1908 / 42 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Feb 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Der Telephondienst am Sonntag nahmittag is zum gro Teil überflüssig; für wichtige Matiteilangen genügt der aven graphendienst. Auch der Schalterdienst von 12 bis 1 Uhr

am Sonntag if in vielen Gegenden Deutschlands entbe AEOE wird auch über den Mangel an A INALD und d Us

¡u nehmen und verdienen wohl eine Entshädigung dafür. Postbauten in manchen Gegenten sind recht Bai bai:

von Erziehungsbeihilfen.

des Vaterlandes und der Postbeamten. Abg. von Oertzen (Np.): Ich habe nicht die Absiht, auf alle

Geßhaltsfragen einzugehen; wir wissen jegt zur Genüge, was die

Herten wollen. Ih möhte nur die Petition, die um An- rechnung der vor dem Eintritt in den Postdienst abgeleisteten Militär- dienftzeit auf das Besoldungsdienftalter bei den nah dem 1. April 1895 etatêmäßig angestellten Postunterbeamten bittet, sekretär warm ans Herz legen. Wir haben die Sahe oft genug hier im Reichêtag besprochen, und es ist zu hoffen, daß diese be- rehtigten Wünsche der alten Soldaten im nächsten Jahre erfüllt werden. Geschieht es nicht, so würde ih diese Wünsche immer wieder zur Sprache bringen.

Abg. Duffner (Zentr.) weist gegenüber den Abgg. Kopsch und Linz

darauf hin, daß die jeßigen Fernsprechgebühren eine ungerechte Ver- | Die neue Einrichtung is aber Für 180 A könne man jeßt über !

teilung der Lasten involvieren. 10 000 Gespräche führer, die Aufhebung der Paushgebühr würde also nur gerecht sein. Hoffentlih werden die neuen Reformen den berehtigten Wünschen des Mittelstandes Rechnung tragen. die Hoffnung aus, daß die Verwaltung einer Ermäßigung der Porto- säße nit dauernd ablehnend gegenüberstehen und hinter der kleinen Schweiz zurückstehen werde. Die Einführung von Einkilopaketen würde nur den großen fapitalistischen Unternehmern zu gute kommen, die zu unterstüßen seine Partei keine Veranlaffung habe. Für die Zulaffung der Frauen zum Postdienst könne man der Post- verwaltung nur dankbar sein ; vielleiht könnte diese EinriGtung noch weiter ausgebaut werden ; eine Differenzierung der weiblihen Be-

amten in den Anstellungsverhältnissen fei nicht gerechtfertigt. Die | kommission angehören, haben ja aus meinem Munde gehört, wie ih | die Klasse der Postdirektoren einshäge. Ich bin auch überzeugt, daß

Telephonistinnen müßten ausgewählt werden niht nah ibrer Herkunft, sondern nah ihren geistigen und fittlihen Qualitäten. Der Redner trägt dann noh eine ganze Reihe weiterer Wünsche der Landbriefträger, Postassistenten und anderer Postbeamten vor, regt eine Ausdehnung der Sonntagêrube, eine Verbesserung der Postwohlfahrtseinrihtungen an. An finanziellen Bedenken dürfte die Erfüllung dieser Wünsche nit scheitern ; es komme darauf an, die Zufriedenheit des zahlreichen Postbeamtenpersonals zu erhalten und zu befestigen. Die Angriffe des Abg. Singer gegen die Postverwaltung wegen der Verletzung des Brief-

gebeimnifjes bâtten um fo peinliher berühren müffen, als sie voll- | auch heute noch für unrichtig, daß gleichzeitig mit der Audienz eine

ftändig unbewiesen gewesen wären. Der Fall Sthorlemer gehöre der Vergangenheit an. Das Zentrum hege die feste Zuversicht, daß die jeßige Postverwaltung der Wiederkehr fsolher Fälle vorbeugen werde.

Abg. Lehmann - Wiesbaden (Soz.): Der Fall Stellenberg hat zweifellos das größte Aufsehen hier im Reichstage und im Lande ge- macht. Ich muß das Auftreten des Staatssekretärs in dieser Frage auf das schârfste verurteilen. Ec sagte, die Posiverwaltung kümmere fih um die Wahl nicht ; er hätte gewünscht, der Doktor Schellenberg bätte erklärt, er habe nit sozialdemokratish gewählt, da er es aber nicht getan hâtte, so sei die Postverwaltung verpflichtet gewesen, ihm zu kündigen, weil sonst die Unterbeamten den SŸluß hätten zieben Éônnen, es sei auch ihnen erlaubt, was dem Arzt erlaubt worden sei. Es wurde gesagt, hier handele es sich nicht um einen Beamten; wir

meinen, auch wenn es sih um einen Beamten handeln würde, hätte |

der Staatssekretär dieses Verfahren nicht einshlagen dürfen. Der

Beamte kann durch seinen Treueid doch niht auf jede Einzelheit in |

der Politik des Kaisers verpflichtet werden; der Eid legt den Be- amten nicht nur auf, dem Kaiser treu und gehorsam zu sein, sondern auch die Ea und die Gesetze gewissenhaft zu beobachten. Kommt ein Beamter und schreibt seinen Untergebenen vor, in be- stimmter Richtung zu wählen, so verstößt dieser Beamte gegen die D: und auch der Kaiser hat kein Recht, solhe Befehle ¡u erteilen, denn ein folcher Befeßkl verstieße gegen die Reichêverfafsung. Der Abg. Dr. Lieber hat vor 9 Jahren ausdrücklich erklärt, daß man die fozialdemokratische Agitation eines Beamten unter den Beamten mit dem Staatssekretär mißbillige, daß man aber eine Maßregelung unbedingt verurteilen müfse, die nur aus dem Grunde erfolge, daß der Betreffende ein Sozialdemokrat sei. Mit demselben Rechte, wie die Postverwaltung keinen Sozialdemokraten in ihrer Beamtenschaft dulden will, könnten auch die westfälishen Gruben- barone die fozialdemokratischen Arbeiter von der Beschäftigung aus- n Tatsächlich wird hier die Staatsgewalt gemißbrauht, um die Beamten zu Heloten zu mahen. In dem Staatssekretär kommt so der echte preußische Bureaukrat zum Vorschein. Dr. Böhme hat ja den fkrafsen Fall angeführt, daß Arbeiteraus\chüsse gelöst werden können, wenn „ungeeignete“ Personen hineingewählt werden. Auf die shweren Angriffe wegen der Maßregelung des Dr. Shellen- berg hat der Staatssekretär keine tihhaltige Verteidigung vorbringen Eönnen; darum follten fih auch die bürgerlihen Parteien gegenwärtig halten, daß hier eine \chwere Beeinträchtigung der staatsbürgerlichen Rechte durch die Verwaltung vorliegt. Wir können daher dem Staatésekretär sein Gehalt nicht bewilligen und würden ihm am liebften ein Mißtrauensvotum erteilen. Würden die bürger- lichen Parteien, wie sie müßten, diesem Mißtrauensvotum zu- stimmen, fo bliebe er nicht 24 Stunden länger im Amte.

Damii {ließt die Diskussion.

Nach einer persönlichen Bemerkung des

___ Abg. Eichhorn (Soz.), der sih dagegen verwahrt, daß er die Postbeamten irgendwie beleidigt habe oder habe beleidigen wollen, wird zur Abstimmung geschritten. _ Das Gehalt des Staatssekretärs wird gegen die Stimmender Sozialdemokraten bewilligt. Die Abstimmung über die sämtlichen Resolutionen wird bis zur dritten Lesung ausgeseßt. Die übrigen ordentlihen Ausgaben für die Zentralverwaltung werden ohne wesentliche Debatte unver- ändert bewilligt.

Bei den Ausgaben für die Betriebsverwaltun g, und zwar bei den Besoldungen für die Oberpostdirektionen, brin E GHeidelb

: g. Be eidelberg (nl.) Wünsche zur Sprache, welche ih auf die befseren Postverbindungen zwishen Süddeutshland und L iat sowie auf die Teilung des Vberpostdirektionsbezi1ks Düsseldorf beziehen.

Abg. Kir ch Bride spricht sich gegen die Teilung aus.

Bei den persönlichen Ausgaben für Post- und Telegraphen-

ämter bemerkt der

Abg. Erzberger (Zentr.): Ih möchte feststellen, daß von den Vertretern der Reichspostverwaltung auf die ausführlihen Dar- legungen des Abg. Hamecher, dem doch eine gewisse Sach- verständigkeit als Postsekretär nicht abzusprechen ist, mit keinem Worte eingegangen worden ist. Ih mache dem Staatssekretär und seiner Umgebung keinen Vorwurf daraus, wenn sie nicht auf alles antworten; es genügt auch, wenn die gegebenen Anregungen auf- merksam gehört und gebührend erwogen werden. Was die Audienz der Poftdirektoren betrifft, so kann der Vorwurf, daß sie illoyal ge- handelt hätten, wenn sie gleihzeitig ihr Material einzelnen Ab- geordneten zugänglich maten, nicht aufrecht erhalten werden; sie hatten ja vier Monate lang vergeblich auf die Audienz gewartet, und inzwishen hallten die Zeitungen von allen den verschiedenen Wünschen der Beamten auf Besoldungsaufbefserung usw. wider. Die Postdircktoren bilden doch geradezu das Gerippe ter ganzen Post- verwaltung; das Geschehnis, das so viel Aufsehen erregt hat, follte doch dazu führen, daß nach dem in der Kommission leider abgelebnten Antrage Gröber den Beamten Gelegenheit gegeben wird,

: . ausen für die Beamten den Nachtdienst; die Beamten müssen in der Naht Nahrung Die / Abhilfe ift notwendig. Ein sehr berechtigter Wunsch is noch die Lat y an b Es muß das Bestreben unterstüßt werden, e zu gründen und dem Staate Kinder zu shenken. Möge die }

ostverwaltung diese Vorshläge in Erwägung ziehen im Interesse | sekretär gefunden ist;

dem Staats- |

Der Redner \priht |

Audienz herausgehört haben ;

in angemessener Frist eine Antwort zu erhalten haben. Wir müssen

den Vorwurf des Abg. Lehmann entschieden zurückweisen, als ob wir es gegenüber den Uebergriffen der obersten Verwaltung gegen die Beamten an dem nötigen Mut fehlen lassen, wir haben ihn ftets bewiesen, so seinerzeit in Betreff des Postassistentenverbandes. Der Vorschlag des Abg. Gröber würde das Petitionsrecht der Be- amten nit beschränken. In Württemberg ist derselbe Weg {hon eingeshlagen worden, was dort möglih ist, sollte auch im ganzen Deutschen Reiche mögli sein. Man hört jegt, daß die Beamten- befoldungsvorlage überhaupt nicht mehr in dieser Session kommen foll, wer weiß, wann einmal ein neuer Shhatß- darum ist es ganz - gut, die Wünsche der Beamten hier zu erörtern. Gegen das Gruppensystem bei den Postdirektoren ließe fich nihts einwenden, wenn es nit so viele Gruppen gäbe, wenn es nur zwei Gruppen gäbe. Die Wiedereröffnung der höheren Laufbahn foll in diesem Jahre erfolgen. Ih {ließe mich der Befürhtung an, daß dieser Zeitpunkt zu früh gewählt ist. Jh glaube überhaupt, daß das akademische Studium für die höheren Postbeamten bedenklih ist. Bisher konnte der Gymnasialabiturient die höchste Stelle bis zum Staatssekretär erreihen. Auf dem Gebiete des Telegraphen- und Telephon- wesens find allerdings Fortschritte gemacht worden, die eine sere Ausbildung erwünscht erscheinen lassen; aber es fragt ch, ob dies nicht auf dem bisherigen Wege möglih ist, dur eine Ausgestaltung der Post- und FNELTaP tei Que in Berlin.

nanziell und sozial bedenklich. Einer großen Anzahl der besten Söhne des Volkes, die in der Wahl ihrer Cltern unvorsihtig waren, würde es künftig unmöglich sein, die böbere Postlaufbahn zu betreten. Dieser soziale Nachteil is un- bestreitbar. Wenn aber die Anforderungen wachsen, dann werden auch die Ansprüche wachsen; die höheren Postbeamten werden eine wesent- s O ihrer Gehälter verlangen, und das ist finanziell doch edenklih.

Staatssekretär des Reihspostamts Kraetke:

Meine Herren! Ueber die Audienzen der Postdirektoren habe ih mich ja des längeren ausgelafsen, und die Herren, die der Budget-

Sie aus meinen Bemerkungen keinen Mißton über das Resultat der denn die Mitglieder der Budget-

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| daß eine solhe Gruppenbildung nit sehr {ön if. Aber die Post-

ihre Wünsche von Zeit zu Zeit vortragen zu können, und daß sie

Karriere übergeht, sodaß für die Angehörigen der leßteren ein großer Spiel-

Befürchtungen nit begründet. Denn die Zahl der höheren Beamten wird geringer; über die Gehaltsfragen können wir uns heute zwar noch nit definitiv unterhalten, weil wir noch nicht wissen, wie die Gehälter der jeßigen Beamten festgeseßt werden, aber ich kann {hon jeyt sagen, daß der Unterschied, wenn er überhaupt entsteht, jedenfalls nur gering sein wird.

durch Beschäftigung als Vertreter zeitweise eine Einnahme haben werden, und daß sie, sobald sie das Affessorexamen bestanden haben,

[aubsverbältnifse der Postbeamten, namentlich die differentielle Be- handlung der niht angestellten gegenüber den angestellten Post-

kommission wifsen, daß ich den Postdirektoren Anerkennung gezollt habe. Sie können daraus ersehen, daß diese Sache keine ungünstige Einwirkung auf mich autgeübt hat in der Schäßung der Klasse der Poftdirektoren. Ih halte es aber

Parallelaktion vorgenommen wird, daß, solange sstch der Chef nicht mit den Direktoren unterhalten hat, die Herren Abgeordneten hier \chon in Mitleidenschaft gezogen werden. Das entspriht nah meiner Auffaffung nicht dem Verhältnis zwishen Chef und Beamten. Darüber kann ih keine andere Auffaffung kundgeben, als ih es bier getan habe. Jch möchte aber ausdrücklih hervorheben, daß das absolut keine Nachwirkung auf mich ausüben kann. Jch habe den Direktoren mitgeteilt, daß sie nach meiner Auffafsung unrichtig vor- gegangen sind; damit war die Sache für mich erledigt, und ich bätte nit wieder darüber gesprochen, wenn es nit hier zur Sprache ge- braht worden wäre.

Was die Gruppenbildung bei den Postämtern I. Klasse anbetrifft, so kann ich ohne weiteres dem Herrn Vorredner darin recht geben,

ämter sind in den Gehältern von jeber differenziert worden, und man ift seinerzeit, bald nachdem die Dienstaltersstufen geshafffen waren, dazu übergegangen, starre Zulagen einzuführen, die früher nit vor- handen waren. Ih würde mich freuen, wenn es uns, was wir an- streben, gelänge, das Gruppensystem zu vereinfachen.

Dann ift der Herr Vorredner auf die neue Karriere eingegangen und hat manches ausgeführt, was nicht bloß bei vielen der Herren Ab- geordneten, fondern auch bei uns Anklang findet. Es ist gar nicht zu leugnen, daß die neue Karriere in manchen Beziehungen erschwerend auf die Auswahl der Kandidaten einwirken wird. Diese Sachen sind von uns ja au eingehend erwogen worden. Der Grund, aus dem wir zu einer Aenderung gekommen sind, liegt aber in den größeren Anforderungen, die an die Beamten der höheren Post- und Telegraphenlaufbahn gestellt werden müssen Den Herren ift bekannt, in welcher vielseitigen Weise die Poft durch die großen sozialen Gesetze, durch ihr Bankwesen usw. in Anspru genommen wird, und es ist deshalb wünschenswert, daß die Ausbildung unserer zukünftigen höheren Beamten auf eine breitere wifsenshaftlihe Grundlage in Volkswirtschaft, Rehtswifsenshaft, in Physik und Chemie gestellt wird. Die frühere Post- und Telegraphenschule ist ja für die damalige Zeit ausreichend gewesen, aber es hat si herausgestellt, daß die Aud- bildung im späteren Lebensalter nicht so gründlih und umfassend er- folgen konnte, wie wir es wünshen müfsen. Die Herren Abgeordneten brauchen übrigens keine Sorge zu tragen, daß das ein „Afsessorismus*, wie von verschiedener Seite gesagt worden if, Plat greifen wird- Die Bewerber werden ja erst im praktischen Post- und Telegraphen- dienst ausgebildet werden und erft dann das Studium beginnen. Sie werden also mit dem nötigen Interesse für das, was sie künftig brauchen, die Studien vornehmen können. Auch braucht der Herr Abgeordnete niht zu befürhten, daß das Studium allzu teuer werden wird. Auch bei der gegenwärtigen Karriere haben die Eltern die Verpflichtung des Unterhalts ihrer Söhne mindestens für die ersten drei Jahre übernehmen müssen, und es is bekannt, daß viele, die niht sehr vorsihtig in der Wahl ihrer Eltern gewesen sind, wie der Herr Vorredner sagte, fich dem akademishen Studium unter- ziehen. Auch in sozialer Beziehung wird die befürhtete Schädigung nicht eintreten, da mit dem Faktor zu rechnen ift, daß eine große Zahl derjenigen Stellen, für die wir bisher Eleven hatten, an die mittlere

raum geschaffen ist. Was endlich die finanzielle Seite anlangt, so sind au hier die

Ferner ift zu berüdcksihtigen, daß die künftigen Postreferendare

in Stellen beshäftigt werden, die ihnen ein angemessenes Einkommen garantieren.

Abg. Abl horn (fr. Volksp.) bemängelt die gegenwärtigen Ur-

beamten. Der Urlaub sämtlicher Postbeamten sei ü

karg bemessen. Wie L N E | Erbolunggurlaub t beweise die Tatsache, daß die Luft in den Postbureauräumen sehr \{chlecht sei, auh im Reichstage. Die Klagen, daß der Er. bolungsurlaub auch auf die Wintermonate verteilt werde, wollen immer noch nit verstummen. Wenn die Postbeamten länger aus spannen können, so würden fie auch länger leistungsfähig bleiben, Die Unterbeamten bei den Oberpostdirektionen befänden ih in einer Vertrauensstellung und verdienten, in gehobene Stellen zu gelangen.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Was den Urlaub anbetrifft, so ist Jhnen bekannt, daß wir in den leßten Jahren sehr weit vorwärts gekommen find, Es ist ja zweifellos, daß an dem bisher Erreihten noch nit alles vollkommen und \{ön ift, aber, wie ih mir {hon bei anderer Ge- legenheit mehrfach gestattet habe, auszuführen, müfsen wir allmählih weiterkommen, und jedenfalls ift die Verfügung von 1905 ein wesent- liher Fortschritt gegen das, was früher bestand. Die Herren, die die Statistik durhsehen, werden finden, daß wir alljährlich weiter vor- rüdcken und größeren Urlaub gewähren.

Nun ift der Versuch gemacht worden, au im Winter Urlaub ¡u geben und den Winterurlaub dadurch etwas s{chmackhafter zu machen, daß man ihn länger ausdehnt als den Urlaub im Sommer. Im Winter steht uns mehr Hilfspersonal zur Verfügung, während im Sommer die Einziehungen zu militärischen Uebungen und die Kur- urlaube einen großen Teil des Personals absorbieren. Ueberdies bringt mancher Beamte im Winter ganz gern die Erholungstage bei seinen Eltern und Verwandten zu.

Was dann die Frage der Unterbeamten bei den Oberpoftdirektionen betrifft, so habe ich mir gestattet, hier hon mehrfach auszuführen, daß es ganz richtig ist, wenn die Herren die Stellung der Unter- beamten bei den Oberpostdirektionen als wichtige Vertrauensstellung bezeichnen. Aber wir müssen auch ixmer wieder in Erinnerung bringen, daß die gehobenen Stellen seinerzeit geshaffen worden sind für Unter- beamte, die Geschäfte wahrnehmen, die bisher den Beamten vors behalten waren, und wesentliß aus diesem Grunde ist es bet aller Anerkennung der Tätigkeit der Unterbeamten in den Oberpoftdirektionen und bei aller Bemühung niht möglich gewesen, für diese Unter- beamten die gehobene Stellung herauszubringen. Nun ist ja den Unterbeamten bei den Oberpostdirektionen bekannt, daß fie im prak- tishen Dienst wieder beshäftigt werden und eine gehobene Stellung erwerben können. Aber die Stellung bei der Oberpoftdirektion hat au viele Annehmlihhkeiten, unter anderem dadur, daß die Dienst- stunden am Tage und den Unterbeamten bequem liegen, und deshalb bleiben viele Unterbeamte lieber im Dienst bei den Oberpostdirektionen. Da ferner diese Unterbeamten den Unterbeamten bei den Re- gierungen usw. gleihgerehnet werden, so ift es nicht möglih, für sie eine andere Stellung zu \chaffen, als wie sie die Unterbeamten bei den Regierungen, Gerichten usw. haben.

Abg. Gröber (Zentr.): Sobald die Postverwaltung eine höbere Ausbildung verlangt, wird auch die Forderung nah höheren Gehalt8- säßen nit ausbleiben. Aber wenn die Verwaltung den Besuch der Hochschulen wünscht und ein volkswirtshaftlihes und rechtswifsenschaft- lihes Studium für notwendig erklärt, fo glauben wir dies nicht zurückweisen zu dürfen.

Der Titel wird bewilligt.

Um 68/4 Uhr wird die Fortsezung der Beratung auf Dienstag 1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 32. Sißung vom 17. Februar 1908, Vormittags 11 Uhr. : (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung des Antrags der Abgg. Schiffer (nl.), Fishbeck (fr. Volksp.) und Genossen, edie Königliche Staatsregierung um eine eingehende Auskunft zu E ¡iber die Ergebnisse der letzt

über die Ergebniffe der leßten vom Herrn Handel8minist

angestellten Untersuchung über die O Hs E bildungsschüler,

2) über tie Stellung des Herrn Unterrihtéeministers zu diesen Ergebnissen,

3) über die Maßnahmen zur Behebung der in diesen Er- gebnissen etwa zu Tage getretenen Mängel des Volks\chul- unterrihts*".

Nach der Begründung dieses Antrags durch den Abg. Schiffer, über die bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. be- rihtet worden is, nimmt das Wort der

Minister der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal- angelegenheiten Dr. Holle:

Meine Herren! Die Ergebnifse der zweiten Aufnahmeprüfung

Herrn Handelsminifters noch nit verarbeitet; ih bin daher zu meinem Bedauern noch nit in der Lage, die gestellte Frage zu beantworten, welhes Ergebnis diese zweite Aufnahmeprüfung hat.

Ich entnehme aber aus den heutigen Ausführungen des geehrten Herrn Vorredners, daß die im vorigen Jahre von ihm auf Grund des Ergebnisses dieser Aufnahmeprüfung hinsihtlich der Volksschule zur Sprache gebrahten Besorgnifse noch heute fortbestehen. Er hat darauf hingewiesen, daß wahrsheinlich im vorigen Jahre eine Spannung oder eine Meinungsverschiedenheit zwishen dem Unter- riht8minister und dem Handel8minister über den Ausfall und die Verwertung dieser Prüfung bestanden habe. Ih darf be- merken, daß ich mich in vollständiger Uebereinstimmung mit dem Herrn Handelsminister befinde, und daß dieser mich ersucht hat, auch bier darauf hinzuweisen, indem wir beide das Ergebnis dieser Prüfung für die Volksshule dcch nur in einem beshränkten Maße für verwertbar halten.

Meine Herren, die Prüfung ift von dem Herrn Handelsminister angestellt worden, um zu ermitteln, welhe Kenntnisse diejenigen Zög- linge haben, die in die Fortbildungs\chule aufgenommen werden sollen, die ein buntes Gemisch darstellen und zum Teil nicht einmal aus preußischen Volks\{hulen herstammen, fondern aus anderen Bundes- staaten. Und dabei kommt noch hinzu, daß es sich nur um eine f\tih- weise Probe gehandelt hat drei Schulen in jeder Provinz —, daß weiter aber au ein großer Teil der Schüler, die für die Aufnahme in die Fortbildungs\hule in betracht kommen, bereits längere Zeit seit dem Verlafsen der Volksschule sih im Leben bewegt hat, einzelne selbst bis zu 1 und 2 Jahren, und daß demgemäß ja diese Schüler nicht mehr einen Anhalt dafür bieten können, was fie gewußt haben, als sie die Volkss{hule verließen. (Sehr richtig!)

(S@&luß in der Zweiten Beilage.)

der gewerblihen Fortbildungtshulen find nah einer Mitteilung des -

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staalsanzeiger.,

M 42.

Berlin, Dienstag, den 18. Februar

(Sé&luß aus der Ersten Beilage.)

Der Herr Handelsminister und ih stehen dahec auf dem Standpunkt, daß die zu cinem ganz anderen Zwecke hergestellten Untersuhungen feinen zuverlässigen Maßstab ceben können für die Beurteilung der Leistungen der Volksshule. (Sebr richtig !)

Immerhin, meine Herren, ist zuzugeben, daß aus dem allgemeinen Ausfall dieser Prüfung natürli einige Shlüfse wohl gezogen werden können; und dazu gehört ja zurädhst eben ter eine, daß die S@cüler der Volksschule vielfah mit einem verschiedenen Bildungs8grade die Squle verlassen, indem teils infolge chlechter Begabung, teils infolge häusliher Verhältnisse, teils infolge von Faulheit man@he bereits von der Mittelstuïe abgehen, wenn sie das \{hulpflichtige Alter vollendet baben. (Sehr richtig !)

Weiter kommt aber auch hinzu, daß die Ergebnisse der einzelnen Schulen außerordentlich verschiedene sind. Auch das liegt auf der Hand. Denn wenn an dem einen Orte eine über- füllte Halbtags\hule und an einem anderen Orte eine wohlgeregelte \e&sklassige Schule mit tüchtigen Lehrern besteht, fo muß selbstver- ständlih das Ergebnis dieser letzteren Schule ein sehr viel günstigeres fein als in dem anderen Falle. (Sehr richtig !) Demgemäß ergibt sh als Resultat dieser Prüfung, die der Herr Handel8minister vor- genommen hat, daß es außerordentlich schwer sein muß, für ein Scüler- material von so außerordentlih wechselnden Kenntnissen einen einheitlihen Lehrgang und eine einheitlihe Lehrmethode in der Fortbildungs\chule zu finden. (Sehr richtig!) Bezüglich der Volks\chule möchte ih noch ein- mal bervorheben, daß die Prüfungen das ja im übrigen auch wohl {on feststehende Ergebnis wiederholen, daß eben leider die Zöglinge unsere Volksschule mit vielfach verschiedenen Kenntnifsen verlassen. Meine Herren, das findet aber seine ganz natürlihe Erklärung in den be- stehenden Verhältnissen, und es handelt sich da um ein Problem, dessen vollkommene Lösung wohl niemals eintreten wird. (Sehr rihtig! rechts.)

Aber es muß natürlich das Bestreben der Unterrihtsverwaltung darauf gerihtet sein, das dur{schnittlihe Ergebnis der Volkss{hule immer mehr und mehr zu heben, und zu diesem Zweck wenn ich den dritten Teil der Frage beantworten darf kommen z¡unächft nah meiner Meinung die äußeren Maßnahmen zur Hebung der Volks-

\chule in Betraht: Abkürzung der Schulwege, Beseitigung der überfüllten Schulen, Herabsezung der Frequenz der Klassen. Für ein Vorgehen der Schulverwaltung in der

Beziehung bildete bisher ein s{chwieriges Hindernis die außer- ordentlih verschiedene und unklare Geseßgebung. Durch das Sqculunterhaltungsgeseß bekommen wir eine klarere feste Grund- lage, und wir hoffen, dann eben befser als bisher vorgehen zu können.

Es freut mich auch, heute darauf hinweisen zu können, daß der Fonds zur Förderung neuer Volksshullehrerstellen in diesem Jahre von 300 000 auf 400 000 Æ erhöht worden ist, also eine immerhin erbeblihe Erhöhung von 334 9/9 erfahren hat, und wenn die Ver- waltung in der Weise weiter vorgeht, wird sie allmählich wohl beffere Zustände schaffen können.

Aber der Lehrermangel, meine Herren! In dieser Richtung hat ih mein verehrter Herr Amtévorgänger ein ganz besonderes Verdienst erworben, indem er in den Jahren von 1900 bis 1907 die Zahl der Lehrerseminare von 118 auf etwa 170 erhöht hat, ganz abgesehen von den Lebrerinnenseminaren, den Präparandenanstalten und von den überall eingeshalteten außerordentlißhen Seminar- und Präparandenkursen. Freilich dauert die Ausbildung der Lehrer 6 Jahre; die Maßregel kann also erft allmählich wirken. Aber wir hoffen, daß, wenn das hohe Haus unseren Bestrebungen beitritt und uns auch weiterhin in der Gründung neuer Seminare unterstüßen sollte, wir damit dann das schwierige Hindernis für die Entwicklung der Volks\hule, den Lehrermangel, werden be‘eitigen können.

Im übrigen bedarf aber au die Schule einer Hebung im Innern. Zu dem Zwecke ift im Jahre 1901 ein neuer Lehrplan für die Ausbildung der Volksschullehrer erlaffen, der einen erheblihen Fortschritt bedeutet, der aber natürlich seine Einwirkung auf die Praxis der Volks\hule auch erst allmählih äußern kann, da ja in jedem Jahre verhältnismäßig wenig Lehrer gegenüber der großen Mafse in die Praxis eintreten.

Dann weiter habe ich genau in dem Sinne des Herrn Vorredners, weil au ih der Meinung war, daß der Unterricht

der Lehrer sich vielfah zu abstrakt gestaltet, #sich nit g?nügend an die örtlihen Verhältnisse und an das Ver- ftändnis der Kinder anpaßt unter dem 31. Januar eine nähere

Weisung an die Schulaufsichtsbeamten erlafsen, die fie darauf hinweist, wie sie in der Beziehung bezügli der einzelnen Fächer wirken sollen, damit die Volks\{hule sich den bestehenden Verhältniffen anvaßt und dadur bei den Kindern auch leihter Verständnis findet.

Meine Herren, mag die Schule sih nun aber auch in dieser Bes ziehung entwideln, sie wird immer darunter leiden, daß sie jeden Schüler aufnehmen muß, begabte und unbegabte, faul- und fleißige, den einen, der aus besseren Verhältnissen herrührt und bei dem die Sgularbeit eine Unterstützung dur die Eltern findet, andere wieder, bei denen die schlechten häuslihen Verhältnisse das einreißen, was die Schule mühsam aufgebaut hat. Meine Herren, daraus ergibt fi aber eben nur das eine: daß wir nie zum Vollkommenen gelangen können, sondern uns immer mit einem Durchschnitt werden begnügen müssen. In dieser Beziehung die ganze Kraft einzufeßen, muß und wird immer das Bestreben der Siulverwaltung sein, und ih hoffe ja au, mit Unterstüßung unserer bewährten Volks\{hullehrershaft das zu erreihen, daß wir wenigstens zu einem befriedigenden Ziele in der Volksschule kommen können. (Bravo!)

Abg. von Ditfurth (kons.): Es «ibt wohl kaum eine so umfafsende,

\chwierige und eines eingehenden diese. Sie

Studiums bedürfende Materie wie muß sine ira et studio behandelt fwerden. Ich kann

namens meiner politischen Freunde erklären, daß au wir es für eine B der Volksvertretung halten, alle Vorgänge auf dem Gebiete der olfsshule mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zu verfolgen. Leider werden wir ja wohl, rach den Ausführunçcen des Kultusminifsters, in diesem Jahre noch keine Kenntnis von den Ergebnissen der Untersuhung erhalten. Das Material ist derartig umfassend, daß es noch niht mögli gewesen is, es vollständig zu sichten. Auch der zweite Teil des Antrages kann uns nur sympathisch sein. Au uns ist es interefsant, zu erfahren, wie sich die Unterrih!sverwaltung ¿zu den Ergebnissen stellt. Was aber den dritten Teil des Antrages betrifft, so läßt sih auf Grund des vorliegenden Materials nicht s{chließen, daß unser Volks- \{ulunterriht erheblihe Mängel aufweist. Bei einer höheren Schule würde kein Mensch verlangen, daß ein Schüler, “der infolge seiner mangelhaften Begabung oder aus anderen Gründen vielleiht nicht in der Lage gewesen ist, die untersten Klassen zu überschreiten, Aufgaben lôsen soll, die cin Abiturient mit Leichtigkeit 1öft. Nur bei der Volksschule fagt man, dieser oder jener hat die Volksschule besuht, er weiß nichts, ünd darum taugt die Volksschule nihts. Dazu kommt, daß in vielen Fällen die Volksschüler

erst nah einer Reihe von Jahren in die Fortbildungs\schule eintreten. Sie haben inzwischen keinerlei Gelegenheit gehabt, fich

geistig zu beschäftigen. 14 jährige Jungen können doch beim besten Willen nit alles für das Leben fest behalten. Selbst bei begabten Schülern verwishen sich die Kenntnisse. Die Entlafsungs- prüfung bei der Fortbildungsschule erst kann zeigen, wa3 unsere Bolks\chule leistet, und auf einem wie festen Grunde die Fortbildungs- \hule aufgebaut ist. Man darf auch nit vergessen, daß die Er- gebnisse der Volksschule viel mehr wie diejenigen jeder anderen Unter- rihtsanstalt von Aeußerlichkeiten beeinflußt find. Hier kommen die weiten Schulwege, die überfüllten Klafsen in Betracht, die die Leistung beeinträchtigen. Der Arbeitsmangel im Osten erzeugt ebenfalls einen ungünstigeren Durchschnitt der Ergebnisse im Vergleih mit dem Westen, weil im Osten dadurch eine größere Fluktuation entsteht. Den i{limmsten Einfluß aber übt die Freizügigkeit. Ferner kommen Umstände in Betracht, die niht auf dem Gebiete der Schule, sondern auf dem der Hâäuslichkeit liegen. Das \hlechte Beispiel, das im Elternhause durch Faulheit, Trunksuht usw. gegeben wird, ist kein Lebrer zu beseitigen im stande; mehr Disziplin außerhalb der Schule nügt dem Kinde mehr als die Verméhrung des positiven Wissens. An der zunehmenden Verrohung der Jugend ist nicht die Volksschule, sondern die gewifsenlose Depu der Jugend und der Mangel an erzieherishem Einfluß der Eltern s{chuld. Nach den Mitteilungen, die ih von den Leitern der Fortbildungsshulen in kleinen Städten erbalten babe, waren ihnen die Lehrlinge von Handwerkern, die jeder- zeit die Augen aufmahen und alle Sinne anspannen mußten, wie Stlosser, Tischler und dergleichen, viel lieber als die Kaufmanns- lebrlinge, die in den kleinen Betrieben niht gerade viel Anregurg zu geistiger Tätigkeit haben. Was die Kommissionearbeit betuifft, so ist sehr zu bedauern, daß die statistishen Unterlagen uns noch nicht vorliegen, wir werden auf unbestimmte und unzuverlässige Daten hin operieren müssen. Wenigsters werden wir mit allem Ernst uns an die Arbeit machen und, wenn sih wirklich Mängel zeigen sollten, bei deren Abstellung mitwirken. Cin Schade, eine Gefahr liegt allerdings vor, nämli die, daß die Volks\{ule mit zu vielerlei belastet und die Unterrichtskonzentration beeinträhtigt wird. Auch die Anregungen des Kollegen Schiffer bewegen si, “wie ih fürchte, in dieser Richtung. Er will mehr Geographie, Kolonialgeographie ; was foll nit noch sonst alles ¡um Lehrstoff hinzukommen:_ Hygiene, Volkswirtschaftslehre, soziale e scogeng, Bürgerkunde, sogar Be- lehrung über Automobile usw. [les und jedes soll die Volks- schule lehren. Dabei verliert sih die Tätigkeit des Lehrers in Kleins arbeit, und die Schule bört auf, eine umfassende Erziehung zu bieten. Auf diese Aufgabe der Volksschule legen wir aber den entsheidenden Wert: non multa, s8ed multum! i | Abg. Kestern ih (Zentr.): Die Volkss{hullehrervereine und die gesamte Volksshullehrershaft begrüßen es mit Freude, daß ihrer Arbeit von allen Seiten so große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Er- örterungen, die in der Richtung des Antrages die Oeffentlichkeit mehr und mehr zu beschäftigen beginnen, legen die ernftlihe Pflicht nabe, die Frage zu untersuchen : sind denn wirklih die Leistungen der Volks- \hule so ertärmlih, wie es vielfach jeßt, namentlich seitens der Fortbildungs\hulen behauptet wird? Man erklärt sogar die Volks \hule für verlottert und verlangt deshalb allgemein die obligatorische or ban Ich beantworte diese Frage mit einem entschiedenen Nein. Es wäre doch auch gar zu traurig, wenn \sich die Volksschule von den Fortbildungs\hulen, die doch vielfah noch in den Kinder- schuhen \tecken, über ihre Bedeutung und ihren Wert belehren laffen müßte. Von manchen Volksshulmännern if auch darauf hin- ewiesen worden, daß die Aufnahmeprüfungsergebnifse bei den Fortbildungssculen geflissentlih herabgeseßt werden, um die eigentlihen Leistungen in um so hellerem Glanze erstrablen zu laffen. Den Anklagen gegen die Volksshule muß auch entgegengehalten werden, daß die Volksschüler vielfa erst mit dem 15. oder 16. Jahre in die Lehre gehen. und in die Fortbildungs\{ule kommen ; was in der Zwischenzeit, in den ein bis zwei Jahren, den rihtigen Flegeljahren, mit den Jungen vorgeht, darauf nehmen die Tadler keine Rücksicht. Sowenig ih aber in den Chorus der Tadler einstimme, so wenig bin ih der Meinung, daß in der Volks\{ule durchweg alles aufs beste bestellt ist. Freilich haben si in dea leßten 30 bis 40 Jahren soziale und wirtschaftliche Umwälzungen vollzogen, so daß in den Industriestädten ein großer Wechsel der Schüler und auf dem Lande die sogenannte Landflucht der Lehrer die Folge war. Auch der Zusammenhang zwishen Schule und Familie muß wiederhergestellt werden; ih verweise dazu auf einen Artikel des Geheimen Rats Brandi in den Preußischen Jahrbüchern. Auch der Lehrplan der Volksshulen bedarf noch der Revision. An den Seminaren dürfen die Philologen nicht zu sehr überwiegen. Der Redner {ließt mit dem dringenden Wunsche, daß das Gift der kon- fessionellen Verheßung nicht in die Volksschule getragen werden möchte. Abg. Rzesnitzek (freikons.) gibt der Befriedigung darüber Ausdruck, daß der Minister sofort zu dem Antrag Stellung genommen hat, um auf diese Weise den Anschein zu vermeiden, als wolle sich die Staatsregierung zu einer notwendigen Reform des Volkéshulwesens drängen laffen. Der Antrag habe eine prinzipielle Bedeutung, um irrtümlihe Auf- fafsungen über unsere Volkëshule richtig zu stellen und Richtlinien zu vereinbaren für deren weiteren Ausbau. In dem fo gern als reaktionär dargestellten Preußen, fährt der Redner fort, stand die Volks- schule und die mit ibr in Verbindung stehende Volksbildung stets im Mittclpunkt des öffentlichen Interesses. Geseßliche Grundlagen scheiterten an den mit der historishen Entwicklung Preußens wachsenden Shwierig- keiten. Da beschritt die Staatsregierung mit Hilfe des Hauses und mit Erfolg den Weg der Teilgeseßgebung. In dem Sghulunterhaltungsgeses ist die wichtigste Grundlage geschaffen worden; die Revision des Lehrerbesoldungsgeseßes wird einen weiteren Teil bilden. Zu den einzelnen Teilen des Volksshulwesens über- gehend, wünscht der Redner eine Regelung der Besoldungs-, Anftellungs- und Verwendungsverhältnifse der Präparanden- und Seminarlehrer. Er schlägt bei der großen Bedeutung der Lehrpläne vom 1. Juni 1901, die jeden weiteren Ausbau ermöglihen, für die Seminarlehrer das Universitätsstudium vor, für die aber bereits im Amte befind- lien wifsenshaftlihe Kurse, wie sie der Minister für die Akademie in Posen bereits zugesagt hat. Des weiteren empfiehlt er eine

Förderung der Veranstaltungen für das volkss{hulpflihtize Alter mit Staatsunterstützung besonders in den Gemeinden, in denen die Eltern der Erziehungspflicht niht genügen können , aber auch niht im stande sind, der Schulé etwas zu entrihten. Er kittet um eine geseßlihe Regelung der Klassenfrequenz, der Anstellung neuer Lehrer und der Eixrichtung neuer Klafsenzimmer, spricht dem Minisler die Zustimmung seiner Freunde zu seinen Bemübungen zur Beseitigung des Lehrermangels aus und bittet, auch dem Lehrerwechfel durch eine einheitlize Gehaltsregelung der Lehrer zu begegnen und besonders die mit dem Lehrerwehsel verbundenen Vakanzen zu beseitigen. Die Regelung der Schulpfliht werde bei einem be- sonderen Antrage zur Sprache komufen, der Minister möge zunähst Für die sofortige Regelung des Beginns des Schuljahres Sorge tragen. Des weiteren bittet der Redner den Minister um Erhöhung der Stunden- zahl bei den Halbtags\hulen und den dreiklassigen Schulen mit zwei Lehrern und um Förderung der Shuleinrihtung für die nicht normal veranlagten Kinder. Seine politishen Freunde stehen auf dem Boden der allgemeinen Volks\{ule, welhe in den unteren Klaffen allen Kindern dieselbe Ausbildung gestattet, später sich aber nah den Bedürfnissen des Lebens einerseits in Mittelhule und Bürgerschule, anderseits in höhere Lehranstalten gabelt und für die Volksbildung selbst in obligatorishen Fortbildungs\hulen, Fas{ulen und Bolkshcechshulen gipfelt. Wenn auch die allgemeinen Be- stimmungen ein Kulturwerk ersten Ranges sind, so werden fie doch nunmehr nach 35 Jahren einer Revision bedürfen; fie werden den Unterriht auf eine breite praktishe Grundlage stellen müssen, sie werden die Selbständigkeit der Kinder * mehr zu berücksichtigen haben, sie mit den bürgerlihen Verbältnifsen vertraut machen, um fie auf diese Weise wirklich zu brauhbaren Mitgliedern der Gemeinde und des Staates zu machen. Für die Mädchenbildung befürwortet der Redner die Förderung des Haushaltungsunterrihts und des Mädcen- turnens. In bezug auf die Schulaufsicht ift eine Abgrenzung der Befugnisse der einzelnen Schulaufsichtebehörden dringend erforderlich. Umden bedauerlihen Streit zwischen Klafsenlehrern und Rektoren möglichst bald zu beseitigen, bittet der Redner den Minister, den Erlaß von Dienst- anweisungen für die Rektoren möglichst zu beschleunigen. Er {ließt mit der Versicherung, daß der Minister in seinem Bestreben, die Volks- \chule und die Volksbildung zu fördern, stets auf die Unterstüßung seiner politishen Freunde werde renen können, weil man dem Volke feinen besseren Schaß zuweisen könne als einz gesunde Ausbildung, welche es zu brauhbaren Gliedern des Staates und der Kirhe macht.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Holle:

Meine Herren! Es ist mir unmögli, auf alle die Anregungen einzugehen, die die geehrten Herren Vorredner gematht haben. Ich will Ihnen aber gern zusagen, daß ih sie sämtli nahprüfen werde,

Die Herren Vorredner haben in voller Ucbereinftimmung mit mir das Hauptmittel zur Hebung der Vol!ksshulen in der Hebung, der Ausbildung und Stellung der Lehrer gefunden, und es find namentlich einzelne Vorshläge gemacht worden, über die ih mi gern -- äußern möchte. In Uebereinstimmung mit den beiden Herren Vor- rednern bin auch ich der Meinung, daß man für den Volksschullehrer ein Avancement schaffen muß, ein Avarcement, das er bisher ja hon in der Seminarlehrerstellung findet, daß ih ihm aber in Zukunft auch in stärkerem Maße eröffnen möchte bei der Beseßung der Kreiss{hul- inspektionen (Bravo! links und bei den Freikonservativen), damit die tüchtigeren unter ihnen in der Ausfiht, einmal Kreisshulinspektor werden zu können, einen ständigen Antrieb finden, das beste zu leiften.

Dann hat Herr Nzesnitzek darauf hingewiesen, daß doch die Lehrer an den Präparandenanstalten und Seminaren bei der bevorstehenden Besoldungsaufbefserung so gestellt werden mögen, daß fie dauernd da bleiben. Es ist zuzugeben, daß das Ausbildungspersonal für die Lehrer niht oft wechseln darf, und darum hat die Verwaltung fi bei Beurteilung der bevorstehenden Besoldungsaufbefserung auf denselben Standpunkt stellen können, den der Herr Vorredner einge- nommen hat. (Sehr gut!) Die Dienstanweisung für die Rektoren, nach der der legte Herr Redner fragte, ist in Arbeit und wird in nächster Zeit erscheinen.

Bezüglih der Lehrmethode ist, wie ich mir vorher zu bes merken erlaubte, eine Anweisung ergangen, die den Anforderungen Rechnung trägt, denen Herr Rzesnigek Ausdruck gab, und tunlichste Bewegungsfreiheit den Lehrern gewährt mit Hinweisen, die dafür sorgen, daß die Kinder möglichst den örtlihen Verbältniffen angepaßt unterrihtet werden. Mit Recht wird immer betont, daß die Ver- hältnisse der Lehrer gehoben werden müfsen. Fast alle Schulfragen find \{ließlich Lehrerfragen, und demgemäß hängt von der Leistung der Lehrer s{ließlich auch die Leistung der gesamten Volksschule ab. Fn voller Uebereinstimmung mit dem Abg. Kesternih möchte ih be- tonen, daß die preußische Volks\{ullehrershaft bis dahin den Er- wartungen, die an sie von der Unterrichtsverwaltung gestellt sind, voll und ganz entsprohen hat (Bravo), und daß das, was unsere Volkt schule geleistet hat, das Verdienst unserer Volksschullehrer ift.

(Beifall.)

Abg. E ickhoff (fr. Volkep.): Es wird nicht leiht sein, einen einbeitlihen Lehrplan für die R aufzustellen; denn bei der verschiedenartigen Vorbildung, die die Fortbildungsshüler aufzuweisen haben, kommt es vor, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, daß die schwierigsten Augen gestellt werden. Fch glaube nicht, g auf dem Gebiete der Volks\hule uns Frank- reich überholt hat, aber die innere Organisation unserer Volksschule muß geprüft und der Lehrplan muß modernisiert werden. So hat man j. B. in Amerika mit dem Anschauungsunterriht die besten Erfahrungen gemaht. Es handelt ch bei der Hebung der Volks8- schule indirekt auch um bedeutende wirtshaftlihe und soziale Fragen, und deshalb muß jeder im Hause diesem Problem das größte Inter- esse zuwenden. L i

Abg. Ernst (fr. Vag.) weist auf die Ueberfüllung fehr vieler Klassen hin als größtes Hindernis, das Ziel der Volksschule erreichen zu können. Eine Verteilung des Lehrplans müßte in der Weise erfolgen, daß die ersten Schuljahre entlastet werden, später würde der Realienstoff besser bewältigt werden können. Dem An- trage auf Ueberweisung des Antrages Schiffer an eine Kommission (Eu ih der Redner an.

ba. D. Hadckenber g (nl.): Wir haben dur unseren Antrag nicht den leisesten Vorwurf gegen die Volksshule erheben wollen, wir wollen auch niht Zwietracht shüren zwishen Volksschule und Fort- bildungs\hule, aber die angestellte Enquete macht es uns pur E icht, nah deren Ergebnissen zu fragen und dana, ob ih dabei Mängel berausgestellt Láben, Die Frage ift so zu stellen: was haben wir von der Volksschule zu erwarten, On dann, wenn feine Klafssenüberfüllurg vorliegt und wenn keine der sonstigen Mißstände vorhanden sind? Entsprehen die „Allgemeiren Bestimmungen“ noch modernen An=-