1908 / 51 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Feb 1908 18:00:01 GMT) scan diff

früheren Justizministers Simons zitiert, der gesagt habe, bei Ent- eignungsfragen müsse dem Einzelgeseß vorbehalten bleiben zu bestimmen, wann ein Fall der Enteignung vorliegen könne; daß sei nahher nit ein- gehalten worden so habe ih den Herrn Vorredner verstanden —_—; denn das Gese von 1874 spreche allgemein, ohne spezielle Fälle beranjuziehen. Daraus folgt doH weiter nihts, als daß der Gedanke, den der Minister au8gesprochen hat, später nicht aufcecht erhalten worden ist. Ueber die Frage aber, wie man festzustellen habe, ob ein Gnteignungsfall vorliege oder nit, find lange Erörterungen gewesen, die auch nach der Zeit des Ministers Simons stattgefunden haben. Ih darf daran erinnern, daß für das Enteignungsgesez Entwürfe aufzestellt worden sind in den Jahren 1868, 1869, 1871, 1872, 1873, und immer hat man fich niht einigen können, wie die Sache nun eigentlih gefaßt werden solle. Das if auch ganz begreiflich; denn es ist nicht mögli, in einem Gisey endgültig festzu- legen, in welchem Falle in Zukunft eine Enteignung angezeigt sein möchte. Das muß \ich nach dem einzelnen Fall richten. Man hat tamals bei der Faffung, die man dem Gesetze gegeben hat, und bei den Beratungen, die vorher stattgefunden haben, naturgemäß das wirtshaftlide Wohl im weiten Sinne im Auge gehabt, nament- li auch das Verkehr?wohl, Eisenbahnanlagen und derartiges; aber keineswegs ift der Gedanke der gewesen, daß nur wirtshaftlihes Wobl zur Enteignung führen dürfe, und auch niemals hat die Praxis das so aufgefaßt. Denn was if nicht anderes enteignet worden! Schon gestern hat einer der Herren Redner darauf hingewiesen, daß ganze Truppenübungepläte enteignet worden find, Festung#rayons usw. Das trifft doch alles ebensowenig wirtshaftlihe Zwecke wie die im Land- recht erwähnten Fortifikationen. Also mit der rechtlichen Praxis kann der Herr Vorredner seine Ansicht niht begründen.

Der Herr Vorredner hat ferner hingewiesen auf einen Nehts- lehrer Meyer.

Sein Buch if vor längerer Zeit ershienen, ich glaube nicht, daß der Herr Vorredner \ih darauf wird stützen können. Dort wird der Grundsatz aufgestellt, es könne unter dem öffentlihen Wobl ver- standen werden alles, wobei Staat8zwedcke in Frage kämen. Das ift ja noch ein viel weiterer Begriff, als wie er in der gegenwärtigen Vorlage vertreten wird.

Ih glauke alfo, daß der Gedanke, nur das wirtshaftliche Wobl dürfe maßgebend sein, wenn es fih um die Enteignung handelt, durh- aus unhaltbar ist. Ih spreche bier unter der unmittelbaren Kontrolle einer großen Zahl bochangesehener und bekannter Juristen, es würde ja leiht sein, mich zu widerlegen, wenn ich so ganz abwegig mit meiner Auffassung wäre. Aber ih glaube, daß ih im Gegenteil dabei auf ihre Zustimmung renen darf. Nun ift der Herr Vorredner des weiteren eingegangen auf unsere preußishe Verfafsung, und er hat zu- nächst des längeren dargetan, was in Artikel 9 unter öffentlichem Wobl zu verstehen sei.

Er hat auch betont, nur wirtshaftlihes Wohl sei von der Ver- faffung unter öffentliGem Wohle zu verstehen. Das ist nah seiner Begründung niht dargetan, denn die Praxis und was er angeführt hat, spriht nicht für ihn. Ih habe {hon bei verschiedenen Gelegenheiten hervorheben fönnen, daß die Frage, was öffentliches Wohl sei, keine speziell juristishe sei, und ih glaube, daß ich dabei allgemeine Zustimmung gefunden habe. Selbst der Herr Vorredner scheint ja auf diesem Standpunkte zu stehen, urd daß dieses bobe Haus, wenn es jeßt über die Frage entsheidet, was öffentliches Wobl sei, darin keine rein juristishe fieht, fondern eine Frage, die andere Gebiete berührt nennen Sie es soziales Gebiet, nationales politishes Gebiet —. Auf allen diesen Gebieten handelt es fih um öffentlihes Wobl im Sinne der Verfassung, um öffentlißes Wobl unseres Staates, und ih glaukte, daß die Frage, die Ihnen bier vor- gelegt worden ift, Ihrer Entscheidung niht {hwer fallen kann, da, wie ih aus den Reden der Herren, die gestern gesprochen haben, tntnommen babe, darüber, daß es fi um öffentlihes Wobl im Sinne des Artikels 9 der Verfassung handele, im wesentlichen Ueberein- stimmung berrschte; ich glaubte, die Frage wäre abgetan, und war daher überrascht, heute wieder einem ganz anderen Standpunkt zu begegnen.

Nah ten Reden, die wir gestern gehört baben, kann wohl kein Zweifel sein, daß die Herren die Frage des öffentliGen Wobles hier bejahen werden. Ich will nicht wiederholen, was von dem Herrn Minifterpräsidenten und von den anderen Herren Ministern gestern hier gesprohen worden ist, daß abec muß ih festhalien: bejaben Sie die Frage, ob das öffentlihe Wobl das gesegliße Ein- \hreiten fordert,* so ist die rechtlihe Konstruktion sehr einfa. Wir sehen dann in Artikel 9 der Verfaffung selbs den Weg gewiesen, und diesen Weg hat die Regierung beschritten, indem \i- das Gesetz vorzelegt hat. Sie hat nicht gesagt: die Frage ist hon entshieten durch das Gefeß von 1874, sondern sie geht davon aus, daß bet der Gntstehungsgeshihte dieses Geseßes von 1874 ein Fall wie der jeßt vorliegende nicht zur Erörterung gekommen ist. Troßdem ist es voll, ständig verfafsungsrehtlich und in jeder Beziehung begründet, wenn die Regierung jeßt eine Vorlage bringt, die eine weitere Au?übung der nah Artikel 9 gegebenen Möglichkeit bietet. Es Hat durhaus keine abschließende Gesezgebung im Jahre 1874 stattgefunden. Es ist ein surdamentaler Jrrtum, wenn behauptet wird, in dem Gesetz von 1874 sci gewissermaßen eine Deklaration des Artikels 9 der Verfassung gegeben, und damwit sei die Sache erledigt, es sei denn, daß man die Verfassung ändern wollte. Das ist grundfalsch. (Sehr rihtig!) Es ift ein Landeszeseß gegeben, und das Landekgeseß unter- liegt jederzeit Ergänzungen und Abändcrungen durch die gesetzgebenden Faktor:n. Das ist ein vollkommen legaler und richtiger Weg, der eingeshlagen worden ist.

Nun ist ja auch von dem Herrn Vorredner mit großem Nachdruck auf den Artikel 4 der Verfassung verwiesen worden. Ueber diesen Artikel 4 haben wir uns doch \chon vtielfah eingehend unterhalten. Wir wissen, daß die Bestimmungen, wie sie gegeben \ind, die ja eigentli nur kurze Weisungen enthalten, aber eine unmittelbare Anwendung gar nit finden follen. Sie geben Grundgedanken an, die der Gesetz- geber als die rihtigen erkannt hat. Nach ter wissénshaftlißen Aufs faffung dieser Bestimmung ist gar kein Zweifel darüber, daß es si um zweierlei handelt: Artikel 4 will die Vorrechte einzelner Stände beseitigen, und die andern Worte: alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich, beteuten: alle Gesetze, die erlassen sind, müssen so angewendet werden, daß jeder, ter davon betroffen wird, gleihmäßig behandelt wird. Stände beispielsweise im Gesetz: ein Ausländer, den wir expropriierten, soll anders gestellt werden als ein Jrländer, so würde

internationalen Rechis aus vielleißt nicht unbedenklich sein. Sollte aber ein Angehöriger des preußishen Staats, je nachdem er dieser oder jener Gruppe angehörte, anders behandelt werden als andere, vielleiht weniger Entshädigung bekommen oder sonft unter s{wereren Bedingungen enteignet werden —, so würde ‘das gegen Artikel 4 der Verfaffung sein, denn es würde eine vershtiedenartige Anwendung des Gesetzes sein. Aber derartiges steht niht im Gefetz- entwurf, soll auch nit drin stehen: Der wissenschaftlich festgestellte Sinn der Worte des Artikels 4 ift in unserer Gesetzesvorlage voll- kommen zur rihtigen Geltung gebraht, und wenn der Herr Vor- redner wiederholt hat, es liege eine Verfafsung8verleßzung vor, die wir, die wir die Verfaffung beschworen hätten, mit unseren Pflichten nicht in Einklang bringen könnten, so ift das ein Standpunkt, der durhch den Herrn Vorredner weder rechtlih begründet, noch sonst durch die Sathlage gerehtfertigt ist. Wir stehen auf einem ganz rihtigen Stand- punkt, und das hohe Haus wird vom Rechtsstandpunkt aus nicht das geringste Bedenken zu haben brauen, wenn es fich darum handelt, zu entscheiden, . ob die nach meiner Ueberzeugung rechtlih einwandfrei ge- staltete Vorlage angenommen werden foll.

Ih möchte deshalb von feiîten der Regierung noch einmal be- tonen, daß die Frage, ob das öôffentlihe Wobl die Enteignung fordert, durch die gestrigen Ausführungen {hon vollkommen klar gestellt ift, und daß der rehtlihe Weg, den das Gese gewählt hat, unanfechtbar ist. (Lebhaftes Bravo.)

Fürst Radziwill: Die Erklärungen der Meßeeiltg legen mir die Verpflihtung auf, Verwahrung einzulegen. Kommissions- beriht hat auf uns und nah außen einen deprimierenden Eindruck gemaht, insofern als er in der Gestalt einer Momentphotograpbie die Auffassung der Staatsregierung wiedergibt. Ih sprehe nicht ro domo. H bin mir meirer Rechte und Pflichten als Staats- ürger bewußt, sodaß ich an ein Mitleid der Regierung oder eines Mitgliedes nicht zu appellieren braude. Jh gehe auf die sentimentale Seite der Frage nicht ein. Wenn von der Regierung wie von einer Staat8anwaltjchaft einer Nation der Prozeß gemacht wird, so fühlen wir uns als Angeklagte unschuldig. Der Kom- missionsberiht macht den Eindruck, daß die Ausführungen in bezug auf die Gefahr für den preußischen Staat infolge des Bestandes einer nihtdeutsWen Nationalität im Staat übertrieben find, daß die Gefahr eine fingierte ist, daß sie nidt befteht. Es wird uns vorgeworfen, daß wir uns nit ausdrücklich auf den Boden der Staatszugehbörigkeit stellen. Jh frage die Regierung: sind nicht Taten schwerwiegender als Worte? Ide Klage, welhen Vorwurf föônnen Sie dem ruhigen Teile der polnishen Bevölkerung, der dur dieses Geseß in seinen vitalften Interessen geshädigt ist, machen ? Hat das polnische Volk seinem Fabneneid in einem ver- gangenen Kriege Untreue bewiesen? Und wenn dies nit der Fall ift, warum stellt uns die Regierung als mutmaßlihe Holh- verräter hin? Wir haben bewiesen, daß das nicht der Fall ift, und ich glaube, daß auch in Zukunft die Treue dem Fahnen- eid gegenüber stets bewahrt werden wird. Aber wenn dies der Fall is, und wenn auch die anderen Vorwürfe gegen die Polen an absoluter Dürftigkeit leiden, so muß ih hervor- heben, daß sämtlihe Ausführungen der Minifter vollftändig un- zutreffend sind. Was heißt: Absonderungsgelüste der polnischen Bevölkerung? Es ist doch natürli, daß gegenüber dem Verfahren der preußishen Regierung ein Vertrauen zu einer christlihen Obria- keit niht vorhanden sein kann. In dem Kommissionsberiht vermisse ih jede Spur einer ethishen Empfindung für einen besiimmten Volksstamm. Wir leugnen nit, daß die preußishe Administration in wirtshaftliher Beziehung die polnischen Landesteile gehoben hat. Aber der Mensch lebt niht vom Brct allein. Für das geistige Wohl, für die geistige Hebung hat die Regierung seit der Befitergreifung des Landesteils nit nur nihts getan, sondern die geistigen Kräfte vollständig lahmgelegt, und wenn \ich éine gewisse Selbsthilfe herau8gebildet hat, dann fann wan doch nit von den Polen ver- langen, daß fie ihre Nationalität wie einen alten Ueberrock abwerfen. Nicht Feindschaft gegen Deutschland hat zu den Vereinigungen eführt; von dieser Feindschaft, das können Sie mir glauben, füblen wir uns frei. Wir spekulieren gar niht auf irgend ein Mitleid, ein Mitgefühl des Auslandes. Aber auch in den Enunziationen des Auslandes is überall die Achtung, ih möhte sagen, die Liebe zum deutschen Geistesleben streng abgegrenzt worden von der deutschen Politik. So ist es auch im Inlande. Was ift es denn, das uns s{ließlich die Staatsregierung vorwirft? Die Minister haben gesagt, daß der Zickzackua:s in der Politik der preußischen Regierung den Polen gegenüber das Uebel gewesen sei. Ich leugne absolut, daß ein Zickzackars stattgefunden hat. Fried:ih Wilhelm TII. hat uns die bestimmte Zuficherung gegeben, und mein Groß- vater hat in seinem Namen Zusagen gemacht, die ganz anders sind, als wir sie heute auch nur in Anspruch nehmen können. Von jenen Versprehungen ist fast nichts übrig geblieben. Der Landwirtshaft8- mirifter irrt, wenn er sagt, daß im Jahre 1830 eine revolutionäre Be- wegung in Preußen eingetreten ist. Mit einigem Anshtin von Ret könnten Sie höchstens auf die revolutionäre Bewegung des S@ul- streiks hinweisen. Es liegt mir fern, diesen Schulftreik pädagogish rechtfertigen zu wollen, aber er ift begreiflih wegen der konfequenten Verdrängung des polnischen Religion8unterrihtes. Es bedurfte wirkli feiner Agitation, um dieses menshenunwürdige Vorgehen! den Religionsunterriht zum Zwecke der Sprachenbekämpfung des Polertums zu benußen, auf das \{chmeriliste? ¡u empfinden. Die Regierung ift es, welche ihre preußishen Untertanen, die polnisch2 Bevölkerung, auf Kündigung, auf den Ausfterbeetat seßt. Das Gesey hat zweifellos diese Tendenz, ob es diese Wirkung haben wird, steht bei Gott. Lehnen Sie dieses Gesetz ab; es ift ein Urreht, das wir nicht verdient haben. In der Kommission des Reichstages ist neulich über den Kolonialetat ver- handelt worden. Der Staatssekretär hat Auffassungen bekundet, die zu seinen früheren diametral im Gegensaß stehen. Er sieht in der geistigen Hebung der Eingeborenen das Hauptmoment einer glüdlihen Entwickluyng der Kolonien. Wollen Sie unsere ruhige Land- bevölkerung \{chlechter ftellen als die Shwarz-n in dez Kolonien? Das hat fie wirkiih nit verdient.“ Jh hoffe, daß das Hâus meinen Standpunkt teilen wird. Aber auch aus unferen Landecteilen sind sehr beahtenswerte Eingaben von Großgrund- befißgern an das Hus gelangt. Für diese Bezeigungen einer den Verbältnissen nahestehenden Gesellshaftsklafse unseren Dank auézusprehen, kalte ich für meine heiligfte Pfliht. Das beste Mittel, niht nur leidlihe, sondern zufriedenstellznde Zu- stände in unseren Landesteilen hervorzurufen, ift, die Deutschen und Polen wit gleiher Gerechtigkeit zu behandeln. Wenn man sieht, daß eine Bevölkerung der kirhlihen Oberbobeit zugewiesen ist, uad letztere sih bestrebt, die cura animarum nach besten Kräften zu erfüllen, follte da nicht auch eine gewisse Parallelität der weltliGen Obrigkeit mit dieser kirblihen Obrigkeit Hand in Hand gehen können ? Wollen wir wirkliÞh Zuständen entgegentreiben, wo kirchlihe und weltliche Obrigkeit cine diametral entgegengesetzte Politik treiben ? Beugen Sie folhen Zuständen vor und lehnen Sie die Enteignungêvorlage ab! Zum Sélufse möhte ich hinweisen auf einige kurze Sätze aus der Rede, welhe mein selizger Großvater im Namen Fciedrich Wil- belms III. in Posen gehalten hat, weil sie bezeihnend sind für die Berechtigung, die wir aus diesen Worten herleiten. Der Redner zitiert verschiedene Stellen aus dieser Rede und {ließt mit dem nohmaligen Wunsche, das Gefey zurückzuweisen.

Berichterstatter Herr Dr. von Burgsdorff bestreitet gezenüber dem Vorredner, daß er in seinem schriftlihen Bericht zu schwarz gemalt habe. Man werde ihm zugeben müfsen, daß er versuht bate, der Sache möglichst objektiv gegenüberzutreten. Seine persönlihe Stellung

das verfafsungsrehtlich mögli, aber vom Standpunkt des

werde man heute noch nicht wissen.

ürst Radziwill: - Ih habe den Bericht als treues Bild der i eib gelobt und alle meine Ausstellungen lediglig auf die Stellungnahme bezogen, die nah diesem Bericht die Mit, glieder der Staatsregierung in den Kommissionsverhandlungen ein, genommen haben.

Minister für Landwirischaft, von Arnim:-

Ich möthte zunächst einige Worte zu den Ausführungen Seiner Dur@hlauht des Fürsten Radziwill mahen. Jh habe in meiner geftrigen Rede niht von einem Aufftand in den Jahren 1839 gesprochen, sondern von Unruhen, und der Herr Fürst Radziwill wird nit leugnen, daß im Jahre 1830 Zustände herrshten, die es not, wendig machten, s{leunigst eine ftiarke Truppenmaht nach den östlihen Provinzen zu entsenden, um ein Uebergreifen des Aufftandez von Rußland nach Preußen abzuwehren. Nur durch unsere starke Truppenma§ht- ift dies gelungen. Wenn Herr Fürst Radziwill behauptet, eine Gefahr bestehe für Preußen niht, und welhe Vorwürfe man denn gegen das polnishe Volk zu erheben habe, so erwidere ih: was wir dem polnischen Volke vorwerfen, if der rüdckfihislose Kampf gegen alles, was deutsch ift, ein Kampf, der geführt ist, solange die preußische Herrschaft besteht, der nit entfefselt ift durch Maßnahmen der Staatsregierung, fondern der fi entwidckelt hat troy all der wohlwollenden und nah jeder Richtung hin freundlihen Behandlung der Polen durch die preußische Staats, regierung. Ein Kampf, der sih ausdrückt im Boykott alles dessen, was deutsch ift, der sich ausdrüdckt in allen polnishen Vereins. gründungen, in der Presse, in der Propagierung ter großpolnishen Idee, in der Tatsache, daß in A§t und Bann jeder getan wird, der zum Königsgeburtstage illuminiert, der Kriegervereinen beitritt, kurz ein Kampf aufs Mefser mit dem Deutshtum mit der überall dur(- zubhörenden Tendenz: Vorbereitung für einstiges Wiederaufleben des Königreichs Polen.

Meine Herren, der Herr Fürft Radziwill hat auf die Zu, fiherungen aufmerksam gemaht, die seinerzeit vom Könige Friedrih IIl. dem polnis@en Volke gegeben worden seien. Jh möchte den Herrn Fürsten von Radziwill fragen: Hat niht Friedrig Wilhelm II1. und kat nit sein Großvater versucht, bis auf den den leßten Buchstaben all die Zusicherungen zu erfüllen, die er dem polnishen Volke gegeben hat ? Hat nicht aber das polnische Volk diese Erfüllung unmöglih gemacht? Es hat fie beantwortet mit einem Kampf gegen das Deutshtum, mit Revolutionen, und nur dadurch find wir gezwungen worden, das polnishe Volk so zu behandeln, wie wir es jegt behandeln.

Da ih das Wort habe, möhte ih auf Aeußerungen zurückommen, die geftern gefallen sind. Graf Haeseler kat gesagt: niht der lebendige Wall deutsher Bauern folle unsern Osten \{üten, sondern das würde in der Stunde der Gefahr das Schwert tun. So wie die Ver- hältnisse heute liegen, hat er recht; wir ftehen so stark und mähtig da, daß eine Gefahr für Preußen aus den Verhältnissen in Posen gegenwärtig nicht resultiert. Aber wissen wir, was die Zukunft bringt? Wissen wir, ob unser Volk niht wieder Gefahren ausgeseßt sein wird, die über uns {were Zeiten bringen? Jf es nicht die vornehmste Aufgabe jeder Staatsregierung, \olhen Gefahren vor- zubeugen? Sollen wir warten, bis sie eingetreten sind und bis es zu spät ist? Wie nüßlich es ift, wenn reStzeitig vorgeteugt wird, das hat ja gerade die preußishe Armee gezeigt. Wodurh ist fie in der Lage gewesen, in der Stunde der Not das Vaterland zu verteidigen und zu siegen? und unsere heutige Stellung in der Welt zu s{hafen? Nicht etwa dadur, daß wir tapferer waren als unsere Gegner! Ih glaube, es würde uns \{lecht anstehen, tas zu behaupten. Meine Herren, unsere Gegner waren ebenso tapfer. Wenn wir siegten, so geshah es dadur, day wir mit der ganzen Kraft unseres Volkes rechtzeitig den Gefahren des Krieges vor- gebeugt haber, weil unsere Armee in unermüdli@er Friedentarbeit sih vorbereitet hat für den Krieg, weil jzeder einzelne Mann, vont Rekruten an bis zum Feldmarschall, für seine Aufgaben, die er ju er- füllen baben sollte, mit unermüdlihem Fleiß vorbereitet worden ist. Dadurch, meine Herren, haken wir den Sieg errungen. Sollte daraus nicht auch für dle Jettzeit zu lernen sein? Sollen wir mit v:r- shränkten Armen zusehen, wie ih in den Ostmarken für den Staat eiae ernste Gefahr vorbereitet, wenn wir ihrer Éntwicklung rubig zusehen? Ich darf vielleiht einige Zahlen kurz anführen, die, wie es scheint, garnicht beahtet worden sind. Die Volkszählungen haben uns bewiesen, daß vom Jahre 1871 an die Polen in den Osftmarken

Domänen und Forsten

prozentual so ungeheuer viel ftärker zugenommen haben als die.

Deutschen, taß wir, ih möchte sagen mit mathematisher Sicherheit berehnen können, wann der Zeitpunkt eintritt, wo der legte Deuise das Land dort verläßt. Wir haben im Jahre 1885 eine Vermehrung der deutshen Bevölkerung von 4,7 9/5 gehabt, dagegen bei den Polen eine Vermehrung von 11,29%. Nah der Volkszählung vom Jahre 1890 ergab sich eine Vermehrung der deutshen Bevölkerung ton 0,9 9%, bei den Polen von 59/6. Im Jahre 1990 ist die Vermehrurg der Deutschen 6,3 %/6, die der Polen 10,6 9% gewesen. Erst als die Wirkungen der Tätigkeit der Ansiedlungtkommission eintrat, hat sid bei der Volkszählung im Jahre 1905 das umgekehrte Verhältnis er- geben, daß die Vermehrung der DeutsWen größer gewescn ift als die der Polen. Hätten wir der Entwicklung müßig zugesehen, und würden ihr weiter rubig zusehen, so würde in einem Jahrhundert die ganze Ostmark rein polnisch sein; urd daß damit bei einer Be- völkerung, d:ren ganzes Streben darauf gerichtet ift, fich rom Staat [lo8zureißen, eire immense Gefahr verbunden ift, wird niemand leugnen. Ih möchte nun mit einigen Worten auf diz Luésührungen des Herrn Grafen Schulenburg eingehen. Der Herr Graf Schulenburg hat in einer gewissen dr amatishen Weise gesagt, er wole niht, dak, wenn infolge des vorliegenden Gesetzes einst seine Nahkommen aus ihrem Grundbesitz eatcignet würden, sie mit Fingern auf sein Grab zeigen würden. Meine Herren, ist wirkli die Eefahr vorhanden, dab das Gese solhe Konsequenzen zeitigen wird? Es ift {on früher ge“ sagt worden, daß gar nicht die geringste Veranlassung dazu vorliegt.

(S@luß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichsanzeiger und

Zw ei te Beilage

niglih Preußischen Staatsanzeiger.

M 31. Berlin, Freitag, deu 28. Februar 1908. R ————————————————————————————————————————

(S&l[uß aus der Ersten Beilage.)

Auf eines möchte ih roh aufmerksam mahen. Haben wir nit ein Gese géhabt, das sehr viel mehr die Enteignung auf den ge- samten Grundbesiß ausdehnie? Ih verweise nur auf die Stein- Hardenbergishe Geseßgebung, die eine sehr viel einshneidendere Ent- eignung eingeführt hat, und zwar nicht gegen eine reihlihe und volle, sondern gegen eine rur sehr knappe Entshädigung. Hat die damalige Geseßgebung es sind jeßt 100 Jahre her die Wirkung gehabt, daß heute Großgrundbefiß zur Expropriation gestellt worden ist ? Liegt wirkli eine Gefahr vor, daß dieses Gesetz, das aus besonderen lokalen Gefahren beraus gegeben wird, eine andere Wirkung haben wird ? Jh glaube, daß wenn wirklich aber das einträte, was Herr Graf S@ulenburg für(tet, nämli eine solhe Wirkung auf die spätere Gesetzgebung in einer dem Greßgrundbesige feindlichen Weise, _daß dann sein Nahkomme, wenn er vom Hofe geht, au vielleicht mit den Fingern auf sein Grab weisen, aber dabei sagen würde: Da liegt ein Mann der vor keinem Opfer zurückgeschreckt ist, wenn es H um des Staates Wohl handelte. (Bravo!)

Generalfeldmarshall Graf von Haeseler: Ich habe die Armee in Verbindung cebraht damit, daß bei einem äußeren Kriege Unruhen im Lande eintreten könnten, und habe behauptet, daß dieser Wall von Ansiedlungen au nicht dazu würde beitragen können, etwas zu helfen, sondern daß die Hilfe lediglih in der Wehrkraft liege.

Graf Botho zu Eulenburg: Fürst Radziwill hat ebenso wie bei der ersten Lesung der Vorlage auf die Worte seines Großvaters Bezug genommen. Wir können uns die Erinnerung an diese Worte gut und gern gefallen lasen ; sie beweisen unwiderleglih, mit welhem Wohlwollen und mit welchen guten Intentionen die preußische Re- ierung der polnishen Bevölkerung entgegenge?ommen ift.

as aber war die Antwort? Ih nenne zunäthst nur die drei Jahreszablen 1831, 1848 und 1863. Ich will mi nicht auf eine nähere Untersuhung darüber einlassen, ob, als 1870 bei Beginn des Krieges alle Welt mit Spannung den Nachrichten vom Kriegsschauplaßze entgegenfah, das Eintreffen der Depeschen über unsere Siege in den polnishen Teilen der Provinz Posen dieselben Gefühle erweckt hat wie bei uns. Ih will einen weiteren Blick werfen auf die Antwort der Polen auf das Wohlwollen der Regierung. Es ist harakteriftish, daß Fürst Radziwill nicht mit einem Wort an die den Rechten gegenüberstehenden Pflichten erinnert hat, sondern nur hervorhob, daß er ih wohl bewußt sei der Rechte der polnischen Bevölkerung. Die Rechte will niemand angreifen, und es ifff eine ganz unglaublihe Uebertreibung, wenn man bei diesem Gesetz selbst dabon spriht, daß die Idee dahin gehen könnte, diesen Bestandteil der Bevölkerung zu eliminieren. Ganz abgesehen von der tatsählihen Unmöglichkeit, wird niemand so hirnlos sein, einen derartigen Ge- danken zu haben. Aber etwas ganz anderes ist es, ob man genötigt ift, durch das Verhalten der Nachbarbevölkerung, mit der zusammen ¡u leben man geen ist, gewisse Vorsihtsmaßregeln zu treffen, damit man dem Frieden leben kann, den wir von Rechts wegen haben müssen und beanspruhen können. Die Entwicklung e nunmehr im Laufe der Zeit dahin geführt, daß die Ab- onderung der polnishen Bevölkerung von der deutschen eine immer voliständigere geworden ist, daß der Boykott mit einer zunehmenden Rükfichtslosigkeit geübt wird, und infolgedefsen die verschieden- sprahigen Bewohner der Provinz Posen nicht allein durch die wierigkeiten durh das FIdiom der Sprache, sondern auch innerli den Anf{luß an einander verloren haben. Fürst Radziwill hat sein Bedauern über den frevelhaften Schulstreik ausgesprochen. Dieses Bedauern ist niht genügend : man muß es ver- werfen. Fürst Nadziwill hätte au, wenn wir die Loyalität seiner Lands- [eute anerkennen sollen, den großpolnishen Tendenzen ein klares und auf- rihtiges Desaveu entgegenseßen müssen. Die Voraussetzung eines Zu- sammenlebens mit den Polen ist, daß diese sich dem Staat unterordnen. Wir dürfen uns nicht von den bôsen Natbarn unterbekommen lafsen. Diesen weden dient die Ansiedlungsgesegebung und auch diese Vorkage. Jch tte niht geglaubt, daß heute wieder die Verfassungsfrage in so ein- euer Weise erörtert werden würde, wie es seitens des Grafen Vppersdorff geschehen ist. Daß ein Verstoß gegen das Freizügigkeit3- geseß und Artikel 1IV nit vorliegt, if durch einen dreifahen Akt der Gesetzgebung klargestellt worden. Das öffentlihe Wohl ift richt dur Verkehrsinterefsen erschöpft, au Art. 1X darf darüber nicht ins Feld geführt werden. Das Privateigentum ift gewiß eine wesent- lige Grundlage des öffentlihen Rechtslebens, und man muß forg- fältig prüfen, ob die Anwendung einer solchea Maßregel deboten ift. ch glaube, daß das im vorliegenden Falle zutrifft. Der Zweck der Vorlage ist, das Deutshtum gegen das vordringende Poientom zu stärken. Wir dürfen es aus Gründen der inneren und äußeren Politik niht dahin kommen lafsen, daß sich dort ein Gemeinwesen bildet, welches die staatlihe Ex:stenz in Frage stellt. Der jegzige Zustand bat niht begonnen mit der Gesezgebung von 1886, richtig ist aber, daß sich seitdem der Kampf außerordentlih vershärft hat in dem Kampf um den Grund und Boten. Hier ist die polnische Bevölkerung der deutschen in gewisser Beziehung überlegen. Ein Grund dafür [iegt in der Shwähe des deutshen Grundbesißes und in einer sroßen moralishen Schwäche, daß die Leute des Geldes wegen leber an die Polen verkaufen als an die Ansiedlungskommission. Allmäblih erstarkte das ganze Polentum durch genossenschaftliche Vildungen außerordentlich und namentli auch durch die Parzellen- biltung und die Gründung von Dörfern. Der Verkauf von Gütern aus polnisher Hand an Deutshe wurde außerordentlich ershwert durch den sozialen Verruf derjenigen, die an Deutsche verkauften. Die Ansiedlungskommission karn ihre Tätigkeit jezt niht fort- seßen, wenn sie nicht verkrahte deutsche Existenzen aufkauft. Hier ift Abhilfe notwendig. Man erblickt hierin einen Beweis eines ganzen Ner halben Fiaskos der Ansiedlungékommission, mit Unrecht. Sehen Sie richt, daß es im gewöhnlichen Leben ebenso geht? Man braucht auch sonst neue Mittel, um den Fortgang eines Unternehmens ju er- möglichen, voraue eleyb daß das Unternehmen an si ein gutes ist. So if es qu i den Anfsiedlungen. Die Tätigkeit der Ansiedlungskommission ist überhaupt nicht so ungünstig zu be- urteilen, wie es oft geshieht. Jedenfalls find die Erfolge der Kommission sehr bedeutend, sie hat ein großes Kultur- werk geshaffen, in ¡wei Jahrzehnten über 100 000 Deutsche hinüber- gezogen. Wie würde es im Often aussehen, wenn die Kommission iht tâtig gewesen wäre? Der polnishen Bevölkerung ist es f lungen, in den leßten 19 Jahren 60 bis 70 000 Hektar aus deuts nd mehr zu erwerben, als aus polnishem in deutshen Besiß gegangen find. Was würde erst ohne die Kommission eshehen! Ein Zurückdrängen der deutshen Bevölkerung aus dem Grundbesiß würde unvermeidlich sein, wenn es so weiter geht. Das dürfen wir nicht zugeben, und deshalb müssen wir u dem Mittel der Enteignung kommen. Dira necessitas, aber immerhin -necessitas! Soll diese Maßregel einen nennenswerten Zweck haben, so Par cidentig erklärt werden, daß wir von der bisherigen Politik nicht abgehen wollen, sondern daß die Regierung mit der Volksvertretung die bestimmte Absicht hat, auf dem betretenen

Wege fortzuschreiten. Tritt das Enteignungsrecht cin, so muß die unnatürlihe Preisbewegung z wie auch die polnischen An- käufe überhaupt. Brauchen wir die Enteignung, so fragt es fi, in welhem Umfange fie eintreten sol. An eine unbe renzte Enteignung wird niht gedacht. Auf eine von der Kommission vorgeschlagene Weise würde, fürchte ih, der Zweck nicht erreiht werden. Mit der zu Gebote stehenden Fläche wäre nichts anzufangen. Diese Beschränkung würde mit Notwend dahin führen, überall da, wo sih eine Gelcgenheit bietet, eus zuzugreifen. Deshalb wêre es besser, zu dem Gedanken zurüdckzukehren, von dem das Ab- geordnetenhaus ausgegangen is, d. h., daß der Umfang der Enteignung im Gese genauer t wird. Zweck und Be- grenzung ist genau festgelegt. e Grenze ist ungefähr ohnehin gegeben durch die bewilligten Geldmittel. Es bleiben zum Ankauf 120 Millioren. Es liegt nun ein Antrag Adickes vor, der sih dem Abgeordneter hausbes{chluß nähert. Sollte dieser abgelehnt werden, so würde ih allerdings raten, si. auf den Antrag des Herrn von Wedel- Pieëdorf zurückzuziehen. Großes Gewicht wird in dem Gesetzentwurf mit Recht gelegt auf die Stärkung des deutschen Besites. Ich empfehle Ihnen die Annahme des Gesebenlonries.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Arnim:

Ich habe namens der Königlichen Staatsregierung zu erklären, daß sie aus Gründen, die der Herr Vorredner soeben ausgeführt hat, dem Antrage Adickes zuflimmt, der im Prinzip den Auffassungen Rechnung trägt, die die Königliche Staatsregierung hier vertreten hat, die es ihr ermöglicht, die Arbeit, die sie angefangen hat, zu einem bestimmten Teil zu Ende zu führen, und der im allgemeinen auch mit den Beschlüffen des Abgeordnetenhauses übereinstimmt. Jusofern er davon in den Punkten b und c abweiht, enthält er Bestimmungen, deren Handhabung fich die Königliche Staatsregierung so wie so vor- genommen hätte, denen sie Rehnung getragen hätte, auß wenn sie nicht in dem Gesetze gestanden hätten.

Freiherr von Tshammer und Osten: Ich will der Regierung alle Geldmittel bewilligen, deren fie bedarf. Aber diese neuen Geldmittel wären nah einer anderen Methode zur Anwendung zu bringen. Mit der Enteignung ift kein Zurückdrängen, noch weniger eine endgültige Bekämpfung der polmschen Propaganda möglich. Die Ent- eignung ift eine zweischneidige Waffe. Würde diese zweishneidige Waffe bewilligt, so würde damit ein tiefer Schatten auf den preußishen Ebrenshild und das herrliße suum cuigque fallen. In weiten Kreisen versteht man unter Enteignung Konfiskation. So liegt die Sahe niht. Das Gceundstük wird abgeshäßt nah dem gemeinen Wert. Gegen den abgeshägten Preis wird sih der Be- treffende wehren und alle Inftanzen dagegen beshreiten. Es kommt nun darauf an, wie der Richter entscheidet, dieser zieht wieder Sa- verständige und Käufer aus den Kreisen der deutshen Grund- besitzer heran. Wieviele von diesen verkaufen wollen, wifsen wir ja. Dieje werden sehr verschiedene Preise und nicht zu niedrig festsegzen. Der Enteignete wird mit dem erlösten Eelde in die Stadt ziehen und eine energishe Agitation entfalten. Das Geld wird in die groß- polnishea Banken fließen. .Von den 350 Millionen, die wir be- willigt haben, ift anzunehmen, daß 150 Millionen in die groß- polnischen Banken geflofsen sind. Die großen polnishen Grundbesitzer, die Magnaten, die enteignet werden, können nit verhindert werden, sih eine ganze Serie deutsher Güter zu kaufen, Bis jegt sollen fich 20 Grofgrundbesißer ‘in den nahen Provinzen ongesiedelt haben; die Zahl der kleinen Grundbesitzer ist nah meinen Er- fahrungen viel größer. Später wird sih dieses Verhältnis zu unseren Ungunsten noh verschieben. Was erreichen wir? Märtyrer, und wir stärken die polnischen Großbanken. Rechtlich liegt die Sache so: Es werden zum ersten Male Personen in Preußen expvropriiert und an ihre Stelle andere Personen gefeßt. Diese Maßregel erinnert in be- trübender Weise an den Grundfaß: ôte-toi, que je m'y mette. Sn See und egpreusen ist seix 20 Jahren eine nicht unerhebliche

abl von Fideikommifsen errihtet worden. Wir bedauern, daß über Kontraktbruh geklact worden ist. Welches Beispiel gibt nun der Staat hier, wenn er einen Vertrag briht? Die Fidcikommifse werden mit Genehmigung Seiner Majestät errichtet, und der Gründer bezahlt einen Stempel, er muß erwarten, daß er auf absehbare Zeit vom Staat ges{üßt wird. Was wird mit dem Geld, das der Besitzer erbält? Soll er ein neues Fideikommiß bilden oder nicht? Diese Tragen sind doch niht so ohne weiteres beiseite zu sieben.

enn ih also die Enteignung ablehne, so fühle ich mich verpflichtet, zu sagen, nah welher Methode angesiedelt werden sol. Es müßte das Gesetz über die Vershuldungëgrenze dahin abgeändert werden, daß der Käufer den ganzen oder den größten Teil des Kaufpreises in bar zahlt. Damit würde die Anfsiedlungskommission ein Monopol für den Kauf haben, denn fie zahlt _\chon heute in bar. Unter Mitwirkung des Reichstages müßte ins Vereins- geseß die Bestimmung aufgenommen werden, daß rein national- polnise und dänische Vereinigungen in Briusen nicht geduldet werden dürfen. Es darf in Preußen- keine ofols geben. Der Reichékanzler hat den Reichstag einer Kolonialfrage wegen aufgelöst. Die Erhaltung der beiden Provinzen ist aber doh viel wichtiger. Ich bitte Sie die Enteignung abzulehnen und der Staatsregierung Gelegenheit zu geben, einen Weg zu finden, um die geforderten Millionen besser anzuwenden. Das Ansehen des preußishen Staates würde dadur nit erschüttert werden.

Professor Dr. Schm oller: I halte mi für verpflichtet, au meinerseits unseren Antrag zu befünworten. Ih möchte zunächst eine nationalôöfonomishe Bemerkung mahen. In dem anormal ge- stiegenen Bodenpreise sehe ih ein Uebel. Ist dies aber Schuld der Ansiedlungékommission? Es gibt viele Sachverständige, die dies elauben. Der eigertlite Grund liegt aber in dem Landhunger der kieinen polnisden Bevölkerung, der in Galizien ganz ebenso wahnsinnige Bodenpreise hat entstehen laffen wie bei uns. Die kleinen polnischen Leute werden von den polnischen Bauern dazu verführt, das Vierfache dessen zu zahlen, was die Grundstücke wert sind. Es find wahre Wudher- verträge, die mit den polnishen Besizern abgeschloffen werden. Diese Verhältnisse erfordern eine Remedur, diese ist aber nit leicht zu chaffen. Notwendig ift, daß man die Ansiedlungskommission weiter arbeiten läßt, und dies if nur möglich, wena man ihr ein gewisses Enteignungsreht erteilt, von dem ih wünsche, daß es nicht oft angewendet wird, sondern nur einen gewissen Druck auf die Bodenpreise ausübt. Die Fortführung des Geschäfts darf niht allzu {nell erfolgen. Die Gegner des gegenwärtigen Geseßes aus der Provinz sagen, es die Reibungen, das gegenseitige Mißtrauen und den Boykott nur steigern werde. Ich glaube allerdings, daß eine Ver- föhnung augenblicklich s{chwer is, aber dieses Geseg arbeitet einer künftigen Versöhnung vor, und diese münsht niemand mehr als ih. Ih chäße die Polen, ih habe die liebenswürdigsten Studenten gehabt, aber als Deutscher tue ih alles, um die Wieder- herstellung Polens unmöglich zu machen, denn die Wiederherstellung

olens bedeutet den Ruin Deutshlands. Der polnishe Adel hat eine Herrschaft vollständig verloren. Es ist eine ultrademokratische Organisation in Pojen entstanden als selbständige Negierung neben unserer Megerung, Sie führt den wirtshaftlihen Kampf und kann ihn nicht anders führen, da der Großadel feine

Herrschaft verloren hat. Mit jenen Herren if eine Verföhnun niht möglich. Ja, werin alle Polen so wären wie wi bauung Radziwill! Jh würde ihnen fofort um den Hals fallen. Aber so denken jene Herren nicht, das sind ja andere Kräfte. Man .. hat von Staats\ozialismus , ingriffen in das Eigen- tum gesprohen. Es handelt s\ich ei jedem solchen Eingriff um die Größe des Zwecks und die Größe des Objekts. Die 70000 Hektar sind noch nicht 2 pro Mille des Staatsareals. Nodbertus hat nachgewiesen, daß kein großes Gut länger als 10 Sghre in einer Hand bleibt. Es ist noH feine große politische Tat îa der

. Weit geschehen, ohne daß Zeter geschrien wurde von denen, die davon

berührt wurden. Bei der Agrargeseßgebung wurde dem preußischen Staate sogar Kommunismus vorgeworfen. Wer in der Geschichte Be- scheid weiß, weiß, daß Enteignungen immer zum Segen ausgeschlagen sind, und daß, wo si: nit erfolgten, es zu einer Revolution kam. Wir können nicht Güterschlädhterei, Veberteuerung und Auswuche- rung betreiben, und deswegen fönnen wir niht das Geschäft machen wie die Genofsens&aften , die 40 % Gewinn veiteilen. Zu so teueren Preisen dürfen wir den Arbeitern das Land niht auf- drängen, sondern wir müssen eine Agrarreform dur@führen, die ge- sund ist. Wenn sih zwei so große Organisationen gegenüberstehen, so handelt es sich um den Gegensaß voa Macht und Macht. Da muß man dem Staat die Vollmachten geben, die zu einem Aus- glei dessen nötig sind, was die andere Seite dur ihre politische Leidenschaft, durch die Hilfe von kirchlichen Organen usw. voraus hat. Deshalb fann ih nur zu dem Schluß fommen, das Herrenhaus handelt richtig, wenn es der Staatsregierung das gibt, was sie fordert. Man hat gesagt, damit untergrabe das Herrenhaus seine Exiftenz. Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Wenn das Herrenhaus hier versagt, wird ih die ganze öôffentlihe Meinung gegen das Herrenhaus wenden. Als Friedrich Wilhelm 1V. das Herrenhaus be- gründete, ist er von der romantishen Idee ausgegangen, es könnten nicht genug Großgrundbesitzer im Herrenhaus sitzen, weil er vor allem na englischen Vorbildern glaubte, jeder Großgrundbesiger sei ein großer Politiker und habe große staatlihe Einsicht. Aber nit der Großgrund- besiß matt klug, sondern die Laufbahn, die große politische Karriere ist es, die dem Großgrundbesiger zustatten kommt. Niemals wird, wenn derartig bevorzugte und hochprivilegierte Großgrundbesißer an ihre persönlichen Interessen au nur zu denken s{heinen, dies im Volke verstandéh werden. Deshalb soll das Herrenhaus nicht diese Gelegenheit ver- säumen, dem preußishen Volke zu zeigen, daß es in der Tat nicht bloß eine Majorität von Großgrundbesizern, fondern von politis denkenden Menschen ist. Wenn die volitishe Weisheit hier wirkli so groß ift, dann nehmen Sie die Vorlage der Königlichen Staats- regierung an.

_ Fürstbishof, Kardinal Dr. von Kopp: Es “ift keine angenehme Aufgabe, den Auffafsungen der Königlichen Staatsregierung widersprehen zu müssen. Ein köônigs- und staatstreues Herz empfindet es immer \chwer, das versagen zu sollen, was die egierung als Staatsnot-

wendigkeit erklärt. Jh hatte nit die Absicht, noch einmal zu sprechen, j aber der Antrag Adickes i : ih darauf Menn,

zwingt mich dazu. Bei der ersten Lesung daß die kirhliGen Güter eines b ) Darüber sind von der Regierung ju hernde Erklärungen abgegeben, und meinen Wink hat die Herren- ausfommisfion bei ihren Arbeiten befolgt. Auch der Antrag Adickes hat dem firhlihen Eigentum Berücksichtigung zuteil werden laffen. Das erkenne ich dankbar an; aber er hat daran eine Vorauéssfegzung, nämlich einen vestimmten Termin, den 26. Februar 1908, geknüpft die ich für unnüg und gefährlih halte. Unnüß ist sie mit Rücksiht auf die Geseze von 1875 und 76, das Bürgerliche Geseybuch und das Einführungsgeseß dazu. Höchst gefährlich aber ist sie, weil fie d E der Staatsregierung in das dunkle Licht der Ver- folgungsjuht seßt und nur noch weitere Gespenster in der Vorlage aufiauhen läßt. Im Gegensaß ¡um Grafen Schulenburg bin ich der Anficht: man kann Gegner der Enteignung überhaupt sein, aber für dasjenige, was von der Enteignung ausgenommen ist, trogdem stimmen. Denn ich stimme doch für alles, was die Enteignung aus- \hließt. Es hat mi gefreut, aus dem Munde des bhohgeshäßten Staatêmannes, des Grafen Eulenburg, einen so kräftigen Appell für das Privateigentum zu hören. Gewiß, das Privateigentum ist die Grundlage der menshlichen Gesellschaft. Ueberall wird es ge- {üßt, und es ist der wichtigste und angesehenste Gegenstand der Verfassung aller Staaten. So weit gebe ih nicht, daß ih wie rofefior Shmoller die Enteignung verteidige nach der Größe des bjekts. Diese kann niemals eine Enteignung rechtfertigen. Dagegen teile ih gern seine Ansicht, daß die Größe des Zweckes die Ent- eignung rechtfertigen kann; aber es fragt fich: ist der Zweck durchaus notwendig, kann er niht auf andere Weise erreiht werden, und steht seine Erreichung im Verhältnis zu den aufgewendeten Mitteln ? Das find die Fragen, die das Rechtsbewußtsein des Volkes bewegen. Ich möchte davor warnen, daß man dieses Rehtsbewußtsein nieder- kämpfen will mit Hinweisung auf das Tierseuhengeseß, auf die französishe Revolution und ähniihen Hinweisen. Es liegt hier auch keine Notwehr vor, denn ih kann niht erkennen, daß die Polen Trennungsgelüste haben. Deshalb möchte ih wünschen, daß die Staatsregierung auf die allgemeine Volksftimme etwas mehr hörte. Auch die „äußerste Vorsicht“ ist hier niht am Platze, denn wir sind bereit, dem Kaiser zu geben, was des Kais:rs ist. Wir werden die Staatsregierung unterstüßen, soweit wir können, aber in diesem Punkte ist man zu weit gegangen. Es handelt fih hier um Abwehrmaßregeln, die man in besserer Weise durchführen kann, ohne daß das Privateigentum getroffen wird. Dies aber ift ein Ausnahmegeseß, das die allerbedenklihsten Folgen baben wird. Nicht Friede, sondern Unfriede und Unruhe werden dur diese Maßregel hervorgerufen. Das Geld, womit die Polen entschädigt werden, wird ihre Widerstandskraft nur noch mehr fördern. In welche Situation werden die Großgrundbesizer kommen, wenn eine staatstreue und ftaatgerhaltende Partei mit anderen sozialpolitischen Grundsäßen ans Ruder käme, die im Großgrundbesitz einen bolfs- wirtshaftlichen Nachteil sähe und ihn daher enteignen und parzellieren möchte? Dann werden die Nachkommen der Großgrundbefitzer in diesem Hause dieselben Reden halten müssen, welche gestern und heute die Gegner der Vorlage gehalten haben. Mögen deren Worte dann überzeugender und eindrucksvoller sein als die meinigen am heutigen Tage.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Den Mitgliedern des hohen Hauses if vor einigec Zeit eine Denkschrift zugegangen, die sih über zwanzig Jahre deutsher Kulturarbeit im Osten verbreitet. Jch habe angenommen, daß alle Herren davon Kenntnis genommen haben, ersehe aber aus den Ausführungen des Herrn Freiherrn von Tshammer, daß das nicht der Fall ist. (Heiterkeit.) Er hat angeführt, daß aus der Tätigkeit der Ansiedlungskommission in die Hände der polnishen Banken 140 Millionen geflossen seien. Meine Herren, diese Dinge sind in der Denkschrift eingehend behandelt, und wenn der Herr Freiherr die Süte gehabt hätte, fie einzusehen, so hätte er auf Seite 41 gefunden, daß nicht 140 Millionen, sondern ganze 11 Millionen in die Hände polnischer Banken geflossen find. (Hört, hört!)

habe

e Schutzes bedürfen.