1866 / 1 p. 3 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

den detaillirten Nachweisungen der obersten Kontrolbebörde sind in der 14ámonatlihen Verwaltungsperiode des Jahres 1864, d. i, vom November 1863 bis 31. Dezember 1864, die Staatseinnahmen um 33,730,000 Fl. unter dem betreffenden Voranschlage zurückgeblieben und die bezüglichen Ausfälle haben sih nit nur bei der Grundsteuer, wo sie beinahe 5 Mill. Fl. betrugen ; sondern fast gleichmäßig bei allen der Finanzverwaltung unterstehenden Einkommenszweigen er- geben. Noch ungünstiger sind die Ergebnisse des Jahres 1865, weil bier die Einstellungen noch höher gehalten sind. Der gegenwärtige Etat hat daher, um die Einnahme nicht höher zu veranschlagen, als auf deren Eingang mit einiger Sicherheit zu rechnen ist, das prä- liminirte Einkommen von den indirekten Abgaben um 5,481,724 Fl. vom Staatseigenthum um 1,456,256 Fl., von den Aerarialfabrifken um 386,240 Fl. , beim Bergwesen um 770,656 Fl. bei den direkten Steuern um 276,998 Fl., zusammen um 8,311,934 Fl. niedriger ausgebracht. Ferner hat noch ein Abstih von 4,623,150 Fl. bci den direkten Steuern stattgefunden, weil bei der Grundsteuer und der mit dieser hinsichtlich der Perzeptionsweise in engster Verbindung stehenden Hausklassensteuer eine Erleichterung um des bisherigen außerordentlichen Zuschlages dringend nothwendig erscheint. Durch alle diese Umstände stellt sich den nothwendigen Ausgaben gegenüber ein Abgang der Bedeckung von 40,139,146 Fl. gegen 1865 heraus, in welchem derselbe zwar nominell nur aus beinahe 8 Mil- lionen, in Wirklichkeit aber aus 765, beziehungsweise 80 Millionen Gulden bestand. Es is} also ein um nahezu die Hälste günstigerer Abschluß. Dieses Defizit besteht hauptsächlich aus der am lehten Dezember 1866 zu leistenden lezten Abzahlung an die Nationalbank pr. 35,600,000 Fl. , welche im Kreditwege aufgebraht werden kön- nen. Die übrigen 44 Millionen Fl. hofft der Bericht durch weitere Ersparnisse innerhalb des Rahmens des vorliegenden Budgets zu decken. Nachdem noch \hließlich nachgewiesen, daß bei dem Budget für 1867 ein Defizit von 28,486,508 Fl. zu erwarten sei, sagt der Finanzminister in seinem Bericht :

Die nächste und wichtigste Aufgabe der Finanzverwaltung wird nun sein, die Beseitigung oder mindestens die möglichste Verringerung eines solchen Abganges auf das ernsteste anzustreben. Jch zähle hierbei nächst der Erhaltung des Friedens und der durch die segenverheißende Jnitiative Eurer Majestät glücklich angebabnten Verständigung über die inneren po- litischen Verhältnisse auf folgende finanzielle Momente: |

1) Die mit Allerhöchster Entschließung vom 10. August 1865 ein- gesehte permanente Ministerialbudgetkommission konnte auf die Aufstellung des Ausgabe-Etats für das Jahr 1866 wegen Kürze der Zeit nur in be- \chränktem Maße Einfluß nehmen und hat dennoch durch ihren konse- quenten Vorgang bei allen Verwaltungszweigen, wie oben dargethan worden, bereits Ersparnisse im Betrage von mehr als 24 Millionen er- zielt. Jhre eigentliche reformatorishe Aufgabe wird erst mit der BehandTung des Staatserfordernisses für das Jahr 1867 beginnen. Sie wird die in der Gesammtheit des Staatshaushaltes einzu- führenden finanziellen Reformen im Zusammenhange mit dem neuen Staatsorganismus auffassen, vermöge ihres Befugnisses zur Vornahme von Spezialenqueten in alle Zweige der Verwaltung eindringen, ihre An- träge im Wege des Ministerrathes ohne Umzug zur Allerhöchsten Schluß- fassung Eurer Majestät bringen. Sie wird ohne allen Zweifel tief ein- greifende und ausgiebige Er parungsresultate erzielen. /

2) Wenn auch die Vermehrung der Einnahmen durch Erhöhung der Steuersäße außer aller Frage steht, so können die bisherigen Einnahmen durch eine einfachere und wohlfeilere Regie, also durch Ersparnisse in den

Betriebskosten doch für den Staatsschaß ergiebiger werden, Durch die seit meinem Amtsantritte vorgenommenen Reorganisirungen is die oberste Leitung der Finanzverwaltung einheitlich geworden; ich kann schon für den Verlauf des Verwaltungsjahres 1866 innerhalb des Rahmens des jeyt vorliegenden Budgets namhafte Ersparnisse in den Regiekosten der Einnahmen in sichere Aussicht stellen und habe allen Grund, anzunehmen, daß solche bei konsequenter Durchführung der hon im Zuge begriffenen oder angebahnten Maßregeln für die weitere Qukunft noch intensiver werden.

Z) Die Herstellung der österreichischen Valuta wird, aller Voraus- siht nach, noch vor Beginn des Jahres 1867 eine Thatsache geworden sein. Qur Stunde is das Silberagio bereits auf 105 gesunken und ein Vlick auf den Bankausweis zeigt, daß die österreichische Nationalbank heute zu den best fundirten, durchaus konsolidirten Kredit- ; ge Europa's gehört. Eine Benußung der Banknotenpresse zur

eckung von Staatsbedürfnissen ist durch unübersteigliche Schranken des Gesehes und der Controle zur Unmöglichkeit geworden. Durch die Her- stellung des Pari-Courses des österreichischen Circulationsmittels werden aber direkt der Finanzverwaltung sehr namhafte, auf Millionen Gulden sih belaufende Kosten wegen Wegfall des Münz- und Wechselverlustes bei Beschaffung von Silberzahlungen (Zahlung der Coupons, der theilweisen Bedeckung der lombardisch-venezianischen Staatkassen, Tabakblätter-Einkauf im Auslande u. dgl.) unmittelbar erspart.

4) Nachdem die Einnahme im Staatsvoranschlag für 1866 fast durchgängig auf die Erfolge des ungünstigen Jahres 1864 basirt sind, fo glaube ih wenigstens für das Jahr 1867 doh auf eine Zunahme derselben in Folge der zu erwartenden Steigerung der Production und Consumtion der Steuerpflichtigen rechnen zu dürfen. Es ift faum denk- bar, daß die vielen in den lehten Jahren zur Hebung des National- wohlstandes getroffenen legislatorishen und administrativen Maßregeln von der Pregeun der Gewerbe bis zum Abschlusse der Zoll- und Han-

delsverträge ohne Wirkung verbleiben sollten. Jh mache es mir zur be- \onderen Pflicht, alle auf Förderung des Handels, der Jndustrie und des Aerbaues, auf Entwicklung der Verkehrsmitiel und auf Belebung des

Associationsgeistes gerichteten Bestrebungen des Handelsministers von mei- -nem Standpunkte aus auf das fräftigste zu unterstüßen und das rein fiskalische Jrteresse den berechtigten Anforderungen der Volkswirtbschaft überall unterzuordnen, wo es die Lage der Finanzen nur irgend gestattet.

5) Endlich glaube ih noch einen wichtigen moralischen Faktor in An- schlag bringen zu sollen, die Wiederkehr des Vertrauens. Wenn man vergleichend nur auf einige Jahre zurücksieht, wo ein Disagio von Z30pCt. und eine folossale Staatsschuld an die Nationalbank wie ein Alp auf alle Verhältnisse drückten, äußere Gefahren die Monarchie bedrängten und einen außerordentlichen Militairaufwand hervorriefen , im Innern auch nicht ein Ausgangspunkt für die Entwirrung der Verhältnisse zu finden war, so kann nur ein durch Verzagtheit oder Parteileidenschaft getrübter Blick die Wendung zum Bessern verkennen. Das Ausland hat auch schon begonnen, die neue Sachlage in politischer finanzieller und kommerzieller Beziehung zu würdigen , weniger das Jnland, wo der Same des Miß- trauens zu reichlich ausgestreut wird, als daß sofort eine billige und unbe- fangene Beurtheilung der Verhältnisse hätte Play greifen können. Jnsbefondere ist das Finanzministerium seit meinem Amtsantritte maßlosen Angriffen ausgeseßt, welchen ih keine Erwiderung zu Theil werden ließ, weil ih die Thatsachen sprechen lassen wollte. Jh glaube auch fernerhin bei diesem System bleiben zu sollen, und hoffe damit durchzudringen, weil bei dem gesunden Sinne der österreichishen Bevölkerung in Dingen, welche das Wohl jedes Einzelnen, wie das der Gesammtbeit so nahe an- gehen, Offenheit und Wahrheit sich immer Bahn brechen, und die öffent- liche Meinung, unbeirrt vom Parteigetriebe, sich selbstständig ihr Urtheil bildet.

Da das Gros des Abganges im Staatsvoranschlag für 1866 durch

die erst auf den Jahresschluß fallenden Terminzahlungen an die Bank bedingt ist, glaube ich mit der Vorsorge für die Bedeckung noch einst- weilen warten zu können, und werde mir erlauben, rechtzeitig die be- treffenden Anträge treugehorsamst zu stellen. «

Pesth, 29. Dezember. Der »Lloyd« bezeichnet die Pesther Nach- riht der »Presse« bezüglich der ungarischen Ministerien auf Grund bestimmter Erklärungen aus Deáfks und Eôtvös' Munde als müßige Erfindung. Jn der Unterredung des Kaisers mit diesen beiden Staatsmännern war weder von den Forderungen des Landes, noch von dem, was die Krone gewähren will, die Rede. Auch an dem, was über Somssih und Szentivanyi berichtet wird, ist kein wahres

Wort.

Belgien. Brüssel, 31. Dezember. “Einer amtlihen Mikt- theilung des Kriegsministeriums zufolge meldet der Befehlshaber der belgischen Legion in Mexiko, Oberst-Lieutenant Baron Vandersmissen, daß die Belgier, die in Tacamboro in Gefangenschaft geriethen, aus- geliefert sind. -

Großbritannien und Jrland. London, 29. De- zember. Jhre Majestät die Königin präsidirte gestern einer Sißung des Staatsrathes, welcher Sir George Grey, Gibson und Villiers beiwohnten. Der Earl Cowley und Gemahlin, welche einen Be- such in Osborne machten, wurden zur Königlichen Tafel gezogen.

Seinem vor wenigen Tagen verstorbenen Kampfgenossen, Ge- neral - Major Fihmaurice, ist der General Sir Edward Charles Whinyates, 84 Jahre alt, ins Grab gefolgt. Noch vor Ende des vorigen Jahrhunderts hatte er aktiven Dienst geschenj unter dem Herzog von York machte er im Jahre 1799 die holländische Campagne mit; 1807 nahm er Theil an der Belagerung von Kopenhagen. Jn dem pyrenäischen Kriege kämpfte er mit Auszeihnung j bei Waterloo erhielt er eine gefährliche Wunde in den Arm. Zum General wurde er vor cinem Jahre ernannt.

Von den beiden Angeklagten, welche nah Wiedereröffnung des Fenierprozesses in Cork vor Gericht gestanden haben, is der eine (James Mountaine) freigesprochen j der andere (John Cascy) zu fünfjähriger Zwangsarbeit verurtheilt worden. Wie es heißt, sind die verurtheilten Fenier nur zeitweilig in einem inländischen Ge- fängnisse untergebracht; ihr shließliher Bestimmungsort soll Gibral- tar sein. Jn Jrland gehen fortwährend Truppenbewegungen vor sih j die Behörden scheinen es für nötbig zu halten, einzelne kleinere Oerter, welche bisher ohne Garnison waren, militairisch zu beseyen. Um die anderwärts in Folge dessen geschwächten Garnisonen wieder zu verstärken (dies scheint wenigstens der Grund zu sein, denn von wirklichen Ruhestörungen , die zu unterdrücken seien, verlautet nichts) find zwei Regimenter von England nach Dublin abgegangen.

Lord Palmerston's Testament ist von dem Erbschaftsgerichte legalisirt worden j es ist vom 22. November 1864 datirt und um- faßt nur vier kurze Bogen. Das persönliche Eigenthum des Ver- storbenen wurde auf eine Summe unter 120,000 Pf. Sterk. ange- geben. Als Vollstrecker sind ernannt seine Wittive und deren zwei- ter Sohn, Cowper. Der ersteren übermacht Lord Palmerston seine Wagen, Pferde und Vorräthe, seine Papiere (mit denen sie nach Gutdünken verfahren mag), und mit Abzug von vier Legaten von je 100 Guineen (an Sulivan, Admiral William Bowles, George Bowles und George Shee) gleichfalls seine persönliche Habe , welche nach ihrem Tode an den genannten W. F. Cowper übergehen soll. Leyterer so wünscht Lord Palmerston, ohne es zu verlangen möge, sobald er in Besiy des Erbes trete, die Königliche Erlaubniß zur Führung des Namens Temple als Hauptnamens für sich und seine Nachkommen sowie zur Vereinigung der Familienwappen Temple und Cowper nachsuchen.

e Dezeinber. Die »Gazette« meldet die Bestätigung Herrn G. J. Holland's als dänishen Konsuls in Hongkong.

Frankreich. Paris, 29. Dezember. Die unter dem Vorsißh des Ministers Behic speziell mit der Revision des Handelsgeseybuches beauftragte Kommission hat sich geftern im Ministerium der öffent- lichen Arbeiten versammelt.

Der »Patrie« geht eine Privat - Depesche von La Plata vom 16. November zu, welche meldet, daß Marschall Lopez, Präsident von Paraguay, die ersten Friedensvorschläge, welche ihm durch Ver- mittlung zweier Mitglieder des diplomatischen Corps von Buenos- Ayres gemacht worden find, günstig aufgenommen hat. Man bLhofft, daß sehr bald ein Wassenstillstand zu Stande kommen werde.

30. Dezember. Der »Moniteur« zeigt an, daß Prinz Na- poleon und Prinzessin Clotilde gestern mehrere Botschafter und Gesandien empfangen haben.

Staatsrath Thuillier is heute seinen langen Leiden erlegen. Sein Tod if ein großer Verlust für den Kaiser. Thuillier war zu- legt Abtheilungs-Präsident im Staatsrathe, früher General-Direktor der Departemental- und Kommunal-Verwaltung.

31. Dezember. Am Freitag veranstaltete der Kaiser eine große Jagd im Walde von Fontainebleau. Es wurden nicht weniger

als 1581 Stück Wild erlegt, von denen der Kaiser 390 geschossen |

hat. Fürst Metternich erlegte 207 Stück Wild.

Der »Monitecur« enthält heute wieder in seinem amtlichen Theile eine große Anzahl von Beförderungen und Ordensverleihun- gen, unter denen wir der Ernennung des Divisions - Generals und Senators Fleury , der bisher erster Stallmeister des Kaisers war, zum Großstallmeister, und derjenigen des ersten Jägermeisters, Divi- sions-Generals Fürsten von der Moscowa, zur Würde eines Groß» jägermeisters erwähnen.

Abbé Bercel ist an Msgr. Gazeilhan's Stelle zum Bischof O Abbé Grimardias zum Bischof von Cahors ernannt worden.

Spanien. Der Erzbischof von Burgos hatte gegen die An- erkennung des Königreichs Jtalien einen offenen Protest erlassen. Der Staatsrath hat an dem Tage nach der Thronrede den Spruch gefällt, daß der Erzbischof von Burgos gegen den Artikel 304 des Strafgesehbuches \sih vergangen habe. Jm Kongresse wurde Rios Rosas mit 105 Stimmen von 114 zum Präsidenten des Hauses gewählt, Der König“ von Portugal hat sich auf seiner Durchreise am 28. Dezember nur von 12 bis 4 Uhr Nachmittags in Madrid aufgehalten und scheint ohne alle Demonstration weiter gereist zu sein. Ursprünglich war die Anwesenheit des Königs bis zum 2. Januar angesagt worden.

Italien. Das italienische Kabinet is rekonstituirt. ES be- steht aus folgenden Personen: General Lamarmora, Minister-Prä- sident und Auswärtiges¡ Chiaves, Jnneres; Scialoja, Finanzen Defalce, Justiz; Jacini, öffentliche Arbeiten; Cadorna, Krieg j General Angioletti, Marine. |

Um die Einnahmen zu vermehren, is bekanntlich jeßt in den päpstlichen Häfen ein Tonnengeld von cin und zwei Baj. für die Tonne eingeführt worden. Alles in allem beträgt der jährliche Schiffsverkchr im Kirchenstaate gegen 400,000 Tonnen, und die Steuer wird also kaum 20,000 Lire ertragen, was vielleicht gerade genug ist, um das nöthige Ueberwachungs- und Einnahme-Personal zu besolden.

Das wichtige genueser Archiv, welches die Akten der Republik und viele Dokumente der mititelalterlichen italienischen Geschichte ent- bielt, war bekannilich von den Franzosen nach Paris geschickt wor- den. Nach der Restauration und der Vereinigung Liguriens mit Piemont verlangte die Regierung dasselbe zurück, was von Franfk- reih auch zugestanden wurde. Da aber die damalige Gemeinde- Verwaltung von Genua die Kosten der Rücksendung niht über- nehmen wollte, so wurden die Papiere im Archiv von Turin nieder- gelegt. Der abgetretene Gemeinderath hatte sih nun neuestens um Herausgabe des Archivs an die Regierung gewendet, und diese hatte darein gewilligt. So is denn die erste Sendung “des Archivs von Turin bereits eingetroffen.

31. Dezember. Aus Neapel wird gemeldet: Poerio ist zum Deputirten gewählt worden; im andern Wahlkollegium von Neapel isst Ballotage zwishen Mazzini, der im ersten Scrutinium 168 und Pisacane, der 161 Stimmen erhalten hat.

Türkei. Konstantinopel, 23. Dezember. Djemil Pascha überbringt dem Vice-König von Aegypten einen großherrlichen Hat, welcher die volle Zufriedenheit Über dessen Verwaltung ausspricht. Die Paschaliks Macedonien , Thessalien, Epirus und Rumelien 1wer- den in ein Vilact mit der Hauptstadt Mo nastir vereinigt, und der Serdar Ekrem Omer Pascha zu dessen General-Gouverneur ernannt.

_ Nußland und Polen. St. Petersburg, 29. Dezember. Ueber die Kompetenz der Gemeindegerihte im Königreich Polen is unter dem 12. Dezember ein kaiserliches Edikt ergangen, welches folgende Bestimmungen enthält:

Art. 1. Die Streitsachen, welche im Art. 47 des Edikts vom 19. Fe-

bruar (2. März) 1864 (über die Organisation der Landgemeinden ) ange- führt worden find, unterliegen der Kompetenz der Gemeindegerichte und werden in allen denjenigen Fällen endgültig entschieden, wo der Werth des Streitobjekts nicht hundert Rubel übersteigt.

Art. 2. Alle Prozesse, welche über Erbschaftsangelegenheiten und die daraus sich ergebenden Theilungen solcher Tmmobilien entstanden, die auf Grund des Edikts vom 19. Februar (2. März) 1864 in den Befiß der Bauern übergegangen sind, und auch die Streitigkeiten zwischen den Bauern über Erbschaft und Theilung des Mobiliarvermögens unterliegen der Kompetenz der Gemeindegerichte und werden nach den beifolgenden Vorschriften entschieden. i

Art. Z. Die Durchführung des gegenwärtigen Edikts, welches in ay Gesetbuch einzutragen is, wird dem Organisations - Comité über- ragen.

Die Vorschriften, nah welchen die Gemeindegerichte die Prozesse Über Erbschaft und Theilung des unbeweglichen und be- weglichen Vermögens zu führen haben, lauten:

1) Das Gericht besteht außer den im Art. 38 des Edikts vom 19ten

Gebruar (2. März) 1864 über die Organisation der Landgemeinden be- zeichneten Personen auch aus allen anwesenden Schöffen - Kandidaten. Außerdem steht es den Parteien frei , sih aus den Gemeindemitgliedern einen Vertrauensmann zu wählen, welcher dem Gerichte als stimmbere- tigtes Mitglied beigesellt wird. : 2) Die Partei, welche mit der Entscheidung des Gerichts unzufrieden ist, hat in den unter 3) angeführten Fällen das Recht, im Laufe von vier Monaten nah erfolgter Entscheidung an den Distrikts «- Kommissar oder auch direït an die Kommission für Bauern - Angelegenheiten zu appelliren.

3) Die Kommission annullirt die Entscheidung der Gemeindegerichte : a) wenn durch dieselbe gegen die Edikte vom 19. Februar (2. März) 1864 oder gegen die vom Organisationscomité zur Entwicklung oder Ergänzung derselben erlassenen Vorschriften verstoßen wird; b) wenn das Gemeinde- gericht eine Entscheidung über Land getroffen hat, welches nicht Bauern gehört oder sih in einer anderen Gemeinde befindet.

4) Die Gemeindegerichte entscheiden laut §. 60 des Edikts vom 19. Februar (2. März) 1864 über die Organisation der Gemeinden ent- weder auf Grund vorliegender schriftlicher Abmachungen und Verpflich- tungen, oder in Ermangelung solcher nah den Ortsgebräuchen und der Sitte, die im Bauerleben üblich is. Jn jedem Fall muß das Gericht sich bemühen, die Parteien zu friedlicher Einigung zu veranlassen, und fann erst, wenn diese Bemühung erfolglos geblieben, zur Fällung des Urtheils schreiten.

A nmerkung. Bei Verhandlung von Streitsachen über Erbschaf und Theilung von Jmmobiliarvermögen richten sich die Gemeindegerichte außer der üblichen Sitte in Betreff der Theilung der Hofstellen nach den Vorschriften, welche das Organisations - Comité laut §. 19 des Edikts vom 19, Februar (2. März) 1864 über die Organisation des Bauern- standes entworfen hat.

In der 10. Sitzung der Petersburger Gouv.-Landversamm- lung vom 22. Dezember wurde die sehr wichtige Frage über die Maßnahmen zur Verminderung der Trunksucht des Volkes verhandelt. Die Veranlassung, daß diese Frage auf die Tagesordnung gekommen, war der Beschluß, welchen die Krasnoje- Ss\elo’she Kreisversammlung auf Grund der ihr eingesandten Bitten zweier Woloste, die Eröffnung der Branntweinverkäufe mit Stof- verkauf in den Dörfern von den Gemeinden abhängig zu machen, gefaßt hatte und dahin lautete, die Regierung um verschie- dene Maßnahmen zur Verminderung der Trunksucht zu bitten. Mebrere der angedeuteten Maßnahmen waren durh bereits erlassene Geseze überflüssig geworden. Es blieben daher nur noch folgende zu disfkutiren: 1) Die Eröffnung von Schenken auf Privat- personen gehörigen Ländereien, die entweder innerhalb der Dörfer, oder im Umkreise einer halben Werst von diesen entfernt liegen, soll in dem Falle von dem Gemeindebeschlusse abhängen - daß in dem Dorfe selbs kein Branntweinhandel besteht. 2) Personen, welche eine Bürgschaft für ihre Moralität von drei roohlhabenden und zuverläs- gen Wirthen beibringen, soll es durch die Friedensrichter - Bersamm- lung gestattet werden, Schenken zu eröffnen. 3) Die Schenken der- jenigen Branntweinhändler, welche durch Mißbräuche die begründete Unzufriedenheit der Ortseinwohner erregen, sollen auf Bitten dieser leyteren auf administrativem Wege dur die Kreis-Landämter ge- {lossen werden können. 4) Die Personen, welche heimlich Brannt- wein verkaufen, sollen Strafe zahlen zum Besten derjenigen, welche dies Vergehen entdeckt haben.

Nach einer längeren und lebhaften Debatte wurden die ersten drei der angeführten Anträge angenommen und beschlossen, auf die Gewährung derselben bei der Regierung hinzuwirken. Der vierte wurde abgelehnt, um nicht ein unsittliches Element in die Geseyggebung zu bringen. Gleichzeitig wurde die Gründung von Mäßigkeitsver- einen in Anregung gebracht, und beschlossen, diese Angelegenheit den Kreislandämtern zur Kenntnißnahme mitzutheilen. Schließlich kamnoch die Frage über die Organisation des Medizinalwesens in den Dörfern zur Sprache, in welcher die Versammlung beschloß, dem Gouv.-Landamt aufzutragen, in der nächsten Sihzungösperiode der Versammlung einen Plan zur Organisation des Medizinalwesens vorzulegen. ¿

Moskau. Der »Stimme« wird geschrieben , daß mit dem nächsten Jahre Herr J. P. Botscharow eine neue wöchentlich er- scheinende Zeitung unter dem Titel » Moskauer Zeitung « heraus- geben wird. i