1908 / 51 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Feb 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Er hat ferner gesagt, es hätten sih 20 polnische Rittergutsbesizer in den Nalhbarprovinzen wieder angesiedelt. Auch das ist unrichtig; auf Seite 40 würde er gefunden haben ih habe das \{on gestern dargelegt —, daß nur ein Gutsbesiger, der ausgekauft ist, sich außer- halb des Tätigkeit8gebiets der Ansiedlungskommision sich wieder an- gefiedelt hat, und zwar in Ostpreußen. (Hört! hört!) Also die An- gaben, die Herr Freiherr von Tshammer nah dieser Richtung ge- macht hat, entsprehen nicht den Tatsahen. Dann hat Herr von Ts\schammer darauf hingewiesen, daß auch in S(hlesien deutsher bäuer- lier Besiß in steigendem Maße in polnische Hände übergebe, und er wollte auch dafür die Ansiedlungskommission verantwortlich malen. Meine Herren, ganz zu Unrecht! Denn die An- siedlungskommission kauft keinen kleinen bäuerlihen Besiß oder nur in geringem Umfang. Sie hat also keine ausgekauften bäuerlihen Elemente über die Grenzen der Ansiedlurigsprovinz hinausgedrängt und in Schlesien fich anzusiedeln veranlaßt, sondern ganz unabhängig von der Tätigkeit der Ansiedlungskommission hat fi in steigendem Maße die Einwanderung bäuerlicher polnischer Befiger in mehreren s{hlesishen Kreisen rechts von der Oder vollzogen. Ih kann dem Herrn von Tshammer nur beistimmen, daß diese Ent- wicklung als eine durchaus ernste zu betrachten ist, und ich kann hinzu- fügen, daß sie der Aufmerksamkeit der Staatsregierung niht entgangen ist. Die Staatsregierung beabsichtigt, um den Uebergang dieses ge- fährdeten bäuerlihen Besizes in polnishe Hand zu verhüten, eine ähnlihe Einrichtung zu treffen, wie sie in der Mittelstandskasse für Posen und in der Bauernbank in Danzig besteht. Mit wenigen Worten möhte ih diese Einrihtungen dahin charakterisieren: diese beiden Kafsen haben den Zweck, den Uebergang bäuerlihen Besitzes in polnische Hand zu verhüten, indem sie die hochverzinslichen, nit amortisierbaren Privathypotheken umwandeln in niedriger verzinsliche und amortisierbare, die in erfter Linie die Landschaft und in ¿weiter Linie die Ansiedlungskommission gibt. Es wird auf diesem Wege erreicht, daß der Grundbesiger dur Zins- und Amortisations- last künftig noch weniger belastet ist, als er es jeßt lediglih dur die Zinslast ist. Es wird ferner vor allem dadurch erreiht, daß der Be- figer so im Laufe einer Generation die Shuldenlast abtragen kann. Ich glaube alfo, ich kann Herrn Freiherrn von Tichammwer beruhigen, daß wir na dieser Nihtung tun werden, was wir können, um Vor- forge zu treffen.

Herr Freiherr von Tshammer hat sodann einen andern Vorschlag gemat, es solle der Kauf der Güter nur gegen Barzahlung gestattet werden. Ich glaube, das würde gegen das Bürgerliche Geseßbuh verstoßen und eine solche Einengung des Gütermarktes mit sich bringen, daß davon im Ernst niht gesproGen werden kann. Vor allen Dingen aber berührt diese Angelegenheit niht die entscheidende Frage. Wir würden dadurch nicht in den Besiß des Grund und Bodens kommen, den die Arsiedlungskommission haben muß, um ihre Tätigkeit fortzusetzen.

Dann hat Herr Freiherr von Tshammer eine Anregung gegeben- die ebenfalls auf dem Gebiete der Reihsgesezgebung, niht aber der preußishen Landesgesezgebung liegt. Ec hat gesagt, man solle alle nationalpolnishen Vereine verbieten. Jch würde ihn bitten, bei der Ausarbeitung des Geseßes als Hilfsarbeiter in das Justizministerium einzutreten, um eine ganz sihere Definition dessen zu geben, was ein nationalpolnisher Verein ist. (Heiterkeit.) Wir haben wenigstens eine solhe Definition bisher noch nit gefunden, und ih weiß nit, ob Herr Freiherr von Ts{hammer so weit gehen will, felbst nationalpolnische Turn- oder Gesangvereine zu verbieten. Wir in der Staatsregierung haben jedenfalls diese Absiht nitt, fo weit zu gehen, und damit sind wir in diesem Punkte liberaler als Herr Freiherr von Tshammer. (Bravo!) Aber was

nüßt es überhaupt, uns auf den Reichstag zu verweisen? Das heißt |

do, uns Steine statt Brot geben. Der Reichstag wird mit Recht sagen, was follen wir für Preußen diese Sache regeln? Tua res

agitur. Sehe du deine eigene Geseßgebung in Kraft und verlange |

nicht von uns Maßnahmen, die nur für preußishe Verhältnisse be- flimmt sind.

Dann bat Herr Freiherr von Tshammer uns ein Wort zuge- rufen, das er von der Enteignung gebrauhte: ôte- toi que je m’y mette. Darin können wir ihm folgen, aber wir wollen gerade ver- hüten, daß der poluische Besizer gegenüber dem deutschen Besitzer dieses Wort anwendet: ôte-toi! und daß der deutsche Besiß gegenüber dem polnischen zurückgeht. Ich habe in den leßten Tagen eine Zusammen- stellung bekommen, wie in den leßten beiden Jahren wieder der deutsche

Besiß zurückgegangen ist. Selbst vom Jahre 1906 bis 1907 ist im ! wenn wir es nicht ebenso machen, so kommen wir unter die Näder.

Regierungsbezirk Posen der deutshe Besiß um 8900 ha, im Regie- rungsbezirk Bromberg sogar um 20 000 ha zurückgewihen, und, was das Charakteristishe ist, wiederum leidet der bäuerlihe Besitz in gleihem Maße wie der Großgrundbesig. Im Regierungsbezirk Bromberg ist der deutsche Besiß von 282 000 auf 277 000, also um mehr als 5000 ha das bedeutet ungefähr eine Quadratmeile zurückgegangen, und in Westpreußen hat der deutsche bäuerlihe Besiß eine Einbuße von nahezu 7000 ha erlitten. Meine Herren, ih glaube, das sind doch Dinge, so ernster Art, daß wir dazu nicht \{chweigen dürfen.

Ich komme nun mit wenigen Worten auf die Aeußerung Seiner Eminenz des Herrn Fürstbischofs Kopp zu \sprehen. Seine Eminenz Hat zugegeben, daß das Privateigentum doch nit ein völlig shranken- Loses sei, das Privateigentum sei niht ein absolutes, sondern es höre da auf, wo die Staatsnotwendigkeit eintritt. Ec glaubt aber, der Zweck, den wir intendieren, könne auch auf andere Weise erreiht werden. Ja, meine Herren, irgend ein anderer Weg, auf dem der Zweck zu erreihen wäre, ist aber auch von Seiner Eminenz niht angegeben worden. Seine Eminenz hat ferner gesagt, daß eine Notwendigkeit oder eine Notwehr nit vor- liege, die uns berechtige, einen so weit gehenden geseßlihen Eingriff zu machen. Ich frage, meine Herren, was versteht man unter Staats- notwendigkeit oder Notwehr? Wollen wir es wirkli bis zum äußersten kommen lafsen und warten, bis der vom Grafen Haeseler erwähnte Fall eintritt, daß die Polen sich mit bewaffneter Hand er- beberi und wir dann gezwungen sein würden, den Aufstand mit be- waffneter Hand niederzudrücken. Ih glaube vielmehr, man muß vor» beugen, das ift der erste Gesichtspunkt für eine wahrhaft stactserhaltende Politik; und wenn wir vorbeugen wollen, so müssen wir danach zu streben suchen, daß der deutshe Besig die ihm gebührende Bedeutung in den Ostmarken erhält und nit allmählih dem Ansturm des Polen- tums erliegt. Das halte ich für eine Staatsnotwendigkeit von fo evidenter Art, daß aus diesem Grunde meiner Ansi§t nah die Ent- eignung nit ebenso, sondern doppelt so berechtigt is wie die Ent-

|

| aber nit, i ! Monarchie und threr starken Autorität werden durch die Vorlage in

eignung, um eine Talsperre anzulegen oder eine Eisenbahn oder einen großen Schießplaz. Hier handelt es fih um gebieterishe Aufgaben des Staats, und die rechtfertigen meiner Ansiht nah das Enteig- nungsrecht. (Bravo!) Und wenn s{ließlich sowohl der Graf Schulenburg wie auch heute Herr Professor S{hmoller von den Traditionen des Herrenhauféës gesprochen haben, so fasse ich die Traditionen des Herrenhauses dahin auf, daß das Herrenhaus, wie auch bisher, den großen Staatsnotwendig- keiten unseres öôffentlihen Lebens seine Unterstüßung niht entziehe. Das Herrenhaus hat sich bisher immer als der Hort einer festen Staatsgesinnung gezeigt, immer als das Haus, in dem wir sier sein konnten, Unterstützung zu finden, wenn es ih um die . größten Auf- gaben des Staats handelte. Wir vertrauen fest, daß das Herrenhaus uns auch jeßt in dem, was wir erbitten, niht verläßt. (Lebhaftes Bravo.) §1

Kronsyndikus Dr. Hamm-Bonn: Jh kenne ein Mittel grotn die Herrschaft im Osten, das niht in unseren Händen und niht in den Händen der Regierung ruht, wohl aber in denen des niederen Klerus, der [katholischen istl im Osten. Dieser lôßt uns im Stich, er mißbraucht die Religion, um uns zu be- kämpfen; wir haben ja geei von der polnishen Mutter Gottes usw.! Selbft in der Rheinprovinz genügt es den dort an- sässigea polnishen Arbeitern au: daß für fie polnis@e Gottesdienste eingerihtet werden, n der polnishe Geistliche soll ein Pole sein. Dabin hat der niedere Klerus gedrängt, er hat weiter Aberglauben und Ketßerei mitten im Volke erweckt, und der Staat fteht mit gebundenen Händen dabei! Jch ave die Hoffnung nicht auf, daß das fatholishe Volk und der Klerus loyale preußische Bürger sein wollen ; bis jeßt hat der niedere Klerus “versagt.

err von Buch: Ich bin ein Gegner der Enteignung, darüber ¿as Sie nah meiner Vergangenheit und meiner Stellung, wenn es s{ch um die Erhal des angestammten Grund- besizes handelt, nicht im Zweif fin, Wir erkennen durh- aus an, daß die Ansiedlungskommission große Erfolge gehabt hat, wenn auch mehr wirtsaftliher und nicht nationaler Natur. Wir geben auch zu, daß" das Enteignunzsreht der Regierung neuen Boden für Ansiedlungen zur Verfügung stellen würde. Wenn wir aber troßdem gegen die Enteignung timmen, so liegt das daran, daß unseres Dafürhaltens die Vorteile der Enteignung weit überschäßt werden. Ich verstehe z. B. nicht, wie man glauben kann, daß durch die Enteignung die s{chwindel- hafte Steigerung der Güterpreise wieder aufgehoben werden fann. Bei Enteignungen wird mit Recht der höchste Preis zu- gebilligt, und ich möhte den preußischen Gerih!shof sehen, der das nicht im Osten täte. ie kann man glauben, daß durch Enteianung von weiteren 60 000 Hektar die Polengefahr aus der Welt geschafft we:de! Deshalb sind wir aus allgemeinem Staatsinterefse gegen die Vorl Es wäre ein harter Vorwurf, wenn uns gesagt würde, wir ließen uns von Sonderinteressen als Grundbesißer bestimmen. Die Aeußerung des Herrn Shmoller konnte so gedeutet werden. Wir können unsern Standpunkt nicht nah außen hin vzrdrehen laffen. Diejenigen nun, welche gegen die Vorlaze find, sind darum hier niht verpflichtet, andere Wege vorzuschlagen.

polnish2zn Bestrebungen, aber fie liegen nicht innerhalb der preußischen Grenzen Der Reichstag kann Mittel schaffen, aber wir können eine folhe Vorlage, die mit den Gruündsägen des preußischen Staates briht, niht deshalb annehmen, weil etwa der Reichstag versagt. Wir billigen die Polenpolitik der Regierung, ihren Zweck, das hindert daß wir die Mittel kritisieren. Vie Anhänger der

eine s{chwierige Lage gebracht. L

Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Fürst von Bülow: \

Meine Herren! In yorgerückter Stunde und nah zweitägiger De- batte will ih mich möglihst kurz fassen. Jh möchte aber auf einige Dinge eingeben, die im Kampfe gegen diese Vorlage eine besondere Rolle gespielt haben. Es if auch heute gesagt worden, daß diese Vorlage im Widerspruh stände mit Verfassung und Geseß. Der | Herr Justizminister hat diesen Vorwurf bereits in sahkundiger Weise |

zurückEgewiesen. Ih möchte aber meinerseits über diesen Punkt noch

das Nachstehende fagen : Das deutsche Volk hat \sich immer hervor- | Das ift eine s{öne |

| Eigenschaft, es ist eine der s{chönsten Eigenschaften des deutschen |

getan durch ein ausgesprochenes Rechtsgefühl.

Volkes; eine Eigenschaft, die wir alle hochhalien. Aber, meine

Herren, die Kehrseite dieses lebendigen und warmen Rechtsgefühls, | das unser Volk auszeichnet, ist seine, politish oft gefährliche, Neigung, | ih in abstrakten Formalismus zu verirren, ist der uns Deutschen

seit jeher eigene Trieb, auch öffentliche Fragen, große politishe Fragen lediglich vom Standpunkte des Privatrechts zu beurteilen. Damit

kommt man in großen politischen Erxistenzfragen nicht durch. (Sehr ! rihtig!) Die erste, die oberste und vornehmste Pfliht des Staates |

ist, sich selbs zu behaupten. So mathen es alle anderen Völker, und

(Sehr richtig!) Ich habe g-\tern gesagt, ich wäre überzeugt, daß,

den Anhängern dieser Vorlage befinden würde. Zur Begründung dieser Behauptung und in Vervollständigung dessen, was ih eben ausgeführt hakte, möchte ih einige Säße aus einer Rede verlesen, die in

„Dann sagt der Herr Abgeordnete weiter in bezug auf die

die ich mich ausfprah: Wo bleibt denn da die Rechts- sicherheit in Deutshland und in Preußen? Die ift ja noch in keiner Weise beeinträchtigt. wollten, wie man das in anderen Ländern wohl tut, wenn man die Güter unentgeltlich einzôge! Das ist ja viel, viel wohlfeiler. Jch sehe niht ein, wie der Vorredner darauf kommt. Es ist dies ein Akt der Notwendigkeit, in dem der preußishe Staat ih befindet dem polnishen Adel gegenüber. Jm Kriege geshieht auch manhes, wobei man die Gleichheit vor dem Gese vollständig aus den Augen verliert. Ein Staat, der um seine Existenz kämpft, ift {ließlich im Kriege und im Frieden niht immer in der Lage, ih in den gewohnten Gleisen zu halten; darin, daß er das nicht ist, besteht gerade die Rechts\icherheit. Wenn wir das anders auffafsen wollten,

Staatsmann vor etwa 20 Jahren mit den Worten \childerte :

fest, und wenn wir darüber zu Grunde gehen. Dieses „La légalité qui nous tue“ hat eben sein Gegengewicht in demNotwehrrecht des Staates, sobald seine Existenz gefährdet ist und in Zweifel gerät.“ Also, meine Herren, auf die Autorität des Fürsten Bismarck kann man sich gegenüber dieser Vorlage nicht berufen. (Sehr

: richtig !)

Man hat weiter gesagt, die Politik, die zu dieser Vorlage ge- führt habe, sei eine harte, eine allzu harte. Jch kann nur wieder- holen, daß wir die Wahl zwishen zwei Eventualitäten haben: Ent- weder Sie gewähren uns die Möglichkeit der Anwendung der Ent- eignung. Jh sage ausdrücklih: die Möglikeit der Anwendung der Enteignung. Ich teile die soeben ausgesprochene Hoffaung, daß im Falle der Annahme des Antrags Adickes die Enteignung so selten wie möglich zur Anwendung gelangen wird. Aber, meine Herren, wenn uns diese Möglichkeit der Anwendung der Enteignung versagt wird, fo gelangt unsere Oftmarkenpolitik, die, Ansiedlungspolitik, die wir seit 20 Jahren führen, die wir führen als eine große staatliche Notwendigkeit, die wir treiben mit einem Erfolge, den zu meiner großen Befriedigung soeben der hohverehrte Graf Botho Eulenburg ausdrücklich anerkannt hat, so gelargt diese unsere Ansiedlungs- politik auf den toten Strang.

Ein Mittel, uns aus diesem Dilemma herauszuhelfen ohne die Möglichkeit der Enteignung, ist mir in allen Reden gegen diese Vor- lage niht angegeben worden. (Sehr rihtig!) Jedesmal, wenn ein Redner \ih erhob, um gegen die Vorlage zu sprechen, sagte ih mir: nun kommt’s! (Heiterkeit) nun werde ich hören, wie ich ducch ein konkretes, praktishes Mittel um die Enteignung herumkomme. Es fam aber nie. (Erneute Heiterkeit.) t

Meine Herren, ein wihtiger Zweck dieser Vorlage ist, jeden Zweifel an der Stetigkeit unserer Oftmarkenpolitik zu zerstreuen. Als ih vor einigen Jahren in Posen war, sagten mir alle Deutschen, mit denen ih mich über die Lage unterhielt : über fast alle Maßnahmen, die im Osten getroffen sind, kann man verschiedener Meinung fein ; über die Ansiedlungspolitik, über die Schulpolitik. - Man kann finden, daß’ dieses oder jenes Mittel mehr oder weniger glücklich ist; man kann finden, daß dieser oder jener Weg richtiger ist oder nicht, besser zum Ziele führt oder niht. Aber eins ist sagten mir alle Deutschen —, was uns vor allem nottut, das ist Stetigkeit, um Gottes willen Stetigkeit (Sehr rihtig!); nur nit wieder ein Hin- und Hershwanken , keinen Zikzackurs! Ein Hauptzweck dieser Vorlage ist auch darin stimme ih ganz mit dem Herrn Grafen Eulenburg überein —, jeden Zweifel zu zerstreuen an der Sicherheit, an der Stetigkeit, an dem vollen Ernst unserer Ostmarkenpolitik.

Uebrigens, meine Herren, glaube ih, daß im leßten Ende eine sichere, ftetige und feste Ostmarkenpolitik auch weniger grausam ift und damit komme ih zu einem weiteren Vorwurf, der gegen unsere Ostmarkenpolitik und speziell gegen diese Vorlage erhoben worden ist —, als halbe und chwächliche Maßnahmen. Solche halben und chwächlichen

| Maßnahmen sind noch immer mißglückt, und sie mußten mißglücken. Durch

halbe Maßregeln, {wächliche Versöhnungsversu&e, Illusionen und Phantasiegebilde wird der Kampf nur in die Länge gezogen. Wir

Es gibt Mittel gegen die national- |

wenn Fürst Bismarck noch unter den Lebenden weilte, er sich unter |

der Sißung des preußishen Abgeordnetenhauses vom 29. Januar | | 1886 Fürst Bismarck gehalten hat. #Fürft Bismarck sagte damals:

Möglichkeit der Erpropriation des gesamten polnishen Adels, über

Ja, wenn wir einfach konfiszieren

dann würden wir in die Lage kommen, wie sie ein französisher

c’est la légalité qui nous tue! Sir halten an dem Geseh '

wollen diesem Kampf, der ih in unserer Ostmark abspielt, dur wirksame Maßregeln möglihft bald ein Ende bereiten. Wir denken | nit daran, die Polen ausrotten zu wollen. Mit großem Recht hat | auch in dieser Beziehung Herr Graf Botho Eulenburg gesagt, das | wäre, wie er ih, glaube ih, ausdrüdckte, eine tolle Jdee. Ja, das | wäre eine hirnverbrannte Idee, und das wäre eine Barbarei. Ich habe { wiederholt, namenilich in dem anderen Hause des Landtages, an der | Hand eines reichhaltigen Materials nahgewiesen, daß der Deutsche im | Often mehr und mehr in die Defensive gedrängt worden ist, daß der | Kampf, den wir im Often führen, lediglich ein Verteidigungskampf ist. Wir wollen, ich wiederhole es, die Polen weder vertreiben, noch verdrängen, wir wollen nur verhindern, daß die Deutschen von den ! Polen aufgesozen und verdrängt werden. Diese Maßnahme, die wir | fordern ih habe das vom ersten Tage an betont —, ist eine Aus- nahmemaßregel, ihren Ausnahmecharakter habe ih von vornherein \harf in den Vordergrund gestellt. Wir fordern diese Maß- nahme als eine exzeptionele Maßnahme, wir fordern sie, \ damit das Deutshtum au4h in der Ostmark diejenige ge- sicherte Stellung einnimmt, die ihm in der preußischen Monarchie und im Deutschen Reiche überall zukommt. Das ist das Ziel, dem wir mit dieser Vorlage zustreben. Gewiß, meine Herren, das Ziel liegt | nicht vor unseren Füßen. Das ist uns wohl bewußt. Aber nach der | festen Ueberzeugung der Königlichen Staatsregierung ist dieses Ziel wohl erreihbar, erreihbar durch Zähigkeit, durch Energie, erreihbar | vor allem durch Stetigkeit. Dazu soll uns auh diese Vorlage dienen. Helfen Sie uns, dieses Ziel zu erreihen durch Annahme des | Antrages Adickes. (Lebhafter Beifall.) Landeshauptmann der Provinz Posen Dr. von Dziem bowsfki im einjelnen auf die Zahlen der Denkschrift der NRegie- rung „20 Jahre deutsher Kulturarbeit* ein. Nah den Kom- | missionébes{lüfsen bleibe der Regieruug noch ein Areal { von 170000 Hektar für die Enteignung übrig. Die Haupt; i sache sei die Abrundung der bestehenden Ansiedlungen. Eine Beruhi- gung auf dem Gütermarkt werde durch die Enteignung vit ein- treten. Die Enteignung folle nach den Erklärungen der Regierung nur im Ausnahmefall angewendet werden, sie werde aber doch nah Bedarf stattfinden, je nah dem Ermessen der Ansiedluncskommission. (Der Präsident Freiherr von Manteuffel bittet wiederholt um Nuhe, da er den Redner nit verstehen könne.) Er habe die : Zuversicht, daß das Abgeordnetenhaus die gruntsäßlihen Bedenken : des Herrenhauses anerkennen und die Sahe noch einmal zu prüfen bereit sein werde. :

Oberbürgermeister K örte - Königsberg beantragt S@ließung der Debatte. Wenn es auch bei dieser wihtigen Frage bedenklich sei, / jemandem das Wort abzuschneiden, fo sei doh die Frage geklärt, und es könne niemand mehr etwas Neues beibringen.

Der Antrag auf Schließung der Debatte wird mit sehr großer Mehrheit angenommen. i

Berichterstatter Herr Dr. von Burgsdorff bemerkt in seinem S{hlußwort, daß er auch nichts Neues mehr sagen könne, die Kommission habe die Vorlage wie eine Zitrone ausgepreßt, es komme nun nichts mehr aus der Zitrone beraus; selbs die stundenlangen Ausführungen des Grafen Oppersdorff hätten nihts Neues beibringen können. Er empfehle, die Vorlage in der Fassung der Kommission anzunehmen.

Jn namentlicher Abstimmung wird darauf der Antrag Adickes (Wiederherstellung der Fassung des Abgeordneten- hauses, d. h. Zulassung der Enteignung bis zu 70000 ha, mit Hinzufügung genauer Definition der von der QuEns ausgeschlossenen kirhlihen und Stiftungsgrundstücke) mit 14 gegen 111 Stimmen angenommen.

Damit find die Kommissionsbeshlüsse zu §8 13 und 134 gefallen und der Antrag von Wedel zu § 13a erledigt.

Die übrigen Teile des Geseßes und das Geseh im ganzen werden ohne weitere Debatte angenommen.

| Auf Vorschlag der Kommission faßt das Haus noh folgende Rejolution: :

„die Königliche Staatsregierung zu ersuhen, möglichft bald ein

Organ zur Umgestaltung der Königlichen Ansiedlungskommission für

¿i die Provinzen estpreuden und Posen in die Wege zu leiten und

geht

hierbei den Einfluß der beteiligten O ä Ee eine Mitwirkung der Organe E ecettieis a

Die eingegangenen Petitionen werden für erledigt erflärt.

[luß 61 _ s j ti Ende Vlärg Nächste Sißung unbestimmt. Voraus-

5 Haus der Abgeordneten.

39. Sißung vom 27. Februar 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sizung, in der die zweite Be- ratung des Staatshaushaltsetats für das Rehnungs- E 1908 bei dem Spezialetat des Ministeriums des

nnern fortgeseßt wird, if in der gestrigen Nummer d. Bl. dere NoTen. ;

et dem ersten Titel der dauernden Ausgaben

Gehalt des Ministers“, findet, wie üblich, eine allgemeine p C : , emeine Diskussion statt. : d, q

Mit zur Beratung gestellt werden die im Etat der Bau- verwaltung enthaltenen, bei dessen zweiter Lesung an die Budgetkommisfion zurückverwiesenen Forderungen für die Er- rihtung neuer Regierungsgebäude in Gumbinnen, Ee G N und Cöln a. Rh.

„Ava. Stroller (fonf.): S{hon bei Beratung des Etats des Zustizministeriums ist auf die Verbreitung obszöner Bilder und Schriften hingewiesen worden; die Empörung über dieses Unwesen war allgemein. Es ist bedauerlih, daß die Polizei diesem Unwesen ziemlich matlos gegenübersteht, weil sie so oft von dem Gerihte desavouiert wird. Der Minister sollte sih aber dadur niht davon abhalten lafsen, die unteren Poltieiorgane zu veranlassen, in ibrem Eifer nicht zu erlaÿmen. Es werden jeßt so viele unsittlihe Theaterstücke auf gefübrt, daß jeder anftändige Familienvater gar nit mehr recht weiß, ob er seine Kinder ins Theater s{chicken kann. Die Ge- cihtsurteile in diesen Fragen slüßen sich auf die Gutachten von Satverständigen, deren Wert sfaitsam bekannt ist. Bei der Be- urteilung dieser Stücke muß die Frage maßgebend wi:ki das Stück in sittlicher Beziehung Verderbnis oder nicht? Ueber ‘das s{hamlose Treiben auf den Straßen in Berlin ist {hon oft geklagt worden. Zu gerwoiffen Stunden kann eine Dame sich allein nicht auf“ die Straße wagen. Das find Zustände, die unhaltbar sind. Das Nacht- [eben gereiht Berlin nicht zur Ehre. In fremten Hauvpts- fädten Kerrscht eine sole Unsittlihkeit vor der Oeffentlichkeit niht. Das Detektivwesen ift in Berlin unzureichend geregelt. Heute liegt die Sahe #o, daß jeder anftändige Mersch durch Spione verfolgt werden kann. Ein Mann wurde vier Wochen auf Shritt und Tritt verfolgt. Jn einem anderen Falle wurden die Familienverbältnifse in der detailliertesten Weise ausf\pioniert. Der Minister sollte für eine bessere UVeberwahung der Detektiv- bureaus und dafür sorgen, daß eine Ueberwahung nit ohne ¿wingende Gründe stattfinden darf. Ncch einmal muß ich die Auswüchse des Automobilwesens zur Sprache bringen, über die wir neuli bei unserer Interp-llation {on verhandelt haben. Wir wünschen, daß vor allem die Behörden die bestehenden Vorschriften auch wirkli anwenden. Di- Ausbildung der Chauffeure läßt viel zu wünschen übrig. Diese unsere Behauptung ist glänzend gerechtfertigt worden dur eine Eingabe der Berliner Chauffeure, in der eine staatlihe Beaufsichtigung der Chauffeurshulen und eine Verbesserung der Prüfungen gefordert wird. In der Eingabe wird angegeben, daß in eirem Jahre 6000 Fahr- seine von einem einzigen Prüfungtkommissar erteilt worden sind und es vorgekommen ist, daß in einer Stunde 20 und mehr Chauffeure geprüft worden find; mande sollen dabei bloß gefragt worden sein, ob sie Automobil fahren könnten. Daß unter diesen Umständen eine ordentlißhe Prüfung der Chauffeure nicht möglih ist, ift selbstverständlich. Der Straßenlärm der Automobile ift uerträglih, es fümmert s\ich fein Mens darum, daß die Automobile die Nachtruhe der Bewohner ftôren. Die Regelung des Verkehrs auf dem Potsdamer Plaß hat ih bewährt; das ift eine Einrichtung, die man in Frankreih und England \{hon jaxhre- lang hat. Es wird aber zu überlegen sein, ob niht an solchen Verkehrépunkten dec Verkehr der Automobile überhaupt verboten werden kann. Für die Automobile maht es nit viel aus, wenn sie einen fleinen Umweg machen. In der automobilfreundlihen Presse wurden heftig diejenigen angegriffen, die hier gegen die Auswüchse au’getreten sind. Sogar in dem Organ des Kaiserlichen Automobil- Hubs, der „Allgemeinen Deutschen Automobilzeitung“*, wurden wir Abgeordnete angegriffen ; das wird uns natürli nicht davon avhalten, aud ferner die Auswüchse zu tadeln. Auf dem Kurfürstendamm kann man Erfahrungen machen, wie die Automobile fahren, fast keines tidtet sih dort nah den polizeiliden Bestimmungen. Auch in der sreisinnigen resse: ¿. B. der „Frankfurter Zeitung“, die die Auswüchse des Automo ilismus öfter in râdster Nähe zu sehen Gelegenheit bat, wird gegen die „wahnwitzige Automobilfexerei* geschrieben. Be- sonders auf den Landstraßen sollten die untergeordneten Organe der Polizei energisch gegen die Automobilfahrer vorgehen, und der Minister follte sie dahin anweisen. Ueber die Touren- fabrten hat sih die Empörung des Volkes besonders geltend gemacht. Ein Teilnehmer einer Tourenfahrt schreibt in der., Frankfurter Zeitung“, daß die Tourenfahrten zu Straßenrennen unter der falschen Flagge der Zuberlässigkeitsfahrten geworden seien. Die Tourenfahrten auf den Landstraßen müssen unter allen Umständen verboten werden. Ich nêhte nah dem Projeft der Autorennbahn fragen, die im Taunus an- gelegt werden soll. Es sind drei Projekte erörtert worden, eines davon in der Lüneburger Heide. _Durch das Projekt der Taunusbahn würden mebrere hundert Morgen fiskalischen Waldes an die Gesellschaft ver- auit werden, der Limes würde auf eine große Strecke zerstört werden. hes stadtischen Vertretungen von Homburg u. a. baben energisch gegen P ‘s Projekt protestiert, weil es die landschaftliche Schönheit eines Ge [chönften Punkte unseres Vaterlandes beeinträchtigen würde. Die émeinden sollen sogar zu den Kosten herangezogen werden, Rege sfih tagegen au,

sein : erregend

und fie nah meiner Auffassung auch mit vollem

Minister des Jnnern von Moltke:

Meine Herren! Herr Abg. Strofser hat in seiner Rede eine ganze Reihe bon polizeilihen Angelegenheiten gestreift, die mi tienstlih beschäftigen und, wie ih gleich hirzufügen will, der Gegen- and meiner dauernden Sorçe sind. Es sind lauter Gebiete, die von * Standpunkt des Publikums aus für mih einen leiht ver- etge: Punkt geben, aber Gebiete, in denen zu wirken und thilfe ¡u hafen meine ernste Sorge sein wird.

Der Herr Abgeordnete hat zunä von der verwerflihen, aen Literatur gesprochen, die \sich breit macht. Die ernste Ma die für weite Volklskreise in der pornographbischen Literatur L tht, namentlich binsihtlich unserer heranwahhsenden Jugend, hat | r wie meinem Herrn Vorgänger wiederholt den Anlaß gegeben, n Polijeiverwaltungen ihre Bekämpfung auf das ernftlihste zur E ¡uu machen. Meine Herren, wenn auch die Erfolge nit dis sofert autage treten oder greifbar sind, die Bemühungen der E Jerbehörden auf diesem Gebiete ruhen und rasten niht. Es find

tin in Berlin in den legten Jahren 98 Beschlagnahmen unzüchtiger

y ften durhgesegzt, wobei die einzelnen Anordnungen häufig eine

ie Gruppe von Schriften betrafen; es find fast 900 Bilder zur

195 Drucksachen vom Straßenhandel ausgeschlossen. Die dauernde Aufmerksamkeit und Verfolgung dur die Polizei hat es erreit, daß 22 sogenannte „Wißhblätter* ihr Erscheinen gänzlich eingeftellt haben. (Lebhaftes Bravo). ¿

Mit besonderem Nachdruck gehen wir hierbei darauf aus, die legten Verbreitungsftellen dieser gemeingefährlihen Erzeugnisse und damit die gewerb8mäßigen Unternehmer zu treffen. Es werden des- halb die Inserate in den Zeitungen aufmerk’am beobachtet, von denen .72 aus den Spalten der Berliner Blätter ausgemerzt werden fonnten. Dabei hat ih herausgestellt, daß der Ursprung dieser verwerflihen Bilder und Schriften meist im Auslande zu suchen ist, und das hat uns dazu geführt, ein enges Zusammenarbeiten mit den Zollbehörden herbeizuführen und bei einzelnen Staatsanwaltshaften Sammelstellen, die nah Ländern geordnet sind, einzurichten.

Die größten Schwierigkeiten bieten vor allem die Noheiten und die häßlihen Bilder und Worte, die, ohne daß sie den juristishen Tatbestand einer strafbaren Handlung ganz erfüllen, doch auf jeden anständigen Menschen abftoßend und abshreckend wirken müssen. Es ist ja die Grerze der Strafbarkeit häufig sehr {wer zu finden. In über 200 Fällen wurde den Strafanzeigen des hiesigen Polizeipräsidiums von den hiesigen Staatsanwaltshaften oder den Gerichten nit statt- gegeben. (Hört! hört!) Aber diesen Umstand erwähne ih nicht, um einen Vorwurf gegen eine andere Behörde zu erheben, sondern nur, um daran die Bemerkung zu knüpfen, daß wir nicht müde werden, auf dem Wege fortzufahren, den ih bezeihnet habe. (Lebhaftes Bravo.)

Dann hat der Herr Abgeordnete die Zensur der Theaterstücke be- rührt. Meine Herren, der künftlerishe Wert der Stücke, welche der Zensur unterbreitet werden, wird durch Sachverständige festgestellt, es wird das Urteil von literarischen Sa@verftändigen, von Schrift- stellern, von Professoren der hiesigen Universität gehört, die in die Prüfung eingetreten sind und ihre Gutachten abgegeben haben. Das Abwägen zwischen dem künstlerishen Wert und dem sittlihen Unwert ist Sale der Polizei, in höherer Stelle Sache des Ministers des Innern, und ich kann Sie versihern, daß das gewissenhaft geschieht. Wir haben gewisse Merkmale und Nichtpunkte bekommen und gewinnen sie weiter dur die Stellung, wele im Klagefall das Oberverwaltungs- gericht einnimmt, und in diesem Rahmen fällt die Entschließung der Polizeibehörde aus.

Es ist dann weiter das Berliner Nahtleben berührt worden, au ein Gebiet, das ja {on häufig, wie ih aus den stenographishen Be- rihten gesehen habe, auch noch im vorigen Jahre hier im Hause be- handelt worden ist. Meine Herren, die Polizeistunde ist in Berlin dauernd von 11 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens festgeseßt, und jede Ausnahme bedarf der polizeiliGen Genehmigung. Es muß ja selbst- verständlih in einer Millioaenstadt wie Berlin hierbei auf besondere Forderungen des großstädtishen Lebens, des internationalen Verkehrs und des Verkehrs mit den Vororten Bedacht genommen werden. Aber ih habe den Polizeipräsidenten angewiesen, jeder übermäßigen Ver- längerung des Nathtlebens entschieden entgegenzutreten. Die Polizei- behörde ift darauf ausdrücklich von mir wiederholt hingewiesen worden, daß in bezug auf die Polizeistunde an der Norm festgehalten werden und nit die bloße Tatsache einer cinwandfreien Geschäftsführung und eines einwandfreien Verkehrs genügen soll, um fhre Verlängerung zu rechtfertigen, sondern es soll der Nachweis eines unverkennbaren Bedürfnisses verlangt werden. Jn leßterem Fall kann die Verlängerung bis 12 und 1 Uhr, ausnahmêweise bis 2 Uhr und darüber hinaus erfolgen. Im einzelnen ist bestimmt, daß die Ausdehnung öffentlicher Tanzlustbarkeiten über 2 Uhr hinaus nicht mehr gestattet wird, und daß für die sogenannten Bars die Genehmigung in Zukunft über 1 Ußr hinaus nit mehr erteilt wird. (Sehr gut!) Die eigentlichen Animierkneipen sind auf jede geseglich zulässige Weise zu beschränken. Eine Ausdehnung der Polizeistunde findet bei ihnen grundsäglih über- haupt nit statt. Nit gleihmäßig können die Cafés behandelt werden. Da ist auf den Familienvezrkehr, den NReiseverkehr und den Fremdenverkehr Rücksiht zu nehmen; aber die Verkürzung der Polizei- stunde is auch hier in Aussicht genommen und wird, wie ih hoffe, allmählich durhgeführt werden können. Auf diesem Wege ist innerhalb des verflossenen Jahres bereits eine gewifse Besserung erzielt worden. Da mir Optimismus auf diesem Gebiet vorgeworfen ift, so erlaube ih mir, ausdrücklich auf folgendes hinzuweisen : Während die Anzahl der vorhandenen Schankwirtschaften wiederum eine Vermehrung erfahren hat, ist die Anzahl derjenigen Wirtschaften, welche überhaupt eine Verlängerung der Polizeistunde genießen, in diefem einen Jahre von 619% auf 58,5 %/, also um 2!/, 9% zurückgegangen. Zur Zeit baben rund 349% der Wirtschaften Polizeistunde um 12 Ubr, 14,5 9% um 1 Ubr und 6% um 2 Uhr, sodaß 96 9% aller Lokale um 2 Uhr ge- shlofsen sein müssen. Jch werde auf diesem Wege unter weitgehendster Schonung berechtigter Ansprüche und Interessen fortfahren.

Weiter hat der Herr Abzeordnete das Gebiet betreten, welches

die Gemüter, wie er auch selbst hervorhob, augenblicklich am meisten

beshäftigt, nämlih das Gebiet d:8 Automobilwesens. Meine Herren,

ih bin [eider verhindert gewesen, bei der Interpellation aus dem

Hohen Hause hier persönli anwesend zu sein; aber ih babe mi

wohl verftändigt mit meinem Kollegen, dem Herrn Minister der

öffentliGen Arbeiten, und die Erklärungen, die er hier abgegeben hat,

hat er auch ausdrücklih gleihzeitig in meinem Namen, glaube ih,

abgegeben. Wir sind mit ihm dur{aus darin einverstanden, daß wir

alle Auswüchse des Automobilwesens auf das energishste zu be-

kämpfen haben. Ich erkenne die Verpflichtung, mit allen geseßlichen

und polizeilihen Vorschriften und dur eine strenge Handhabung der-

selben den Gefabren des Automobilwesens vorzubeugen, durchaus an.

(Hört, hört! rechts.) Wir kämpfen gegen die Auswüchse wenn ih

fo sagen darf gegen das Parvenuwesen im Automobilismus. Von

ibm gehen die ganzen Rüdsichtslosigkeiten aus, und um den Schwiertg-

keiten abzuhelfen, die daraus entstehen, find, wie der Herr Minister

der öffentlihen Arbeiten Jhnen mitgeteilt hat, in der vershiedenstea

Weise Mittel in Aussi@t genommen und in Vorbereitung. Es hat - fich herausgestellt, daß die Beftrafungsmöglihkeit, die Grenze der zuläsfigen Strafen, zu gering bemessen ist. 60 Mark Strafe bilden keinen Gegenstand, der einen unvorsichtigen oder ungeshickten Fahrer abhâlt, Polizeiverordnungen zu übertreten (sehr rihtig! rechts), umso- weniger, als er leider, wie die Erfahrung zeigt, in häufigen Fällen davon Gebrau matt, si der Ergreifung und Bestrafung dur die Sludt zu entziehen. (Sehr richtig! rechts.) j

Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Ausbildung der Chauffeure und ihre Prüfung augenblicklich nit in dem erwünschten Maße ausgeübt wird. Auch hierfür sind Maßregeln in Vorbereitung.

inziehung gelangt, die Anstoß zu erregen geeignet waren. Es sind

Reichsgesegebung, und ih glaube, es. wird nähfler Tage der Oeffentlichkeit bekannt gegeben werden —, Bestim: S die es ermözlihen, dem Chauffeur, au dem Selbstfährer die Er- [aubnis zum Fahren zu entziehen, wenn die Vorausseßungen, unter denen die Erlaubnis erteilt ist, bei ihm niht mehr zutreffen. Es befinden \ih diese Bestimmungen in dem Haftpflichtgesez, welches nächstens im Reichstag zur Beratung kommen wird. Für sehr wichtig halte ih auch es ist darüber eine Konkurrenz ausgeschrieben die Einrichtung eines Schnelligkeitsmessers. Erst wenn wir einen Schnelligkeitsmesser haben, der genau anzeigt, ob und wie in einem bestimmten Orte und zu einer bestimmten Zeit der Autofahrer das zulässige Maß überschritten hat, wird es mögli sein, ibn in der rihtigen Weise zur Strafe zu ziehen. Es ist, wie gesagt, ein Konkurrenzaus\s{hreiben für Schnelligkeitsmefser ergangen, und das Ergebnis wird demnähft geprüft werden.

Die notwendige Ergänzung füx diese Maßregel ift aber die stellung einer Bahn, auf welcher die Vebungen und Prüfungen flatt- “finden können, und zu dem Zweck, niht, um Rennen zu veranstalten, soll die Bahn errihtet werden, für die man augenblicklich das Augen- merk auf den Taunus geworfen hat. E3 wird beabsihtigt, eine Chauffee in doppelter Breite herzustellen, welWe keine Niveau- kreuzungen mit Bahnen oder öffentlihen Wegen besißt, und welche, was ausêdrücklich ausgesprochen ist, jzedes Denkmal, auch den Limes, nach Möglichkeit {honen und nicht b:\{ädigen soll.

Ich hoffe, daß dur alle diese Mittel erreicht werden wird, daß das Auto mit der Zeit si einlebt und uns kein unwillkommener Gast auf den Straßen sein, sondern seiner Bestimmung mehr ent- gegengeführt wird, Lasten zu Fefördern und Hindernisse, wie fie auch auf der Autobahn vorgesehen find, große Steigungen und Gefälle, zu überwinden, und daß wir auf diese Weise uns mit dem neuen Gast auf unseren Straßen aus\öhnen können. (Bravo!)

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.) beantragt zur Geschäftsordnung, die seinerzeit an die Kommisfion zurückver- wiesenen Titel aus dem Etat der Bauverwaltung vorweg zur Ab- stimmung zu bringen, damit die Kommissare der Bauverwaltung nicht bis zum Abschluß der allgemeinen Debatte anwesend zu sein Ee. Freib _ Dle Abgg. Freiherr von Erffa (kons.) und SHmeddinag (Zentr. {ließen sfi diesem Vorshlage an. ) s I

_Es werden darauf die Titel der Neubauten oder Er- weiterungsbauten der Regierungsgebäude in Gnmbinnen, Allen- stein, Münster und Cöln nach dem Antrage der Budgetkommisfion ohne Debatte bewilligt und sodann die unterbrohene Debatte fortgeseßt.

Abg. Schmedding (Zentr.) weist auf die bobe Belastung der Ge-

meinden mit Steuern hin und wünsht eine Verteilung der allgemeinen Lasten auf größere Zweckverbände, um die Gemeinden davon zu ent- lasten. Dann werden, bemerkt er weiter, größere“ Mittel für die Armenpflege ¿zur Verfügung gestellt werden, und das wird mit dazu dienen, die Landflucht einzushränken, denn in den Städten if meist die Armenpflege besser als auf dzm Lande. Das administrative Zwangsverfahren gegen Trunkenbolde und der- gleihen muß eingeführt werden, wie es Hamburg bereits in einem neuen Geseg bestimmt hat. Hamburg hat aug die Frage geprüft, ob das administrative Zwangsverfahren gegen die Reichsgesetgebung veritoßt, und festgestellt, daß das nicht der Fall ist. Dasselbe Ver- fahren besteht in Württemberg, und was in Württemberg und Hamburg möglich it, das müßte auch in Preußen möglih sein. Der Redner empfiehlt ferner besondere Fürsorge für die \{chwath- finnigen Kinder und deren Unaterriht und erklärt ih gegen die Unbilligkeit, daß die von der Armenpflege Unterstüßten, au wenn sie unvershuldet in Armut geraten seien, kein Wablrecht haben. Ueber Beschwerden gegen die Armenverwaltungen entshieden auf dem Lande die Kreitaus\hüfse, in den Städten die Bezirksaus\chü}e. Bei den Hunderten von Kreisaus\{üssen ergingen die verschiedensten Entscheidungen zumal über die Entziehung des Erziehungsrehts. Es müsse auf diesem Ge- biete eine Rechtseinheit ge\haffen werden. Besonders not tue eine einheitliche Entscheidung über die Pflicht der Landarmerverbände zur Unterbringung der irren Verbrecher. Das beste wäre, wenn der Staat selbst die Fürsorge für die geistesfranken Verbrecher über- nähme. Die Unterbringung dieser Verbreher mit den anderen z¡u)ammen empfehle sich niht. Unter den Einrichtungen, die sur die irren Verbreher getroffen werden müssen, litten die anderen Kranken in den Anstalten. Die Schuldenlast der Pro- vinzen jei nicht zulegt auf die Kosten der Unterbringung der irren Verbreher zurückzuführen. Von neuem müße die Frage der Feuerlösheinrihtungen und der Regelung der Brand- shäâden geprüft werden. Es kämen Ueberversihzrungen bis zu 48 °/o âber die Taxe vor. Was die Verwaltungsorganisation be- treffe, so entsprede sie den modernen Verbältnifsen niht mehr. Früher habe die Verwaltung überwiegend aus Juristen bestanden. die technischen Râte seien ganz in den Hintergrund getreten. Die Verhältnisse des Lebens seien damals viel einfacher gewesen. Die modernen Verhältnisse erforckerten aber eine Dezentralisation der Ver- waltung und besonderédie Oervorbebung des tehnishen Elementes. Für die hôbere Beamtenkarriere sollten niht nur Männer aus den reichen Kreisen genommen werden, sondern anch möglihst Männer, die die Be- dürfnisse des Volkes aus eigener Anschauung kennen. Sonst könne man ih nicht wundern, wenn der Luxus unter den Beamten immer mehr zunehme. Mit Ersparnissen in der Verwaltung nehme es die Zentrumepartei ernst, und fie werde event. im nächsten Jahre mit An- trägen hervortreten, denn es dürfe nicht beißen, daß China die Ver- waltung8zöpfe [eiŸter abzushneiden vermöze als Preußen. Abg. Fritsch (nl.): Auch ih halte eine Dezentralisation der Verwaltung sür wesertlich, nur dadurch können die Bedürfnisse der Bevölkerung genügend _fonftatiert und eine engere Füblung mit den Organen der Selbstverwaltung genommen werden. Mit dem Abg. Strofser halte ih die Erscheinungen des Nachtlebens in Berlin für beklagenswert, bin aber der Meinung, daß die Beschränkung der Polizeistunde allein kein ausreihendes Mittel ist. Die Polizei- berordnung kann nur wenig nüßen; es muß die Sitte des Volkes selbft zu_ Hilfe kommen. In den Großstädten sind die Wohnungss verbältnifse mit huld, da die Geshlehter in denselben Räumen miteinander Unterkunft finden. Ein Wobnungsgesetz ift vor einigen Jahren in Aussicht gestellt worden. Jn Berlin wohnen 48 9/9 der arbeitenden Klafsen in unzulänglißen Räumen, in Nirdorf 94 °/%, in Breslau 40 %. In einem heizbaren Zimmer wohnen oft 6 und mehr Personen, Erwahsene und Kinder mit den Sétlafburschen zusammen. Ih möthte den Minister nah dem Schickjal des Wobnungsgesetzentwurfes fragen. Der Redner weift ferner auf die zunehmende Verschuldung der Gemeinden und auf die Kursverluste bei den Sparkassen bin. Was die Verwaltung von Berlin betreffe, so würde wohl die Dezentralisation in einem „Groß- Berlin® sehr viel Schwierigkeiten mit ih bringen, dagegen werde fih durch Zweckverbände Ersprießlihes erreichen laffen.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (freikons.) : Ich teile die Auffassung von der Notwendigkeit einer gemäßen Ordnung der Wohnungtverbältnisse in den Großstädten niht nur im Interesse der Gesundheit, sondern au weil darin ein Mittel liegt, den Zuzug in die Großstädte zu mindern. u der Frage der Dezentralisation der Verwaltung möchte ih nige Anregungen geben. Nachdem der Minister erklärt hat, daß die 3 Instanzen: Oberpräsident, Regierungspräsident, Landrat erhalten werden follen, ift mit einer Autschaltung der 2. Instanz niht mehr

Es wird beabsihtigt das Geseh bewegt ih auf dem Gebiete der

zu rechnen, Es muß deshalb die Dezentralisation an einer anderen