1908 / 69 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Bewilligungen für koloniale ZweckFe nit eine unerwünschte Höhe an- nehmen, müssen Sie immer sehen, was wir ausgegeben haben. Wenn das aber in dem großen Topf der Reichss{ulden verschwindet, werden sehr bald die 4 bis 500 Millionen für Südwestafrika vergessen fein ; wenn fie aber im Kolonialbudget stehen, würde sie si jedermann vor Augen halten. Also wir erreihen gerade das Umgekehrte.

Nun sind einige verfassungsrechtliße Bedenken oder Tan- gierungen des Budgetrehts geltend gemaht. Das kann ih nicht sehen. Bereits in dem Gese“ vom Jahre 1892 hat man die Anleihe ins Auge gefaßt; jeßt will man es ausführen, nahdem es si, wie ih sage, niht um einen einzelnen Fall wie Togo handelt, für den es wirklih ein Unding gewesen wäre, eine kleine Anleihe von 7- bis 8 000 000 Æ aufzunehmen und damit das ganze System zu durh- brehen, sondern um 150 Millionen im Minimum. Darin soll nun eine Bindung des Reichstags liegen, daß da steht, daß die jeweilig bewilligten Mittél in dieser Form ausgegeben werden follen. Meine Herren, was Sie auf das Ordinarium verweisen wollen, was auf die einmaligen Ausgaben des Ordinariums oder was auf das Extra- ordinarium, das haben Sie in diesem Hause noch jeweils in der Hand gehabt. Jh erinnere Sie nur daran, daß wir im vorigen Jahre die Ausgaben für den Krieg in Südwestafrika ganz einfah geteilt, die eine Hälfte auf das Extraordinarium bis zum 1. Oktober genommen und die andere Hälfte in das Ordinarium eingeordnet haben. Da hat keiner gesagt: weil wir es früher so gemaht haben, müffen wir es wieder so mahen. Aber ein Eeseß hat niht mehr Kraft als ein Etatsdiépositiv; mehr als Gesetz gibt es nitt.

Gbenso ist es aber aud nicht richtig, wenn der Herr Abg. Erz- berger meint, das sei für alle Zukunft bindend, und die Shugtgebiete würden \fih nunmehr keine Sparsamkeit auflegen. Meine Herren, in dem Moment, wo wir, wo das hohe Haus nicht mehr aufpaßt, was die Schußzgebiete verlangen, und die Zentralkolonialverwaltung anfängt, zu s{hlafen, wird natürli die Bewilligung nah allen Richtungen [oszehen. Aber dazu sind wir ja alle miteinander da, daß wir aufpassen.

Der Herr Abg. Erzberger kat \sich einigermaßen darüber ver- wundert, daß hier eine Solidarhaft ausgesprcchen werden folle ohne Rücksicht auf die Größe und die Prosperität der einzelnen Kolonie. Ja, meine Herren, in jeder Genossenschaft deutschen Rechts, falls sie nicht mit beshränkter Haftung ist, haftet immer jeder für das Ganze, und der Mann, der nur einen Ochsen hat, hafiet gerade so für die ganze Schuld der Genossenschaft wie ein Großgrundbesiter.

Nun sagt der Herr Abg. Erzberger : Mir ist das Gesey recht, wenn Sie die Reich8garantie \treihen. Nun, meine Herren, ih glaube, auch folhe Schußzgebietsanleihen kann man verkaufen. Das kostet dann so und so viel mehr Zinsen und jo und so viel mehr für die Tilgung, und das macht fo und so viel mehr Reichszushuß. Aber wir wollen billig und verständig finanzieren. Jch hoffe, wenn wir einmal wieder zu solhen Anleihen kommen sollten, dann wird es schon. ohne Reich8garantie gehen. Die Leute müssen ers einmal sehen, daß die Shuzgebiete sehr wertvoll sind, und daß das Deutsche Reich hinter ihnen steht. Daß es wegen der 1 bis 20/6, die an den Zinsen fehlen, niht die Kolonien fallen lassen wird, das liegt auf der Hand. Diese Schuggebietsanleihen sind vom Reiche garantiert, auch ohne daß das darauf gedruckt wird. Jeder weiß, daß das Reich nie dafür zu haben sein wird, daß man, weil vielleicht an den Zinsen etwas fehlt, nun das Schuggebiet den Gläubigern über- Lassen solle.

Aber die Solidarhaft der Shutgebiete hat ncech einen anderen Sinn. Für uns hier ist unsere Kolonialwirtshaft ein Einheitliches. Wir behandeln hier nit die Etats von Togo; Kamerun usw., sondern wir verhandeln hier über den Etat des Reichskolonialamts, und daran gliedern si die anderen Sahen an. Wir betraten diese ganzen Kolonien als einen Globus und wollen diese ganzen Kolonien als eine einheitlihe Kolonialwirtshaft angesehen wissen. Wir können nicht gut eine gute Kolonie gegen eine \{lechte ausspielen, sondern wir müssen die Kolonien so, wie wir sie nun einmal erworben haben, behandeln.

Aber noch aus einem anderen Grunde ist die Solidarhaft an- gebraht. Es ist sehr wichtig für eine sol%e Anleihe, daß sie nicht mit- zu kleinen Beträgen herauskommt. Das is die Crux aller deutshen Stadtanleihen, die mit 5 bis 6 Millionen an die Börse kommen. Die haben dann einen niedrigeren Kurs, weil fih kein Markt dafür etabliert; sie ist untergebrachßt bei ein paar Sparkassen und reihen Leuten, die sie nicht wieder heraus- geben, und wer einmal eine solhe Stadtanleihe verkaufen will, muß 1 bis 2 9%/ im Kurse nachgeben oder muß sehr lange warten, bis sih wieder ein Käufer findet, der mündelsihere Papiere braucht. Das ist meine Erfahrung als Bankier. Es ist also notwendig, für ein Papier einen entsprehenden Markt zu haben. Deshalb wollen wir keine Kamerunanleibe, keine Togoanleihe usw. haben, sondern eine durch die Garantie des Reiches gedeckie Sammelanleihbe. Sie haben aber auch aus einem anderen Grunde ein größeres Inter- esse an dieser Sache. Jemand, der eine Schutzebietanleihe kauft, fängt auch an, sih für diese Saie zu interessieren, ganz anders, als wenn er sih z. B. eine Reichsanleihe kauft. Sie gewinnen so Leute, die sih dafür interessieren und vielleiht auch nach anderer Richtung hin Informationen einziehen, möglicherweise auch Kapitalien hin- tragen, und ih meine, daß, da die Kenntnis unserer Shußtgebiete troy allem, was hier im Hause verhandelt wird, noch eine sehr magere ist, man au auf diese Hilfe niht verzichten sollte. Im allgemeinen halte ih es nit für rihtig, daß die Schutzgebiete driiten Per- fonen gegenüber verschuldet sein sollen. Das würde ein Aufgeben der Sparsamkeit und einer gesunden Etatswirtschaft bedeuten.

Ich meine, daß die Finanzierurg der Kolonialeisenbahnen eigent- [ih von der Form, in der diese Kolonialanleihen ausgegeben werden follen, nur in einem sehr geringen Maße abhängt, und daß es ganz gleichgültig ift, ob sie durch ein Darlehen des Neichs an die Schußz- gebicte finanziert werden oder anders. Einfacher, verstänadlicher, klarer und auh sicherer ist, diese Sachen zu trennen und das Reich nicht mit einer Anzahl von Anleihen zu belasten, mit denen es direkt nichts zu tun hat.

In Togo haben Sie eine Anleihe mit einer Tilgungsdauer von 30 Jahren. In Südwestaf:ika haben Sie hinterher eine Tilgungsdauer von 56 Jahren . gegeben. Sie haben später der Manengubabahn in Kamerun eine Tilgungsdauer von 87 Jahren ge- geben, und in demselben Jahre, wo Sie für Togo einz Tilgungs- dauer von 30 Jahren festseyten, haben Sie auch Ostafrika 87 Jahre

überaus [öbliGen Beflreben, welhes Togo zeigt, ohne Reihszushuß auszukommen, indem es ih seine Leibriemen enger \{hnallte in bezug avf seine Administration, als es gut war, Togo eine zu knappe Wirtschaft getrieben hat, die der Entwicklung des Landes entgegen- steht. Nichtsdestoweniger. haben wir hier einen Fehlbetrag. Nun sehe ih nit ein, daß wir] Togo so viel ungünstiger stelléèn sollen als die anderen Schußzgebiete, und daß wir darauf ausgehen müssen, daß das gleichmäßige Tempo, das für die Keetmanshoop-Lüderitbucht- Anleibe festgestellt ist, auch für die Usambara-Anleibe gelten soll. Ich sehe alfo niht ein, warum wir Togo um 100000 4 \{lechter stellen sollen. Gerade dieses Shußzgebiet, welhes sich unter der Führung seines tüchtigen Gouverneurs \o gut gehalten hat, verdient eine Be- Tohnung. (Bravo! rechts.)

Von den Abgg. von Treuenfels (dkons.) und Genossen ist folgende Resolution eingegangen:

»Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, im Reihshaushalts- etat jür 1909 eine Summe anzufordern zur Errichtung eines Denkmals in der Reichshauptstadt für die in Südwestafrika gefallenen Offiziere, Sanitätsoffiziere, Militärbeamte, Unteroffiziere und Mannschaften.“ ,

Abg. von Treuenfel s (dkons.): Gegen unsere Resolution könnte vielleiht der Einwand erhoben werden, daß sie etwas Ueberflüssiges set, daß es ein Novum sei, für gefallene Soldaten ein Denkmal aus Reichs. mitteln zu errihten. Es ist aber auch ein Novum, daß wir einen Kolontalkrieg geführt haben. Ich gebe zu, daß wir eigentlich Denkmäler genug haben. Manches Denkmal mag recht überflüssig sein, aber ein Denkmal, welches tie Nation ihren Söhnen errichtet, die für ihr Vaterland ihr Blut vergossen haben, ist nicht Aertnit- Den Zuruf von der äußersten Linken habe ih erwartet, und ih bin überzeugt, daß die Herren der äußersten Linken unsere Resolution ablehnen werden, ich wünsche es sogar, denn ih halte es nit für förderlih für das Andenken der Gefallenen, wenn die Mittel für ein Denkmal mitbewilligt werden von Leuten, die unsere Krieger draußen als Barbaren, wüste Gesellen hinstellen und ihr Andenken in den Augen des Auslandes herabgeseßt haben. Den Taten unserer Leute draußen ist seinerzeit gar nicht genügend Beachtung geshenkt worden, man hat viel mehr von dem russish- japanischen Kriege gesprohen, als von den Taten unserer Truppen in üdwestafrika. Pplere braven Krieger haben hervorragende Beweise selbstloser Tapferkeit geliefert. Sie haben ge- hungert und gedürstet und sind troydem mit voller Freudig- keit für Kaiser und Reih mit einem Hurra in den Tod gegangen. Sie haben damit bewiesen, daß unsere alten militärishen Tugenden von 1866 und 1870 nicht nur auf dem Kontinent si bewährt baben. Das kameradschaftlihe Verbältnis zwishen Vorgeseßten und Unter- aa hat sich auch hier wieder glänzend bewährt. Es ift eine

hrenpfliht des deutschen Volkes, dieser Männer mit Dankba: keit zu gedenken. Wir wollen uns in dieser Beziehung nicht von England FeiBanien lassen, wo man auf Schritt und Tritt auf \ole Denk- máler tufft. Und wenn hier vor kurzer Zeit versuht worden ist, einen Gegensaß zu konftruieren zwishen denjenigen Mitgliedern meiner Fartel die Sie Junker nennen, und den anderen, so haben Sie auhch

ier wieder einen Beweis, daß das vollständig deplaciert ist. Zeigen wir, daß wir unseren braven gefallenen Söhnen, die in dem Wüsten- sande schlummern und Zeugnis für den deutshen Ruhm abgelegt haben, ein treues Andenken bewahren.

Staatssekretär des Reichskolonialamts, Wirkliher Ge- heimer Rat Dernburg:

Meine Herren! Die warmen Worte des Herrn Vorredners werden in unser aller Brust ein lebhaftes Eo auslôsen. Es is keineswegs zu viel gesagt, was er hier diesen braven Soldaten und Offizieren nachgerufen hat. Auch von seiten der Verwaltung ist dieses Gefühl bereits lange gebegt, und es ift bereits ein Aufruf unterwegs, welcher vom Reichskanzler Fürsten von Bülow, meiner Wenigkeit und den meisten Chefs der Reihsämter sowie der preußischen und bundesstaat- lien Ministerien unterzeihnet ist, um ein folches Denkmal zu errichten. Jch habe keinen Zweifel und hoffe, daß er Erfolg haben wird. Immerhin würde es wohl auch im Sinne der Verwaltung sein, wenn Sie dieser Resolution beistimmen würden, da man ja doch niht genau voraussehen kann, ob die notwendige Summe für ein würdiges Denkmal zusammenkommen wird.

Meine Herren, ich möchte diese Gelegenheit benußen, um Ihnen folgendes mitzuteilen :

Eine heute Mittag von Oberstleutnant von Estorff eingegangene Depesche meldet :

Am 16. d. M. griff das Expeditionskorp3 gegen Simon Copper

Coppers mitten in der Kalahari an.

Der Feind verloc 58 Männer tot, 7 Männer und einige Weiber wurden gefangen, der Nest der Werft zerstreute siŸ nach Süden und Südwesten.

Auf unserer Seite fielen Hauptmann von Erckert, Leutnant Ebinger und 12 Mann, shwer verwundet wurden 9 Mann, leit verwundet 3 Offiziere 5 Mann.

Das Expeditionekorps war in der Gesamtftärke von 430 Weißen mit 4 Maschinengewehren und 700 Kameelen von 2 verschicdenen Punkten aufgebrohen, am 11. hatte es sih vereinigt, am 15. war Simon Coppers Aufenthalt erkundet.

Am 16. griff Hauptmann von Erckert Simon Copper mit 2 Detachements unter den Hauptleuten Grüner und Willeke an und fiel selbst bei Beginn des Gefechts.

Hauptmann Grüner übernahm das Kommando und befahl dem im Halbkreis um die Werft liegenden Exrpeditionskorps den ununter- brohenen Anlauf gegen den Feind. Dieser wurde in 2 Stunden von Stellung zu Stellurg gewo:fen, bis er um 8 Uhr Vormittags seinen verzweifelten Widerstand aufgab und in regelloser Flucht aus- einander lief.

Erbeutet wurden 29 Gewehre, zahlreiße Munitionen, eine kleine Heerde Vieb, einige Pferde.

Die Leistung des Expeditionekorps verdient als eine selten hervorragende bezeihnet zu werten, in ihrem tapferen Führer dem Hauptmann von Erckert verlieren wir einen der besten und ritter listen ‘Dffiziere; die Verluste sind außerordentlich \{chwer, die An- strengungen für die Truppen selten groß gewesen, erst nah vier Tagen konnte zum ersten Male abgekoht werden, die Witterung war heiß und trocken, das leßte Vley. Wasser reite niht einmal zum Tränken der Kameele.

Simon Copper ift \{chwer gesck{ädigt, aber ncch nit endgültig beseitigt.

Mèeine Herren, es gibt kaum ein Dokument, welches mehr geeignet wäre, die Worte des Herrn Vorredners zu unterstreichen. (Bravo!) Meine Herren, leider muß ih noch hinzufügen, daß am 5. März in Kamerun der sehr verdiente Hauptmann Glauning nah einem sieg- reihen Gefeht durch Kop'\huß gefallen ist. '

Meine Herren, ih glaube, das Wenigste, was wir tun können im

gegeben. Nun habe ih bereits darauf hingewiesen, daß in dem

Interesse dieser braven Soldaten, unter d. nen ih ganz besonders den

unter Führung des Hauptmanns von Erckert die Werft Simon

Hauptmann von Erckert nenne, den Sohn einer alten preußishen

Offiziersfamilie, den ih selbst gekannt habe, ist, dieser Resolution Ihre volle Zustimmung zu geben. j }

Abg. Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg (Rp.): Im Namen meiner Freunde erkläre ih unsere Zustimmung zu dem Antrage Treuenfels. Für ta Deutschen ist es ein tiefbetrübendes Be- wußtsein, daß auch jeßt noch, nachdem die {chwersten Kämpfe über- standen find, Opfer ‘an edlem deutschen Blut an Offizieren und Mannschaften gebraht werden müssen. Es ist mir Bedürfnis, das hier auszusprechen, wir werden den Guten ein ehrendes Andenken bewahren. Der bisherige Verlauf der - Debatte hat gezeigt, daß zwischen der Verwaltung und dem Reichstag eine größere Uebereinstimmung herrscht, als es früher der Fall war. Die energishe Tätigkeit des neuen Staatssekretärs hat hierzu ganz wesentlih beigetragen. Aber auch andere Gründe haben mit dazu beigetragen, daß im deutschen Volke ohne Unterschied der Partei \sich eine größere Kolonialfreundlih- keit zetat. Vor nicht zu ferner get herrshte bei uns. eine gewisse koloniale Nervosität, die zum Teil nicht unberechtigt war. Es fehlte uns an einer Tradition in den Kolonien. Die Regierung hatte auch da keine Erfahrung; Zustände traten ein, die Millionen kosteten und dem Volke die Lust an den Kolonien nahmen. Demgegenüber sahen wir, wie Englands Kolonien prosperierten, vergaßen aber, daß au andere Nationen niht mit einem Schlage solhe Erfolge erreicht hatten. Die Verluste in den Kolonien haben uns gezeigt, “e wir Geduld haben müssen, daß wir froh sein müssen, da wir in Jahrzehnten etwas Durchgreifendes erreihen können. Wir sind doch jeßt so weit gekommen, daß wir hoffen dürfen, p die Kolonien allmäblich ih fo konsolidieren, um ohne Reichezus{huß auêzukommen. Das wäre nidbt nur ein finanzieller Erfolg, fondern auch von günstigstem Einfluß auf die ganze Verwaltungstätigkeit der Regierung. Man kann allmählich an eine Dezentralisation denken; noch jeßt wird sehr vieles von der Zentrale erledigt, was füglich in den Schußgebieten selbs erledigt werden könnte, zumal die Zentralinst«anz mit den örtlihen Verhältnissen doch nicht so vertraut sein kann, um ihr eine endgültige Ent- scheidung zuzumuten. Die Beamten der Lokalverwaltung sollten also auch den Gouverneuren gegenüber mit größerer Verantwortlichkeit ausgestattet werden. Vor allem ist aber eine gründlihere Aus- bildung der Kolontalbeamten tin ter Praxis dazu nötig; es muß ein Kolonialbeamtenftand angestrebt werden, der nah uet Vor- und Ausbildung wirklich kolonial ist ; die Beamten müssen in den Scbußtzgebieten selbst ausgebildet werden, nicht am grünen Tisch, fondern durch Zuweisung an die Bezirksamtmänner. Gine gewisse Tradition muß in der Verwaltungépraxis durhgeführt werden, die Bezirksamtleute dürfen nicht mehr in so kurzen Fristen ihren Ps verlassen. Soll der Kolonialbeamtenfstand aber tüchtig und rauchbar sein, so muß man auch seine Zukunft sicherftellen; es müßte ihnen nach einem gewissen Aufenthalt in den Schußtz- gebieten ein Anspru auf Pension gewährt werden ; vielleicht könnte man ihnen auch nach einer Reihe von Dienstjahren ein Kapital a0 vielleicht auch könnte folhen Kolontalbeamten, die n den Tropen nicht mebr dienstfähig sind, in der Heimat weitere dienstliße Beschäftigung in Aussicht Ee werden. Nur eine systematische Vorbildung und Ausbildung unserer Kolonial- beamten kann uns den wirklihen Befig unserer Kolonien garantieren ; nur mit Hilfe eines solhen werden wir auch eine richtige Ein- geborenenpolitik treiben können. Von allen ethishen Momenten ab- gesehen, wird die Vorfrage zu stellen sein: Wie ift die wirtschaftliche Hebung der Schutzgebiete anzustreben? Wir wissen, daß die Kulturen der Eingeborenen in Ostafrika bedeutend zugenommen haben. * Das bisher in - unseren Kolonien Erreichte kann aber noh nit die obere Grenze dessen darstellen, was der Eingeborene leisten: kann, | denn. er arbeitet bis jeßt noch mit sehr primitiven Mitteln. Wird nun der Schwarze sich für die höhere Kultur entwicklungsfähig zeigen, wird er zu höherer Kultur zu erwecken sein, wird er die Segnungen der europäischen Kultur sich nußbar machen köznen? Ja, aber nur, wenn er durch den Guropäer angeleitet wird. Was aus den Negern wird, wenn sie sich selbst überlassen bleiben, das hat man an den Neger- republiken gesehen, das haben die neuesten Vorgänge auf iti gelehrt. G8 ift nicht die Aufgabe des Staates, grcße Geschäfte mit den Kolonien zu machen, wohl aber, die Arbeitskräfte der Eingeborenen für diese selbst und für die Gesamtheit nugbar zu machen. Dazu müssen die Eingeborenen aber erst arbeiten gelernt haben, und das ist die nächste Aufgabe der Verwaltung. Er foll für feine Arbeit reihlichen Verdienst bekommen gund auf diesem Umwege zur Erkenntnis vom Nuten de: Arbeit kommen. Die Warnung des Staatssekretärs vor Grmutigung der Auswanderung nah Ostafrika sollte gewiß niht gegen die dortigen Ansiedler gerichtet sein, sondern nur die Ablehnuno einer Verantwortung dafür fein, wenn jemand dahin geht. Die Regierung hat eine sehr langwierige und s{were, aber auch sehr lohnende Aufgabe übernommen, eine Auf- gabe, die ihre ganze Energie erfordert. Die Regelung der Arbeiter- verhältnisse wird stets große Schwierigkeit bieten. Sehr tankens- wert war der Hinweis auf die Regelung in den benachbarten englischen Kolonien; wir haben daran ein Muster, von dem nüßliher Gebrauch zu machen sein wird. Es gibt sicher wie bei uns so auch in Afrika nur wenig Menschen, denen die Arbeit, zumal die harte Arbeit, noch

nicht abgehen. Der europäische Ansiedler darf, auch darauf wird die Regierung zu schen haben, seine Arbeiter niht mißhandeln; die Förp-rlidhe Züchtigung muß wöglihst eingeshränkt und eine amtliche Aufsicht geübt werden, die wahrzunehmen unsere Kolonialbeamten sich siderlih troy der großen räumlihen Schwierigkeiten an- gelegen sein lassen werden. Lebhaft erfreut uns die Vorlage wegen Verbesserung der Verkehrswege in den Kolonien. Bis jetzt ist in dieser Beziehung nur in bescheidener Weise vorgegangen worden, weil in der Heimat vielfah das Verständnis dafür noch fehlte. Die neuen Bahnen werden niht nur dem Handel und der wirtschaft- lihen Entwicklung dienen, sie werden auch den Ansiedlern im Innern in der Ribtung zugute kommen, daß fie ihnen die Möglikkeit der Kommunikation mit der Küste erleichtern, sodaß sie niht mehr wie bisher -jahrelang von allem Verkehr abgeschnitten zu sein brauchen. Was Südwestafrika speziell betrifft, so trifft die Verwaltung das Nichtige, wenn sie den W-ißen die Absaßmöglichkeit für ihre Produkte erleihtert. Das numerisché Verhältnis zwischen Ansiedlern und Kauf-

“Teuten und Handwerkern ist jept kein richtiges. In dieser Beziehung

wi:d die Schaffung neuer Absazmözglichkeit eine geeignete Abhilfe bringen. Es ift freudig begrüßt worden, daß der neue Staatssekretär ein festes Programm aufgestellt hat. Jm allgemeinen können wir fagen, daß wir Deutsche zu leiht geneigt sind, der grauen Thecrie zu folgen. Jn den Kolonien bandelt es sid um rasche Entschließungen und darum, daß wir dort die rihtigen Männer haben. Der Staats- sekretär ist ein Mann der Praxis; boffentlih gelingt es ihm, die Kolonien auf die Höhe zu bringen, die wir alle wünschen. Vizepräsident Kaempf: Der Vorredner hat am Eingang seiner Nede den Gefühlen Auëdcuck gegeben, welche die Mitteilung des Staatsjekreiärs des Reichskolonialamts über die neuerlihen Kämpfe in Südwestafrika und Kamerun und die damit für uns verbundenen Verluste hervorrufen mußten. Jch glaube, daß das gesamte Haus diese Gefüÿle teilt, und ich b!n der Ansicht, daß ih Ihren Gefühlen Avstruck gebe, wenn ih Sie bitte, h in Ekrung dieser gefallenen Offiziere und Soldaten sowie derer, die in den früheren Kolonial- fämpfen ihr Leben gelaffen haben, von Ihren Plägen zu erheben. (All- seitige Zustimmung; die Mitglieder des Hauses und des Bundesrats haben fich schon bei den ersten Worten des Präsidenten von ihrèn Plätzen erboben.)

f.

(S@luß in der Z weiten Beilage.)

wirklihes Vergnügen bereitet; es wird ohne einen gewissen Zwang .

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

N 69.

(S&luß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Eichhorn (Soz.): Es is mir mitgeteilt worden, daß der Abg. Müller-Meiningen keineswegs den Auftrag der gesamten Presse hatte, hier einem der Herren Preßvertreter gewissermaßen eine öffentlihe Nüge zu erteilen, und ich muß sagen, daß wirklih der Anlaß au nicht fo groß war, davon ein großes Aufhebens zu machen. Wenn die Herren auch einmal etwas lauter werden, fo sollten wir doch nicht gleich so engherzig und kleinlih sein, uns darüber besonders aufzuregen. Ich denke, wir bilden uns alle niht ein, unfehlbar zu sein. Die Herren oben haben sehr {wer und lange zu arbeiten, und ih denke, wir sollten niht glei nervös werden, wenn fe sich auch einmal etwas erlauben.. Was den Kolonialetat anbetrifft, so weiß ich wirklich nit, worin sih das neue System so sehr von dem alten unterscheidet. Neu is nur und wirklich anerkenréènswert die Offenheit, mit der der neue Staatssekretär die Zustände namentlich in Ost- afrifa geschildert hat. Uns war das ja alles bekannt; das ver- brecherishe Treiben, der Raubbau, der dort getrieben wird, die Brutalität der Beamten hat wesentlich zu den Aufständen Anlaß gegeben. Der Abg. Spahn ermahnte uns gestern, über diese alten Dinge Gras vaten zu lassen. Aber gerade jene Mißstände sind es gewesen, die die Opfer gekostet haben, die wir alle beklagen. Wir alle haben so:ben das Andenken der gefallenen Krieger geehrt und es ist eine Unwahrheit, wenn der Abg. von Treuenfels behauptet, wir hätten die Soldaten beshimpft. Diese Soldaten find Fleisch von unserem Fleis, fie gehören in der Hauptsahe den untersten Volks\chichten an. Der Staatssekretär hat die Eingeborenen für das wichtigste Aktivum der Kolonien erklärt. Mit der Ueberfezung, die der Abg. Schrader diesem Saße gegeben hat, daß nämli die Kolonien Schutz-, niht Ausbeutungsobjekte sein sollen, wird sih der Staatssekretär kaum einverstanden erklären; denn in seinem Sinne foll sich doch das Aktivum au verzinsen, eine Rente abwerfen. Der Staatssekretär hat gedroht, gegen die Unbotmäßigkeit mit den schärfsten Strafen vorzugehen. Die Prüzelsirafe soll danach also in ein gewisses System gebraht werden, wenn sie auch mit Kautelen umgeben werden foll. Was nüßt uns eine ausgemergelte Eingeborenenmasse. Trotha verfolgte eine Ausrottungépolitik, der Staatssekretär wird nun jedenfalls eine Verordnung erlafsen, daß die noch in Afrika befindlihen Soldaten zur Fortpflanzung der Eingeborenen - nußbar gemacht werden. Es ift erfreulich, tat man die Kulturmaske gelüftet und ofen bekannt hat, daß die eistige Hebung der Schwarzen ihre Grenze in ihrer materiellen Ausbeutung findet. Man hôrt es heraus, daß auch die Missionare mehr Vorarbeiter der Ausbeutung sein sollen als Träger rist- lier Kultur. Für uns Sozialdemokraten is in dem neuen System des Staatssikcetärs nur eine organisierte Ausnußung der Neger ent« balten. Ohne gewisse Aussicht steckt kein Unternehmer sein Kapital in die Kolonien. Darum legt der Staatésekretär das Haupt- gewiht auf den Handel und auf den Bau von Eisenbahnen. Die 150 Millionen werden natürli nur der Anfang sein ; shon in den vorgelegten Karten sind die Anhaltspunkte für eine Fortsegung vor- handen. Wir fragen : warum nicht glei volle Arbeit machen? Wir werden es noch alle erleben, daß der Staatssekretär in künftigen Sitzungen sagen wird: wir müssen weiter bauen, die Bahnen zu Ende führen. Die an die Bahnen geknüpsten Hoffnungen können wir nicht teilen. Sieht man sih nüchtern die Berichte an, die uns zugegangen sind, so muß man troy aller Schönfärberei zu einem Urteil kommen, das für die Kolonien nicht sehr rosig ausfällt. Kamerun soll vor dem wirtschaftlihen Zusammenbruch stehen ; es is ein jahrelanger Raubbau getrieben worden, die Händler haben in verbrecherisher Weise auch mit Menschenleben einen Raubbau getrieben. Der wirt- \haftlihe Zusammenbruch is auch durch eine oder einige Eisen- bahnen nit aufzuhalten. In Südwestafrika ist nur wenig Be- völkerung vorhanden, und die vorhandene ist krank und ohne Vieh. Mit Togo ‘renommiert man, weil es in seinen Ausgakten und Ein- nahmen balanciert; das ist nur dem Schnapszoll zu verdanken. Es werden Generationen notwendig sein, und die Kapitalien werden ins Ungemessene wachsen, bis das Mutterland einen Vorteil von

at.

ne ha, Dr. Paasche (nl.): Dem i von Treuenfels möchte ih unsern Dank dafür aussprechen, daß er die Anregung gegeben hat, ein dauerndes Denkmal für diejenigen zu schaffen, die in schweren Kämpfen draußen ihr Leben haben lassen müssen. Wir hoffen, daß es bald ge- lingen möge, Frieden ohne weitere große Opfer herzustellen. Dem Staatssek:etär danke ih, daß er niht mehr si so hart und \{roff wie in seiner ersten Rede in der Kommission apa hat. Aber er maht einen prinzipiellen Unterschied zwischen seiner Anschauung und der, die s der Abg. v. Liebert ausgesprohen hat. Es besteht aber zwishen diesen beiden Anschauungen gar kein fundamentaler Unterschied. Auch die um Liebert denken gar nicht daran, den Eingeborenen zur Arbeit u erziehen nur für die Pflanzer und Plantagenbesißer, fie wollen ihn nur auch für diese erziehen. Das Interesse der Neger ist auch gewahrt, wenn i bei einem guten wohlwollenden und humanen Arbeitgeber im Dienst stehen. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Es kann nicht jeder ein selbständiger Arbeiter ein, au bei uns ift. das niht möglih. Auch gegenüber dem Unter- ied, den der Staatssekretär zwishen Negerkultur und Plantagen» ultur mat, muß ih meinen abweihenden Standpunkt darlegen. Jch beschäftige mich seit 25 Jahren mit Kolonialproblemen und habe eit mehr als 20 Jahren in der Budgetkommission an allen kolonialen Mufonben mitgeardeitet. Die Forderung, daß man den Neger human und gereht behandeln soll, ist von allen Seiten anerkannt und nit neu. Dem Neger vernünftige Bedürfnisse“ beizubringen, um ihn zu veranlassen, 1

ein e i, den ih vertreten habe, seit ich zum ersten Male als Professor Vorlesungen über Kolonialpolitik gehalten habe. Wenn man aber das eigene Interesse der Neger allzu sehr in den Vordergrund stellt und dabei einen Gegenfaß \hafft zu denen, die lantagenkultur treiben, so ist das vom Uebel. Ih habe die E onibspolitik nit nur theoretish, sondern au praktisch ftudiert, und in - vielen fkolonialen Gebieten und auch in folchen, die eine alte Kultur haben, wo seit Jahrhunderten europäische Kultur- abeit unter den Eingeborenen getrieben wird, und habe überall beobahtet, daß nur die Kolonien vorwärts kommen, bei denen Schwarze und Weiße Hand in Hand gehen. In Englisch - West- indien ziehen sih die Weißen zurück, weil die Neger allzu human behandelt werden. Der Neger, wenn er der Herr wird, zieht die Zügel viel s\traffer an als der Weiße. Leßtterer zieht dann fort, und was bleibt, ist nicht Kultur mehr, sondern Ünkultur. Der Neger arbeitet nur in seinem Interesse, nur für das, was er brauht. In Portorico habe ih Spanier gesehen, die zu Negern herabgesunken waren; das sind die Folgen, wenn man den Neger sih aus\{ließlih selbst überläßt. Haben wir nicht alles etan, um au die Eingeborenenkultur zu heben und zu pflegen? Das Folonialwirtschaftliche Komitee hat seit Jahren nihts anderes getan. Man ist von alledem jeßt zurückgekommen, nit weil der Herren- standpunkt herrscht, sondern weil die Neger noch nicht fo weit sind, daß sie für sih selbst sorgen. Wie viel Hungersnot haben wir niht auch in Ostafrika noh jet gehabt, weil die Eingeborenen noch brute niht imstande sind, ohne Dazwischentreten - der Weißen große Massen von Produkten zu produzieren und zu fonservieren, um über

in seinem eigenen Interesse Kulturarbeit zu leisten, ist |

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 20. März

arme Zeiten nee nton Die kulturelle Arbeit haben {hon

die Missionen geleistet, dazu braucht man keine politishe Macht.

Jeßt handelt es sich darum, wirtschaftlihe Produkte zu schaffen, unsere Industrie zu Abnehmern zu machen, die Hilfsmittel unserer Produktion in eigenen Ländern zu produzieren. Das ist niht Autbeutungspolitik, sondern Tus unseres Wirtschaftslebens. Es wird fo dargestellt, als ob in der Arbeiterfrage die Weißen die Schuld trügen. Wenn jemand in der Kolonie mit der Nilpferds 1 peitihe berumgeht, so dient ihm diese als Spazierstok. Auch hier eben Leute mit der Nilpferdpeitshe herum. Es wird niemand ein- ps damit zu shlagen. Daß keine Märkte organisiert würden, ift unzutreffend. Ih habe viele Plantagen çesehen, wo dies der Fall war. Nährt man den Neger gut und gibt ihm satt zu essen, so hat man auch Arbeiter. Das sagen niht nur die Pflanzer, sondern auch die Missionare. Ein satter Neger is ein williger Neger. Die Mehrzahl der Pflanzer baut den Leuten auch gute Hütten, gibt ihnen, wenn es falt ist, warme Decken und nährt sie gut. Dazu ist er überhaupt hon dur sein eigenes Interesse gezwungen, denn sonst sind ‘die Leute einfah am nähsten Tage verschwunden. Der {limmste Aufsfand, der in Südwestafrika, ist doch nicht durch die Noheit der Arbeitgeber veranlaßt, sondern die Herero haben in der grausamsten Weise die friedlich neben ihnen lebenden Weißen hingemordet. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten. Zuruf : Sie haben betrogen!) E mögen Betrügereien vorgekommen sein, aber wir würden uns das traurigste Zeugnis ausstellen, wenn wir hier im Reichstage wgren wollten, daß draußen unsere Landsleute Betrüger und ufte sind. Die hinaus- gehen, sind wahrhaftig niht die s{hlechtesten Elemente, die für ein Neu-Deutschland kämpfen und bluten, die ihre Haut zu Markte tragen und mehr leisten ‘nls mancher, der hier hinter den Fleishtöpfen sigen bleibt. Wir wissen doch, daß auch in Ostafrika von Grausamkeit nicht die Rede war. Die Eingeborenen sollten zur Kultur erzogen werden, und das war ihnen unbequem. Der Staatssekretär hat gewiß mit Recht gesagt, daß für die An- fiedler viele Vorbedingurigen fehlten. Ih hätte gewünscht, daß er hinzugefügt hätte, diese Vorbedingungen wollen wir so bald wie mög- lih hafen. Auf dem fruhtbaren Hochlande sind weite Flächen vor-

cherlih keine Ausbeuter und

handen, wo fleine fleißige Ansiedler in fléerl Zahl ihr Brot finden

können. Diese kleinen Ansiedler sind 0 f Unterdrücker, sie arbeiten mit ihren eigenen aa mit Frauen und Kindern. Was die Trappisten großes geleistet haben in dieser Beziehung, können au die deutshen Ansiedler leisten. Es handelt ih hier um die Gründung eines Neu-Deutshland für die heranwahsende Jugend. Ueber die Art der Finanzierung und über die Eisenbahnen im einzelnen werden wir ja in der Kommission Gelegenheit haben, uns zu unterhalten. Dankbar aber bin ih dem Staatssekretär, daß er diese Forderung für die Eisenbahnen gebracht hat.

Präsident Graf zu Stolberg: Meine Herren, in den leßten Tagen sind umebesa während der Reden einzelner Mitglieder des Hauses Aeußerungen des Mißfallens von der Journalistentribüne gegeben worden. Ich habe bereits Gelegenheit gehabt, diese Störung der Ordnung zu rügen, ih will aber noch einmal darauf aufmerksam machen, daß ih im Wiederholungsfalle genötigt sein würde, diejenige Tribüne, von der solhe Störungen ausgehen, räumen zu laffen. Wenn ein Mitglied des Hauses gegenüber folhen Störungen einen von mir nit gehörten unparlamentarishen Ausdruck gebraucht hat,

so bedaure ih das.

Staatssekretär des Reichskolonialamts, Wirklicher Geheimer Rat Dernburg: :

Der Herr Abg. Dr. Paasche ibt mir Gelegenheit, noch einmal die ja so viel umstrittene Frage der Arbeiter in Ostafrika zu berühren. Ih hoffe, es gelingt mir nun, einmal festzustellen und ganz genau zu um- schreiben, warum es sih handelt. (Unruhe.)

Anscheinend stehen ih hier sehr vershiedenartige Anschauungen gegenüber; und troßdem hat der Herr Abg. Dr. Paashe und mit Necht gesagt: so weit sind wir gar niht auseinander in der Frage, wie es immer wieder durch das Hervorkehren gewisser Gegensäße ersheinen will. Wenn ih mich gestern gegen die von dem Herrn Abg. von Liebert vertretene Theorie gewandt habe, so habe ih es getan mit Rücksicht auf die Zitate, die er aus der „Usambara Post“ vorgelesen hat, und mit Rücksicht auf die Anwaltschaft, die er gegen- über denjenigen Leuten übernommen hat, die diese Sachen in dem Blatte geschrieben haben.

Nun besteht aber doch ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen dem, was die Farmer und Pflanzer für die Zukunft verlangen, und dem, was in diesem hohen Hause auch von den Nationalliberalen be- fürwortet wird. Meine Herren, es ist doch keiner von Ihnen hier, der etwa dafür einträte, daß man 12 Rupien Hüttensteuer nehmen soll; keiner tritt dafür ein, daß man bis 2509/6 Zölle auf die Negernahrung legen foll ; Feiner dafür, daß die Leute mit Gewalt aus Unyamwesi nah der Küfte. gebraht werden follen, daß sie dort zwang8weise und übermäßig lange gehalten, wieder eingefangen und zurückgeführt werden sollen. Es ift doch üterhaupt niemand in diesem hohen Hause, der diese übertriebenen Forderungen der Herren in Usambara vertritt! Dagegen hat gestern der Herr Abg. von Liebert, wenn ih ihn recht verstanden habe, diese Forderungen vertreten, indem er eine Drohung verlesen hat, wona die Leute, wenn diese Forderungen niht bewilligt würden, ausziehen würden, und ferner eine Beschreibung des Negers und meiner Ansicht über ihn gegenübergeftellt. Dagegen habe ich mich gewehrt. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, daß wir das ganz sicher nicht wollen. Wir wollen keinen Zwang, wir wollen keine hohen Steuern, wir wollen keine Beseßung der Grenzen, um die Leute dort zu halten; kurzum: wir wollen alles das niht, was die Pflanzer übertriebener- weise verlangt haben. Was wir aber zusammen wollen darüber find wir doch einig ift cine Arbeitsordnung, die das Verhältnis zwishen Schwarzen und Weißen regelt, eine Arbeitsordnung ungefähr in den Grenzen, wie sie die Engländer haben, eine Arbeitsordnung, die den Leuten ihre Löhne, einen Arzt, ihr Efsen sichert und ihnen die, Möglichkeit gibt, sih zu erholen. Das wollen wir alle; dagegen habe ih nichts gehört.

Nun hat der Abg. Dr. Paashe gesagt, ih hätte erklärt, die Leute sollten nur für sich, nur in ihrem eigenen Interefse ihr Geschäft betreiben, während er selbst verlanzt, daß sie auch für die Plantagenbesißzer arbeiten. Ja, meine Herren, wozu machen wir denn überhaupt Arbeitsordnungen? Damit die Leute auf den Plantagen arbeiten und man dort Arbeiter hat! Wozu wollen wir denn Arbeiterkommifsare anstellen? Damit die Leute gern dorthin gehen und den notwendigen Schuß, aber auch die notwendige Freudigkeit

1908.

Un yamwese auszustellen? Doch damit die Leute auf den Plantagen Arbeiter kriegen! Wozu würde ih denn alle diese Dinge unternehmen müssen, wenn niht die Absicht wäre, diesen Leuten zu helfen? Ich meine, es gehört ein gewisser Zwang, den man meinen Aeußerungen antut, dazu, um zu behaupten, ih bätte mih auf den Standpunkt ge- stellt: feindlih gegen die Plantagen, nur für die Arbeiter, nur für die Neger! Wer das behauptet, der traut meiner volkswirts{haftlichen Gr- kenntnis ungemein wenig zu! Also ih wehre ab alle diejenigen Maßs- regeln, welche dazu dienen sollen, auf dem Wege des Zwangs die Arbeiter in die Plantagen zu schaffen, auf dem Wege. des direkten oder indirekten fiskalischen Zwanges durch eine außerötdentlihe Er- böhung der Lebensbedürfnisse und Steuern der Neger. Dagegen stehe ih auf dem Standpunkt, daß durch eine gerechte, mäßige und billige A rbeitsordnung, durch die Bemühungen, die die Arbeiterkommifsare aufwenden werden, die im Innern des Landes die Bezirksamtmänner aufwenden werden, die Farmer und Ansiedler dort befsere, willigere und mehr Arbeiter bekommen werden, als sie bither gehabt haben. Darauf kommt es ja so sehr an. Es i mit großem Recht gesagt worden: ein satter Neger ist ein guter Arbeiter. Selbstverständlich werden die Farmer und Pflanzer dann bessere Arbeiter haben.

Aber das ist doch ganz etwas anderes als das, was man von uns verlangt hat... Von-uns ist verlangt worden ich wiederhole das —, daß man mit Anwendung von fiskalischem Zwang bezw. mit der Peitsche oder mit der Steuershraube den Farmern und Pflanzern dort bis zu 36 000 Arbeitern garantiere. Ich gebe zu, die Herren haben das vielleiht gar nicht so heftig gemeint; aber sie haben es aus- gesproßen und haben es niht bloß zu Hause ausgesprochen, sondern find auch hier damit hergekommen. Also darüber be- steht vollständige Klarheit. Ih bin der Ansicht, daß diese Leute ihre Arbeiter haben müfsen, daß es ferner wichtig ist, daß die Plantagen dort bestehen. Jh habe mich ja in der Kommission und jeßt immer wieder auf den Standpunkt gestellt: es gibt eine Anzahl Kulturen, die gar niht anders gewonnen werden können als auf dem Wege der Plantage; und diese Kulturen sind für unsere nationale Wirtschaft wihtig. Ih stehe auf dem Standpunkt des Herrn Abg. Dr. Paasche, wenn er sagt: wozu kolonisieren wir? Wir kolonisieren erstens, um unseren Uebershuß an Menschen gut und günstig und in enger Verbindung mit der Heimat unterzubringen, zweitens, um unserer Industrie ein Absazgebiet und ein Rohstoff- produktion3gebiet zu erwerben. Zu diesen Zwecken kolonisieren wir. Alles das müssen wir auf alle möglihe Weise zu erreichen suchen. Wenn wir z. B. einen großen Hanfverbrauch haben und wir können Sisal in unseren Kolonien ziehen, so werden wir das tun. Das können wir aber nur auf dem Wege der Plantage. Ebenso ist es mit der Baumwolle. Eine gute Qualität Baumwolle, die bewässert werden muß, kann wahrscheinlich nur auf dem Wege der Plantage gezogen werden. Warutä soll ih gegen die Plantagen irgendwie un- freundlih sein?! Im Gegenteil, was ih gesagt habe, ist das und es ist merkwürdig, wie selbs verständigen Leuten aller Sinn für die Nuance verloren zu gehen {eint —: Ih kann es niht verantworten, daß Oftafrika nur auf Plantagenkultur gestellt wird. Darauf hat man nun gemeint: Dernburg ist ein Feind der Plantagen. Ostafrika kann nicht nur auf Plantagenkultur gestellt werden, weil die Plantagen keine Nahrungsmittel produzieren, weil fie von dem Kapital abhängig sind, das vorhanden ist, weil fie abhängig sind von dem Weltmarkt und den Weltmarktpreisen, und weil sie überhaupt eine so intensive Landwirtshaft verlangen, daß es gar niht genug Arbeiter und Menschen in Ostafrika gibt, um auch nur einen ganz geringen Teil dieses Landes unter Plantagen zu stellen. Also niht nur auf Plantagen kann das Land geftellt werden, aber au auf Plantagen. Das ist nun hoffentlih ein für allemal klar. (Heiterkeit.)

Weiter die Frage der Erziehung zur Arbeit. Das kann meines Erachtens dadurch am besten erfolgen, daß man in den Negern Be- dürfnisse erweckt. Ih bin niht der Ansicht, daß ein Neger zum Feldbau auf dem Wege der Plantagen erzogen werden muß. Da kann man ihn vielleicht lehren, wie man anhaltend hintereinander arbeitet. Aber wenn jemand in einen so ungeheuren Betrieb gesteckt wird und er vom Morgen bis zum Abend Sisalshößlinge hackt, was er nie in seinem Leben, wenn er nah Hause kommt, wieder zu sehen bekommt, so lernt er dabei gerade so wenig wie irgend jemand, der in einen großindustriellen Betrieb in der Heimat gesteck ist. Im Gegenteil das werden mir die Afrikaner, die hier sind, bestätigen weiß der Neger binsihtlih der Qualität und Tragfähigkeit des Bodens sehr oft viel besser Bescheid als der Weiße, der dort hinkommt. Wir haben darüber allerhand Beobahtungen gemacht. Dagegen ist es absolut rihtig, daß das Ferment für die Bewegung des Negers in der Richtung, daß er sich entwickelt und Bedürfnisse bekommt, daß er produziert und konsumiert, der Weiße ist. Das wird nie und nimmer von mir geleugnet werden. Ih habe nur gesagt: aber nicht jeder Weiße, ohne Rüksiht auf Charakter, Amt und Vorbildung. Das lehne ih ab, daß ih den Neger si felbst überlaffen will; davon ift gar nit die Rede. s

Der Herr Abg. Dr. Paasche hat gesagt, man dürfe die Neger nicht zu human behandeln, und hat auf Westindien hingewiesen, wo sie Staatsbürger seien. Ja, ¡wischen der Lage des westindishen und des afrikanischen Negers ist doch ein himmelweiter Unterschied. Was ih von dem afrikanishen Neger verlange, ist nicht viel mehr, als was jedermann für irgend ein kostbares Stück seines Haushalts oder für ein Stück Vieh verlangt. (Hört! hört!) Ich will ihnen gute Hütten verschaffen, rechtzeitiges Effen vershaffen, er soll einen Arzt haben, seinen Lohn will ich ihm sicherstellen, feine Kontraktzeit soll begrenzt werden und seine Selbstbestimmung foll niht ausgeshlofsen sein. Aber was hat das mit dem Zerrbild von Zivilifation und Staatswesen auf Haiti zu tun und den Dingen, die \{limmer sind, als die allerschlimmste Wildensozietät ? Gerade das ist es, was mich von den Anschauungen der Mitte des Hauses unter- scheidet, daß ih über einen bestimmten Grad hinaus den Neger der

; haben! Wozu habe ih denn hier versprochen, die Werbeordnung für

Kultur gar nicht für fähig halte. Das sind gerade die Vorwürfe, die