1888 / 14 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Jan 1888 18:00:01 GMT) scan diff

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mit Vertrauen Meinen Dank und Glückwunsch für das beginnende aus. J verkenne niht die Höhe der Anforderungen, welche durch neu geregelte Organisations-Bestimmungen der freiwilligen Kranken- pflege niht nur im Ernstfall, sondern besonders auch in der vor- bereitenden Friedensthätigkeit erwachsen, allein Ich gebe Mich ber Erwartung zuversichtlich hin, daß es den erfahrenen Mitarbeitern an dem ehrenvollen Werk gelingen wird, diesen Anforderungen in wachsen- dem Maße gerecht zu werden und in weiten Kreisen die hülfsbereite Theilnahme an dieser patriotischen Aufgabe neu zu beleben. Meine warme Betheiligung wird derselben nie fehlen und Ih weiß Mich daher auch mit Ihnen in Freud und Leid, in Sorge und Hoffnung zu gemeinsamem Wirken verbunden.

Berlin, den 3. Januar 1888, Augusta.

An das Central - Comité der Deutschen Vereine vom Rothen Kreuz.

Der Jerusalems- Verein, welcher sich der Mission im heiligen Lande widmet und die Kaiserlichen Majestäten, die Kronprinz- lichen Herrschaften sowie viele andere hochgestellte A ed zu seinen Mitgliedern zählt, feierte am Sonntag im Dom sein Jahresfest. cFhre Majestät die Kaiserin, Allerhöchstwelche in früheren Sahren zumeist den Festen beiwohnte, hatte mittheilen lassen, daß Sie diesmal leider behindert sei, zu erscheinen, daß Ihr Herz aber, wie stets, bei dem Verein weile. Den Jahresbericht erstattete der Schriftführer Lic. Weser im Anschluß an Röraer 8, 12. Der Verein kann auf das zu Ende gegangene Jahr mit Befriedigung zurückblien. Die beim Beginn tesselben von der türkishen Regierung geplante Schließung aller deutshen Schulen und Missionen ist Dank dem Eingreifen des Neichskanzlers nit zur That geworden, sodaß die Anstalten ihr Friedens- und Kulturwerk ungestört fortseßen konnten. Jn Bethlehem hat si die kleine protestantishe Gemeinde durch_ den Zuzug einiger neuer, im Evangelium schon anderwärts befestigter Familien vermehrt. Viele Andere besuchen den Gottesdienst, doch ist ihr eigentlicher Üebertritt zum Christenthum noch nicht erfolgt. In Bet- djaba, wo Missionar Bschara wirkt, hat am Weihnachtstage des Vorjahrs der neue Betsaal eingeweiht werden können. Schule und Katechetenhaus sind im Bau begriffen. In Hebron haben sih einige Familien ofen dem evangelischen Bekenntniß angeschlossen und es konnten dort im leßten Jahre die ersten Taufen von Pastor S@nellec vollzogen werden. Lie Schulen arbeiten an allen drei Orten getreulih weiter und werden auch von Kindern anderer Kon- fessionen desuht. Für die neue Kirche in Bethlehem sind bereits 30 000 M, die Hälfte der erforderlihen Mittel, aufgebracht, Baurath Orth hierselbst hat auch schon einen Entwurf angefertigt, und man gedenkt im nähsten Frühjahr an den Bau zu geben. In Jerusalem selbst, wo der Verein freilich nicht Leiter sondern nur Mitarbeiter bei der Mission ist, sind die deutschen evan- gelishen Anstalten in erfreulihster Entwickelung. Die Zahl der Evangelischen, welche das deutsche Hospiz _auffuchten, war nicht ge- ringer als die aller Katholisch@en aus Oefterreih. Das von der Brüdergemeinde unterhaltene Auésäßzigen-Asyl hat am 27. April sein neucs stattlihes Gebäude eingeweiht, das jeßt Play bietet, um alle Aussätigen des Paschaliks Jerusalem aufzunehmen. Im syrischen Knaben-Waisenbause sind z. Z. 140 Zöglinge untergebracht, die von 6 wissenschastliccken Lehrern, einem Blindenlehrer und & Handwerksmeistern unterrichtet werden. Das Haus hat eine eigene Buchdruckerei, welche eine Quartals\chrift „Den Boten aus Zion“ herausgiebt. Für die Gründung einer Ackerbaukolonie hat der Sultan in der Ebene von Ramleh ein Stück Land angewiesen. Das Mädchen- Erzi-hungshaus Talitha Kumi, an dem Kaiserswerther Diakonissen wirïcn, beherbergt z. Z. 110 Kinder. In dem gleichfalls von Kaifcréwerth aus unterhaltenen Hospital haben gegen 700 Kranke un ahme gefunden. Das Marienstist, das Hospital für kranke Kinder, bedarf leider noch fortgeseßter Unterstüßung. Die deutsche evangelisde Gemeinte Jerusalems, vom Pfarrer Schlicht und Hülfs- prediger und Rektor Deckert geistlih gepflegt, ist z. Z. die zahl- reichste und angesehinste untcr. allen fremdländischen Kolonien. Die Obhut über die Beiruter Gemeinde hat Pfarrer Friße neu über» nowmen. Die dortige Privatshule wird die Gemeinde selbt über- nebmen, da der bisherige Leiter Beirut zu verlassen gedenkt. Was den Verein selbs anlangt, so haben sich seine Einnahmen von 20 000 auf 99 070 A crhôöht. An Stelle des verstorbenen Hauptmanns von Dewitz ist Rechnungs-Rath Bollensdorff zum Schaßmeister erwählt; an die Stelle des zum Ehrenmitglied ernannten Konsi torial-Raths Berner

Wetterbericht vom 17. Januar 18838, 8 Uhr Morgens

=

| | f | | |

haus. Säkkingen.

Stationen.

Temperatur |

in ? Ceisius |

7 Uhr.

Wind. Wetter. |

Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp. | red. in Millim

Mullaghmore

774 |OS heiter Aberdeen .

779 [W 2\bedecktl Christiansund | 775 |W 6'Re en Kopenhagen . | 780 |\NNW Nebel 7 Ub Stockholm . | 776 \NW bededt Haparanda . | 759 \W heiter St.Petersbrg.| 768 |NNW 3\|bedeckt Moskau .…. | 766 |W bededckt

Cork, Queens- town ...| 771 |O Regen elder... | 778 |D Nebel A 780 |S bededckt amburg .…. | 780 |ODOSO Nebel winemünde | 781 |SO bededckt Neufahrwasser| 779 |SSO Dunst Memel .…. | 777 |\NW bedeckt wolkenlos

Münster. .. | 777 |NO

Karlsruhe . [776 |NO wolkenlos Wiesbaden . | 777 NO wolkenl.1) München .. | 776 |SO wolkenlos Chemniy .. | 780 |SW bededt?) Berl bedeckt

781 SW Wien .….. | 779 |\NW bedeckt Breslau . bedeckt

779 |D Triest .… heiter

D S

O Co ck dO

Anno.

Berlichingen.

Ewald. Mizekado.

H | s DO DO i i i DOÍ R DD a Q i i D

774 \DND

1) Reif. 2) Reif.

Skala für die Windstärke: 1 = leiser Zu j

= leiht, 3 = shwach, 4 = mäßig, 5 = fr G

= s\tark, 7 = f\teif, 8 = stürmish, 9 = Sturm, 10 = ftarker Sturm, 11 = heftiger Sturm, 12 = Drfan.

Uebersicht der Witterung.

Die Luftdruckvertheilung hat \sich im Allgemeinen wenig verändert; das baxometrische Maximum liegt über dem unteren Ostseegebiet und scheint südwärts fortzuschreiten. Ueber Deutschland ist das Wetter andauernd kalt, theils heiter, theils neblig, sonst ‘trocken; im Binnenlande liegt die Temperatur 2 bis 74 Grad unter der normalen.

Deutsche Seewarte.

spiel :

Jules Verne.

Zum 2b. Male:

Theater - Anzeigen.

Böniglihe Schauspiele. 16, Vorstellung.

Schauspielhaus. Schwank in 4 Akten von O.

Donnerstag: Opernhaus. 17. Vorstellung. Sylvia. Ballet in 3 Akten von Jules Barbier und Mérante. Musik von Leo Delibes. Male wiederholt: Sie weint. nah M. Bauermeister von F. Silesius.

r.

Schauspielhaus, 18. Vorstellung. Othello, der Mohr von Venedig. Trauerspiel in 5 Akten von Shakespeare. Anfang 6 Uhr.

Deutsches Theater. Mittwoh:

Donnerstag: Die Verkannten. Freitag: Fauft. (Anfang 6#F Uhr.)

Wallner-Theater. Mittwoch: Zum 53. Male:

Ein toller Einfall. ranzösishen von Carl er Mizekado, oder: Ein Tag

Parodistish-musikalisher Scherz in 1 Akt von Otto

Donnerstag: Ein toller Einfall. -—

Victoria-Theater. Mittwoch: Zum 555. M.:

Mit gänzlich neuer Ausftattung: Die Reise um die Welt in 80 Tagen, Die Wette um eine Ausstattungs\ück mit Ballet von A. d’Ennery und

Donnerstag und folgende Tage: Die Reise die Welt in 80 Tagen, N E

Walhalla = Theater. Mittwoch : Gesammt- Gastspiel der Liliputaner.

und Tanz in 4 Akten von Hans Groß. Donnerstag und folgende

trat der frühere Konsul von Jerusalem, Freiherr von Münchhausen in den Vorstand, Die Ansprahen des Abends hielten alsdann Genecal-Süperintendent Trautvetter aus Rudolstadt, der früher in Kairo gewirkt hat, und Hofprediger Schrader. spra der Vorsitzende, Ober-Hofprediger D. Kögel.

(N. A. Z.) Die Direktion der National-Galerie hegt die Absicht, den künstlerishen Nachlaß des verstorbenen Malers und Îllustrators Prof. Oskar Pletsch zu einer Sonder- au's\ ellung, wenn möglich in nächster Zeit, zu vereinigen, und zwar werden die zahlreihen Aquarelle und Zeichnungen in der Querhalle des unteren Stcckwerks, an selber Stelle, wo die Entwürfe und Studien E. von Gebhardt's und jüngst - A. Hertel's italienische Landschaften ihren Plaß fanden, dem kunstliebenden Publikum vorgeführt werden, Einestheils bestimmt der herrschende RNaum- Rae _diè Direktion zu dieser Maßregel für die jeßt in Vorbereitung begriffene P\ann\chmidt-Ausstellung müssen nit nur die Limmer, welche die Zeihnungen und Aquarelle beherbergen, geräumt werden,. sondern au einer der Cornelius-Säle wird für „die aren Altargemälde Pfannschmidt's in Anspruch genommen wetden müssen —, anderntheils ist es der Charakter von Pletsh's Arbeiten, welcher eine möglich populäre Art der Auestellung heischt ; seine liebenswürdigen Schilderungen des deutschen Kinderlebens find in ihrer naiven Schönheit Jedermann verständlich ; Alt und Jung, Gebildete und Ungebildete werden an diesen gemüthvollen Bildern, in denen sich unserer Kleinen Leid und Freud so treffend spiegelt, Wohlgefallen haben. Deshalb soll keine Schranke an Eintrittsgeld und keine mühsam zu ersleigende Treppe die Zahl Derer vermindern, welche Verlangen haben, sih an ihnen zu erfreuen.

Die öffentlihe Beleuchtung der Stadt Berlin. Nach dem Bericht über die Verwaltung der städtischen Gasanstalten zu Berlin sind im Rechnungsjahre 1886/87, in 14 Kontrolreviere ein- getheilt, denen 1 Beleuhtungs-Inspektoc und 2 Ober-Controleure vorstehen, 239 Anzünder bei der öffentlihen Beleuchtung mittelst Gas beschäftigt gewesen, während die Zahl der Anzünder am 1. April 1886 nur 231 betragen hatte. Von diesem Personal wurden im Jahre 1886/87 durchshnittlich 15 221 öffentlihe Gasflammen, 348 Privat- Gasflammen und 32 Petroleumlampen, zusammen 15 601 Flammen bedient, so daß im Durhschnitt auf jeden Anzünder 65,2 Flammen entfallen gegen 66,4 im Vorjahre. Die Ausgaben an Löhne für die Controleure und die Anzünder (der Beleuchtungs- Inspektor und die Ober - Controleuré werden aus einem andern Etatstitel bezahlt) haben 181 119,11 A betragen, mit- hin für jede der dur dicfelben versorgten 15601 Flammen durch» \hnittlih 11,61 A Die Ausgaben für Reparatur und Unterhaltung der Kandelaber und Laternen haben, nah Abrechnung der darauf cin- gegangenen Erstattungen, im Berichtsjahre 51 400,68 #6 beiragen und die Ausgaben des Vorjahres um 6891,43 K überstiegen. Am Schluß des Rehnungsjahres 1886/87 waren folgende öffentlichen Flammen mit der angebenen Brennzeit in Benußung: 1) gewöhnliche Straßenbrenner zu 1951 ftünvlichem Gasverbrauch die ganze Nacht hin- durch (3675 Stunden jährli) 13 063 (mehr gegen das Vorjahr 193); 9) desgl. Brenner bis 12 Uhr (Nachts 19004 Stunden jährlich) 1297 (+62); 3) de8gl. Brenner von 12Uhr Nachts ab (17745 Stunden jährlich) 270 (+ 31); 4) desgl. Brenner mit 1100 Brennstunden 12; 5) Siemens’\che NRegenerativbrenner Nr. 1 mit 1600 1 stündlichem Konsum bis 12 Uhr 26 (+ 9); 6) desgl. Brenner mit 800 1 Konsum von 12 Uhr ab 26 (+ 9); 7) Siemens'she Regenerativbrenner Nr. Il a mit 1200 1 Gasverbrauch die ganze Naht hindurh 1 (+ 1); 8) desgl. Brenner mit 1200 1 Gasverbrauch bis 12 Uhr 5 (+ 9); 9) desgl. Brenner mit 400 1 Gasverbrauch von 12 Uhr ab 5 (+9); 10) Siemens’\{che Regenerativbrenner Nr. 11 mit 800 1 Gas- verbrauh bis 12 Uhr 215 (-++ 82); 11) desgl. Brenner mit 400 1 Gasverbrauch von 12 Uhr ab 195 (+ 82); 12) desgl. Brenner Nr. TII1 mit 4001 Gasverbrauch die ganze Nat hindur 4 (+ 4); 13) desgl. Brenner Nr. 1I1]I. u. \. w. bis 12 Uhr 32 (-+-16); 14) desgl. Brennec mit 200 1 Gasverbrauch von 12 Uhr ab 30 (+14); 15) Bray- Brenner mit 400 1 Gasverbräuch die ganze Nacht hindurh 38 (+8); 16) desgl. Brenner mit demselben Gasverbrauch bis 12 Uhr 293 (+44); zusammen 15 512 (4-565). Der Gasverbrauch dur diese sammtlichen Flammen is für das Betriebsjahr 1886/87 zu 10 596 865 ebm berechnet worden, was bei dem srüher dafür ange- seßten Preise von 131/3 § pro Kubikmeter 1412915,33 4 Kosten be- tragen würde, so daß unter Hinzurechnung der vorstehend berechneten Ausgaben für Bedienung und Unterhaltung der öffentlihen Flammen die gesammten Kosten der öffentlichen Beleuchtung dur) Gas h auf 1 645 435,12 4 stellen. Aus der Stadthauptkasse sind Kosten hierauf nicht erstattet worden.

Friedrih - Wilhelmstä Mittwoch: Opern- Der Trompeter von

17. Vorstellung, Die Maus. Girndt. Anfang

Die 7 Schwaben.

Vorher: Zum ersten Lustspiel in 1 Akt

Anfang | Belle-Alliance-Theater.

. f r mde In Scene geseßzt vom Direktor E Ie NNEN Jacobson. (Lotti Grie ; Fr. Marie Geistinger). Göß von Donnerstag: Die Näherin.

(Anfang 7 Uhr.)

Höhere Töchter. von Mannstädt und Swott. L Betty Gerber als Debut.

ofe in 4 Akten nah dem aufs. Hierauf zum 53. M.: in Pititu.

Der | Meyder.

nebst einem Vor- des ado““

Million. Großes einer

mortale über 12 Ponys“ vom

und MReitkünstler.

Auftreten des Direktors E. Renz.

Alle Neune. Posse mit Gesang

Pose Woche.) von 18 Jahren können fi

age: Alle Neunue.

Das Sclußgebet

Mitt{woch: Mit neuer Ausstattung. Zum 27. M.: Volksoper in 3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer.

Donnerstag : Zum 28. Male: Die 7 Schwaben.

Residenz-Theater. Mittwoh: Zum 26. Male: | Francillon. Schauspiel in 3 Akten von A. Dumas (Sohn). Deutsch von Paul Lindau. i

Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.

Mittwoch : spiel der Fr. Marie Geistinger mit den Mitgliedern des Friedrich - i D E Zum ofe in 4 Akten nach dem ala von Held und meyer, Näherin aus Wien:

Central-Theater. Mittwoh: Zum 138, Male: offse mit Gesang in 4 Akten (Adele Schumann: etty Ge! Fridolin Fiedler: r. Willy Klein als Debut.) Anfang 7F Uhr.

Donnerstag; Zum 139, Male: Höhere Töchter.

Concert -Haus. Zwanzigste Concert-Saison. Mittwoch: Concert des Kapellmeisters Hrn. Karl

Circus Renz. Mittwoch: Novität! Gefeßli geshügt Japan, oder „Die nectischen Frauen

E Groß. choreographishe Ausftatt.- Pantomime. „Colmar“, Schulpferd, dressirt und geritten von Hrn. J. W. Hager: Dame. „El-Hamid“, arab. Vollbluthengst, vorgeführt von Frl. Pauline Veith. „Der Salto- 1 Clown Godlewsky. Auftreten der Equilibristen Geschwister Cottrelly. Austreten der vorzüglihsten Reitkünstlerinnen

Donnerstag : „Die lustigen Heidelberger“.

unge Damen und junge Le fi ua ee 4 zur Statisterie melden täglich im Balletsaal des „Circus Renz“.

j E. Renz, Direktor.

Der unter dem Protektorat Ihrer Königlichen Hoheit der Prin-

zessin Friedrih Carl stehende Geflügelverein „Cy prig* Ln „in den Kaiserhallen eine zahlreich besuhte Si m E o dort mitgetheilt wurde, wird die für den nähsten Monat geplante Geflügel-Ausstellung eine überaus umfangreiche werden.

Neue Unterrichtskurse in der Arends'shen Steno- graphie beginnen: Mittwoch, den 18. Januar im Restaurant Scönebergerstraße 6, Donnerstag, dcn 19. Januar im Restaurant Oranienstraße 51, Freitag, den 20. Januar im Restaurant Mariannen- play 11. Der Unterricht beginnt Abends 84 Uhr. Das Honorar be- trägt, einschließlich der Lehrmittel, 3 Meldungen werden bej Beginn des Unterrichts entgegengenommen.

Von der Wiener Freiwilligen Rettungsgesel[- \chaft. Die „Vorschriften über den Krankentransport“ (Vierte vermehrte und veränderte Auflage, Wien 1887) enthalten außer den Dienstvorschriften für den Krankentransportdienst, einigen nothwendigen Aufklärungen für das Publikum über diesen Dienst, einigen Vor- \hriften und Belehrungen über das Sanitätsmaterial (die Sanitäts- fasten und Sanitätstaschen der Wiener Freiwilligen Rettungsgesell- schaft und 16 Tafeln, durch welche dieses Sanitätsmaterial in Zeichnungen dargestellt wird), folgende Angaben über die Gntstehung der genannten Vereinigung. Die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft wurde am Tage nach dem in der Geschichte großer Unglücksfälle unvergeßlihen Brande des Ningtheaters in Wien (9, Dezember 1881) durch den Grafen Hans Wilczek gegründet. Ihre Ziele sind vielfältige und höchst wichtige und ihre Dienstleistungen alle sreiwillige und daher nit entlohnte. Für Feversgesahren haben ih freiwillige Feuerwehren der Gesellschaft angeschlossen, welchze {on nahezu dreihundert Mann zählen und mit einer Dampffeuersprite fowie dem dazu gehörigen kompletten Löschpark armirt find. In Wassernötben stehen der Gesellshaft {on mehr als 230 geübte

- Ruderer (Wasserwehr) und Rettungsboote neuester Konstruktion zu

Gebote. Um die erste Hülfe bei plößlichen Unglücksfällen erfolgreih ausüben zu können, sind jeßt gegen 200 Aerzte und 200 Freiwillige (nur Mediziner) hierfür disponibel. Zweiständige Sanitätswachea wurden aufgestellt und mit allem für den Sanitätsdienst Nöthigen versehen; derlei Stationen werden nach Maßgabe der Geldmittel vermehrt werden. Vom 1. Mai 1883 bis Juni 1887 i} bei mehr als 20 000 Verleßungen und plößlichen Erkrankungen die erste Hülfe geleistet worden, Ein Krankentransport für alle Arten von Er- kranfungêsällen (auch von an íInfektionskrankheiten Leidenden und Geistesgestörten) wurde organisirt, Mehr als 12 000 Transporte sind unentgeltlich bis jeßt (Mitte 1887) stets anstandslos besorgt worden. Fliegende Ambulancen sind über 300 errihtet worden. Der Fahrpark für den Krankentransport besteht aus 17 Wagen und vielen anderen Lrage- mitteln und Sanitätsfkasten, wovon mehrere. Modelle in der Hygie- nischen Ausftellung in Berlin (1883) zur Anschauung und Be- urtheilung gebracht und prämiirt wurden. Ein von dec Gesellschaft verlegtes Buch, betitelt : „Die erste Hülfe bei plöylichen Unglüds- fällen“ mit 12 Bildern und einem Anhange: „Ueber den Transport der Kranken und Verlctzten in großen Städten“, dann die alle Jahre dur den Dru veröffentlichten gemeinverständlihen Vorträge ergänzen den Unterricht in diesem Höchst wichtigen Zweige des Rettungêwesens. Mit dem K. K. Reichs-Kriegs-Ministeriuum hat die Gesellschaft 1882 ein Uebereinkommen über die Beihülfe im Militär-Sanitätsdienst im Mobilisirungéfalle und im Kriege abgeschlossen. Ein Vertrag mit den verschiedenen Gisenbahnverwaltungen und der Gesellshaft von 1883 regelt den Sanitätsdienst derselhen. bei Katastrophen auf Eisenbahnen, Ueber den Stand der Mitglieder werden folgende Angaben gema@ht (im Mai 1887 abgeschlossen): Die Gesellschast zählt 882 aktive und 849 nichtaktive, zusammen 1731 Mitglieder. Zu den aktiven Mit- gliedern gehören die 198 freiwilligen Mitglieder für die „Erste Hülfe“, die 262 freiwilligen Mitglieder, der Feuerwehr, die 232 der Wasser- wehr, die 179 Aerzte (Ehrenmitglieder) und die 11 Mitglieder des

Aktionscomités; zu den Nichtaktiven zählen 22 Stifter, 13 Förderer, | |

149 Gönner, 459 beitragende Mitglieder und 206 Chrenmitglieder, welche niht Aerzte sind.

Brüssel, 16. Januar. (W. T. B.) Heute brach im Alhambra-Theater während der Vorstellung von „Ali Baba“ Feuer aus, indem aus der Oeffnung cines Heizungsrohrs Flammen \hlugen. In den Parterre-Räumen entstand in Folge dessen ein heftiges Drängen, während die Zuschauer in den Rängen ruhig auf ihren Pläßen blieben. Die Feuerwehrleute löshten mit geringer Mühe den Brand, worauf die Vorstellung ohne weiteren Zwischenfall wieder aufgenommen wurde.

Familien - Nachrichten

Verlobt: Frl. Elise Schoellkopf mit Hrn. Apo- theker Dr. Georg Kumpf (Geislingen a. Steige). Frl. Elise Hornkahl mit Hrn. Fri Lippmann (Coppenbrügge). Frl, Mathilde Steindecker mit Hrn. Wilhelm Bartels (Clöße—Glindenberg), Frl. Klara Ewald mit Hrn. Zahnarzt Julius Thiel (Neiße). Frl. Anna von Hänisch mit Lr, ieg or Konstantin Fritsch M Frl. Emma Weymar mit Hrn. Prem.-Lieut. Meyer (Straßburg i. E.). Frl. Klementine Koch mit Hrn. Reg.-Affsessor Dr. jur. Ernst Jacobi (Berlin). Geboren: Cin Sohn: Hrn. Karl Steinsieck (Berlin). Hrn. Ludwig Zabel (Birmingham). Hrn. Premier-Lieutenant Edel von Western- hagen (Fraustadt). ‘Hrn, Apothekenbesißer Giß- mann (Prausniß). Hrn, Franz Klippgen (e Eine Tochter: Hrn. Alb. Müller Nordhausen). Hrn. Gymnasiallehrer Klages (Leer). Hrn. Dr. Jaro Springer (Berlin). Hrn. Premier-Lieutenant -von Boyen (Harburg a. E.) Hrn. Intendantur-Rath Duncker (Magdeburg). Hra. Premier-Lieutenant von N (Schleswig). Hrn. Wilhelm appert (Berlin). Hrn. W. Schubert (Berlin). Gestorben: Hr. Major z. D. Gustav von Blanken- feld (Charlottenburg), Frau Ottilie von Batocki, geb. von Talaßko, (Königsberg i. Pr.) Hon Antonie von Wedell (Kolberg). Frl. Luise

Gast-

mit Gesang

owaldt (Berlin). Hr. Rentier Karl Ludwig

rnim (Eventin). Frau Johanna Schiffer, geb. Rosen (Berlin). Hr. Ingenieur Alwin Scherping (Kl. Rodensleben.) Frau Rehnungsrath Klara Qa geb. Zyka, (Görliß). Hr. Oekonom

hr. Schuly (Darrigstorf), Frl. Friederike Tiessen (Königsberg). Fr. Niewerth Gutens- wegen). Frau Julie von Kalkstein, geb. Leh- mann, (Fischerei Neuenburg).

Verschwinden Redacteur: Riedel. Berlin: Verlag der Expedition (S ch olz).

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und. Verlags- Anstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen (einshließlich" Börsen-Beilage), und die Juhaltsangabe zu Nt. 5 des öffent- lichen Anzeigers Ce a Eger e

auf Aktien und Aktiengesellschaften r die Woche vom 9. bis 14. Bveaas 1688.

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 14.

Erste Beilage

Berlin, Dienstag, den 17. Januar

1188S

E

| Nichtamlliches.

eußen. Berlin, 17. Januar.“ Dem Reichstage ist folgender Gesegentwurf, betreffend die Verlänge- rung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes gegen die gemeingefährlihen Bestrebungen der Sozial- demokratie vom 21. Oktober 1878, zugegangen. «Wi

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden. Deutscher Kaiser, König von Preußen 2.

verordnen im Namen des Reichs, noch erfolgter Zustimmung des

Bundesraths und des Reichstages, was folgt : Artikel T.

Die Dauer der Geltung des Gesehes gegen die gemeingefähr-

lihen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21, Oktober 1878

(Reichs-Gesetbl. S. 351) wird hiermit bis zum 30. September 1893

verlängert. Artikel 1.

Die 88. 19 und 22 Absaß 1 werden in der Art abgeändert, wie diese Vorschristen nachstehend. unter den bisherigen Ziffern auf- geführt sind: 5

S.

Wer eine verbotene Druckschrift (§8. 11, 12), oder wer eine von der vorläufigen Beschlagnahme betroffene Druckschrift (§. 15) ver- breitet, fortseßt oder wieder abdruckt, wird mit Geldstrafe bis zu ein- tausend Mark oder Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.

Der Verbreitung wird gleichgeachtet, wenn eine verbotene Druck- \chrift in einem Verkaufslokale, einer Schankwirthschaft oder in einem sonstigen, dem Zutritt des Publikums offenstehenden Ort zur Be- nußung der daselbst Verweilenden ausgelegt oder bereit gehalten wird.

8, 22 Absayh I.

Gegen Personen, welche sich die Agitation für die im §. 1 Absatz 2 bezeihneten Bestrebungen zum Geschäft machen, ist im Falle einer Verurtheilung wegen Zuwiderhandlungen gegen die 88S, 17 bis 20 auf Gefängniß nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Neben der A A kann auf die Zulässigkeit der Einschränkung ihres

ufenthalts erkannt werden. | \ Artikel III.

Hinte“ den §§. 22 und 25 des Se vom 21, Oktober 1878 werden die folgenden §8. 22a u a eingeschaltet : , 22a.

Auf Zulässigkeit der Einschränkung des Aufenthalts mit den im 8, 22 Absay 2 und 3 bestimmten Maßgaben und Wirkungen kann erkannt werden, wenn eine Verurtheilung auf Grund des §. 129 des Strafgeseßbu ch8 erfolgt und festgestellt ist, daß der Verurtheilte an einer Verbindung theilgenommen hat, zu deren Zwecken oder Be- \chäftigungen gehört, die Vollziehung dieses Gesctes oder auf die Aus- führung desselben bezüglihe Maßregeln der Verwaltung dur un- geseßlihe Mittel zu verhindern oder zu entkräften.

Auch kann sowohl in dem vorbezeihneten Falle, wie in dem Falle des §. 22 Absayg 1, wenn die Verurtheilung wegen Zuwiderhandlung gegen den §. 19 oder wegen Betheiligung an einem verbotenen Verein als Mitglied (8. 17 Absatz 1) er Entziehung der Staatsangehörigkeit erkannt werden.

Dur ein solches Erkenntniß i

eimathsstaats des Verurtheilten die Befugniß,

taatsangehörigkeit für verlustig zu erklären und aus dem ebiet auszuweisen. ( j ) Landes-Polizeihehörde die Befugniß zur Beschränkung des Aufenthalts des Verurtheilten mit den in dem §. 22 ‘Absay 2 und 3 bezeichneten Maßgaben und Wirkungen. A

Pexsonen, welche nach den vorstehenden Vorschriften ihrer Staats- angehörigfkeit in einem Bundesftaate verlustig erklärt worden sind, verlieren dieselbe” auch in jedem anderen Bundesstaat und können ohne Genehmigung des Bundesraths in keinem Bundesstaat die Staats- angehörigkeit von Neuem erwerben. : |

Wer, nachdem er auf Grund der Bestimmungen im Abs. 3 des Bundesgebiets verwiesen ist, ohne Erlaubniß in dasselbe zurüdckehrt, wird mit Gefängniß von einem fog bis zu drei Jahren bestraft.

Bundes-

. 25a.

Die Betheiligung eines Deutschen an einer Versammlung, welche außerhalb des Bun zu dem Zweke stattfindet, die im §: 1 Absatz 2 bezeichneten Bestrebungen zu ags ist mit Gefängniß zu bestrafen. Neben der Freiheitsstrafe kann auf Zulässigkeit der Ent- ziehung der Staatsangehörigkeit erkannt werden (8. 22a Absay 3

bis 5). / Begründung. i E

Die Geltungsdauer des Gesetzes gegen die gemege Len Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 (Reichs- Gesewßbl. S, 351), welche durh das Geseß vom 20. April 1886 (Reichs-Gesebbl. S. 77) auf zwei Jahre verlängert worden ist, wird mit dem 1. Oktober 1888 ihr Ende erreicht haben. Die Frage wegen der abermaligen Erstreckung der Geltungsdauer dieses Gesetzes tritt daher von Neuem in den Vordergrund, z :

Bei allen denjenigen, welche mit den verbündeten Regierungen dex Ueberzeugung gewesen sind, daß die auf eine Vernichtung der bestehenden Staats- und Gesell]chaftsordnung abzielenden Bestrebungen der sozialrevolutionären Umsturzpartei în wirksamer Weise nur ver- mittelit außerordeutlicher geseßgeberiscer Vollmachten bekämpft werden können, herrscht Einverständniß darüber, daß das Geseh vom 21. Okto- ber 1878 den Aufgaben, welche \ih dasselbe gesteckt hat, auch in neuerer Zeit im Großen und Ganzen gerecht eworden ist. Durch eine energishe und umsichtige Handhabung ha Bestimmungen is es gelungen, die sozialdemokratische Bewegung in ihrer öffentlihen Bethätigung in solhen Schranken zu halten, daß Deutschland von ernsteren törungen der öffentlichen Ordnung und des öffentlihen Friedens, wie sie in anderen Ländern zu beklagen gewesen sind, verschont geblieben ist. Als weiterer bedeutsamer Erfolg ist die Thatsache zu verzeichnen, daß bis- ber ein Ueberwuhern der sozialdemokratishen Bewegung auf die rein ländlichen Distrikte hat verhütet werden können. Gleich- wohl wird nicht in Abrede zu stellen sein, daß in en Ver- bältnissen, welche seinerzeit zu dem Erlasse des Geseßes vom 91, Oktober 1878 geführt haben, eine Aenderung im Sinne einer positiven Besserung noch nie eingetreten ist. Wie unter Anderem auch aus den Rechenschaftsberichten zu entnehmen ist, welche dem Reichstage über die auf Grund des §. 28 des Gesetzes vom 21. Okto- ber 1878 getroffenen Maßnahmen vorgelegt worden sind, hat die Sozialdemokratie weder an Ausdehnung noch an Stärke eine Einbuße erlitten. Nah wie vor ist die sozialdemokratishe oe was auch die leßten Reichstagswahlen wieder ane aben, eine streng in abgeschlossene Partei gebliebén. Die der Partei zur Unterstüßung der Wahlagitation aus dent Auslande und namentlich aus den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika reichlich zugeflossenen Geldmittel haben den Zusammenhang der deutshen Sozialdemokratie mit den Umsturzparteien in anderen Undern wiederum offen gelegt. Bei der arteileitung stehen die revolutionären Tendenzen fortge im Vordergrund. Anzeichen dafür, daß sih aus der sozialdemo ratischen Bewegung eine auf den Boden der bestehenden Staats- und Gesellshaftsordnung stellende Reformpartei herausbilden werde, sind nirgend bemerkbar geworden.

Bei dieser Lage der Dinge, in der ch im Laufe der nächsten Jahre \{chwerlih ein Wechsel vollziehen wird, kann nach Ansicht der

1) erfolgt is, auf die Zulässigkeit der |

erhält die Centralbehörde des | den letzteren seiner

Das Erkenntniß begründet gleichzeitig für die |

verbündeten Regierungen auf diejenigen Mittel, mit welchen seither der Kampf gegen die Sozialdemokra ie geführt worden i}, vorläufig nicht verzichtet werden. Im Interesse der Aufrehterhaltung der Ruhe und des inneren Friedens des Deutschen Reichs ist es demna für eine Pflicht der Geseggebung zu erachten, durch abermalige Verlänge- rung der Geltungsdauer des Geseßes vom 21, Oktober 1878 diese Mittel auch fernerhin den Behörden des Reichs und der Einzelstaaten zur Verfügung zu stellen.

Nicht minder erscheint es aber geboten, bei der erneuten Er-

\treckung der Gel des Gesetzes zugleich auf eine Beseitigung derjenigen Mängel Bedacht zu nehmen, welche sich bei der Hand- habung einzelner Bestimmungen im Laufe der Zeit herausgestellt haben, und deren Fortbestehen den heilsamen E Gesetzes in Frage zu stellen geeignet sein würde. Diese Mängel haben ih vornehmlich darin gezeigt, daß es troß aller Anstrengungen nicht möglich gewesen ist, der Verbreitung der verbotenen sozialdemokratishen Druckschriften in dem nothwendigen Maße entgegenzutreten. Ein L hierfür findet sich darin, daß das erklärte Parteiorgan der deutschen ozialdemokratie, der zu Zürich erscheinende „Sozialdemokrat“, unter der deutschen Arbeiterwelt nah zuverlässigen Ermittelungen gegen 10000 Abonnenten zählt. Ebenso sind die anarchistishen Blätter die e, und die an Stelle des eîin- gegangenen „MRebell“ zu ondon P „Autonomie“ in Deutshland in mehreren tausend xemplaren verbreitet. Wird hierbei berücsichtigt, daß die einzelnen Nummern der vor- enannten Zeitungen, deren Tendenzen bei anderen Gelegen- eiten genugsam charakterisirt worden sind, von einer verhältniß- mäßig großen Anzahl von Arbeitern gemeinschaftlih gehalten und gelesen werden, so wird es feiner weiteren Beweisführung - be- dürfen, daß ein derartig starker Vertrieb der sozialdemokratischen Preßerzeugnisse mit Nothwendigkeit dahin führen muß, die Wirksamkeit und den Erfolg des Geseßes vom 21. Oftober 1878 zum großen Theil zu paralysiren. Ueber die näheren Umstände, durh welche es elungen ist, die verbotenen sozialdemokratischen Zeitungen und fonstigen Druckschriften in dem angegebenen großen Umfange cinzu- führen, haben inzwischen die in neuerer Zeit an verschiedenen Orten gegen Führer und Anhänger der sozialdemokratishen Partei geführten Stcafprozesse hinlänglihen Aufschluß gegeben. In denselben is festgestelt worden, daß von der sozialdemo- kratishen Parteileitung in planmäßiger Weise - in fast allen größeren Städten und anderen Industriecentren Verbindungen: organi- firt worden sind, deren ausgesprohener Zweck darauf gerichtet ist, der fozialdemokratischen Parteipresse unter den Arbeitern Eingang zu ver- schaffen und überhaupt den auf Grund des Geseßes vom 21. Oktober 1878 getroffenen Anordnungen entgegenzuarbeiten. Den ges etzgeberischen Maßregeln, welche dazu dienen sollen, die Mängel dieses Gesetzes nach- haltig zu beseitigen und insbesondere die Verbreitung der verbotenen Druckschriften in wirksamerer Weise als bisher zu verhindern, ist tamit ihre Richtung gegeben. Dieselben werden den Verhältnissen, wie sie sih in Folge des geschilderten Vorgehens der sozialdemokratischen Partei- leitung gestellt haben, in besonderem Maße Rechnung tragen müssen und ih nit darauf hef dürfen, Diejenigen zu treffen, welche G den Vertrieb der sozialdemokratischen Zeitungen zum unmittelbaren Geschäft machen. Vielmehr wird in gleicher Weise auch gegen Die- jenigen vorzugehen sein, welche den vorerwähnten Verbindungen an- gehören, und hierdurch, ohne den Vertrieb unmittelbar zu besorgen, die Verbreitung der ‘verbotenen Druckschriften mittelbar fördern helfen oder auf andere Weise die Maßnahmen gegen die sozialdemokratische Bewegung zu vereiteln suchen.

Von diesen Gesichtspunkten aus ist in dem als besonders wichtig

hier vorab zu begründenden F 92a des vorgelegten Gesehentwurfs vorgeshlagen worden, den Bestimmungen im L 22 des Gesetzes vom 21. Oktober 1878, nah denen in gewissen Fällen auf eine Einschränkung des Aufenthalts erkannt werden kann, eine Er- weiterung dahin zu geben, daß die gleihe Maßnahme auch dann in Anwendung gebraht werden kann, wenn auf Grund ‘des 8, 129 des deutschen Strafgeseßbuhs eine Verurtheilung wegen Theil- nahme an einer gegen das Geseß vom 21. Oktober 1878 gerichteten Nerbindung erfolgt. Um dem Unwesen dieser Verbindungen zu steuern und deren weitere Verbreitung zu hindern, is dabei von dem Erforder- niß der Feststellung, daß der Verurtheilte sich die Agitation für die im §. 1 Absatz 2 des Geseyes bezeichneten Bestrebungen zum Geschäft machte, Abstand genommen.

Außerdem soll aber und, hierin liegt der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Aenderungen sowohl in dem leßtbeze'chneten Falle, wie auch dann, wenn wegen Vertriebes verbotener Druckschriften oder wegen Betheiligung an einem verbotenen sozialdemokratischen Nerein auf eine Freiheitsstrafe erkannt worden ist, außer auf Be- \chränkung des Aufenthalts auch auf den Verlust der Staatsangehörig- keit erkannt werden können. i

Es soll niht verkannt werden, daß es ih bei dieser Bestimmung um eine außerordentliche und einschneidende Maßregel handelt. Ab-

eschen indessen davon, daß es nach dem Vorhergesagten nicht möglich fein würde, ohne s{chwerere Strafen dem Geseße vom 21, Oktober 1878 und den auf Grund desselben erlassenen Anordnungen Achtung und Erfolg zu sichern, wird die Nothwendigkeit, auch die Expatriirung unter die Kampfesmittel gegen die Sozial- demokratie aufzunehmen, speziell dur die Erfahrungen begründet, welhe bei der Handhabung des 8 28 Nr. 3 des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gemacht worden sind. Alle Wahrnehmungen stimmen darin überein, daß die nah dieser Vorschrift aus einem be- stimmten Ort Ausgewiesenen in der Regel die Agitation für die sozialdemokratishen Lehren und Grundsäße an dem neuen Aufenthalts- ort, oft in verstärktem Maße, wieder aufgenommen, und dieselbe damit häufig in Gegenden verpflanzt haben, welhe bisher von der sozialdemokratischen Propaganda wenig oder garniht berührt waren. Diesen \{chwerwiegenden Nachtheilen einer bloßen Aufenthaltsbeschränkung, über welche in der leßten Zeit von den verschiedensten Seiten laute Klagen erhoben worden sind, und die insbesondere im Hinblick auf die ländlichen Distrikte zu ernsten Be- sorgnissen Anlaß geben, wird wenigstens zum Theil dadur vorgebeugt werden, daß die Möglichkeit geschaffen wird, sozialdemokratische Agitatoren unter bestimmtenVorausseßungen dure ans derStaatsangehörig- keit von dem Gebiet des Deutschen Reichs überhaupt auszuschließen. JIhre weitere QteGtfexiigung findet die vorgeschlagene Verschärfung der bisherigen Bestimmungen in der Erwägung, daß Diejenigen, wel{e die Cxistenzbedingungen des Staats verneinen und für die Herbeiführung des gewaltsamen Umsturzes der bestehenden Staats- und Gesellschafts- ordnung berufsartig ihre Kräfte einseten, niht den Anspru darauf erheben dürfen, noch weiter 0a ei des Staats zu sein, Wenn daher der Staat derartige Perjonen aus seiner Gemeinschaft aus- a so wird hierin ein berechtigter Grund zur Klage nit ge- unden werden können. :

Um Uebrigen \ind für die praktische Handhabung der neuen Maß- regel in dem Absah 2 und 3 des §. 92 a Kautelen vorgesehen worden, welche eine über das Ziel hinausgehende Anwendung derselben auszu- schließen geeignet sind. D diesem Zweck soll insbesondere die Expatriirung nur dann beschlossen werden dürfen, wenn auf die Zu- lässigkeit derselben dur den ordentlichen Richter erkannt worden ist. Au) soll die Ausführung eines derartigen Mitertyrume aus- O in die Hände der Zentralbehörde des betreffenden Bundes- taats gelegt werden. Andererseits hat der Entwurf den Fal! nicht unbecücksihtigt lassen können, daß ein seiner Staatsangehörigkeit ver-

lustig Erklärter das Indigenat gleichzeitig in mehreren Bundesstaaten besißt. Für solhe Fälle wird es unumgänglih sein, der in einem Bundesstaat ausgesprohenen Entziehung der Staatsangehörig- Feit, wenn sie die Befugniß zur Ausweisung aus dem Bundes- gebiet begründen soll, die Wirkung beizulegen, daß mit ihr die Staatsangehörigkeit in jedem anderen Bundesftaat erlisht. Außerdem ersheint es nothwendig, um das gemeinsame Interesse des Reichs wie der einzelnen Bundesstaaten jeder möglichen Eventualität gegenüber sicher zu stellen, den Erwerb einer neuen Staatsangehörigfkeit von der Genehmigung des Bundesraths abhängig zu machen. Daß das "ei auf Zulässigkeit der Entziehung der Staatsangehörigkeit gleihzeitig für die Landes-Polizeibehörde die Be- fugniß der Einschränkung des Aufenthalts im Sinne von 8. 21 begründet, erscheint zweckmäßig und liegt im Inter- esse der Verurtheilung; es wird hierdurch die ôg- lihkeit offen gehalten, die mildere Maßregel in Anwendung zu bringen, falls diese im einzelnen Falle für ausreichend zu erachten sein sollte. Was die Strafbestimmung im leßten Absay des in Vor- \hlag gebrachten §. 22a betrifft, so beruht dieselbe auf dem Umstande, daß die allgemeine Strafvorschrift in dem §. 361 Nr. 2 des Strafgeseß- bus für das Deutsche Reich, welche für den Fall der unbefugten Rückehr cines Ausgewiesenen in das Bundesgebiet eine Haftstrafe im Höwstbetrage von sechs8 Wochen androht, nach den anderweit gemahten Erfahrungen nicht_ für ausreichend erachtet werden kann, um gegenüber den ihrer Staatsangehörigkeit für verlustig er- klärten Mitgliedern der sozialdemokratishen Partei den Ausweisungs- bes{lüssen den gehörifn Nachdruck zu geben. Es bedarf daher um \so mehr einer shärferen \trafrehtlihen Vorschrift, als sh ohne die- selbe die- Inkonsequenz ergeben würde, daß die uwiderhandlung gegen die L mit einer gelinderen Strafe bedroht wäre, wie zu- folge §. 22 Absaß 3 des Geseßes vom 91. Oktober 1878 die Zuwider- handlung gegen die Beschränkung des Aufenthalts.

Gegenüber der erwähnten Erfahrung, nah welcher unter den wirksamsten und gefährlihsten Agitationsmitteln die Verbreitung ver“ botener Druckschriften in erster Linie steht, haben \ih au die im Geseg angedrohten Freiheits\trafen als unzulänglich erwiesen. Namentlih i} diese Unzulänglichkeit dadurch hervorgetreten, daß die Gerihte eine in derselben Person zusammentreffende Mehrheit von Zuwiderhandlungen gegen 19 als ein s\o- genanntes fortgeseßtes Vergehen aufzufassen pflegen und hiernach auf eine höhere Strafe nit erkennen können, als auf die für eine einzelne Zuwiderhandlung im Höchstmaße angedrohte. Weiterhin hat es ih als ein Mangel des Geseßes fühlbar gemacht, daß auch die berufsmäßigen Agitatoren niht mit härteren Freiheitsstrafen getroffen werden können, als diejenigen, welchen nur einzelne Verirrungen zur Last fallen. Die Erwägungen, welchen der Vorschlag des §. 22a. entflossen ist, führen auch dazu, die Freiheitsftrafen für die berufsmäßigen Agitatoren erheblich zu \chärfen. Insbesondere der raffinirten Organisation, mit welcher verbotene Drudtshriften verbreitet werden, läßt sich nur mit Androhung und Verhängung von Strafen solcher Strenge entgegenwirken, daß sie geeignet sind, diejenigen abzushrecken, welche geneigt sind, ih als Werlzeug herzugeben. e Füglichkeit, auf solhem Wege zu entsprehenderen Ahndungen zu gelangen, wird zuglei für viele Fälle das Bedürfniß zurückdrängen von ne Maßregel der Entziehung der Staatsangehörigkeit Gebrau

u machen.

l! Qn beruhen die Vorschläge zu §8. 19 und 22 und es ist nur, soviel den Zusaß zu §. 19 anlangt, zu bemerken, daß es zweckmäßi ersheint, den Begriff der Verbreitung in seiner Anwendbarkeit au gewisse Arten der Verbreitung sicherzustellen, welche erfahrungsmäßig von der Agitation ausgebeutet zu werden pflegen.

Als cine Lücke des Gesetzes ist es endlich zu empfinden gewesen, daß die auf den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschafts- ordnung gerihteten Bestrebungen in straflofer Weise in das Ausland verlegt werden können. Die vom Auslande aus betriebene Ver- breitung verbotener Druckschriften wird im Inlande in der Person der Verbreiter \trafrechtlich faßbar , die Theilnahme an einer gesezwidrigen Verbindung , welhe im Auslande ihren Siß hat und auf den Umsturz des Bestehenden auch in Deutschland gerihtet ist, maht den Inländer strafrechtlich verantwortlich \{chon dadur, daß er der Verbindung angehört; für die Theilnahme aber an im Auslande abgehaltenen Verhandlungen, welche Umsturzzwecken dienen, besteht im Inlande keine \trafrechtliche erantwortlihkeit. Der Staat sicht ruhig zu, wie jenseits seiner Grenzen an seiner Zerstörung gearbeitet wird, und erx erwehrt ih seiner Feinde selbst dann nicht, wenn {sie in seinen Machtbereih zurückkehren. i

Mit welchem Erfolg dies ausgenußt wird, zeigen die im Aus- land abgehaltenen Kongresse, in welchen die staatsgefährlihen Bes strebungen immer neue Stärkung ade Zwar is auch die Theil- nahme an inländishen solchen Versammlungen an ih nit strafbar ; allein in Bezug auf diese ist ein Shuß möglich und im Gesetz vorgesehen durch polizeiliche Ueberwahung und durch Verbot der \taatsgefährlihen Versammlungen, und man kann fich begnügen, die Zuwiderhandlungen gegen das Verbot unter Strafe zu ftellen. Im Auslande aber versagen diese Schußmaßregeln und es bleibt kein anderes Mittel übrig, als die Bedingung der Strafbarkeit in den Charakter der Versammlung selbst zu verlegen. In solcher Weise dem hervorgetretenen dringenden Bedürfnisse abzuhelfen, is der Zweck des vorgeschlagenen §. 25a. :

In Vorstehendem findet der vorzelegte Geseßentwurf seine Be- gründung. Zu erwähnen bleibt nur no, daß es eee erscheint, die Geltungödauer des Gesezes vom 21. Oktober 1878 bei seiner abermaligen Verlängerung auf einen größeren Zeitraum qu erstrecken. In Folge dessen ist eine Geltungsperiode von fünf Jahren in Vorschlag gebracht worden.

Jn der gestrigen (2.) Sißung des Hauses der Abgeordneten ergriff, nachdem das Haus }ch konstituirt hatte, der Fan Sn ter Dr. von Scholz das Wort:

Nachdem das hohe Haus sich soeben konstituirt hat, beehre ih mi, Herr Präsident, mehrere Vorlagen der Königlihen Staats- regierung mit den zu ihrer Einbringung mich ermächtigenden Allerhöchsten Erlassen zu überreichen.

Es sind das:

1) die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres vom 1. April 1884 bis 1886;

9) die Uebersiht von den Staatseinahmen und «Ausgaben des Jahres vom 1. April 1886 bis 1887;

3) der Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Staatshaus- balts-Etats für das Jahr vom 1. April 1888/89, nebst dem Etats-

entwurf; 4) der Geschentwurf, betreffend den Erlaß der Wittwen- und Waisenger r der unmittelbaren Staatsbeamten, nebst Be- ründung, un 4 5) der Gesehentwurf, betreffend die Erleichterung der Volks\{ul- lasten, nebst Begründung. Die Einbringung dieses Gesegentwurfs erfolgt zuglei im Namen des Herrn Kultus-Ministers. 2 : baeteheit von der ersten, dem Hauptinhalt nah längst bèkannten Vorlage, welche für unsere raschlebige Zeit in ein hon ziemlich fernes

Jahr zurückführt und deren Interesse y im W.sentlichen überall nur an das Spezielle anknüpfen wird, sind dem Landtage die eben über-

reiten Vorlagen ‘hon bei ihrer Ankündigung in der Eröffnungsrede