1908 / 64 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

anspruch und ohne Anspru auf Hinterkbliebenenversorgung zu enkt- auten Die Revision der Patentgesetzgebung solle möglichst beschleunigt werden.

Abg. von Gamp (Rp.): Dem Wunsche des Vorredners, daß die Dauer des Patents niht vom Zeitpunkt der AAe sondern der Erteilung gerechnet werden möge, kann ich mih ans{hließen. Daß der Erfinder einen gewissen Anteil an der Verwertung des paten- tierten Gegenstandes haben soll, ist an #ich ein berehtigtes Ver- langen. it Aenderungen der Gebührensäße muß man äußerst vor-

tig sein; eine Herabseßung könnte leiht die Folge haben, das _ Patentamt mit einer Fülle von Patenten zu überschwemmen, deren

rüfung lediglich einen großen Zeitaufwand erfordern würde.

uch mir gibt die englishe Gesetzgebung wegen des Ausführungs- zwanges Veranlaffung u einigen Bemerkungen. An sich timmen die deutsche und die englishe Patentgeseßgebung im wesentlichen überein ; die Hauptsache ist die Ausführung der bestehenden Vorschriften. Da weichen denn die deutschen Bestimmungen erheblich von den eng- lischen ab, und die jeßt in England beliebte Aenderung zwingt au uns, uns diesem anzupassen bezw. auf dem Wege internationaler Ver- einbarung einen Ausgleich zu finden. Jedenfalls müfsen wir mit unseren Ausführungsbestimmungen uns der veränderten englischen Praxis anschließen. i

Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern Wermuth: Die

weiz hat tatsählih bis zum 31. Dezember 1907 ein Geseß zu erlassen versprochen, das auch die Patentierun See Verfahren zuläßt oder gewisse Rechte einräumt. Die Schweiz ist dieser Verpflihtung nahge-

ommen, sie hat ihre Verfafsung und ihr Patentgeseß entsprehend geändert. Anderseits verkennen wir niht und haben auch aus den za lreichen Bedenken der deutshen Industrie, die uns zur Kenntnis gekommen find, entnehmen müssen, daß das neue Geseß den Interessen unserer Industrie nit ganz gerecht wird. Immerhin aber ist die Zeit seit dem 1 Dezember 1907 so kurz, daß es für uns das Richtige erscheint, zunächst einmal die praktishe Handhabung des neuen R ab- zjuwarten ; unsere Rehte aus den Handelsverträgen bleiben ja inso- weit unberührt, als eine Abstellung der Schwierigkeiten tas nit erfolgt ist. Bezüglich der englischen Gesetzgebung beziehe i

mich auf die Erklärung des Staatssekretärs von vor einigen Tagen, Die Frage des Verhältnisses des englishen Geseßes zu dem unsrigen und zu der internationalen Patentunion, insbesondere die Frage ‘der Erwirkung der Frist für die Einführung des Ausführungszwanges steht noch zur Erörterung zwishen uns und England; zur Zeit läßt fich darüber hier nichts sagen.

Abg. Dov'e (fr. Vgg.) : Der Abg. von Gamp rät uns an, ebenso wie England eine entsprehend \harfe Praxis eintreten zu lafsen. Das können wir nit, weil die Patenterteilung bei uns ein Akt der Reht- sprehung ist, und wir also vershiedenen Staaten gegenüber nit verschieden verfahren können. Die Frage des Erfindungsrehtes der Angestellten ist an ih ganz klar; zu einem geseßlichen Eingrif in das Vertragsrecht und zu einer Aenderung des Patentgesezes nad dieser Richtung liegt nach meiner Meinung kein Anlaß vor ; ob der Name des wirklihen Erfinders in das Patent aufgenommen wird, ist mehr eine Etikettenfrage. Bei der Frage der Gebührenermäßigun Ee der fiskalishe Gesichtspunkt, den der Abg. von Gamp au ns Feld führte, doch auss{heiden. Wir marschieren in bezug auf die Höhe der Patentgebühren leider an der Spiße aller. Kulturländer. Im Gegensaß zu dem Abg. von Gamp reden wir daher einer Herabsezung der Gebühren das Wort. Die Höhe der Gebühren lastet \{chwer auf unserer Jndustrie. Die Ueber- \{wemmung mit Patenten wollen auch wir vom Patentamt tunlichst fernhalten. Der Staat hat selbst aus manchen Erfindungen so un- gebheuren Nutzen, daß er hier nit so halsftarrig sein sollte; ih er- innere nur daran, daß heute die Post Millionen über Millionen aus dem Fernsprehwesen einnimmt.

Die Ausgaben für das Patentami werden bewilligt.

Zu den ordentlichen Ausgaben für das Reichsversihe- rungsamt liegt die Resolution Findel (nl.) vor, die ver- bündeten Regierungen um Abänderung des Gewerbe- unfallversiherungsgesezes nah der Richtung zu er- Be daß die Versicherungspflicht 1) auf alle Handelsge)chäfte, oweit sie mit Lagerungs- und Beförderungsbetrieben verbunden sind, ohne Rücksicht auf eine Eintragung in das Handels- re ister und 2) auf die gesamte Tätigkeit des Geschäfts aus-

„gedehnt wird.

. Irl (Z): Das JInbvaliditätsgesep enthält manche Härten, deren Beseitigung, namentlih soweit es sih um Straf- bestimmungen handelt, dringend erwünsht wäre. Das Gewerbe- núfallverl\berungügeseh umfaßt auch manche Handwerke, denen dadurch unershwinglihe Lasten aufgebürdet sind. Das ganze Gesetz i in mancher Beziehung lückenhaft und wirkt in bezug auf einzelne Gewerbe ungleichmäßig und ungereht; die Entscheidungen der Schiedsgerichte sind schwankend. Die kleinen Meister bezahlen einen viel höheren Prozentsay aller Betriebskosten und Beiträge als die

roßen Betriebe. s müßte eine gerechtere Verteilung der asten, eine Entlastung der kleineren Meister herbeigeführt werden. Notwendig ist auch die Ansammlung eines Reservefonds für längere Zeit. Nach dem neuen Geseg dauert die Ansammlung nur bis zum Jahre 1920. Die in dem Reservefonds angesammelten Kapitalien kommen dem Handwerk nicht zugute, sie müssen oft das Doppelte an

insen bezahlen, was die großen Unternehmer und Kapitalisten zu ezablen haben. Warum könnten die Handwerksgenossenschaften nit alimentiert werden? Eine Gefahr wäre damit niht verbunden, wohl aber könnte damit dem Handwerk in wirksamer Weise geholfen werden. Ein wunder Punkt ist auch die zwangsweise Einziehung der Beiträge der Berufsgenofsenshaften. Wieviel Pfändungen vorgenommen werden müssen und wieviele fruchtlos ausgefallen sind, läßt fich aus dem Berichte leider nicht ersehen. Eine Revision der Versicherungsgesetze würde vor allem eine Entlastung der kleinen Händwerksmeister zum Ziele haben müssen.

Abg. Findel (nl.): Petitionen und Handelsvertretungen haben sich bisher wiederholt über die Unklarheiten des § 1 des Gewerbe- unfallversiherung9gesezes beshwert. Das Geseß von 1884 be- \chränkte ih an einen bestimmten engen Kreis ; im Laufe der Jahre wurde der Kreis der Versicherten erweitert; es wurde die Ver- (rgerung est für Speditions- und Lagereibetriebe eingeführt, iese Versicherungspflicht erstreckt sh aber niht auf die gesamte Tätigkeit des Geschäfts. Das hat zu zahlreihen Beshwerden Anlaß gegeben. Der Redner empfiehlt unter großer Unruhe des Hauses die von ihm beantragte Resolution; seine Ausführungen bleiben jedoch im einzelnen auf der Journalistentribüne unverständlich.

Abg. Graf von Carmer-Zieserwih (dkons.): Meine politischen Freunde haben 1907 eine Resolution eingebracht, die den § 34 des Unfallversicherungsgeseßes dahin abändern wollte, daß das frühere Verhältnis des Reservefonds wieder hergestelt würde. Bei der Verhandlung nahm namens der Reichsregierung der Geh. Rat Beckmann dagegen Stellung, und das Haus einschließlich des Zentrums hat gegen die Resolution gestimmt. Dies nur nebenbei. Ich wende mich zu der Resolution, welhe die Aus- dehnung der Unfalifürsorge auf die freiwillige Feuerwehr betrifft. Der Resolution wegen obligatorisher Unfallversi ng der Feuer- und Wasserwehren können wir nur zustimmen. Es erscheint uns durhaus zweckmäßig, daß für die freiwilligen Feuerwehrleute, um die es sih ja in der Hauptsahe handeln wird, eine solche Sicherung gelaffen wird (Der Präsident maht den Redner darauf aufmerksam, daß diese Resolution niht zur Debatte steht). Ich wollte nur sagen, daß wir e diese Resolution ge- immt haben. m Je 1907 sind gerade noch einmal soviel

tersrenten in gfall gekommen als neu hinzugekommen. Das zeigt, daß die Herabsetzung der Altersgrenze eine Notwendigkeit wird, wenn anders wir den Zweck der Altersversiherung noch weiter erreihen wollen. Die ttel, um diese Herabsetzung zu er- möglichen, sollten durch eine Verbilligung und Vereinfahung der Ver-

tung geschaffen werden. Meine politishen Freunde den Zeitpunkt der Reorganisation der Versicherungen und der damit ver-

D

bunbents Vereinfahung als Js e für die Herabsewung

e E Denn da nd wir uns alle einig, d leßtere nit dar eine Erhöhung der Beiträge der Arbeiter erreicht werden fann; ebensowenig aber fönnen wir daran denken, mla, M alles den Arbeitgebern aufzubürden, die ohnehin enug sozialpolitishe Lasten zu tragen haben. Graf Posadowsky hat 1 ne Neukodifizierung des Ve n für Ende 907 in Aussicht gestellt. Es wäre uns eine eilung sehr er- wünscht, wann wir denn auf eine solche Neukodifizierung rechnen können. Ein Teil der Fonds könnte dazu verwandt werden, bay auf dem platten Lande für eine Vermehrung der Diakonissenstationen gesorgt würde. Am besten würde dies dadur geschehen, daß man die vaterländischen Frauenvereine subventionierte. Wenn ih recht unter- rihtet bin, is dies in Ost- und Westpreußen bereits geschehen. Die Anlage von Diakonissenstationen liegt aber auch im Interesse der oval Den De Ee st; denn bei Unglücksfällen auf dem Lande, besonders bei nit di ter Bevölkerung dauert es sehr lange, bis der Arzt sa en eingreifen kann. Vcan tut den Inyaliden, die in die Genesungsheime kommen, absolut keinen Gefallen, wenn man sie dort an einen Luxus gewöhnt, den sie später niht mehr haben können. Damit schadet man fh nur selbft.

Abg. Hue (Sos): Der Reichstag hat zwei Resolutionen an- genommen, eine sozialdemokratishe und eine vom Zentrum, die unter dem Eindruck des Unglücks von Courriòres entstanden war und die Explosions- und Feuergefahr in Bergwerksbetrieben behandelt. Auf Grund dieser Resolutionen ist eine Denkschrift herausgegeben worden, die Erhebungen über die bestehenden Einrihtungen und Vorschriften zur Verhütung von Feuer- und Explosionsgefahren in Bergwerken betreffend. Was ih damals gesagt habe, ist eingetroffen. Auf über 100 Seiten können wir etwas Lesen, was wir in jeder Bergwerkszeitung finden, und wozu wir keine Denkschrift gebrauhen. Eine überflüssigere Denkschrift kann es nit geben. Richtig wäre es, die Unfallverhütung und die Vorbeugung besser zu beahten und für eine ausreichende Kontrolle zu sorgen. Der Redner legt hierauf ausführlich dar, daß die jeßt bestehenden MStüingämaßeohimen und Vorschriften un- zureihend sind, bespriht die frühe Invalidisierung der Berg- leute, die Unterdrückung der Vertreter der Arbeiterorganisationen bei sozialpolitishen Erhebungen und bezeihnet es als ungerecht- ferligt, wenn von den Unternehmern und von der Regierung von einer übermäßigen Steigerung der sozialen Lasten gesprochen werde. Den agrarischen Treibereien gegen die kleinen Unfallrenten bis 20 9/0 müsse entshieden entgegengetreten werden: Diese Treibereien hätten in der Kommission {hon den Erfolg gehabt, R. eine Petition des Rheinischen Bauernvereins für die Abschaffung dieser Rente der Regierung als Material überwiesen je Die Beseitigung dieser kleinen Renten würde

ein {werer sozialpolitisher Rückschritt sein, zumal die Konsequenz für die Industriearbeiter niht ausbleiben würde. In der Jndustrie be- zôgen über 50 9/ aller Rentenempfänger nur eine Rente bis 20 9%. Bei den Hüttenbetrieben in Westfalen würden überhaupt nur noch 8 9/9 aller Unfälle Na digt. Nach den Berichten der Knapp- \haftiskafsen hätten s m Jahre 1906 über 13 000 Unfälle mehr ereignet, als angemeldet seien. Ferner müsse das System der Ver- trauensärzte der Berufsgenossenshaften, der Zwangsärite, abgeschafft werden, das unter den Arbeitern die größte Erbitterung erzeuge ; fie abs könne den Aerzten der Bora niht gemaht werden, da

fie absihtlich das Recht beugen wollten. Je s{hneller das Zwangs-

arztsystem abgeshaffft und durch die freie Arztwahl in allen Ver-

siherungszweigen ersezt werde, um so besser werde die soziale Ver- erung werden.

Staatsminister, Staatssekretär des Jnnern Dr. von Beth- mann H ollweg:

Meine Herren! Es i} mir selbstverständlich unmöglih, auf die vielen Gegenstände einzugehen, welhe bei diesem Titel von den ver- \{iedenen Rednern hervorgehoben worden sind. Ich kann nur auf einiges wenige antworten.

Der Herr Abg. Hue hat #sich darüber beklagt, daß die Denkschrift, welche über die Etplosionsgefahren im Bergbau veröffentlicht worden ift, überflüssig gewesen sei, weil fie nihts neues enthalte. Meine Herren, die Denkschrift ist genau nah den Wünschen aufgestellt worden, welche in der Resolution Giesberts und Genossen vom Jahre 1906 niedergelegt worden war. Ein mehreres konnte das Reichsamt des Innern nicht tun.

Wenn im Ans@chluß daran der Herr Abg. Hue geklagt hat über mangelhafte Ausführung der Sicherheitsvorschriften in Bergwerks- betrieben, so ist das eine preußishe Angelegenheit gewesen. Die Ver- treter des Herrn preußischen Handelsministers sind benachrichtigt worden; ich persönlich bin nicht in der Lage, darüber Auskunft zu geben.

Der Herr Abg. Hue hat des weiteren mitgeteilt, der Berg- und Hüttenmännische Verein in Oberschlesien habe dur Rundschreiben vom August 1906 die Grubenbesigzer aufgefordert, sch den Anforde- rungen der Bergbehörden zum Schuße der Arbeiter gegen Steinfall zu widerseßen. Ih werde Veranlassung nehmen, durch Benehmen mit der preußischen Verwaltung diesen Vorfall aufzuklären.

Der Abg. Hue hat mich des weiteren gefragt, welche Hütten- arbeiter im preußischen Handel8sministerium am vergangenen Sonnabend vernommen worden seien über die Zustände in den Hütten und Walzwerken. Es sind Arbeiter zugezogen worden, welche von den Arbeiteraus\{chüfsen der betreffenden Werke gewählt waren. Das ist die Mitteilung, welhe mir gemacht worden ift, und ih glaube, daß dies Verfahren ein zweckmäßiges gewesen ift. (Zuruf von den Soz.: Organisation! Die Unternehmer sind ja Organisation !)

Wenn der Herr Abg. Hue des weiteren die Frage im allgemeinen aufgestellt hat, welhe Arbeiter denn gehört waren, und Klagen daran geknüpft hat, daß nicht die rihtigen Arbeiter bei derartigen Enqueten vernommen würden ich darf einshalten, daß, seitdem ih das Reichsamt übernommen habe, ih nicht die Gelegenheit gehabt habe, eine spezielle Enquete meinerseits zu veranstalten, so möthte ih darauf folgendes erwidern. Auch ih gebe zu, daß die Auswahl derjenigen Arbeiter, welche über Fragen dieser Art zue vernehmen sind, gegenwärtig eine außerordentlich \{chwierige is, und ih habe die Hoffnung, daß die in Aussicht stehenden Arbeitskammern gerade nah dieser Richtung hin der Reihsverwaltung gute Dienste werden leisten können.

Ich habe neulich mir erlaubt auszufühxen, daß, wenn die Vor- schriften des Entwurfs eines Arbeitskammergesezes über das Wahl- verfahren, die ja von Ihnen (zu den Sozialdemokraten) bemängelt worden sind (Zuruf von den Sozialdemokraten: Nicht nur von uns!) und au von anderer Seite; meine Herren, fassen Sie mih dohch niht am einzelnen Wort! wenn diese Vorschriften niht brauchbare ich habe sie im einzelnen charakterisiert braubare Arbeiter in die Kammern brächten, ih jederzeit bereit sein würde, andere Vor- \hläge zu prüfen, da es mir darauf ankäme, daß eben brauchbare Arbeiter in die Arbeiterkammern hineinkämen.

Also ih wiederhole: ih hoffe, daß die Begründung von Arbeits- kammern uns gerade in dieser Beziehung zu besseren Zuständen, als sie gegenwärtig bestehen, führen wird, und ih glaube, daß auch in dieser Beziehung die gutahtlihe Tätigkeit, welche wir den Arbeitskammern zuweisen wollen, doh vielleicht eine etwas größere Bedeutung hat,

als der Herr Abg. Naumann vor ein paar Tagen in seiner Rede zugeben wollte.

Wenn der Herr Abg. Hue über das prozentuale Sinken der Unfallrenten geklagt hat, so wird er mir doch zugeben, daß dieseg prozentuale Sinken mit veranlaßt wird durch die Zunahme der kleinen Renten (Sehr richtig! rechts; Zurufe von den Sozialdemokraten) und daß auf der anderen Seite, wie ih hoffe, in dem prozentualen Sinken der Unfallrenten sich doch. auch die guten Wirkungen der Verbesserung des Heilverfahrens aus\prehen. (Sehr rihtig!)) Meine seitdem die ganze Versicherungsgesezgebung in Kraft getreten ift, ift das Heilverfahren, sind die Krankenanstalten usw. in einer solen Weise verbessert worden, daß, wenn fie niht auf eine Herabseßung der Unfallrente \{ließlich eine Einwirkung ausübten, sie nicht das leisten würden, was wir von ihnen verlangen. (Lebhafte Zustimmung.) Und \chließlich, meine Herren, ist auch das gesamte Verfahren, in dem die Renten in ihrer Hôhe festgestelt werden, bei uns so geregelt, daß wir von diesem streng rihterlihen Verfahren im allgemeinen gerechte Entscheidungen erwarten dürfen. Daß Ent- scheidungen des Reihsversiherung8amts vielleicht im einzelnen Fall auß einmal den tatsählihen Verhältnissen niht entsprehen, meine Herren, das teilen die Urteile des Reihsverfiherungsamts mit allen rechtlihen Entscheidungen. Also ih meine, daß diese Klagen, die der Herr Abgeordrete Hue nah dieser Richtung über das Sinken der Unfall- renten vorgebracht hat, doch niht alle Momente berücksihtigen.

Meine Herren, ih komme zu den Ausführungen, die zu der Re- solution Findel Nr. 588 der Drucksahen gemaht worden , sind, und bemerke dazu, daß die Frage der Ausdehnung der Unfallversiherungs- pflicht jeßt bei Gelegenheit der allgemeinen Revision unserer Ver- fiherungsgesetzgebung gründlih geprüft wird, und zwar nah der Rich, tung hin, die Versicherungspfliht weiter auszudehnen. Ih hoffe, daß in gewissem Umfange die Wünsche, die in der Resolution ausgedrückt worden sind, ihre Erfüllung werden finden können.

Der Herr Abg. Graf Carmer hat die baldige Vorlegung eines Gesetz- entwurfs über die Unfallversiherung der beim Retten und Bergen von Personen und Sachen verunglückenden Personen, der freiwilligen Feuerwehr gefordert. Meine Herren, ein derartiger Geseßentwurf ift im Reihsamt des Innern ausgearbeitet. (Bravo! rechts.) Es ist eine außerordentlich \{chwierige Materie, sodaß ih die beteiligten Referenten aufgefordert habe, diesen Entwurf, der fertiggestellt war, einer nochmaligen Dur(h- arbeitung zu unterziehen. Wir können bei derartig schwierigen Gesey- entwürfen niht mit derjenigen Eile arbeiten, die vielleiht vom Reihs- tage gewünscht wird. Ih glaube, Sie werden uns seinerzeit danken, wenn wir eine möglichs gründlihe und sorgfältige Arbeit vorlegen. (Sehr rihtig! rechts.)

Der Herr Abgeordnete Graf Cramer hat des weiteren gewüns{t, eine Herabseßung des Alters für den Bezug der Altersrente auf das 65. Jahr und hat gemeint, man könnte die Mittel durch Verein- einfahung und Verbilligung der Verwaltung herbeishaffen. Jn dieser Beziehung befindet sih der Herr Abgeordnete leider in einem Irrtum. Die Verwaltungskoften betragen 16 Millionen, und der Betrag, der erforderlich sein würde, wenn das Alter auf 65 Jahre herabgeseßt würde, ift 31 Millionen. Also auf diesem Wege würden wir nicht die erforderlihen Mittel herbeishaffen können. Zu der Frage felber, die finanziell von einer sehr großen Tragweite ist, kann ich au für meine Person heute keine Stellung nehmen.

Des weiteren hat der Herr Abgeordnete gefragt, wann der Gut- wurf der neuen Fassung der Arbeiterversiherungsgeseze zu erwarten sel. Meine Herren, ih darf auf das Bezug nehmen, was ih bei ver- \hiedenen Gelegenheiten in diesem hohen Hause bereits ausgeführt habe. Jch habe gesagt, daß an diesem Entwurfe eines neuen Reichs- versiherungs8geseßes mit dem größten Eifer gearbeitet wird, und daß ich habe das bei der erften Lesung des Etats gesagt ih die Absicht hätte, dieses Geseh gleichzeitig vorzulegen mit demjenigen Ge- setze, welches die Witwen- und Waisenversorgung regeln foll.

Dann hat Herr Graf Carmer gewünscht, daß die Fonds der Versicherungsanfstalten zur Unterstühung von Diakonissinnen- und Krankenpflegestationen auf dem Lande verwendet würden. Es ift die Verbesserung des Krankenpflegewesens durch die Anstellung von Diakonissinnen auf dem platten Lande unzweifelhaft ein Gegenftand, der der gründlihsten Förderung bedarf, und wir sind in vielen Landes- teilen von Preußen ih sprehe in diesem Momente nur von diesem Lande noch weit zurück Aber Herr Graf Carmer hätte die Provinz Schlesien nicht besonders in dieser Beziehung tadeln brauen; denn die Landetversicherungsanstalti in Schlesien gewährt an 47 Ver- eine mit 238 Gemeindeschweftern rund 50000 « Aber au in Sleswig-Holstein, Brandenburg und anderen Provinzen werden Mittel zu diesem Zwecke verwendet.

JIch möchte mit dieser Bemerkung {ließen und wiederhole, daß

ih bei der Geschäftslage des Hauses selbstverständlih niht auf alles“

eingehen kann, was in sozialpolitischer Beziehung bei diesem Titel vorgebraht worden ift. (Bravo!) Hierauf wird gegen 61/2 Uhr die Beratung des Etats für

| das Reichsamt des Jnnern abgebrohen und bis 8 Uhr Abends

vertagt.

Abendsizung vom 13. März 1908, Abends 8 Uhr. (Beriht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Die Beratung des Etats des Reichsamts des Jnnern wird in der Debatte beim Kapitel „Rei chsversie- rungsamt“ mit dem Antrag Findel (nl.) wegen Aus- dehnung des Mowarbeunfelpar Werngigeiens auf Handels- geschäfte der Lagerungs- und Beförderungsbranche fortgeseßt.

Abg. Dr. Mugdan (fr. Volksp.) Mam E age die lange Dauer der Prozesse bis zu 1 und 2 Jahren, die auf astung des Reichs- versiherungsamts zurückzuführen sei. Grfreulich sei die Einrichtung von Vorträgen über medizinishe Gebiete für die Mitglieder des Amtes. Giftkrankheiten müßten nah dem Muster des englischen Amtes als entshädigungsp ihtige angesehen werden, auch würde es

empfehlen, einen ediziner als Mitglied in das Amt aufzunehmen. Ein Lehrstuhl für versicherungsrehtligze Medizin sei eigentlich in Deutshland noch nicht vorhanden, da der afür bestimmte Profe or mit anderen Arbeiten überlaftet sei. Viele Klagen der Arbeiter würden durh die freie Erztivont beseitigt werden können. Die Abschaffung der kleinen Unfallrenten bis 20 pCt. würde inhuman sein, aber enswert wäre deren Gr- (epu dur {fi ber Meder rrimiplell mit dem Borshlag der Herab-

n er Redner prinz m ag egung der Grenze für e Me wut E 65. ahr. Dem orredner ftimme er au zu, einstitute besserer Fürsorge bedürften.

(S@hluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichsan M 64.

Zweite Beilage

Berlin, Sonnabend, den 14. März

zeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger,

1908,

(S&luß aus der Gríten Beilage.)

Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.) weift auf die hohe Belastung der Kleinbauern in der Rheinprovinz für die Selbstversicherung hin. Die kleinbäuerlichen Kreise seien aber ent|hieten gegen die Beseitigung der kleinen Unfallrenten. Die Arsiedlung von Landarbeitern habe den Nahteil für diese Arbeiter, daß sie weder als Arbeiter noh als Unter- nehmer ständige Mitglieder des Neichsversiherungsamts werden könnten, was um so mehr zu bedauern sei, als gerade diese Arbeiter eine gewisse Selbständigkeit hätten. Die Gäctnereiarbeiter häiten bei der Nenten- berehnung den Nachteil, daß sie niht als Handarbeiter mit einem Jns- dividuallohn, sondern schlechtweg als Landarbeiter angesehen werden. Die Gärtneret werde überhaupt in der landwirtshaftlihen Beruf8genossen- schaft stiefmütterlih behandelt. Bei der Revision der Gesehgebung milie der Wunsch der Gärtner nach einer eigenen Berufsgenoßienschaft in Erwägung gezogen werden. Bezüglich des neuen Statuts für die Knappschaftsvereine habe der preußische Handelsminister eine nos malige versiherungstechnische Prüfung anaeordnet. Die Bergazbeiter warteten aber bisher vergeblih af das Resultat der Prüfuna.

Abg. Wieland (d. Volksp.) verteidigt, als Mitglied der Südwest- deutshen Holzberufsgenossenschaft, die Berufsgenofsenschaften gegen die Unterstellung geseßwidrigen Verfahrens durch den Abg. Hue. Die Arbeitervertretec in den Schiedsgerihten würden es doch sofort, an die große Glocke gehängt haben, wenn Ungeseßlihkeiten oder Ver- ihleppungen vorgekommen wären. Uebrigens hätten die Berufs- cencfenidaften auh die Interessen der Arbeitgeber wahrzu- nehmen, und es träten viele ungerechte Forderungen an sie beran. Die Arbeiter s\ollten endlich den Segen der sozialpolitis@en Gesetz- gebung anerkennen. Die Sozialdemokratie triebe aber nur Parteipolitik.

Darauf wird die Debatte gegen die Stimmen der Sozial- demokraten geschlossen.

In persönlicher Bemerkung hält der

Abg. Heckscher (fr. Vzg.) seine Angaben über die Unfall- und Selbstmordziffern gegenüber den Abgg. Hoch und Hue aufrcht, die Zahlen des Herrn Hoch seien falsch gewesen.

Abg. H oh (Soz.) erklärt, daß er sowobl gestern abend, wie auh beute dur den Schlußantrag, füc den auch der Abg. Heckscher ge- ftimmt babe, verhindert worden sei, auf die Sache einzugehen; er habe nihts falsch dargelegt.

Die Resolution Findel (nl.) wird mit großer Mehr- heit angenommen.

Persönlich bemerkt noch der

Atg. Graf Carmer-Ziesewih (dkonf.) gegenüber ter heutigen Rede des Staatssekretärs von Bethmann-Hollwega, daß er seiner Heimat- provinz Schlesien niht vorgeworfen habe, nihts für die Diakonifsen- anstalten zu tun, sondern daß er die dortigen Verhältaifse nur als Beispiel angeführt habe.

Das Kapitel wird bewilligt.

Das Kapitel der „Physikalish-technishen Reichs- anstalt“ wird nah kurzer unerhebliher Debatte ebenfalls bewilligt. E

Beim Kapitel „Kanalamt“ tritt Abg. Gör (nl.) für eine Besserstellung der Kanalloisen ein.

Es folgt das Kapitel „Aufsihtsamt für: Privat- versicherung“. j

Abg. Wehl (nl.) weist darauf hin, daß die Privatversicherungs- gesellschaften einen Tarifverband gebildet hätten, der natür- li den Zweck habe, die Interessen der Gescllschaften auf Kosten der Versicherten zu fördern. Die Versicherungsgesellshaften hätten außerordentli® hohe Dividenden, bis 20% und darüber, ja die Magdeburger Feuerversicherungsgesellschaft gâbe eine solche von. 45/5 9/0 und die Leipziger über 27 9%. Wer nicht unver- fihert bleiben wolle, müsse an die Gesellschasten zahlen, was ge- fordert werde. Nichts habe die Gesellshaften zur Bildung ihres Kartells gezwungen, vielmehr seien sogar alle Sicherheits- maßregeln gegen Feuersgefahr im Laufe der Zeit vèrbefsert worden. Gegen das Kohlenkartell könne man sich noch durch Bezug aus dem Auslande helfen, aber den Feuerversicherungsgesellshasten sei man \hublos ausgeliefert. Es habe sih nun unter den Versicherten ein L eperveriherungsiGupperbar, gebildet, aber es müsse auch das

ufsihtsamt für Privatversiherung die Gesellschaften streng über- wachen.

Das Kapitel wird bewilligt, damit die dauernden Aus3- gaben erledigt.

Bei den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats, und zwar bei der Forderung von 16000 # als 16. und eber “on zur Aufdeckung des römischen Limes

richt der G bg. Steindl (Zentr.) seine Freude über den Fortgang dieser Arbeiten aus. Es müsse aber au dafür gesorgt werden, daß die auf- gedeckten Kastelle niht bloß pbotographiert, sondern auch dauernd erhalten bleiben und nicht verfallen. der Ergebnisse der

Zur wissenschaftlihen Bearbeitun Südpolarexpedition werden 16 100 H gefordert.

Abg. Dr. Pfundtner (fc. Volksp.) spricht seine Freude über die Denkschrift über die Expedition aus, die wesentlihe wissenschaftliche R-suitate zu verzeihnen habe, wünsht aber, daß die Grgebnisse in Cure fürzeren populären Darstellung zur weiteren Kenntnis gebracht werden.

Geheimer Oberregierungsrat Lewald erwidert, daß eine solche knappe Darstellung erschienen sei urd sür etwa 1 # im Buchhandel zu haben sei. i

Als Kosten der Unfallstatistik für 1907 find als 2. Rate 15 000 ( eingestellt.

Abg. Bassermann (nl.) weist darauf hin, daß das Kleingewerbe

‘die Kosten für die Unfälle im Großbetriebe mitzutragen habe; , es sei

deshalb zu erwägen, ob nicht für das Handwerk und die Kleinbetriebe besondere Berufsgenofsenschaften zu bilden scien. Die Statistik solle deshalb genaue Auskunft über die Verteilung der Beitragélaft für das Handwerk erbringen.

Dr. W iill- Straßburg (Z.) wünscht alle 5 Jahre eine besondere Statistik, um eine übersichtlihe Klassifizierung der einzelnen Unfälle nah der Dauer ihrer Folgen zu erhalten, und bittet um \chnellere

erausgabe der Statistik. (Der Redner, der ferner eine zuverlässige hnftatistik und Anstellung einer genügenden Anzahl von Gewerbe- beamten in E: saß-Lothrincen wünscht, wird während seiner langen Rede wiederho!t durch Schlußrufe und ironishe Bravos von allen

Seiten unterbrochen.) Direkior im Reichsamt des Jnnern Caspar verzichtet aufs Wort. Bei der Forderung von 75000 # als leßter Rate für

den Ausbau der R aas hebt der Aba. Böhle (Soz.) den ablehnenden Standpunkt seiner Partei

gegenüber allen Forderungen für die Hohkönigsburg, die Privat-

eigentum des Kaisers [el rvor. Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.) spriht den Wunsch aus, daß der

Reichstag im

ten Jahre mit einer noch weiteren leyten Rate

¿ Same! chaft

) er habe Bedenken, daß nicht doch noh eine weitere Förderung erhoben würde, weil er sich persön- li überzeugt habe, daß doch noch sehr viel an der Hoh- königêburg zu tun sei. Die Angelegenheit sei in ein neues Stadium getreten, als es geglüdt sei, das Urbild dec Hohkönigsburg aufzufinden; übrigens habe der Kaiser am 2. März von diesem noch keine Kenntnis gehabt. (Der Redner legt eine Reproduktion auf den Tisch des Hauses nieder.)

Die. Forderung wird gegen die Stimmen der Sozial- demokraten und des Zentrums bewilligt.

Zur Gewährung einer Entshädigung an den Grafen von Zeppelin und zum Erwerbe seiner beiden Luftschiffe

sind 2150 000 Æ gefordert.

Abg. von Schubert (nl. Hosp.) drückt die Anerkennung des deutshen Volkes für die Erfolge des Grafen Zeppelin in warmen Worten unter lebhaftem Beifall des Hauses aus. Es sei eine Ehrenpfliht des Reiches, diese Bestrebungen, auf die die Nation mit Stolz blicke, zu fördern. Nachdem wir auf diese Weise einen Vorsprung vor den anderen Nationen ge- wonnen bätten, müßten wir auf diesem Wege fortfahren. Wir sollten uns freuen, einmal Gelegenheit zu haben, einem Manne, wie dem Grafen Zeppelin, unseren Dank abzustatten. Jm Bewußtsein einer Pflicht der nationalen Ehre bitte er, die Forderung zu bewilligen.

Abg. von Gersdorff (dkons.) schließt fih namens seiner Freunde den Worten des Vorredners an. Der Reichstag müsse einstimmig die Forderung bewilligen.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.) und Abg. Singer (Soz.) sprechen sich in demselben Sinne aus.

Die Forderung wird einstimmig bewilligt.

Die übrigen einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats werden ohne Debatte bewilligt.

« Jm außerordentlihen Etat werden 20 Millionen Mark gefordert als 2. Rate zur Erweiterung des Kaiser-

Wilhelm-Kanals. 2 |

Aba. Spethmann (fr. Volksp.) beantragt hierzu, eine Kommission von 14 Mitgliedern einzuseßen zur Prüfung des Planes einer aus privaten Mitteln zu \chaffenden Kanal- verbindung der Eckernförder Bucht und eventl. der Schlei mit dem Kaiser - Wilhelm - Kanal unter Abs{chluß einer zwischen der Baugesellschaft und dem Reich. Der Antrassteller begründet seinen Antrag mit der Notwendigkeit, neben dem {on stark überlasteten Kaiser-Wilhelm-Kanal eine zweite Verbindung zwischen Ost- und Nordsee zu hafen. Das Projekt empfehle sih von selbst.

Staatsminister, Staatssekretär des Jnnern Dr. von Beth- mann Hollweg : ;

Jch muß leider meinerselts Jhre Geduld auch noch einen Augen- blick in Anspru nehmen. Wenn ich s{chwiege, würde ih die Be- forgnis haben, daß aus meinem Schweigen der Schluß gezogen werden dürste, daß die Reichsverwaltung mit den Intentionen der vorliegenden Resolution einverstanden ist. Jh kann dieses Einver- ständnis nit erklären. Wenn die neue Verbindungsftrecke Gruhl— Eernförde, wie sie gewünscht wird, im Interesse der Landes- verteidigung oder aus wirts{haftlihen Gründen notwendig wäre, fo würde es wohl am nähsten liegen, daß das Reich selbst diesen Kanal baute. Jh kann aber nicht zugeben, daß diese beiden von mir be- zeichneten Vorausseßungen vorliegen.

Den Interessen der Landetverteidigung soll ja eben die vom Reichstage {hon beshlossene. Verbreiterung des Kanals dienen. Eine zweite Verbindung nah der Ostsee würde für die Marine nur dann von Vorteil sein können, wenn diese zweite Strecke durch Be- festigungswerke in der Eckernförderbuht so geshüßt würde, daß die Marine ihrerseits den Schuß durch Schiffe, durch s{chwimmende Mittel, niht ausüben brauchte.

Nun würde die Anlage solher Befestigungswerke an der Eckern- förderbuht unzweifelhaft wesertlihe Kosten hervorrufen, und diese Kosten würden vom Reih zu tragen sein, zuzüglih der doch sehr bedeutenden Kosten, die das Reih für die Ver- breiterung des Kanals so wie so jeßt auszugeben hat.

Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus glaube ih, daß die Väter

vershont bleibt;

‘des Projekts die Ecwartungen, welche daraus an die weitere Ent-

wicklung von Eckernförde geknüpft werden können, doch weit über- trieben haben. Ich muß es entschieden bezweifeln, daß fih in Eckernförde ein großer Umshlags- und Handelsverkehr entwickeln würde. Man hat seinerzeit ähnliche Hoffnungen bezüglich Kiels gehabt, Hoffnungen, die s{ch niht erfüllt haben, und doch jedenfalls niht allein um deswiklen niht, weil in Kiel die Ma- rine dominiert. Eckernförde hat kein Hinterland, auf Grund defsen sch ein großer Handels- ur-.d Umschlagsverkehr entwickeln könnte. Die Sbiffe, welhe den Kanal benußen von der Nordsee nah der Ostsee, werden bei den günstigen Schiffahrt?verhältnissen in der Oftsee die Ostsee- häfen direkt aufsuchen. Die Cisenbahnverbindungen andererseits von Eckern- förde nah dem Lande zu sind unzweifelhaft sehr viel ungünstiger, die Ent- fernungen sind sehr viel größer, als wie wir sie von anderen Ostsee- häfen aus haben. Und bedenken Sie, meine Herren, das gleihwohl große Ostseehäfen, wie Lübeck, Stettin, in keine Konkurrenz mit Ham- burg treten können. Jh glaube also niht, daß si in dem geplanten Edernförder Freihafen ein irgendwie nenrenêwerter Verkehr entwickeln fönnte. s:

Vorteilhaft würde die Verbindungsstrecke Grubl—Eckernförde nur in- sofern scin, als sie denjenigen Schiffen, welche den Verkehr von der Nord- see nah der Ostsee aufsuchen, einen etwas kürzeren Verbindung8weg in der Strecke von Gruhl nah Eckernförde bietet, als der Weg-von Gruhl nach Kiel ist. Immerhin ist die Differenz dieser beiden Strecken keine sehr große. Und im übrigen würden allerdings die Schiffe auf dem Kanal selber nicht inkommodiert werden durch Schiffe der Kriegsmarine, wie das gegenwärtig auf der Stecke Gruhl— Holtenau der Fall sein kann. Aber diese Schwierigkeiten, die vielleiht hier und da, aber doch nur in seltenen Fällen, eintreten, werden ja obnehin im wesentlihen Máße burch die beschlossene Verbreiterung des Kanals, dur die beschlossene Vervolllommnung der Schleusenanlagen des Kanals bei Holtenau und Brunsbüttel herabgeseßt werden,

Für die Reicsverwaltung könnte es aber in keiner Weise be-

quem sein, wenn fi nun ein Privatkanal in Grukl an den unter Reichs- verwaltung ftehenden Kanal ans{löfse. Wir würden ein gemeinsames Lptsenwesen, einen gemeinsamen Schleppdienst einrihten müssen, was für den Betrieb und die Abrechnung später außer- ordentlißhe Schwierigkeiten herbeiführen » würde. Wir würden außerdem, da ja unzweifelhaft ein Teil der Schiffe. welche gegenwärtig die Strecke Grußl— Kiel zu benuzen haben, na@-Srubl— Eckernförde abgeleitet würde, einen guten Teil unserer Kanalein- nahmen verlieren, selb wenn wir die Tarifgemeinschafi, von der ge- prochen worden if, auf einer ganz anderen und für das Reich viel vorteilhafteren Grundlage abs{chlöfsen, wie es Herr Petersen im Auge hat. Nun, meine Herren, bin ich der Ansicht, daß das Reich auf derartige Verluste an seinen Einnahmen im gegenwärtigen Moment unmöglih eingehen kann. Die Erbauung des Kanals hat seinerzeit viel gekostet, die Erweiterung jeßt wird die Mittel des Reichs in ungewöhnlih hohem Grade in Anspru nehmen, und in temselben Moment auf Einnahmen zu verzichten, Schwierigkeiten im Betriebe herbeizuführen um eines Kanals willen, der aus Interessen der Landesverteidigung nicht notwendig ist, dessen wirtshäftliche Rentabilität und Zweck- mäßigkeit mit sehr viel Fragezeihen begleitet werden muß, meine Herren, das können Sie der Reichéverwaltung niht gut zumuten.

Ih muß also meinerseits für die Reichsverwaltung der Ansicht dahin Ausdruck geben, daß es sh hier um ein Projekt handelt, das wirtshaftliÞ ni&t genügend fundiert ift, tas in seiner Ausführung wesentlihe Vorteile niht bieten würde, das Reich ater in mannig- fae Ungelegenheiten und Nahhteile verseßen würde, sowie endlith- daß die Vorausseßungen, um tem Reich selber den Bau anzuempfeblen, was für das Reih daun ncch das Akzeptabelste sein würde, nicht vorliegen.

Sollten Sie, meine Herren, der Resolution entsprehend, die Ein- seßung einer Kommission beschließen, so muß ih nah dieser Stellung, die die Reichsverwaltung einnimmt, vorbehalten, welche Erklärungen wir dann in der Kommission bi der Beratung des weiteren abgeben werden.

Abg. Dr. S pahn (Zentr.) erinnert daran, daß noch andere Projekte entstanden seien, z. B. das des Kapitäns Seblin, und wünscht, daß auch diese in der Kommission geprüft werden.

Abg. Dr. Leonhardt (fr. Volkep.) ewmpfichlt gleihfalls den

Antrag. Abg. Dr. Gör ck (nl.) äußert Bedenken wegen der Opportúünität

fe Resolution; die Mehrheit seiner Freunde könne nicht tafür mmèen. Abg. Carstens (fr. Volksp.) sucht diese Bedenken zu widerlegen.

Abg. Wommelsdorff (nl.) hält gerade wegen der Bedenken seines Kollegen Görck Lees einer Kommission und also zunächst die Annahme der Resolution für durhaus geboten.

Abg. Frohme (Soz.): Die Gründe, die der Staatssekretär gegen das Projekt angeführt hat, werden in den weitesten Kreisen Schleswig- Holsteins nit für stihhaltig. angesehen werden.

Die Resolution wird gegen die Stimmen der Parteien der Rechten angenommen.

Die Etatsforderung wird bewilligt, desgleihen die Ein- nahmen des Etats des Rêichsamts des Jnnern; damit is dieser erledigt.

Die Petititionen um Gleichstellung der seit dem 1. April 1897 angestellten expedierenden Sekretäre bei den höheren Neichsbehörden im Diensteinkommen mit den vor diesem Datum angestellten und um M der ständigen Mitarbeiter bei den dem Reichsamt des Jnnern unterstellten Behörden im Gehalt mit den Versicherungsrevisoren beim Aufsichtsamt für Privatversiherung werden dem Reichskanzler wiederholt zur Berücksihtigung überwiesen, und der Reichs- kanzler ersuht, dafür Sorge zu tragen, daß der dafür er: forderlihe Geldbedarf no fr den Etat für 1908 vor der dritten Beratung angefordert wird.

Schluß nah 111/4 Uhr. Nächste G Sonnabend 11 Uhr. (Etats: Real NReichseisenbahnen, Jnvaliden- fonds, Allgemeiner Pensionsfonds, Reichsshaßamt.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 52. Sißung vom 13. März 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sihung, auf deren Tagesordnung die zweite Beratung des Entwurfs eines Quellenschuß- gesedes steht, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

8 3 lautet in der Kommissionsfassung: „Für eine gemein- nüßige Quelle kann ein Bezirk festgestellt werden, innerhalb dessen Bohrungen, Ausgrabungen und andere Arbeiten, welhe auf den gewachsenen Boden einwirken, sowie auch alle sonstigen Arbeiten, welhe die Ergiebigkeit oder die Zusammenseßung der Quelle béeinflussen können, nur mit vorheriger Genehmigung des Oberbergamts und des Negierungspräsidenten vorgenommen werden dürfen (Schußbezirk).“ Jn der Regierungsvorlage stand ftatt „andere Arbeiten“: „sonstige Arbeiten“. Die Worte „sowie auch alle sonstigen Arbeiten . . .… beeinflussen können“ sind von der Kommission eingefügt.

Abg. Dr. Ger schel (fr. Volksp.) beantragt, den § 3 in der Faffung der Negierungsvorlage wieder herzustellen, und begründet den Antrag damit, daß nah der Kommissionsfafsung auch jedes Pumpen in der Nähe einer Quelle ausgeschlossen sei, da tadurch der Grundwasser- spiegel gesenkt und damit ‘die Grgiebigkeit der Quelle beschränkt werde. Wo sei die Grenze, bis zu der man davon sprechen könne, daß die Ergiebigkeit der Quelle beeinflußt werden kann. Solange nicht die einzelnen Arbeiten festgestellt werden könnten, durch welhe die Er- giebigkeit Leemgent werden könne, biete die Regierungsvorlage Beh ‘bar ende Marschroute auch in bezug auf die hydroftatischen

er nie.

8 3 wird in der Kommisfionsfassung angenommen.

Nach §Z 4 erfolgt die Feststelung des Schußbezirks auf

Antrag des Quelleneigentümers durch gemeinsamen Beschluß

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