1887 / 239 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Oct 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Baven. Karlsruhe, 10. Oktober. (Karlsr. Ztg.) Der Großherzog traf gestern Morgen 8/ Uhr in Neustadt in, wo in oie Höchstdesselben die neue evangelische Kirche geweiht wurde, und fuhr sodann zu Wagen nah Donaueshingen. Der Großherzog nahm den Weg über Ma und wurde überall von den Gemeinden estlich begrüßt. Jn Donaueschingen traf stderselbe o frühzeitig ein, daß Se. Königlihe Hoheit Höchstseine Cousine, die Prinzessin Elise zu Fürstenberg, besuhen und bis zur Abfahrtszeit des Bahnzuges bei Jhrer E verweilen konnte. Danach seßte der Großherzog die Reise nah Konstanz fort und traf Abends 8 Uhr n loß Mainau ein. Heute iri 78/4 Uhr begab sih Se. Königliche Hoheit von dort mit dem Kurs\chiff nas Ueberlingen zum Besuch des landwirthschaftlihen Gaufestes. /

Braunschweig. Blankenburg, 10. Oktober. (Mgdb. Ztg.) Der : sowie der Herzog vonSachsen-Altenburg, der Herzog von i E und der Fürst von Shwarzburg-Rudol- Li adt trafen heute behufs Theilnahme an den hiesigen Jagden

ier ein.

Anhalt. Ballenstedt, 9. Oktober. (Anh. St.-A.) N in ist heute von hier nah Dessau zurück- gekehrt.

Oesterreih-Ungarn. Wien, 11. Oktober. (W. T. B.) Der Reichsrath hat heute seine Sizungen wieder aufge- nommen. Fm bgeordnetenhause legte die Re- gierung einen Gesezentwurf vor, welher den Schuß fremden Eigenthums gegen Gefährdung durch Bergbau und die Ersagleistung für Berg- shäden betrisst. Von dem Abg. Polak wurde eine Interpellation wegen einer Zuckersteuervorlage, und von dem Abgeordneten Rieger eine solhe an die Gesammtregierung wegen des die Mittelschulen betreffen- den Erlasses eingebraht. Nach einem dem Abgeordneten-

ause heute zugegangenen Schreiben des Minister-Präsidenten rafen Taaffe werden die Delegationen auf den 27. d. M. einberufen.

Großbritannien und Jrland. London, 11. Vktober. (A. C.) Chamberlain reiste gestern, begleitet von Fesse Collings, von Birmingham nah Ulster ab, wo er in den nächsten Tagen mehrere politische Reden halten wird.

Wie der Londoner Korrespondent der „Jrish Times“ mit- t hat Lord Salisbury den gegenwärtig in Baden-

aden weilenden Ober-Sekretär von Jrland, Balfour, ersuht, sich ungesäumt auf seinen Posten in Dublin zu be- geben, um sich persönlih über die Lage des Kampfes zwischen der Regierung und der Nationalliga zu informiren. |

In der gestrigen Sißung des Dubliner Stadtraths beantragte der Alderman Dillon, das Verbot der Polizei, bei dem neulihen Prozeß gegen den Lordmayor Schwert und Scepter im Gerichhtssaal auf den Tisch zu legen,

“im britishen Parlament zur Sprahe zu bringen. Die Stadt | Dublin habe von König Heinrich IV. das Privileguum empfangen, daß Schwert und Scepter stets vor dem Bürgermeister einhergetragen werden dürften, wohin sih die Stadtvertretung in Amtstracht begebe. Der Antrag Dillon's wurde angenommen. N der Dubliner Rofünda fand gestern eine Massenver)}amm- lung statt, in welcher gegen die Prozessirung des Lord- mayors undW. O'Brien's Protest erhoben wurde. Der Leßtere erklärte: der Geist des irischen Volkes sei über alles Lob erhaben. Sollte der Lordmayor in das Kilmainham-Gefängniß abgeführt werden, so würden Tausende an die Thür des Ge- fängnisses klopfen und Einlaß begehren. Am Zusammenfluß des Suir und des Barrow, zwischen Ballyack und Papage, wurde am Sonntag auf dem Wasser eine Versamm- lung der National-L iga abgehalten. Hunderte von Booten bedeckten den Fluß. Schließlih wurde die übliche Resolution angenommen, welche alle Zwangsmaßregeln verurtheilt.

Der Maharadscha von Mysore hat zu dem Reichs- instituts-Fonds 50000 Rupien beigesteuert.

Zur Aufsuchung des britishen Kanonenboots „Wasp“, welches auf der Fahrt von Singapore nach Shanghai wahrscheinlich während eines Taifuns kürzlich mit Mann und Maus untergegangen is}, sind mehrere Kriegsschiffe von Singapore ausgeschickt worden. Man hält es immerhin noch für möglich, daß das Schiff an einer der Philippinen angelaufen sei, obwohl dîe Hoffnung nur gering ist. Die „Wasp“ hatte eine Bemannung von 73 Mann.

11. Oktober. (W. T. B.) Dem „Reuter'shen Bureau“ wird aus Teheran gemeldet: Von der aus 16 Personen bestehenden Begleitung Eyub Khan's, welhe nah der Vertreibung aus dem afghanishen Gebiet nah verschiedenen Richtungen geflohen war, sind einige gefangen genommen worden, während andere sih den persishen Behörden stellten; aht von ihnen sind bis jeßt noch nicht entdeckt. Der hier eingetroffene Bruder einer E Eyub Khan'’s, welcher si in der Begleitung Eyub's befand, sich jedoch von seiner Frau trennte, erklärte: Eyub Khan leide an Wassermangel; er glaube, derselbe sei bereits in der Wüste umgekommen. Hier dagegen herrscht die Ansicht: Eyub Khan besinde sich noch in einem Versteck auf persishem Gebiet. Bisher sei die Ex- pedition Eyub Khan's als vollständig O anzusehen.

Simla Ie), 10, Oktober. (R. B.) Der Vize- König hat an den Nizam von Hyderabad ein in herz- lihem Tone abgefaßtes Schreiben gerichtet, in welchem er seine Anerkennung für das edelmüthige und zeitgemäße An-

erbieten des Nizams ausspricht und hervorhebt, die Königin |

Victoria würdige es als einen neuen Beweis der Freund- chaft, daß der Nizam sich erboten habe, zur Befestigung der Grenze einen Beitrag zu liefern, und noch weitere Hülfe für den Fall der Noth in Aussicht gestellt habe.

o Frankreich. Paris, 10. Oktober. (Fr. C.) Der Minister des Auswärtigen, Flo uren s, empfing heute die Herren Elena, Luzzatti und BVranca, welche in den legten Tagen mit mehreren höheren französischen Beamten Unterredungen über ban französish-italienishen Handelsvertrag gehabt

atten. j Die Budgetkommission nahm heute Nachmittag die Darlegungen des Kriegs-Ministers qrroe über sein außerordentlihes Budget und die Fabrikation der neuen Gewehre entgegen. Die Auskünste des Ministers sollen geheim gehalten werden.

rinz Albrecht, Regent von Braunschweig,

Der ehemalige Minister-Präsident Goblet hielt gestern, wie aus seiner Vaterstadt Amiens gemeldet wird, eine politishe Rede, in welher er der Ansiht Jules Ferry's entgegentrat, daß eine Auflösung der Kammer sih dielleicht bald zur Nothwendigkeit gestalten könnte. Er hält es für n in der heutigen Kammer noch eine Regierungsmehrheit zu bilden unter der doppelten Bedingung, daß man auf ge- wisse Reformen, welche spaltend wirken würden, verzichte und sich von dem Geist der Koterie und Fntrigue nicht länger beeinflussen lasse. Hr. Goblet is überzeugt, daß der Bruch mit der Rechten dem Wiederzusammen- tritt der Deputirten auf dem Fuße folgen und einer falschen Lage ein Ziel segen werde. Er beglü- wünscht die Republikaner dazu, räth ihnen eds zugleich, sich

egen die Rechte nicht schroff zu verhalten, sondern allen Kon- ervativen, deren Uebertritt zur Republik ein aufrichtiger sei, eine entgegenkommende Haltung zu eigen. :

11. Oktober. (W. T ) Die „Agence Havas“ veröffentliht eine ihr zugegangene Mitthei- lung der russischen Botschaft, in welher die dem Großfürsten Nikolaus Michailowit sch zugeschriebenen, von diesem angeblih auf dem Schiff Uruguay“ gesprochenen Worte formell dementirt und als eine burleske und phan- tastishe Erfindung bezeichnet werden. : :

In einem in den Blättern veröffentlihten Schreiben Wilson's legt derselbe die Beziehungen dar, in welchen er zu der Familie Limouzin gestanden habe. Aus demselben geht hervor, daß Limouzin aus dem Departement Jndre et Loire stammt, das von Wilson in der Kammer vertreten wird. Er, Wilson, habe sih im Jahre 1885 bei einigen Ge- legenheiten für Limouzin verwendet, jedoch ohne Erfolg. Nach der Verheirathung Limouzin's im Jahre 1886 sei Frau Li mouzin auf ihren Wunsch von ihm empfangen worden. Als er aber gesehen, daß dieselbe die Gelegenheit benußt habe, von allen möglichen Dingen zu reden, habe er die Unterredung ab-

ebrochen. Wilson theilt ferner einen Bri ef mit, welchen er päter empfangen habe, und in welhem Frau Limouzin auf ein Verleumdungskomplot gegen Wilson anspielt, mit der Bitte, sie zu besuchen, um das Komplot zu vereiteln. Hierauf habe er, Wilson, gar nicht geantwortet. Dies seien alle auf sein Verhältniß zur Familie Limouzin bezüglichen Thatsachen.

Wie der „Temps“ meldet, hat heute Nachmittag bei dem General d’'Andlau eine Haussuhung stattgefunden; der General, welcher gestern Abend abgereist ist, hatte seine Rückehr für heute Mittag in Aussicht gestellt, war aber bis 3 Uhr Nachmittags noch nicht wieder eingetroffen. :

192. Oktober. (W. T. B.) Die „République française“ sagt, daß unter den bei dem General Caffarel beschlagnahmten Papieren auch ein Re- sumé des Mobilisirungsplans für das 17. Armee- Corps, so wie dasselbe vom „Figaro“ veröffentlicht wurde, vorgefunden worden sei. Jn Folge der bei * dem General d’'Andlau vorgenommenen Haussuchung sei eine Anzahl verschiedener Schriftstücke, besonders Agenden und Register beshlagnahmt worden, in denen der für den Handel mit Ordenszeichen gezahlten Summen Erwähnung gethan werde. Das Gericht habe darauf die Verhaftung d'Andlau's angeordnet; derselbe sei aber nit in seine Wohnung zurückgekehrt. Der „Gaulois“ sagt: d’Andlau habe sich nach Brüssel begeben. i

Das „Journal des Débats“ erklärt: Frankreich strebe keineswegs nach einex Besiznahme Marokkos; da aber die Mächté Kriegss{hiffe nah Tanger entsendeten, so müßten Frankreih und Spanien, die allein ein direktes und bestimmtes Jnteresse an Marokko hätten, sih miteinander verständigen, um zu verhindern, daß Marokko ein zweites Bulgarien werde.

Numänien. Bukarest, 12. Oktober (W. T. B.) Der König verließ heute Schloß Pelesch in Sinaja, um den Manövern bei Slatina beizuwohnen.

Bulgarien. Sofia, 11. Oktober. (W. T. B.) Wie der „Politischen Corr ens gemeldet wird, wurden nah den genauesten Feststellungen bei den leßten Wahlen 258 Kandidaten der Regierungspartei gewählt. Da mehrfach Doppelwahlen stattgefunden haben und nach der Ver- fassung Nahwahlen nicht zulässig sind, so werden in der nächsten Sobranje etwa 20 Mandate unbeseßt sein. Unter den endgültig Gewählten befinden sih 27 Mitglieder der Oppositionspartei. Aus 7 Bezirken fehlen die Wahlresultate noch. Bei den an- läßlih der Wahlen stattgehabten Ruhestörungen wurden in Rahowißa 4 Personen getödtet, 9 verwundet, in Kudlowißa 14 getödtet und 9 verwundet und in Plewna 10 getödtet und 17 verwundet.

Dänemark. Kopenhagen, 8. Oktober. (Köln. Ztg.) Die Königlihe Landhaushalt-Gesell schaft hatte im P einen Aus\{huß niedergeseßt, um sih über diejenigen

rundsäße {hlüssig zu machen, welche bei einer Reform der Zollgejseßgebung im Jnteresse der A A geltend an! werden sollten; dieser Ausschuß empfiehlt jeßt : auf Zölle auf Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Vie und Butter zu verzichten, dagegen solche einzuführen auf Mais, Reis, Kunstbutter, Käse, Cichorien, Buch- weizen und Hopfen; ferner s{chlägt das betreffende Gut- achten eine starke Erhöhung der Brennerei-Abgaben und des Weinzolls sowie Einführung einer Bier- steuer vor.

Amerika. New-York, 20. September. Der Zerfall des einst so mächtigen Arbeiterbundes „Knights of Labor“ schreitet unaufhaltsam vorwärts, und seine gänzliche Auflösung scheint nur noch eine Frage der Zeit. Die „N.-Y. Handelsztg.“ berichtet darüber: y ;

Unter den Mitgliedern herrschen Zwietraht sowie Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Verwaltung, und der langjährige Großmeister oder, wie sein offizieller Titel, „General Master Workman“, Pow- derly, der einst der vollständige Abgott der Arbeitstitter war, hat es verstanden, sich so unbeliebt zu machen, daß der größte Theil seiner früheren Anhänger von ihm abgefallen ist. Die Angelegenheiten des Ordens treiben einer Krisis entgegen. Auf der im nächsten Monat in Minneapolis, Minn., stattfindenden Konvention der „Knights of Labor“ werden, wie es heißt, Powderly und die übrigen Mitglieder der Generalexekutive des Ordens abgeseßt und soll eine gründliche Reorganisation des leyteren auf eincr ganz neuen Basis vorgenommen werden. Diese Reorganisation wird bereits seit längerer Zeit von den Befürwortern der Bildung von Gewerkschaftsvereinen innerhalb des Ordens angestrebt, Dieses leßtere Element unter den Arbeits- rittern ist es hauptsächlich, welhes mit der jeßigen Administration des Ordens unzufrieden ist und auf deren Entfernung hinarbeitet. Vornehmlih seit der im leßten Jahre in Cleveland, D., stattge- fundenen Generalversammlung der „Knights“ hat sich unter den

1 Lebteren die Bewegung zu Gunsten der Bildung von Gewverkschafts-

vereinen bemerkbar gemacht, welche ijies 1e owderly und einem Theile der Mitglieder des Ordens von vornherein auf energische Opposition gestoßen ist. Es ist klar, daß viele der im Orden vertretenen Ge- werke und andere Arbeiterklassen, wie z. B. die Schuhmacher mit 200 000 Mitgliedern und die Eisenbahn-Angestellten, welche fogar 250 000 Mitglieder zählen, es zur Förderung ihrer speziellen Interessen für besser halten, sich von den Diktaten von Leuten zu emanzipiren, welche nicht das rihtige Verständniß für ihre Angelegenheit haben können, da sie eben in ganz anderen Geshäftsbranhen beschäftigt sind. Diese genannten und einige andere besonders zahlreich im Orden yver- tretene Gewerkschaften sind es, die für eine Reorganisation desselben auf einer ganz neuen Basis agitiren, d. h. für eine Allianz der Ge- werkshaftsvereine des Landes. Der Entwurf zu der angestrebten Reorganisation foll Seitens ihrer Befürworter bereits fertig, gestellt sein und alle Aussiht haben, auf der Konvention in Minneapolis angenommen zu werden. Der Plan der Anhänger der Gewerkschaftsvereine geht dahin, die sogenannte Generalexekutive deg Ordens abzuschaffen, da dieselbe erstens eine beständige Bedrohung des Sas innerhalb des Ordens sei und weil die Beamten ein viel zy ohes Salair bezögen. Nur das Amt des „General Master Workman“ wollen die Gewerkschaftsvereinler beibehalten wissen, doh sollen die Prärogative dieses Amts bedeutend verkürzt und die damit verknüpften Pflichten wesentlich geändert werden, Die Affairen jeder einzelnen im Orden vertretenen Atbeiterklasse und Gewerkschaft sollen durch aus den Reihen ihrer eigenen Mit- glieder zu erwählende Beamte verwaltet werden und der „General Master Workman“ foll nur im Allgemeinen die Angelegenheiten des Ordens überwachen und dessen Interessen wahrnehmen. Wenn dieser Plan durcginge, würde dem ganzen System, auf welchem der Orden der „Knights of Labor“ aufgebaut ift, der Todesstoß verseßt werden, Das sieht au Hr. Powderly sehr gut ein, und um den Orden und fi selber zu salviren, hat er seine Taktik gegen die Gewerkschafts- vereine geändert, und einen Kompromiß vorgeschlagen, durch welchen er die Differenzen zwischen den einzelnen Faktionen beilegen zu können hofft. Hr. Powderly ist sogar so weit gegangen, zu erklären, daß er in Wirklichkeit niemals ein Gegner der Gewerkschaftsvereine ge- wesen sei. Ob dem Großmeister diese Schritte, welche er angesihts der ihm und dem Orden drohenden Gefahr, sih zu thun gezwungen sieht, etwas nüten werden, wird si erst auf der Generalversammlung in Minneapolis zeigen. Den Zerfall des Ordens werden troß aller Bemühungen weder Hr. Powderly noch seine Anhänger aufhalten können. Zu bedauern wäre es nit, wenn die Organisation der „Knights of Labor“ in ihrer gegenwärtigen Zusammenseßung aufhörte zu existiren, denn für die geshäftlihe und industrielle Entwickelung des Landes ist der Orden stets ein Hemmschuh gewe!en , während er andererseits, wie die bestehende Spaltung in den Reihen seiner Mit- glieder zeigt, für die Leßteren von keinem Nugen gewesen ist. New-York, 8. Oktober. (A. C.) Der Sekretär der „Ritter der Arbeit“ hat der Konvention in Minnea- polis berichtet, daß die Anzahl der „Ritter“ sich während des vergangenen Jahres von 129 677 auf 535 000 vermindert habe. Am 1. Juli waren 80 000 Mitglieder mit ihren Vei- trägen im Rückstande. Die Einnahmen des Jahres beliefen sih auf 388 731 Doll.

Asien. Afghanistan. (A. C.) Einer Depesche des „Reuter’shen Bureaus“ aus Bombay, vom 10. Oktober, zu: folge meldet ein Telegramm aus Kabul, vom 2. d., daß Mahomed Ulla Khan, der Gouverneur von Panjshir, in Folge seiner tyrannishen Behandlung der Bevölkerung ermordet worden sei.

Afffrikxa. Egypten. Alexandria, 10. Oktober. (A. C.) Berichte aus den Baumwolldistrikten melden, daß der dur die Würmer verursachte Schaden durch das heiße Wetter wieder gut gemacht worden ist. Die Baummwollernte wird auf 3 Millionen Cantars geschäßt, und soll in Bezug auf Qualität besser sein als die leßtjährige. Der Nil erregt, obgleih er fällt, noch immer Besorgniß, jedo hat er in den Baumwollfeldern wenig Schaden angerichtet. j

‘Marokko. Tanger, 10. O . B.) Der hiesige französishe Gesandte hat vom 5. d. M. datirte Nachrichten erhalten, daß der Gesundheitszustand des Sultans etwas e ist. Die von einigen Zeitungen gebrachte Meldung, daß der Sultan shon im Freien gesehen worden sei, N jedoh nicht auf Wahrheit. Das panische Panzers\chiff „Castilla“ ist von Cadiz hier eingetroffen.

Zeitungsfstimmen.

Das „Berliner Fremdenblatt“ schreibt:

Auf Grund“ einer Königlichen Verordnung is mit dem 1. Olto- ber das Polnische als Unterrichtsgegenstand in den Volksschulen der Provinzen Westpreußen und Posen aufgehoben worden. Diese Maÿß- regel rechtfertigt sich auf den ersten Blick für alle diejenigen, welche die auf die Stärkung des Deutschthums gerihtete Politik unterstüßen und der weiteren Ausdehnung des polnischen Einflusses einen Damm entgegengeseßt wissen wollen, von selbst, so daß es kaum einer befon- deren Begründung für dieselbe bedarf. Auf der anderen Seite wird aber die neue Sprachenordnung von der polnischen und fast nod) mehr von der deutshen ultramontanen Presse zu - etner so leidenschaftlihen Agitation für ihre nationalen und politischen Ziele auêgebeutet, daß es wohl angemessen erscheinen dürfte, auf die that- sählihen Verhältnisse hinzuweisen, welche zu dieser Anordnung geführt haben. Mit der neuen Sprachenordnung sind einfach diejenigen stimmungen, welche in Bezug auf das Polnische als Unterrichtsgeget stand in Oppeln bestehen, in Westpreußen und Posen eingeführt worden; in Bezug auf den Gebrauch des Polnischen als Unterrichtsmittel im Religionsunterricht ist dagegen keine Aenderung eingetreten. Die in den polnisch redenden Landestheilen bisher in Geltung gewesenen L stimmungen aus dem Jahre 1872 und 1873 hatten bezüglich de Unterrichts in der polnishen Sprache wie auch hinsichtlih des Gebrauchs der polnishen Sprache im Religionsunterricht von einander abweichende Ordnungen getroffen. So wurde z. B. im Regierungb- bezirk Oppeln polnischer Spracunterricht, insbesondere Unterricht im polnishen Lesen und Schreiben, überhaupt nicht ertheilt. In m

rovinz Westpreußen bestand der Unterricht im polnischen Lesen und

chreiben für die nicht deutshen Kinder nur auf der Oberstuse; der selbe kounte jedoch bei Schulen mit überwiegend deutschen L auf spezielle Anordnung der Regierung ganz fortfallen. n v6 Provinz Posen dagegen war auf allen Stufen der Volksschule N Polnische als Unterrichtsgegenstand für die Kinder polnischer Zunge geblieben, doch konnte die Regierung in geeigneten Fällen das G theil bestimmen. In ähnlicher Weise stuft sich au jeßt noh N Gebrauch der polnishen Sprache beim Religionsunterricht in den 1 schiedenen Provinzen ab: in Oppeln wird dieser Unterricht nur in des Unterstufe in der polnishen Sprache unter Zuhülfenahme ilfe Deutschen, in der Mittelstufe . in e Sprache unter U nahme des Polnischen, in der Oberstufe aus\{ließlich in deuts L Sprache ertheilt; in Westpreußen wird auf der Ünterstufe Religionsunterricht für die polnish redenden Kinder polnisch, Vgl Mittel- und Oberstufe deutsh, unter Zuhülfenahme des l nishen, ertheilt; in Posen wird er in allen Stufen is nis ertheilt, jedoch bei. genügend vorhandener Kenn B des Deutschen kann mit Genehmigung der Re terung b deutsche Sprache beim Religionsunterriht in der ittel- rie Oberstufe als Unterrichts\prache eingeführt werden. Für die Vet is dene Behandlung der Provinzen und Bezirke in dieser Bedien i waren innere’ Gründe nicht Larbeiben es hat hier vielmehr nur Berücksichtigung der historish gegebenen Verhältnisse obgewaltet

diese Verhältnisse haben sich geändert. Nachdem im Jahre 1876 dur das Geseß über die Geschäfts\prache der Behörden, Beamten und poli- tischen Körperschaften des Staats die deutshe Sprache als Amts\prache eingeführt worden ist, bedarf es auh für die Provinz Posen keines be- sonderen Unterrichts im Polnischen mehr, der gerehtfertigt war, so lange das Polnische hier mit dem Deutschen gleihberechtigte Amtésprahe war. Dazu kommt, daß gerade in den Bezirken, wo die polnische Sprache im Unterricht größere Berücksichtigung erfährt, die Schule weniger leistet. Die Versuchung, die für Posen erlassenen Bestim- mungen dazu zu benußen, um überhaupt polnisch zu unterrichten, liegt für bequeme, unzuverlässige oder auch der polnishen Propaganda dienende polnische Lehrer zu nahe, und damit ist denn auch eine wesentliche Beeinträhtigung der Erfolge in der deutshen Sprache gegeben, So fommt es, daß die Provinz Posen hierin wesentlich gegen Oppeln zurüdcksteht. Nit nur jeder Deutsche, sondern auch jeder Staatsbürger, ob deutsher oder polnisher Nationalität, wird es für geret- fertigt ansehen müssen, daß der Staat solche Anordnungen trifft, welche das Verständniß und den Gebrauch der deutshen Sprache für alle seine Glieder gewährleisten, und daß er Einrichtungen beseitigt, welche die Erlernung derselben zu hindern oder zu vereiteln geeignet sind und welche von dem Polenthum nur allzu eifrig im eigenen Interesse verwertbet werden. Anklagen wie die, daß in der neuen Sprachenordnung für die Polen eine „Unterdrückung der Muttersprache“ zu erblicken sei, be- dürfen keiner Widerlegung; man kann fie aber polnischen Blättern zugute halten. Wenn indeß ein deutshes Blatt, wie

die „Germania“, aus Anlaß der Billigung, welche die neue Sprachen- ordnung in der nationalen Presse gefunden hat, letztere „deutschen Hochmuths“, „cauvinistishen Nationalismus“, „nationalen Schwin- dels“ beschuldigt, und wenn sie die Behandlung der Sachsen in Siebenbürgen dur die Magyaren und der Deutschen in den russischen Ostsee-Provinzen im Vergleich zu der Behandlung, die bei uns den se da widerfährt, als geradezu beneidenswerth hinstellt, so bekundet i

e damit nur, daß ihr jedes Gefühl für deutsche Ehre, jeder Sinn ür Gerechtigkeit und jedes Verständniß für das Verhältniß der oen zu Preußen abhanden gekommen ist; die Sachsen in Sieben- ürgen und die Deutschrussen sind loyale Unterthanen, von denen dem Staat keine Gefahr droht; die Polen aber, welche den preußischen und den deutshen Staat negiren, treten für die Wiederherstellung des ehemaligen Königreihs Polen ein. Diesen Bestrebungen entgegen- zutreten, ist patriotische Pflicht jedes Deutschen, und deshalb wird auch die neue Sprachenordnung, welche nur ein Glied in der Kette der auf die Erstarkung des Deutschthums gerichteten Politik ist, in allen wirklih deutsch gesinnten Kreisen volle Billigung finden.!

Jn der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen wir:

Von freihändlerischer Seite wurde als Argument gegen unsere maßvolle Schutzzollpolitik stets auch u. A. ein Rückgang unserer Jn- dustrie prophezeit, indem die Industriellen durch den Sckutßzoll in ihren Bemühungen, nach Vervollkommnung ihrer Einrichtungen zu streben, nachlassen würden. Gerade das Gegentheil, wie es nicht an- ders zu erwarten stand, ist aber bei unserer Eisenindustrie und Baum- wollspinnerei, die beide sih eines erhöhten Schußzzolls durch unsere Zollpolitik von 1879 zu erfreuen haben, eingetreten, indem sie troß der \chlechten Zeiten, welche fie inzwischen wie in allen anderen Ländern durhgemacht haben, in ihren maschinellen Einrichtungen hinter keinem Lande zurückgeblieben sind. Was wir indeß einzig und alléin der gegenwärtigen Zollpolitik zu verdanken haben, ift die in den leßten Jahren in steter Entwickelung begriffene einheimishe Baumwollen- zwirnerei. Wir sehen hierbei ab von der Fabrikation von Baum- wollen-Strickgarnen und -Nähzwirnen, die, etwas höher ges{chÜütßt, früher {on an der Versorgung des inländishen Bedarfs einen größeren Antheil aufzuweisen hatten, sondern haben lediglich nur die Anfertigung von Doubles im Auge, die eine steigende Verwendung in unserer Textilindustrie, namentlich auch zu Besatartikeln, in der Barmer und sächishen Besatindustrie finden. Bis vor wenigen Jahren wurden diese unter dem Namen „Sewings“ bekannten Zwirne fast auss{ließlich von England bezogen, und spielten in unseren Einfuhrlisten unter der Rubrik „Baumwollen- garn“ keine geringe Rolle. Heute werden dieselben aber, Dank der Erhöhung der Eingangszölle, in sehr umfangreihem Maße in unserem rheinisch-westfälischen, sächsishen und elsässischen Spinnereidistrikt an- gefertigl, so daß die Zeit nicht fern sein dürfte, wo der einheimisce

edarf in den gröberen Nummern für die gedahten Industrien von unseren inländishen Baumwollspinnereien bezw. Zwirnereien gedeckt wird, zumal die hiesigen Fabrikate in keiner Weise den englischen nac- stehen. Die dazu erforderlihen Maschinen müssen leider vorwiegend noch von England bezogen werden; doch steht zu hoffen, daß unsere ein- heimischen Maschinenfabriken, wie sie sih auf dem Gebiet der Wollen- industrie seit langen Jahren eines guten Rufs erfreuen und im rhei- nischen Industriegebiet einen solchen für die Herstellung von mecha- nischen Sammt- und Seidenstühlen, sowie den : sonstigen für diese Betriebe erforderlichen Hülfsmaschinen in neuester Zeit erworben haben, sih au bald in einem größeren Maße für die Anfertigung von Spinn- und Zwirnmaschinen, Webstühlen 2c. für die Baum- wollenindustrie interessiren werden, um unsere Industrie auch nah dieser Richtung hin vom Auslande unabhängig zu machen. Dazu bedarf es nur eines guten Muthes Seitens der einheimishen Maschinen- fabrikanten, aber auch der ebe durch die Textilindustriellen selbst, verbunden mit einer Verbesserung unserer Patentgeseßgebung.

Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheits- amts. Nr. 41. Inkalt : Personalien, Gesundheits\tand. Volkskrankheiten in der Berichtswohe. Cholera-Nachrichten. Sterbefälle in deutschen Städten von 40000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt- und Land- bezirken. Grundwasserstand und Bodentemperaturen in Berlin und

. München August 1887. Flecktyphus in den Regierungsbezirken

Marienwerder und Königsberg. Trichinenkrankheit in Hamburg. Sterblichkeit im Hamburgishen Staat 1886. Civilheilanstalten Italiens 1884. Witterung. Zeitweilige Maßregeln 2c. Thier- seuhen in der Schweiz im Mai und Juni 1887. Desgl. in Rumänien. Medizinalgesetzgebung 2c. (Preußen.) Genießbarkeit des Fleisches perlsüchtiger Thiere. (Reg.-Bez. Bromberg.) Unter- suhung des Schweinefleishes auf Trichinen. (Mecklenburg- Schwerin.) Hebeammen. (Schwarzburg-Sondershausen.) Desgl. (Schwarzburg-Rudolstadt.) Anstecktende Krankheiten. (Frankreich.) Eingangszoll auf Traubenweine, Wermuthwein, Absinth und Kunst- butter. (Uruguay.) Salicylhaltige Nahrungs- und Genußmittel. (Argentinische Republik.) Gesundheitsräthe. Rechtsprechung. (Reichs- geriht,) Fleisch von Schweinen, welche mit Rothlauf behaftet waren.

Ga

Statistische Nachrichten.

Nach dem für den Monat August d. J. ausgegebenen Heft der „Statistik des Deutschen Reichs“ war die Ausfuhr von Fabrikaten der Textilindustie in der Zeit vom 1, Januar bis Ende August d. J. im Vergleih zu demselben Zeitraum des Vorjahres

folgende: 1887 1886 100 kg netto 110 371 95 902

13 177 9 363 79820 74811 25452 22030 45664 38416 189 631 183 235 43861 41052

507 976 464 809

Dichte Baumwollenwaaren . . Undichte Baumwollenwaaren, baum und Stickereien L N aumwollene Strumpf- und Posamentierwaaren einenwaaren aller At eiden- und Halbseidenwaaren ollenwaaren aller Art. . . leider, Leibwäshe und Pußwaaren . zusammen

wollene Spiyen

Die Ausfuhr von Fabrikaten der Textilindustrie hat demna bis

Ende August d. J. im Vergleich zu demselben Zeitraum des Vorjahres um 43 167 Doppel-Ctr. zugenommen. Dieser Ausfuhr steht eine Cinfuhr von Fabrikaten der Textil- industrie in einer Gesammtmenge von nur 34 902 Doppel-Ctr. gegen- über, wovon auf: dihte Baumwollenwaaren 4659, undihte Baum- wollenwaaren, baumwollene Spißen und Stickereien 3570, baum- wollene Strumpf- und Posamentierwaaren 429, Leinenwaaren 10 685, Seiden- und Halbseidenwaaren 3172, Wollenwaaren 10435 und Kleider, Leibwäsche und. Pußwaaren 1952 Doppel-Ctr. treffen. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Einfuhr um 3233 Doppel-Ctr. ab- genommen.

Nah der im „Justiz-Min.-Bl.“ veröffentlihten Hauptüber- siht der Geschäfte der preußischen Landgerichte im Jahre 1886 waren an diesen Gerichten an etatsmäßigen St-llen: 92 Präsi- denten, 181 Direktoren, 856 Richter, 93 Rehnungsreviforen, 397 Ge- rihts\{reiber (darunter 36 Dolmetscher), 136 etatsmäßige und 65 diâtarishe Gerichts\{hreibergehülfen (darunter 14 bezw. 2 Dolmetscher), 296 Kanzlisten, 150 Kanzleidiätare, 426 Gerichtsdiener und Kastellane, 33 ständige HPülfsgerihtsdiener. Bei den Staatsanwaltschaften : 92 Erste und 151 Staatsanwälte, 199 Sekretäre, 85 etatsmäßige und 41 diätarishe Assistenten, 29 Kanzlisten, 15 Kanzleidiätare, 38 Gerichtsdiener, 14 ständige Hülfsgerichtsdiener,

An Civilsachen sind im Jahre 1886 anhängig geworden : I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten in erster Instanz. aa) Vor den Civilkammern: 1) Gewöhnliche Prozesje 57 785, 2) Urkundenprozesse 10 825, darunter Wechselprozefse 9278, 3) Arreste und einstweilige Verfügungen 5122, 4) Prozesse in Chesachen 5764, und zwar wegen : a. Nichtigkeit der Ehe 57, b. Ungültigkeit der Ehe 22, c. Ehescheidung 5639, d. Herstellung des ehelichen Lebens 46, 5) Prozesse in Ent- mündigungssahen 53, und zwar wegen: a. Anfechtung des Ent- mündigungsbes{chlusses 28, b. Wiederaufhebung der Entmündigung 25. bb. Vor den Kammern für Handelssahen: 1) Gewöhnliche Prozesse 9005, 2) Urkfundenprozesse 12 370, darunter Wechselprozesse 12 288, 2 Arreste und einstweilige Verfügungen 593. 1]. Bürgerliche

echtsstreitigkeiten in der Berufungsinstanz. 1) Gewöhnliche Prozesse 23 998, 2) Urkundenprozesse 176, darunter Wechselprozesse 156.

An mündlichen Verhandlungen fanden statt: I. in erster Instanz: 1) vor den Civilkammern in Sachen, welche anhängia geworden sind: a. in früheren Jahren 46 737, b. im laufenden Jahre 71038, zu- fammen 117 775, darunter fkontradiktorishe Verhandlungen 66 247 ; 2) vor den Kammern für Handelssachen in Sachen, welche anhängig geworden sind : a. in früheren Jahren 4415, b. im laufenden Jahre 21 218, zusammen 25 633, darunter kontradiktorishe Verhandlungen 8388; II. in der Berufungsinstanz in Sachen, welche anhängig ge- worden sind: a. in früheren Jahren 14 871, b. im laufenden Jahre 27 168, zusammen 42 039, darunter kontradiktorische Verhandlungen 33 144; TII. in der Beshwerdeinstanz 83.

Unter den Strafsachen waren 59 320 Anträge und Anzeigen, die ohne weiteres Verfahren von der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen und 28 100, die an die zuständige Behörde abgegeben wurden. Vorverfahren waren 349554 anhängig (davon 295 779 neu eingeleitete), darunter 15 990

Voruntersuchungen, unbeendet blieben 56192 (46 912) bezw. 3112, |

Hauptverfahren in erster Instanz fanden statt: vor den Schwur- gerihten 3868 (darunter 3370 in neuen Sachen), vor den Straf- kammern wegen Verbreden 20 293 (17 768), wegen Vergehen 25 942 (21 185), Berufungen bei der Strafkammer in Privatklagesachen 7199 Ee in anderen Sachen 33 856 (28 552), Beschwerden über

ihter und Gerichte 4506, über Amtsanwälte 766. Außerdem hatte die Staatsanwaltschaft zu erledigen: 25 861 Rechtshülfe- fachen, 53 391 Strafsachen bei den Amtsgerichten nach der Prozeßliste, 1997 Berichte in Guadensachen.

Hauptverhandlungen fanden statt vor den Schwurgerihten 3587, Urtheile ergingen 3400 (3448 Personen wurden verurtheilt, 1263 frei- gesprochen) ; vor den Strafkammern der Landgerichte in erster Instanz 44 230 Hauptverhandlungen, 39 096 Urtheile (54 354 Personen ver- urtheilt, 9476 freigesprochen), davon 17 719 wegen Verbrechen, 21 377 wegen Vergehen. Vor den Strafkammern in der Berufungsinstanz: 36 024 Hauptverhandlungen, 29 555 Urtheile (15 856 vor 5, 13 699 vor 3 Richtern), davon 11 404 auf Aufhebung des ersten Urtheils, 18 151 auf Verwerfung: der Berufung.

Bei den preußischen Ober-Landesgerichten waren etatsmäßig 13 Präsidenten, 37 Senats-Präsidenten, 235 Räthe, 26 Rechnungsrevisoren und Rendanten, 245 Gerichts\{reiber und -Gehülfen, 56 Kanzlisten, 29 ständige Hülfsarbeiter im Bureau- und Kanzlei- dienst, 77 Gerichtsdiener und Kastellane. 13 Ober-Staatsanwälte, 10 Staatsanwälte, 16 Sekretäre, 9 Assistenten, 14 Kanzlisten, 1 Kanzleidiätar, 14 Gerichtsdiener. 3714 Referendare (im Bezirk).

An Civilsachen wurden im leßten Jahre 10 419 anhängig (9792 gewöhnliche Prozesse, 168 Urkundenprozesse, davon 133 Wechsel- prozesse 459 Ehe- und Entmündigungssachen). Mündliche Ver- handlungen fanden 16792 ftatt, darunter 13 675 kontradiktorische. 17 343 Sachen wurden erledigt. 3859 Beschwerden wurden anhängig.

In Strafsachen waren anhängig: 16 Revisionen gegen Urtheile

in erster Inftanz (sämmtli erledigt), 510 Revisionen gegen Urtheile der Berufungsinstanz, betr. Privatklagesachen (461 erl.), und 18092 (1603 erl.) betr. andere Vergehen oder Uebertretungen; Beschwerden in Strafsachen, die in erster Instanz gehören vor das Amts- oder Schöffengericht 582 (569 erl.), vor die Strafkammer 1619 (erl. 1582), u S Schwurgericht 130 (128 erl.); in Rheinschiffahrtsfachen 6 erl. 5). Von 1835 Urtheilen in Revision gegen Urtheile der Berufungs- instanz gingen 349 auf Aufhebung des Berufungsurtheils, 1486 auf Verwerfung der Revision. Von durch Entscheidung erledigten Be- \chwerden wurden 500 für begründet, 1673 für unbegründet erklärt.

Die Staatsanwaltschaft wies ohne weiteres Verfahren 1214 Anträge zurück und gab 1912 an die. zuständige Behörde ab und erstattete 575 Berichte über vorläufige Entlassungen; Beschwerden über Staats- und Amtsanwälte lagen 5474 vor.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Sitzungsberichte der Königlich preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, Verlag der Kgl. Ak. d. W.; in Kommission bei Georg Reimer. 1887, Nrn. XXXVI[— XXXIX, vom 21. und 28. Juli. In der Sitzung der physikalisch- mathematishen Klasse, am 28. Juli, legte Hr. Beyrihh einen von Professor Richard Lepsius in Darmstadt eingegangenen Bericht über die von demselben in den Monaten März bis Juli 1887 mit akademi- \cher Unterstüßung in Attika ausgeführte geognostishe Kartirung vor. Die Reihe der in dem Heft veröffentlihten wissenschaft- lihen Mittheilungen leiten „weitere Untersuchungen, die Elektrolyse des Wassers betreffend“, von H. von Helmholy ein. Dann folgen Mittheilungen über die Struktur des menschlihen Eies, von Dr. W. Nagelz „Untersuchungen ül‘er die Abhängigkeit der Assimilation

rüner Zellen von ihrer Sauerstoff-Athmung, und den Ort, wo der im Assimilations-Akt der Pflanzenzelle gebildete Sauerstoff entsteht“, von N. Pringsheim, und „noch einige weitere Beobachtungen über das 0-Amidophenylmercaptan und \fcine Abkömmlinge“, [von A. W. Hofmann. Eine von Hrn. Schultze vorgelegte Mittheilung von Dr. W. Weltner in Berlin betrifft eine von demselben im Tegeler See (später auch im Berliner Spreeshlamm zwischen Jannowiß- und Waisenbrücke) ge- fundene Planarie, die mit der von Pallas in Belgien entdeckten übereinstimmt, und die der Verfasser unter dem Namen Dendro- coelum punctatum beschreibt (dazu eine Tafel mit Abbildungen). Am Schluß des Hefts endlich berihtet Dr. U. Wilken in einer von Hrn. Mommsen vorgelegten Mittheilung über die Achmîm-

apyri in der Bibliothèque nationale zu aris,

er Verfasser ja während seiner mit Unterstüßung der Akademie ausgeführten Arbeiten in der genannten Bie bliothek einige griehische Pape amens zu Gesicht bekommen, die erst kürzlich durch Vermittelung Maspero's aus den Trümmer- haufen des oberegyptischen Ahmîm, des alten Panopolis, der Vater- stadt des Nonnos, in die Bibliothek gekommen waren. Die Verwal- tung der leßteren hat ihm in freundliher Weise Studium und

Dito dieser Texte freigestellt. Wie er ausführt, haben diese ragmente seltsame Schicksale gehabt. Der größere Theil der Papyrus-Blätter, deren Vorderseite, wie der Urkundentext besagt, zum Theil im 5. Jahre der Regierung des Kaisers Severus mit griehisher Kursivshrift bedeckt worden war, ist später (wohl etwa im V. Jahrhundert) zur Herstellung von Codex- blättern in der Weise verwandt worden, daß die beschriebenen Vorder- seiten diefer verjährten Rollen auf einander geklebt und zum Coderx- format beshnitten wurden. Auf die so gewonnenen Codexblätter, also auf die no An Vertikalfeiten der ursprünglichen Rollen, hat man dann biblishe Texte in einem sehr eigenthümlichen koptishen Dialekt geschrieben. Leßtere sind von A. Bouriant publizirt worden. Die Edition der griehishen Urkundenfragmente, die jeßt durch ge- \hickte Loslösung der auf einander geklebten Flähen wieder zu Tage gekommen find (darunter ein interessanter Brief eines ê2xérporoç chefaaroò an den Strategen von Panopolis) hat sich Wilken für eine andere Gelegenheit vorbehalten. Die übrigen Blätter, von denen er in der vorliegenden Mittheilung handelt, sind Reste alter Papyrus-Codices und gleichfalls, nachdem sie ursprünglich zur Aufnahme griehischer Texte verwandt worden, in einem späteren Jahrhundert (wohl auch etwa dem V.) wiederum nußbar gemacht worden, jedoch in anderer Weise. Man hat nämlich aus den zusammengeklebten und zusammengepreßten Papyrusblättern einen Codexdeckel hergestellt (Fragmente solher Deel finden sih auch in der Fayüwmer Sammlung des Berliner Königlihen Museums). Auch diese Fragmente waren zum größten Theil {on auf der Bibliothek von einander losgelöst und ergaben sich als Reste literarisher Texte. Bei genauerer Durchsicht erkannte Wilcken in dem einen Stück eine grammatishe Arbeit über den Anfang des ersten Gesanges der „Jlias“. Ein anderes, auf beiden Seiten beshriebenes Codexblatt ergab sich als ein Stück aus einer Hand- schrift von Euripides* „Rhesos" (Vers 48 bis 96). Durch Zu- sammenfügung von vier kleineren Fragmenten gelang es ihm ferner, ein fast vollständiges Codexblatt zu rekonstruiren, welches die Verse 75 bis 145 der Hesiodishen „Theogonie“ enthält. Auf einem anderen Blatt entzifferte er vier Hexameter. Diese Fragmente sind im Wortlaut mit den Konjekturea Wilen's der Mit- theilung angehängt. Die Homerparaphrase bietet zwar textlih nichts Neues, ist aber als eigenartiges Beispiel dafür, wie man in jener Zeit den Homer ia den Schulen behandelte, von Interesse, namentlih wegen des Lerikons, in welchem die poetishen Formen durch die dem Verfaffer geläufigen, bezw. in den Schulen dafür traditionellen Aequivalente wiedergegeben sind. Zur Vergleichung ist ein ähnliches, zu demselben 1, Gesange der „Slias“ verfaßtes Lexikon hinzugefügt, welches \sich in der Fayûumer Sammlung des Berliner Museums befindet. Der Schrift nach weist Wilcken die Homerparaphrase etwa in das 3. bis 4. Jahrhundert, die übrigen Stücke etwa in das 4. bis 5, Jahr- hundert n. Chr.

Im Verlage von Fr. Wilh. Grunow, Leipzig, erschien ein Buch, betitelt: „Deutschland vor hundert Jahren, Politische Meinungen und Stimmungen bei Anbruch der Revolutionêszeit“, von Dr. Woldemar Wenck, Professor an der Universität Leipzig. Es ist keine leichte Aufgabe, welche sih der Verfasser in diesem Buche gestellt hat, und auch der Leser muß sich mit großer Aufmerksamkeit der Lektüre desfelben hingeben, wenn er das darin enthaltene reihhaltige Material bewältigen und in sich aufnehmen will. Gilt es doch die Ursachen und treibenden Momente darzulegen, welche für einen Zeitraum von hundert Jahren maßgebend werden sollten für die Bestrebungen und die Entwickelung unseres Volkes, Die Aufgabe ist eine um so \{chwerere, als gerade zu jener Zeit, von der der V-rfasser anhebt, sih ein welt- historisches Greigniß vorbereitete, welhes für das politische und nationale Leben der gebildeten Völker so überaus verhängnißvoll werden follte, cin Ereigniß, dessen hundertjähriger Gedenktag in absehbarer Zeit bevorsteht, nämlich die französishe Revolution. Da man aber geneigt ift, diesen Einfluß zu übershäßen und von diefer Zeit und ihrem Eindruck eine allzu überwiegende Einwirkung auf das deutshe Volk anzunehmen, will der Verfasser eben in seinem Buche darlegen, daß es in dem deutschen Volk {on vor der französishen Revolution ein politishes Interesse ernster Art gegeben hat. Dies Bewußtsein sei ihm für längere Zeit so_gut wie abhanden gekommen gewesen; man habe zu glauben an- gefangen, daß jede eingehendere Beschäftigung mit fstaatlihen Fragen und Angelegenheiten erst den N L aa von 1789 ihr Dasein zu verdanken gehabt habe. So tief nun die Weltgeschicke der Revolutions- zeit überall einçceshnitten hätten, so sei doh der Zusammenhang zwischen dem Vorher und Nachher ebensowenig, wie in anderen, in der politischen Reflexion der Deutschen völlig durchs{chnitten worden. Der Verfasser schildert die Zeit diht vor diesem großen Ereigniß. Es regte sich, wie er ausführt, unmittelbar vor dem Ausbruch jener politischen Katastrophe im deutshen Volke ein neues Geistesleben und das Ge- fühl eines hoffnungsreihen Aufshwungs. Hervorgerufen war dasselbe wohl in erster Linie dur das Auftreten Friedcih's des Großen, dessen R im deutschen Vater[ande selbst da, wo dasselbe unter dem Kriege zu leiden gehabt, lebhafte Anerkennung gefunden und zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in dem deutschen Volk das Gefühl des nationalen Stolzes, die Hoffnung auf eine erfreulichere Gestaltung der politischen Zustände in Deutschland erregt hatten. Schon der Ausbruch des bayerishen Erbfolgekrieges (1778) und die Haltung Friedrih's des Großen in den damals jschwebenden Fragen fand die Deutschen ganz anders aufgelegt, sich als solche bei einer Sache von allgemein deutscher Bedeutung betheiligt und zur Fassung einer Meinung berufen zu fühlen, als es zu Anfang des siebenjährigen Krieges der Fall gewesen war. Die Gründung des Fürstenbundes (1785), welcher protestantische und katholische, weltlihe und E Fürsten um Preußen schaarte, ermeckte neue Hoffnungen in den mehr und mehr zum Bewußtsein ihrer Nationalität kommenden Deutschen. Gleichfalls froh begrüßt wurde Iosef's T1 aufklärungseifriges Wirken in seinen Erblanden; sein Kampf gegen ungerechtfertigte Uebergriffe der Kirche, die von ihm bewirkte Erlösung der Presse aus {hwerem Dru, das trug im Verein mit den oben erwähnten Momenten wesentlih zur Cs des kräftigen nationalen Aufschwungs bei Diese Lust zur Betheiligung an politishen Fragen wurde nah Ansicht des Ver- fassers noch verstärkt durch Anregung vom Auslande her. Er fagt darüber: „So sehr man sich in Vielem von Frankreih unabhängig zu machen gefuht hatte, so übten do, neben einigen englischen Schriftstellern, und mehr noch als diese, die Werke eines Montesquien, eines Voltaire, eines Rousseau und Manches aus der phbysiokratischen Literatur einen ganz erheblichen Einfluß, um eine lebhafte Beschäfti- gung mit politischen eaen auch außerhalb des Kreises der Regierungs- männer und Fachgelehrten zu verbreiten.“ Selbstverständlih war das Wiedererwachen der deutschen Literatur ein weiterer mächtiger Hebel zur Förderung des nationalen Lebens. Endlih war man dazu gekommen, sih von dem Zopf der französfishen unnatürlihen Muse loszulöfen, alle jene Greignisse auf literarishem Gebiet konnten ihren tief- Cen Eindruck auf das Geistesleben der Nation nit verfehlen.

Nänner wie Klopstock, Lessing, Goethe, Schiller zeigten der deutschen Nation, was sie aus eig-ner Kraft au auf diesem Gebiete zu leisten vermöge, Schiller, Herder und alle die großen Geister der jeßt von uns als flafsish bezeihneten Zeit unserer Literatur, sie begannen ihren Einfluß auf Gemüth und Geist des deutschen Volkes aus- zuüben; an ihnen und. mit ihnen erstarkte das Bewußtsein, daß die vielgeschmähte deutsche Nation doch noch berufea \ein werde, einen Play zu erringen, welcher ihr vermöge ihrer Anlagen zukomme. Jn noch bedeutenderem Grade wirkten nach Ansicht des Ver- fassers die thatsählihen Vorgänge, welche in außerdeutschen Landen geshehen und durch ihr Beispiel die deutsche Nation zum Nachdenken anreizen mußten. Jener auf allen Seiten erhobene Kampf gegen regierende Gewalten, Parteiungen und Erschütterungen innerhalb ge- wisser Lünder, vor Allem der nordamerikanische Freiheitskampf. die parlamentarischen Kämpfe in England zu jener Zeit, der Streit Gustav’s 111. von Schweden mit dem Adel jeines Landes, der Streit der erbstatthalterlihen Gewalt mit den vorherrschenden Kreisen in den großes Handelsftädten Hollands, die Opposition der Parlamente und

otabeln gegen Hof und Ministerium in Frankreih, der Widerstand, welchen Josef's IT. uniformirende und aufklärende Selbstherrlihkeit bei

seinen österreichishen Unterthanen fand, das Alles waren Ereignisse,

ito E G E L E T A L E E L L E B E L G Es U C A E U S E E