1887 / 271 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Nov 1887 18:00:01 GMT) scan diff

vorzüglich zu Geschenken für den Weihnachtstisch. Die \plendide Ausstattung, welche die Verlagshandlung den beiden Büchern gegeben, sei lobend hervorgehoben. s

zweiter Auslage giebt die Schulze’she Hofbuchhandlung inOlden- burg ferner cine Gedihtsammlung von Emma Croon-Mayer heraus. Wenn etwas gun Lobe dieser Lieder aesagt werden kann, was ihnen zur besonderen Auszeichnung gereihen dürfte, fo ist es der Um- stand, daß viele von ihnen an Annette von Droste-Hülshoff erinnern. Auch die Croon-Mayerschen Gedichte sind als anmuthige Festgabe zu empfehlen. Der Préis ‘des “ungebüñdenen elegant ausgestatteten Buchs stellt sich auf 3 A Exemplare in feinen Originaleinbänden a6 mit geringem Preisaufschlag durch alle Buchhandlungen zu

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Ferd. Raabe's Nachf. Eugen Heinrich, Antiguariat und Buchhandlung in Königsberg i. Pr., hat ein Verzeichniß (Nr. 78) seines antiquarishen Bücherlagers versandt. Dasselbe führt 4920, die deutsche Literatur betreffende Schriften unter folgendèn Me sengen auf : Neuere deutshe Literatur und Ueberseßungen, Mustersammlungen aus Poesie und Prosa (Anthologien); Volks- lieder, Sprihwörter, Legenden, Sagen, Märchen; Mundarten ; ältere deutsche Literatur und Sprache, cins{chl. deutsche Götter- und Helden- sage ; Literaturgeshichte, Geschichte des Theaters, Aesthetik; Auewahl von Prachtwerken und von werthvollen Wérken aus verschiedenen Wissenschaften. Unter den im vorstehenden Katalog verzeichneten Schriften befinden sich viele werthvolle. l

Haushalt-Katehi3mus. Rathgeber und Hülfsbuch für Dienstmädchen und Töchter, die sich dazu ausbilden wollen. Von Tony Pauly. Viertes Tausend. Pr. kart, 1 f R. v. Deker's Verlag, G. Schenck in Berlin.

„Quarant?’ anni di vita artistica“, „Vierzig Jahre Künstlerleben* betitelt sich Ernesto Rossi’s auto- biographishes Werk, von dem soeben im Verlage von Niccolai in Florenz der zweite stattlihe Oktav-Band erschienen ist. Er behandelt die Reisen des berühmten Künstlers, und etwa hundert Seiten des Werkes sind dem Aufenthalt in Deutschland, insbesondere dem in Berlin gewidmet.

Von dem Pracktwerk: „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ ift socben die 48. Lieferung ershienen, welhe das 17. Heft des Wien und Nieder-Oesterreih um- fassenden Bandés bildet. Es wird darin die Spezialgeschichte Nieder- Desterreihs in den leßten hundert Jahren von Anton Mayer zu Ende geführt, und daran schließen sich zwei Arbeiten „zur Volkskunde Nieder-Oefterreihs“, nämlich „Charakteristik und physische Beschaffen- heit der Bevölkerung“ von Robert Weißenhofer und Karl Langer und „Das Jahr“ (verschiedene volksthümlihe Jahresbräuche) von E Weißenhofer. Die Illustrationen sind diesem Inhalt an- gepaßt.

_Stuttgart, 16. November. Die durch den Tod des Prof. Vischer àm hiesigen Polytebnikum erledigte ordentlihe Professur für deutsche Literatur, Aesthetik und Redeübungen ist dem Ober-Studien- Rath Dr. Klaiber übertragen worden.

Land- und Forstwirthschaft.

Aus dem Großherzogthum Hessen wird der „Frkf. Ztg.“ unter dem 15. November geschrieben: Nach der soeben veröffentlichten Statistik über den Tabackbau in Hessen im Iahre 1887 beläuft si der amtlich abgeschäßte Ertrag des Tabacks auf 1 160 958,95 kg; der Flächeninhalt der mit Taback bepflanzten Grundstücke umfaßt ein Terrain von 87005 a, während die Zahl der Tabackyflanzer 2650 be- trägt. In den leßten 5 Jahren hatte nur das Jahr 1883 einen höberen Erirag an Taba geliefert als das laufende Jahr, nämlich 1778124 kg, das Jahr 1886 lieferte nur einen Ertrag von 929 852 kg.

__— Dem kürzlich erschienenen amtlichen Bericht über die land- wirth schaftlihen Verhältnisse Irlands entnehmen wir folgende Men, Die ganze bestellte Fläche eins{hließlich Wiesen und Klee belief sich auf 2058402 ha im Jahre 1887 gegen 2 037165 ha im Vorjahre; unter Gras befanden si 4 067 037 ha gegen 4103172 ba im Jahre 1886 und unbestellt lagen 9145 ha gegen 6890 ha in 1886. Pferde. und Maul- thiere haben troß des erheblihen Exports nach Amerika um 8722 Stü zugenommen; dagegen hat das Rindvieh eine Ver- minderung von 26 515 Stück erfahren, ist die Zahl der Schafe um 12 374, die der Shweine um 145 343 zurückgegangen. An Geflügel wurden im Ganzen 14 461 7(9 Stü gezählt, nämlich 909 799 Trut- hähne, 2139 639 Gänse, 2 930171 Enten und 8 482 100 Hühner. Der größte Theil der irischen Geflügelvorräthe gelangt auf den eng- lishen Markt.

In der „Rundschau sür Geographie und Statistik“ (Wien, A. Hartleben's Verlag) wird die Weizenernte des Jahrgangs 1887 wie folgt berechnet. Es betrug in den in diefer Beziehung ungünstig gestellten Ländern, nämlich:

ti der Ertrag der Einfuhrbedarf in Millionen Hektolitern Deutschland . 40,0 6,5 Cas 0,6 3,4 Frankreich. 110,0 20,0 (O 41,5 Dagegen in den günstiger gelegenen Getreideländern, nämli: in der Ertrag die Ausfuhrfähigkeit in Millionen Hektolitern Nußland . 90,0 28,0 Ungarn . E Ao 14,0 Ma 8,5 4,5 Indien. . 82,0 10,0 Nord-Amerika . . . , 145,0 35,0 __Nach dieser Zusammenstellung übertrifft die Ausfuhrfähigkeit der günstiger situirten Produltionsländer den Einfuhrbedarf der ungün- stiger gestellten um 20 000 000 h].

[Veterinärwesen.

__ Entschädigungen von Vichbesißern. Amtlichen Na- rihten zufolge wurden auf Grund des Reichs-Viehseuchengeseßes von 1880 und des preußischen Ausführungsgeseßes von 1881 für die auf polizeilihe Anordnung wegen Robkrankheit und Lungenseuche getödteten Thiere im Rechnungsjahre 1886/87 im Ganzen gezahlt: Für getödtete oder gefallene roßverdächtige oder roßkranke Pferde aus der Staats- fasse 70 003,89 Æ, von den Provinzial- 2x. Verbänden 294 434,74 MÆ; für getödtete oder gefallene lungenseucever- dächtige oder [ungenseuchekranke Rinder aus der Staatskasse 30 307,07 #&, von den Provinzial- 2c. Verbänden 361 146,58 46 Von den Provinzial- 2c. Verbänden sind erhoben worden für Pferde 370 310,02 Æ, für Rinder 608 496,47 4 Die höchste gezahlte Ent- schädigungssfumme für Pferde aus Mitteln der Verbände weist die Dos Sachsen auf mit 57 775,50 4; dann folgten mit den höchsten

eträgen die Provinzen Westpreußen, ua und Brandenburg. Lebtgenannte Provinz erhielt auch die höchste Entschädigung aus Staatéêmitteln im Betrage von 23751,99 4 Die geringsten Ent- shädigungsarsprühe machten die Provinzen Pommern (mit 49 M aus Staats- und 2599 Æ aus Verbandsmitteln) und Schleswig- Holstein (mit 526 aus Staats- und 787,50 M4 aus Vérbandémitteln), sowie die Regierungsbezirke Kassel (225 und 425 M) und Wiesbaden (0 und 862,50 4). Bei den Entschädigungen für Rinder ertfiel ebenfalls der höchste Betrag aus Mitteln der Verbände mit 31 805,43 4 auf die Provinz Sachsen, deégleihen der höchste Betrag aus Staatemitteln mit 16 597,65 M Dieser Provinz am nächsten standen Hannover mit

17 024,70 und Posen „mit 12 433,49 Æ aus Mitteln der Verbände. Die geringsten Ansprüche unter den Provinzen erhob Schleswig- Holstein, welche aus Staatêmitteln 105 Æ, aus Verbandsmitteln nichts erhielt, Noch günstiger lagen die Verhältnisse im Regierungs- bezirk Kassel, no überhaupt gar keine Entschädigungen beansprucht

Gewerbe und Handel.

Der patentirte Sonnet’sche Gas-Kanal -Ofen unter besouderer Berücksihtigung des neuen Fabrikations-Verfahrens von Portland-Cement Mit vier erläuternden Lichtdrucktafeln. Unter diesem Titel erschien soeben bei Gustav Fock in Leipzig eine Flug \{rift, die sih mit dem Problem beschäftigt, Cement-Rohmaterial in Mehlform, wie auch kontinuirlich brennen zu können, endlih au vollständig reinen Cement herzustellen. Aus der Srift geht weiter hervor, daß die Verwendbarkeit des Ofens außerhalb der Cement- fabrikation {on anerkannt worden sein soll, so z. B. in der Montan- Industrie beim Rösten von Erzen, wie zum Brennen von Farben und Erdfarbstoffen resp. zum Brennen von Mineralien im Allgemeinen.

Die „Deutsche Gesellshaft zur Beförderung rationeller Malverfahren“, welche ihren Siß in München hat, wird zur Realisirung ihrer Bestrebungen im Jahre 1888 eine Ausstellung von alten und neuen Gemälden und dekorativen- Malereien, Werken der Por oten Plastik und Architektur, unter besonderer Berücksichtigung der bei denselben in Anwendung gekommenen Materialien und Ver- fahrungsarten, der Restaurirungsmittel und der sämmtlichen auf die Mal- und Farbentechnik bezüglichen Hülfs- und Lehrmittel, Utensilien 2c., und zwar im Anschluß an die in demselben Jahre in München statt- findende Deutsch - nationale Kunstgewerbe-Ausstellung veranstalten. Dié Ausstellung soll das gesammte Gebict der künstlerischen, kunst- gewerblihen und gewerblihen Malerei umfassen, und es wird ein ganz besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die ausgestellten Materialien und Verfahren möglich\t an den Vauwerken sowie der inneren und äußeren Auéshmüdung der Ausstellungsräume in ihrer praktischen Anwendung vorgeführt werden. Während der Dauer der Ausstellung soll zugleich ein Kongreß der genannten Gesellschaft abgehalten werden. Die Dur({führung beider Unternehmungen is durch die von der Königlich bayerishèn Staatsregierung gewährte Ünterstüßung gesichert. Wie das Programm näher ergiebt, findet die Ausstellung infolge getroffener Vereinbarung mit dem Direktorium der deutsch-nationalen Kunstgewerbe- Ausstellung im Anschluß an dieselbe als Separat- bezw. Kollektiv-Ausstellung auf dem von der Stadt München zur Verfügung gestellten Areal am neuen Jsarquai statt. Dieselbe wird am 15. Mai 1888 eröffnet und am 15, Oktober 1888 geschlossen, eine evenkuelle Verlängerung der Ausstellungsdauer bis Ende Oktober aber vorbe- halten. Die Leitung und Durchführung der Ausstellung erfolgt durch die von der „Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller Mal- verfahren“ hierfür gebildete Kommission. Zweck der Ausstellung ist : soviel wie möglich, ein einheitlihes Gesammtbild über den Stand der modernen Mal- und Farbentechnik, in ihrem inneren Wesen sowohl wie in ihren äußeren Erfolgen, zu schaffen und Alles, insbesondere die Wirkungen und Eigenschaften der verschiedenen Materialien und Verfahren, an alten und neuen- Werken zu studiren und daraus Nugzen für die fernere Entwickelung der Technik zu ziehen. Ferner foll dadurch gleichzeitig das Interesse sür alle diesbezüglichen Bestrebungen in den weitesten Kreisen wahgerufen werden. Die An- ordnung und Gruppirung der auszustellenden Objekte erfolgt durch die Ausstellungskommission, und es werden, wie son hervorgehoben, als Ausf\tellungegegenstände auch integrirende Bestandtheile der Aus- stéllungsbauten, der Innen- und Außenräume als sehr erwünscht be- zeichnet. Künstlec und Dekorationsmaler, Private und Sammler 2c. sind für die ausgestellten Gemälde und Malereien von der Plaßtmiethe befreit. Die Ausstellungskommission besorgt gleichzeitig die für die Abhaltung des Kongresses nothwendigen Arbeiten und Einladungen.

N der gestrigen ordentlihen Generalversammlung der Aktionäre der Vict oria-Brauerei, Aktien: Gesellschaft, wurde nach Vorlegung des Geschäftsberichts pro 1886/87 die Bilanz genehmigt und der Verwaltung Decharge ertheilt. Die Dividende wurde sodann auf 6% (gegen 439% im Vorjahre) festgesetzt.

Dem Aussichtsrath der Breslauer Aktien-Bier- brau erei wurde vom Vorstande der Rehnungsabschluß für das leßte Geschäftsjahr vorgelegt. Derselbe \hließt mit einer Unterbilanz von 45 400 A6, zu welcher Abschreibungen von 26 000 4 hinzutreten, \o daß der gesammte Fehlbetrag ca. 71400 4 betragen wird.

Nach dem Geschästsberiht der Vereinigten Rheinisch- Westfälischen Pulverfabriken für 1886/87 ist die Gesammt- produktion von 63 241 Ctr. im Vorjahre auf 54 071 Ctr. und der Versandt von 5,21 Millionen auf 3,92 Millionen Mark zurückgegangen. Abzüglich des Antheils der Rottweil - Hamburger Fabrik mit 126 874 A beträgt der Betriebsgewinn 918 850 A (1885/86 1 E #6). Die Dividende is auf 10% (1885/86 16# 9/6) fest- geseußt.

___— Die gestrige Generalversammlung des Märkisch-We |st- fälishen Bergwerksvereins genehmigte die Bilanz und die vorgeshlagene Dividende von 5%. Hinsichtlih der Geschäfts- entwidelung im laufenden Jahre berichtete die Direktion, daß der jeßige Zinkpreis 32,50 gegen den Durchschnittspreis von 28,15 im Vorjahre betrage. Die Gesellshaft wird in diesem Jahre das volle Konventionsquantum produziren; auch die Preise für Schroefel- säure, welche die Gesellschast produzire, seien in leuter Zeit gestiegen. Sämmtliche rheinish-westfälishe Schwefelsäure-Fabriken werden vom 1. Januar 1888 ab durch Preiskcnvention gebunden sein.

Bradford, 17. November. (W. T. B.) Wolle ruhig, aber stetig, Sixties tops und Croßbreds thätiger, Garne téâtiger zu unveränderten Preisen.

Antwerpen, 17. November. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten wurdeu 1845 B. Laplata - Wollen, verkauft 1642 B. Tendenz besser.

Submissionen im Auslande.

Belgien.

1) 12. Dezember, 3 Uhr Nachmittags. Commission admini- Btrative des hospices civils d'Anderlecht-les-Bruxelles, Bau eines Hos:itals. Voranschlag 177 813 Fr. Näheres auf dem Rathhause zu Anderlecht.

2) 7. Dezember, 11 Uhr Vormittags. Société nationale des chemins de fer vicinaux, Rue de la loi No. 9 zu Brüffel. Betrieb der Me MN Gand —Saffelaere s

äheres bei obiger Gesellschaft und beim Provinzial-Ingenieur De Masy, Quai des Moines No. 53 zu Gand. F P

Verkehrs - Anstalteu.

Norddeutscher Lloyd in Bremen.

(Leßte Nachrichten über die Bewegungen der Dampfer. New-York- und Baltimore-Linien : H

Telhumugg 17 Ms S rèmen . Nov. Hurst Castle passirt. Bremen 12. Nov. von New-York. f Bremen 16. Nov. von New-York. New-York 14. Nov. in New-York. New-York 10, Nov. von Southampton. New- Vork 14, Nov. von Southampton. New-York 17. Nov. Dover passirt. Bremen 9, Nov. von Baltimore. Bremen 16, Nov. von Baltimore. Baltimore 2, Nov. von Bremerhaven. 9. Nov. von Bremerhaven.

Baltimore Baltimore 16. Nov, von Bremerhaven.

Brasil- und La Plata-Linien : Vigo, Antwerpen, |\ 15, Nov, St. Vincent passirt.

„Ohio“ Bremen, Vigo, Coruñia, 110. Nov. von Buenos Aires, 24, Okt. in Bahia.

Qt A „Leipzig Antwerpen, Bremen 9, Nov. in Montevideo.

„Baltimore“ Brasilien „Straßburg“ . La Pláta

10. Nov. St. Vincent passirt. 7, Nov. von Lissabon.

„Ems* „Eider“ . „Trave“ „Lulda Ï „Saale“ . „Elbe“ „Aller“ „Weser“ . „Donau“. „Rhein“ . „Hermann“ . „America“*

Schnelldampfer

. . ama Nenn, A0 am

„Gr. Bismarck* Brasilien

wurden. (Landw. Centr. Bl).

„Hannover“ La Plata „Köln“ j | Coruña, |14. Nov. von Antwerpen.

Vigo, L Plata

Linien nah Ost-Asien und Australien: „Häbsburg“ . Brénien 17. ‘Nov.’ von Port Said. E s Bremen 16. Nov. von Adelaide. obenzollern“ . Australien 6. Nov. in Colómbo. ohenstaufen“ . Australien 14. Nov. von Genua. fen, n Bremen 12. Nov. in Colombo, Pren s Ost-Asien 6. Nov. in Shanghäi. ayern“ : n Aden.

Ost-Asien 12. Nov. i Neckar“ . Ost-Asien 16. Nov. von Bremerhaven.

Triest, 17. November. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Espero“ ist heute aus Konstantinopel hier eingetroffen.

London, 17. November. (W. T. B.) Der Union-Dampferx qPretoria* is gestern auf der Heimreise von Capetown abge- gangen. Der Union-Dampfer „Tartar“ ist heute auf dex Heimreise von Madeira abgegangen.

Berlin, 18. November 1887.

Am 21. August d. J. beging Professor Dr. Karl Friedr. Rammelsbera, der Vertreter der anorganishen Chemie an dex Berliner Universität, die Feier seines 50jährigen Doktor-Ju- biläums. Zu derselben hat der hiesige Akademische Chemiker: verein eine Fest\chrift herausgegeben, in welcher er‘einen Rüblick auf das Wirken und Schaffen des Jubilars wirft, der, obgleich jeßt ein 74 jähriger Mann, unbekümmert um die Last seiner Jahre, wie vor forscht und die Wissenschaft mit neuen Ergebnissen feiner Untersuchungen bereichert.

Nach Mittheilungen aus Reykjavik auf Island fand dort am 28. v. M., Morgèns 5 Uhr 20 Minuten, ein ca. 10 Minuten an- dauerndes starkes Erdbeben statt. Gleichzeitig wurde dasselbe auch in Derebäk und in Haf nir beobachtet. Während man an leßterem Ort ca. 40 Teihtere Stöße zählte, war die Ershütterung auf dem nahe belegenen Reykjanäs so stark, daß der Volaunickar, ein \teiles Vor- gebirge, auf welchem der Leuchtthurm errichtet ist, in kaum 2 m Ent- fernung von leßterem eine lange und breite Spalte erhielt ; ferner barst die eine Wand des Aufseherhauses und ein Petroleumshuppen stürzte zusammen. Das Erdbeben ging in der Richtung von NNW zu SSO, 8 Wetter war Ende vorigen Monats auf Island ungewöhnlich milde.

Breslau, 17. November. (W. T. B.) Jn dem hier ver- handelten Sozialistenprozeß sind durch das heute publizirte Urtheil 8 Angeklagte freigesprochen und 29 Angeklagte zu Gefäng- nißstrafen von 4 Wochen bis zu einem Jahre verurtheilt worden; in Bezug auf 5 Angeklagte wurden die erkannten Strafen als durch die Untersuchungshaft verbüßt erachtet. Der Gerichtshof beshloß, sämmt- lihe Angeklagten bis auf drei der Haft zu entlassen.

Rom, 17. November. (W. T. B.) In Zafferana am Aetna wurden heute früh 8 Uhr 55 Min. innerhalb einer Minute 2 heftige Erdstöße mit wellenförmiger Bewegung verspürt; Schaden ist dur dieselben niht angerihtet worden.

New-York, 18. November. (W. T. B.) Na(hrichten aus Mempdis zufolge wurden dutch eine große Feuersbrunst 13 200 Ballen Baumwolle ein Raub der Flammen. Der Verlust wird auf 750 000 Doll. geschäßt. Ein beträhtliher Theil Baumwolle war zur Ausfuhr bestimmt.

Kroll’s Theater. Die neue Primadonna der , Mikado “- Gesells haft, Miß Hermine Codburn, ist heute in Berlin ein- getroffen. Zugleich kam der Okter-Regisseur Mr. Barker von England hier an, um die noch übrigen Aufführungen des „Mikado“ und die Proben zu der neuen Oper zu leiten. Der neue Tenor, Mr. Hirwan, wird sich von den Anstrengungen der Reise noch einige Tage erholen müssen, um dann als „Nanki-Pukh“ im „Mikado“ vor dem Berliner Publikum zu erscheinen.

_ Die junge Pianistin Frl. Kleeberg aus Paris, deren künstlerische Leistungen bereits bei ihrem ersten Erscheinen großen Beifall fanden, brachte gestern in ihrem zweiten Klavier-Abend wiederum eine reiche Auswahl älterer und neuerer Kompositionen zu Gehör. Mit musterhafter Präzision und Klarheit des Spiels verbindet sie zugleih eine vollständige Beherrschung aller tehnishen Schwierig- keiten, zeigt ein tiefes Verständniß der Werke und eine feinsinnige Vortragsweise, die niht nur sorgfältige Studien, sondern auch ein außergewöhnlihes Talent erkennen lassen, Mit fo reiben Mitteln ausgestattet, gelang ihr der Vortrag des italienishen Concerts von Bach und der Variationen von Beethoven cbenso_ vorzüglich, wie die Arabeske von Schumann, das Impromptu von Schubert und das Presto von Mendelssohn. Den Glanzpunkt des Abends bildete jedoch die Sonate von Chopin, Op. 58, welche von dem Spieler niht allein eine sehr bedeutende technische

ertigkeit, sondern auch ein Hineinleben in die eigenthümliche

deenwelt Chopin's beanspruht. Die Ausführung war der unserer ersten Virtuosen an die Seite“ zu stellen. Der zweite Theil des Concerts brachte noch neun, kleinere, zum Theil recht anmuthige Salonstücke von französischen Komponisten zu Gehör, deren künstlerishen Werth man nickt zu genau abwägen darf, die jedoch, in so ges{chmadckvoller und sinnreiher Weise vorgetragen, mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurden, ten besonders die Klavierstücke von Saint-Saëns, Bizet, Chaminade und Godard verdienten, und der sich, wie bei den zuerst gehörten Werken, oft bis zum Hervorruf steigerte. Das Publikuw war leider niht fehr zahlrei ershienen, was wohl in der zur Zeit sehr häufigen Veranstaltung von Klavier-Abenden seinen Grund haben mag.

__Im Concerthau se fand vorgestern in feierliher Weise die viertausendste Concertaufführung statt. Der Saal war mit Blumen und Guirlandcn rei geschmückt und auch das Publikum, welches alle Räume füllte, ließ crkennen. daß es sich um eine seltene Feier handelte, Während des ersten Theils des Abends dirigirte Hr. Meyder mit ewohnter Umsiht und das Orchester brachte u, A. die „Tannhäuser-Ouverture“ und die Einleitung zum zweiten Akt des „Lohengrin“ tadellos zu Gehör; außer- dem wirkten die Damen Fr. Ritter-Häcker, eine treff- lih geschulte Sängerin, „Und Frl. Magnißky, eine nicht weniger ausgezeihnete Pianistin, in diesem ersten Theil mit. Der zweite Theil, welcher dur einen Prolog eingeleitet wurde, gewann An er höhtes Interesse dadurch, daß Meister Bilse, der falbete langjährige Leiter der Concertaufführungen dieses Hauses, noch einmal den Laktslock führte, Von jubelndem Beifall begrüßt, ging er mit un- geschwäcter Ae und Kraft ans Werk und fesselte, wie früher immer, alle Hörer, die niht ermangelten, nah jeder Nummer neben dem Beifall für die gebotene künstlerische Leistung auch der besonderen Sreude dés Wiedersehens lebhaften Ausdruck zu geben.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (S cholz).

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags-Anstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32.

Fünf Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

nah

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

271.

Berlin, Freitag, den 18. November

1887.

O

ie „N. A. Ztg.“ veröffentliht folgende Denkschrift zu den

A der Alters- und Invaliden-Versorgung der Arbeiter4 Geis : “Die Unfallversicherung ist zur Zeit für die Industrie, das Trans- Llen L hlieglich der Seeschiffahrt, das Bauwesen, sowie für die Land- und Forstwirthshaft mit zusammen rund 10 Millionen Arbeitern geseßlih geregelt. Dadur ist eine genügend breite Unter- lage für die Alters- und Invalidenversicherung gewonnen, und es ist nicht erforderli, auf die Durchführung der Unfallversicherung für die derselben noch nit unterworfenen Kategorien insbesondere das Handwerk, soweit dasselbe ohne Motoren arbeitet und weniger als zehn Arbeiter beschäftigt, die Fischer, das Hausgesinde, das Dienst- personal in Handlungsgeshäften zu warten. Die Ausdehnung der Unfallversiherung auf die letbezeihneten Kategorien kann neben der Alters- und Invalidenversiherung nah Bedarf geregelt werden, ein hierauf abzielender Geseßentwurf“ ist in der Vorbereitung be-

‘Fon, i O aversorguds wäre an Personen, welche ein hohes Lebensalter (ctwa das 70. S erreiht haben, ohne Rücksicht auf den Nachweis der Invalidität, E Ung O0 ( \ ; alter bei nachgewiesener Grwerbsunfähigkeit „zu gewähren, soweit nicht durch Unfallversiherung Fürsorge getroffen ist. :

Die Invalidenversiherung wird hiernach insbesondere bei dem Vorhandensein von Erwerbsunfähigkeit eintreten, welhe die Folge von Krankheiten, almählichem Verbrauch der Kräfte oder von solcen Unfällen ist, die nicht „bei dem Betriebe" si ereignet haben. Die gleichzeitige Regelung der Wittwen- und Waisenfürsorge wäre zwar erwünsht; es empfiehlt sich jedoch, diesen Theil der sozialpolitischen Geseßgebung zunächst noch niht in Angriff zu nehmen, um zuvor dur die bei dec Durchführung der Alters- und Invalidenversiherung zu sammelnden Erfahrungen zu einem zutreffenderen Urtheile unter Anderem auch darüber zu gelangen, ob die Industrie und die anderen in Betracht kommenden Berus8zweige die mit der Wittwen- und Waisenversorgung nothwendig verknüpfte erhebliche Mehrbelastung zu tragen im Stande sind.*) Neberdies ist für Wittwen und Waisen dur eine Reihe von Wohlthätigkeits8anstalten, wenn auch nicht ausreichend, so doch einigermaßen gesorgt. Auch werden nach dem Inslebentreten der Invalidenversicherung diejenigen Anstalten, welche gegenwärtig genöthigt sind, ihre Mittel durch Unterstüßung von In- validen neben Wittwen und Waisen zu zersplittern, voraussihtlih dazu übergehen, den Leßteren eine erhöhte Fürsorge zuzuwenden, weil die Invaliden ihrer Fürsorge dann nicht mehr im gleichen Maße bedürftig sein werden. ; : |

Wie die Kranken- und die Unfallversiherung, fo wird auch die

Alters, und Invalidenversicherung auf der Grundlage des Ver- sicrungszwanges und, entsprewhend der Kaiserlihen Botschaft vom 17. November 1881, auf der Grundlage korporativer Verbände auf- zubauen sein. i: Als die geeignetsten Träger derselben dürften \sich die für die Unfallversiherung gebildeten Verufsgenossenschaften erweisen. Die lezteren werden durch Uebertragung der neuen Einrichtung einen festeren Kitt und mehr Inhalt erhalten. Dadurch wird zugleich dem Bedenken begegnet werden, daß die soeben durchgeführte berufsständische Organisation für die Zwecke der Unfallversiherung ein zu großer Apparat sei. Die Berufsgenossenschaften und deren Organe sind ohne Zweifel geeignet, weitere sozialpolitishe Aufgaben und namentli solhe zu erfüllen, bei denen es fich um dieselben Personen handelt, für welche die Unfallversiherung eintritt. Ueberdies weist die Invalidenversiherung, soweit es dabei auf die Feststellung ankommt, ob cin Versicherter noch arbeitsfähig ist oder auf Kosten seiner Mitarbeiter und der Arbeitgeber eine Rente erhalten soll, ganz befonders auf die Selbstverwaltung der Betheiligten hin, und bei gleichzeitiger Verwaltung beider Einrichtungen durch dieselben Organe werden auh die Verwaltungskosten gemindert werden. Es bedarf daher für die Alters- und Invalidenversiherung der von der Unfallversicherung bereits erfaßten Personen einer neuen Organisation neben den Berufsgenossenshaften nit. Innerhalb der Berufs- genossenshaften dagegen ist für die gedeihlihe Lösung der ihnen zuzu- weisenden neuen Aufgabe die Schöpfung besonderer Einrichtungen erforderlich. j

Bei jeder Berufsgenossenshaft wird nämlich für die Zwecke der

Alters: und Invalidenversicherung eine besondere Versicherungsanstalt in ähnlicher Weise zu errichten sein, wie dies nah dem Geseß vom 11. Juli 1887 (Reichs-Geseßbl. S. 287) bei den Berufsgenossen- \hasten der Baugewerbetreibenden zu Zwecken der Unfallversiherung von Arbeitern bei Regiebauten gesehen soll. ___ Das Reich, die Bundesstaaten, Kommunalverbände 2c. werden, soweit sie für die Unfallversicherung an die Stelle der Berufsgenossen- schaften getreten sind, auch die Alters- und Invalidenversiherung für eigene Rechnung durchzuführen haben.

_ Subsidiär sind endlih für diejenigen Kategorien von Arbeitern, welhe der Unfallversiherung noch nit unterliegen, bis zur Durch- führung der leßteren die weiteren Kommunalverbände (Provinzen 2c.) eventuell die Bundesstaaten selbst nach näherer Bestimmung der Landesgeseße als Träger der Alters- und Invalidenversicherung ins Auge zu fassen. L : j

Sofern einzelne Berufsgenofsenshaften wegen ihres zu geringen Umfangs oder aus andern Gründen für die Uebernahme der Alters- und Invalidenversicherung niht genügend leistungsfähig erscheinen sollten, sind in Anlehnung an den §8. 30 des Unfallversicherungêgesetzes Vereinigungen von mehreren Berufsgenossenschaften zur gemeinsamen Uebernahme der Alters- und Invalidenversicherung zu gestatten. Es wird auch unbedenklich sein, dem Bundeêrath die Befugniß veizulegen, nah Bedarf eine solche Vereinigung, die sich ihrer Wirkung nah als Nüversicherung auf Gegenseitigkeit darstellen würde, awangsweise_ anzuordnen. E L _ Diese Organisation ermöglicht das gleichzeitige Erfassen sämmt- lier gegen Lohn arbeitenden Personen des Arbeiterstandes und der unter- geordneten Betriebsbeamten (zusammen etwa 12 Millionen Personen). Hierauf ist insbesondere um deswillen ein erheblihes Gewicht zu legen, weil wegen des häufigen Orts- und Berufswechsels der Arbeiter bei Beschränkung der neuen Einrichtung auf einzelne Kategorien von

rbeitern, etwa auf die unter das Ünfallversicherungsgeseß fallenden Industrie- ‘und Bauarbeiter oder auf gewisse territoriale Gebiete erheb- lihe Schwterigkeiten entstehen würden. Denn die Alters- und Inva- lidenversicherung seßt dauernde Verhältnisse, dauernde ‘Beitragsleistung bis zum Eintritt des bestimmten Alters bezw. der Invalidität voraus, weil nur unter dieser Bedingung ck die Höhe der Beiträge mit einiger Sicherheit bemessen werden kann. Wird aber die Versicherungspflicht auf einzelne Berufszweige beshränkt, so würde die Entlassung aus einer versicherungspflihtigen Beschäftigung oder der Uebertritt zu anderen einstweilen noch nicht echten Berufszweigen die Folge haben, daß die bis dahin bereits erworbene Exspektanz auf eine spätere Rente sich mindert, oder do nur bei Aufwendung doppelter Beiträge (nämlich einschließlich des während der früheren Beschäf- tigung vom Arbeitgeber gezahlten Beitrages) erhalten werden kann,

E S iAS A

__*) Die Wittwen- und Waisenversorgung würde nah überschlägiger Berechnung bei nur 60 4 Rente für Wittwen, und nur 30 4 Rente für jedes Kind eine Belastung von 15,90 #6 auf den Kopf des männlichen Arbeiters, also für rund 74 Millionen männliche Arbeiter einen Bedarf von 119} Millionen Mark erfordern.

nvalidenversorgung ohne Nücksicht auf das Lebens- !

Diese Unzuträglichkeit würde um \o größer werden, je kleiner der Kreis der in die neue Einrichtung einbezogenen Personen gegriffen würde. Auch würden bei dem häufigen Wechsel zwishen Versicherungspflicht und Freiheit von dieser Pflicht die Schwierigkeiten der Verwaltung und Kontrole sich mehren, und auch der Arbeitsmarkt könnte sich in bedenkliher W-ise verschieben, da voraussichtlich die Arbeiter zu derjenigen Beschäftigung hindrängen würden, welhe ihnen die Wohlthat der Alters- und Invalidenversiherung unter Mithülfe des Arbeitgebers und des Reichs gewährleistet. Gegenüber dem Gewicht dieser Erwägungen dürften ‘die für eine Beschränkung der neuen Einrichtung auf kleinere Kreise bezw. für ein allmähliches \critt- weises Vorgehen geltend gemachten Gründe zurücktreten müssen, und dies um so mehr, als aus den weiter unten zu entwickelnden Gründen nicht zu besorgen ist, daß für irgend einen Berufszweig die Lasten der Alters- und, Invalidenversicherung inter dMaE sein werden.

Ganz zu vermeidea ist ein Aus\c{eiden Versicherter aus dem Versicherungsverhältniß zwar niemals. Bei gleihzeitigem Erfassen sämmtlicher Arbeiterkategorien aber würde sih dasselbe im Wesent- lichen auf nur zwei Fälle beschränken : |

a) auf das Aufgeben jeder die Bersiherungspfliht begründenden

Beschäftigung, i

b) auf zeitweilige Arbeitslosigkeit.

In diesen Fällen zieht der Ausfall an Beiträgen allerdings folge- richtig eine Minderung des Rentenanspruhs für den Betheiligten nah sih. Gemildert wird indessen dieser Nachtheil dadur, daß der Aus- fall durch Nachzahlung der vollen Beiträge mit Zinsen und Zinseszinsen oder durch Verrechnung solcher Beiträge, die in anderen Jahren für mehr als die normale Zahl von Arbeitstagen (300) geleistet sind, ausgeglihen werden kann. Zur Vermeidung von Härten sind dabei Zeiten bescheinigter, mit Erwerbslosigkeit verbundener Krankheit für welche sich nah Erfahrungssäßen ein Durchschnitt ermitteln und bei ‘der Berehnung der regelmäßigen Beiträge berücksichtigen [läßt als Arbeitstage in Ansaß zu bringen , ohne ‘daß für dieselben Beiträge zu entrihten wären. Für solhe Ausfälle aber, welche durch den Militärdienst in Kriegs- oder Friedenszeiten hervor- gerufen werden, wird, da der Militärdienst im vaterländischen Inter- esse geleistet wird, das Reich eintreten müssen. Dies kann zweckmäßig in der Weise geschehen, daß das Reich bei der demnächstigen Fest- seßung der Rente denjenigen Betrag übernimmt, um welchen dieselbe wegen der durch den Militärdienst hervorgerufenen Ausfälle an Bei- trägen rechnungsmäßig zu kürzen gewesen wäre.

Der Orts- oder Berufswechsel der Arbeiter bringt die weitere Schwierigkeit mit sich, daß in den Bezirken der einzelnen Ver- fiherungsanstalten nicht fortlaufend dieselben Personen beschäftigt werden, und daß jeder einzelne Arbeiter seine Beiträge bald an diese, bald an jene Versicherungsanstalt A wird. Es fragt ih da- her, welcher von diesen Versicherungsan|stalten demnächst die Fürsorge für die Invaliden zur Last fallen soll. Es geht nicht an, dieselben lediglich derjenigen Anstalt aufzubürden, bei welcher die Invalidität eingetreten ist. Dies könnte höchstens dann zugelassen werden, wenn man annehmen dürfte, daß die thatsächlihen Verhältnisse eine Aus- gleichung der hierdurch erwachsenen Belastung der einzelnen Anstalten herbeiführen werden. Diese Annahme aber trifft niht zu. Denn bei jener Regelung würden ältere Personen, deren baldige Inva- lidisirung bevorsteht, nur {wer Arbeit finden, diejenigen Ver- sicherungsanstalten aber, deren Betriebe Gelegenheit zu leichter, auh von älteren Leuten auszuführender Arbeit bieten und in welchen deshalb zahlreihe ältere Personen beschäftigt werden, würden ¿zu Gunsten anderer «Betriebszweige be- nachtheiligt werden, in denen wegen der s{hwereren Arbeit jüngere Kräfte erfordert, aber auch die Kräfte {neller verbraucht werden. Es empfiehlt sich vielmehr, einen Ausgleich unter den verschiedenen Versicherungêanstalten dadurch herbeizuführen , daß für jeden einzelnen Fall durch ein besonderes Rehnungsbureau des Reichs - Versicherungs- amts ermittelt wird, mit welhem Betrage derselbe die einzelnen betheiligten Anstalten belastet. Dieser Betrag richtet sih nah der Zeit und der Dauer der Beschäftigung in denBezirken der einzelnen Versicherungsanstalten, also, da während der Beschäftigung Beiträge zu entrichten sind, nah der Summe und dem Versicherungswerth der zu den einzelnen Anstalten in den verschiedenen Jahren geleisteten Beiträge. Dabei ist zu beachten, daß Beiträge, welche in jüngeren Jahren geleistet werden, im Allgemeinen für die Invaliditätsversiherung einen höheren Werth haben, als gleich hohe Beiträge in späteren Lebensjahren. Für die Ermittelung der auf die einzelnen Versiherungs- anstalten hiernach entfallenden Belastungswerthe lassen sih durch Sachverständige feste, nah Maßgabe der Erfahrung zu berichtigende Tarife aufstellen. Die auf Grund dieser Tarife von dem Rechnungs3- bureau in jedem cin:elnen Falle anzustellenden Berehnungen können erheblihe Schwierigkeiten nicht bieten.

Gegenstand der Alters- und der Invalidenversiherung wird ebenso wie bei der Unfallversiherung die Gewährung einer Rente sein müssen, weil nur diese die Gewähr bietet, daß den Versorgungs- berechtigten dauernd die versicherten Bezüge zu Gute kommen. Eine Kapitalversiherung, wie solche neuerdings wiederholt in Anregung ge- braht ist, empfiehlt sich {hon um deswillen nicht, weil sih keine ausreichende Vorsorge dagegen treffen läßt, daß das Kapital zweck- widrig verwendet oder vergeudet, dadurh aber der Zweck der In- validenversicherung, für den Lebensabend eine sichere, vor der Armen- pflege bewahrende Einnahme zu gewährleisten, hinfällig gemacht wird.

Für die Frage, ob die Rente für alle Versicherten einheitlich, oder ob sie na Maßgabe der lohnörtlichen oder sonstigen Verhält- nisse verschieden zu bemessen ist, kommen folgende Gesichtspunkte in Betracht. : |

Der wechselnde Individualverdienst kann niht maßgebend sein, weil dann auch die Höhe der Beiträge nach dem jeweiligen Arbeits- verdient individuell festzustellen wäre und hierdurch bei 12 Millionen Versicherter eine die Dur{hführbarkeit der ganzen Einrichtuug in Frage stellende Ershwerung der Verwaltung bedingt sein würde. Ebensowenig aber empfichlt es sih, die Rente und demgemäß auch die Beiträge nah dem Durchschnittsverdienst einzelner Berufszweige oder Arbeitsorte abzustufen, weil kein Berufszweig im ganzen Um- fange des Reichs avynähernd gleihe Löhne bietet. Ebenso verschieden sind innerhalb der einzelnen Ortschaften Deutschlands die Löhne der Arbeiter in den verschiedenen Berufszweigen, Bei dem häufigen Berufs- und Ortswechsel der Arbeiter würde dieser Umstand nicht nur die Beitragsberechnung, sondern auch die Feststellung der Rente unverhältnißmäßig ershweren. Eine lediglih nah dem Durchschnitts\aßz der leßten Beschäftigung oder des leßten Arbeitsorts Gag Ly Rente würde die sehr erheblihen Verschiedenheiten während der bisherigen ander- weiten Beschäftigung, welche doch auf die Invalidität in der Regel nicht ohne Einfluß ift, unberücksichtigt lassen und deshalb mehr oder weniger auf Zufälligkeiten beruhen; eine lotfattge Abwägung der Verhältnisse während der ganzen bisherigen Arbeitszeit aber würde wiederum die Durchführbarkeit der ganzen Einrichtung in Frage stellen. Die Verhältnisse liegen eben bei der Alters- und der Invaliden- versicherung anders als, bei der Unfall- und der Krankenversicherung. Bei der Unfallversicherung sind die Folgen plößlicher Ereignisse, bei der Krankenversicherung solhe Schäden zu decken, deren Ursache in der Regel nicht weit zurückliegt ; bei Abmessung der hierfür zu zahlenden Gntschädigung sind deshalb auch nur die zur Zeit des Eintritts des Schadens bestehenden Arbeitsverhältnisse in Betracht zu ziehen. Die Alters- und die Invalidenversicherung dagegen sollen für solhe Schäden

Parlerge treffen, deren Ursache in der Regel eine langjährige Thätig- eit ist.

Alle diese Erwägungen lassen es als das relativ Beste erscheinen, für alle Versicherte die Rente einheitlich zu bemessen, und deren öhe in für Alle gleihem Maße nur insofern abzustufen, als vor

rwerb der Rente eine längere oder kürzere Arbeitszeit zurückgelegt und demgemäß eine größere oder kleinere Gesammtsumme an Bei- trägen gezahlt worden ist. Demgemäß sind denn auch tie Beiträge ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit des Lohnes für Alle gleich zu bemessen und dürfen zwishen den verschiedenen Berufszweigen in-

“sofern von einander abweichen, als wegen der verschiedenen Inva-

liditätsgefahr in denselben nach versicherungstehnischen Grundsäßen mehr oder weniger an Beiträgen erforderlich wird, um die für Alle gleiche Rente zu decken. Eine olde Abstufung der Beiträge aber ist unabweisbar, weil ohne dieselbe die weniger gefährlichen Berufszweige (insbesondere die Landwirthschaft) die größere Invaliditätsgefahr anderer Berufszweige mit tragen und dadurch zur Ungebühr belastet werden würden. Nur für die ersten Jahre nah dem Inkrafttreten des Ge- seßes werden die Beiträge zu den einzelnen Versicherungsanstalten in der Hauptsache auf allgemeine versicherungstehnische Berechnungen sich gründen müssen, weil zur Zeit die Unterschiede in den einzelnen Berufszweigen noh niht ausreichend bekannt sind.

_Freilih werden hiernach hoch bezahlte Arbeiter der Industrie dieselbe Rente erhalten, wie niedriger gelohnte landwirthschaftliche Arbeiter. Indessen ist das öffentliche Interesse, welhes den Beitritts- zwang rechtfertigt, nur insoweit betheiligt, als sämmtlichen Arbeitern die Möglichkeit einer bescheidenen Lebenshaltung nach Fortfall ihrer. Arbeitsfähigkeit zu O ist, und in dieser Beziehung braucht ein Unterschied nah der bisherigen Lebensstellung niht gemacht zu werden. Im Uebrigen is es den Arbeitern, welhe höheren Verdienst haben und deshalb mehr zahlen können und wollen, unbenommen, durch Bé- theiligung bei anderen Versicherungsanstalten, z. B. der Kaiser Wilhelm-Spende, \sich eine Zusaßrente -zu sihern. Dagegen wird wenigstens für jeßt davon Abstand genommen werden müssen, die freiwillige Versicherung höherer Renten auch bei den jeßt ins Leben zu rufenden Versiherungsanstalten der Berufsgenossenschaften zu gestatten ; denn hierdurch würde die Verwaltung dieser Anstalten erheblich er- \{chwert werden, und folche Ershwerungen find wenigstens fo lange, bis die nzuen Einrichtungen sich eingelebt haben, thunlichst zu vermeiden.

Ihrem Betrage nah wird die Rente so bemessen werden müssen, daf sie einerseits nicht eine nur theilweise Erleichterung der öffentlihen Armenpflege oder ein Taschengeld darstellt, andererseits aber auch, wie schon angedeutet wurde, nur für nothdürftigen Lebensunterhalt an billigem Orte auêsreiht. Leßteres wird dazu führen, daß die Renten- empfänger thunlihft auf dem Lande ihre Wohnung nehmen, dadur die Bevölkerung des platten Landes vermehren und leßterem neben dem Reste ihrer Arbeitskraft auh vermehrten Geldumsaß zuführen. Auch die nothwendige Nücksiht auf die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber und Aae sowie auf die Erportfähigkeit der Industrie nöthigen dazu, wenigstens für den Anfang die Renten nicht zu hoch zu bemessen, weil durch die Höhe der Renten die Kosten der ganzen Einrichtung bedingt werden. Eine spätere Erhöhung der MRenten- säße, sobald eine folhe ohne Gefährdung anderer wichtiger Interessen ausführbar erscheint, ist dabei niht ausgeshlossen. Umgekehrt aber würde eine spätere Ermäßigung der einmal in Aussicht gestellten Rentensäte, falls sih die lebteren als zu hoch bemessen herausstellen sollten, Unzufriedenheit erregen, mithin den jozialpolitishen Zweck der ganzen Einrichtung vereiteln. Aus diesen Gründen kann die Alters- und Invalidenrente wenigstens zur Zeit die Höhe der Unfall- rente, welche bei völliger Erwerbsunfähigkeit zwei Drittel des Lohnes beträgt, nicht erreihen. Eine solhe Gleichstellung ist aber auch aus inneren Gründen niht geboten. Denn die Unfallrente hat die Folgen der vorzeitigen, unvorhergesehenen, unmittelbar durch die Gefahren einer bestimmten Berufsthätigkeit verursachten Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zu decken und muß deshalb relativ hoh sein. Hohes Alter dagegen und die nicht auf einem außerordentlihen Betriebsunfall beruhende Einbuße der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit sind in der menschlichen Natur begründet; Abnußzung der Kräfte steht mit zu- nehmendem Alter nah längerer oder Eürzerer Frist Jedem bevor. Die staatliche Fürsorge für die von diefem allgemeinen Menschen- loose Betroffenen braucht daher über das Maß des zu einer bescheidenen Lebenshaltung Nothwendigen nicht binauszugehen. Ÿ

Hiernach dürfte cine mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses stei- gende Invalidenrente von jährlih 120 bis 250 4, welche bei weib- lihen Perfonen auf F dieser Beträge zu ermäßigen wäre, aus- reichend sein. Die Altersrente dagegen braucht den Mindestbetrag der Invalidenrente (120 6) nicht zu übersteigen, weil auch der bei der Arbeit alt gewordene Arbeiter, sobald er nicht mehr arbeitsfähig ist, fih für invalide erklären laffen und dann Invalidenrente beziehen wird. Wo Naturallöhnung üblich ift, wird, wie nah §8. 9 des Gesetzes vom 5. Mai 1886 (Neichs-Geseßblatt Seite 132), au die Gewährung der Rente in dieser Form zuzulassen sein.

Eine nicht zu kurz bemessene Wartezeit (Karenzzeit) ist unentbehr- lih und unbedenklich. Sie is unentbehrlih weil font, dem Zweck des Gesetzes zuwider, durch kurze Arbeit jeder den Anfpruh auf die Mindestrente würde erwerben können, und durch die hierbei unver- meidlihen Mehrkosten die eigentlihen Berufsarbeiter zu Gunsten von Mükßiggängern oder Vagabunden *geschädigt werden würden. Sie ist aber auch unbedenklih, weil die Vorausseßungen der Rente Alter und niht durch einen Betriebsunfall herbeigeführte Jnvali- dität bei den eigentlihen Berufsarbeitern in der Regel erst nah längerer Arbeitsthätigkeit eintreten. Um jedoch auch denjenigen Fällen Rechnung zu tragen, in welchen ausnahmêweise die Erwerbs- unfähigkeit {on nah kurzer Arbeitsthätigkeit eingetreten ist, wird ausnahmsweise die Rente auch vor Ablauf der Wartezeit gewährt werden müssen, wenn die Invalidität nachweislich aus Anlaß der Berufsarbeit ungewöhnlich frühe eingetreten ist; ebenso wird nachge- lassen werden können, daß ein Theil der Rente auch solchen Perfonen, welhe aus anderen Gründen vor Erfüllung der Wartezeit erwerbs- unfähig werden, gewährt werden darf, fofern Billigkeitsgründe vor- liegen. Hiernach empfiehlt es si, die Dauer der Wartezeit bei der Altersrente auf 30 Jahre, bei der Invalidenrente, vorbehaltlih \solher Ausnahmefälle, auf 5 Jahre zu bemessen. Während der Uebergangs- zeit "vird, um das Gefeß au bezüglih der Altersrente alsbald praktish werden zu lassen, niht der Nachweis von Beiträgen, sondern nur der Nachweis wirklicher Arbeir während derselben Anzahl von Jahren, welche die regelmäßige Wartezeit für die Invalidenrente bilden, zu fordern sein. Dagegen erscheinen besondere Uebergangs- bestimmungen für die Invalidenrente niht durhaus erforderli, weil die leßtere nah den Vorschlägen der Grundzüge {hon nah einjähriger Beitragsleistung entweder voll gewährt werden muß (fofern nämli die Erwerbsunfähigkeit Folge einer Berufskrankheit ist), oder in Bie n doh wenigstens zur Hälfte gewährt werden darf Ziffer 9). :

Die Kosten einer folchen Regelung sind für den Jahresdurch- schnitt überschläglich auf 156 Millionen Mark verans{hlagt, woran das Reich, der Arbeitgeber und der Arbeiter mit je einem Drittel zu betheiligen sein dürften. Ohne Reichszushuß wird die Alters- und Invalidenversiherung niht durchzuführen sein. Werden die Kosten annähernd jene Höbe erreichen, fo entfällt auf den Kopf der Versicherten im Durchschnitt ein Gesammdtbeitrag von jährlih 13 X oder bei 300 Arbeitstagen ein Betrag von weniger als täglih 5 aus\{ließlich der Verwaltungskosten, Bei Drittelung dieses Be-