1866 / 176 p. 1 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Preußischen Staats-Anzeigers: Wilhelms-Straße No. 54. (nahe ver Leipzigerstr.)

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1866.

Amtliche achrichten vom Lriegsschauplaße.

Berlin, 22, Juli. Nach der Schlacht von Königgräh find al- lem Anschein nach die Hauptmasse der österreichischen Infanterie, die leichte Kavallerie-Division Taxis, sowie die Sachsen auf Olmüh und nur das 10, Corps (Gablenz) und die drei schweren Reserve Kavallerie - Divisionen, so wie die leichte Kavallerie - Division Edelsheim über Brünn auf Wien zurückgegangen. Das Bor- gehen der preußischen Armee Über Brünn, sowie der Zustand der auf Olmüß zurückgegangenen Truppen, welche ohne Ka vallerie eine mcht operationsfcihige Masse darstellen, hat die Oesterreicher bewogen, auch diejen Theil ihrer Armee nach der Donau zurückzunehmen,

Theile der Truppen scheinen pex Eisenbahn von Olmüt nach Wien gegangen zu sein; als aber in ¡Folge des Gefechts von Tobikschau die Benußung dexr Eisenbahn nah Süden un möglich wurde, blieb für einen ferneren Rückzug nur der ¡Fuß- marsch übrig,

Der Uebergang des Prinzen ¿Friedrich Carl über die March bei Holitsch versperrte den Oesterreichern für diesen Marsch die Straße auf Preßburg, Es bleibt ihnen, um die Donau zu er- reichen, jeßt nux noch der Weg jenseits der kleinen Karpathen in der Richtung auf Komorn Übrig, In der That scheinen auch, eingezogenen Nachrichten zufolge, größere österreichische Truppenmassen auf dem Wege von ungarisch Hradisch nach Frentezin Über die Karpathen nach Ungarn zu ziehen.

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Nichtamtliches.

Aus Nicolsbhurg (Hauptquartier Majestät des Königs), 18, Juli, erhalten wir nachstehenden Bericht: Die VBer- legung des Königlichen Hauptquartiers von Brünn hierher war gestern {hon auf 10 Uhr Vormittags bestimmt gewesen und waren dazu bereits alle Vorbereitungen getroffen. Es gingen auch in der Frühe bereits die Handpferde und die {weren Gepäcwagen dahin ab; die Abreise Sr. Majestät des Königs wurde aber bis nah dem Diner, auf Nachmittags 5 Uhr, vershoben; man vermuthet, wegen “der erfreulichen Nachrichten, welche vom Rhein her am Abende vorher eingelaufen waren und über die Besißnahme ¿Frank- furts a. M. bæœichteten. Es wurden im Laufe des Vormittags, rwwahr- \cheinlih in Folge der dadurch veränderten und sehr viel günstiger gestalteten Velen wie militairischen Situation , Couriere und tele- qraphische Depeschen abgesandt, (der Telegraph arbeitete nämlich seit dem Tage vorher wieder direkt mit Berlin), Da zugleich Berichte von den Vortruppen einliefen, daß der Vormarsch gegen Wien in stetem Fortschreiten begriffen war und zwar ohne auf den 75eind ge}toyen zu sein; der sich nur dur einzelne Husaren-Patrouillen bemerfbar machte, so wurde die Abfahrt auf den Nachmittag 5 Uhr festge}evt; so daß die Ankunft hier gegen 10 Uhr Abends, erfolgte, denn es sind von Brünn bis Nicolsburg 6 sehr starke Meilen. Die große Brücke über die Thaya, bei Mariahilf, hatten die Oesterreicher bei ihrem Rückzuge am Sonntage zerstört, die Erbauung einer Nothbrücke aber die preußischen Tirailleure nicht aufgehalten. Rasch entschlossen, hatten sie si{ch il Uniform und ihres Gepäcks entledigt ; ind Unterbeinkleider auf

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threr nur das Hemd _u1! L i : dem Leibe behalten, sonst baarfuß, nur mit Müte, Patrontaschengürtel und Gewehr, \o erschienen die ersten Preußen hier in NicolSburg hinter den feindlichen Husaren, welche niht mehr durch die Stadt; fondern um die Stadt herum abzogen. Erst nur drei in diesem selt- famen Kostüm, dann noch_ drei andere eben so; endlich aber unifor- mirte Tnfanterie, die indessen staubig und pulverges{wärzt den vor den Preußen hergehenden Schrecken zu rechtfertigen schienen. Heute erst, wo so eben eine ae Ves ‘8. Pomm. Jnf.-Regts. Nr. 61 mit der Fahne des 2. Bataillons als Ehrenwache bei der Ankunft

1 Majestät Des Königs den Dienst am Schlosse gehabt hat, und von dort in ole Stadt zurüfehrt; sehen die Einwohner zum ersten Male preußische Soldaten so s{chmuck, wie wir sie im Vaterlande zu

schen gewohnt sind, Der eigentliche Vormarsch der sämmtlichen gegen Wien vorrückendven Divisionen scheint indessen nicht durch Nico ls - burg, sondern mehr ôstlich nach Lundenburg zu gegen das Marchfeld gegangen zu sein, Jene Nothbrüce über die Thaya ist neben die sehr festen steinernen Pfeiler der eigentlichen Brücke, deren hölzernen Joche und Balkenlagen vollständig niedergebrannt sind, und noch das ¡Flußbett mit ihren verkehlten Holzstliken bedeckt;, fast deren Wasserspiegel gleich, auf Böcken gebaut worden, muß aber, wie alle dergleichen exceptionelle FlußÜüÜbergänge, mit großer Vorsicht passirt werden, namentlih für Geschüße und 7Fuhrwerke aller Art. Nach den hier verbreiteten und auch der Sache nah nicht unwahrscheinlichen Berichten, hat die Avantgarde außer der Besezung Lundenburgs auch {on Wilfersdorf und einige à cheval der Landstraße lie- gende Dóôrfexr beseßt, so daß die preußischen Borposten-Ketten nur noch 5 Meilen von Wien entfernt, für diese Nacht ausgeseßt sind, und zwar sind dies Truppen der Elb-Armee, welche über glau und Znaym, von Nordwesten und aus Böhmen her, direkt gegen Wien marschirt waren. Die Passage über jene Nothbrlice über die Thaya hat namentlich für die erst im Dunkeln dort eintreffenden \chweren Gepäckwagen große Schwierigkeiten gehabt, und einer derselben soll eingebrochen und nur mit größter Anstrengung wieder in 75ahrt geseßt worden scin, Jedenfalls erfolgte die Ankunft der leßten Wagen erst Nachts um 2 Uhr. Schon vor der Ankunft Se. Majestat des Königs war von Wien her der Käiserliche französische Botschafter Benedetti hier eingetroffen, und wird wahrscheinlich im Laufe des heutigen Tages mit dem Minister - Präsidenten Grafen Bismarck fonferiren. Durch das abermals glülihe Gefecht am 15. bei Tobit- \chau, is aber auch die militairische Lage eine andere geworden, welche der Botschafter des Hauses Napoleon bei seinem Abgange aus Brünn nach Wien noch nicht kannte, der aber nun, bei Wiederaufnahme der Ver- handlungen Rechnung getragen werden dürfte. Te mehr das Hauptquartier sich Wien nähert, je jüngeren Datums sind die Nummern der Wiener Zeitungen, welche bis zum Einmarsch der Preußen noch in die verschiedenen Ortschaften gelangten, und da muß man denn in der That erstaunen, biszu welchem (Grade die Unkenntniß der thatsächlichen Lage Oesterreichs oder die absichtliche Täuschung geht, welche den österreichischen Unterthanen von diesen Blättern aufgeznoungen wird, Es klingt Alles noch eben so pomphaft und so zuversichtlih wie früher vor den Niederlagen in Böhmen. Die »Presse« vom 12. Juli will Preußèén aufs Neue »zerschmettern!« und um das zu fönnen, soll gewartet werden, his die österreichische Armee im Verhältnifi von 80 zu 20 gegen die preußische steht! So is wörtlich in der »Presse« vom 12. Juli zu lesen. Nach diesen Leitartifeln, noch mehr aber aus Privatbriefen zu schließen, sind die Zustände in Wien selbst der Art, daß eine Verlegung des Kaiserlichen Hoflagers nah Pesth vollkommen gerechtfertigt erscheint, und fast eine nothwendige Vorsichtsmaßregel is. Wie fh in den Städten, welche die preußischen Truppen bereits hinter si{ch haben, die Meinungen über Preußen und seine Armee schon geändert haben; if gerade- zu erstaunlich zu nennen! Am eklatantesten brach dies in dem großen, volfreichen Brünn hervor, eine Stadt, die offenbar den Zuschnitt einer wirklih großen Stadt hat. Die Aufnahme ent- sprach sofort dem Benehmen der Mannschaften und es .is in den 3 Tagen des dortigen Aufenthaltes und des Durchmarsches von fast 100,000 Mann Preußen auch nicht Ein Fall zur Kenntniß der Po- lizei-Behörde gekommen, wo etwa eine Repression nöthig oder gerathen gewesen wäre. Darum fonnte.Se. Majestät der König auch dem bei der Abfahrt gegenwärtigen Bürgermeister Dr. Giscra in gnädigster Weise sagen:

»ITch freue Mich, daß Meïñe Erwartungen und Jhre Zusagen bei Meiner Ankunft hier; so vollständig in Erfüllung gegangen find. Sie sind Meinen Truppen freundwillig| entgegengekommen, obgleich Thnen das bei der großen Zahl derselben s{hwer geworden sein muß. Dafür danke Jch der Stadt Brünn. / Aber Sie werden sich auch über- zeugt haben, daß Jch Recht hatte, als Jh Jhnen fagte, daß Meine Truppen nichts Unbilliges fordern würden. JTch kenne Meine brave Armee! Das Nöthige muß und soll ihnen aber werden, wo es auch sei! Sagen Sie das mit Moinem Dank den Bewohnern Brünns

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