1887 / 244 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Oct 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Polizei nach bestehendem Recht keinen Zutritt hat. Sir oseph West Ridgeway, der neue Unter-Sekretär ür Jrland, kam am Sonnabend Abend in Dublin an,

während der Ober-Sekretär Balfour gestern, Sonntag,

Morgen in der irischen Hauptstadt eintraf. Detectives be- schüßen den Leßteren auf Schritt und Tritt.

Der „Observer“ fällt über die gy auf dem Trafalgar-Square folgendes Urtheil: „Die Demon- strationen der leyten E waren nit ehrlich und hatten den Miberiog, welchen sie reihlich verdienten. Unter den sogenannten Beschäftigungslosen befand sih ein winziger Bruch- theil von Arbeitern, oder solchen, welhe Willens waren, zu arbeiten, falls sie Arbeit bekommen konnten. Die Sprache der Deputation, welhe der Richter Sir James JIngham empfing und der Lordmayor zu empfangen sich weigerte, war durchaus unaufrichtig, während der Anzug, den sie si von den Kommunarden geborgt hatten: die shwarzen Fahnen und die phrygishen Müßen, die ene hölzerne Axt gar nicht zu erwähnen, doch gar zu theatralif aussahen, als daß man nit die Absicht darunter erblickt hätte. Der Hauptsprecher, ein Maler, {hien auch eher wegen seiner Deklamationsgabe als anderer gewihtigerer Eigenschaften wegen gewählt worden zu sein, da seine einzige Beshwerde war, daß er vierzehn Tage außer Arbeit gewesen sei. Das ist kaum ein genügender Grund, um die s{hwarze Flagge und die anderen Feldzeichen des Kampfes gegen die Gesellschaft in Anwendung zu bringen. Es steht zu hoffen, daß die Erfahrungen der leßten Woche die Leute abhalten werden, mit diesen falshen Kundgebungen fortzufahren, da sie nur dazu dienen, die Sympathie und Wohlthätigkeit für die arbeitenden Armen der Metropole zu verringern.“

Der Sekretär der Admiralität theilt der Presse das folgende Telegramm mit, welches er am Sonnabend von dem britishen Kommodore in Hongkong erhalten hat: Kanonen- boote zurückgekehrt. Keine Nachricht von der „Was p“. Der „Bander“ sucht noch südlih. Die Telegraphendampfer von Singapore suchen die Küsten von Cochinchina und Hainan ab. :

17. Oktober (W. T. B.) Heute früh fand auf dem Trafalgar-Square abermals ein Meeting be- \schäftigungsloser Arbeiter statt, an welhem gegen 4000 Personen theilnahmen. Nachdem mehrere hestige Reden ge- halten worden waren, wurde eine Deputation nah dem Mansion-House gesandt, um dem Lordmayor die Be- schwerden der Arbeiter vorzutragen. Da der Lord- mayor niht anwesend war, wurde die Deputation von einem Alderman empfangen, welcher zur Zeit im Mansion - House als Untersuchungsrichter fungirte. Die Deputation bat um einen zufriedenstellenden Bescheid für die nothleidenden Arbeiter, damit ernstlihe Ruhestörungen vermieden würden. Zwei Mitglieder der Deputation, mit Namen Wood und Cherry, erklärten auf Befragen: sie selbst seien niht nothleidend, sondern sie wollten nur die arbeitslosen Arbeiter, deren Zahl sich mit jeder Woche vergrößere und die zur Verzweiflung getrieben würden, an Gemwaltthätigkeiten verhindern. Sie hätten die Ar- beiter überredet, auf dem Trafalgar-Square zu bleiben und heute nicht nach der City zu marschiren, aber sie orderten von der städtishen Behörde, daß sie den arbeitslosen

rbeitern Beschäftigung versprehe. Der Alderman er- widerte: er könne eint solhes Versprechen im Namen des Lord- mayors nicht geben, und empfahl den Arbeitern, sich um Unter- stüßung an die Gemeinde zu wenden, wozu sie ein Recht hätten.

Der Alderman rieth ihnen entschieden davon ab, Demonstra-

tionen wie die heutige und die E zu machen, da

an solchen sich stets eine Anzahl arbeitssheuer Taugenichtse und Vagabonden betheiligten, die zu Allem bereit seien. Die Deputation verabschiedete sih hierauf, und einige Mitglieder derselben, welche vor den beiden Sprechern zu den Arbeitern nah dem Trafalgar - Square zurückkehrten, beshuldigten Wood und Cherry, die Arbeiter verrathen zu haben. Dieselben umringten die beiden Sprecher, entrissen ihnen ihre Schriftstücke, und ein Redner erklärte: die Antwort des Alderman sei grausam und gehe über alles Maß hinaus; er fordere die Menge auf, ihm nah der City zu folgen. Die Menge seßte sich nunmehr, die Fahnenträger an der Spitze, nach der City in Bewegung.

Einige hundert berittene Polizisten versperrten derselben

jedoch den Weg, und es kam zu einer stürmischen Szene. Die

Polizei fand starken Widerstand und verhaftete etwa 20 Per- sonen. Mehrere Polizisten und verschiedene Arbeiter wurden

verwundet. Es gelang aber s{ließlich der Polizei, den Marsch

nach der City zu verhindern und die Menge zu zerstreuen.

Frankreich. Paris, 15. Oktober. (Fr. C.) Mit dem nunmehr von dem Präsidenten Grévy unterzeichneten Dekret, welches die Entlassung des Generals Caf- farel aus der Armee in Gemäßheit des Ausspruchs des militärishen Untersuhungsraths verfügt, ist seine weitere Prozessirung ausshließlich Sache des bürgerlichen Gerichts geworden. Er wird vor das Zuchtpolizeigericht kommen. i

Die „Agence Havas“ theilt der Presse folgende Depesche aus Clermont-Ferrand, von gestern Abend, mit:

„General Boulanger hat heute Morgen seinen Arrest ange- treten. Er hätte bei dem Begräbniß des Rektors Hrn. Bourget einen der Zipfel des Leichentuhes halten sollen, ließ sih aber bei der Familie entshuldigen und durch den General Dernay ver- treten. In der Umgebung des Generals Boulanger sagt man: er gebe selb zu, daß sein Benehmen vom Standpunkt der Dis- ziplin inkorrekt war. Man erklärt es aber dur eine Regung des Zornes, welher der General nachgab angesihts der heftigen Polemik der französishen und auswärtigen Presse. Die Freunde des Befehlshabers des 13. Armee-Corps versichern : er bedaure, daß die Blätter seine Gefr über die Fabrikation des Lebel-Gewehres wiedergaben. Er hatte \sich ofen ausgesprochen, sagen fie, indem er glaubte, seine Worte würden nit wiederholt. Heute, so sagen die- selben Personen, tritt der General, nachdem er seine Ehre gerächt hat, wieder in die Reihen zurück. Er wird si der über ihn verhängten Disziplinarstrafe gewissenhaft fügen, strenges Schweigen wahren und Niemanden empfangen, es sei denn die Offiziere, die ihn in Dienst- sachen aufsuchen. eine Freunde fügen hinzu : das von einigen Per- fonen verbreitete Gerücht, dem zufolge der General si bätte zur Disposition stellen lassen wollen, um nah Paris zurückzukommen, sei unrihtig. In der That hat der General {hon alle Anstalten ge- troffen, um den Winter in Clermont-Ferrand zuzubringen, und bereitet z. B. \chon die Einladungen tür seine Empfänge vor. Der dem Befehlshaber des 13, Armee-Corps zugetheilte Arrest wird ihn verhindern, seine FIpspektionsreise in den Garnisonen Vichy, Roanne, Aurillac fort- zuseßen und sich an den Klassirungsarbeiten zu betheiligen, welche dem großen Klassirungsaus\{uß das nöthige Material liefern sollen. Dieser tritt bekanntlich im Dezember in Paris zusammen, und General Boulanger wird ihm beiwohnen. Der Anblick des Haupt-

quartiers ist unverändert, die Ordonnanz-Offiziere empfangen die Besucher. Zwischenfälle haben sich nit L i

16. Oktober. n. Ztg.) Der Präsident der Republik traf gestern gegen Mitternacht von Mont - sous- Vaudrey hier ein; Wilson und’ das militärische Gefolge er- warteten Hrn. Grévy auf dem Bahnhof. Hr. Rouvier hatte heute Nachmittag eine Unterredung mit dem Präsidenten. Der Kriegs - Minister traf heute Morgen von Nancy wieder ein. Der französishe Resident in Tunis, Massi- cault, welcher gestern Paris verließ, kehrt über Spanien au euen Posten zurück, angeblih um die algerischen Häfen zu besuchen. |

17, Oltober. E B.) Da der Justiz- Minister Mazeau aus Gesundheitsrüksihten sein Porte- feuille niederzulegen wünscht, so dürfte, wie einige Abend- blätter erfahren , Spuller das Justiz - Ministerium, Fallières das Unterrihts-Ministerium und der Deputirte Ricard das Ministerium des Jnnern übernehmen. A

18. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ veröffentlicht die Dekrete, welche die Verwaltung von Anam und Tongking, welhe bislang dem Ministerium dzs Aeußern zugetheilt waren, „fortan dem Ministerium der Marine überweisen, unter gleichzeitiger Kreirung eines Civil-General-Gouverneurs für die indish:-cinesischen Besitzungen. ,

Ftalien. Rom, 17. Oktober. (W. T: B.) Dur ein heute veröffentlihtes Dekret des Königs wird das Parlament zum 16. November einberufen. :

(Pol. C.) Laut dem leßten Geseß zur Neuerung in der Armee wird im Kriegsfall die Territorialmiliz (der Landsturm), deren Mannschaften in Friedenszeiten zu Uebungen herangezogen werden, mobil gemacht, soll aber nur zur Ver- theidigung im Junern aufgeboten werden. Eingeschrieben in die Rollen waren Ende vorigen Jahres 1 297 250 diensttaugliche Männer. Zu den Uebungen in Friedenszeiten sind gebildet worden: 320 Bataillone Jnfanteriezu 4Compagnien und 22 Alpen- jäger: Bataillone mit En 341 884 Mann, 100 Com- pagnien Festungs-Artillerie mit zusammen 22 500 Mann und 30 Pionier-Compagnien mit zusammen 3000 Mann, im Ganzen also 367 584 Mann, nicht inbegriffen 5465 Offiziere. Andere Truppentheile werden aus dem Territorial-Milizkontingent nit gebildet. Jeder diensttauglihe Jtaliener ist verpflichtet, nach vollendetem 21. Jahre seiner Militärpfliht zu genügen und bleibt 19 Jahre lang im Militärverbande, kann also, wenn er seine dreijährige Dienstzeit im stehenden Heere

* erfüllt hat, zur mobilen und später zur Territorialmiliz

herangezogen werden. Freiwillige, welche sich die vorschrifts- mäßige Bildung angeeignet haben und si felbst equipiren, fönnen ihrer Militärpflicht in einem Fahre genügen. Vom 29. Lebensjahre ab treten die ausgedienten Leute zur Territorial- miliz über. Ausgehpben zum stehenden Heere werden jährlich 89 000 Rekruten. Die Streitkräfte FJtaliens im Kriegsfall würden also bestehen aus: 1) dem stehenden Heere mit 17 358 Offizieren, 432 000 Mann, 19 056 Pferden und 1242 Kanonen; 2) der mobilen Miliz mit 2625 Offizieren, 917512 Mann, 120 Pferden und 378 Kanonen; 3) der Texrritorialmiliz mit 5465 Offizieren, 1297250 Mann; im Ganzen ungefähr 1 800 000 Soldaten.

Baveno, 17. Oktober. (W. T. B.) Prinz Heinri ch von Preußen ist f 4“ Abend 71/2 Ühr hier eingetroffen

und üa „Hotel BellevuE® &bgestiegen.

Bulgarien. Sofia, 17. Oktober. (Prag. Abdbl.) Die hiesigen Munizipalwahlen sind ohne Störung ver- laufen und ergaben eine große Mehrheit für die regierungs- freundlichen Kandidaten.

Dänemark. Kopenhagen, 17. Oktober. (W. T. B.) Wie aus Fredensborg gemeldet wird, sind der Großfü rst- Thronfolger, der Prinz Georg von Griechenland sowie die Prinzessin Victoria, Tochter des Prinzen von Wales, gleihfalls- an den Masern erkrankt.

Amerika. New-York, 4. Oktober. Gestern hat die Arbeiterkonvention der „Knights of Labor“ in Min- neapolis, Minnesota, ihre Berathungen begonnen. Die „N Hdlsztg.“ schreibt darüber:

ieser Konvent, welher mehrere Wochen dauern dürfte, tritt mehr in den Vordergrund als ähnliche derartige Arbeiterversamm- lungen, weil auf ihm eine Reorganisation des Ordens der „Arbeits- ritter“ vorgenommen werden soll, und zwar auf der Basis “der Abschaf- fung der gegenwärtigen Exekutivbehörde, an deren Spite bekanntlich der Großmeister Powderly steht. Der Großmeister der „Arbeits- ritter“ war noch bis vor wenigen Jahren eine bei der Bevölkerung des Landes im Allgemeinen mit Recht angesehene Per- fönlihkeit. Seitdem es mit dem großen Arbeiterbunde in Folge unge- rechtfertigter Strikes, Boycotts u. \. w., welche er nicht verhindert, begonnen abwärts zu gehen, ist auch das Prestige, welches der Leiter des Ordens noch während des großen Ausstandes am südwestlichen Cisenbahnsystem besessen, verloren gegangen. Uebrigens darf nicht ver- gessen werden, daß Powderly, troß der manchen Fehler, welche er in seiner Stellung als Arbeiterführer gemacht hat, doch heute noch der einzige Mann ift, welcher im Stande sein dürfte, den Orden vor einem plößlichen..gänzlihen Zusammenbruch zu bewahren. Das wird die Mehrzahl der in Minneapolis versammelten Delegirten vielleicht einsehen und dem Großmeister und seinen Getreuen diesmal noch eine weitere Gnadenfrist gewähren. Man hat übrigens anläßlich der Kon- vention in Minneapolis auch erfahren, mit welhen Riesenschritten der Orden der „Knights of Labor“ wirkli) rüdckwärts geht. Derselbe foll nämlich seit dem Juli vorigen Jahres etwa 200000 Mitglieder verloren haben. Zu der Districts Assembly 49 in New-York, einer der größten, wenn nit der größten p des Ordens, gehörten beispielsweise noch im Juli 1886 etwa 1100 Lokalvereine mit zusammen über 60 000 Mitgliedern. Heute besißt Nr. 49 über 200 Affemblies und 30 000 Mitglieder weniger. och bezeihnender für den Niedergang des Ordens ist es, daß noch an der letztjährigen Konvention 541 Delegaten (je einer auf 1000 Mitglieder) theilnahmen, während die dies- jährige Konvention nur mit etwa 270 beschickt ist. Während fo diese eins. sehr verbreitete Arbeitervereinigung ihrer Auflösung ent- G, ist ihr ein mächtiger Rivale in einem neuen Arbeiter- unde, welcher sich die „Federation of Labor“ nennt, erwachsen. Diese Vereinigung, welche erst seit einigen Jahren besteht, umfaßt eine große Anzahl von Gewerkschaften (trades unions) des Landes und soll bereits über eine ganz bedeutende Mitgliederzahl ver- fügen. Die Gewerkschaftsvereine sind es, von welhen Powderly und feine Anhänger am meisten zu fürhten haben, und die durch ihren Austritt aus dem Orden demselben großen Schaden zugefügt haben. Ob dieser neue Arbeiterbund es besser verstehen wird als die Arbeits- ritter, die Interessen der Arbeiter in Einklang mit denjenigen der Arbeitgeber zu bringen, muß die Zeit lehren.

Asien. A gpanian Simla, 15. Oktober. (R. B.) Nachrichten aus Kabul melden, daß der Emir demGholan

S Khan befohlen hat, das Land der Hotak hilzais während des kommenden Winters zu besegen.

Zeitungsftimmen.

 gte „Post“ feiert den heutigen Tag mit folgendem rtikel:

Die freudige Stimmung, in welcher das deutshe Volk gewohnt ist, die Gefühle aufrihtiger Verehrung und Liebe unserem Kronprinzen zum 18. Oktober därzubringen, ist in diesem Jahre getrübt dur das \chmerzlihe und sorgenvolle Bedauern über das Leiden, durch welches der hohe Herr ferngehalten wird von der Heimath, um in der milden Luft Italiens die völlige Wiederherstellung seiner Gesundheit zu fuchen, Aber um so wärmer und herzlicher find die Glück- und Segens- wünsche, in welhen mit Jhren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin, der hohen Gemahlin, den Kindern und Enkeln und der ganzen Königlichen Familie das deutshe Vaterland sih zusammen- findet. Aus der Tiefe der Volks\seele und des Volksgemüths fteigen diese Wünsche auf für den edlen, hocgesinnten, men Genfreuibliten Fürsten, für den Erben des preußischen Königsthrones und der deut- \hea Kaiserwürde, für den in gewaltigem Kampfe bewährten \sieg- reichen Heerführer, auf welchen Deutschland mit inniger Verehrung und Vertrauen blickt. \

An den großen weltgeschichtlichen Thaten, welche Preußens alte Fahnen mit neuen Lorbeeren bekränzt haben, dur die und an denen der zeitweilig ermattete und gebeugte preußishe Staatésinn \sich zu neuer Bethätigung seiner unverwüstlihen Lebenskraft aufgerafft hat, aus welchen endlich unter Preußens Führung Deutschland zu einem mächtigen Kaiserreich geeinigt hervorgegangen ist an diesen Thaten hat unser Kronprinz reihen und ruhmvollen Antheil genommen. Sein rechtzeitiges Erscheinen auf dem Schlachtfelde an der Spiße der zweiten Armee wurde für den Ausgang der Schlat bei Königgräßz von entscheidender Bcdeutung. Im deutsch-französischen Kriege war es der von ihm geführten dritten Armee beschieden, bei Weißenburg und Wörth die glänzende Siegesbahn zu eröffnen, welche über Met und Sedan nach Paris, zum Frieden von Frankfurt und zur Wieder- herstellung des deutschen Kaiserthums führte.

Und gerade auf diesen Abschluß, auf dies Ergebniß des großen Völkerkampfes deuteten {hon die ersten Siegesthaten der Kronprinz- lihen Armee hin, sie waren gleichsam vorbedeutend, vorbildlih. Im Lager des Kronprinzen waren mit dem süddeutschen Heere preußische Armee-Corps vereinigt, reiten sich Nord- und Süddeutschlayd zum gemeinsamen Kampfe für das eine deutshe Vaterland in treuer Waffen- brüdershaft die Hand. Die Mainlinie war überbrückt, die Schranken, welche den Norden noch vom Süden trennten, waren von dem Sturm vaterländisher Begeisterung, der mächtig über Deutschland hinbrauste, niedergeworfen. Es war ein deutsches Heer, welhes Preußens Kron- prinz zum Siege führte, es wak ein deutsches Heer, an dessen Spiye er den Versuch der Franzosen, Süddeutschland in raschem Anlauf zu überwältigen und von Norddeutschland abzudrängen, zurückwies.

Gewiß trug die hohe Stellung des Kronprinzen wesentlih dazu bei, daß es in diesen ernsten zukunftsreihen Tagen gelang, die lange

_Getrennten rasch zu einem den höchsten kriegerischen Anforderungen

gewachsenen einheitlichen Körper zu verschmelzen; aber ein großer Theil des Verdienstes gebührt doch auch der Persönlichkeit des Führers, seinem freien, ets auf das Ganze gerihteten Blick, dem unbedingten Vertrauen, welches er, wo er auch erschien, sofort erweckte, Es war ein nicht leicht zu übershäußender Gewinn, daß zu der Be- geisterung für die Sache auch die Begeisterung für den im Waffen- werk bereits rühmlich erprobten und wegen seiner mens{- lien Tugenden verehrten und geliebten Feldherrn sich ge- sellte. Es war nichts Geringes, daß die hochgeachtete, aber der süddeutshen Weise fremdartige und damals in ihren Formen noch nicht gerade sympathishe preußishe Tüchtigkeit und Pflichttreue dem Süddeutschen in der Person des preußischen Thron- erben in voller Energie, aber umgeben mit dem Zauber einer {on bei ihrem ersten Erscheinen die Herzen gewinnenden und fesselnden Persönlichkeit gleichsam verkörpert vor Augen trat. Und diese Liebe und Verehrung, welche die süddeutshen Stämme dem ruhmgekrönten Führer zollten, der Bayerns, Württembergs, Badens Krieger von Sieg zu Sieg geführt hatte, dessen rashem und ents{lossenem Han- deln es zu verdanken war, daß kein Feind den süddeutschen Boden betrat, diese Liebe und Verehrung haben sie ihm treu bewahrt; sie haben fie stets laut und freudig bekundet, so oft seine Dienstpflicht ihn zu den Truppenbesihtigungen nah Süddeutschland führte.

Es ift eine glülice Gügung, daß in der Verehrung für die Person des erhabenen, Ehrfurcht gebietenden Gründers des Deutschen Reichs, des Trägers der Deutschen Kaiserwürde, Nord und Süd sich begegnen; es ist eine glücklihe verheißungsvolle Fügung, daß auch auf den Erben der Kaiserwürde und des preußischen Königs8thrones Nord und Süd mit Liebe und einem festen in {werer Zeit gewonnenen und bewährten Vertrauen blicken. Die s{önen menschlichen Eigen- schaften, welhe den Kronprinzen zu einer im edelsten Sinne des Worts volksthümlichen Gestalt gemacht haben, scine warme Liebe für Kunst und Wissenschaft, seine herzliche Theilnahme für alle menschen- freundlichen Bestrebungen, seine der Tiefe des Gemüths entsprungene natürliche und ungezwungene und darum so gewinnende Leutseligkeit alle diese Eigenschaften sind do eben nur der {ône Shmuck, der sich um die Fürstentugenden des Kronprinzen rankt, vor Allem um die strenge in Krieg und Frieden, auch in den Stunden der Trauer bewährte Pflicht- und Berufstreue, das kostbare, von Generation zu Generation verpflanzte Erbtheil des Hohenzollern- stammes,

Die Zeit ist ernst, sie mahnt uns zur festen Standhaftigkeit, zu treuer, selbstloser, hingebender Liebe zu Kaiser und Reich. Niemand vermag vorherzusagen, ob es nicht dereinst dem Kronprinzen bes schieden sein wird, die Kraft Deutschlands einzuseßen, um das Reich zu \hirmen, welches unfer Heldenkaiser, den Gott uns noch lange erhalten möge, mit starker Hand und festem Willen gegründet hat. Aber angesichts der Gefahren der fernen Zukunft hat Deutschland stets freudig darauf vertraut, daß der Kronprinz das Reich nach Außen mit Kraft \{chüßen und den inneren Ausbau desselben in dem Geiste, in welhem es gegründet is, mit Weisheit weiter führen wird,

Es geht in diesen Tagen eine tiefe theilnahmsvolle Bewegung durch das deutsche Volk beim Hinblick auf das Leiden des hohen Herrn. Wohl haben wir die feste Hoffnung, welche dur neuere Mittheilungen gekräftigt wird, daß die vollständige Heilung in nicht zu ferner Zeit in Aussicht steht. Aber frei von Sorge ist ja aud) die festeste Hoffnung niht. Möge das neue Lebensjahr, welches der Kronprinz morgen antritt, diese Sorge von uns nehmen und ihm die erschnte Genesung bringen ; möge Gottes Gnade s{hirmend und s{üßend über dem iheuren Leben des Kronprinzen walten!

Die National-Zeitung“ sagt aus demselben Anlaß: Fern von dem deutshen Vaterlande, aber in einem Lande, das er liebt üund dessen Bevölkerung in ihm seinen ritterlichen Freund verehrt, begeht der Kronprinz heute die Feier seines Geburtstags 1m engsten Familienkreise. Theilnahmsvoll rihten sih_ die Augen und die Herzen des deutshen Volkes dorthin: Wie der Kronpzinz an der Gründung unseres Reichs in Schlacht und Rath einen entscheidenden Antheil gehabt, schen wir in ihm die Hoffnung dieses Reichs und seiner gedeihlichen Entwickelung im Innern wie nach Außen. In dem einen Wunsche seiner baldigen und dauernden Genesung von dem langwierigen Leiden, das ihn befallen hat, vereinigen sich heute Alle; diese Gewißheit der unverbrühlichen Liebe und Treue seines Volkes möge seinen Frohmuth und die unershütterlihe Geisteskraft, die el bisher bewiesen, stärken; er weiß und empfindet es so lebhaft, wie sein Volk, daß sein Geschick auf das Innigste mit dem Wohl und Heil des Vaterlandes verbunden ist. Nachrichten“

Die „Berliner Politischen schreiben:

Unter mannigfachen von Sachunkenntniß zeugenden Behauptungen über die Wirkung des Branntweinsteuergeseßes findet sih in frel- sinnigen Zeitungen die zutreffende Bemerkung, bah die Ueberfüllung des deutschen Markts mit zum Inlandskonsum bestimmter Waare in ursählihem Zusammenhang mit den niedrigen Spirituspreisen stehe. Alle Absatkanäle, so sagt man, sind verstopft, weil die Destillateure und das Publikum sich überreihlich mit Waare versehen

A J

haben, um sich das ihnen durch das Geseh zugebilligte steuerfreie Quantum zu Nuß zu machen. Nicht minder, so fügen wir hinzu, um die Differenz zwischen der Nachsteuer und der definitiven Steuer zu gewinnen. Wenn dur die bezüglichen Bestimmungen aber jeßt sowohl sür den Handel als für den Produ- zenten Schwierigkeiten entstehen, so wird man sich erinnern müssen, daß die Nachsteuer abweichend von der Regierungsvorlage geordnet ift, und daß insbesondere die gegenwärtigen Bestimmungen über das steuer- freie Quantum und die Höhe der Nachsteuer den Vorschlägen des Regierungsentwurfs nicht entsprechen. Sie stellen weitgehende Kon- essionen gegenüber den Wünschen derjenigen dar, welche jede Nach- teuer thunlichst vermeiden oder mindestens auf das geringstmögliche Maß herabsezen wollten. Aber die Erfahrung lehrt, daß die in diesem Sinne vorgenommenen Abshwächungen der Regierungsvorlage nit zum Vortheile der Gesammtheit der Interessenten dienen.

Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ wird zur Lage der Landwirthschaft aus Hessen berichtet :

Trotz einer verhältnißmäßig guten Ernte geben sich die Land- wirthe feiner großen Hoffnung auf Besserung ihrer Lage hin, da die Korn- wie die Viehpreise so niedrig stehen, daß sie, wo nit be- sonders günstige Verhältnisse obwalten, keinen Gewinn übrig lassen. Die Viehpreise werden voraussihtlich sogar, wie in Kassel befürchtet wird, noch mehr fallen, da _in vielen Gegenden feine ausreichende Ernte an Futter und Stroh gemacht, an einzelnen Orten sogar ein erheblicher Ausfall zu befürchten ist, so daß ein Theil der Landwirthe in die Lage kommen wird, seinen Vieh- stand einzushränken und foldes in größerer Menge vor dem Anfange der Winterfütterung an den Markt zu bringen. Die Lage der Landwirthschaft drücke naturgemäß auf die Uge der Handwerker, deren Gewerbe bei dem Mangel an Kaufkraft und Kauflust daniederlicgt. Dagegen blühe der „Gewerbebetrieb im ÜUmherziehen“, durch welhen nicht nur das stehende Gewerbe, sondern auh das Publikum in Folge des Anerbietens von \{lechter Waare benachtheiligt wird. Es sei aus allem Diesen erklärlich, daß der Wohlstand in letzter Zeit im Al'gemeinen keine Fortschritte gemacht hat. Dagegen sind die Arbeiterverhältnisse, wie es die Jahreszeit und die reichlihe Gelegenheit zu Feld- und Bauarbeiten mit sih ge- bracht hat, durchaus günstige gewesen, namentlih haben tüchtige und willige Arbeiter auf dem Lande stets ausreihende und lohnende Be- häftigung gefunden. In einzelnen Gegenden is während der Ernte sogar Mangel an Arbeitskräften eingetreten.

Landtags - Angelegenheiten.

Im 3. Erfurter Wahlbezirk ist an Stelle des verstorbenen Undraths Freiherrn von Wintingerode-Knorr der Amtsrichter Bode in Langensalza (konservativ) mit 242 von 244 abgegebenen Stimmen zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- heitsamts sind in der Zeit vom 2. bis 8. Oktober von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 20,3, in Breslau 23,1, in Königsberg 31,7, in Köln 19,0, in Frankfurt a. M. 19,2, in Wiesbaden 17,3, in Hannover 15,1, in Kassel 12,6, in Magdeburg 17,2, in Stettin 21,4, in Altona 18,6, in Straßburg 18,1, in Mey 11,5, in München 24,1, in Nürnberg 26,1, in Augsburg 13,9, in Dresden 20,5, in Leipzig 15,3, in Stuttgart 17,4, in Karlsruhe 16,1, in Braunschweig 11,2, in Hamburg 25,7, in Wien 95, in Pest 28,8, in Prag 26,9, in Triest 38,1, in Krakau 38,9, in Amsterdam 19,6, in Brüssel 21,7, in Paris 19,2, in Bajel —, in London 15,7, in Glasgow 18,7, in Liverpool 19,3, in Dublin 24,2, in Edinburg 18,4, in Kopenhagen 25,1, in Stockholm 16,8, in Christiania 13,2, in St. Petersburg 21,4, in Warschau 32,7, in Odessa 29,0, in Rom 23,9, in Turin —, in Venedig 20,7, in Alexandria 41,5. Ferner in der Zeit vom 11. bis 17. September: in New-York 24,5, in Philadelphia 18,8, in Baltimore 19,9, in Kalkutta 20,8, in Bombay 25,8, in Madras 41,1.

Die allgemeine Sterblichkeit blicb auch in dieser Berichtswoche in den meisten Großstädten eine günstige, so daß aus der größten Zahl der letzteren, besonders der deutschen, niedrige oder doch sehr mäßig hohe Sterblichkeitsverhältnißzahlen mitgetheilt werden. Eine sehr günstige Sterblichkeit (noch nicht 15,0 pro Mille und Jahr) melden aue Essen, Augsburg, Barmen, Elberfeld, Krefeld, Braunschweig, Kassel, Christiania Eine etwas höhere, aber noch niht 20,0 pro Mille und Jahr erreichende Sterblichkeit wird aus sehr vielen Städten gemeldet, von denen wir hier nur Leipzig, Hannover, Köln, Frank- furt a. M.,, Wiesbaden, Magdeburg, Altona, Bremen, Stuttgart, Straßburg, Düsscldorf, Mainz, Karlsruhe, London, Paris, Amster- dam, Glasgow, Liverpool, Edinburg, Stockholm nennen wollen. Au in Berlin, Dresden, Mannheim, Stettin, Aachen, Brüssel, St. Petersburg, Venedig u. A. war die Sterblichkeit cine mäßig hohe, 20,0 pro Mille nur wenig übersteigende. Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder erfuhren eine weitere erheblide Abnahme, sodaß dieselben nur in wenigen Orten (Berlin, Breslau, München,

ambura, Königsberg, Nürnberg, Wien, Odessa, Pest, Warschau,

t. Petersburg) mehr Sterbefälle als normal herbeiführten. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war im Allgemeinen eine kleinere als in der Vorwoche. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 71, in München 103 Säug- linge. Akute Entzündungen der Athmungsorgane führten im Allge- meinen etwas seltener zum Tode als in der vorangegangenen Woche. Von den Infektionskrankheiten führten dagegen die meisten etwas mehr Sterbefälle herbei, nur Todesfälle an Pocken wurden weniger emeldet. Sterbefälle an Mafern waren in Hamburg, Aachen,

ien, Kopenhagen, Warschau, St. Petersburg gesteigert; auch in Darmstadt und London waren Maserntodesfälle zahlreih, aber seltener als in der Vorwoche. Erkrankungen kamen aus Breslau, Hamburg, Pest, Christiania und namentlich aus Kopenhagen (738) in größerer Zahl zur Anzeige. Das Swarla ch- fieber wurde in Berlin, Wien, Lemberg, London, Warschau, St. Petersburg, Odessa häufiger Todesveranlassung ; auch war die Zahl der zur Anzeige gebrahten Erkrankungen in Berlin, Breslau, Wien, Edinburg, Kopenhagen eine erheblihe, nur in Hamburg und Nürnberg eine kleinere als in der Vorwoche, Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, München, Hamburg, Dresden, Leipzig, Frankfurt a. M., Nürnberg, Altona, Danzig, Wien, Pest, Paris, London, St. Petersburg eine gesteigerte, in Breslau und Warschau die gleihe, in Chemniß und Christiania eine kleinere als in der Vorwoche. Erkrankungen wurden fast aus allen Orten, aus denen Mittheilungen vorliegen, häufiger. Auch Unterleibstyphen kamen häufiger zum Vorschein, wie in Kopenhagen, Edinburg, St. Petersburg; auch in Hamburg, Lyon, Rom, London stieg die Zahl der Sterbefälle ein wenig, in Paris hat sie etwas abgenommen. Jn Hamburg und est war S die Zahl der neuen Erkrankungen eine kleinere. In Flecktyphus kamen aus Krakau 1, aus Amsterdam 2 Sterbe- fälle, aus Wien und Edinburg je 1 Erkrankung zur Berichterstattung, Aus F penbagen wird 1 Sterbefall und 2 Erkrankungen an epi- demisher Genickstarre mitgetheilt. Der Keuchhusten hat in Berlin und London etwas mehr Opfer gefordert; auch in Ham- burg, Kopenhagen und St. Petersburg waren Erkrankungen daran niht selten. Den Pocken erlagen in St. Petersburg 1, in Pest 2, in Prag 3, in Par 4, in Rom 6, in Triest 9, in Warschau 23 Per- onen; neue Erkrankungen kamen nur aus Wien, Pest und St. Peters- burg in geringer Zahl (3 bezw. je 6) zur Kenntniß. Die Nachrichten über die Cholera in Îtalien lauten wesentli günstiger, In Rom hat die Epidemie nachgelassen; in der Zeit vom 26. September bis 2, Oktober kamen nur noch 33 Erkrankungen und 14 Todesfälle zur

Kenntniß. Doch kamen* in Neggio und Umgegend noch am 10. Oftober einige Fälle vor. Aus Palermo werden von Ende September nur noch vereinzelte Fälle, vom 1. bis 2. Oktober jedoch kein weiterer Cholerafall gemeldet. Auch in Messina hat die Epidemie in den ersten Tagen des Oktober erheblich abgenommen. Vom 30. September bis 3. Oktober kamen nur noch 61 Erkrankungen und 24 Sterbefälle zur Anzeige. Diese Besserung soll namentlich durch Beschaffung besseren Trinkwassers und Schließung vielfacher s{chlechtes Wasser liefernder Brunnen bewirkt worden sein, E

Der Gesundheitszustand in Berlin blieb au in dieser Berichts- woche ein günstiger, die Sterblichkeit war sogar eine etwas kleinere als in der vorangegangenen Woche. Insbesondere erfuhren Darm- katarrhe und Brechdurchfälle der Kinder einen weiteren Rückgang und führten nur noch in 48 Fällen (gegen 86 der Vorwoche) zum Tode. Auch akute Entzündungen der Athmungs8organe kamen weniger zum Vorschein und endeten in etwas weniger Fällen tödtlich als in der vorangegangenen Woche. Von den Infektionskrankheiten kamen Unter- leibs8typhen und Masern in ‘fast gleich beschränkter Zahl wie in der Vorwoche zur Anzeige. Auch Erkrankungen an Scharlach, in dem Stralauer Viertel und in der Tempel- bofer Vorstadt am häufigsten, zeigten keine Steigerung der Erkran- kungen. Dagegen wurden Erkrankungen an Diphtherie in ansehnlich oesteigerter Zahl zur Anzeige gebracht und fanden im Stralauer Viertel, in der Tempelhofer und Rosenthaler Vorstadt die größte Verbreitung. Etwas häufiger gelangten au Erkrankungen im Wochen- bett zur Meldung; weitere Erkrankungen an cpidemisher Genickstarre wurden jedoch nit bekannt. Der Keuchhusten rief wieder etwas mehr Erkrankungen und Sterbefälle hervor. MRosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut und rheumatische Beschwerden aller Art zeigten gegen die Vorwoche keine wesentlihe Veränderung in ihrem Vorkommen.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Gestern verstarb hier der berühmte Physiker, Professor und Großh. badishe Geheime Rath G. Kirchhoff, Mitglied der Akademie der Pier Bat der auf dem Gebiet der Spektralanalyse Hervorragendes geleistet hat.

Die Besteuerung des Branntweins innerhalb des Deutschen Reichs. Zusammenstellung der Geseße vom ‘24. Juni 1887, vom 8. Juli 1868 und vom 19. Juli 1879 einschließlich der vom Bundesrath erlassenen Ausführungsbestimmungen, herausgegeben und erläutert von Schönfeld, Amtsrichter. Mit einer Tafel. Berlin, 1887. Verlag von Franz Siemenroth. (Preis 1,50 46) Das Bedürfniß einer besonderen Ausgabe der diesbezüglihen Gesetze ist außer allem Zweifel. Den mit der Durchführung des Gesetzes bez. der Ueberwachung betrauten Behörden und Beamten, namentlich den Steuerämtern, den Staatsanwaltschaften und dem Gericht ist, sofern die ge- setzlichen Normen in Frage kommen, in der vorliegenden Wiedergabe dersel- ben ein zuverlässiges Handbuch, und, sofern es sich um Erklärungen han- delt, ein ausreichender Wegweiser in den unter durhgängiger Berück- sihtigung der Motive beigefügten Anmerkungen an die Hand gegeben. Der Vollständigkeit halber find auh die einschlägigen Paragraphen des Strafgesebuchs und der Strafprozeßordnung an zugehöriger Stelle eingeschaltet. Dem Geseß vom 8. Juli 1868 sind überdies die ergangenen Entscheidungen des Reichsgerichts inhaltlih beigegeben worden. Ein sorgfältiges Sachregister erleichtert die Handhabung.

Im Verlage von Duncker u. Humblot in Leipzig hat der Geri{ts-Assessor Dr. Emil Münsterberg ein umfangreihes Werk unter dem Titel: „Die Deutsche Armengeseßgebung und das Material zu ihrer Reform“ erscheinen lassen. Das Buch bildet das 4. Heft des V1. Bandes der von Gustav Schmoller heraus- gegebenen „Staats- und sozialwissenshaftlihen Forshungen“ und ist dem Bezirks-Präsidenten z. D. Friedrih Freiherrn von Reitenstein gewidmet. Der Verfasser b-merkt in der BVorrede, daß ihm die äufere Veranlassung zu seiner Arbeit durch seine amtliche Thätigkeit in der Armen- verwaltung der Stadt Berlin und besonders durch die ihm übertragene Leitung der vom Reich für das Jahr 1885 angeordneten Armen- statistik geboten wurde, welche ihn nöthigte, ken Werth und die Auf- gabe der Armenstatistik näher zu untersuhen. Auf diesem Wege ergaben sih dann Beziehungen zu den Fragen der Armengeseßgebung und der ihr verwandten Einrichtungen im Bereich der Armenpflege. Der Verfasser wollte das große, aber \{chwer übersehbare und vielfach von einseitigem, weil parteiishem Standpunkt, behandelte Material, welches in der einschlägigen Literatur bereits vorhanden ist, einer unparteiishen Untersuhung unterziehen und das Zerstreute sammeln. Die Arkeit hat demnach die Bestimmung, „den zur Armengesezgebung berufenen und den mit ihrer Ausführung betrautenOrganen über die wichtig- sten Fragen Auskunft zu geben, ihnen eine Art Sicherheit zu gewähren, daß sie an einer Stelle beisammen finden, was in Beziehung auf die einzelnen Fragen gesagt, geschrieben und nachgewiesen ist, bezw. wo die Literatur und die Statistik im Stiche lassen.“ Neben dieser Be- stimmung hat sih der Verfasser als Ziel seiner Arbeit aber die höhere Aufgabe gestellt, auch die begrifflichen und ge\hichtlichen Grundlagen der Armengeseßgebung resp. des Armenwesens so weit wie möglich aufzusuchen und die gefundenen Resultate \ystematish zu verarbeiten. Das ganze Werk zerfällt in drei Bücher, von welchen das erste in vier Kapiteln die Literatur und Statistik der öffentlihen Armenpflege, die Nothwendigkeit und die Aufg2be der Armengeseßgebung behandelt und cinen Ueberblick über die geschichtlihe Entwickelung und den gegen- wärtigen Stand der Armengeseßzgebung in Deutschland giebt. Das zweite Buch beschäftigt \sch mit der Beurtheilung der geltenden Gesetzgebung; es wird der bestehende Zu- stand zu schildern versuht und mitgetheilt, welche finan- ziellen und sozialen Wirkungen dieser Gesetzgebung zugeschrieben werden. Das dritte Buch enthält die Darstellung der gegenwärtigen Neformbestrebungen, und zeigt zunächst den Staat als Träger der Armenlast, weiter werden die Bestrebungen, welche auf die Rückkehr zur Heimathgesetgebung und auf die Bildung größerer Verbände als Träger der Armenlast gerichtet sind, endlih diejenigen, welche auf Aenderungen einzelner Geseßesbestimmungen und auf das Wesen der Zwangsmaßregeln gegen Arme und gegen Armenverwaltungen sich beziehen, gekennzeihnet, Das Werk ift offenbar das Resultat sorgfältigsten Studiums und dürfte in der That für Diejenigen, welche über den gegenwärtigen Stand der Fragen des Armenwesens sih unterrichten wollen, sich als das beste und ershöpfendste Lehrbuch erweisen.

Land- und Forstwirthschaft.

München, 15. Oktober. (Allg. Ztg.) Bodenbenüßzung und M PD e ees E in Bayern. Ill. Ein weiterer Ab- nitt der Erhebung des öniglich bayerischen \tatistishen Bureaus enthält die Nachweise darüber, ob die landwirthschaftlichen Haus- haltungen Nußvieh halten, und in welchem Umfang und in welcher Weise diese Verwendung von Nuyßpich erfolgt. Eine derartige Statistik ist eine nothwendige Ergänzung der Viehzählung mit der sie sich, was die Summen betrifft, natürlich nicht genau deckt und gewährt einen lehrreichen Einblick in die Art und Weise, wie in Bayern der Betrieb der Landwirthschaft erfolgt. Folgende Haupt- ziffern sind den s\tatistishen Nachweisungen zu entnehmen:

Von den 681 521 landwirthschaftlihen Haushaltungen halten 600 048 oder 88°%/, Nußviech, und 12%/o sind ohne Nugzviehhaltung. Von den Haushaltungen mit Nutvich halten 89? Großvieh, 15/0 Schafe, 579% Schweine und 20% Ziegen. Von den Großvich hal- tenden landwirthschaftlihen Betrieben besißen 23% Rindvieh und Pferde, 76% Rindvieh allein und 0,69/0 nur Pferde allein. Was die Verwendung von Vieh zur Ackerarbeit betrifft, so verwenden von je 100 Haushaltungen

42,3 nur Pferde oder Ochsen, 10,0 Kühe und Pferde oder Kühe und Ochsen, 47,7 nur Kühe.

Daß 47 9/0 aller landwirthschaftlichen Haushaltungen, die über- haupt Nugviech halten, nur Kühe zur Ackerarbeit verwenden, ift keine sehr erfreulihe Erscheinung, deren Eindruck nur dadur gemildert wird, daß hier eben auch die allerkleinsten Haushaltungen, die nur

eine Kuh halten, die aber kaum als landwirthschaftlihe Bêtriebe ge- zählt werden können, mitgerechnet sind. Jedenfalls steht die Ver- wendung von Kühen zur Aerarbeit im umgekehrten Verhältniß zur Größe des landwirthschaftlihen Besitßes, wie folgende Tabelle zeigt :

Von je 100 Haushaltungen KMREAS! d Pferd landwirth\chaftliGh nur Pferde und Ne : N PrTETDE, nur benüßtes Areal chsen e L und Kühe weniger als 2 a —- : 2—b5 a Be a ae 20 a bis 1 ha . 1 bis 2 2 bis 5 5 bis 10 10 bis 20 20 bis 50 50 bis 100 100 bis 200 200 bis 500 500 bis 1000 S über 1000 100 _—

Von 20 ha landwirthschaftlichen Areals an verwenden daher mehr als 90% der Haushaltungen nur Pferde oder Ochsen zut Aker- arbeit, die Mitverwendung von Kühen findet hauptsählih in der Größenklasse 5—20 ha statt. Auf Kühe allein zur Ackerbestellung find nur die kleinen Betriebe angewiesen, {on bei einem Areal von 10—20 ha verwenden nur mehr 49/0 der Betriebe, bei 20—50 ha nur mehr 0,5 %/ derselben aus\ließlich Kühe. Betriebe über 100 ha verwenden überhaupt wenig Kühe zur Ackerarbeit und hier nur neben Pferden oder Ochsen.

Aus einer lehten Tabelle, welche einen Nahweis der Gigenthums- verhältnisse nah Familienstand 2c. enthält, dürften folgende Angaben hervorzuheben sein :

Von landwirth\cchaftlihen Betrieben wurden ermittelt 42 als Staatseigenthum, 702 als Gemeinde-Eigenthum und 517 als Eigen- thum von Anstalten oder Stiftungen,

32980 Haushaltungen oder 4,8 °%/o wurden von ledigen Besißern betrieben, den höchsten Prozentsaß von ledigen Besitzern weist Nieder- bayern auf mit 6,6, dann folgt Schwaben mit 6,0; der geringste Prozentsatz findet fich in Mittelfranken mit 3,3, dann folgt die Pfalz mit 3,5 9/0 lediger Besitzer.

Beachtung verdienen noch jene Betriebe, welhe das Eigenthum mehrerer Verwandten sind und von ihnen bewirthschaftct werden. Solcher Betriebe wurden im Ganzen 1107 ermittelt. Am meisten findet sich diese wirthschaftliche Gemeinschaft mehrerer Verwandten in der Pfalz, indem 67% sämmtlicher ermittelter Fälle auf diesen Re- gierungsbezirk treffen, dann folgt Unterfranken mit 1,3%/6 sämmtlicher ad Fälle. Den geringsten Prozentsaß zeigt Oberfranken mit

99/0.

Hervorzuheben ist \chließlich noch, daß das besprochene statistische Werk ein fehr werthvolles Supplement zum Gemeindeverzeichniß des Königreichs Bayern bildet, indem es für jede cinzelne Gemeinde die Gesammtfläche, die landwirthschaftlich benußte Fläche, die Gesammt- zahl der Grundbesißer, mit Unterscheidung, ob sie der Ge- meinde angehören oder nicht, und die durhschnittlihe Größe eines Besitzes angeben. Die umfangreiche Tabelle zeigt übrigens u. A., wie wenig mehr unsere politishen Gemeinden mit den Grundbesitverbältnissen sich decken. Nur in fehr wenigen Gemeinden haben nur Gemeinde- Angehörige Grundbesitz, in sehr vielen dagegen übersteigt die Zahl der niht der Gemeinde ange- hörigen Grundbesitzer (Forensen) die Zahl der Gemeinde-Angehörigen. Für das ganze Königreich zusammengerechnet stehen 851 8687 Gemeinde- Angehörige 471 230 Nichtgemeinde-Angehörigen gegenüber.

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Gewerbe und Handel.

(Berl. Pol. N.) Der Generalberiht, betreffend die Ergebnisse der Crhebungen über die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen ist dem Bundesrath nunmehr zur Kenntnißnahme zugegangen. Das umfangreihe Schriftstück giebt eine äußerst Übersichtlih und kritish geordnete Zusammenfafsung der Einzel- ergebnisse der Enquete, welche bereits in der vorigen Sefsion auch dem Reichstage in drei starken Bänden vorgelegt worden sind. Während die leßteren nach einzelnen Jndustriezweigen zusammengestellt waren, enthält der Generalbericht neben einer Darstellung der Ausführung und der Grundlagen der Untersuchung eine Uebersicht ihrer Ergebnisse : I. Für das Gewerbe im Allgemeinen. Il. Für die Groß- und Fabrik- industrie, eins{chließlich der hausindustriellen Verhältnisse, soweit Mit- theilungen über dieselbe vorhanden waren. III. Für das Kleingewerbe. 1V, Für Handel und Verkehr.

Der Ausführung der Erhebungen, welhe im Allgemeinen den einzelnen Regierungen anheimgestellt war, war durch Zugrundelegung cines Fragebogens eine gewisse Einheitlichkeit gesihert worden, die Verschiedenheit der zur Leitung und Ausführung der Ermittelungen in den einzelnen Bundesstaaten gewählten Behörden, die Thatsache, daß eine Sonderung für Groß- und Fabrikindustrie, für Handwerk und für Handel nur für die preußischen Regierungsbezirke vorge- nommen war, sowie die Verschiedenheit in der Art der Ermittelung der Betriebe, in denen überhaupt Sonntagsarbeit üblich ist, in den für die einzelnen Erbebungsgebiete gegebenen Vorschriften und \chließlich in der Auffassung einzelner Fragen; alle diese Umstände gestatteten jedo cine statislishe Verwerthung der Ergebnisse nur in beshränktem Maße.

Was die Betheiligung der befragten Arbeitgeber und Arbeiter betrifft, so is ein großer Theil der \riftlichen Aeußerungen mit ersihtliher Sorgfalt ausgearbeitet, auch aus vielen von Arbeitern abgegebenen Erklärungen traten die Ansichten klar zu Tage, eine niht unerhebliche Anzahl der Beantwortungen der Fragebogen bewies_aber entweder Mangel an Verständniß oder Lückenhaftigkeit und Ober- flächlihkeit, die vorgeschriebene Ergänzung durch mündliche Erläute- rungen erwies sich daher als besonders zweckentsprehend. Auf die Erwirkung eines unbefangenen und unbeeinflußten Urtheils Seitens der Arbeiter ist von den leitenden Behörden überall hingewirkt worden.

Die Zahl der insgesammt abgegebenen Aeußerungen von Arbeit- gebern und Arbeitern war aus dem Material nicht vollständig ersicht- li, weil, wie bereits erwähnt, die Aufnahme der Untersuhung nicht in gleichmäßiger Weise geschehen ist und zudem die Bufammen stan der Ergebnisse theils der endgültigen Gesammtzu?ammenstellung über- lassen wurde, theils in verscbiedener Weise in den einzelnen Erhebungs- gebieten erfolgte. Die Ordnung des gesammten eingegangenen Materials n unterscheiden; 39 269 Aeußerungen von Arbeitgebern, 30651 von Arbeitnehmern, 298 von Handels- und Gewerbekammecn, 554 von Innungen, 424 von Gewerbevereinen, 244 von Kranken- fassen, 139 von sonstigen Vereinen von Arbeitgebern, 172 von fonstigen Nereinen von Arbeitnehmern. Nicht ersihtlich war die Zahl der Befragten in 3520 Zusammenstellungen von Unterbehörden und 2972 N für Bundesstaaten bezw. preußische Regierungs- "ezirke.

Auhh die Zahl der an Sonn- und Festtagen thätigen bezw nicht- thätigen Betriebe und Arbeiter hat si, abgesehen von den preußischen Regierungsbezirken, aus den Ergebnissen nit ermitteln lassen. Die auf die erstere Feststellung hinzielende Frage des Fragebogens: „Jst Sonntagéarbeit in allen Betrieben des Industriezweigs üblich, oder nur in einem Theile und in welchem ?“ ist im Falle der Bejahung ihres zweiten Theils entweder was die Regel war ganz allge- mein oder in relativen Zahlen beantwortet worden, so daß für ziffer- mäßige Zusammenfstelungen cine auch nur annähernd ausreichende Grundlage niht gegeben war. In gleicher Weise ist die Antwort auf die Frage: ylinvet die Beschäftigung für die gesammte Arbeiterschaft des Betriebs oder Betriebstheils oder für wel- chen Theil desfelben statt?“ nur in vereinzelten Fällen unter Mittheilung absoluter Zahlen gegeben worden. In den preußischen Regierungsbezirken sind, in Folge nahträglicher An-

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