1908 / 84 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 07 Apr 1908 18:00:01 GMT) scan diff

n 8 17 ist der Termin für das Jnkrafttreten des Ge- Jeßes von der Kommission offen gelassen worden.

Der Referent au 0 Uns nl.) beantragt, das Geseg am 15. Mai 1908 in Kraft treten zu laßen.

Abg. von Dziembowski (Pole) widerspriht dem Antrage Junck. | Der Antrag Junck wird angenommen.

Zur Einleitung und Ueberschrift des Geseßes bemerkt der

Abg. von Dziembowsk i (Pole), daß die Ueberschrift „Reichs- vereinsgesez“ nicht zutreffe, da sie dem Inhalt des Geseßes nicht Suttorede: Es müsse eigentli betitelt sein „Festseßung der

olizeilihen Befugnisse gegenüber dem Vereins- und Ver- Leambetaeeet: er sage den Titel „Reichsenteignungs- geseß“ vor, da es lediglid eine Ergänzung des preußischen Ent- eignung8zeseßes gegen die Polen sei; oder auch „Reichsgeseß zum Schutze des gefährdeten Deutshtums gegen die pflichtvergessenen Polen“. (Heiterkeit und sofort darauf \türmische anhaltende Slußrufe, die den Redner eine Zeitlang am Weitersprehen ver- hindern.) Es werde do auf allen Seiten anerkannt, daß es sih um ein Antipolengeseß bandelt. (Präsident: Ih muß Sie jeßt bitten, die Geduld des Reichstages niht länger in Anspruh zu nehmen.) Ich schließe mit den Worten Koscielskis: Es gibt keine Macht . (die Worte gehen in dem tosenden Lärm verloren).

Damit ist die zweite Lesung des Vereinsgeseßes beendet. F (SPluß nach 81/2 Uhr. Nächste Sizung Dienstag 12 Uhr. (Börsengeseßnovelle.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 13, Sißung vom 6. April 1908, Nachmittags 1 Uhr. (Berit von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Vor Eintritt in die Tagesordnung weist

Oberbürgermeister Dr. Wilm s- Posen darauf hin, daß Herr von Koscielski seine neulihe Behauptung, außer den „Posener Neuesten Nachrichten“ arbeite die deutsche Prefe im Osten mit Verleumdungen, im Stenogramm dahin umgeändert habe, daß die deutsche Presse „meistens“ mit Verleumdungen arbeite; der Redner nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis.

Auf der na steht zunächst der Gesezent- wurf, betreffend den Bau eines Schiffahrtskanals vom Mauersee nah der Alle bei Allenburg (des sog. masurishen Kanals) und von Staubecken im masu- rishen Seengebiete.

Berichterstatter Graf Finck von Finckenstein-Schönberg beantragt namenz der Agrarkommission die unveränderte Annahme des Entwurfs. 4

Graf von Mirbach- Sorquitten: Der Vorgänger des Herrn Ministers hatte die Anlage eines Kanals zugesagt, der von der Weichsel ausgehen und dessen Schlußstück der masurische Kanal bilden sollte. Wie steht es mit der Erfüllung dieser Zusage? Denn der masurishe Kanal hat nur lokale Bedeutung; es wäre unrihtig, wenn die Regierung behauptete, sie hätte damit genug für Ostpreußen getan. Auch die materielle Aufwendung von 16 Millionen ist bescheiden, wenn man bedenkt, daß füc die Kanalisation der unteren Dder allein 45 Millionen zur Verfügung gestellt werden. Gewiß muß den Land- schaften, die der Kanal durhschneidet, geholfen werden; denn sie find arm, und dazu kommen noch die außerordentlihen Einkommensteuer- lasten. Der Minister muß aber auch die Eisenbahntarife ermäßigen, um Ostpreußen wirksam zu helfen, denn der Bau des Kanals allein genügt niht. Schon neulich habe ih das Prinzip der Staffeltarife empfohlen. Jch gebe meiner Freude darüber Ausdruck, daß der masurishe Kanal nun endlich gebaut wird; wir haben über 30 Jahre darauf gewartet. Ih bitte aber dringend, daß durch den Bau des Kanals uns keine landwirtshaftlihen Arbeiter entzogen werden. Weiter habe ich Bedenken, ob niht durch die geplante Anlage die Foftbaren Holzbestände am Spirdingsee gefährdet werden. Ich bitte darin um forgfältige Prüfung. i

Oberbürgermeister Körte - Königsberg dankt der Regierung für diese Vorlage. Mit der Vorlage sei es gewesen wie mit der Werbung Jakobs um NRahel und Lea; seit vielen Jahren sei das Land Ostpreußen hinter dieser Kanalschönen her; {hon seit 1874 seien fich die Liebenden einig, aber der väterlihe Segen der Regierung set reht spät erfolgt. Hoffentlich würden aus der späten Ehe noch ein paar Kanalbengelhen hervorgehen, denn auch er (Redner)

vergrößerten Kanal bis zur Weichsel.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenb a ch:

Mit der Einbringung dieser Vorlage erfüllt die Regierung eine alte Verpflichtung. Der Herr Vorredner hat ja die historishe Ent- widcklung des Kanalunternehmens eingehend erläutert. Kanal ift, wie Herr Graf Mirbach sehr zutreffend ausführte, ganz überwiegend, ja fast aus\chließlich unter dem Gesichtspunkte eines

Mesliorationsunternehmens zu beurteilen, gleihartig wie der Bau der:

jahrausjahrein empfehlen.

überwiegenden „Zazhl aller Nebenbahnen, die wir von beiden Häusern des Landtags erbitten. Der Kreis, den dieses Unternehmen \{lägt, ist nur größer als der Kreis einer Nebenbahn, die wir in das Land hinein erstrecken. Es find sieben Kreise der Pro- vinz beteiligt, die mehr oder weniger Nuyen ziehen. Es handelt sich überwiegend darum, daß wir die vorhandenen Bodenshäze hochwertiger machen. Ich babe in der Kommission des Abgeordnetenhauses unan- greifvar nachweisen können, daß beispielsweise das Steinmaterial, welches aus der Slacialzeit stammt, fast 2 Millionen Kubikm:ter, erst durch den Kanal exportfähig wird, sodaß es an der Küste verwendet werden kann. Daß der Kanal für die Erzeugnisse des Landes, wie Getreide, in größerem Umfange nit benußt werden wird, halte auch i ÿ mit dem Herrn Vorredner für durchaus zutreffend. Bei der Ver-

handlung dieser Vorlage in der Kommission des Abgeordretenhauses | find kereits sehr weitgehente Anträge gestellt worden auf Gewährung |

von Tarifermäßigungen durch die Staatseisenbahn. Es ift anerkannt worden, daß diese Frage’ in keinem unmiitelbaren Zusammenhang steht mit dieser Vorlage, aber man argumentierte wohl, daß, wenn dem einen Teile der Provinz befondere Vorteile zugewendet werden, es dann

der Provinz zuzuwenden. Ih möchte heute hier wiederholt aus- sprehen, daß die Staatsregierung der Auffaffung ist, sie habe im Laufe der leßten Jahrzehnte sowohl auf dem tarifarischen Gebiete wie

au auf dem Gebiete des Bahnbaues für Oftpreußen außerordentliches |

getan. Es {ließt das natürlih niht aus, daß niht noch mehr ge- ehen sollte. (Sehr úuhtig!)) Ich habe mich auch einer Anregung des Herrn Abg. Freiherrn von Gamp, der für Baukalk eine Tarif- ermößigung wünschte, nicht ablehnend verhalten, da anerkannt werden muß, daß die Provinz Ostpreußen diesen Bedarfsartikel nur auf große Entfernungen beziehen kann. Jch habe ferner SHezüglih der Anträge, die darauf abzielten, für Magervieh nach anderen Landesteilen eine Tarifermäßigung zu gewähren, eine eingehende Prüfung zugesagt. Viel s{chwieriger liegt die Frage

Der masurische | E MAREIE ! beiter handeln

j Kommunalkommission zu überweisen. | p agenen rede ads fortges ten : G fô. ne ja der Vorlage j zustimmen, aber weitere Kosten dürften den Städten nicht zugemutet wobl angezeigt wäre, ein gleihes auch dem nicht betroffenen Gebiete ; De E

für den Bezug von Kohle. Ostpreußen verbrauht, soweit niht eng- lishe Kohle verwandt wird, vorwiegend obershlesi|he Kehle. Die Einfuhr englischer Kohle ist durch Anordnung vom 1. Januar d. I. wesentli erleichtert. Aber für den Bezug obershl:sisher Kohle werden wir niht in der Lage sein, mehr zu tun als das, was bereits geschehen ist. Die oberschlesishe Kohle wird heute bereits zu sehr billigen Tarifen gefahren, und es drückt sih der Vorteil, der für Ost- preußen alljährlih erwächst, aus der Differenz zwischen dem Normal- und dem Ausnahmetarif mit 2 bis 3 Millionen Mark aus. Herr Graf von Mir- bah hat son bei der ersten Lesung des Etats Veranlassung genommen, auf die beiden Hauptprodukte der Provinz Ostpreußen, Holz und Ge- treide, einzugehen. I glaube es mir versagen zu müssen, diese Frage erneut zu erörtern. Jh habe {hon neulich die Gründe auseinander- geseßt, warum und aus welhem Gruude die Königliche Staats- regierung, obwohl fie die Wünsche an sich für durchaus berechtigt an- erkennen kann, doch nicht in der Lage ist, hier einzugreifen. Es stehen eben große Interessen entgegen, die es nicht zulassen.

Auf éine Berichtigung des Grafen Mirbah möchte ich noh zurück- kommen. Er meinte, es wäre eine unzutreffende Auffassung der Staats- regierung, daß es sich bei Holz ganz überwiegend um Fichtenholz ge, ringer Qualität, zweiter Qualität, handle. Es komme für die Ausfuhr au Fichtenholz besserer Qualität in Frage. Unsere Auffafsung bafiert ja auf den sahverständigen Mitteilungen der Königlichen Forstverwaltung, die immer wieder betont, daß ihr Bestreben sein müsse, in Ostpreußen der Verfichtelung vorzubeugen, da der größere Nuyen für Osipreußen aus der Kultur der Kiefer erwachse.

Herr Graf von Mirbach hat dann eine Frage berührt, die in den lezten Jahren wiederholt behandelt worden ist, die niht unwichtige Frage der Schaffung einer Kanalverbindung von dem masurischen Seengebiet bis zur Weichsel. Diese Frage is einer allgemeinen Prüfung in meinem Ministerium unterworfen worden. Man hat eine Trace in der Richtung auf Graudenz geprüft und eine Trace in der Richtung auf Thorn. Diese Prüfung hat ergeben, daß das Unternehmen, pauschhal berehnet, zwischen 80 und 90 Millionen Mark ‘erfordern würde. Es hat bei der Staatsregierung wesentliche Bedenken erregen müssen, so ungeheure Kosten für ein Unternehmen aufzuwenden, die zu dem zu erhoffenden Erfolge außer Ver- hältnis steben.

Ueber die mehr technischen Fragen wird der Herr Vertreter des Landwirtschaftsressorts ich noch äußern. Ih empfehle dem hohen Hause die Vorlage der Staatsregierung zur einstimmigen Annahme.

Ein Beg taruy 8kommissar aus dem Landwirtschafts- ministerium erklärt, daß die Bedenken des Grafen Mirbah bezüglich der Höhe des Spirdingseewasserspiegels unbegründet seien; eine Ueber- flutung der Wälder sei nicht zu befürchten.

Graf zu Dohna-Finckenstein hat shwere Bedenken gegen die Vorlage, weil sie die geplanten Meliorationszwecke mit dem Bau des Kanals verquicke. Zu erwägen sei, ob niht die gewünshte Bautrace abzulehnen und nur der Teil der Vorlage anzunehmen fet, der die Meliorationen betreffe.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach:

Meine Herren! Die Staatsregierung hat das Projekt als ein Ganzes an den Landtag gebracht, obwohl es zwet vershiedene Zwedcke erfüllen foll: die Herstellung einer Schiffahrts\traße und ferner die Her- stellung einer Wafserstandsregulierung im Gebiet der masurishen Seen. Wenn die Frage ganz spit gestellt wird, ob eine Trennung möglich ist, so wird sie in dem Sinne zu bejahen sein, daß keine Anfstände vorliegen, die Wasserstandsregulierung mit Stanbecken auszuführen und den Schiffahrtskanal nicht zu bauen. Aber diese leßtere war doh für die Staatsregierung das Hauptmoment (sehr rihtig!), um mit der Vorlage an den Landtag heranzutreten. Es follten namentlich diejenigen Kceise, die unter besonders \{chwierigen Verhältniffen arbeiten und nicht zuleßt weil sie besonders hohe Kommunal- und Provinzial- lasten zu tragen haben, dadur begünstigt werden, daß man ihre Er- zeugnisse im Werte steigert und den Bezug erleichtert. Jch meine,

| daß man unter diesem Gesichtspunkte die Vorlage nur als Ganzes

| annehmen kann. stimme mit dem Grafen Mirbah überein in dem Wunsche nah dem j;

Was die Arbeiterfrage anbelangt, auf die Herr Graf von Mirbach einging, so verkennt die Staatôsregierung die Bedeutung derselben in keiner Weise; im Gz2genteil, sie erkennt voll an, unter welchen außer- ordentlichen Schwierigkeiten der Osten und besonders die Provinz Ostpreußen arbeiten muß, es wird mit allen Mitteln dahin gestrebt werden, daß die Arbeiter in maximo wird es sich um 1500 Ar- während der Bauzeit der Landwirtschaft nicht ent- zogen werden.

General Freiherr von der Golß: Jh möchte nit verfehlen, die Vorlage auch vom Standpunkt der Lantetverteidigung aus zu / Bei einem Kriege an mehreren Grenzen wird auch die genialste Heeresverwaltung für Ostpreußen, das gewisser- weise wie ein Eisbreher im Osten dasteht, nicht mehr

Truppen herbeishaffen können, als mözlich ift. Schon als kommandierender General in Ostpreußen habe ich deshalb

| auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß Ostpreußen lernen muß, #sich

aus eigener Kraft zu verteidigen. Der Südosten dieser Ero ift aber zu menshenarm. Dur Eisenbahnen und dur den Bau dieses Kanals werden aber Menschen berangezogen werden. Das Beste wäre,

| wenn wir so viel Landsturm hätten, um die masurischen Seen im | Falle eines Krieges allein halten zu können.

Aus diesem allgemeinen deutsh-nationalen Gesichtspunkt heraus möchte ich den Herren die Vorlage empfezlen.

Graf zu Dohna-Finckenstein zieht mit Nücksiht auf das

! Interesse Oslpreußens seinen Widerspruch zurück.

Nach einer kurzen Bemerkung des Grafen von Mirbach wird die Vorlage unverändert angenommen.

Es folgt der Entwurf eines Polizeikostengesehßes. Oberbürgermeister Wallraf- Cöln beantragt, die Vorlage der Hoffentlih werde auf dem ein-

werden. Oberbürgermeister Dr. Len e- Magdeburg \chließt sich diesem Antrage auf Kommissionsberatung an.

Minister des Jnnern von Moltke: Meine Herren! Bei der Behandlung der Frage, die hier zur Be-

ratung steht, wollen die Herren, bitte, sich gegenwärtig halten, was | allgemeinen Nechtes is. Allgemeinen Nechtes ift, daß jede Stadt- ! gemeinde für die örtlihe Polizeiverwaltung und für die Kosten der- ; selben aufzukommen hat.

Von dieser allgemeinen Regel machen 25 Städte gegenüber sämtlihen andern Städten der Monarchie eine

Ausnahme, indem die örtliche Polizeiverwaltung und ihre Kosten in

diesen 25 Städten seitens des Staates übernommen is. Es handelt sich nun hier um einen Maßstab, welher in gerechter und billiger Weise angibt, wie die Kosten für die örtliche Polizeiverwaltung zwischen

dem Staat und der Stadt zu verteilen sind. Jch darf die ges{hidht- lihe Entwicklung, die diese Frage genommen hat, übergehen; sie ift im andera Hause des bäufigeren berührt, und ih darf fie wohl als bekannt vorausseßen.

Es läßt sih unmögli für die Teilung der Kosten eine sogenannte Apothekerrechnung aufstellen; das ist ganz ausgeshlofsen. Man muß zurüdgreifen auf eine der Billigkeit Rechnung tragende Schäßung. Das war au die Absicht des Gesezes von 1892, unter dessen Gültig- keit wir augenblicklid noch stehen. Das Geseß von 1892 stellt eine Skala auf, in welche diese 25 Städte eingereiht werden, und setzt für ihre Beteiligung Kopfbeiträge nah Maßgabe der ortsanwesenden Be- völkerung fest. Ich will gleih bemerken, daß diese Kopfbeiträge, die von den Städten erhoben werden, sich auch auf Baukosten beziehen ; sie sind mit einbegriffen. Das finanzielle Ergebnis dieser Verteilung war ein Verhältnis von !/; für die Städte und ?/z für den Staat. Nun stehen wir vor einer 14 jährigen Erfahrung und Beobachtung unter der Gültigkeit dieses Geseßes von 1892 und haben da feststellen müssen, daß dieses Verhältnis von der Drittelung ih zu Ungunsten des Staats ganz wesentlih vershiebt. Die Kopfzahl hat sih nicht als das rihtige Prinzip für die Verteilung herausgestellt. Die tats} sählihen Kosten der örilihen Polizeiverwaltung haben eine ganz andere Progression wie die Zunahme der Bevölkerung. Gs kommen da ganz andere Gesichtspunkte in Betracht, welche die Kosten fteigern, für welhe die Zunahme der Bevölkerung ganz gleichgültig ift Diese Verschiebung zu Ungunsten des Staates hat also ergeben, daß der Staat jeßt tatsählich das doppelte aufbringt von den Kosten, die er 1892 übernommen hat. Es hat #ich ferner ergeben, daß die 25 Städte mit staailiher Polizeiverwaltung an Polizeikosten viel weniger aufzubringen haben, wie die Städte mit kemmunaler Ver- waltung. Die Städte mit kommunaler Verwaltung haben, wie nad» gewiesen ist, und zwar auf Grund von Angaben der Städte selbst, das Zweifahe und Dreifahe und darüber aufzubringen wle die Städte mit \taatliher Verwaltung. Meine Herren, hieraus ergibt sh, daß das Prinzip der Kopfbeiträge nicht haltbar ist, wenn man nicht auf Kosten des allgemeinen Staats- sädels diese 25 Städte bezüglich ihrer Polizeikoften unter- stüßen und bevorzugen will gegenüber den Ausgaben, die die Städte mit kommunaler Polizei aufzubringen haben. Wir haben deshalb nah einem Maßstab suchen müssen, der in engerer Beziehung zu der tatsählihen Entwicklung fteht und sh in seiner Progression an die tatsächlih verursahten notwendigen Ausgaben hält. Dieser Maßstab [äßt sich nur gewinnen nah dem Quotensystem, welhes dem Gese zu Grunde gelegt ist. Das ist das richtige, stabile Prinzip und ein Prinzip, das auch den Städten keine sonderliGhen Schwierigkeiten macht. Jetzt wissen die Städte vor dem jedesmaligen fünften Jahre auch niht, was fie das nächste Jahr zu zahlen haben, denn alle fünf Jahre bei der Volkszählung wird neu be- rechnet. In Zukunft wissen fie es nach dem Quotensystem alle Jahre. Denn, wie in dem Geseh festgelegt ist, soll ihnen darüber Mitteilung werden, was an den Kosten si verändert.

Nun hat der erste Herr Vorredner gesagt, wir wollen viel lieber die kommunale Polizeiverwaltung beibehalten als den jegigen Zustand, in welchem der Staat uns diktiert, was wir aufzubringen haben. Mag Csln fo denken, mögen andere Städte so denken, alle denken nit so. Es kommen wiederholt Anträge auf Uebernahme der örts lihen Polizeiverwaltung auf den Staat. Das beweist doch \chon, daß die Anschauungen in dieser Frage anderwärts andere find. Es wurde gesagt, bei dem jeßigen Zustand müssen sich zwischen der Staatébehörde und der s\tädtishen Verwaltung Reibungsflächen bilden, die unbequem find und unerfreulihe Ergebnisse haben. Ganz dasselbe trifft aber zu bei dem Prinzip der kommunalen Verwaltung. Auch dort muß der Staat seine Absichten, die ihm von der Not- wendigkeit diktiert werden, durhseßzen, auch dort muß der Staat ebenso wie bei den Städten mit staatlicher Verwaltung die äußerste Konsequenz der Staatsraison ziehen und hat dazu auch äußerstenfalls die geseßlihen Mittel der Zwangsetatisierung. Also dieser Unter- \hied ist meines Erachtens kein sehr tief greifender. Zuzugeben it ja, daß es für die ftädtishe Verwaltung ein angenehmerer Ge- danke ist, selb Herren ihrer Angelegenheiten zu sein und nicht unmittelbar von einem anderen sich hineinreden zu lassen. Ja, meine Herren, wir tun es niht aus Willkür, sondern aus zwingenden Ge- sihtépunkten, denen wir nicht ausweihen können, wenn wir die staatlihe Verwaltunz in einer Stadt übernehmen, und darein müssen sih die Städte hon fügen. Jch kann nur bitten, den Gesehentwurf in der vorliegenden Fassung anzunehmen. Jh bemerke dabei, daß die vielen und großen Zugeständnisse, zu denen wir uns bei der bisherigen Behandlung dieses Geseßentwurfs cntschlofsen haben, und nur shwer entschlossen haben, gemacht sind tin der Voraussezung, daß das Gesey noch in tieser Session unverändert angenommen wird. Sollte das niht der Fall sein, so würden wir bei einer neuen Vorlage genötizt sein, auf die Fünftelung zurückzukommen, die wir für den richtigen Maßstab erachtet haben.

Oberbürgermeister Dr. Wil ms8-Posen bittet, der Resolution des Abgeordnetenhauses zuzustimmen, wonach auch tin den Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung gewisse Zweige der Wohlfahrtépolizei den Städten überlassen bleiben sollten. - Es wäre zu prüfen, ob nicht über einen bestimmten Prozentsaß hinaus die Heranziehung der Städte zu den Koften nicht erfolgen folle.

Oberbürgermeister Kirshner- Berlin : Leider sind wir in der un- angenehmen Lage, am Schlusse der Session so wihtige Vorlagen verabschieden zu müssen. Gewiß ist es ein Zufall, daß diese Vorlagen oft besonders die Großstädte betreffen, aber ih bitte doch, daß die Regierung so"che Vorlagen zuerst an das Herrenhaus bringt, da hier zahlreihe Sachkenner groß städtisher Verhältnisse fißen. Gegenüber dem Herrn Minister des Innern bemerke ih, daß wahr- \scheinlich keine der 25 Städte mit Königlicher Polizei niht bereit wäre, die Mehrkosten für eine eigene Polizei zu tragen, denn Sie wissen nicht, was es mit der Königlichen Polizei auf sh hat. Berlin wird durch dieses Geseg ganz besonders belastet und betroffen. Das Königliche Polizeipräsidium in Berlin hat neben der örtlihen Polizei eine ganze Menge andere Aufgaben, die nicht nur Berlin angehen; durch Geseg ist: ihm fogar ferner die Landespolizei für mehrere große Vorstädte mit 686 000 Einwohnern übertragen, dazu kommt noch ein Kreis von Aufgaben für vie weitere Umgebung Berlins. Der Entwurf des Gesezes hat ja das auch anerkannt und auf diese Kosten 4 9% angerehnet, die Berlin nicht zu tragen hat, das Abgeordnetenhaus hat 5 9% beschlossen. Jch war begierig, wie man zu dieser Zahl von 49%/% gekommen ift ; der Berliner Magistrat hat am 5. Dezember eine daraufbezüglihe Anfrage an den Ober- präsidenten gerichtet, heute nah 4 Monaten haben wir noch keine Antwort erhalten. Ich habe mir aber aus Kreisen der betreffenden Kommission des Abgeordnetenhauses eine Zusammenstellurg verschafft, die auf Angaben der Regierung beruht. Danach ist z B. beim Gehalt des Polhzeipräsidenten von Berlin F des Gehalts mit 4000

auf die nicht örtliGen Kosten Berlins für die Landespolizei geremute. olgerihtig wäre es, wenn alle anderen Gehälter und Ausgaben eben- alls mit "/s auf die Landespolizei kämen, die Regierung will aber nur 49% = !/2s zugestehen. Die - weitere Berehnung is eine ganz willkürlihe. Ich gebe z1, daß Berlin böher herangezogen werden mag, als andere Städte, aber warum doppelt so hoh als Charlotten- burg oder Rixdorf ? Es kommt nicht bei den 20 Millionen, die wir zahlen, auf 1 Million mehr oder weniger an, aber notwendig war es füx mich, zu betonen, daß wir uns niht gegen die Feststellung von Sn genügend wehren konnten, die wir nicht für LéreVtfertigt alten.

Geheimer Oberregierungsrat Dr. Maubach: Der Antrag des Magistrats ging zu einer Zeit ein, als das Geseß dem Landtage schon vorlag ; es ist in solchen Fällen niht üblih, Dritten ein Material über folhe Vorlagen zugehen zu lassen. Jn der Kommission des Abgeordneten- hauses if das Material dann vorgelegt worden. Die Berechnung ist eine sehr sorgfältige; Ortspolizei und Landespolizei gehen ohne bestimmte Grenze ineinander über, es kann \sich da immer nur um Schäßungen handeln, aber auch Herr Oberbürgermeister Kirschner hätte nah 4 Monaten keine bessere Aufstellung als wir machen können.

Obexbürzermeister Ghlers - Danzig sieht in der Vorlage eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegen die Städte, die im Jubiläumsjahr der Steinschen Städteordnung eigentümlich genug anmute. Kürzlich habe man fogar mit Zustimmung vom Regterungstisch gewünscht, daß niht mehr so viel regiert werden möchte; in dieser Vorlage komme aber eine ganz andere Tendenz zum Ausdruck. Es sei zu befürchten, dal wenn das Gesetz jeyt niht zustande komme, es im Herbst in unheilvollerer Form wiederkehre. Warum habe die Regierung der Stadt Berlin nah vier Monaten niht wenigstens eine abs{chlägige Antwort zugehen lassen? Das einfahe Schweigen beweise doch wenig Achtung gegenüber den Kommunen, die sich hier in ihren Vertretern beinahe wie Angeklagte fühlen müßten. /

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Der Herr Oberbürgermeister Ghlers hat vorhin

in feinen Ausführungen gesagt, daß die Herren Oberbürgermeister der großen Städte gewissermaßen hier als Angeklagte säßen. Jh muß

. gestehen, ich habe eher den Eindruck gehabt, daß im Gegenteil die

Herren Oberbürgermeister, namentlich der verehrte Herr Vorredner, ihrerseits glauben, die Nolle des Anklägers übernehmen zu müssen. Gr hat zunächst bemängelt, daß die Vorlage so spät hierher gekommen sei ich glaube allerdings, es war das eine Ausführung von Herrn Oberbürgermeister Kirshner. Ih möchte das mit ihm be- dauern, muß aber die Staatsregierung von einer Schuld freisprehen. Wir haben \{chon im Herbst die Vorlage an das Abgeordnetenhaus gemacht; bereits im Nodzember hat die erste Lesung im Abgeordnetenhause stattgefunden, und es war nur die Schwierigkeit der Materie und bei der späteren Kommissions- beratung die große Zahl der im Interesse der großen Städte gestellten Anträge, die es dahin gebracht haben, daß die Vorlage erst so spät an dieses hohe Haus gelangt ist.

Dann hat der Herr Oberbürgermeister Ehlers gesagt, bei den Verhandlungen zwischen Staat und Provinzialverwaltung hätte die leßtere alle Veranlaffung gehabt, Mißtrauen gegen den Staat zu haben. Meine Herren, ih weiß wirklich niht, was ihm Grund zu dieser Anschauung gegeben hat. Jch kann diese Anschauung in keiner Weise als zutreffend anerkennen, und darf nur noch einmal darauf hinweisen, daß wir erst vor wenigen Jahren ohne rechtliche Ver- pflichtung unsererseits 10 Millionen bereitgestellt haben, um die Provbinzialverbände neu zu dotieren.

JIch kann au einen Grund zu der Behauptung, daß die Ver- waltungen der groß:n Städte kein Wohlwollen bei der Königlichen Staatsregierung finden, in keiner Weise anerkennen, und ih glaube, damit auh im Sinne meines Herrn Nachbars zur Rechten, des Herrn Ministers des Innern zu \sprehen: Sie werden vielmehr, wenn ich zahlenmäßig auf die Vorlage eingehe ih werde die Ehre haben, dies nachher zu tun finden, daß sie von etnem großen Maß von Nülksichtnahme auf die großen Städte diktiert ist. Jch begreife es ja vollkommen, daß die Hercen Oberbürgermeister ihre Flügel über die großen Gemeinwesen zu breiten suchen, die ihrer ausgezeihneten Führung anvertraut sind; aber, meine Herren, das darf doch nicht führen zu einer vollkommenen Unbilligkeit dem Staate gegenüber, also der Gesamtheit der Steuerzahler, und zu einer vollklómmenen Un- billigkeit den übrigen Gemeinden gegenüber, die sich nit im Besiß König- lier Polizeiverwaltung befinden.

Der Herr Oberbürgermeister Ehlers sagte dann, die Städte hätten durhaus keinen Vorteil davon, wenn der Staat seinerseits die Polizeiverwaltung in die Hand nähme. Dem gegenüber konstatiere ih, daß {hon in der Städteordnung vom Jahre 1808 im § 169 aus- drüdlih ausgesprochen ist, daß die Städte die Kosten der Polizei- verwaltung zu tragen haben, auch wenn die Polizeiverwaltung eine Königliche ist. Wollte man das also strikte durchführen, so hätten wir von dea Städten die Koften für die ganze Polizeiverwaltung, au wo sie Königlich ist, beanspruchen können, und dieser Gesichtspunkt ist im Gesetz von 1850 durchaus aufrehterhalten. Troßdem ist der Staat niemals so weit gegangen, diese Konsequenz zu ziehen und den Städten mit staatlicher Polizeiverwaltung die ganzen Kosten der Polizeiverwaltung aufzuerlegen, sondern wir haben anerkannt, daß da, wo der Staat aus besonderen Gründen seinerseits die Polizeiverwaltung in die Hand nimmt, er au billiges Entgegenkommen" gegen die betreffenden Städte üben muß, indem er den größeren Teil der Kosten übernimmt. Nach verschiedenen Versuchen ist man bekannilih zu der Regelung des Ge- seßes von 1892 gekommen, dahingehend, daß die Städte je nah der Größe einen nah dein Kopf bemessenen Beitrag zu zahlen haben. Nun ist ersichtlich, daß dieser Maßstab vollkommen roh war. Es ist niht durchweg begründet, daß eine Gemeinde von 10000 Köpfen an Kopfbeiträgen weniger zahlen soll, wie eine folhe von 40 000 Ein- wohnern, und eine Gemeinde von 40000 Einwohnern wiederum weniger als eine Gemeinde von 75000 Ein- wohnern und darüber hinaus. Es is naturgemäß, wie der Herr Minister des Innern das {hon auseinandergeseßt , hat, daß auch die Kosten der Polizeiverwaltung sich nach anderen Gesichtspunkten regeln, als nah der Größe der Städte. Eine große Stadt mit cinfahen Verhältnissen, wenig Verkehr wird unter Um- ständen geringere Kosten verursahen als eine kleinere Stadt, in der ein starker Verkehr, starke industrielle Entwicklung, wichtige polizei- zeilihe Aufgaben die Kosten steigern. Dazu kommt das s{hon vom Herrn Minister des Jnnern hervorgehobene Moment, daß das Wachs- tum der Bevölkerung niht mit der Steigerung der Polizeikosten gleihen Schritt hält. So ift man bei der Regelung des Gesetzes vom Jahre 1892 allmählih zu einer Gestaltung gekommen, die, wie i {hon sagte, eine außerordentliche Unbilligkeit gegenüber der Ge- famtheit der Steuerzahler und gegenüber den anderea Kommunen enthält. Sie finden darüber in dem Berichte der Kommission

des Abgeordnetenhauses sehr interessante Daten, aus denen hervorgeht -

und facta loquuntur —, daß die Kosten der Königlihhen Polizei- verwaltung in den großen Städten, in denen Königliche Polizei- verwaltungen b:\tehen, nicht weniger als 36 Millionen Mark im Jahre betragen, und daß tazu die großen Städte nur 9 Millionen, also ein Viertel des Betrazes, bezahlen, (Hört, hört!) Also nicht weniger als 27 Millionen Mark werden überwiegend im Interesse der großen Städte aus den allgemeinen Staatsfteuermitteln des ganzen Staats beigetragen. Und ich kann mit Recht fragen, wie der Bauer in Pommern oder der Handwerktr in irgend einer Stadt mit nicht Königlijer Polizeis verwaltung dazu kommen, ihrerseits das Gros der Kosten für die großen Städte mitzuzahlen. In welhem Verhältnisse das zu Gunsten der einzelnen Städte geschieht, darüber werden Sie einige Daten interessieren. Ich hatte angenommen, daß der Oberbürger- meister Kirschner uns eine dankenswerte Rede gehalten hätte für die Vorlage, die wir eingebraht haben ich komme darauf noch zurück —, denn die Stadt Berlin fährt bei der Herabseßung des Beitrages auf ein Drittel ganz außerordentlich günstig. Ja, Herr Oberbürger- meister Kirschner, ih bitte, nicht die Hände zu falten, ich werde es gleich nahweisen. (Heiterkeit.) Die Kosten der Polizei- verwaltung für Berlin betragen nicht weniger als 19 Millionen, und dazu trägt Berlin. 4888000 4 bei. (Hört! hört!) Also aus Staatsmitteln, aus den Mitteln der allgemeinen Steuern hat der Staat für Berlin nicht weniger als 14 Millionen jährli zu zahlen, Das i} ein sehr großes Entgegenkommen der Staats- regierung, eine überaus günstige Behandlung der Stadt Berlin. Die Stadt Charlottenburg verursacht einen Polizeikostenaufwand von 1150000 #4, und die Stadt \chießt dazu nur 354000 # zu, also noch nit einmal ein Drittel. Die Stadt Frankfurt a. M. verursaht einen Kostenaufwand von ,1717000 #4 und trägt 334 000 4 dazu bei. Die Stadt Cöln verursaht einen Aufwand von 1862000 4 und trägt 451000 4 bei. Sie sehen, wie aúßer- ordentlich groß die Aufwendungen des Staates find für die Städte, die zu den leistungsfähigsten und kräftigsten der ganzen Monarie gehören. (Sehr richtig!) E

Ja, es ist cin großes Mißverhältnis, wenn diese großen Städte nicht einmal ein Drittel, ja, nicht einmal ein Viertel der Auf- wendungen zahlen, die dem Staate erwahsen, und ih meine daher, daß es ein zu weitgehendes Entgegenkommen des Staates is, wenn er in Berücksihtigung der Besonderheit der Verhältnisse der Städte so weit gegangen ist, wie dies bisher der Fall war. Darin liegt nicht nur eine Unbilligkeit, soweit der Staat in Betracht kommt, sondern auch eine Unbilligkeit gegenüber den anderen Gemeinden ohne staatlihe Polizei. Jn der Begründung der Vorlage ist ja ausgefühnt, wie sich die Kosten stellen bei den Gemeinden, die staatlihe Polizeiverwaltung haben, und denen, die keine staatliche Pólizeiverwaltung haben. Und ‘daraus ergibt ih, daß die Gemeinden, die keine staatliche Polizeiverwaltung haben, für ihre eigene Polizeiverwaltung etwa das Zweifache bis Dreifache der Aufwendungen zu zahlen haben, die die großen Städte als Beiträge an den Staat leisten. Also der Effekt ist der, daß die nah Hunderten ¿ählenden Städte, die keine staatliche Polizeiverwaltung haben, zunächst für ihre eigene Polizeiverwaltung die Kosten tragen haben, und daneben noch beizutragen haben zu den Kosten für diejenigen Städte, die einer Königlichen Polizeiverwaltung sih erfreuen.

Meine Herren, wenige Daten. Die Stadt Charlottenburg bringt für den Kopf der Bevölkerung 1,50 4 als Beitrag zu den Koften der staatlihen Polizeiverwaltung auf, die Stadt Memel dagegen 3 A, die Stadt Glogau 3,37 4, die Stadt Frankfurt an der Oder 3,23 M, die Stadt Elberfeld 4,44 A. Also, meine Herren, bis zum Dret- fahen bringen die Städte, die nicht Königliche Polizeiverwaltung haben, auf, nur um die eigene Polizeiverwaltung zu bestreiten, und ich glaube, es wird wohl als communis opinio betradtet werden können, daß die Königlihe Polizeiverwaltung in der Stadt Charlottenburg besser ist als die kommunale in den kleinen Orten Memel, Glogau, Frankfurt an der Oder usw. (Sehr richtig!) Also auf der einen Seite die großen Suädte, die leistungsfähigsten Städte mit einer Königlichen Polizeiverwaltung ausgestattet, auf der anderen Seite eine große An- zahl der leistungsunfähigen Städte mit minder guten Poltzeteinrih- tungen, und dann noch genötigt, einen großen Teil der Kosten der großen Städte ihrerseits zu tragen! Meine Herren, ich bin der An- sicht, daß das ein Zustand it, der doch in der Tat nah gewissen Richtungen hin eine Abänderung erheischt. .

Nun würden \ich selbst bei der Vorlage, die wir dem Landtage unterbreitet haben nämli bei Festseßung des Beitrags der großen Städte auf zwei Fünftel diese großen Gemeinden mit Königlicher Polizeiverwaltung immer noch wesentlih besser stehen als die Ge- meinden mit eigener Polizeiverwaltung. Auch in dieser Beziehung bitte ih einige wenige Daten vortragen zu dürfen. Wenn die Vorlage in ihrer ursprünglichen Form, die also eine Beitragéleistung von zwei Fünfteln vor- sah, Gese geworden wäre, so hätte sich der Beitrag der Gemeinden mit mehr als 75000 Einwohnern im Durchschnitt auf 1,76 46 auf den Kopf der Bevölkerung gestellt, während der Beitrag in den Gemeinden, die eigene Polizeiverwaltung haben, sich im Durchschnitt auf 3,46 4 auf den Kopf der Bevölkerung stellt. Also selbst bei Steigerung des Zuschvsses der großen Gemeinden auf zwei Fünftel würden diese großen Gemeinden immer nur 50 9/9 von dem zahlen, was die anderen Gemeinden, die keine Königliche Polizeiver- waltung haben, ihrerseits aufbringen müssen, und der Vorschlag bleibt noch wesentlich hinter der Regelung zurück, die das Gese von 1892 vorsah. In dem Gese von 1892 waren die Kopfbeiträge so bemessen, daß die großen Gemeinden mit Königlicher Polizeiverwaltung etwa 78 9/6 dessen zu tragen haben sollten, was die Gemeinden ohne König- lihe Polizeiverwaltung ihrerseits aufzubringen haben, und nach unserer Vorlage würden wie ih eben hervorgehoben habe künftig die großen Gemeinden nur 50%/ von dem zu tragen haben, was die anderen Gemeinden ohne Königliche Polizeiverwaltung ihrerseits auf- zubringen haben.

Also, meine Herren, ih glaube, das ift doch charakteristisch und wird noch mehr illustriert werden, wenn man sih einzelne Fälle an- sieht. Es is der Begründung eine Tabelle, D, beigegeben, aus der ih beispielsweise ergibt, daß eine Stadt wie Cassel bei Erhöhung ihres Beitrags auf zwei Fünftel 200 000 4 jährlih an Polizeikosten aufzuwenden haben würde, dagegen ähnlihe Städte mit eigener Polizei niht weniger als 475 000 4 dafür aufwenden müssen, daß eine Stadt wie Stettin 353537 #4 zu zahlen hat, dagegen, wenn fie eigene

Polizeiverwaltung hätte, 747 506 #6 (hört, hört!), daß eine Stadt wie Charlottenburg 455 000 4 Beitrag zu zahlen hat, bei eigener Poltzeiverwaltung dagegen 963 000 4 zu zahlen haben;würde. (Zu- ruf des Grafen von Mirbah-Sorquitten:“ Die is aber au sehr arm! Heiterkeit.) Die Stadt Hannover hat 418 000 # zu ¡ahlen und hätte bei eigener Polizeiverwaltung 939 000 4 zu leisten. Also, meine Herren, auch bei Steigerung der Beitrags- leistung der großen Städte auf zwei Fünftel wären sie immer noch sehr viel besser gestellt, als das Gros der preußishen Städte, das die Polizeiverwaltung aus eigenen Kosten zu bestreiten gehalten ift.

Meine Herren, wenn wir troßdem die Hand dazu geboten haben, den Beitrag der großen Städte anstatt auf zwei Fünftel nur auf ein Drittel zu bemessen, so ist das wesentlich mit Rücksiht auf die öst- lien Städte gesehen, deren der Herr Oberbürgermeister Ghlers -gedacht hat, und ich bedauere wirklich, daß er diesen Punkt garniht hervorgehoben hat. Meine Hen, diese Nülsiht auf Städte wie Danzig, Königsberg, Pösen, die minderleistungsfähig find, hat uns dazu bewogen, dem zuzustimmen, daß ftatt ?/; nur F gezahlt wird. Das bedeutet für den Staat einen Ausfall von 2,4 Millionen Mark; während die Festseßung des Bei- trages auf zwei Fünftel 48 Millionen im Jahre gebrach@t hätte, bringt die Festsezung auf F nur 2,4 Millionen Mark, also genau die Hâlfte. Man hat uns im Abgeordnetenhause vielfach zum Vorwurf gemacht, daß wir so weit gegangen find. Ich bin gewoßnt, gesholten zu werden, daß ih zu fiskalisch bin, und nun, wo ich einmal mein gutes Herz walten ließ, muß ich auch Vöórwürfe einheimfen. Ich werde daraus Veranlaffung nehmen, niemals wieder gutmütig zu sein. (Heiterkeit.)

Nun, meine Herren, möchte ich noch einmal kurz illustrieren, wie die Herabseßung des Beitrages auf F bei einzelnen Gemeinden, die vorher die größten Klagetöne ausgestoßen haben, wirkt. Cöln würde bet der Festseßung auf ?/; 235 000 4 mehr zu zahlen haben, bei einem Drittel zahlt es nur 120 000 46, Magdeburg ftatt 127 000 nur 59 000 4, Posen ftatt 102000 nur 62000 #4. Und nun bitte ih den Herrn Oberbürgermeister Kirshner, zuzuhören. Berlin hätte statt 2561 000 nur 1 294 000 4 (hört! hört!) zu zahlen, und selbst das erschôpft das Maß des Entgegenkommens gegen Berlin noch nicht. Dadurch, daß die Abzugsquote für nit ortspolizeilihe Tätigkeit der Berliner Polizeiverwaltung von 4 9/6 auf 5 °/9 erh#ht worden ist, ent- steht für Berlin eine weiteie Ersparnis von 200 000 4, ‘sodaß Berlin ftatt 2561 000/44 nur genau 1094111 4 zu zahlen hat. Mithin bedeutet das Entgegenkommen der Staatsregierung für Berlin eine effektive Minderleistung von 1} Millionen Mark. Da muß ih doch sehr verwundert sein, daß Herr Oberbürgermeister Kirschner mir niht vorher um den Hals gefallen ift, sondern lebhafte Beschwerden erhoben hat.

Dann ist die Rede auf die Frage der Uebertragung einzelner Teile der polizeilichGen Verwaltung auf die Gemeinden gekommen, und einige Herren haben mit großer Bestimmtheit gesagt, die Städte würden bereit sein, wenn die Staatsregierung will, die Polizei- verwaltung ihrerseits allein zu verwalten. Ih glaube, wenn es zum S{hwur käme, würde sch die-Stadt Berlin wobl überlegen, ob fie 14 Millionen mehr aufwenden will. Wenn man unter Umständen den Wünschen der Städte auf Uebertragung einzelner Zweige der Polizeiverwaltung nicht entgegengekommen ist, so liegt das daran, daß naturgemäß die Uebertragung einzelner Zweige immer die \{wierige Frage heraufbeschwört, ob es angängig ift, solche einzelnen Teile der Polizeiverwaltung aus dem ganzen Gros der polizeilichen Tätigkeit loszulösen, ob es beispielsweise möglich ist, die Sicherheits- polizei in den Händen des Staates zu halten und die Wohlfahrts- und Baupolizei den Kommunen zu übertragen. Der enge Konnex zwishen den einzelnen Polizeltzweigen bringt hier unter Umständen S§wierigteiten mit #sich, aber, soweit ich mich besinne, ift in den meisten Fällen ein Einvernehmen zwishen der Staatsregierung und den großen Kommunen erzielt worden. Jch darf auch daran er- innern, daß doch oftmals. Gemeinden wegen des von mir gekenn- zeihneten Kostenuntershiedes Bedenken getragen haben, einzelne Teile der Polizeiverwaltung zu übernehmen. Als das Gesey von 1892 erlaffen wurde, haben nicht weniger als fieben Gemeinden es abgelehnt, ihrerseits die Wohlfahrispolizei zu übernehmen: Gharlotten- burg, Magdeburg, Potsdam, Aachen, Cassel und Fulda.

Nun i} von Herrn Oberbürgermeister Kirschner und auch von anderer Seite die Rechnung insofern bemängelt worden, als die Sonderaufwendungen der Städte mit Königlicher Polizeiverwaltung für eigene Polizeizweige niht genügend berücksihtigt worden wären und daher Ersparnisse zu mahen wären, wenn thnen die Polizei- verwaltung ganz übertragen würde. Irgend welche Ziffern haben uns hier niht gegeben werden können, ebensowenig wie sie in der Kommission gegeben worden sind. Aber geseßt, daß die Rechnung, die wir auf Grund genauer Unterlagen gemacht haben, nicht in allen Punkten zutreffend wäre: was beweist das? Nach der Vorlage, wie sie sich jet gestaltet hat, trägt der Staat zwei Drittel der Kosten der Königlichen Polizei, obwohl er nah Maßgabe der geseßlichen Be- stimmungen berehtigt wäre, die ganzen Kosten den Städten aufzuerlegen. Wir glauben, daß in dieser Uebernahme der Kosten mit zwei Dritteln do ein sehr weites Entgegenkommen gegen die großen Städte liegt. Und wenn Herr Oberbürgermeister Ehlers die Bemerkung gemacht hat, wir hätten diese zwei Drittel nur zugestanden unter der Vor- aussezung, die Vorlage sih im übrigen nah unseren Wünschen gestalte und, falls diese Annahme nicht zutrefe, würden wir uns vor- behalten müssen, auf die Erhebung von zwei Fünfteln zurückz1kommen, und wenn er hierin ein Preisgeben unseres als richtig erkannten S'andpunktes erblickt, so kann ih diese Bemängelung nit als zu- treffend erahten. Es ist ein durchaus erlaubter und rihtiger Stand- punkt, daß ein Entgegenkommen von beiden Seiten geübt werden muß, wenn ein Kompromiß zustande kommen soll. Wir haben ein sehr weitgehendes Entgegenkommen gegen die « großen Städte geübt, und es ift durchaus berehtigt, daran auch den Wunsch zu knüpfen, daß im übrigen die Vorlage nah unseren Wünschen gestaltet und alsbald verabschiedet wird.

Herr Ehlers hat {ließli gemeint, er nehme an, daß die Vor- lage so das Haus wieder verlassen würde, wie sie hierher gekommen it. Diese Hoffnung hege auch ich. Ich glaube nachgewlefen zu haben, daß wir weit entgegenkommen und daß wir nun auch auf ein Ent- gegenkommen Ihrerseits rechnen. Jh kann daher nur mit dem Herrn Minister“des Jnnern sagen: Carpe diem, der künftige Tag könnte

für die größeren Städte dunkler werden. (Lebhaftes Bravo !)