1908 / 73 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Grofihaudelspreise von Getreide au deuts@chen und fremden Börseupläten für die Woche vom A6. bis 21. März 1908 nebs entsprehenden Angaben für die Vorwo@he.

1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit niht eiwas anderes bemerkt.)

Woche | Da- 16./21. | gegen März

Vor- 1908 | woe

Berlin.

og 12 . 1 196,58 5 gen, uter, under, E e ‘| 206/58 er, 161,00

Mannheim. en, Pfälzer, russischer, mittel

älzer, russischer, amerik, rumän., mittel Hafer, | scher ruf scher, m

ische, Pfälzer, mittel Gerfte { russisde, Futtee;, mittel Wien.

e fter Boden W gen, Fe o S ck S 0.00 Baier, ungarischer I. .

te, slovakische Mais, ungarischer

Budapest. gen, Mittelware . . .

208,75 233,13 182,50 220,63 153,75

190,98 219,84 142,60 152,78 123,08

178,93 201,00 139,63 126,62 114,46

144,99

Roggen, 71 bis 72 kg das hl .. 168/18

en, Ulka, 75 bis 76 kg das 11 . Riga.

en, 71 bis 72 kg das hl .., Wesen Fg P M a ea Paris,

u | lieferbare Ware des laufenden Monats {

Antwerpen. Donaus, mittel Ajim

151,82 172,95

134,76 178,19

175,92 174,30

165,22 164.00 164/17

Amsterdam. Asow d S: D. 1) ® St. Petersburger . . . Odeffa .

Roggen Weizen

(Gazette averages) Liverpool.

u .. roter Winier, Ne. è :

Manitoba La Plata Auftralier

Kurrachee . . Hafer, englischer, E Gerste, Futter- \ amerikanishe

Odef

a Mais | amerikan., bunt La Plata, gelber

Chicago. M u

ai Weizen, Lieferungsware { Juli Mais ü Mai

Neu Vork. rotexr Vit I eei Weizen | Lieferungsware i Si A Mais s Buenos Aires. een | Dur@(schnittsware .

1) Angaben liegen nit vor.

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ift für die Weizennotiz an der Londoner Pro- duktenbörse = 504 Pfund engl. gerehnet; für die aus den Ums hen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einbeimishes Getreide (Gazette averages) ift 1 Smperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 490 Pfund engl. angeseßt. 1 Bushel Weizen = 60, 1 Bushel Mais = 56 Pfund englis; L E 6 er g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen =

, Mais = g.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben im „Reichsan Ee ermittelten wöchentlihen Dur{hschn Ret an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Neu York die Kurse auf Neu York, für Odessa und Riga die Furse auf St. Petersburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldpräm

Berlin, den 25, März 1908.

Kaiserliches Statistishes Amt. J. A.: Fuhr y.

Deutscher Reichstag. 130. Sißung vom 24. März 1908, Nachmittags 1 Uhr.

der Tages t di ng der zweiten Beratung des Entwurfs eines, Gesehes, tefresier die Fest- Tee 100d, ard Lo die Etats für den Reichskanzler and bis

Paichakanzlet sowie für das Auswärtige Amt“. F d haben" Uet qu nadslhenten Audfübrungbe vos Wert be

Reichskanzler Fürst von Bülow:

Meine nt Der Herr Vorredner, der Herr Abg. Eickhoff, hat die Konferenz der Union internationale parlementaire zur Spradhe gebracht, die sich im September d. J. in Berlin vereinigen soll. Jn Würdigung der friedlichen und humanen Ziele der Union inter- nationale parlementaire, die die Volkfsvertreter der verschiedenen Nationen einander mens{chlich näher bringt und dadur politisch die Eintracht unter den Völkern zu fördern fucht, bin ih gern bereit, bei dem Empfang dieser Herren in Berlin mitzuwirken. (Bravo !) Ich hoffe, meine Herren, daß sh die Herren Vertreter bei uns

ebenso wohl fühlen werden, wie in anderen Hauptstädten, wo ihnen ein sympathisher Empfang bereitet worden ist. (Bravo!)

Meine Herren, von allen Rednern, die gestern und heute das Wort ergriffen haben, ist die sehr unbefriedigende Lage in Marokko berührt worden. Ih freue mich, daß dies von allen Seiten in ernster und ruhiger Salichkeit geschehen ist, wenn auch die Herren mehr oder weniger starke Vorbehalte hinsihtlich der Zweckmäßigkeit der militärischen Operationen Frankreißs gemacht und Bedenken darüber geäußert haben, ob das französishe Vorgehen vereinbar sei mit Wortlaut und Geist der Algeciras-Akte.

- Es ift gewiß rihtig, meine Herren, daß die Algeciras-Akte alle Beteiligten gleih bindet. Es ist weiter rihtig, daß wir im Interesse unseres Handels darauf zu achten haben, daß die wirtschaftliche Gleichberechtigung niht verleßt, und daß unsere wirtshaftlihen Interefsen in Marokko niht mißachtet werden. Die Wichtigkeit dieser Interessen ist von allen Herren, auch von dem Herrn Abg. Bebel betont worden. Auf der anderen Seite läßt \sich nit verkennen, daß die Ausführung wihtiger Bestimmungen der Algeciras- Akte durch die Unruhen in Marokko und durch die dortigen Thron- \streitigkeiten gehemmt worden ist. Die französishe Regierung kann sich nicht darüber beklagen, daß wir in Verkennung dieser Umstände die Algeciras - Akte in kleinliher oder engherziger Weise ausgelegt hätten. (Sehr rihtig) Wir wollen das auch künftig nit tun, erwarten aber au, daß man in Frankreih die Akte in dem gleichen friedlihen und freundlihen Geiste beobachtet und ausführt. (Lebhafter Beifall auf allen Seiten.)

Meine Herren, auf den allgemeinen Charakter unserer Marokko- politik braue ih heute niht näher einzugehen, nachdem ih mich hierüber wiederholt eingehend ausgesprohen habe. Ueber einzelne Punkte, die in der Debatte zur Sprache gebraht worden find; wird sich mein Nachbar, der Herr Staatssekretär von Schoen, äußern.

Ich möhte \mich jeßt zu Mazedonien wenden und zu einigen Fragen , die: mit Mazedonien in Zusammenhang stehen. Man hat die Lage“ der Dinge in Mazedonien mit einem Brandherd verglihen, den außer dem Landesherrn sechs große Mächte zu [ôöshen \sihch bemühten ohne Erfolg, weil von außen immer neue Swheite ins Feuer geworfen würden. In der Tat liegt der Grund des Uebels niht aus\{chließlich und nicht einmal überwiegend in dem Gegensaß zwishen Christen und Mohammedanern, sondern mehr noch in den erbitterten Kämpfen der verschiedenen christlihen Nationali- täten untereinander, von denen \sih jede die Suprematie in Mazedonien und für den Fall der Beseitigung der Oberhoheit der Pforte einen möglihst großen Anteil des Gebietes sihern möchte.

Gegenüber diesem trüben tatsählihen Zustande bildet der Grund- saß der Aufrehterhaltung des Status quo den Einigungspunkt, von dem aus die Mächte eine Verbesserung der Lage anstreben. An der Aufrehterhaltung dieses Status quo ist Deutshland nicht am nächsten, aber mindestens ebenso ehrlich iñteressiert, wie irgend eine andere Großmatht. Die internationale Grundlage bildet der Berliner , Vertrag. Wir haben daher das österreihis{ - ungarishe Projekt der Verlängerung der bosnishen Bahn bis Mitrowiza mit Sympathie begrüßt. Denn unser Bundesgenofse macht damit von ! einem Rechte Gebrauch, das ihm in einem völkerrechtlihen Vertrage verliehen worden ist. Darüber hinaus betraten wir die | Vermehrung der Verkehr8wege als ein wirksames Mittel, um den Stand der Kultur in jenen Gebieten zu heben und damit auth die wilden konfessionellen und Stammeskeidenschaften zu zügeln. Dabet will ih gegenüber den au von dem Herrn Abg. Bassermann er- wähnten falshen Darstellungen ausdrücklich feststellen, daß j wir in dieser Frage der öfterreih-ungarishen Regierung unseren Rat und unsere Unterstüßung weder aufgedrängt haben, noch von ihr darum angegangen worden find.

Aus dem Srundsaß der Aufrehterhaltung des Status quo er- gibt ih ferner, daß unsere Bestrebungen gerichtet \ind einerseits auf die Erhaltung der Einigkeit unter den Mächten, anderseits auf die Zustimmung der Pforte zu den vorgeshlagenen Reformen. Man kann, meine Herren, von uns keinen Enthusiasmus für Maßnahmen erwarten, die wir niht für wirksam, oder die wir gar für gefährlih halten. (Sehr rihtig!)

Zu den leßteren rechnen wir Neuerungen, die die Landeshoheit des Sultans gefährden und dadurch die Türkei und ihre moham- medanishe Bevölkerung zum äußersten Widerstand reizen würden. (Sehr rihtig!) Gewiß, meine Herren, die fortgeseßten Greueltaten, die in Mazedonien von Christen und Mohammedanern, von Moham- medanern und Christen begangen werden, {lagen der Zivilifation Europas und der Humanität unserer Zeit ins Gesicht. Aber noch ! viel unerträgliher ersheint mir der Gedanke, daß ih wegen der von | heftigem Hader durchwühlten mazedonishen Wilajets die Mächte !| untereinander verfeinden und ein europäischer Krieg entzündet werden sollte. (Lebhaftes Sehr richtig 1)

Ih glaube, meine Herren, daß diese Wünsche bei allen | Kabinetten vorherrshen, und deshalb ift zu hoffen, daß das europäische | Konzert aufrecht bleiben wird, wenn au über manche Punkte des j Programms noch Meinungsverschiedenheiten auszugleichen sind. |

Meine Herren, aus verschiedenen Aeußerungen, die im Laufe der :

Debatte gefallen find, entnehme ih, daß in diesem hohen Hause der '

: feindlihe Spitze zu nehmen.

Wuns besteht, ich möge mich auch zu dem Brief äußern, den Seine Majeftät der Kaiser im vergangenen Monat an Lord Tweed, mouth gerihtet hat. Aus Gründen der Diskretion, auf- die gegen. über einem Privatbrief Absender und Empfänger den gleihen An, spruch haben, bin ich niht in der Lage, Ihnen diesen Brief im Wortlaut vorzulegen, und ih füge hinzu, daß ih es außerordentli@ bedauere, daß ich dazu nicht imftande bin. Dieser Brief könnte nämlich von jedem von uns, von jedem aufrihtigen Freunde guter Beziehungen zwischen Deutschland und Eng- land untershrieben werden. (Lebhafte Rufe: Hört, hört !) Dieser Brief, meine Herren, war nach Form und Inhalt ein privater Brief, und er war gleichzeitig, seinem Inhalt na, ein politischer Brief. Das eine \chließt das andere gar niht aus, und der Brief eines Souveräns, ein Kaiserlicher Brief, wird dadur, daß er politische Fragen behandelt, noch niht zu einem Regierungsakt. (Sehr richtig! rets.) Es ist dies der Herr Abg. Graf von Kaniß hat das gestern mit mehreren rihtigen Beispielen belegt nicht der erste politishe Brief eines Souveräns, und unser Kaiser if nit der erste Soubverän, der an auswärtige Staatsmänner Briefe“ politischea Inhalts gerichtet hätte, die der Kontrolle niht unterliegen. Es händelt \ich hier um ein Betätigungsreht, das alle Souveräne in Anspruch nehmen, und das selbstverständlih auch unserem Kaiser zu beschränken niemand das Recht hat. Wie Seine Majestät von diesem Nechte Gebrau machen will, das können wir getroft Seinem Kaiserlichen Pflihtgefühl überlaffen. E83 ist eine grobe, durch nicht3 gerechtfertigte Unter- stellung, wenn behauptet worden ift, der Brief des Kaisers an Lord Tweedmouth bedeute einen Versuch, den für das englische Marine- budget verantwortlidhen Minister im deutshen Interefse zu beeinflufsen, er bedeute einen heimlihen Eingriff in innere Angelegenheiten des britishen Reiches. Unser Kaiser if der leßte, zu glauben, daß der Patriotismus eines englischen Ministers es ertragen würde, vom Auslande Ratschläge zu akzeptieren über die Ge- staltung des englischen Marinebudgets. (Sehr rihtig! und- Hört, hört!) Was für die englischen Staatsmänner gilt, das gilt ebenso für die führenden Männer jedes Landes, das Anspruch auf die Achtung seiner Selbständigkeit erhebt. (Lebhaftes Sehr wahr!) In Fragen der Wehrhaftigkeit des eigenen Landes lehnt jedes Volk fremde Einrede ab und zieht nur seine eigene Sicherheit und seine eigenen Bedürfnisse zu Rate. (Sehr rihtig!) Von diesem Rechte der Selbstbehauptung und Selbstverteidigung maht au Deutschland Gebrau, wenn es sich eine Flotte s{haft, die seinen Küsten und seinem Handel den notwendigen Shuß gewähren soll. (Bravo!) Dieser defensive, dieser rein defensfive Charakter unseres Flotten- programms und unserer Flottenpolitik kann gegenüber den unaufbör- lichen Versuchen, uns England gegenüber aggressive Absichten und Pläne anzudichten, nihtoft und niht scharf genug hervorgehoben werden. (Bravo!) Wir wünshen mit England in Ruhe und Frieden zu leben, und darum empfinden wir es bitter, daß ein Teil der englishen Publizisten immer wieder von der „deutschen Gefahr“ spriht, obwohl die englische Flotte unserer Flotte mehrfach überlegen ift , obwokl andere Länder ftärkere Flotten besizen als wir und mit nit geringerem Eifer an dem Ausbau ihrer Flotten arbeiten als wir, Troßdem is es Deutschland, immer wieder Deutsland und nur Deutschland, gegen das die öffentlihe Meinung jenseits des Kanals dur eine rückfichtslose Polemik aufgeregt wird. (Sehr richtig!) Es würde, meine Herren, im Interesse der Beruhigung zwischen beiden Ländern, es würde im JInteresse der allgemeinen Be- rubigung der Welt liegen, wenn diese Polemik aufhörte. So wenig wir England das Recht bestreiten, sich auf denjenigen Flottenstandard einzurihten, den seine verantwortlißen Staats- männer für notwendig halten, um die britishe Weltmaht auf recht zu erhalten, ohne daß wir darin eine Drohung gegen uns er blicken, so wenig kann man es uns verargen, wenn wir nicht wünschen, daß unsere Schiffsbauten als eine gegen England geriht¿te Heraus- forderung hingestellt werden! (Zustimmung rechts und links) Meine Herren, das sind, wie ich aus ihrer Zustimmung ent- nehme, Gedanken, die wir alle hegen, die in den Ausführungen aller Redner zum Ausdruck gekommen sind, die unser aller Ansichten entsprehen. Nehmen Sie zu diesen meinen Ausführungen hinzu, daß in dem Briefe Seiner Majestät des Kaisers an Lord Tweedmouth ein Gentléman ¡um anderen, ein Seemann zum anderen freimütig spricht, daß unser Kaiser die Ehre hoch\{chäßt, Admiral der Flotte ¡u sein, und daß er ein großer Bewunderer der politishen Bildung des britischen Volkes und seiner Marine if, so haben Sie einen ganz richtigen Begriff von Tendenz, Ton und Inhalt des Kaiser- lihen Briefes an Lord Tweedmouth!

Seine Majestät befindet Sih also darin nicht nur in Ueber- einstimmung mit dem Reichskanj¡ler, ih betone das gegenüber dem

| Herrn Abg. Bebel, sondern, wie ich fest überzeugt bin, in Ueber- | einstimmung mit der gesamten Nation. Es wäre sehr zu bedauern gewesen,

wenn die edlen Absichten, von denen unser Kaiser bei der Abfassung dieses

| Briefes geleitet war, in England mißdeutet worden wären. Mit

Genugtuung kann ich fesistellen, daß die Versuche solcher Mißdeutung in England faft einmütige Ablehnung gefunden haben. (Bravo! rechts und links.) Vor allem, meine Herren, glaube ich, daß die

| gestern von dem Herrn Abg. Dr. Wiemer und heute von dem Herm

Abg. Liebermann von Sonnenberg mit Recht hervorgehobene und ge- würdigte vornehme Art, wie das englishe Parlament diese

| Frage vorbildlich behandelt hat, das Beste tun wird, um eine , Störung der freundlihen Beziehungen zwishen Deutschland und

England zu verhüten und den Erörterungen über diesen Fall jede (Zustimmung rechts und links.)

Meine Herren, nur eine Bemerkung allgemeiner Art möchte ih noch hinzufügen. Die Herren Abgg. Freiherr von Hertling und Bafser- mann haben angesichts der gegen uns im Auslande verbreiteten Ver- dächtigungen ruhige und wahsame Zurückhaltung empfohlen und für

: die Behandlung der auswärtigen Geschäfte des Landes Stetigkeit,

Einheitlichkeit, Festigkeit gewünsht. Nun, ih glaube, daß die aus- wärtige Politik, die wir mahen müssen, niht rihtiger und nicht besser charakterisiert werden kann. (Lebhafter Beifall.)

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Wirklicher G& heimer Rat von Schoen:

Meine Herren, der Ankündigung des Herrn Reichskanzlers gemäß werde ih versuchen, noch einige Einzeldarlegungen über die marofkfanise Politik ¡u geben. Ih bedaure, den Herren in unvollkommener körper- liher Verfassung entgegentreten zu müssen, und bitte daher von vor herein um gütige Nachsicht.

. Meine Herren, Sie werden es verstehen, daß ih das Gebiet der marokkanischen Politik mit einiger Vorsiht betrete und mih auf diesem Boden nit mit der gleichen Freiheit bewege, wie Sie selbst. Ste wissen, wie empfindlich unsere westlichen Nachbarn bei Berührung des wunden Punktes sind, den die marokkanische Frage noch immer bildet. Wir können heute noch niht über Marokko \prehen, obne an die Wirkung - unserer Worte auch auf die allgemeinen französis{- deutshen Beziehungen zu denken.

Und da môhte ih gleih von vornherein betonen, es freut mi, sagen zu können, daß diese Beziehungen sich in durhaus normaler und freundliher Weise entwidckelt haben, und daß sich dies auch bei Be- handlung der marokkanischen Angelegenheiten gezeigt hat, so oft und soweit diese Gegenstand diplomatisGer Erörterung ¿wishen Berlin und Paris gewesen sind. i

Auf retrospektive Betrahtungen über die Rede, die kürzlih der frühere Minister der auswärtigen Angelegenheiten Frankreihs, Herr Delcasss, in der Kammer gehalten hat und die von einzelnen ‘Herren hier im Hause berührt worden ist, möhte ih mi niht einlassen, shon deshalb, weil diese Auslafsungen des früheren französischen Ministers in 1einem eigenen Lande überwiegend zurückgewiesen worden find. Jch glaube, es genügt, wenn wir feststellen, daß die Politik der jeßigen französishen Regierung in bezug auf Marokko weit davon entfernt ist, Marokko als den Angelpunkt einer uns feind- seligen Bewegung zu benußen (hört, hört! links), wie das vor drei Jahren zweifellos der Fall gewesen ist. (Hört, hört! rechts und links.) Damals und darin liegt“ der Unterschied zwischen der Zeit vor 3 Jahren und heute und zwischen unserer Stellung damals und heute damals, sage ih, sind wir genötigt worden, auch unserer- seits den Hebel an dem marokkanischen Punkt einzusezen, nit um die Welt aus ihren Angeln zu heben, sondern um das Gleihgewiht wieder herzustellen, nicht um in Marokko festen Fuß zu fassen, sondern um unsere dortigen mißahteten Rechte und Interessen zu betonen und zu wahren. Das Ergebnis is die Algeciras - Konferenz und die Algeciras -Akte gewesen. An tieser internationalen Vereinbarung halten wir unverrückbar fest. Sie ist und bleibt für uns die feste Basis unserer Stellung zu marokkanishen Dingen.

Messen wir nun die Vorgänge in Marokko an dieser Akte, so müssen wir gegenüber den \keptischen und ironishen Betrachtungen, denen dieses Dokument hier und da in der Oeffentlichkeit, au hier in diesem Hause, begegnet ist, daran festhalten, daß eine förmlihe Verlegung der Algeciras-Akte durch Frankreich bisher niht hat fkon- ftatiert werden können. (Rufe rechts: Oh!) Jh werde darauf noch später zurückommen.

Weiter darf nicht aus den Augen verloren werden, daß die fran- zöfishen Staatsmänner hinsihtlich der marokkanischen Politik die Algecira8-Akte stets als bindend bezeichnet haben.

Vor wenigen Tagen ift in einer französischen Zeitung das Ge- rüht aufgetauht, Frankrei denke an die Kündigung der Algeciras- Akte. Dieses Gerücht ist sofort von ¡uständiger Seite dementiert worden. Wiederholt hat die französishe Regierung in der Volks vertretung unter lebhafter Zustimmung der Kammer erklärt, daß ihr in bezug auf Marokko jede Eroberungspolitik fernliege, daß sie auch kein Protektorat erstrebt, daß keine Expeditionen nah Fez oder nah Marrakeshch beabsichtigt seien, daß die militärisGe Aktion nihts anderes im Sinne habe als die Wiederherstelung von Ruhe und Ordnung, daß die Besezungen, zu denen man gezwungen gewesen, nur vorübergehenden Charakters seien, und daß man si grundsäßlih streng und korrekt im Rahmen der Algeciras-Akte bewegen werde. Gleiche Grklärungen hat die französishe Regierung uns wiederholt durch ihren Botschafter hier geben lassen, zuleßt anläßlih der Ankündigung der Sendung weiterer Truppen nah Casablanca. An diese Erklärungen der Regierung der Französishen Republik müfsen wir uns halten, an ihrer Aufrichtigkeit und Loyalität darf die Kaiserliche Regierung keinen Zweifel hegen. Mir s{cheint, daß man sich bei der Beurteilung der Vorgänge in Marokko folgendes klar zu mathen hat. .

Die Algeciras-Akte regelt bestimmte Gebiete in internationaler Weise; daneben bleibt aber noch Raum für selbständige Aktionen. Dadurch, daß die Mächte die Akte unterschrieben haben, haben sie sih keinesfalls des Rechtes begeben, flagrante Verletzungen ihrer be- sonderen Rechte und Interessen zu s\ühnen. Natürlichß muß im allgemeinen dem Grundsatze der Unabhängigkeit, der JIn- tegrität Marokkos und der wirtschaftlichen Gleihberehtigung aller Nationen Rechnung getragen werden. (Sehr ritig !) Solange diese Grundsäße hochgehalten oder wenigstens nit verleßt werden, haben wir unsererseits keinen Anlaß, Einspruch zu erheben gegen die Aktion, welhe Frankreich auf seine Verantwortung unter- nommen hat und noch unternimmt; wir tragen dafür keine Ver- antwortung und haben daher auch kein Urteil über Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit der getroffenen Maßregeln zu fällen. Wir verhehlen uns natürlih nit, daß bei der Fortdauer der jeßigen unruhigen und unsicheren Zustände der fremde Handel, insbesondere der unsere, erheblich leiden muß. Wir bedauern das um so tiefer, als es bekannt ist und wir noch gestern aus dem Munde des Herrn Grafen Kaniy erfahren haben, daß bei ruhigen Zuständen unser deutscher Handel in Marokko noch der Steigerung fähig ist, daß er sich während der verhältnismäßig ruhigen Jahre von 1894 bis 1904 ver- dreifaht hat. Die Regierung teilt also vollständig die in diesem Hause laut gewordenen Wünsche, daß bald wieder Zustände einkehren mögen, bei denen Handel und Wandel ihre Rehnung finden. Wir hoffen auch, und wir haben wiederholt bestimmte Zusicherungen in dieser Beziehung von der französishen Regierung erhalten, daß bei den noch im Gange befindlihen militäris{hen Unternehmungen auf unseren Handel insofern Rücksiht genommen werde, daß weitere Schädigungen nach Tunlithkeit vermieden werden. Solange nit spezielle deutshe Rechte und Interessen verleßt werden, ift es nit unsere Sache, durch einseitiges Einschreiten die \chwierige und ver- wirrte Lage in Marokko noch mehr zu komplizieren. Das ist auch der Gesichtspunkt, von dem aus wir die an uns herangetretenen An- suhen des Sultans Abdul Asis von Marokko und ebenso seines Bruders Mulay Hafid, welche uns haben bitten laffen, gegen das weitere französishe Vordringen in das Innere Einspruch zu er- heben, abgelehnt haben. Wir haben beiden Brüdern sagen laffen, daß, wenn sie glaubten, berechtigte Beschwerden erheben zu können gegen unzulässige Einmishung in innere marokkanishe Angelegenheiten, diese Beshwerden nit bei uns, nicht bei einer einzelnen Macht, anzubringen sein würden, sondern bei der Gesamtheit der Mächte, welche die Algeciras. Akte unterzeihnet haben. Wenn man in Rabat hinterher versucht hat, diesen Schritt abzuleugnen, so

ift das psychologisch erklärlih; es ändert aber nihts an der Tatsache, daß die marokkanishe Regierung in der Person des Ministers des Aeußern Ben Sliman sich an unseren Vizkonsul in Rabat gewandt und ihn gebeten hat, ihre Bitte weiter zu befördern an unseren Gesandten in Tanger und durch ihn an uns, die Bitte nämli, daß wir den Franzosen in irgend einer Weise Halt zurufen sollen. (Sehr rihtig!) Wir haben dafür das klare und bestimmte Zeugnis unseres Vizekonfuls in Rabat, eines Mannes, der lange Jahre {hon in Rabat angesefsen und mit Land, und Leuten vollständig vertraut ist, auch mit der Landes\prache, und dessen unantastbare Persönlichkeit ihm bei Eingeborenen und Fremden hohes Ansehen verschafft hat. (Sehr richtig !) :

Ueber diese Vorgänge, meine Herren, sowie über manche anderen Einzelheiten der marokkanischen Frage werden Sie Aufschluß finden in dem Weißbuh, daß Ihnen, wie ih hoffe, in wenigen Wochen wird zugehen können. (Bravo! rechts. Zurufe links.) Ich bedauere, daß es Ihnen bis jeßt nicht hat vorgelegt werden können; es {tellt eine mühsame und zeitraubende Arbeit dar. Sie werden aus dem- selben au, wie ih hoffe, die Ueberzeugung gewinnen, daß wir unter s{chwierigen Umständen nihts versäumt haben, um die deutschen Inter- effsen in Marokko nah Kräften zu fördern.

Ich bilte noch um die Erlaubnis, vorweg einige Einzelheiten aus dem Weißbuche erwähnen zu dürfen, weil sie aktueller Natur find und Fragen betreffen, die gestern hier berührt worden sind.

Zunächst folgendes: Auf unsere Erkundigung über die Preßnachriht von einer in Aussicht stehenden französishen Aktion gegen Saffi und Azemmur hat uns die französishe Regierung gestern versichert, daß sie keine derartigen Pläne habe, vielmehr alles daran seße, um weitere Landungen nah der in Casablanca möglihst zu vermeiden. Nur dann, wenn die Sicherheit der fremden Ansiedlungen bedroht werden sollte, würde sie die Notwendigkeit ins Auge zu fassen haben, den Schuß kräftiger zu gestalten.

Ferner möchte ih mir erlauben, auf die Frage der Entschädigung für Casablanca näher einzugeben. Ueber die Vorgänge, welche die Frage einer Entshädigung nötig gemacht haben, hat Ihnen Herr Graf Kani gestern bereits zutreffende Ausführungen gemacht. Jch darf an diese anknüpfen und erwähnen, daß am 2. September v. F, eine Abordnung der deutshen Kolonie von Casablanca dem Aus- wärtigen Amt eine ausführlih begründete Eingabe überreiht hat, in welcher der Antrag gestellt war, Frankreih zum Ersaß des ent- standenen Schadens heranzuziehen und einstweilen zur Beseitigung des eingetretenen dringenden Notstandes sofort die Anweisung einer vor- läufig zu verteilenden Summe von 480000 A aus Reichsmitteln

"herbeizuführen. Die über diesen leßten Teil des Antrages von dem Geschäftsträger in Tanger und dem Konsulatsverweser in Casablanca eingeforderten gutahtlihen Aeußerungen lauteten übereinstimmend dahin, daß in der Tat die Fortexistenz der deutschen Handelshäuser in Casablanca gefährdet sei (hört, hört!) ohne sofortige Geld- hilfe, und zwar erschiene eine solhe in Höhe von 250 000 Mark geboten, welhe Summe etwa 25 9% des vorläufig taxierten direkten Schadens der dortigen Firmen entspricht. (Hört, hört!) Es ergab sich bald, © daß man, wie das übrigens vorauszusehen ist, in Frankreih nit geneigt war, eine Er- stattungspfliht anzuerkennen (hört, hört!), indem man dort geltend mate, daß die französisch-spanische Aktion dur& \{chuldhaftes Ver- halten der marokkanischen Regierungsorgane notwendig geworden set. Daß von der marokkanishen Regierung eine rashe Erstattung nicht zu erwarten war, konnte bei deren bekannter Finanzlage nit gut be- zweifelt werden.

Es war dana klar, daß bis zu einer definitiven Regelung der Entschädigungsfrage noch geraume Zeit verstreihen würde.

Nach reifliher Erwägung hat es deshalb die Kaiserliche Ne- gierung für ihre Pfliht gehalten, vorbehaltliß der späteren Genehmigung des Bundesrats und des Reichstags die erbetene einstweilige Hilfe in dem von den Kaiserlichen Vertretern beantragten Umfange in Form eines Vorshusses eintreten zu lassen, der von dem noch zu ermittelnden Schadensersabßpflichtigen seinerzeit wieder einzus ziehen wäre. Die Regierung war ih dabei wohl bewußt, daß eine rechtliche Verpflihtung zu dieser Zahlung ihrerseits nit bestehe, daß es auh an jedem Präzedenzfall hierfür fehle. Die Maßregel erschien aber durch die vorliegenden Umstände gerehtfertigt, die so außer- gewöhnlihe sind, daß aus ihnen auch nit leiht ein Präjudiz für künftige Fälle, wo Deutsche im Auslande zu Schaden tommen, ab- geleitet werden kann. Handelte es sich doh darum, den bisher blühenden und alle Aussichten auf gedeihliche Weiterentwicklung bietenden deutschen Handel in der wirtshaftlich für uns wichtigsten Stadt Marokkos vor der ihm sonst sicher drohenden Vernichtung zu retten und damit ofen vor aller Welt Zeugnis von dem Wert abzulegen, den wir in Konsequenz unserer bisherigen Marokko- Politik und Förderung der deutschen wirtshaftlißen Arbeit in Marokko legen.

Die Verteilung des Vorshusses, meine Herren, ist erfolgt nah einem für alle gleichen Prozentsaß des von jedem einzelnen erlittenen Schadens, wobei entsprehend der sonst beobachteten internationalen Praxis nur direkter Schaden berücksihtigt worden ist. Dem Charakter des Vorschufses entsprehend sind die' Empfänger durch Revers ver- pflihtet worden, denselben unter gewissen Vorausseßungen dem Reiche dereinst zu erstatten. Zur Feststellung des Verteilungsplanes für den Vorschuß war in Casablanca eine Kommission eingeseßt worden, be- stehend aus dem deutschen Konful als Vorsigenden, drei von den Deutschen in Casablanca gewählten Mitgliedern und einem mit den wirtshaftlihen Verhältnissen in Cafablanca und Umgegend besonders vertrauten Beamten der Kaiserlihen Gesandtschaft in Tanger.

Die Kommission hat von hier aus die nötigen Direktiven für ihre Arbeiten erhalten.

Die definitive Feststellung aller Entshädigungsansprühe wird durch eine internationale Kommission erfolgen, die voraus\ihtlich demnächst in Casablanca zusammentreten wird. Frankrei und Spanien haben ihr Einverständnis damit erklärt, daß dabei, soweit es sich um deutsche Entshädigungsansprüche handelt, die Arbeiten der deutschen Kommission in möglihst weitgehendem Maße zu Grunde gelegt werden. (Zuruf links: Nur eine Kommission?) Es sind au andere Kommissionen tätig für andere Nationen.

Sollte die internationale Kommission für die Beschädigten günstigere Grundsäße anwenden, als diejenigen sind, nah denen die deutsche Kommission verfahren ist, so sollen jene günstigeren Grundsätze auch den deutshen EGntshädigungeansprühen zu gute kommen.

(Bravo !)

Erst nahdem die gesamten Entschädigungsansprüche dur die internationale Kommission festgestelt worden sind, werden die Verhandlungen unter den beteiligten Regierungen darüber wieder aufgenommen werden können, auf welchem Wege die Mittel für die Bezahlung der Entshädigungsbeträge zu beschaffen sind. Es liegt auf ‘der Hand, daß der Moment nicht gerade günstig ist, um an die in dringlicher Geldnot befindliche marokkanishe Regierung mit Ersay- ansprüchen heranzutreten. Wir bleiben aber fortgesett darauf bedacht, auf tunlichst beshleunigte Erledigung der Entschädigungsfrage hinzu- wirken. :

- Meine Herren, es sind noch andere Einzelfragen berührt worden, ‘auf die ih kurz eingehen möhte, zunächst das russish-englishe Abkommen bezüglih Persiens und anderer Länder in Asien. Ueber die politische Bedeutung dieses Abkommens hat der Herr Reichskanzler sih wieder- holt ausgesprohen. Wir haben weder politishe noch wiätschaftlihe Interessen in Tibet und Afghanistan. Was Perfien betrifft, so haben wir dort nur wirtshaftliGe Interessen. Es wird also genügen, daß wir uns das russish-englische Abkommen in bezug auf Persien von dem Standpunkt aus betrachten, ob und eventuell in welhem Um- fange unsere wirtshaftlihen Interessen dadur beeinttähtigt werden. Wie bekannt, haben England und Nußland sh in der Weise ver- ständigt, daß England zu Gunsten Rußlands auf wirtshaftlihe und politis&e Tätigkeit in einer nördlihen Sphäre verzihtet, und um- gekehrt Rußland zu Gunsten Englands den gleichen Verzicht hin- sihtlih einer südlißen Sphäre ausgesprohen hat. Dazwischen liegt eine neutrale Zone, bezügli derer beiden Teilen, sowie au anderen nach wie vor die wirtschaftliche Betätigung ofen steht.

Bemerken möchte ich noch und das wird insbesondere

den Herrn Abg. Frhrn. von Hertling interessieren —, daß das Ab-

kommen \ich nit auf den Persishen Golf erstreckt. Die beiden Kontrahenten haben im übrigen völlig vermieden, in die Rechte Dritter einzugreifen. Eine neue Lage ist nur für Rußland und für England geschaffen worden, und zwar infofern, als beide Mächte sih darüber verständigt haben, einen seit langen Jahren und zuweilen sehr heftig geführten Konkurrenzkampf friedlih und freundlich bei- zulegen. Daß dur diesen Ausgleih die Rehte und Pflichten an- derer nicht berührt werden, daß neue Rechte und neue Pflichten für Dritte, also auh für Deutschland, dadur niht geschaffen „werden, haben Rußland und England uns wiederholt und in loyalster Weise erklärt. :

Es kommt hinzu, daß beide Mächte sich in der Einleitung zu ihrem Abkommen noch ausdrücklich zu dem Prinzip der offfenen Tür bekannt haben, und zwar mit folgenden Worten:

„Nachdem die großbritannishe und die russishe Regierung \ih gegenseitig verpflihtet haben, die Integrität und die Unabhängigkeit Persiens zu achten und die Aufrechterhaltung der Ordnung .in dem ganzen Gebiete dieses Landes und dessen friedliche Entwicklung ebenso aufrihtig wünshen wie das dauernde Bestehen dieser Vor- teile für Handel und Industrie aller anderen Nationen“

usw. (Hört, hört! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Ich glaube noch darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß in dem english-russishen Abkoämen von einer pénétration pacifique etwa in der Weise, daß nach 30 Jahren die wirtshaftliche Gleichs- berechtigung anderer Nationen aufhören soll, nirgends die Rede ift. Wir haben hiernach keine Veranlassung, uns durhch das russish-eng- lishe Abkommen über Persien beunruhigt zu fühlen oder gar gegen dasselbe Stellung zu nehmen. Wir sind nah wie vor in der Lage, in Persien wie in jedem unabhängigen Lande unserer wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.

Freilih werden wir uns nit verhehlen dürfen, daß Rußland und England dank ihrer Lage als Grenznahbarn Persiens und dank jahr- hundertalter sehr enger Beziehungen einen vielleiht nicht unbedeutens den Vorsprung gewonnen haben, den wir ihnen nicht streitig machen können und nit streitig mahen wollen.

Für unsere wirtshaftlihen Beziehungen zu Persien malt \sich in unseren beteiligten Kreisen in den leßten Jahren steigendes Interesse bemerkbar. Der Warenimport von Deutschland nach Persien findet dur die Einrichtung einer direkten Dampferverbindung von Hamburg nah den Häfen des Persishen Golfes Förderung und Erleichterung. Jn den Rahmen der wirtshaftlihen Tätigkeit gehört au die Gründung einer deutshen Handelsbank in Teheran oder in einer anderen Stadt Persiens das steht heute noch nicht fest. Dur die Ge- währung einer Konzession für eine solhe Handelsbank ist einstweilen die erforderliche Basis seitens der persischen Regierung gegeben worden.

Schließlih möchte i noch erwähnen, daß unser Handelsattachs in Konstantinopel zu einer längeren Studienreise über die wirtschaft- lihen Fähigkeiten Persiens entsandt worden ist. Dies mag als weiterer Beweis dienen, daß wir alle Möglichkeiten, welche Persien unserem Handel und unserer Industrie bieten kann, sorgfam im Auge behalten.

Meine Herren, ih bitte, einen Augenblick pausieren zu dürfen, Ich werde jeßt auf die Bagdadbahn zu sprechen kommen und möchte die Unterbrehung auch deshalb markieren, um zu zeigen, daß zwis{hen den englisch-russischen Abmachungen über Persien und die beiden anderen asiatischen Länder und zwischen der Bagdadbahn keinerlei Ver- bindung besteht. Das ist nit allein unsere Ansicht, das is auch die Ansicht von Rußland und England. “Beide Regierungen haben uns dies wiederholt, und zwar in der loyalsten Weise, ver- sichert, und sie haben dabei noch weiter die Erklärung abgegeben, daß sie unser Interesse an der Bagdadbahnfrage voll anerkennen und keinerlei Entscheidung, die diese Frage berühren könnte, treffen würden, obne sich vorher mit uns in offener Weise auéeinanderzuseßen.

Bei Beurteilung des Bagdadbahnunternehmens darf von vorn- herein nicht aus dem Auge verloren werden, daß die Ausführung des Unternehmens durch Seine Majestät den Sultan einer ottomanischen Gesellshaft anvertraut worden ist, an welcher allerdings an erster Stelle deutsches Kapital, an zweiter Stelle französis{es und im übrigen auch noh anderes Kapital beteiligt ist, und zwar ôsterreihisches, italienishes, schweizerishes und türkishes. Alle Nationen, welche mit Kapital an dem Unternehmen beteiligt find, sind au in der Ver- waltung der Gesellshaft vertreten, am. stärksten nächst Deutschland die Franzosen. Man kann also sagen, daß das Bagdadbabnunter- nehmen ein ottomanisches Unternehmen ist, das internationalen Charakter unter deutsher Führung hat. Man wird bei der Bagdadbahn allerdings insofern mit Fug und Reht von efnem deutschen Unter- nehmen sprechen können, als dieses großartige Unternehmen deutschem Geiste entsprungen isl, mit Hilfe deutshen Wissens und deutschen Könnens bis zu dem bisherigen Punkte geführt worden ift und, wie