Bekanntmachung,
betreffend die Verwaltung des Bergregals in der Grafschaft Falkenstein.
Von dem Königlichen Oberjägermeister N von der Affseburg-Falkenstein zu Meisdorf ist mit Genehmigung des Ministers für Handel und Gewerbe dem Königlihen Berg- revierbeamten, Bergrat Shmielau zu Eisleben die Ver- waltung des Bergregals in der Grafschaft Falkenstein, ins- besondere die Annahme, Präsentation und Jnstruktion der Mutungen, sowie die polizeilihe Aufsiht über den etwa auf- kommenden Bergbaubetrieb übertragen worden. Halle a. S, den 17. Februar 1908. Königliches Oberbergamt. Scharf.
Forstakademie Eberswalde. Vorlesungen im Sommerhalbjahr 1908.
Oberforstmeister, Professor Dr. Möller: Naturwissenschaftliche Grundlagen des Waldbaues. — Forstlihe Crkursionen. :
Professur ¿. Zt. unbeseßt: Forsteinrihtung mit praktischen Uebungen. — Forstbenußung. — Forstliche E j
Forstmeister Zeising: Einleitung in die orstwissenshaft. — Waldwertrechnung. — Forstliche E
Forstmeister Dr. Kienitz: Forstshuß. — JIagdkunde. — Forst- liche ‘Früuesiónen. — E L
Geheimer Regierungsrat, Forstmeister, Professor Dr. Schwaps- pach: Forstlihe Exkursionen. E
Oberförster Dr. Borgmann: Forstlihe Exkursionen.
Professor Dr. Schubert: Geodäsie. — Geodätische Prüfungs- aufnahmen. — Vermessungsübungen. — Physik. 3
Professor Dr. Schwarz: Systematishe Botanik. — Botanische Exkursionen.
rofessor Dr. Eckstein: Wirbellose Tiere. — Zoologische Exkursionen. 7 : : Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. Remelé: Allgemeine
Chemie. — Mineralogie und Geognosie. — Exkursionen.
Professor Dr. Albert: Bodenkunde. — Exkursionen.
Professor Dr. Di ckel: Strafrecht.
Oberförster Schilling: Nationalökonomie.
Das Sommerhalbjahr beginnt Freitag, den 10. April 1908, und endet Donnerstag, den 20. August 1908. A s
Anmeldungen sind ne bald unter Beifügung der Zeugnisse über Squlbildung, forstliche Lehrzeit, Führung, über den S R ersorder- lihen Mittel zum Unterhalt sowie unter Angabe des L ilitärverhält- nifses an die Fo1rstakademie Eberswalde zu richten.
Eberswalde, den 17. Februar 1908. j
Der Direktor der Forstakademie. Dr. Möller.
Nichtamtliches.
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 19. Februar.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten, „W. T. B.“ zufolge, heute vormittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Ministers der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten Dr. Holle, des Generalstabsarztes der Armee, Professors Dr. Schjerning und des Stellvertreters des Chefs des Zivilkabinetts, Geheimen Regierungsrats von Eisenhart-Rothe.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Frey a“ am 16. Februar in Algier eingetroffen und geht am 22. Fe- von dort nah Ferrol in See.
S. M. S. „Stein“ ist am 16. Februar in Malaga ein- getroffen und geht am 24. Februar von dort nah Vigo in See.
S. M. S. „Charlotte“ ist am 11. Februar in Horta auf Fayal (Azoren) eingetroffen und geht am 24. Februar von dort nach Antwerpen in See.
S. M. S. „Jltis“ ist vorgestern von Tsingtau nah Schanghai in See gegangen.
S. M. Flußkbt. „Vorwärts“ is vorgestern in Schasi (Yangtse) eingetroffen und geht heute von dort nah Chenglin (Yangtse) ab.
S. M. S. „Leipzig“ geht heute von Swatau nah Hong- Tong und von dort am 25. Februar nah Amoy in See.
Oesterreich-Ungarn.
Die Desterreihishe Delegation seßte gestern die Beratung des Heeresordinariums fort.
Wie das „W. T. B.“ berichtet, trat der Abg. Klofac für die Modernisierung und Demokratisierung der Armee sowie für eine ent- sprehende Berücksichtigung des Slaventums ein. Der Jungtscheche Herold drüdckte die Ueberzeugung aus, daß die Armee ein Abbild der zu einem gemeinsamen Staate unter demselben Szepter verbundenen Nationalitäten, ein wahres Volksheer sein müsse. Der Abg. Schu h- meier (Soz.) betonte, er sei vom Parteistandpunkte aus ein Gegner des Militarismus, vom per}önlihen für eine gemeinsame, einheitlihe
Armee.
— Der Neuneraus\chuß der Oesterreichishen Delegation hat die Anträge Latour-Schraff, betreffend die Erhöhung der Offiziergagen und der Mannschafts- löhnung, angenommen.
Im Laufe der Debatte versicherte der Reihsk riegsminister von neuem nachdrücklichf\t, daß bisher keine Verhandlungen mit Ungarn stattgefunden haben, und daß er auch nicht sagen könne, ob und wann folhe Verhandlungen ftattfinden würden sowie wann die Gagen- regulierung werde durchgeführt werden können.
— Im ungarischen Abgeordnetenhaus s{chlug der Ministerpräsident Dr. Wekerle gestern vor, das Haus möge wegen der Ermordung des Königs und Kronprinzen von Portugal sein Beileid aussprechen.
Der Abg. Ügron erklärte, er verabsheue wohl jeden Mord, aber auch diejenigen, welhe die Völker der Freiheit beraubten und die Parlamente auteinanderjagten, und beantragte, nur dem portu- giesishen Volke das Beileid auszusprehen. Der Minister Apponvyi erklärte, man sei niht berechtigt, fh in die
innerpolitischen Verbältniffe anderer Staaten einzumishen. Gebildete Nationen verurteilten ausnahmslos derartige politische Morde, auch Ungarn, wo noch niemals politische Königsmorde ih ereignet hätten, da das Volk nur die geseßlihen Mittel angewandt habe, müsse daher sein Beileid aussprechen.
Die Majorität nahm den Antrag Wekerle an.
s
Frankreich.
Jn dem gestern abgehaltenen Ministerrat teilte der inanzminister Caillaux mit, daß er wegen der Aufhebung er direkten Steuern und deren Ersaß durch eine allgemeine
Einkommensteuer sowie eine Zusaßsteuer auf das Einkommen des Familienoberhauptes die Vertrauensfrage stellen werde. Der Kriegsminister Picquart gab bekannt, daß er den von der Kommission festgeseßten Wortlaut des Beschlusses in bezug u Wiedereinstelung Reinahs in die Land- wehr oder Reserve auch noch für alle in Frage kommenden Offiziere annehme, die innerhalb eines Monats nah der öffentlihen Bekanntmachung der Verfügung die Wiederein- stellung nahsuchen sollten.
— Jm S en spras estern in der fortgeseßten Debatte über die Verkehrskrise der Minister der öffentlihen Ar- beiten Barthou von den neuerlihen Bemühungen um die Verbesserung der französishen Wasserwege.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Minister das Projekt eines Seitenkanals der Rhone, das 500 Millionen kosten werde, für das am weitesten vorgeschrittene. Ferner erinnerte er daran, daß er nächsten Oktober eine internationale Konferenz nah Paris zu berufen beabsichtige, die sich mit der Abnußung der Straßen dur den Automobilismus beschäftigen werde. Schließlich! werde die Negterung die beständige Verbesserung der französishen Häfen nicht aus den Augen verlieren und sih bemühen, die Mißstände im Eisens bahnbetrieb zu beseitigen.
Darauf nahm der Senat eine Tagesordnung an, in der die Negierungser gen O werden. Alsdann brachte der Senator Gaudin de Vilaine (Rechte) eine Jnterpellation über die Lage des französishen Expeditionskorps in Marokko ein.
Der Interpellant untersuhte die Beseßung von Casablanca, die Periode der Defensive unter dem General Drude und die der Offensive unter dem General d’Amade und bemängelte diese drei Punkte des französishen Vorgehens, die den Marokkanern von der französischen Macht eine falshe Vorstellung gäben. Sodann beklagte ih der Redner über den Gesundheitszustand der französishen Besaßzungs- truppen und fragte, ob tatsählich die Artillerie Mulay Hafids von Deutschen bedient werde. Gaudin kritisierte ferner, daß seit einiger Zeit eine Heeresabteilung nah der andern abgesandt werde, erklärte, daß er die Absichten der Regierung nicht begreife, und empfahl die Absendung eines Beobachtungskorps von 10000 Mann an die algerishe Grenze. Wenn die Zurückziehung der französischen Truppen aus Casablanca vorbereitet würde, so könnte das Beobachtungskorps an der algerishen Grenze leiht seine Wirksamkeit auf die Punkte
ausdehnen, wo dies erforderlich sin werde. Der Medner beantragte eine Tagesordnung, welche die Regierung auf- fordert, ohne Abweihung von der Algecira3akte, ohne Er-
oberungésuht und ohne Annexionsgelüste die französische Pazifizierungs- aktion in Marokko dahin zu lenken, daß ihre Basis an die algerishe Grenze verlegt werde. Destournelles de Constans führte aus, daß nicht Frankreih die marokkanische Frage geschaffen, sondern sie geerbt habe, Frankreih sei der Legatar einer früheren Politik und auch der Mandatar Europas. Aus dieser zweideutigen Situation fönnte es nur unter der Bedingung befreit werden, daß es Verzicht leiste. Das aber könne es niht tun. Habe Frankreih {hon einmal in Panama Bankerott gemacht, so dürfe es keinen zweiten in Marokko er- leben. Eroberungspolitik dürfe es nicht treiben; es habe ein genügend ausgedehntes Kolonialreich und müsse sih darauf beshränken, das Werk der Ordnung und des Friedens zu verwirklihen. Niemand werde daran etwas zu tadeln finden. Das gegenwärtige Kabinett sei au fähig, dieses Werk zur Ausführung zu bringen. Daß Clemenceau immer ein Fei der Kolonialkriege gewesen sei, wäre {hon eine Bürgschaft dafür. Pichon wieder beweise, daß er die heikelsten diplomatishen Probleme zu lôsen verstehe. Ein folhes Ministerium könne sich auch der Aufgabe unterziehen, die das marokkanische Unternehmen biete. Der Redner schilderte dann im einzelnen die materiellen Mittel, über die Frankreich verfüge, ins- besondere vom militärishen Standpunkt aus, und {loß: „Unsere Politik muß das Kennzeichen iragen: Weder Nückzug noch Eroberung. Dann werden wir infolge unserer freien Wahl unsere Politik des guten Glaubens krönen, die nah fo langer Isolierung uns. jene Bünds- nisse und Freundschaften verschaffte, die unsere Stärke bilden.“
Hierauf wurde die Sißung geschlossen.
— Jn der Deputiertenkammer intecpellierte der Ab- geordnete Jaurès gestern den Minister des Aeußern Pichon Uber die Vorsihtsmaßregeln, die von der Marokkanischen Staatsbank ergriffen worden seien, um den Vorshuß von 21/2 Millionen Francs ausschließlich dem Zweck des Unterhalts der Polizei in den Häfen zuzuführen, ferner über die Mitteilung Mulay Hafids an das diplomatishe Korps und die Vorschläge, die von Mulay Hafid durch Vermittlung des Journalisten Houel gemacht worden seien. Der Minister Pichon erklärte sh bereit, die Anfrage zu beantworten, wenn er sichere Auskünfte erhalten haben werde. Darauf seßte die Kammer die Beratung der Einkommensteuervorlage fort.
Rußland.
In der Reichsduma brachte gestern, „W. T. B." zufolge, die Gruppe der Abgeordneten der Rechten eine Jnter- pellation ein: i ]
1) ob es dem Ministerium des Innern bekannt sei, daß, obglei von den Anschlägen, die in leßter Zeit gegen die Ordnung und die Sicherheit des Staates statigefunden hätten, viele in Finnland vor- bereitet worden wären, und obschon Leute, die folcher ver- brecherishen Anschläge s{huldig seien, ih in Finnland verborgen hielten, von dem finnländishen Generalgouverneur und der Obrigkeit keinerlei Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Staatsordnung getroffen seien, und
2) ob der Minister des Innern Schritte unternommen habe, um den finnländishen Generalgouverneur und tie Obrigkeit Finnlands zu zwingen, derartigen Anschlägen in Finnland ein Ende zu machen.
Ftalien.
In der gestrigen Sizung der Deputiertenkammer er- klärte der Ünterstaatssetcetär im Ministerium des Aeußern Pompili auf eine Anfrage, daß über die Fragen, welche den Balkan und Marokko betreffen, zwei Grünbücher in Vorbereitung seien, die dem Parlament sobald wie möglich vorgelegt werden würden. Jm weiteren Verlaufe der Sitzung wurde in die Beratung einer von 22 Abgeordneten der Aferlien Linken unterstüßten Jnterpellation Bissolati ein- getreten, welhe die Regierung auffordert, den Laien- harakter der Volksschule zu sichern und die Erteilung von Religionsunterricht darin zu verbieten.
Nach Begründung der Interpellation durch Bifsolati gab der Abg. Cameroni (Katholik), ,W. T. B.* zufolge, dem Vertrauen Ausdruck, daß die Kammer den religiösen Unterriht aufrecht erhalten werde. Endlich sprah Comandini (Aeußerste Linke) zu Gunsten der Verweltlihung der Schule.
Darauf wurde die Fortsezung der Beratung auf heute verschoben.
Spanien, i äusern des Parlaments wurde gestern Aufhebung der konstitutionellen arcelona verhandelt, die Ende Dezember
Jn beiden H über die zeitwei A Garantien in
Die Fe der Minderheit unterzogen diese Maßregel der
infolge von Bombenanshlägen verfügt worden war.
Regierung einer lebhaften Kritik und führten aus, auch durhch die Tatsache, daß vorgestern wieder zwei Bomben in Barcelona explodiert seien, werde erwiesen, daß die Maßregel unwirksam sei. Die Redner erklärten die Maßregel für willkürlich und Pera gang und verlangten, daß sie zurückgenommen werde.
Wie das „,W. T. B.* berichtet, vertrat im Senat der Demokrat Calbeton die Ansicht, daß die lezten Bombenanschläge niht von Anarchisien ausgeführt worden seten. Die Regierung müsse eine andere Spur verfolgen. Au müsse der Vorrourf erhoben werden, daß die Bes börden in Barcelona ungeschickt seien und M die Polizei niht genüge. Der Minister des Aeußern erwiderte, \chon die Macht der Tat- sahen zwinge die Regierung, die äußerften Maßregeln zu tiefen. Es sei niht O die Anschläge ganz zu verhindern, aber dank den ge- troffenen Ueberwachungêmaßregeln würden die Bomben niht mehr in verkebrsreihen Straßen, sondern in L Gassen niedergelegt.
In der Deputiertenkammer erhob die Minderheit, als der Minister des Innern die Maßregel der Aufhebung der konstitutionellen Garantien in Barcelona verteidigte, lärmenden Widerspru. Der Minister nahm die Behörden gegen die Beschuldigungen in Schutz, die gegen sie erhoben wurden, äußerte sich lobend über die von den Behörden geleisteten Dienste und versprach, daß die Regierung alles tun werde, um in Barcelona wieder normale Zustände zu z ffen. Augenblicklich aber dürfe die Tätigkeit der Gerihtsbehörden niht durch eine parlamentarische Untersuhung, wie sie von mehreren Mitgliedern der Minderheit gefordert werde, gehemmt werden.
Asien.
Ein Edikt des Kaisers von China ordnet, wie das „W. T. B,“ meldet, die Reorganisation der Truppen im E an und ermächtigt das Finanzministerium, für diese
rmee zur Verteidigung des Yangtse Geld aufzubringen.
Afrika.
Der Admiral Philibert meldet, „W. T. B.“ zufolge, daß eine starke, von drei zwishen Mogador und Casablanca ansässigen Stämmen gebildete Mahalla zwishen Settat und dem Meere vorrücke und vorgestern fünfzig Kilometer süd- westlih Casablanca gelagert habe. Der General d’'Amade hat Settat verlassen, nahdem sih ihm größere Teile der Mzab und Uled Said unterworfen haben.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sizungen des Reichstags und des S der Abgeordneten befinden sih in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Jn der heutigen 105. Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieber- ding beiwohnte, wurde die d ape Q des Etats der Neichsjustizverwaltung Pr und die allgemeine Debatte beim Titel „Staats}jekretär“ wieder aufgenommen. Zu diesem Titel lagen gestern 11 Resolutionen vor; diese Zahl E sih heute auf 15, da noch 3 Anträge hin- zugekommen find und ein ursprünglih zum Etat des Reichs- amts des Jnnern gestellter Zentrumsantrag ebenfalls beim Etat der O A mit verhandelt werden soll. Die vorgelegten Resolutionen sind folgende :
1) Brunstermann (Rp.) um bald tunlihste Vorlegung einer Novelle zur Gebührenordnung von 1878 behufs angemessener Er- höhung der für Zeugen und Sachverständige festgesetzten Gebührensäte und Neiseentschädigungen;
2) Graf Hompescch (Zentr.): Den Herrn Reichékanzler zu er- suchen, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen den Untersuungsgefangenen allgemein fowie den zu Gefängnisstrafen verurteilten Personen, wenn ihre Handlung rach der im Urteil zu treffenden Bestimmung nicht eine ehrlose Gesinnung bekundet hat, gestattet wird, während der Dauer der Untersuhungshaft oder Gefängniéstrafe \ich selbst zu beköstigen und in einer ihrem Beruf und Bildungsgrad angemessenen Weise sih zu beschäftigen;
3) Bafsermann (nl.): Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage einen Geseßentwurf, betreffend Strafreht, Straf- verfahren und Strafoollzug hinsihtlich der von jugendlichen Personen begangenen Straftaten, vorzulegen;
4) Dr. Heinze (ul.): Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage im Anschluß an den zu erwartenden Entwurf einer Strafprozeßordnung den Entwurf eines Geseßes vorzulegen, durh den der Strafvollzug einheitlich für das Deutshe Reich geregelt wird;
5) von Liebert (NRp.): Die verbündeten Regierungen zu ersuhen, durch ein besonderes Reichsgeseß eine Ergänzung des Straf- geseßbuchs dahin zu bewirken, daß den nah ihrer körperlichen und geistigen Beschaffenheit zum ÜberseeishenStrafvollzuge geeigneten, innerhalb bestimmter Altersgrenzen stehenden Verurteilten auf Ansuchen durch die Strafvollzugsbehörde gestattet werden könne, die auferlegte längere Freiheitsftrafe in einer deutschen Strafkolonie (Südsee-Insel) zu verbüßen ;
6) Albrecht (Soz.): Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Meichstage einen Geseßentwurf vorzulegen, dur den die an der Herstellung von Zeitungen beteiligten Personen das Recht er- halten, ibr Zeugnis über Tatsachen zu verweigern, die ihnen in threr Eigenschaft anvertraut oder bekannt gzworden sind;
7) Albrecht (Soz.): Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Neichstage einen Gesezentwurf vorzulegen, durch den das neuer- dings in Frage gestellte Recht der Reichstagsabgeordneten, in Ansehung defsen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut ist, das Zeugnis zu verweigern, ausdrücklich festgestellt und ein gleiches Recht für Mitglieder eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staats und für Mitglieder eines kommunalen Vertretungskörpers begründet wirt, auch die Beshlagnahme von Gegenständen, die eine dieser Personen in dieser Eigenschaft erhalten hat, und von Aufzeihnungen, die sie in dieser Eigenschaft gemacht hat, untersagt wird;
8) Alb recht (Soz.): Den Reichskanzler zu ersuhen, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, wona die gege de gleih- mäßige Heranziehung aller Bevölkerungsklafsen zum Dienst als Ge- \{chworene und Schöffen durch Gewährung von Reise- kosten und Tagegeldern aus den Mitteln der Bundesstaaten er- mögliht wird; ; L
9) Ablaß (linksliberale Fraktionsgemeinshaft): Den Herrn Neichskanzler zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, paß die gleich- mäßige Zuziehung aller Stände zum Geshworenen- und Schöffendienst in den einzelnen Bundesftaaten dur Zahlung von Tagegeldern aus Landesmitteln an die Schöffen und Geschworenen erleihtert wird;
10) Fun ck (nl.): Die verbündeten Regierungen zu ersuchen,
eseylihe Bestimmungen vorzushlagen, durch welhe das Recht der A bei tbtacifverttäge geregelt wird;
11) Graf H ompesch (Zentr.): Die verbündeten Regierungen um alebaldige Vorlegung eines Gesezentwurfs zu ersuhen, welcher die Sicherung und weitere Ausgestaltung der Tarifgemeinschaften zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezweckt ;
12) Albrecht (Soz.): Die verbündeten Regierungen zu er- suchen, dem Reichstage baldigst den Entwurf eines Gesehes vorzu- legen, durch welches nach Art und in Anlehnung an die Gewerbegerihte
und Kaufmannsgerichte Gerichte zur Gntisheidung von Streitig- keiten aus dem Arbeitsverhältnis zwishen Bureaugehilfen n deren Arbeitgebern, zwishen ländlihen Arbeitern und deren Arbeitgebern sowie aus dem Gesindeverhältnis eingerihtet werden ; 19) Ablaß: Den Reichskanzler zu ersuhen, dem Reichstage einen elepentons vorzulegen, der in die deutsche Strafprozeß- ordnung folgende Bestimmungen aufnimmt : a. in § 52: 1) in Absaß 1: ,„4) Mitglieder des Reichstags, eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche ge- hörigen Staats in Ansehung desjenigen, was ihnen in dieser ihrer Eigenschaft anvertraut fte: 2) in Absah 2 hinter Nr. 2, 3: „und 4°. b. als § 11la: „Gerichtliße und lige Untersuchungs- handlungen find in den Dienstgebäuden des Reichstags, eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staats mit Genehmigung der betreffenden örpershaft oder, wein diese nicht versammelt oder Gefahr im Verzuge ist, nur mit Genehmigung ihres Präsidenten zuläsfig. Bei der Vornahme derartiger Hand- [lungen ist derjenige Beamte der in Betraht kommenden Aae, dem die Beaufsichtigung dieser Räume zusteht, zuzuziehen“ ; 14) Ablaß: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß die Härten beseitigt werden, die aus der jeßigen Fassung der Geburtsurkunden voreheliher, durch nachfolgende Ehe legi- timierter Personen herrühren; 15) Ablaß: Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine Gesezeëvorlage, betreffend Aenderung des Gesezes vom 9. April 1900 einzubringen, durch welche das Nechtsgut der elektrischen Energie vittsaier als bisher ge\chÜüßt wird.
Alle diese Resolutionen stehen bei dem Ausgabetitel „Gehalt des Staatssekretärs“ mit zur Debatte.
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten sehte in der heutigen (34.) Sigzung die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unterrihts- und Medizinalange- legenheiten und zwar die gestern abgebrohene allgemeine SeipreWais des Elementarunterrihtswesens fort.
Abg. von Branden stein (kons.): Der Lehrermangel kann zum Teil durch die Anstellung von Lehrerinnen gemildert werden. Zwar sagt man, bei Lehrerinnen müsse die Stundenzahl herabgeseßt werden, und es sei eine frühere Pensionierung erforderlih, deshalb seien die Gemeinden weniger geneigt, Lehrerinnen anzustellen, und man dürfe niht in die Lebensgewohnheiten des Volkes eingreifen, be- sonders nicht bei den einklafsigen Schulen. Die Lehrerinnenfrage ist am 1. März 1901 in diesem Hause bei der Interpellation der Abgg. Kopsh und Ernst über den Lehrermangel eingehend behandelt worden. Der Abg. Köpsh führte damals aus, daß man siG bisher mit der Einrichtung von Vertretungen, mit der Zusammenlegung yon Schulklassen und mit der Anstellung von Lehrerinnen beholfen habe, meinte aber, daß man mit der Anstellung von Lehrerinnen hon bis an die äußerste Grenze, vielleiht {on darüber hinaus gegangen fei, denn in Berlin kämen auf 100 Lehrkräfte {on 37 Lehrerinnen. Seitdem ist aber Berlin noch weiter gegangen, es hat jeßt 1969 weibliße und 3271 männliche Leh1kräfte. Herr Kopsh führte damals ferner an, daß in Münster i. W. 50 Lehrer und 51 Lehrerinnen vorhanden seien, und glaubte, daß infolge dieses Aushilfs- mittels schon Rückschritte im Schulwesen zu bemerken seien. Diese Anschauung, die der meinigen entgegensteht, fand damals im Hause keinen Anklang, und selbst der Abg. Ernst hielt Lehrerinnen in den Mädwhen\chulen für absolut notwendig. Der Vertreter des Zentrums ver- langte damals sogar die Ecrihtung von Lehrerinnerseminaren, wünschte also, h noch mehr Lehrerinnen als bisher angestellt werden sollen. Meine Partei erklärte damals gleihsfalls, daß fie die weitere Herans- ziehung von weibliGen Lehrkräften besonders an mehrklassigen Schulen auf dem Lande für durhaus angebracht halte, daß dies aber rur ausführbar sei, wenn der erste Lehrer verheiratet sei. Seitens der Regierung ist einiges geschehen, um den Mädchen einen größeren Anteil am Volkss{hulwefen einzuräumen, aber leider außer- ordentlich wenig. Wir haben in Preußen 101 000 Lehrkräfte an den Volksschulen, und zwar 84 000 Lehrer und 17 000 Lehrerinnen. Ich gehe noch weiter als der Abg. Ernst und meine, daß nicht nur alle Mädchen, sondern auch die kleineren Knaben von Lehrerinnen unter- rihtet werden können. Wohlhabende Leute nehmen ja zunäthst auch niht Lehrer, sondern Erzieherinnen für ihre Kinder an, die zur Zu- friedenheit der Eltern sogar die Knaben bis zu den höheren Klafsen der Gymnasien vorbereiten. In den Vereinigten Staaten von Amerika, die man doch weder als rückständig, noch als im Untergang befindli ansehen wird, ist der Volks\{hullehrer eine unbekannte Erschei- nung. Seltsam i, daß bei uns auf 22 000 katbolische Volks- {ullehrer 7170 fkatholishe Lehrerinnen entfallen, auf 52 000 evan- gelishe dagegen nur 6500 evangelische Lehrerinnen; zieht man nur die Landschulen heran, so kommen auf 15 000 katholische Landschul- lehrer 3633 Lehrerinnen, aber auf 32000 evangelishe Landschullehrer nur 1093 Lehrerinnen. Das kann doch nicht mit der Religion ¡usammenhängen, kann auch nicht bedeuten, daß die katholischen Schulen etwa im Sinne des Abg. Kopsh minderwertig sind; ih sehe niht ein, warum die evangelishen Lehrerinnen nit ebenso kräftig, tüchtig und ausdauernd sein sollen wie katholische. Hoffentlich wird die Regierung untersuchen und sih darüber außern, wie diese auffällige Verschiedenheit in dem Verhältnis zu erklären ist, Es ift doh auch keine Frage, daß die Mädchen, die sich dem Lehrerberufe widmen, in einer solchen angesehenen, anständigen Lebens- stellung mehr innere Befriedigung finden müssen als beim Stehen hinter dem Ladentisch oder beim Sißen an der Schreibmaschine. Wenn die Zahl der Meldungen hinter den Erwartungen zurübleibt, so liegt das vielleicht an dem Mangel an Lehrerinnenseminaren. Wir haben 170 staatliche Seminare, davon für evangelische Lehrerinnen nur 7, für katholishe 9. Der neue Etat sieht 12 neue Seminare bor, aber darunter kein einziges für Lehrerinnen. Wir wollen die bestimmte Hoffnung aussprechen, daß im nächsten Etat unser Wunsch berüdsichtigt wird. Nun gibt es ja auch private Vorbildungs- anstalten für Lehrerinnen, aber diese haben zum großen Teil nit die Berechtigung, ihre Zöglinge erbst einer Entlafsungsprüfung zu unter- werfen, die Mitglieder müfsen ih erst einer besonderen Prüfungs- kommission stellen, müssen also viel Ueberflüssiges lernen, was sie später garniht gebrauchen können; au ift diese Art der Vorbildun für die Mädchen mit großen Kosten verbunden. Alles das würde be einer genügenden Zahl von Lehrerinnenseminaren wegfallen. Auch die Stellung und die Gehälter der Lehrerinnen entsprehen nicht überall den berechtigten Anforderungen. Ich halte es nicht für rihtig, daß die Lehrerinnen den Lehrern vollkommen glei \tehen; aver wenn es richtig ist, was uns in Petitionen vorgeführt wird, daß das Grundgehalt der Lehrerinnen nur 40 9% desjenigen der Lehrer hiradk, wenn auch bezüglich des Marimalgehalts auffallende Unter- ¡giede Play greifen, so ist das kein angemefsenes Verhältnis. Es Pebe noch das Bedenken der Regierung, daß man in festgewurzelte olks, und Gemeindeanshauungen niht störend eingreifen soll. un nennt der eine eine liebgewordene Gewohnheit, die konservtert geren müsse, was der andere als veraltetes Vorurteil ansieht. Fedenfalls kann die Abneigung der Gemeinden gegen die Anstellung von hrerinnen hier nit auss{chlaggebend sein. Die Lehrerinnen können fi n mancher Beziehung eines Vorzugs vor den Lehrern rühmen: fie nnen weibliche Handarbeit lehren und sich auch sonst nüßlich machèn. ndererseits haben auch die Lehrer Mängel, und aus dem Unterricht Ua er Lehrer in den Mädchenklassen sind oft {on recht erhebliche evelstände erwahsen. Es mag ja sein, daß gewisse alte Gemeinde- jeaukraten auf dem gänzli rückständigen Standpunkt in dem Ideen- ei se des Abg. Kopsh verharren; an die Beurteilung der Frage if} ane anderer Maßstab. zu legen, wenn wir verlangen, daß in Stadt sollen d mehr Lehrerinnen in den Volks\{ulen angestellt werden
Ministerialdirektor D. SYwarßkopff: Der Herr Minister hat mich beauftragt, ihn bei dem hohen Hause zu entshuldigen; er ist zu einem Vortrag bei Seiner Majestät dem König befohlen, hofft aber, nah kurzer Frist anwesend sein zu können. n der Frage der Be- häftigung von Lehrerinnen bestehen nah meiner Wahrnehmung ab- weichende Auffassungen zwischen den Parteien und der Regierung eigent- lih niht. Die Regierung steht der Beschäftigung von Lehrêrinnen durchaus freundlich Fegenüber. Die Lehrerinnen tun in vollem Maße ihre Schuldigkeit, sind außerordentlich fleißig und leisten in der Erziehung namentli kleinerer Kinder Vorzüglihes. Anderer- seits brauhen wir für die einklassige und auch bei den meisten zweiklassigen Schulen mehr Herren, weil es sich da um die Erziehung der iehen Jurgen handelt. Im übrigen ist die Entwicklung nicht so {lecht gewesen, wie Herr von Brandenstein annimmt. Die Re- gerung hat im Gegenteil den Eindruck, daß in den leßten Jahren die
ründung von Lehrerinnenftellen auffallend stark zugenommen hat. In den Jahren von 1902 bis 1906 sind 3361 Lehrerinnenstellen und nur 8123 Lehrerstellen geschaffen worden, im Verhältnis also beinahe 90 9/0. Im Jahre 1891 gab es 63000 Lehrerstellen und 8400Lehrerinnen- stellen; 1906 sind dieselben Zahlen 84 000 und 17 000, es haben \stch also die Lehrerstellen um 38, die Lehrerinnenstellen aber um 108 °%/ vermehrt, die Bewegung ist also ganz von selb {on in einem weiten Umfang nach der Richtung, die Herr von Brandenstein empfiehlt, eingetreten. Auch ist seitens des Staats für die Ausbildung der Lehrerinnen in der legten Zeit viel mehr als früher geschehen. Von 1902 bis 1907 i} die Zahl der Lehrerinnenseminare von 10 auf 18 gewachsen, hat fi also fast verdoppelt. Wenn Ds von Branden- stein in dem jeßigen Etat neue Seminare für Lehrerinnen vermißt, so darf ih hervorheben, daß troßdem auch nach dem neuen Etat eine Vermehrung der Lehrerinnenbildungsstellen stattfindet. Auch die Zahl der städtishen Lehrerinnenseminare zeigt eine steigende Tendenz, sodaß man nicht sagen kann, daß für die Lehrerinnen- ausbildung niht genügend gesorgt set. Bei Gelegenheit der Mädchen- s{ulreform und der Reform der Lehrerinnenprüfung werden wir die Frage eingehender behandeln können; ebenso wird die Beratung des Lehrer- / besoldung8geseßes die Gelegenheit bieten, die Lehrerinnengehälter von neuem mit Zustimmung des Hauses zu regeln, sodaß auch diese Frage zu einer gedeihlichen Lösung wird gebracht werden können. Allgemein möchte ich noch hervorheben, daß, wie im ganzen Leben der Volkss{ule überhaupt, auch auf dem Gebiete der Beschäftigung von Lehrerinnen die Anshauung des Volkes von Bedeutung ist; die Schule entspriht den gesamten Verhältnissen der Zeit in sozialer und wirtshaftlicher Beziehung, und jede Zeit prägt ih selbst die Volksschule, die sie haben muß. enn die Bevölkerung im Laufe der Zeit von selbst mit dem Wunsche hervortritt, Lehrerinnen zu haben, dann werden auch den Lehrerinnen Stellen eingerihtet werden; denn das Material dafür ist reihlich vorhanden. Wenn im Westen an den katholischen Schulen mehr Lehrerinnen angestellt sind, so beruht das darauf, daß die Bevölkerung in weiterem Maße Lehre- rinnen zu haben wünscht, sodaß bei der Neugründung von Schulen dort die immerhin billigeren Lehrerinnenstellen vor den teureren Lehrerstellen bevorzugt werden. Jm Osten dagegen mit seinen vielen einklassigen Landschulen ist natürlich die Beschäftigung der Lehrer in weiterem Umfange gegeben als die der Lebrerinnen. Die Negterung steht der Beschäftigung der Lehrerinnen durhaus freundlih und wohlwollend gegenüber, und in keiner Weise ist von der Regie- rung etwas geschehen, um den Frauen das Ergreifen des Lehrerinnen- berufs irgendwie zu erschweren.
(Schluß des Blattes.)
Nr. 7 der „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Ge- sundheitsamts“ vom 12. Februar hat folgenden Inhalt: Personalnachrihten. — Gesundheitsftand und Gang der Volkskrank- heiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen Pest und Cholera. — Desgl. gegen Pest. — Desgl. gegen Cholera. — E gegen Gelbfieber. — Gesetzgebung usw. (Deutshes Reich.) Arzneimittel. — Krankenpflege- personen. — Leichen. — (Preußen.) Arzneimittel. — (Bay:rn.) Viehseuchenübereinkommen. — (Sahsen.) Turnkleidung. — (Baden.) UVebertragbare Krankheiten. — (Schaumburg-Lippe.) Rotlauf. — Schweinekrankheiten. — Ansteckende Krankheiten. — (Schweiz. Kant. Freiburg.) Hebammen. — Hebammengebühren. — (Straits Settlements.) Heilkunde. — Gesundheits\{chädliche Drogen. — Tierseuhen im Deutschen Reiche, 31. Januar. — Desgl. im Auslande. — Desgl. in Bosnien und der Herzegowina, 3. Vierteljahr 1907. — Maul- und Klauenseuche in der Schweiz. — Zeitweilige Maßregeln gegen Tierseuhen. (Preuß. Reg.-Bezirke Danzig, Breslau, Aachen; Bayer. Reg.-Bezirke Ober- pfalz, Oberfranken, Unterfranken; Baden; Oesterrei, Tirol und Vorarlberg; Schweiz; Belgien; Aegypten.) — Vermischtes. (Shweiz.) Ansteckende Krankheiten, 1907. — (Vereinigte Staaten von Amerika. Minneapolis.) Gesundheitsverbältnisse, 1906. — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Aus- landes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutsher Großstädte. S B Le M ba N — Witterung. —
esondere Beilage: orläufige Ergebnisse der Schlahtvieß- und Fleischbeschau im Deutschen Reiche, 1906. A
Statiftik und Volkswirtschaft.
Prafktishe Handwerkssörderung durh eine Handwerker- Zentralgenossenschaft in Hessen.
Die Darmstädter Handwerkskammer hat mit der Begründ der hessischen Handwerker-Zentralgenossenshaft 1904 eine EinriGtung geschaffen, die ohne jeglihes Vorbild eine Tätigkeit entwickelt hat, die anspornend auf weite Kreise wirken dürfte. Für den einzelnen Padwener ist die Beschaffung von Werkzeug- und Hilfsmaschinen, von ohstoffen und Materialien naturgemäß oft mit großen Schwierig- keiten verbunden. Für den hessishen Handwerkerstand können diese A als beseitigt betrachtet werden, sofern der Hand- werk3meister vertrauensvoll der Genossenschaft beitritt. Die Zentral- genolfeniGul bezweckt nämli, dem einzelnen nach Möglichkeit alle Vorteile des Großkapitals zuzuwenden, und hat als Aktiengesellschaft mittels Anteilscheinen, die zu 49/6 verzinst werden, ein Betriebskapital aufgebracht, das ih zur Zeit auf 220000 4 beläuft. Ihre ge\häft- lien Aufgaben bestehen darin, dea Meistern alle Maschinen, Motoren und Werkzeuge in bester Qualität und zu den billigsten Preisen gegen Ratenzahlungen zu beschaffen. Zur Beurteilung für den Einkauf von Maschinen usw. stehen der Genossenschaft Männer der praktishen Erfahrung und der Wissenschaft zur Verfügung, und die hessishe Staatsregierung hat der Genossenshaft im Landes- museum zweckentsprehende große Ausftellungsräume M eNajlen, die es ermöglichen, Kollektionen von Werkzeugmaschinen aufzustellen und im Betriebe vorzuführen. Schon aus dieser Art der Leitung der Zentral- enofsenshaft ist ersihtliG, daß leßtere, abweiißend von vielen onstigen Einkaufsgenossenschaften, nicht von Erwerbsinteressen beein- flußt wird. Aber die Leitung will auch direkt erzieherish auf die Hand- werksmeister einwirken, indem sie sich nit nur für unentgeltliche Rat- erteilung in allen Handwerksangelegenheiten zur Verfügung stellt, sondern eine ihrer wit gsten Aufgaben darin erblickt, unter gewissen Ver- hältnissen und Umständen auch den Handwerker vom Ankauf von Maschinen zurückzuhalten. Wo auf Grund ihrer durch Mithilfe der Handwerkskammer bestätigten Erfahrungen die Leitung. der Ge- nossenschaft zur Ueberzeugung kommt, daß die Beschaffung der Ma- schinen dem Käufer keinen Nutzen bringt, seßt sie ohne Rücksiht auf ibren Vorteil alles ein, um den Reflektanten vom Kaufe abzuhalten. Denn Förderung des Handwerks ist die Aufgabe des Instituts, und
darum gilt es, ungesunden Verhältnissen vorzubeugen, die zu Preis- \{chleuderet, Schädigung und Ruin führen. y E
Auch in der Form des Zusammenarbeitens bietet die be Handwerker-Zentra enofseasSit eine eigenartige Organisation. V d wünscht es erscheint, das persönliche Interesse der Meister für bie Zwecke der Genoffenschaft zu gewinnen und möglihft viele Genofsen oder viel- mehr Aktionäre heranzuziehen, was durch Ratenzahlungen und Ver- zinsung des zu erwerbenden Anteils von 200 4 erleichtert wird, so kann doch au unter gegebenen Verkbltnissen ein bequemer Nücktritt von den ge- nofsenshaftlichen Verpflichtungen stattfinden, da auf Grund besonderer Genehmigung durch den Bundesrat eine Weiterveräußerung des Anteils ohne irgend welhe Formalitäten stattfinden darf. Nur bebält hd die Genossenschaft Aenebungung des Anteilsverkaufs durch den ufsihtsrat vor, damit nicht etwa feindlihe Elemente in sie eindringen.
“ Veber das arie Geschäftsergebnis der hessishen Handwerker- P Tatgenolem ga ür die Zeit vom Juli 1904 bis Januar 1908 ringt das „Gewerbeblatt für das Großherzogtum Hessen“ (Nr. 6 vom 7. Februar 1908) die folgenden Angaben. Es wurden geliefert : A. Elektromotoren 107 Stück, Gas-, Benzin-, Sauggas- und Diesel- motoren 25, Lokomobilen und Dampfsparmotoren 10, insgesamt 142 Motoren mit einer Kraftleiftung von 700 Pferdekräften ; B. Werk- zeugmashinen, und zwar für Holzbearbeitung 313 Stück, fü Metallbearbeitung 87, für sonstige Gewerbe 58, ingesamt 458 Stück; C. ‘Werkzeuge, Apparate, Wellen, Lager, Kupplungen, Riemenscheiben, Riemen, Benzin, Montagen und Installationex in großer Zahl und im Werte von etwa 40000 A Der jährliße Umsaß stieg von 41 831,69 Æ im 1. Jahre auf 150 551,29 A im leßten (4.) Jahre. Der Gesamtumsay beträgt bis jeyt 440 84404 4 Die Lieferungen erfolgten an 105 Schreiner, 40 Wagner, 28 Glaser, 17 Zimmers leute, 14 Dreher, 3 Sägewerke, 1 Holzbildhauer, 43 S{hlofser, 13 Shmiede, 12 Spengler, 9 Mechaniker sowie an 60 sonstige Handwerker, insgesamt an 345 Handwerker. “ An den Lieferungen wurden im e des Handwerks erspart: direkte Ea alie rund 45 000 #, Reserven 1905 und 1906 14300 , üdvergütungen 1905 und 1906 5000 4, zusammen 64300 G Die Rückvergütungen für 1907 stehen noch nit fest, es kann aber mit demselben Betrage wie im Jahre 1906 gerechnet werden. Der Durcschnitt8betrag der Einzellieferung belief fich auf rund 1300
Die hierauf erzielte Ersparnis betrug rund 166 4
Es ist offensihtlich, daß hier das Zusammenwirken von A! werksmeistern und Regierung einen siheren und kapitalkräftigen Boden für die praktishe Entwicklung des Handwerks gefunden hat.
Zur Arbeiterbewegung.
Eine vom „Verband der Schneider“ zum Montag einbe- rufene ôffentlihße Versammlung der Herrenmaßschneider Groß- Berlins, die außerordentlih zahlreih besucht war, beschäftigte fch, der „Vofs. Ztg.“ zufolge, mit der diesjährigen Frühjahrsbewegung in der Maßschneiderei Wie der Referent ausführte, habe bereits im Frühjahr 1907 die Absicht bestanden, für alle Geschäfte Groß - Berlins, wenn irgend mögli, eine tariflihe Reglung durchs zuführen. Dieses sei jedoch, auch zum Nachteil der tariflih ge- regelten Betriebe, durch die allgemeine Aussperrung verhindert worden. Von den etwa 600 in Frage kommenden Firmen find nur in 290 Be- trieben die Verhältnisse tariflich festgelegt. In der Friedrichstadt gebe es eine ganze Reihe Firmen, die gar nicht daran dâchten, Tarife abzuschließen. Es gelte jeßt, niht nur neue Tarife abzuschließen, sondern auch die bestehenden zu befestigen und zu erhalten. Ein Teil der Arbeitgeber sei aus îhrein Ver- bande ausgetreten, um den abgeshlossenen Tarif um fo leihter durchbrechen zu können. Gegen diese werde in geeigneter Weise vorgegangen werden. In allen Geschäften einheitlihe Tarife auf breiter Basis cinzuführen, solle der besondere Zweck der diesjährigen Frühjahrsbewegung sein. Diejenigen Firmen, die fih auf Tarifabshlüsse nicht einlassen wollten, müßten von_ den Arbeitnehmern gemieden werden. In den eten wo noch besonders viel zu regeln sei, solle in den nähsten 4 Wochen eine lebhafte Agitation in der Maßschneiderei entfaltet werden, um die noch widerstrebenden Firmen zum Abschlusse von Tarifverträgen zu veranlafsen; dieses sei au eine Forderung der Arbeitgeber. Im Bureau würden Fragebogen zum ‘Ausfüllen gegeben. In den Geschäften, in denen die Arbeiter einig find und dieses dem Bureau melden, folle fofort vorgegangen werden ; diesen würden Tarife zugestellt werden. Jn der Aussprache erklärten sih alle Redner unter Zustimmung der Versammelten mit den Aus- führungen des Referenten einverstanden.
Der Deutsche Arbeitgeberbund für das Baugewerbe hat am Montag und Dienstag in Hannover seine ordentliche Generalversammlung abgehalten. U. a. wurde, dem „Hann. Cour.“ zufolge, beschlossen, den in der außerordentlichen Generalversammlung im Oktober v. J. in Berlin festgeseßten Normalarbeitsvertrag unverändert am 1. April d. J. einzuführen. Als Ort für die nähste ordentlihe Generalversammlung wurde Caffel bestimmt.
Laut einer Mitteilung an die „Köln. Ztg.“ von seiten der Berg- werksverwaltung Karls h of, dem Grafen von Donnersmarck gehörig, Sämilibe Arb Ln Me L AOA e Lago f wieder beigelegt. Sämtliche Arbeiterinnen sind gestern wieder zur Arbeit erschienen. (Val. Nr. 42 d, Bl.) t E
Nach erfolgreihen Einigungsverhandlungen is, nach demselben Blatte, der Autftand der Glasmacher in Rauscha (vgl. Nr. 40 d. 2 beigelegt und die Arbeit vollständig wieder aufgenommen worden.
Aus Kiel wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß infolge der Ent- laffung eines Arbeiters gestern ungefähr 300 Arbeiter der e N AUmes f der Howaldtwerke die Arbeit niedergelegt aben.
Die Arbeiter der Glashütte in Oldenbur nd, wie die „Köln. Ztg." erfährt, in den Ausftand getreten. h
Da die Schiffsmechaniker im Nordosten Englands mit
einer Vierfünftelmehrheit die fünfprozentige Lohnherabseßzung ver- warfen, ist, wie der „Voss. Ztg.“ aus London telegraphiert wird, der Masfsenausstand am Ende dieser Woche unvermeidlich, obwohl 12 0C0 Mitglieder anderer Gewerkschaften die Lohnermäßigung an-- nahmen, da die Schiffsbaumeister die Arbeits\sperre verhängen werden. Dadurch werden mindestens 70 000 Mann in Mitleidenschaft gezogen. (Vgl. Nr. 40 d. Bl.) Aus Lüttich wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert: Nachdem in Nessonvaux wegen der Entlassung eines Mitglieds des Waffen- arbeiterverbandes des Vesdretales ein Ausstand ausgebrochen war, haben am Montag sechs Gewehrlaufwerkstätten in Nes sonvaurx und Fraipont izre sämtlichen Arbeiter ausgesperr t. Der Ausstand in den Bakuer Naphthawerken ist, wie ,W. T. B.* meldet, beendet. Die Arbeiten wurden unter den früheren: Bedingungen wieder aufgenommen.
Bauwesen.
Der Dürerbund gibt im Verlage von Georg G. D. W. Callwey- in München feine 38. Flugschrift heraus. Ste ist aus\chließlich dm Abdruck eines Vortrags gewidmet, den auf dem achten Tag für Denk- malpflege in Mannheim der frühere Landesbaurat und jetzige Bet- geordnete der Stadt Cöln Karl Rehorst gehalten hat. r betitelt sh: Müssen alte Städtebilder modernen Verkehrs- rücksihten geopfert werden? Zahlreihe dem Text eingefügte Bilder dienen nicht nur dem Schmuck, sondern sind mad wichtige Anschauungsmittel. NRehorst führt Klage darüber, da
namentlich in kleineren und mittleren Städten, sobald fi nur eine kleine Verkehrszunahme zu zeigen seine, fofor verhängnisvolle Straßenverbreiterungen und Durhbrühe wver-
anstaltet würden, für die weder im Augenblick noch in der Zukunft irgendeine Notwendigkeit vorliege. Man aberschäbo bei Tis pl Fa des Verkehrs in solhen Orten und habe den Ehrgeiz, als aufgeklärt und dem Fortschritt der Zeit zugänglich zu gelten. Un: wiederbringlihes an malerischen Reizen solher Städte sei {on ver- loren gegangen. Aber auch in größeren Städten ist dur die Anschauun
gesünd gt worden, die man jeßt wieder aufgibt, daß die Straßenfluht