und des Inten Geschäftsträgers in Tanger Grafen von Sainte- ulaire herrscht in sämtlihen Hafenpläßen voll- kommene Ruhe. Die Nachricht von der Proklamation Mulay Hafids zum Sultan auch in Larrasch bestätige sih nicht. ie Stimmung der Bevölkerung in Rabat fei be- S. er General Lyautey meldet, „W. T. B.“ zufolge, daß eine Truppenabteilung dem Teil der Beni Mengusch, der im Norden des Gebiets der Beni Snassen wohnt, vorgestern das Vieh weggenommen habe, weil er die ihm auferlegte Straf-

summe nicht bezahlt habe. / Einem Funkentelegramm zufolge ist die Kasbah Berreched vorgestern mittag von den französishen Truppen ohne Schwertstreih bes S worden. Der Stamm der Ulad gal habe si beeilt, um Verzeihung zu bitten; in der Gegend

Zela vollständige Ruhe.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die estrigen Sißungen des Nei chs- tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten und Zweiten Beilage.

Jn der heutigen 80. Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern Dr. von Bethmann Holl weg und der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding beiwohnten, wurde die Tue) der Jnterpellation des Grafen Kanig u. Gen. (dkons.) über die Höhe des Bank- diskfonts [oraeer

Abg. Dr. Mayer- Kaufbeuren (Zentr.): Das Zentrum glaubt mit dem neuen Reichsbankpräsidenten, daß die gegenwärtige ab- norme Höhe des Bankdiskonts mit der Wäkbrungsfrage so gut wie nihts zu tun habe, daß die Währungsfrage eine Frage für \ich set. Noch weniger hat die Shutßzollpolitik etwas damit zu tun. Diese ist eine sichere Grundlage der gedeihlihen Entwicklung niht nur der Landwirtschaft, sondern auch der Industrie. Die gegenwärtige Krise hat ihren Grund vielmehr in dem überspannten Kreditbedürfnis. Die industrielle Entwicklung hat in dem leßten Dezennium ein ungeahnt s{chnelles Tempo eingeschlagen und den Geldmarkt in hohem Grade in Anspruch genommen. Es sind in diesem Zusammenhange auch die Kommunen erwähnt worden. Ganz zweifellos haben sich in den leßten Zeiten die Kommunen vielfa an eine Finanzwirtschaft gewöhnt, die von dem Mittel der Anleihe in stärkerem Maße Gebrauch mahte als früher, und es wird immerhin angezeigt sein, daß & zu etwas mehr haus- hâlterisher Finanzgebarung zurücklkehren. Jn égiem Umfange wird der Krisis durch die Vermehrung des Silbergeldes abzuhelfen sein, wir werden daher der Erhöhung der Kopfquote von 12 auf 20 M nit entgegen sein. Die zu veranstaltende Enquete muß sich auch die Ergründung der Möglichkeit angelegen sein lassen, den Kurs der Staatspapiere wieder auf eine angemessenere Höhe zu bringen. Ueber die Frage, ob wir eine aktive oder assive Handelsbilanz haben, find die Ansichten bekanntlich ehr verschieden. Jn der Förderung des Absaßzes nah außen liegt gewiß ein Moment der wirtshaftlichen Gesundung, aber nie darf diese Förderung auf Kosten der inländischen Industrie erfolgen. Der Abg. von Gamp hat den verbündeten Regierungen ein videant consules! zugerufen; hoffentlich verstehen die Angerufenen diese Worte richtig. Die Dal tletore für unsern Geldmarkt liegt für die nächste Zeit in dem Anleihebedürfnis des Reichs und der Einzel- staaten. Au der Reichstag muß sich diese uno gesagt sein lassen; wenn Ausgaben bewilligt werder, die niht absolut notwendig D wird er die bestehenden Schwierigkeiten niht vermindern, sondern eigern.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten segte in der heutigen (11.) Sigung, welcher er P narzmircer Freiherr von Rheinbaben, der Justizminister Dr. Beseler, der Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach, der Mínister ür Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Arnim und er Minister des Innern von Moltke beiwohnten, die erste

Beratung des Entwurfs des Staatishaushaltsetats für das Rehnungsjahr 1908 fort. :

Abg. Dr. P Ne Vgg.): Der Finanzminister meinte, die Wahlrechtsfrage stehe nur in losem Zusammenhang mit dem Etat; aber er wird zugeben E sie die Ove Situation beherrscht. Darum haben die meisten edner fie berührt. Fürst Bülow wollte mit seiner im Staatsministerium festgelegten Erklärung eine Aus- siht auf Reform eröffnen, aber mit der Richtung der Reform \ih die Hand nicht binden. War diese Zurückhaltung wirklich ein Gebot der Staatsklugheit, war diese Uebertragung der Gewohn- heiten des diplomatishen Dienstes auf die innere Politik erechtfertigt? Diese Politik à deux mains, nah der einen Seite offnung nach der anderen Seite nicht Befürhtungen zu erwecken,

ist hier - niht rihtig. Warum hat Fürst Bülow die geheime Wahl

von der Neform ausgeschlossen, warum hat er hier einen Riegel vor- eshoben? Der Reichskanzler hat fich mit dem Minifsterpräsidenten n Widerspruh gesetzt, dieser hat jenen verleugnet; er selbst hat ja im Reichstage das Gesez eingebracht, das die Wahl no geheimer machte. Die geheime Wahl würde dem preußischen Wetltesi den {hlimmsten Stachel nehmen, denn jeßt ist ein freies Wahlrecht überhaupt niht mögli. Das ift ein chwerer Fehler. Wir werden um so energischer auf die Beseitigung des Unrech!s dringen, namentlih bei den nächsten Wahlen. Es wäre interessant gewesen, wenn Herr erold uns mitgeteilt hätte, welche und wteviele Mitglieder des entrums gegen die Uebertragung des Reichstagswahlrechts auf reußen sind; es soll ja Unstimmigkeiten in dieser Beziehung im Wer, wie Herr Malkewit, außerhalb dieses Hauses rage in Verbindung mit der Sozialdemokratie brächte, würde sich der bewußten Unwahrheit \{uldig machen. Wir verurteilen die Straßendemonstrationen. CTaisächlich ist dadur nur ein Schaden entstanden; die konservativen Zeitungen bringen heute eine Antwort auf diese Demonstrationen, wona diese den Reichskanzler nur in seiner Haltung bestärken könnten und dieses Ver- balten des Pöbels die Reform nur aufhalten könne. Das ist die Quittung auf die Straßendemonstrationen. Wir nehmen unsere Haltung ohne Rücksiht auf Personen ein, lediglich nach sachlihen Motiven; niemand von uns faßt die Blockpolitik so auf, daß wir Opfer unserer Ueberzeugungen und Grundsäße bringen müßten. Rüdlkschritte machen wir niht mit. Ein Vereinsgeseß, das Bewegungs- freiheit gibt, nehmen wir an. Auch beim Gesey über die Majestäts- beleidigungen kommen für uns nux sahliche Gründe der Zweck- mäßigkeit in Betraht. Ebenso entscheiden wir über die Finanz- reform nur nah inneren Gründen. Die Belastung der Massen muß durch eine Belastung des Besißes ihre Korrektur erfahren. Wir erkennen niht an, s dem Neih nur die indirekten Steuern, den Einzelstaaten allein die direkten Steuern gebühren. Das steht nirgends geschrieben, bei der Beratung der Neichsverfafsung ist diese Verteilung ausdrücklihch ausgeschlossen worden. Die NReichs- erbschaftssteuer ist auch nur eine vershleierte direkte Steuer. Zum Etat hat Herr Friedberg gewünscht, ihn so glänzend wie möglich N gestalten. Wir warten die Vorschläge der Nationalliberalen in dieser Hinsicht ab. Die Ursahen des hohen Geldstandes hat der Herr Staatssekretär von Bethmann Hollweg gestern richtig geschildert. Die wirtscbaftliße Konjunktur wirkt natürlich auf unseren Etat, indem sie die Löhne steigert, die einen Hauptposten desselben bilden. Die Erhöhung der Beamtengehälter is deshalb gerechtfertigt, dem Beamten muß aber auch das Koalitionsrecht bleiben. Ich erinnere an den Erlaß des Eisenbahnministers; was den Beamten das Geseß gewährleistet, darf ihnen niht durch Verordnung genommen werden. Disziplin darf nicht in Be- vormundung auslaufen; ein süddeutsher Swhriftsteller sagt, man muß versuhen, Bismark und Schiller in Verbindung zu bringen. Bei Betrachtung der Ursachen der wirtshaftlihen Bewegung dürfen wir an unserer Zoll- und Handelspolitik niht vorübergehen. Die N inantuntatbee der Einzelstaaten haben mit der Zollpolitik gar ein gutes Geschäft gemach#, denn die Mehreinnahmen an Zöllen werden aufgezehrt durch die höheren Ausgaben für Heer und Marine. Die Folge ist eine Steigerung der Schuldenlast. Aus keiner Rede habe ih cine Neigung herausgehört, in Preußen die Steuern zu erhöhen; sollte wirkliÞ ein Fehlbetrag bleiben, so können wir ja, wie vorgeschlagen, den Betrag auf die Vermögenssteuer legen, die quotifiert werden kann. Jeder Minister brahte uns neue Vor- schläge für Organisation der Verwaltung, für Reorganisation der Schulverhältnisse usw., nur der Finanzminister blieb bei seinem ceterum censeo, daß die direkten Steuern den Einzelstaaten ver- bleiben müßten. Die Einzelstaaten bleiben au bei direkten Reichs- steuern im Besige ihrer Souveränität. Troßdem darf si der Reichstag auf keine Erhöhung der Matrikularbeitiäge eirlasfsen, auch wenn eine direkte Neichseinkommensteuer eingeführt wird, es muß tin anderer Weise Deckung geschaffen werden. Den Eisenbahnminister bitte ih, wenigstens ein erweitertes Benugungsreht für die Betriebsmittel mit den Einzelstaaten zu vereinbaren, wenn ih keine Betriebsmittelgemein- schaft ermöglichen läßt. Die Landesmeliorationen, die Flußkorrektionen und die Ausdehnung der inneren Kolonisation auf Ostpreußen und Pommern müssen gex flegt werden. Eine Vermehrung des Bauernstandes, eine Erseßung von großen Gütern durch blühende Bauerngüter bedeutet nicht bloß einen Fortschritt für die Landwirt- schaft, sondern für den ganzen Staat. Bei den Neuverpachtungen an der samländishen Küste hat man aber auf die Wünsch@e der Stadt Fischhausen keine Nücksiht genommen. Die neue Denkschrift über die innere Kolonisation ist ein Hymnus auf den landwirtschaftlichen Kleinbetrieb, namentlich in bezug auf die Viehzucht, wo die steigende Kontrolle leer sei als im Großbetrieb und wo „das Auge des Herrn das Vieh fett macht“. Alle Fahmänner stellen ebenso den Borteil des kleinen und mittleren Betriebs in den Vordergrund. Die Regierung sollte bei der inneren Kolonisation fich nicht bloß auf die Mithilfe der beiden Anstedlungsgesellshafsten s\tügen, sondern auch noch andere heranziehen, die sich mit derselben Aufs- gabe e ag en. Die Denkschrift “sagt, in Ostpreußen und Pom- mern habe {ih das Anfiedlungsgeschäft sehr gut vollzogen, die Nach- frage nach Ansiedlungen sei gut, die wirtschaftlichen Ergebnisse seien günstig. Nah dem Vorlag des Herrn Herold sollte auch die Forstverwaltung für Wohnungen ihrer Arbeiter durch Ansied- lungen sorgen. Man muß auch für die Unterhaltung der Leute forgen durch Veranstaltung von Volksunterhaltungsabenden usw. Wir werden um so größere Fortschritte mahen, je mehr wir für die Bildung durch Fortbildungsshulen sorgen. Bisher liegen die Dinge a diesen Gebieten ziemlich trostlos. Das niedere landwirtshaftlihe Unterrihtswesen steht heute vielfach noch auf demselben Standpunkt, wie vor 25 Jahren. Zum Etat des Ministeriums des Innern ist uns eine Neform des inneren Verwaltungs- dienstes in Ausficht geftellh, wir können dazu noch keine Stellung nehmen, solange nicht bestimmte Vorschläge vorliegen. Es wäre aber interessant zu hören, wie die Durchführung der Land- gemeindeordnung hinsihtlih des Zusammenlegens von Landgemeinden und Gutsbezirken erfolgt ist und in welhem Umfange Zweckverbände gebildet worden find. Zum Etat des Kultusministeriums wollen wir abwarten, in welhem Sinne Herr Holle das Schulunterhaltungs- geseß durchführen wird. Mit dem Tempo der L Um- wandlung der Kreisschulinspektion in eine hauptamtlidbe Tätigkeit könnte immerhin noch etwas schneller vorgegangen werden. Was aber die Orts- \chulinspektion betrifft, so könnte do allmählih diese gänzlih aus- geshaltet werden, wenn die Kreisshulinspektion als hauptamtliche Funktion völlig durhgeführt und das System der Rektorenshulen ausgestaltet ist. Soweit aber die Unterrichtsverwaltung ohne die n niht auskommen zu können glaubt, soll man doch niht Geistliche, sondern Schulmänner in diese Stellen berufen. Nur der Fahmann kann den Fahmann kontrollieren, und die Zeit, in der der Geistliche der Vorgeseßte des Lehrers war, h do wohl vorbei. Alles weitere behalten wir uns für die zweite Lesung vor; wir wünschen nur, daß es gelingen möge, den Voranschlag so vorsichtig aufzustellen, wie es irgend möglich ist, und daß damit zugleih das Mitbestimmungsrecht des Volkes gewahrt werde.

(Schluß des Blattes.)

entrum geben. uns in dieser

Statistik und Volkswirtschaft.

Gin- und Ausfuhr vonZucker vom 1. bis 10. Januar 1908,

Gs

Gattung des Zuckers Speiztal-

Ausfuhr

andel | Laus

dzrin

Verbrauchszucker (a nierter und dem raffi- nierten gleihgestellter Zucker) (176 a/)) .. 219

Nohrzucker (176 a 129 Davon Verede MELEEE 36

Rübenzudcker : Kristallzucker (granulierter) (176 b)

Rübenzucker : Platten», Stangen- und Würfel- udcker (176 c)

enzuder: gemahlener Melis (1764) .

Rübenzucker: Stücken- und Krümelzucker (176 e)

Rübenzucker : Ee Raffinade (176 ..

Nübenzucker: Brotzucker (176 g)

NRübenzucker : Farin (176 h)

Nübenzucker: Kandis (176 i)

Anderer Zucker (176k/n)

Rohrzucker, roher, fester und flüssiger (176 k) .

Nübenzucker, roher, fester und flüssiger Cs 1)

Anderer fester und flüf ger Zucker (flüs Naffinade einschließlich des Invertzucker- Ds usw.) (176m) .

Füllmafsen und Zuckerabläufe (Sirup, Me- Er uater übensaft, Aho s

a n

Zuckerhaltige Waren unter steueramtlicher

Aufsicht :

L oiat

Menge des darin enthaltenen Berlin, den 15. Januar 1908. Kaiserlihes Statistishes Amt. van der Borght.

Die Rechnungsergebnisse der Berufsgenossenschafteu x für das Jahr 1906.

m

107 987

88 818

4 957 3891

3776 4 099 1346

208 193

157 670 157 654

usw.

Die vom Reichêversicherungsamt nah § 111 des Gewerbeunfall- Gee C OeRS vom 30. Juni 1900 und den entsprechenden e

immungen der dem Reichstage vorgelegte Nachweisung der gesamten

anderen Unfallversiherungsgeseße aufgestellte, Rechnungs-

ergebnifse der Berufsgenöfsenshaften usw. für 1906 bezieht \ich auf

die . 22. dem Beslehen der geseßlihen Unfallversicherung. genofsenshaften (66 emer und 48 landwirtschaftliche)

927 Ausführungsbehörden (205 sftaatliche und

Nechnungsperiode |feit

322 Provinzial-

reihs- Sie erftreckt ih auf 114 Berufs-

auf

und Kommunalausführungsbehörden) und auf 14 Versicherungs- anstalten, von welchen 12 den Baugewerksberufsgenossenshaften,

1 der Tiefbauberufsgenossenshaft und 1 der schaft M egliedert sind. Von diesen Versicherungsträgern a. au

A O este rund des Gewerbeunfallversiherungsgeseßzes: 64 Berufs-

en:

genelensBanten mit 639 826 Betrieben und 8 284 021 durhs{nittlih ersicherten oder 7 291 034 Vollarbeitern, 62 \taatlihe Ausführungs- behörden mit 523 980 durchschnittlich Versicherten oder 520275 Vollo arbeitern; b. auf Grund des Unfallversicherungsgeseßes für Land- und Forstwirtshaft: 48 Berufsgenofsenshaften mit 4 695 789 Betrieben und

11 189 071 durbscnittlih

Versicherten, 54 ftaatliche Ausführungs-

behörden mit 238 849 durchschnittlich Versicherten oder 67 599 Voll- arbeitern; c. auf Grund des Bauunfallversicherungsgesetzes: 1 Berufs- genossenshaft mit 18 490 Betrieben und 266 769 durchschnittli

Versicherten oder 152876 Vollarbeitern, 76 staatliche führungsbehörden mit 46 237 M Versicherten 29750 Vollarbeitern, 322 kommunale

mit 102863 durchs(nittlich Versicherten arbeitern, 13 Verficherungsanstalten

oder 58 655

Auds- oder

usführungsbehörden

Voll-

mit 80383 Vollarbeitern;

d. auf Grund des See-Unfallversiherungsgeseßes: 1 Berufsgenofsen- haft mit 1619 Betrieben und 74710 dur{hschnittlih Versicherten oder

68 818 Vollarbeitern, 13 staatlihe Ausführungsbehörden mit 713

durdh-

\{hnittlich Versicherten oder 617 Vollarbeitern, 1 Versiherungsansftalt.

Im Dienste der 114 Berufsgenofsenschaften und ihrer Sektionen waren rach dem Stande am Schlusse des Jahres 1906 1142

934) ite

glieder der Genofsenschaftsvorstände, 5906 Mitglieder der Sektions- vorstände, 27 852 Vertrauensmänner, 4019 Verwaltungsbeamte und

302 tehnische Aufsichtsbeamte tätig.

Die Zahl der dur{chschnittlich versiherten Personen stellt si bei

den Berufsgenossenshaften zusammen auf 19 814 571.

Hierzu treten

für die 522 Ausführungsbehörden 912 642 Versicherte, sodaß im Jahre 1906 bei den Berufsgenofsenshaften und Auzführungsbehörden zu-

sammen 20 727 213 Personen gegen die versichert gewesen sind.

Folgen von Betriebsunfällen In der leßterwähnten Zahl dürften an

13 Millionen Personen doppelt erscheinen, die gleichzeitig in gewerb-

lihen und in landwirtschaftlihen Betrieben beschäftigt und sichert waren.

yer-

An Entschädigungsbeträgen (ohne die Kosten der Fürsorge

für Verleßte innerhalb der geseßlichen

artezeit) sind 1906 von den

Berufsgenofsenschaften 129 169 585,21 Æ (gegen 122 760 819,23 M

im Vorjahre), von den

(gegen 10819 117,55 # im Vorjahre),

Ausführungsbehörden 11 352 113,29 4 bon den Versicherungs-

anstalten der Baugewerksberufsgenossenschaften, der Tiefbau- und der Seeberufsgenofsenschaft 1915 165,85 4 (gegen 1857 995,85 4 im Vorjahre), zusammen 142 436 864,35 M (gegen 135 437 932,63 4

im Vorjahre) gezahlt worden.

Davon wurden 28 440,51 „« den

Mus und ihren Angehörigen für die Zeit nah dem Ablauf der

a

gewährt.

unfähigkeit von 15 9/6 und weniger auf thren Antrag dur

hen Wartezeit von den Berufsgenofsenschaften usw. freiwillig

Von der Bestimmung, nach welcher Verleßzte mit einer Erwerbs- g, nah wel ß c Kapital:

zahlungen abgefunden werden können, haben die Genossenschaften usw. in 3763 Fällen Gebrauh gemaht. Der hierfür aufgewendete Betrag

stellt sih auf 1 240 733,18 A 1099 Verlette (gegen 953 im

Vor-

jahre) haben im Rehnungsjahre wegen Hilflosigkeit eine höhere Rente als 66F 9/0 ihres Jahresarbeitsverdienstes (die gesezlihe Vollrente)

bezogen. Die Gesamtsumme der Entshädigungsbeträge (Renten

belief ih im Jahre 1906 auf 142 436 864,35 „6, . , 1905 , 13543793263 , 1904 ; 126 641 740/46 ; 1903 ; 117 246 500,04 ; 1902 - ; 107 443 326,27 ; 1901 ; 98555 868/57 ; 1900 7; 8664994618 ; 1899 / 7868063252 , 1898 ; 71108 729,04 ; 1897 ; 63973 547,77 ; 1896 / 5715439753 ; 1895 ; 5012578222 » 1894 ; 4428173571 ; 1893 ; 3816377035 » 1892 , 3234017799 ; 1891 ; 26426 377,00 ; 1890 ; 2031531955 ; 1889 ; 14464303,15 » 1888 , 9681447,07 ;

« 5932 930,08 ,

" 191536624 ,

1887 1886

usw.)

Rechnet man zu dem Betrage von 142436 864,35 4 die als en der Fürsorge innerhalb der gesepßlihen Wartezeit gezahlten §f11,39 4 hinzu, so entfallen auf Jeden Tag im Jahre 1906 rund 392 000 M, VORE den Verleyzten oder ihren Hinterbliebenen zugute

gekommen an ,

Die Anzahl der neuen Unfälle, für welhe im Jahre 1906 ¡uin erften Male Entschädigungen gezahlt wurden, belief fich au 139 726. Hiervon hatten 9141 den Tod und 1463 eine mutmaßli dauernde vonige Erwerbsunfähigkeit der Verleßten zur Folge. An 19 151 Hinter liebene Getöteter wurde im Rechnun abre zum erften Male eine Rente gezahlt. Darunter befinden f 6174 Witwen Mitwer), 12 646 Kinder (Enkel) und 331 Verwandte der aufsteigenden Gnie. Die Anzahl sämtliher zur Anmeldung gelangten Unfälle

645 583. beträg) ie Beurteilung der Unfallhäufigfeit sind die Zahlen der entshädigten Unfälle allein brauchbar. e Zahl dieser Fälle, für

welhe im Jahre 1906 zum ersten Male eine Entschädigung gezahlt worden ist, stellt sich, wie hon gesagt, auf 139 726 gegen 141 121 im Vorjahre. Der in den absoluten Zahlen hervortretende Rückgang entfällt allein auf die landwirtschaftlihen Brrigenosensa ten, während bei der Mehrzahl der gewerblihen Berufsgenossenschaften und der Ausführungsbehörden wiederum eine Zunahme zu verzeichnen i. Im wesentlichen [e es hier wieder die leichteren Unfälle mit dauernder teilweiser und vorübergehender Grwerbsunfähigkeit der Ver- legten, welhe an dieser Zunahme beteiligt sind.

Die Summe der der Beitragsberechnung zu Grunde ge- legten Löhne, die sich, was besonders hervorgehoben wird, mit den wirklih verdienten Löhnen nit deckt, stellt sih bei den gewerblichen Berufsgenofsenshaften auf 7 714926 140 bei einer Zahl von § 625 500 durhschnittlihch versicherten Personen oder 7 512 728 Voll-

heitern. 1 Für die landwirtschaftlichen Berufsgenofsenschaften sind, wie au

her, wegen des abweihenden Berehnungsverfahrens Lohnbeträge, welhe für die Beitragsberechnung zu Grunde gelegt wcrden, in die Nachweisung niht aufgenommen worden. Die 1 l der in den Be- trieben der land- und forstwirtshaftlihen Berufsgenofsenschaften durchschnittlich versicherten Personen ist, wie sie für das Jahr 1896 unter Benußung der Ergebnisse der Berufs- und Gewerbezählung vom Jahre 1895 und des den Vorständen zur Verfügung stehenden nen Materials ermittelt wurde, in die Rehnungsergebnisse für 1906 wieder eingestellt; sie beträgt 11 189 071.

Einen Vergleih der Unfallgefahr in den einzelnen Ge- werbegruppen ermögliht die den Tabellen vorangestellte „Ueber- iht T: Verleßte Fen und Unfallfolgen“, welche die Unfälle pk für q im Nechnungsjahre zum ersten Male eine Entschädigung gezahlt wurde.

1000 Vollarbeiter (300 000 Arbeitstage) Unfälle

Hiernah kommen auf

1905

bei der Gewerbe-, Bau- und See-Unfall- versiBeng jedoch ohne die g ib rungsanstalten der * Baugewerks - Berufs- enofsenshaften, der Tiefbau- und der See- Berussgenosenscbaft und in der Gruppe : I. Sis au II. Steinbrüche IITL. Glas, Töpferei, Ziegelei IV. Eisen und Stahl . V. Metall, Feinmechanik, Musik- instrumente VI. Chemie VII. Gas- und Wasserwerke YV1T1I. Textilindustrie . IX. Mee, Buchdruck R. Leder, Bekleidung XI. XITI. ALE,

9,39

15,93 15,14

7,02 10,99

6,84 8,71 6,44 3,07 5,05 3,63 13,05 4,98

N bmi =J C0 - SDASILR

O E Rahrangsmiitel, Fleischerei, Tabak

Müllerei, Zucker, Molkerei-,

Brennerei- und Stärkeindustrie, Brauerei und Mälzerei. .

Bauwesen (Privatbetriebe)

rivate Bahnbetriebe

gerei, Fuhrwesen XVII. Binnenschiffahrt XYV1II. Seeshiffahrt (Privatbetriebe)

XIX. Marine- und Heeresverwaltung . XX. Oeffentlihe Baubetriebe (Staat-

liche, Provinzial- und Kommunal-

Bauverwaltungen Staatseisenbahnen,

graphen A A 7,87 Staatsbetriebe für Schiffahrt,

Baggerei, Flößerei usw. . .. 11,50 14,53. Im Verhältnis zur Zahl der Vollarbeiter ergibt sih also auch hier n das Zorlaye durthschnittlich eine geringe Abnahme der ent- Miles Unfälle.

[s Gesamtausgabe werden von den gewerblichen Berufsgenossen- schaften (nah Abzug der von den Versi erungsanstalten der Bau- attaten Pa enschaften und der Tiefbauberufsgenossenshaft er- atteten Fau beträge) 133030 554,22 Æ (gegen 125 127 270,35 A

Vorjahre) und von den landwirt \chaftlichen Berufsgenossenschaften 397 877 491,54 A (gegen 36911 032,22 #4 im Vorjahre), zusammen 170 908 045,76 «A nachgewiesen. bés Fürson ae au! E aungen eins ets de S0

e für Verlezte innecha er geseßlichen r N 3657,02 M 9 R E , Für die Unfalluntersuhunzen und Feststellung der Entschädigun en, für den Rechtsgang (Schiedsgerichte usw.) und für die Unfallver ftung ae von den Berufsgenossenshaften zusammen 8 028 660,28 4 In die Reservefonds sind für r 1906 14 cingdezt I fonds sind für das Jah 19114 815,11 A Als Verwaltungskosten einschließli der sonstigen Ausgaben werden wine Berufsgenofsenshaften insgesammt 13 880 913,35 nah-

erbe laufenden Verwaltungskosten betragen bei den ge- s Doiheerus os ensGhaften s N L M. egen 87 L

e), De en landwirt|cha n Beruss98genohen|cbaften 8292 327,07 „A (gegen 3 178 705,32 „A im Vorjahre).

Davon entfallen auf L Jd L 1 ddet Verficherten |"" Löhne V Betrieb P nfal

M d Mh. b bei den gewerblihen Berufsgenossenshaften 1,08 1,21 14,13 1,06 1,25 13,64 et den landwirtshaftlihen Berufsgenossenschaften 0,29 j 0,70 22,82 e i; 0,68 21,93. er laufenden Verwaltungskosten ist bei den einzelnen vecpufsgenofenf aften sehr verschieden, fr hängt U von der gn der A größer Pfi tigen Personen, der Ba l, Art und Lage der Betriebe, e Me eren oder geringeren Unfallgefahr usw. Fu ergleihen über nter éaadee M Tcgendungen a2 eruf8genofsenschaften denof\enshaften nicht iy U Me niffse der einzelnen Berufs-

12,19 11,48 7,07 15,56 14,31 6,50 4,48

XIV. XV. XYVI.

6,54 XXRI.

XXII,

1906 1905

- 1906 1905

Die Höhe

20,73 20,98

Die Gesamtausgaben der 527 Ausführungsbehörden haben fih auf 11 652 505,95 M, die der 14 Versicherungsanstalten der Baugewerks- Enel haften, der elde erlegenosiensGaft und der Sees berufsgeno}enshaft auf 2519 961,41 „4 belaufen. iy ite Bestände der bis zum Schluß des Rehnungsjahres ange- rir Reservefonds der Berufsgenofsenshaften betrugen zusammen 34 840 527,84 4, zu denen noch rückständige Einlagen kommen. Die Verficherungsanstalten haben als Reservefonds 1 305 426,02 4 zurück- elegt. An sonstigem Vermögen einshließlich der noch ausstehenden Beiträge usw. werden für die Berufsgenofsenshaften 35 922 418,55 4, für die Versihherungsanstalten 11 048 070,03 4 nachgewiesen.

Zur Arbeiterbewegung.

. In Düsseldorf fanden, wie die „Frkf. Ztg.“ berichtet, am Montag zwei von einer vieltausendköpfigen Menge brotloser Arbeiter besuhte Arbeitslosenversammlungen statt. Jn beiden Ver- sammlungen wurden Resolutionen gefaßt, denen zufolge die F atdng aufgefordert wird, so \chnell wie mögli bei tarifmäßigen Löhnen Notstandsarbeiten vornehmen zu lassen, unter Zugrundelegung des ortsüblihen Tagelohnes für ungelernte Arbeiter (3,50 46). Ferner wird gefordert, soweit die Stadt Arbeiten in eigener Regie ausführen lassen kann, dies zu tun. Soweit aber Arbeiten an Unternehmer vergeben werden müssen, möge die Stadtverwaltung auf tarifmäßige Löhne hinwirken.

Aus London wird der „Voff. Ztg.” von E telegraphiert : Die Unterhandlungen zwishen den Spinnereibesitzern und den Arbeitern im Baumwollgewerbe wurden um Mitternacht ab- gebrochen, obwohl der Arbeiterverband die Wiederaufnahme der Arbeit dur die aus\tändigen Arbeiterinnen Oldhams zugesagt hatte. Fn- folgedefsen werden 120 000 Arbeiter die ahttägige Kündigung erhalten.

Kunft und Wissenschaft.

Die Papyrusfunde von Elephantine in den Königlichen Museen zu Berlin. y

Vor sieben Jahren wurde von maßgebenden Gelehrten in Berlin ein Unternehmen ins Leben gerufen, das den Zweck hat, dem hiesigen Museum und anderen deutshen Sammlungen den gebührenden Anteil zu sichern an den überreißen Beständen alter Papyrusblätter, die der trockene Boden Aegyptens so wunderbar erhalten hat. Gleich wichtig und willkommen sind sie, ob fie uns nun Reste bisher verlorener grie- ischer Literaturwerke bringen, oder ob sie Urkunden aus verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Sprachen geshrieben, enthalten, die uns interessante Einblicke in öffentlihes und privates Leben eröfnen.

Zu den bedeutendsten Funden, die dem bisherigen Leiter dieser Arbeiten, Dr. Otto Rubensohn gelungen sind, gehören die von EGlephantine, der Nilinsel unterhalb der Katarakte, an der Grenze von Aegypten und Nubien. Sie war von alters her eine wihtige Grenz- festung gegen Einfälle der Stämme des Südens und ein berühmter Kultort des widderköpfigen Gottes Chnüm.

Die Papyrusreste wurden, nah dem Berichte von Rubensohn, in den Trümmern der sehr besheidenen Privathäuser gefunden, die sich in threr Bauart kaum von denen des heutigen Nubierdorfes unters- schieden haben. Die ersten bedeutenden. Proben der Funde, die jegt ein kostbarer Besiß der Königlichen Museen sind, hat vor kurzem Sachau in den Abhandlungen der Berliner Akademie veröffentlicht, Urkunden in aramäisher Sprache, in der ja auch große Teile der Bücher EGsra und Daniel im Alten Testamente abgefaßt sind. Ganz hervorragende Bedeutung hat ein fkalligraphisch ge- chriebenes Stü, das Duplikat eines Briefes der Judengemeinde von

eb, d. i. Elephantine, an Bagshi, den persishen Statthalter von Judäa, datiert „am 20. Marcheshwan im Jahre 17 des Königs Darius*, nämlich 408/07 v. Chr. Gemeint if Darius 11. Nothos. Wir erfahren daraus. daß {hon unter den ägyptishen Königen in Elephantine eine bedeutende Judengemeinde existierte, die einen ftatt- lihen Tempel, niht etwa nur eine Synagoge, besaß, in dem sie ihrem Gott Jahu, d. i. Jahve, dem Herrn des Himmels, Speise-, Weihrauh- und Brandopfer, also wie in dem großen Heiligtum zu Jerusalem, darbrahte. Als Kambyses Aegypten eroberte und die ägyptischen Tempel zerstörte, wurde der jüdishe Tempel geshont. Natürlich er- regte dieses Heillgtum die Eifersuht der Priestershazft des Chnûm, und als im Jahre 14 des Königs Darius der persishe Statthalter Arsän gerade am Hofe des Königs weilte, gelang es jener Priesterschaft, die Hilfe einiger persisher Unterbeamten zu nen, und sie zerstörten den jüdishen Tempel aufs gründlihste. Die Uebeltäter wurden zwar bald darauf schwer gestraft, aber die Juden konnten die Erlaubnis zum Wiederaufbau des Tempels nit erhalten. Sie verharrten seit- dem in Trauer und Fasten. Ein Brief an den Hohenpriester in Jerufalem mit der Bitte um seine Fürsprache hatte keinen Erfolg. Da seit der Rückkehr der Juden aus dem Exil die Zentralisierung des Kultus in Jerusalem aufs strengste durhgeführt war, so hatte dieser begreifliherweise wohl wenig Interesse, seinen T Oa in Aegypten wieder zu einem eigenen Heiligtume zu verhelfen. So wenden sie sih nun in ihrer religiösen Sehnsucht an den persischen Statthalter in Jerusalem und bitten ihn in geradezu rührender Weise, ih für ihren Wunsch bei seinen Freunden in Aegypten zu verwenden. Und sie haben wohl keine Fehlbitte getan, wie sh aus dem Stück einer anderen Urkunde zu ergeben s{heint. So fällt in diese bisher noch ziemlich dunkle Periode jüdisher Geschichte und Neligions- latt vor Alexander dem Großen ein heller Lichtstrahl, glei bedeutend für den Historiker wie für den Theologen.

Nicht minder wichtig sind die griehishen Urkunden, die Nubensohn selbs uns in einer soeben erschienenen Veröffentlihung „Elephantine- Papyri* (Berlin, Weidmann 1907) vorlegt. Von besonderer Be- deutung sind fünf Urkunden, die in einem Tontopf verpackt gefunden wurden, gerade, wie im Alten Testament Jeremias (32, 10), die Be- wahrung wichtiger Schriftstücke vorschreibt. Die in diesen Urkunden vorkommenden Personen sind Griechen, offenbar Angehörige der ptoles mäishen Garni}jon von Elephantine. Schon der Zustand der Er- haltung is bemerkenswert. Sie waren gerollt und noch von den Siegeln geshlofsen. Bei dem Entrollen, das mit bekannter Meister- haft der Techniker Jb {her vornahm und bei dem die Siegel voll- kommen erhalten blieben, ergab \ih eine sehr interessante, komplüierte S E dieser Urkunden. Der Text wurde auf demselben Bogen zweimal geschrieben ; der eine Teil, sorgfältig zusammengerollt und durch die Siegel der Zeugen, in Tonerde gedrückt, geschlofsen, bildete die gültige Urkunde, das auf der anderen Hälfte des Bogens geschriebene Duplikat wurde nur beigefaltet, ‘es konnte immer geöffnet und nahgelesen werden. Die Abfassung dieser Urkunden fällt in die Zeit Ptolemaios? I., die jlngste stammt aus dem Jahre 284/3, also aus der !Zeit kurz vor einem Tode, als {on sein Sohn Philadelphos die Regierung führte ; die älteste ist datiert „im 7. Jahre des Königs Alexander, des Sohnes Alexanders d. Gr., im 14. Satrapenjahre des Ptolemaiozs* (311 v. Chr.). Hier begegnet uns also kurz vor seinem Tode jener unglücklihe Prinz, den Roxane, die persishe Gemahlin Alexanders erst nah dessen Tode geboren hatte, und der mit ihr 311 von Kafsandros ermordet wurde. Bemerkenswert ist in diesem Papyrus T auch die Tatsache, daß zu Ptolemaios nicht der Name seines Vaters Lagos gesetzt ist, wie dies doh durchaus bei freien Griehen die Regel war. Er hat also, wie später als König, {hon als makedonisher Satrap für sich götiliche

bkunft beanspruht. Dagegen begegnet uns der Vatersname ‘in Papyrus IT bei seinem Bruder Menelaos, der das Priesteramt des vergötterten Alexander bekleidete.

Für die H smmuag ist die aus diesen Urkunden sicher sich ergebende Tatsahe wichtig, daß Ptolemaios 1. na An- nahme des Königstitels seine edle ti gna gte niht von neuem u zählen begann, fondern in der Zählung fortfuhr; er hatte

ch offenbar hon in seiner Statthalterzeit als Mitregent des Shein- lônigs betraqtet.

Mit wenigen Worten sei hier auf den Inhalt dieser Urkunden eingegangen. Papyrus 1 enthält einen Ehevertrag, in dem sehr scharf

nordnungen gegeben wurden für den Fall, daß einer der Gatten Ehebruh begehen sollte. Urkunde 11 ift ein Testament, in dem ein

gedfer Dionysios sein Vermögen seiner Frau vermaht und genaue Beftimmungen über das Erbe einer Söhne nah dem Tode beider Eltern und über die Pflihten der Söhne gegen die Eltern trifft. Einen sehr merkwürdigen Handel lehren uns die Shriftstücke T1 und TV kennen. Nah dem ersten erstattet vor Zeugen die Syreriu Elaphion, zu Deutsch „Hirshlein“, unter dem Rehtsbeistand des Pantarkes dem Arbeiter Antipatros 300 Drachmen -Kostgeld. Anti- patros verzihtet gegenüber der Glaphion auf alle Rehte, die nah dem Wortlaute des griehishen Textes den Rechten des Herrn gegenüber einer Sklavin gleihkamen, obshon die Syrerin ein freies Mädchen war. Er muß 83000 Drachmen Strafe zahlen, wenn er irgend welchen «Anspru gegenüber dem Mädchen erheben wollte. Dasselbe Geschäft wiederholte fih ein halbes Jahr später, wie uns Pap. IV berihtet. Elaphion, die früher offenbar von ihrem Rechtso beistand Pantarkes die 300 Drahmen erhalten hatte und dafür in seinen Besiß übergegangen war, kauft sih jegt unter denselben Be- dingungen von diesem wieder für 400 Drahmen los und wird Eizen- tum eines gewissen Dion. Sehr oft wurden im Altertum die Jüden

- mit den Syrern verwechselt. Es erhebt sich hier der dringende Ver-

dacht, daß Elaphion ein entartetes Glied jener frommen Juden- gemeinde war, die wir oben kennen gelernt haben.

Der leßte Papyrus enthält die Abrechnung der Teilung der Hinterlassenschaft eines Vaters zwischen zwei Brüdern. Der ‘Hausrat ist sehr dürftig, nur der Weinkeller recht beträhtlich. Der eine Bruder hat {hon einen Teil des dem anderen zufallenden Weinvorrats ver- braudt, er ftellt ihm über den Betrag einen Schuldschein aus.

Der zweite aroß?: Fund an Urkunden wurde in einéin Keller ge- macht. Auch diese waren wieder in einem Kruge geborgen. Sie ges hören den Regierung8sjahren 23—25 des Ptolemaios IIL. (225/4_—223/2 y. Chr.) an und geben uns hochwichtige Aufschlüf}se über einzelne Fragen der Verwaltung. Für die ägyptishe Sprahforshung ist es von be- sonderer Bedeutung, daß mitünter dem griehischen Text die ägyptish- demotishe Uebersezung beigefügt ist.

Mit diesen Veröffentlihungen find aber die Ergebnifse der Grabung von Elephantine noch nicht erschöpft. Von den aramäishen Sthrift- stücken sind, wie gesagt, erst drei Proben veröffentliht; die noch aus- stehenden werden uns auch Denkmäler der \{hönen Literatur, Er- ¿ählungen und Dichtungen, bringen. Die demotishen Papyri wird uns Professor Spiegelberg demnächst zuzänglih mahen. Auh sie werden viel Neues und Wichtiges lehren.

„Zum Schluß sei noch auf den Gewinn hingewiesen, den die Kunst- arhäoloaie aus den Siegelabdrücken auf den Urkunden zieht. Es if von großem Werte für die Geschichte der Glyptik, Stücke mit genauer Datierung, wenigstens einen fiheren „terminus ante quem“ zu haben. Die Abdrücke sind fast alle sehr \{charf, einige Siegelsteine waren Meifterwerke griehischer Gemmenschneidekunst.| ,

Die Neuerwerbungen der Königlihen National-s galerie werden von heute ab in einem Kabinett des 3. Geschosses ausgestellt sein.

_ Unter den Schenkungen, die dem Germanischen Museum in Nürnberg in den legten Monaten gemaht worden sind, nimmt die Stiftung einer ansehnlihen Büchersammlung den ersten Play ein. Es handelt sich dabei um Teile einer größeren Bücherei, die im wesentlihen von dem im Jahre 1886 verstorbenen Gutsbesißer Dr. H. Bech, einem langjährigen Mitglied des Vermwaltungsaus\chu}ses des Germanishen Museums und treuen Freunde des bekannten Germaniften und ehemaligen zweiten Direktors des Museums Georg Karl Frommann, auf seinem SHlößchen zu Rathsberg bei Erlangen im Laufe vieler Jahre zusammengebëaht worden war. Von den Söhnen Dr. Beckhs wurde die Sammlung, die aus jenen umfangreihen Be- ständen den Interefsen des Museums entsprehend ausgewählt werden durfte, als ein dauerndes Andenken an ihren Vater im Herbste des verflossenen Jahres dem Germanischen Museum als Gesenk über- wiesen. Die an literarishen Säßen {hon so reie Bibliothek des Museums hat dadur nah den verschiedensten Richtungen bin fehr be- deutsame und hochwillkommene Ergänzungen, die namentli die Zeit unferer klassischen Literatur und die der.Romantiker betreffen, erfahren. Erstaus8gaben und Gesamtausgaben letzter D Serien von Almanachen und seltenen Zeitschriften überheben das Museum vorderhand zu einem guten Teil und in dankenswertester Weise der Aufgabe, seine Kräfte und Mittel diesem in der Bibliothek bisher nur erst wenig angebauten Gebiete zuzuwenden. Unter den übrigen Beständen ist namentli eine kleine Noricersammlung, die auch mehrere Hands&riften enthäl hervorzuheben. Jm ganzen hat die Bibliothek des Museums dur diese Stiftung eine Vermehrung ihrer Beftände um rund 1600 Bände, unter denen sch zahlreihe Sammelbände (mit Schau- spielen, : Ne politishen und anderen Inhalts usw.) befinden, zu verzeichnen.

Literatur.

Aus Kopenhagen meldet .W. T. B.“, daß der dänische Dramatiker und Lyriker Holger Drahmann gestern vormittag in Hornbäk, wo er sih seit einiger Zeit wegen einer Nervenkrankheit in einer Heilanstalt aufhielt, gestorben ift. Er war am 9. Oktober 1846 in Kopenhagen geboren und bildete ch auf der dortigen Kunstakademie zum Maler aus, entsagte aber bald der Malerei und wandte ih mit Glück dem literarishen Schaffen zu. In einem unsteten Wander- leben verfaßte er eine Fülle von Gedihten („Dämpete Melodier“, „nGamle Guder og nye“ ufw.), Märhen und Märhendramen (u. a. nDer var engang“), patriotische Kriegsbilder, See- und Fischer- Min (u. a. „Paa Sömands Tro og Love“), Sihauspiele und

omane („Med den brede Pinsel“, „Forskrevet“, „Dädalus“). Drachmann bezog vom dänishen Staat einen Ehrensold.

¡Theater und Musik,

SThaliatheater.

Im Thaliatheater seßte gestern Alexander Girardi, der bier wohlgelittene Wiener Künstler, sein Gastspiel in der früher an gleicher Stätte von Thielscher gespielten Rolle des Briefträgers Flenz in der Buchbinderschen Posse „Er und seine Sch{wester*“ fort. Der Unterschied zwischen Thielschers und Girardis Leistung ist mit zwei Worten zu kennzeichnen : Thielsher hat Komik, Girardi Humor. Seine Darstellung wuchs weit über die Grenzen der auf Situations\cherze berechneten Rolle hinaus ju einem mit den Mitteln einer \{licht und wie selbst- verständlich gestaltenden Kunst geschaffenen Menschenbilde. Die Rede, mit der der Briefträger den Theaterleuten empfiehlt, als Ersay für eine erkrankte Schauspielerin seine talentvolle Schwester auftreten zu lafsen, war ein Meisterstück natürlicher Sprehweise; das Bestreben, alles zu sagen, was \sich aus übervollem Herzen auf die Lippen drängt, das e Stocken der Verlegenheit und das bescheidene, vers- schämte Zurüdcktreten, ohne den im Eifer angefangenen Sag vollenden zu können das alles ist unnahahmlich und erwedte jene hberzli Heiterkeit, die einen Unterstrom der Rührung mit ih führt. Nicht minder wirksam war bei der Szene des Theaters im Theater die im Puslauerraum gehaltene Rede an das Publikum, und eine köstlihe

robe disfkreter parodistisher Gebärde, ohne Clownverrenkungen, die Leitung des Orchesters naÿH Art berühmter Pult- virtuosen. Ebenso unerreiht steht Girardis Coupletvor- trag da. Au hierin bedient er s{ch der s{lihtesten Mittel, um Frobsinn oder Rührung zu erwecken, und stets \{chwingt: als Grundton die Gemütssaite mit. Sein Bestes auf diesem Gebiet gab er aber in dem mit Helene Ballot, seiner anmutigen, gewandten und sympathischen norddeutshen Partnerin, gesungenen Jugendduett, nah welchem der Beifall niht enden zu wollen hien. In den andern größeren Rollen zeihneten sich Fräulein Reinedcken, die Herren Iunker-» mann, Geßner, Rieck u. a. aus.