1887 / 247 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Oct 1887 18:00:01 GMT) scan diff

2. Oktober. (W. T. B.) Die Vorlage des Budgets für 1888 durch den Minister-Präsidenten von Tisza im Unterhause dürfte voraussihtlich am Sonnabend erfolgen.

Großbritannien und Jrlaud. London, 19. Oktober. Ge lei Der Marquis von Salisbury traf heute in

leitung seiner Gemahlin und seiner Tochter von seinem bei Dieppe gelegenen Landfiß, Chalet Cecil, kommend, in London ein. :

Die gestrige Amtszeitung macht bekannt, daß in Ge mäßheit von Verträgen, welche in den leßten drei Monaten abgeschlossen wurden, der Küstenstrich zwischen dem britishen Protektorat Lagos und dem rechten Ufer des Rio del Rey an seiner Mündung, ebenso die Geviete im Becken des Niger, welche der Königlichen Niger- E gehören, fich fortan unter britishen Schuß

efinden.

Die Regierung läßt einen umfassenden Plan aus- arbeiten, betreffend die Vertheidigung der Seestädte, Marinehäfen und Flußeinfahrten sowie anderer ver- wundbarer Punkte der englischen Küste mittels Torpedos. Es soll zu dem Behuf eîín 30000 Mann zählendes, aus Regulären, Freiwilligen und Milizen bestehendes Küsten- vertheidigungscorps gebildet werden.

In Devenport wurde am 17. d. ein viertes, nah dem Muster der „Rattlesnake“, des „Graßhopper“ und der „Sandfly“ gebautes Torpedo-Kanonenboot vom Stapel gelassen, welches den Namen „Spider“ erhielt. Das neue Schiff besißt 3000 Pferdekraft und wird nach seiner Vollendung 36 Pfd. Sterl. kosten. :

20. Oktober. (W. T. B.) Etwa 3000 beshäftigungs- lose Arbeiter, welche heute im H y depark eine Vers-amm- lung abhielten, beschlossen, eine Abordnung an den Mi- nister des Jnnern zu senden. Troß Abmahnens ihrer Führer begleitete die versammelte Menge die Deputation bis nach Piccadilly, wo dieselbe von der Polizei auseinander gesprengt wurde. Drei Mitglieder der Deputation wurden in das Ministerium des Jnnern eingelassen, wo eine Unter- redung stattfand.

90. Oktober, Abends. (W. T.B.) Der Lord-Mayor hat die Mitglieder des Comités, welches im vorigen Fahre zur Unterstüßung Nothleidender Gelder sammelte und vertheilte, zu einer Zusammenkunft eingeladen, um sih mit ihnen über Maßregeln zu berathen, durh welche dem in den unteren Bevölkerungsklassen hier augenblicklich herrschenden Nothstande gesteuert werden könnte. :

Nach einem von den Aerzten Dr. Roose und Dr. Crit- hett heute abgegebenen Gutachten hat sih das Augenleiden des früheren General-Sekretärs für Jrland, Hicks-Beach, so gebessert, daß demselben die Wiederaufnahme seiner politishen Thätigkeit gestattet werden kann.

Frankreich. Paris, 20. Oktober. (Köln. Ztg.) Die republikanishen Gruppen der Wähler des Departe- ments Jundre - et - Loire haben auf den 25. Oktober ihren Deputirten Wilson zu der großen Wählerversamm- lung eingeladen, welche veranstaltet werden soll, um ihn über die jüngsten Skandalgeschichten zu vernehmen. Dem „Gaulois“ zufolge werden die Mitglieder der Rechten der

eputirtenkammer zum 25. Oktober eine Erklärung * entwerfen, die auf der Rednerbühne verlesen werden soll und worin

e si verpflichten, gegen dié jeßige wiè gegen jede künftige egierung keine ivstématis@e Opposition zu machen; ie werden in Folge dessen auf keinen Fall mit der äußersten inken Coalitionspolitik treiben, dagegen der Regierung nach- drülih entgegentreten, wenn sie mit dem Radikalismus, der Frankreich ins Verderben führe, ein Abkommen treffen wollte. Der Kriegs - M inister traf gestern von der Besichtigung der Befestigungen an der Ostgrenze wieder in Paris ein und wird heute im Ober-Kriegsrath und am Sonnabend im Vertheidigungsrath den Vorsiß einnehmen.

%20. Oktober. (W. T. B.) Die Blätter ver- öffentlihen ein Schreiben Wilson's, worin derselbe anzeigt, daß er der Versammlung, welhe auf den 25. d. M. nah Tours einberufen sei, um über die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu verhandeln, bei- wohnen werde. Derselbe dankt zugleih den Veranstaltern der Versammlung dafür, daß ihm auf diese Weise Gelegenheit zur Abgabe öffentlicher Erklärungen gegeben werde.

Caffarel ist heute Abend in das Gefängniß der Conciergerie übergeführt worden.

Jtalien. Rom, 16. Oktober. Der „Pol. Corr.“ wird berichtet: Ob nun die von England eingeleiteten Versöhnungs- und Verständigungsversuche zwischen Ftalien und Abessinien einen praktischen Erfolg haben werden oder nicht: die italie- nishe Expedition gegen Abessinien is vollständig bereit und ausgerüstet und geht in der ersten Hälfte des November an den Ort ihrer Bestimmung ab. Die italienische Allgèmeine Schiffahrtsgesellschaft stellt für den Transport der nah Afrika abgehenden Truppen zwölf ihrer besten Schiffe, welche, von drei Kriegsdampfern eskortirt und unter- stüßt, die erwähnten Truppen an den Ort ihrer Bestimmung befördern. Bis zum 5. November wird das ganze Spezial- corps für Afrika, 5000 Mann stark, die Fahrt antreten. Am 10. November gehen sodann scchs Bataillone Jnfanterie

und verschiedene Abtheilungen anderer Waffengattungen in '

der Gesammtstärke von ebenfalls 5000 Mann, am 15. No- vember weitere 4000 Mann und endlich am 30. No- vember der Rest der nach Afrika bestimmten Truppen, gleichfalls 4000 Mann stark, ab, sodaß in der ersten Hälfte des Monats Dezember das ganze Expeditions- corps, vollständig mit allem Nöthigen ausgerüstet, am Ort seiner Bestimmung eingetroffen sein wird. Das für die Operation gegen Abessinien bestimmte Corps #rd daher E 24 000 Mann stark sein, und zwar etwa 6000 Mann,

e sih bereits in Afrika befinden, 5000 Freiwillige und 13 Mann weitere reguläre Truppen, welche, wie oben angegeben, von Neapel nach Massovah abgehen werden. Diese. 24 000 Mann werden in vier Brigaden und ein vom General Saletta befehligtes Besaßungscorps ein- getheilt werden und führen das für die Expedition in uen Gegenden nothwendige Material mit sich. Unter nderem wicd das Expeditionscorps auch über eine Anzahl sfogenannter beweglicher Forts verfügen, welche aus undur dringlichen Stahlplatten gebildet, auseinandergelegt und in kurzer Zeit wieder zusammengestellt werden können und daher Vir gros sind. Nachdem die Fuuven in Mafssovah ange nat ind, wird sofort die frühere Stelung von Sahiti und Uah wiedér eingenommen und das Corps in fester Stel- lung konzentrirt werden. Der Rest der Operation hängt dann

von den Ereignissen ab, welche darüber entscheiden werden, ob das Corps sofort die sive msen oder in fester Stel- lung den Angriff der Abessinier abwarten wird. Einen sehr guten Eindruck hat es gemacht, daß der frühere Ober-Kommandant des italienischen C in Massovah, General Gené, ein aftives Kommando bei der neuen großen Expedi- tion erhalten hat; es ist dies eine glänzende Satisfaktion, welche dem oft so heftig und unverdient angegriffenen General nun von Seiten. der obersten Kriegsleitung gegeben wird. Dec gegenwärtige Ober-Kommandant in Massovah, General Saletta, wird das Kommando jenes Playes führen, welcher als Basis für die künftigen Operationen gelten wird. Es herrscht nur eine Stimme der Anerkennung über die Energie, Präzision und Geschiklichkeit, mit welcher in einer verhältnißmäßig kurzen Zeit die ganze Expedition zusammengestellt und mit allem für die Kriegsführung in jener uncivilisirten Ländern Nothwendigen ausgerüstet wurde. Das Ministerium Crispi und speziell der Kriegs-Minister haben sich dur die Energie und Thätigkeit, die sie auch bei dieser Gelegenheit bewiesen, den Dank der ganzen Nation er- worben und man zweifelt niht daran, daß die italienische Expedition nah Afrika bald Me Resultate erzielen und dem italienischen Namen neuen Glanz verleihen wird.

%0. Oktober. Die „Agenzia Stefani“ meldet: Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz hat auf den Geburtstags - Glückwunsch, den der Minister-Präsident Crispi im Namen der Regierung und als Dolmetscher der Gefühle des italienishen Volks an Jhn gerichtet hatte, geantwortet: Er danke für die hm aus- gesprochenen Wünsche. Er freue Sih, daß das italienische Klima dazu beitrage, Jhm Seine Gesundheit wiederzugeben. Er weile gern in Stalien und fühle Sih immer glücklich, wenn Er die Bande zwischen den beiden Nationen sih enger knüpfen sehe.

Bulgarien. Sofia, 19. Oktober. (Prag. Ztg.) „Reuter's Bureau“ meldet: Seit einigen Tagen wird unter den Flüchtlingen an der serbishen Grenze eine gewisse Thätigkeit bemerkt zu dem Zwedck, in das bulgarische Gebiet einzufallen. Dieselben durchziehen die angren- zenden serbischen Dörfer und erklären offen die Absicht, die bulgarischen Grenzzollposten anzugreifen. Dies ist das erste Mal, daß die Flüchtlinge von Serbien aus agitiren. Ser- bien ertheilte der bulgarishen Regierung die Zusicherung, eine solche Agitation nicht zu dulden. Desgleichen sicherte die Pforte eine strenge Ueberwachung der Grenze zu. Auch Ru- mänien verfolge aufmerksam die Bewegungen der Flüchtlinge. Die Regierung beschloß, gegen jeden Versuch, den Frieden zu stören, energisch vorzugehen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 20. Oktober. (W. T. B.) Die Ministerkrisis gilt als beendet. Sämmtliche Minister haben sich entschlossen, im Amt zu verbleiben.

Dänemark. Sena gen, 20. Oktober. - (W. T. B.) Durch einen offenen Brief des Königs wird der Reichstag bis zum 5. Dezember vertagt.

Ein heute verö entlidites neues provisorisches Gesetz ermächtigt die Regierung, im laufenden Finanzjahr die bestehenden Steuern weiter zu erheben und die noth- wendigen Ausg ab enz bestreiten.

Amerika. New-York, 17. Oktober. (R. B.) Der Präsident Cleveland traf heute, begleitet von seiner Ge- e in Nashville ein, wo er begeistert empfangen wurde.

Afrika. Egypten. Kairo, 17. Oktober. (A. C.) Von der 3000 Mann zählenden Garnison liegen zur Zeit 10 Proz. krank darnieder. Die Derwische stehen noch immer in Sarras, scheinen sih jedoch vor einem Angriff zu fürchten und rekognosciren fleißig die Gegend. Die dies- seitige Taktik besteht darin, ihre Bewegungen zu beobachten.

Zeitungsftimmen.

In den” „Bexliner Politifheu Nahrihten" lesen wir:

Folgendcs druckt eine Reibe freisinniger Organe fritiflos ab:

„Es bestätigt si, daß troß der neuen Branntweinsteuer der nächste Reichsetat wieder ein Defizit aufweisen und eine entsprechende Erhöhung der von den Einzelstaaten aufzubringenden Matrikular- beiträge nöthig machen wird.“

Als ob der Ertrag der Branntweinsteuer irgend einen U auf die Höbe der Matrikularbeiträge üben könnte! Allerdings mu das Inkrafttreten des Branntweinsteuergeseßes mit dem 1. Of- tober d. J. sich finanziell, sowohl für das Reich, als für die Einzelstaaten, erbeblich bemerkbar machen und eine nicht un- wesentlihe Veränderung der Isteinnahmen beider gegenüber dem etatsmäßigen Betrage herbeiführen Denn nur die Maiswbottichsteuer und die Branntweinmaterialsteuer fließen zur Reichskasse, die Ver- brauchsabgakte gelangt dagegen, au foweit sie na §. 42 des Gesetzes vom 24. Juni d. J. an Stelle der Maischbottichsteuer tritt, nach dem Matrikularfuß zur Vertheilung an die Bundesstaaten. Die Nach- steuer folgt derselben Regel. Sowohl der Gesammtertrag der letzteren als der auf das Jahr 1887/88 zu verrechnende Reinertrag der Ver- brauch8abgabe kommt daher den Bundesstaaten zu gute, so daß Mese in dieser außeretat8mäßigen Einnahme einen Ausgleih für die noth- wendig gewordene Erhöhung der Matrikularumlagen erhalten.

Die umgekehrte Wirkung wird die Einführung des Gesetzes für die Reichskasse haben. Diescr fließen allerdings außer der Maisch- bottih- und Materialsteuer aus der früheren Branntweinsteuergemein- schaft die Erträge dieser Steuern aus Süddeutschland zu, dafür aber kommen die Er Zaungen der Matrikularbeiträge in Fortfall, welche von den süddeutshen Staalen und für Hohenzollern bisher als Aus- gleich für die Branntweinsteuer zu entrihten waren und welche den Jahresbetrag des Aufkommens jener Steuern erbeblich übersteigen dürften. Außer diesem Ausfall trifft die Reichskasse ein weiterer aus denjenigen Erleichterungen und Ermäßigungen der Maischbottich- 2c. Steuer, welche in den §8. 41 und 42 für die kleinen und landwirthschaftlichen Brennereien vorgeféhen sind. Nicht minder ist, soweit von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, eine Rüc- vergütung au zu Heil-, wissenshaftlihen oder zu Pußt-, Heizungs-, Koch- oder Beleuchtung8zwecken zu gewähren. Während daher die Kassen der Einzelstaaten durch das Inkrafttreten des Branntwein- steuergeseßes in erwünshter Weise gespeist werden, werden die Ein- nahmen des Reichs selbst gekürzt, sodaß, wenn nicht bei anderen Etatsposten ein Ausgleich eintritt, ein rechnungsmäßiger Fehlbetrag si ergeben wird. j Die Verdreifahung der Mais{steuer und der Ausfuhrvergütung in der Zeit vom 1. Zuli bis 1. Oktober d. J. wird sih finanziell allein bei der Reichskas\e, die Wirkung der mit der Verkündung des Gesetzes eingetretenen Zollerhöhungen dagegen bei der Ueberweisung aus den Zöllen an die Bundesftaaten geltend mahen. Also nit „troß“, sondern wegen des neuen Branntweinsteuergeseßes muß eine

. oder Éleineren, des mehr oder minder wohlfeilen

: èê Erhohung der Matrikularumlagen stattfinden; natürlich teht dieser Erhöhung eine dem Mehrertrage des Branntweins entsprechende Vermehrung der Herauszahlungen an die Bundesstaaten gegenüber.

Das „Posener Tageblatt“ widmet der Getreide: zollfrage einen Artikel, in welchem es ausführt:

Die Opposition, welche immerfort die Parole von der Begehrlih- keit des Agrarierthums im Munde führt, ignorirt geflissentlih, da der Schuß des landwirthschaftlihen Arbeitsmarkts wesentlih au im Interesse des ländlichen Arbeiters und mithin, da alle verschiedenen Branchen der nationalen Arbeit einander ergänzen, im Interesse der deutschen Arbeiterwelt überbaupt gelegen is. Die Aue des größeren

rotes ist durchaus nit eine bloße Preisfrage. Selbst wenn das aus heimishem Getreide erzeugte Brot infolge einer nahhaltig wirkenden Normirung der Getreidezollsäße ansheinend einen höheren Preis bedingen sollte, so wäre immer noch zu berücksihtigen, daß es der Gesammkt- heit bedeutend billiger zu stehen kommt, ols das aus dem denkbar wohlfeilsten fremden Getreide hergestellte Produkt. Denn von den Erstellungskosten wird die gesammte in dem heimischen Getreidebau thätige nationale Arbeitskraft bezahlt, während von den in der frem- den Getreideproduktion steckenden Arbeitslöhnen 2c. der deutshen Na- tionalwirthschaft kein Pfennig zu gute kommt. Um deutsches Ge- treide bezw. deutshes Brot herzustellen, wird deutshes Kapital in deutsher Arkbitskraft befruhtend angelegt; um aus fremdem Ge- treide deutshes Brot - zu erzeugen, muß ‘unser Geld die landwirth- \caftlihe Arbeit des Auslandes befruchten. Es fragt sich also, oh wir wirthschaftlich klüger thun, wenn wir, um unser tägli Brot zu essen, den fremden landwirthschaftlihen Arbeiter in Nahrung seßen oder den einheimishen. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, is die Preisfrage für jeden billig denkenden Wirthschaftspolitiker hon im Voraus entschieden. Das deutsche Brot, aus deutschem Getreide hergestellt, ist für den einheimischen Konsumenten unter allen Umständen billiger als das aus fremdem Produkt hergestellte. Es scheint, daß au unseren arbeitenden Klassen das Trügliche der manchesterlihen Getreidezoll- und Brotpreistheorie allmählih zum Bewußtsein kommt und sie si einer minder einseitigen und engherzigen Auffa)sung wirthshaftliher Tagesprobleme zuzuwenden anfangen. Für die nationalgesinnten Wirthschaftsparteien könnte in dieser Tendenz weiterer Kreise nur der Antrieb liegen, auf dem be: tretenen Wege entschlossen und zielbewußt weiter vorzugehen und auh der deutschen Landwirth\cchaft die Möglichkeit ihrer gedeihlihen Fort- existen dur Ergreifung solcher Maßregeln zu gewähren, welche dem deutshcn Getreidebau sein natürlihes Vorzugsrecht auf dem deuts{hen Absatßtnarkt gewährleisten.

__— Das „Leipziger Tageblatt“ äußert über die sächsishen Wahlen:

Wenn wir dem Wahlergebniß noch einige Worte der Betrachtung widmen, so haben wir zuvörderst freudig die Thatsache zu konstatiren, daß die Aufrechthaltung des Wahlkartells unter den Ordnungsparteien unseres Landes sih auf das Vortrefflichste bewährt und von Neuem günstige Früchte getragen bat. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Ansturm der Sozialdemokratie, welche in niht weniger als 17 Wahlkreisen eigene Kandidaten aufgestellt hatte, ein ganz be- deutender und in manchen Wahlkreisen niht ungefährlicher war ; die Sozialdemokraten haben genau so wie andere Parteien agi- tiren können, und es ist ihnen in Bezug auf die Wakhl- agitation nicht das geringste geseßliche Hinderniß in den Weg gelegt worden ; sie konnten ihre Aufrufe und Stimmzettel ver- öffentlihen und vertheilen, ihre Wablversammlungen abhalten ganz nach ihrem Belieben und genau so, wie die Ordnungêparteien, Unter solhen Umständen ist der glänzende Erfolg der Kartellparteien um so höher zu verans{lagen, und es hat sich von Neuem gezeigt, daß, wenn die Ordnungsparteien zusammenhalten und sih nit gegen- seitig bekämpfen, die Sozialdemokratie unshädlih gemacht werden kann. Daß in dem einzigen Kreis, der cine Ausnahme bildet, in Leipzig-Land, das Kartell seine Wirkung vor der Hand noch versagt hat, das liegt bhauptsählich an der beispiellos ungünstigen Zusammen- seßung diejes Wahlkreises und fällt für die Beurtheilung des Ge- sammtresultats niht in das Gewicht. /

Wir sind überzeugt, daß auch die Sozialdemokraten felbst den Umstand, daß sie Leipzig-Land I behaupteten, nicht für einen großen Erfolg ihrer Sache ausposaunen werden, nachdem fie in allen anderen Wahlkreisen so schlechte Geschäfte gemaht haben und insonderheit ihre krampfhaften Anstrengungen, ihrem Hauptführer Liebknecht, der nun weiter \sich von der Theilnahme an den parlamentarischen Ver- handlungen ausgeschlossen sieht, wieder zu einem Landtag8mandat zu verhelfen, erfolglos geblieben sind. E

Einen noch größeren Mißerfolg hat die deutschfreisinnige Partei erlitten, indem sie in allen vier Wahlkreisen, wo sie ernstlich in

Aktion trat, vollständig Fiasko machte. Selbst in dem von Zittau

aus stark infizirten Land-Wahlkreise Reichenau-Ostrißz bat es der deuts- freisinnige Kandidat, troßdem daß die „Zittauer Morgen- Zeitung“ Himmel und Erde für ihn in Bewegung seßte, nur zu einer Mino rität von etwa einem Drittel der abgegebenen Stimmen gebra, und auch in Pirna, das bis vor Kurzem noch als eine Hochburg des „deutshen Freisinns“ galt, ist der Kartell kandidat, gegen den die Gegner ganz besonders sich ar gestrengt hatten, *mit großer Mehrheit gewählt worden. F Wurzen-Oshaß war ebenfalls alles Liebeswerben der Deutshfret sinnigen völlig unfruchtbar. So sieht sih denn die deutschfreisinnige Partei in Sachsen au bei den Landtagswahlen gänzlich auf den Aut- sterbeetat verseßt und es scheint nit, als ob die Wähler ibr irgen welde Thränen nahweinen wollten. Sowie in Süddeutschland di? demokratische Volképartei, so kann die deutscchfreisinnige Partei n Sasen als zu ten Todten gehörend angefehen werden. e

Eine weitere Genugthuung hat uns noch das Wahlergebniß in Annaberg-Buchholz bereitet. Es war das der einzige Kreis, 1, dur lokale Verhältnisse hervorgerufen, von konservativer Seite dew Wahlkartell nit nachgegangen wurde. Der Erfolg ift gegen di Herren in Buchholz, die vom Kartell nichts wissen wollten, ausge \chlagen, und boffentlilß werden sie sich nunmehr beruhigen und m! Annaberg wieder Fried.n schließen. : :

Möge, das is unser aufrihtiger Wuns&, das loyale Handinband gehen der Kartellparteien in unserem Lande sih auch in Zukunft erhalten, damit, wenn das Vaterland seine Bürger wieder an di Wakhlurne ruft, dessen innere Feinde von Neuem zu Boden gewor[ werden.

Die Londoner „Allgemeine Correspondenz meldet:

Mr. Baker, der amecrikanische Konsul der Vereinigten Staaten in Buer os-Avres, \chließt seinen Bericht pro 1886 über den Handel mit der argentinischen Republik mit der Aeußerung, daß er für des deutshen Handel mit Argentinien eine große Zukunft voraussebt. Er fügt hinzu: „Was in hohem Grade zu dem Wachsthum und de Permanenz des deutschen Handels beigetragen hat, sind die deuten Dampyferlinien, welche jeßt einen direkten und {nellen Verkehr zwischen den beiden Ländern ermöglichen“.

Statistische Nachrichten.

Nah Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlir sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche v0 9, Oktober bis inkl. 15, Oktober cr. zur Anmeldung gekommen

685 Ekeshließungen, 923 Lebendgeborene, 24 Todtgeborene, 49 M

Sterbefälle.

Uebersicht von den Ausgaben der Landes-Haup! kasse und der Institute der Provinz Westpreußen pk Etatsjahr 1. April 1885/86 nach den „Verhandlungen K 10, westpreußischen Provinzial-Landtages.“ A, Hauptfonds. a. grie Ausgaben 1. Allgemeine Verwaltung. Kap. 1. Verwaltungsfo

92967 M. 82 Besoldungen, (— 1329 M 4

egen das Soll 5032 Æ 18 persönlihe Ausgaben 2c. . _— Kap. 3.

). Kap. 2. Ar Duc hfüb d ma B P

ur Durchführung der Kreis- ordnung 170761 Æ (+4). Kap, 4. Landesmeliorationen 6300 4 Ausgaben für Kunst und Wissenschaft

Zuschüsse an Wohlthätigkeitsanstalten . Zur Wegebauverwaltung 748 091 4 64 (+). Summa Abschnitt T. 1 100 481 4 30 (— 8361 M 65 S). 11. Verwaltung und Unterhaltung der Provinzial-Chaussee. Kap. 8. Verwaltung der Provinzial-Chausseen 91 660 #4 49 „g Kap. 9, Unterhaltung der Chausseen 511 732 M4 93 4 . Summa Abschnitt 11. 603 393 4 42 4 . III. Landarmenverwaltung, Restverwaltung -§). Kap. 10. - Unterstü

(— 2000 A). Kap. 5. 36 500 M. (+). Kap. 6. 9000 Æ (+4). Kap. 7

(— 6529 M

51 :

267 M. 07 S 6796 A. 58

37 286 M. 86 A (+ 36497 M 47 und Beihülfen aus geseßliher Verpflihtung 254 090 Zuschüsse an die Institute Kap. 12. Sonstige Summa

4+ 15 008 M 79 S). Ray. 11. 488 447 M. 10 S (+ 1891 A 15 „).

' (— 5086 M 05 S). bshnitt III. 807939 A 29 S (+ 48311 A 36 9). Für Unterbringung verwahrloster Kinder zur Zwangserziehung. Kap. 13. 52511 4 15 S (— 9838 4 85 wejen. Kap. 14, 18 404 4 67 wirthshaftlihe Lehranstalten. Kap. 15. V1I. Insgemein. Kap. 16. 91472 #4 75 4 (— 21 529 M. 90 §). b. Außerordentli E

T

H). V. Hebeammen- A (— 5995 M 33 S). VI. L 5000 A (— 30C0 A).

Kay. 17, Einmalige Ausgaben 20 i I. Provinzial- Chasseebau - Prämienfonds. (— 35 785 A 98 4). —II. Provi

5 A t 7 fskassen- und Meliorations- Kap. 19. 940198 4

6 S (— 748205 M 31 S). I. Reservefonds des Provinzial-Hülfskassen- und Meliorations- A (4+ 5470 A 68 S). I1V. Pferde- Kap. 21. 72010 M 81 „s (— 5574 A 82 9). V. Pferde-Versicherungs-Reservefonds ( -Z (+ 42711 06 „§). VI. Rindvieh-Versicherungsfonds. Kap. 23. 97300 M 89 „S (+ 4217 M. 86 S). VII. Rindvieh-Ver- siherungs-Reservefonds. Kap. 29. 37533 4 07 „8 (+ 19205 M 70 „). VIII. Krankenpflegefonds für den Regierungsbezirk Danzig. s 6. (— 79 M 84 „). IX. Provinzialständischer Stipendienfonds. Kap. 26. 804 4M 60 „Z (+354 M3 Z. X. Wes preußisher Feuer-Sozietätsfonds. Kap. 27. 1021153 # 20 Westpreußische 38793 M 94 Wiederholung ; 2679 202 A 58 S (— 4510 M 9% S). b. Außerordentliche Ausgaben 581 916 A % S (+). Summa A. 3261118 M 83 4 (— 4510 \ 95 S). 2 280 §98 A 75 S (— 1034210 M 67 S).— Summa totalis (A. und B.) 5542017 M 58 § (— 1038721 M Die Fsteinnahme betrug 7 049 374 12 », Giebt „Bestand“ 2034 339 M. 4. Dazu der besondere Bestand laut Jahresrechnung über den Sypezial-Ctat für Kunst und Wissenschaft: 10403 A6. 69 „g. „rechnungs8mäßigen“ Bestand am Schlusse des Etatsjahres 1885/86 : 2 044 743 M 03 s.

Ueber den Stand der evangelischen Kirche im Groß- herzogthum Hessen im Jahre 1885 enthält die Nr. 394 der „Mit - theilungen der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Landesstatistik“ folgende Daten: Die Zahl der von der evangelischen Landeskirche (formell) Getrennten betrug: Alt-Lutheraner 1161, im Vorjahre 1150. Darbysten 13 gegen 15 im Vorjahre, Baptisten 2c. 95 gegen 926, Mitglieder der Vrüderversammlung 2c. Freiprotestanten 3824 gegen 4588, zusammen 5976 gegen 6711 im Jahre 1884. Im Jahre 1885 sind zur evangelischen Undeékirche übergetreten: von der katholischen Kirche 30 gegen 41 im Vorjahre, von andern christlichen Konfessionen 145 gegen 164, fonitige 10 gegen 8, zusammen 185 gegen 213; aus der evangelischen Landes- firbe ausgetreten: zur katholischen Kirche 5 gegen 9, zu andern christ- lihen Konfessionen 8 gegen 22, zu andern Religionen 1, ohne Ucber- tritt 4, zusammen 18 gegen 31. Die Z Ko! l war: im öffentlihen Gottesdienst 335 574 gegen 332 488 im Vorjahre, privatim 5444 gegen 5359 im Vorjahre, zusammen 341018 gegen 337 847 im Vorjahre oder 53,0 gegen 53,6 im Vorjahre auf 600 evangelische Bewohner, in Starkenburg 34,4 gegen 34,2 im Vorjahre, in Oberhessen 78,9 gegen 78,7 im Voriahre, in Rheinhessen 45,2 Wird der Berechnung der Prozentzahlen legt, so erhöhen sich, da nah evölkerung aus 34 9/9 Kindern

fonds 17164 M Versicherungsfonds. 80477 M.

Kap. 25. 1625 4.

329 817 M

13293 M A. Hauptfonds,

c Provinzial- Waisenkafsse. /

B. Nebenfends.

Balance. die Istauëgabe 5 (015 034 M. 78 „3.

23 gegen 32.

der Kommunikanten

gegen 47,1 im Vorjahre. die Zahl der Erwacbsenen zu Grunde den Ergebnissen der Volkszählung die unter 14 Jahren und 66 °/9 Crwachsenen (Perfonen von 14 Jahren und darüber) bestand, die angegebenen Prozentzahlen der Kommunikanten um beiläufig die Hälfte. Auf 100 bürgerliche Cheschließungen kamen 85,0 gegen 84,9 im Vorjahre kirchlihe Trauungen dur evangelische Geistliche: in Starkenburg 87,5 gegen 87,6 im Vorjahre, in Oberhessen 97,0 gegen 96,6, in Rheinhessen 65,5 gegen 64,8. Die Zahl der Konfession vollzogenen 1 Evangelischen, also namentlich von Mischehen, ift hierunter nicht be- griffen und konnte in zuverlässiger Weise nicht angegeben werden. Zahl der nur bürgerlich abgeshlossenen Chen im Jahre 1885 nicht vollständig zu ermitteln, von den evangelifchen Pfarrämtern ist deren Zahl zu 243 gegen 270 im Vorjahre angegeben worden, 4,7 gegen 5,4 9% aller bürgerlichen Eheshließungen. Auf 88,3 gegen 88,3 von evangelischen Geistlichen 88,5 gegen 88,4, in Oberhessen 97,2 gegen 9,7, in Rheinbessen 76,2 gegen 78,2. Auch hier fehlen die Angaben der von Geistlichen andrer Konfession Getauften aus Mischehen. Ferner kommt hier in Betracht, taß die Verhältnißzahlen der Ge- sein würden, wenn die in den ersten tauft gestorbenen Kinder außer Be- Die Zahl der Taufverweigerungen gen 1 im Vorjahre angegeben. lishen Ehen 12 246, im Vorjahre

durch Geistliche Trauungen

Ebenso war die

100 Lebendgeborene kamen Getaufte, in Starkenburg

tauften zu den Geborenen höher Wothen rah der Geburt unge rechnung gelassen werden fönnten.

ist von den Pfarrämtern zu 3 ge Konfirmirt wurden aus rein evange 6, im * betrug diese Zahl 12 779; ans Mischehen wurden konfirmirt 628 718 im Jahre 1884, zusammen 12874, im Vorjahre 13 497.

firmationsentziehungen sind 2 verzeichnet. Evangelischen (13 121 im Vorjahre), worunter 515 unter 6 Jahren und 8525 (8257) Personen über

unter Mitwirkung evangelischer Geistlichen 1 2205 (2045) Kinder unter 6 und 7998 (7785)

ohne Mitwirkung 3472 (3282), darunter 2943 und 525 (472) Personen über 6 Jahre, beerdigt. erdigungen über 6 Jahre alte Mitwirkung evangelisher Gei scheidungen betrug 55, von we

Bon 13 675 verstorbenen 0 (4864) Kinder 6 Jahre wurden 0203 (9839), darunter Personen über 6 Jahre, (2810) Kinder unter 6 Non je 100 Be- r Personen fanden also 6,2 stlihen statt. Die Zahl der Ehe- [hen 50 auf rein evangelische Chen, 5 auf Mischehen kamen und zwar 4 auf solche, bei welchen der und 1, bei welcher die Frau evangelisch war. Die von dem Statistis zu Hamburg bearbeitete und burgischen Staares“ lung) die Volkszählung vom Einleitung im ersten Theil : zweiten Theil : die Zählung de gende Angaben entnommen: Es

(1880 453 869, 187

chen Bureau der Steuer-Deputation bene „Statistik des Ham- behandelt in dem Heft XIV. (Il. Abthei- 1. Dezember 1885 und enthält nah der die Ausführung der Zählung und im Dem letzteren sind fol- betrug die Anzahl der Bewohner des ishen Staatsgebietes 1885 9518 620 5 388 618. 1871 338 974, 1867 306 587); durchschnittlihe jährlihe Zunahme der Be die Jahre 1867/71 auf 8117 oder 2,51 %/o, oder 3,41 9%, für 1875/80 auf 13 050 oder auf 12 950 Personen Einwohnerschaft (1880 410 127, 1875 348 447, 187 “und auf das Landgebiet 1885 47 193 1871 38 362 1867 Bevölkerungszunahme in de den Jahren 1875—80 übrigen deutshen Gro

r Personen.

wohner berednet si

für 1871/75 auf 12411 3,10 9/0, für 1880/85 gesammten 1885 auf städtishes Gebiet 471 427 1 299 179, 1867 268 510) Seelen (1880 43 742, 1875 40 171, Die Erscheinung, j 5 eine geringere als in ch auch bei den meisten betrug die durchschnittliche 80 30 656

6 686) Personen. n Jahren 1880— 8 ewesen ist, zeigt fi ßstädten; in Berlin d unahme der Bewohner in den Jahren 1875—

jährlihe Z

oder 2,93, 1880—85 aber 38 591 Personen oder 2,17 9%, dagegen hat sih Breslau, welches 1885 299640 Einwohner zählte, 1875—80 durchscnittlich um 6772 Einwohner oder 2,65 % vermehrt, 1880—85 aber nur um durchschnittlich 5346 Einwohnern oder 1,87 %/0; ferner München (mit 261981 Einwohner in 1885) hatte 1875—80 eine durchschnittlihe Zunahme von 6239 Personen oder 2,91 °%/o, 1880—85 6392 oder 2,60 9/0; Dreéden (mit 246 086 Einwohnern in 1885) zeigte 1875—80 eine durchschnittlihe Zunahme um 4705

ersonen oder 2,25 9%, 1880—85 um 5C54 oder 2,16 9%; Leipzig mit 170 340 Einwohnern in 1885) gewann dur{h\chnittlich in 1875 —80 jährlich 4339 Cinwohner oder 3,14 %/0, in 1880—85 4252 Ein- wohner oder 2,66 9% 2c. Vom 1. Dezember 1880 bis zum 30. No- vember 1885 wurden im hamburgischen Staatsgebiet lebend geboren 44 773 männliche und 42 947 weibliche, zusammen 87 720 Personen ; es starben in derselben Zeit 32112 männlihe und 27 807 weibliche, zusammen 59 919 Personen; demnach betrug der Uebershuß der Ge- borenen über die Gestorbenen 12 661 männlihe und 15 140 weib- lihe, zusammen 27 801 Personen. Da aber die gesammte Zu- nahme 64751 (31331 männliche und 33420 weibliche) Per- sonen betragen hat, so verbleibt ein Veberschuß der Zugezogenen über die Weggezogenen von 36 950 (18670 männlihen und 13 280 weiblihen) Personen. Unter dea am 1. Dezember 1885 überhaupt gezählten 518 620 Bewohnern des Hamburgischen Staatsgebiets be- fanden ih 252 853 Personen männlichen und 265 767 weiblihen Ge- \chlechts; die ersteren bildeten sonach nur 48,75 9/0 der Einwohner- schaft gegen 48,81 9% im Jahre 1880 und 49,24 9/9 in 1875. Das UVeberwiegen des weiblichen Geschlehts findet jedoch nur in dem städtishen Gebiet statt, in welhem 1885 auf 1000 männliche Per- fonen 1062 weibliche, 1880 1056 und 1875 nur 1035 weibliche kamen. Sm Landgebiet wurden dagegen auf 1000 männliche Personen in 1885 nur 956 weiblihe, 1889 980 und 1875 997 weibliche gezählt. Im Deutschen Reich kamen im Jahre 1885 auf 1000 männliche Personen 1043 weibliche.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Unsere Marine® betitelt sh eine von dem Contre- Admiral a. D. R. Werner im Verlage von D. B. Wiemann (Barmen) herausgegebene Schrift (Aus dem Reiche für das Reich! Heft 1). Der Verfasser giebt in derselben einen interessanten Ueber- blick über die Geschichte und Entwickelung der deutschen Seemarine. Den ersten Versuch, eine Kriegéflotte zu gründen, machte der große Kurfürst. Er knüpfte überseeishe Beziehungen an, gründete Handels- esellshaften und Kolonien; seine Schiffe \heuten sich nit, den ‘ampf mit der damals bedeutendsten Seemacht, der spanischen, auf- zunehmen. Ungünstige politische Verhältnisse und mangelndes Ver- ständniß auf Seiten des Volkes ließen diesen ersten Versuch mißglüccken. Fast 150 Jahre lang entbehrte Deutschland eines Schutzes zur See, und erst gegen die Mitte unseres Jahrhunderts wurde das Verlangen nah einer deutshen Flotte dringend und allgemein. Aber auch die Bewegung des Jahres 1848 vermochte nichts von Bestand zu schaffen und auch der zu dieser Zeit veran- staltete Versu zur Gründung einer deutschen Flotte mißlang. Als nun damals die deutshe Flotte öffentlich verkauft wurde, reservirte Preußen seinen Antheil für sih; er bestand aus 42 Nuder-Kanonen- booten, cinigen Raddampfern, einer kleineren Segelkorvette und zwei noch kleineren Segelschiffen. Von hervorragendem Einfluß auf die Entwickelung unseres Marinewesens sollte es werden, daß . Prinz Adalbert von Preußen sich an die Spiße desselben [stellte und mit aller Energie für dessen Hebung eintrat. Sein nächstes Augenmerk richtete sich auf die Vermehrung geeigneter Schiffe und die Uebernahme der Fregatte „Gefion“, welche 500 Mann Besatzung erforderte, war der erste Schritt. Bald folgten zwei andere Fregatten und zwei Briggs. Diese Sciffe unternahmen längere Reisen und zeigten nach fast 150 Jahren zum ersten Mal wieder die deutsche Kriegsflagge in fremden Erdtheilen. Unablässig war der Prinz auf die Verstärkung der Flotte bedacht; seine nächste Sorge war, an Stelle der Kriegs8raddampfer Schraubendampfer ein- zuführen, da erstere den Anforderungen der Zeit niht mehr entsprahen. Unsere ersten Schrauben-Fregatten waren „Arkona“, „Gazelle" und „Vineta“, mit denen gleichzeitig zwei Korvetten, die „Nymphe“ und „Medusa“, in Danzig gebaut wurden. Die Bauzeit dieser Schiffe dauerte von 1859—64. Die Ein- richtung eines Nordsee-Kriegshafens erwies sich als unumgänglich nöthig, aber erst nach vielen Schwierigkeiten gelang es, den Jade- busen zu diesem Zwecke zu erwerben. Ein neuer Umschwung im Sciffshau trat ein, als ih die Panzerung der Kriegsschiffe gegen die verderblichen Bomben als nöthig erwies. Frankreich ging hierin voran, England und die übrigen Seemähte folgten; im Anfang der 60er Jahre gab Preußen in England sein erstes Panzer\chiff, den „Arminius“ in Bau. Dem unermüdlichen Eifer des Prinzen Adalbert gelang es, die Flotte bis zum Jahre 1864 mehr und mehr kriegstichtig zu machen. Im Ganzen besaß Preußen damals bereits 26 Schiffe und Fahrzeuge mit 151 Geschützen, welhe an einem Kampf theilnehmen konnten, wenn auch die 19 Kanonenboote in erster Reihe für die Küstenvertheidigung in Betracht kamen. Acht Segelschiffe, welche bisher zu Schulzwecken gedient hatten, mit zusammen 144 und 10 Ruderkanonenboote mit 76 Kanonen sind hier niht mitgerechnet; sie waren nach der allge- meinen Einführung des Dampfes für den Krieg so gut wie werthlos. Im dänischen Kriege konnten, da verschiedene Schiffe theils in entfernten Gegenden, theils noch nicht ganz seefertig waren, der überlegenen dänishen Flotte nur die „Arkona“, „Nymphe“, „Loreley“ und 17 Kanonenboote entgegengestellt werden, welche zusammen 81 Geschüße führten. Die Dänen stellten dieser Streitkraft eine Flotte von 8 großen Schraubenschiffen, 2 gepanzerten Schunern, 1 Monitor, 7 Kanonenbooten und 4 Raddampfern ent- gegen. Ihre Feuertause erhielt die junge preußische Flotte in dem Gefecht bei Jasmund, wo Kapitän Jachmann mit der „Arkona“, „Nymphe“ und „Loreley“ mit 47 Kanonen das dänishe Blockade- geschwader, bestehend aus 1 Linienschiff, 2 Fregatten, 2 Korvetten, 1 Panzerschuner und 1 Raddampfer, mir zusammen 173 Geschüßen an- griff. Das Gefecht kewies, daß die reue Kriegsflotte zu kämpfen verstand und die auf se geseßten Hoffnungen zu rechtfertigen wußte. An dem bald darauf stattfindenden Kampf bei Helgoland nahm die preußische Marine gleichfalls ehrenvollen Antheil. Die Eroberung von Schleëêwig-Holstein hatte das wichtige Resultat zur Folge, daß die preußische Marine den so überaus wichtigen Hafen von Kiel erhielt, welher allen Anforderungen entsprach. Eine weitere Verstärkung der Flotte war die Folge, und vor Ausbruch des deutsh- österreichishen Krieges Mitte 1866 war die preußishe Marine, welcher noch immer Prinz Adalbert seine Thätigkeit widmete, auf 36 wirk- liche Kriegsschiffe und Fahrzeuge mit 243 Kanonen angewachsen. Die Gründung des Norddeutschen Bundes bedeutete auch für die deutsche Marine einen weiteren Aufschwung. Im Jahre 1867 wurden die Mittel zur Vergrößerung der Flotte bewilligt; die Aus- führung war auf einen Zeitraum von zehn Jahren berechnet und die Flotte sollte am Schluß dieser Periode umfassen: 16 Panzer- chiffe, 20 Fregatten und Korvetten, 8 Avisos und 22 Dampf- Kanonenboote ; Kie wurden Gelder für die Vollendung der Kriegshäfen in Wilhelmshaven und Kiel bewilligt. Das Jahr 1870 sah die deutshe Marine noch nicht so weit gekräftigt, um einen offenen Kampf mit der ihr weit überlegenen französishen aufnehmen zu können, sie mußte sich daher auf die Defensive beshränken, und es elang ihr vollkommen, eine Invasion der feindlihen Schiffe in die lußmündungen zu verhindern, was namentlich mit Hülfe der damals in Deutschland zum ersten Mal angewandten furchtbaren Waffe, der Torpedos, ermögliht wurde. Die ganze Aktion der französischen olle beschränkte ih daher auf die Blockade der Küsten. Prinz dalbert, welcher damals dem Kaiser ins Hauptquartier gefolgt war, wurde nah dem Friedens\{hluß zum General - Inspecteur der Marine ernannt, während General vonsStosch die Admiralität übernahm. Mit dem Frieden und der Aufrihtung des Deutschen Reichs trat die Marine abermals in eine neue Phase. 1873 wurde ein neuer Flottengründungéplan aufgestellt und die Admiralität erhielt aus der Kriegsentshädigung niht weniger als 200 Millionen Mark über-

wiesen. Ein Triumph deutschen Gewerbefleißes war es, als endlih die deutschen Kriegsschiffe auf deutschen Werften gebaut werden fonnten; eine wie hohe Eatwickelung der deutshe Schiffsbau in neuester Zeit gewonnen, das beweist die Anerkennung, welche die vom Auslande gemachten Bestellungen überall fanden. Gegenwärtig beträgt die Zahl der großen Panzerschiffe 13, die der Panzerfahrzeuge 14, An ungepanzerten Schiffen besizi die Marine die nach dem Gründungs- plan vorgesehenen 10 Kreuzerfregatten, große Kanonenboote (Kreuzer) 5, kleinere 4, Ävisos 8; außerdem sind von den 150 in Ausficht ge- nommenen Torpedobooten bereits 70 fertig. Somit kann die deutsche Marine bei einer friegerischen Verwickelung {hon jeßt 27 gepanzerte Schiffe mit 164 der \{wersten Geshütze, 25 Kreuzer, 4 Kanonen- boote und 8 Avisos mit 315 Kanonen und 70 Torpedobooten dem Feinde entgegenstellen, während die Gesammtflotte eine Besaßung von 15 000 Köpfen beansprucht. Das Andenken des 1873 verstorbenen Prinzen Adalbert von Preußen, dem die preußishe und mit ihr die deutshe Marine so unendlich viel verdankt, wird bei ihr in hohen Chren bleiben.

Im Verlage von I. L. V. Laverrenz in Berlin (W. Alvens- lebenstraße 13) erschien soeben in der Sammlung „Lustige Bücherei* als Nr. 4: „Von den Spötterbänken der Prima und Sekunda. Allerhand Gymnasial- und sonstige Pennal- humoresken aus den Schubkästen eines bemoosten Hauptes. Von Herbert Kühn.“ 3 Bogen elegant geheftet mit humoristischem Litel- bild von G. Brandt. Preis 50 Pfennige. Unter dem Pseudonym verbirgt sih_ ein gewandter Schriftsteller, der hier eine ammlung von allerliebsten kleinen Humoresken bietet, die so drollig und fo leben8wahr find, daß sie den Leser unwillkürlich in die frohe, un- getrübte Jugendzeit auf dem Gymnasium zurückverseßen.

In demselben Verlage erschien: „Deutsher Humor:“ Band 2. „Lerhe's Wilde Geschichten. Ein Humoreêsken- und Satiren- Cyklus von Hermann Rosenthal.“ Elegant ausgestattet mit humoristishem Titelbild von G. Brandt. Preis 1 H. Der Ver- fasser bietet cine Reihe kleiner, {charf pointirter Satiren und an- spreheoder Humoresken, die man mit Vergnügen lesen wird.

Aus dem gleihen Verlage liegt noch vor: „Europäische Wanderungen Nr. 3: Im Weichhbilde des Bären. Berliner Skizzen von Paul Lindenberg.“ 8 Bogen. Hoch- elegant geheftet mit Titelbild (Das Rathhaus) von H. Goetze. Preis 1 Æ Inhaltsverzeihniß. 1) Hinter den Coulissen des Opern- hauses. 2) Von den Berliner Theatern. 3) Des Kaisers Heim- stätten. a. Das Kaiserliche Palais zu Berlin. b. Schloß Babelsberg. 4) Der Hofball. 5) Rkeinsberg. 6) Am Gesundbrunnen. 7) Die Markthallen. 8) Ausverkäufe und Auktionen. 9) Einiges über Handel und E ewerbe. 10) Berlin im neuesten Zablenlicht. 11) Das Asyl für Obdachlose. 12) Ina Moakit. 13) Berliner Sonntage. 14) Heiligabend in Berlin. Auch in diesen Skizzen behandelt der bekannte Verfasser das Berliner Leben in seiner Vielseitiakeit wieder ebenso getreu, verständnißvoll und unterhaltend wie in seinen früheren Berliner Skizzen.

Aus Darmstadt wird gemeldet, daß die in München in fo vortreffliher Weise wiederhergestellte Holbein’ s{che Madonna am 17. d, Nachmittags, wieder eingetroffen und dem Großherzog übergeben worden is. Dem Vernehmen nah soll das Bild au in Darmstadt ausgestellt werden. :

—- Die Ueberführung der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel in das neue Bibliotheksgebäud- fowie die Neuaufstellung und Ordnung der Büchershäte ift, dem „Hann. Cour.” zufolge, nunmehr vollendet. In den neuen Räumen konnten die Büchershäte unter Leitung des Ober-Bibliothekars Profeffors von Heinemann in übersichtlichster Weise aufgestellt werden; nit minder angenehm ift es für die Besucher der Bibliothek, daß sie jeßt ein großes \{chöônes Lesezimmer vorfinden. Vom 18. d. M. ab ift die Bibliothek an allen Wochentagen Vormittags von 9 bis 1 Uhr für zie Besucher geöffnet. - / \

„Heymann's Terminkalender für die Deutschen Rechtsanwalte und Notare auf das Jahr 1888“ ift soeben erschienen. Derselbe enthält außer einem „,praktisch angelegten Kalen- darium für täglihe Eintragungen das Verzeichniß sämmtlicher deut- \{en Rechtsanwalte und Notare, den gesammten Status aller deutshen Gerihtsbehörden und zahlreiche, fpeziell für den Gebrauch der Nechtsanwalte und Notare bestimmte Beilagen. Der Kalender, welcker nunmehr in sein neunundzwanzigstes Lebensjahr tritt, E durch den Umstand, daß er von dem Schriftführeramt des Vereins deutscher Anwalte herausgegeben wird, ein besonderes Ansehen und hat sich so eingebürgert, daß er für den Gebrauch der Rechtéanwalte und Notare unentbehrlich geworden ist. Auf den Einband des Kalenders ist besondere Sorgfalt verwandt; die zur Anwendung gekommene Drahtheftung erhöht die Haltbarkeit um ein Bedeutendes. Der Preis desselben beträgt 3,60 f, mit Schreibpapier durchs{chofsen 4 A.

Soeben erschien im Verlage von Paul Parey in Berlin SW., Wilhelmstraße 32: „Die Anwendung des neuen Brannt- weinsteuer-Gesetzes. Anleitung zum praktishen Gebrau für Brennereibesitßzer und Brennereiverwalter von E. Foerster, Ritter- gutsbesiger. (Kartonnirt. Preis 2 4 50 4.) Die praktische An- wendung des neuen Branntweinsteuergeseßes bietet große S@wierig- keiten, und den meisten Brennereibesißern und Verwaltern wird es nicht leiht werden, \ich in den Ausführungsbestimmungen ohne einen Führer zureht zu finden. Einen solchen Führer bietet der Verfasser mit der obigen Schrift, in der er eine systematische Darstellung der gesammten Materie mit besonderer Berücksihtigung der für Brennerei- besitzer und Verwalter wichtigsten Punkte unter Auslafsung alles Nebensächlichen giebt. Das Buch seßt in den Erläuterungen zu den gefeßz- lichen Bestimmungen auseinander, wie der Brennereibesißer oder Verwalter sih in jedem einzelnen Fall zu verhalten hat. Die betheiligten Kreise werden es dem Verfasser Dank wissen, daß er sie in einfacher, klarer und ve: ständliher Darstellungsweise mit den verwickelter Bestim- mungen des neuen Gesetzes vertraut maht. Die Vorlagen für die nöthigften Betriebsformulare sind der Schrift als Anhang beigefügt.

Land- und Forstwirthschaft.

Praktishes Thiera rzneibuch, enthaltend die Krankheiten unserer Hausthiere, ihre Ursachen, Kennzeichen und Heilung, nebst einer Anleitung zur Geburtshülfe, den gebräuchliwsten Operationen, zur Errichtung einer Hausapotheke 2c., sowie das bestehende Vieb- feucbegeseß. Neu bearbeitet für Landwirthe und Viebbesißer von H. Haselbach. 3. Aufl. Oranienburg, 1888. Ed. Frephoff's Verlag. (Preis eleg. bros. 2,50 Æ, eleg. geb. 3 46) Da die Wissenschaft der Thierbeilkunde mit Hülfe der Chemie und des Mikrofkops in Aae Zeit cnorme Fortschritte gemacht, hat es fich der Autor an- gelegen sein lassen, in die vorliegende neue Auflage sämmtliche neueren und neuesten Erfahrungen urd Forscbungen der Veterinärkunde auf- zunehmen. Haselbah's praktishes Thierarzneibuch zeichnet fich durch seine einfahe Sprechweise und praktishe Bebandlung des gegebenen Stoffes aus. Von jeder Krankheit giebt der Verfasser zuerst eine Er- klärung derselben, dann die Ursache und das Entstehen, darauf die Kennzeichen und \{ließlich die Behandlung mit den Rezevten, fodaß dieses Thierarzneibuch gerade in Gegenden, in denen thierärztliche rie nur {wer und kostspielig zu erlangen ist, Jedem, der auf Selbft-

ülfe angewiesen ist, gute Dienste leisten und sich dur feine Nüßz- lihkeit bald unentbehrlich machen wird.

Milchwirthschaft in der Schweiz. Unter diesem Titel hat der Aktuar des schweizerischen milchwirthschaftlihen Vereins und Redacteur der „Schweizerishen Milch. Zeitung“, F. Merz, bei Gelegenheit der \{hweizerishen landwirtbschaftlihen Ausstellung în Neuenburg, welche im September d. I. stattgefunden hat, eine interessante Arbeit veröffentliht. Darnah hat sich die Käsefabri- kation im Laufe dieses Jahrhunderts in großem Maße ausgedehnt. Große Lnderstrecken, welhe in früheren Jahrbunderten mit Korn bebaut waren, sind jeßt mit Käsereien übersät. Die Milchproduktion hat ih in den legten 50 Jahren wenigstens verdoppelt, wenn nicht wverdreifaht. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahr- hunderts wurden ungefähr 6000 kg Käle anusgefübrt, îin den 50er Jahren dur{s{nittlich 70 000, in den 60er Jahren 150 000, îin