— Dem Reichstage sind folgende Drudcksachen zu- egangen: Die Ergänzun ‘des dem ) iondern Entwurfs des eihshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1888/89, nebst Anlagen und einer Denk- schrift, ferner der Vierte Bericht der Kommission für die Petitionen.
— Jn der heutigen (8.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz - Minister, Dr. von Scholz und mehrere Kommissarien beiwohnten, stand als erster Gegenstand auf der Tagen nung Be erste Berathung des Ge feYeLu es. betreffend den Erlaß der Wittwen- 496 aisengeldbeiträge derunmittelbarenStaats-
eamten.
Nach unerhebliher Debatte wurde der Geseßentwurf an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.
Die Berathung des Rehenschaftsberihts über die weitere A des E vom 19. De-
ember 1869, betreffend die Konsolidation Preußi- her Staatsanleihen, wurde dur Kenntnißnahme für erledigt erklärt. : ;
Der Ebe über die Verwendung des in dem Etat der Eisenbahnverwaltung für 1. April 1886/87 unter Titel 41 der einmaligen und außerordent- lihen Ausgaben vorgesehenen Dispositionsfonds von 1500000 # wurde der Budgetkommission überwiesen.
Als vierten Gegenstand der Tagesordnung erledigte dann das Haus in erster und zweiter Berathung den Geseß- entwurf, betreffend den NeGtazuliand einiger vom Fürstenthum Lippe-Detmold an Preußen ab- e Gebietstheile in den Kreisen Herford,
ielefeld und Höxter, sowie die Abtretung ein1- ger preußischer Gebietstheile an Lippe-Detmold, und schließlich die erste und zweite Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Einrihtung von Kehr- bezirken für Schornsteinfeger. l
Sdéluß der Sißung 1 Uhr 30 Minuten. Nächste Sißung Montag 11 Uhr.
— Dem Hause der Abgeordneten ist Seitens des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten die Mittheilung zugegangen, daß in der Uebersicht der von der Staatsregierung gefaßten Entschließungen auf Anträge und Resolutionen des Hauses der Abgeordneten aus der Session des Jahres 1887 ein Jrrthum stattgefunden hat. Jn Betreff der Petition des S mio Ed 2c. (siehe Nr. 22 d. Bl.) joll es ni eißen: „Eine den Gegenstand betreffende Vorlage wird dem Landtage zugehen“,
sondern es soll heißen: 1d betreffenden Erwägungen schweben nochch “.
— Auf die Tagesordnung einer der nächsten Plenar- sißungen des Hauses der Abgeordneten werden nah einer Mittheilung des Präsidenten von Köller geseßt werden:
I. Mündlicher Bericht der Budgetkommission über den Etat der Verwaltung der direkten Steuern für das Jahr vom 1. April 1888/89. Berichterstatter: Abg. Dr. Mithoff. Antrag der Budgetkommission: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: a. Kap. 4 der Einnahme unverändert zu genehmigen; b. Kap. 6 der dauernden Ausgaben unverändert, zu bewilligen.
11. Mündlicher Bericht der Budgetkommission über die ein- maligen und außerordentlihen Ausgaben des Etats der Staats-
arhive für das Jahr vom 1. April 1888/89. Berichterstatter : Abg. rande (Tondern). Antrag der Budgetkommission: Das Haus der bgeordneten wolle beschließen : - Kap. 1a. der einmaligen und außer- ordentlihen Ausgaben unverändert zu bewilligen.
11]. Mündlicher Bericht der Budgetkommission über die ein- maligen und außerordentlihen Ausgaben des Etats für das Bureau des Staats-Ministeriums für das Jahr vom 1. April 1888/89, Berichterstatter : Abg. Francke (Tondern). Anirag der Budget- kommission: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Kap. 1 der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben unverändert zu bewilligen.
— Die unbeschränkte Zulassung der Revision bei Klagen egen einen Gerichtsvollzieher ohne Rülsiht auf den erth des Beschwerdegegenstandes beschränkt sich, nach einem b A des Reihsgerichts, 1V. Civilsenats, vom 19. De- zember v. J., nur auf Schadensersaßansprüche gegen Gerichts- vollzieher aus pflihtwidrigen Amtshandlungen derselben, be- zieht {h aber nit auf Ansprüche gegen Gerichtsvollzieher lediglih aus dem civilrechtlihen Mandatsverhältsniß derselben zu ihren Ausftraggebern.
— Ein vom 2. März 1885 bis 1. September 1885 als Rangirer im Eisenbahndienst beschäftigt gewesener Arbeiter, welcher vom leyteren Tage an sich durch Tagelohn anderweit ernährt hatte, am 8. Februar 1886 aber wiederum in den Eisenbahndienst, und zwar als sogenannter Rottenarbeiter eingetreten war, verlor durch einen Unfall, den er am 2. März 1886 während der Arbeit erlitt, das Augenlicht voll- ständig, so daß ihm die Rente für völlige Erwerbsunfähigkeit gewährt wurde. da hat wegen der Berehnung des maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes, wona das dreihundert- fache des Tagesarbeitsverdienstes anderer Rottenarbeiter im Ot Betriebe zu Grunde gelegt wurde, Berufung und
ekurs ergriffen, und verlangt, daß auf den von ihm Früher als Rangirer bezogenen höheren Verdienst Rücssiht genommen werde, weil er diese Stellung noch innerhalb des leßten Jahres vor dem Unfall bekleidet habe. Der Rekurs ist durch A des Reichs - Versicherungsamts vom 14. No- vember v. . (459) zurüdckgewiesen worden. Nah dem vom Kläger selbst angegebenen Sachverhältniß ist er nicht ein volles Jahr vor dem Unfall im Betriebe der T E Dibueltes 2A t gewesen. Mithin kommt es auf seinen individuellen Verdienst, in welchem die vor dem 1. September 1885 zeit- weise als Rangirer en Dienste mit dem entsprechend * höheren Lohn eventuell zum Ausdruck gelangen würden, nicht an, vielmehr kann nah §. 5 O 4 dés Unfallversicherungs- géseges auss{ließlich derjenige Betrag berücksichtigt werden, welchen während des bezeihneten Vorjahres Arbeiter derselben Art in demselben Betriebe durchschnittlich bezogen haben. Da nun der Kläger seit seinem leßten Wiedereintreten in den Eisenbahndienst und auch zur Zeit des Unfalls unstreitig lediglih als Rottenarbeiter gets so ist der für letztere er- mittelte Durhschnittsverdienst mit Reht der Rentenfestsezung zu Grunde gelegt worden.
— (Centralbl. d, Bauv.) Gemäß §. 33 des Verfassungs- baue der Königlihen Technischen Hochschule in erlin vom 28. Juli 1882 „können Studirende, welche den Lehrgang einer der Abtheilungen T bis TV zurückgelegt haben,
Reichstage vor-
auf Grund sonderen P!
nisse und ihr Er YenaE sowié die
x vor dieser Abtheilung zu A be- g ein Diplom erhalten, welches ihre Kennt-
hnische Ausbildung bekundet; die Diplom- x dieselbe zu bestehenden Prüfungen werden durch besondere Vorschriften geregelt“. Diese Vorschriften über die Diplomprüfung, und zwar für die Abtheilungen II, II1 und IV, sind nunmehr durch Ver- fügung des Ünterrichts-Ministers vom 21. Dezember 1887 E und unter dem 6. Januar d. J. vom Rektor und
enat der Technischen Hochschule erlassen worden. Die Diplom- prüfungen sollèn den Nachweis liefern, daß der Prüfling si durch akademisches Studium diejenige Ausbildung in seinem Fah erworben hat, welche eine ausreihende Grundlage für eine selbständige, praktishe und wissenshaftlihe Thätigkeit gewährt. Die Diplomprüfung zerfällt in eine Vorprüfung und eine Hauptprüfung und findet nah den Iegener Fach- gebieten statt: 1) Jngenieurbaufach (Abth. IT); 2) Maschinen- baufach, 9) Schijjbaufah und 4) Schi O Abth. 111); 5) tecnishe Chemie und 6) Hüttensah Abth. 1V). Der Vorprüfung hat ein zweijähriges Studium an einer technishen Hohshule voranzugehen, der Hauptprüfung der Nachweis der erfolgreich abgelegten Vorprüfung und eines mindestens - drei- Dn vierjährigen Studiums an einer tehnishen Hochschule. Voraussezung für die Zulassung zu den Diplomprüfungen is} ferner die auf Grund des Ver- fassungsstatuts erfolgte Jmmatrikulation als Studirender an der Technischen Hohshule in Berlin. Die Abnahme der Vor- prüfung und der Hauptprüfung erfolgt dur die für die ein- zelnen Fachgebiete -bestehenden Prüfungskommissionen. Nach erledigter Prüfung wird dem Prüfling je nah dem Fachgebiet, für welches die Prüfung abgelegt wurde, ein Diplom als Bau-Jngenieur, Maschinenbau-Jngenieur, Schiffsbau-Fngenieur, Sag s enieur, tehnisher Chemiker oder Hütten-Jungenieux ertheilt.
— Das Mitglied des Herrenhauses, Rittergutsbesißer von Karstedt i Frebdorf bei Wittstock, ist am 25. d. M. nah soeben vollendetem 77. Lebensjahre verstorben. Auf Präsentation des Verbandes des alten und des befestigten Grundbesißes in das Herrenhaus durch Allerhöchsten Erlaß vom 24. November 1854 auf Lebenszeit berufen, war der Ver- storbene am 30. November 1854 in dasselbe eingetreten.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich R Ober-Zolldirektor Oldenburg ist hier ein- getroffen.
— Der General-Lieutenant Graf von Kaniß, à la suite der Armee, ist von Shmuggerow in Vorpommern zu kurzem Aufenthalt hier eingetroffen.
— Der General-Lieutenant von Verdy du Vernois, Gouverneur von Straßburg i. E., ist zur Abstattung persönlicher Meldung hier angekommen.
— Aus Fulda, vom 25. Januar, wird der „Wiesbadener Presse“ geschrieben: Dem gestrigen Einzuge folgte heute die Weihe des neuen Bischofs von Fulda, die früh Morgens durch Läuten aller Kirchenglocken und dur Geschütsalven eingeleitet wurde. Um 8 Uhr setzte sih die Prozession mit Musik in Bewegung: 138 Priester in Chorröcken und mit ©Barett folgten im Zuge den Schulen und Vereinen. Die Bischöfe von Limburg und Mainz, in deren Mitte der Bischof Weyland, hinter denselben - der Erz- bischof vFa ada schritten; in vollem Ornat unter dem Baldachin einher: achdem die Prozession in den Dom. ein- gezogen war,-fuhren der Ober-Präsident der Provinz Hefsen-Nassau, Graf Böôtho von Eulenburg, der Regierungs-Präsident von Rothe, drei weitere Regierungsvertreter und höhere Äbgesandte am Portal der Kathedrale vor und nahmen die Ehrenpläße cin, Die Weihe nahm 3 Stunden in Anspruh. Unter den Tönen des Tedeum schritt der Neukonsekrirte mit Mitra und Stab durch den Hauptgang dés Domes und spendete seinen ersten bishöflihen Segen. Auf den Thron zurückgekehrt, nahm er die Huldigung des Diszesanklerus entgegen und hielt hierauf vom Hohhaltar aus seine erste Ansprache. Unter Hinweis auf den von heute datirten Hirtenbrief, der das Weitere sage, beschränkte er sih auf die Danksagung an den Deutschen Kaiser und den Papst für die Bestätigung seiner Wahl und an alle Mitwirkenden und Theilnehmer an der Konsekrationsfeier. Von 1 Uhr ab war im bishöflihen Palais die übliche Gratulations-Cour. Um 3 Uhr begann in den Sälen der Orangerie das vom Domkapitel ge- gegebene Festessen zu 160 Gedecken. Den ersten Toast brachte der Bischof von Fulda auf die Träger der firchlihen und weltlichen Gewalt, auf Papst und Kaiser aus, worauf der Ober-Präsident erwiderte. Der adelzug, Abends 7 Uhr, gestaltete sich zu einer wahrhaft großartigen vation: man zählte über 1500. ackeln und Lampions. Im Hofe des bishöflihen Palais mate der Zug Halt, und 170 Sänger brachten mit dem Lied „Gott in der Natur“ den Sangesgruß, nah dessen Beendigung ein Mitglied der städtishen Deputation eine Ansprache hielt, die den Bischof zu dankender Erwiderung veranlaßte. Um 8 Uhr begann die JUumination des Domes und der Umgebung.
Württemberg. Stuttgart, 27. Januar. (St.-A.
f. W.) Die Kammer der Abgeordneten trat heute in
die Berathung des Ausführungsgeseßes zu dem Reichsgeseß
vom5. Mai 1886, betreffend die Unfall- und Krankenver-
Os der land- und forstwirthshaftlihen rbeiter.
Vaden. Karlsruhe, 26. Januar. (St.-A. f. W.) Die Zweite Kammer berieth heute das Budget der Bade- anstalten. Der ordentlihe Etat wurde mit 275 025 M. Einnahmen und 261 101 /6, Ausgaben genehmigt. Als außer- ordentlihe Ausgaben wurden für Baden-Baden bewilligt zum Neubau eines Landesbades 221 000 # zum Neubau eines Frauenbades (2. Rate) 100 000 #, zum Ankauf einer Wasser- berehtigung 5400 M4
Bremen, 26. Januar. (Hann. C.) Zum Zollanshluß am 1. Oktober d. J. sind die Vorarbeiten im vollen Gange. Die Ernennung des Zolldirektors und anderer Beam- ten für den bremischen Staat zur Einleitung und Vor- bereitung des J Ueberganges in den Zollverein hat {hon stattgefunden; ebenso sind im Freihafenbezirk und an anderen Stellen Abfertigungsräume und iederlagen theils im Bau begriffen, theils nahezu vollendet.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 27. Januar. (W. T. B.) Die Regierung legte dem Abgeordnetenhause eine Deklaration, die Kabelshuz-Konvention betr., vor.
__ Die „Wiener Abendpost“ veröffentliht den Ausweis der direkten und indirekten Steuern im Jahre 1887. Die direkten Steuern ergaben insgesammt einen Reinertrag von 104 966 767 Fl., demnach um 3 500 000 Fl. mehr als im Jahre 1886. Die indirekten Abgaben ergaben einen Rein- trag On LEA 082 229 Fl., also 5 912 681 Fl. mehr als im
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4 über das Vereinswesen vorzulegen.
Pest, 27. Januar. (W. T. B.) Jm Oberhause langte ein Königliches Reskript zur Verlesung, weldes den Baron Vay zum Präsidenten ernannte.
Im Unterhause theilte der Minister-Präsident Tisza mit, er werde morgen am Schluß der Sizung die Jnter-
ellationen betreffs der auswärtigen Politik der Regierung eantworten. i
Der volkswirthshaftlihe Ausschuß des Unter- hauses nahm den Geseßentwurf, betreffend den Han- delsvertrag mit Deutshland, an. Auf verschiedene Anfragen erklärte der Staatsjekretär Matlokovits, die Regie- rung glaube sicher, daß es gelingen werde, mit Deutschland einen Handelsvertrag auf breiterer Grundlage abzuschließen, Jn der dem vorliegenden Entwurf entsprehenden Vorlage spreche sich auch die deutsche Regierung in gleichem Sinne aus. Der Zeitpunkt des Abschlusses der gegenwärtigen Konvention, welcher in Deutschland mit der Erhöhung der Getreidezölle zusammenfiel, sei jedoch kein günstiger gewesen, Mit der Frage der Aufhebung des Jdentitätsverfahrens be- \chäftige die Regierung sich ernstlih. Er wolle si bei dieser Gelegenheit niht darüber äußern, welchen Einfluß eine der- artige Verfügung auf den Getreide-Export Oesterreih-Ungarns hätte, do sei es zweifellos, daß die Freiheit des Verkehrs dem Getreidehandel zum Vortheil gereichen würde.
Großbritannien und Jrland. London, 26, Januar. (A. C.) Wie der „Jrish Times“ aus London gemeldet wird, soll die irishe Regierung entschlossen sein, gegen die Ur- heber des Feldzugsplans energisch vorzugehen. Es würden demnach weitere A T erwartet.
— 97. Januar. (W. T. B.) Der parnellitische arlaments-Deputirte für Monaghan, Patrick 'Brien, welcher wegen einer aufrührerishen Rede am
90. d. verhaftet worden war, ist zu 4 Monaten Gefängniß verurtheilt worden.
Frankxeih. Paris, 26. Januar. (Köln. Ztg.) Die Rechte der Deputirtenkammer hat jeßt ihr Pro- gramm veröffentliht: Sie fordert in erster Linie die Ernennung eines Ausschusses, welcher beauftragt würde, vor dem 30. Juni d. J. die Bilanz der Finanzlage E aufzustellen; ferner Reform des Budgetaus\chusses,
ontrole des Rechnungshofs über die Kosten der Staatsschaß- Verwaltung, geseßliche Feststellung der finanziellen Befugnisse des Finanz-Ministers, ei der General-Schaßmeister und Departemental-Einnehmer, Reform der Steuereinnahme, ein neues Unterrichtsgesey, Abtretung der Hafenbauten an die Handelskammern, welche ermächtigt würden, sowohl von fran- zösischen als von ausländischen Schiffen a zu erheben, geseßlihe Festseßung des zur Pension berechtigenden Alters, Reform «der Verwaltung der Kolonien einschließli Algeriens, Ueberlassung der Staatsbahnen an. die Privat- industrie.
Auf Antrag der Deputirten Siegfried und Delmas haben die drei Gruppen der Linken je zwei Bevoll: mächtigte zum Zweck einer Vereinbarung eines gemein- samen Geschäftsprogramms für die begonnene Session ernannt. Diese traten gestern zum ersten Mal unter dem Vorsit Lockroy's zusammen und beschlossen, die Regierung aufzufordern, vom Senat eine rasche Erledigung der Militär- Organisationsvorlage zu verlangen und der Kammer eine Vorlage Unter den andern zur baldigen Behandlung empfohlenen Entwürfen befinden sih die Reorganisirung der Handelskammern, die Verantwortlich- keit bei Arbeiterunfällen, Organisation des Volkskredits ver- mittelst der Sparkassengelder, Schuß der Handelsmarken, gegenseitige Hülssvereine, Altersunterstüzungskassen.
— 97. Januar. (W. T. B.) Der „Agence Havas“ zufolge sprach der italienishe Botschafter, Graf Menabrea, dem Minister des Auswärtigen, Flourens, gegenüber den Wunsch der italienishen Regierung aus, auf die weiteren Verhandlungen wegen des Handelsvertrages zu verzichten. — Die französische und englische Regie- rung unterzeihneten die Vollmachten für die gemischte Schiffahrtskommission für die neuen Hebriden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Januar. Die „St. Petersburger Zeitung“ s{chreibt: Jn unserem Militärg ¿Gta en ist neuerdings eine wichtige Aenderung getroffen worden. Durch Allerhöhsten Befehl wurde die zwar nur zeitweise eingeführte, in der That aber vielfach angewandte Maßregel, Civilrichtern die Anwarti aft auf Anstellungen im Militärgerichtsdienst zu verleihen, endgültig aufgehoben. Es sind hierzu künftighin ausscließlih Offiziere zu verwenden, welche die militärisch-juridishe Akademie absolvirt haben. Sollten diejenigen Offiziere, welhe alle Bedingungen des Kursus in genannter Akademie erfüllt, nicht zur Beseßung der vakanten Richterstellen genügen, so können auch solche Offiziere angestellt werden, welche niht allen Bedingungen entsprochen. Jm FJnteresse der Mannszucht innerhalb der Armee ist es jedenfalls, daß alle Stellungen im Militärgerichts- wesen aus\{ließlich mit Offizieren beseßt werden. Der Geist der Militär-Strafgeseßgebung ist eben ein ganz anderer, wie der der bürgerlichen und es dürste Civilrichtern, namentlich solchen, die niemals Soldat gewesen, sehr s{hwer fallen, sich wirklich voll in denselben hineinzuarbeiten. ;
— 28. Januar. (W. T. B.) Der Chef des General- stabes im Marine - Ministerium, Tschichat\schew, ist zum Kommandirenden des Uebungsgeshwaders für die kommenden Uebungsfahrten ernannt worden ; die Flaggoffziere dieses Geschwaders und der Kommandirende des Artillerie- Lehrgeshwaders und des Marine-Schulgeshwaders sind gleich- falls bereits ernannt worden.
Spanien. Madrid, 28. Januar. (W. T. B.) Die Königin E ist nah Sevilla abgereist; die Königin-Regentin und die Minister gaben derselben das Geleit nah dem Bahnhofe.
Portugal. Lissabon, 17. Januar. (P. C.) Der ZU- stand des Königs Dom Luiz ist andauernd ein leidender. Es ist aber die Hoffnung berechtigt, daß der König, dessen Gesundheit dur feine Se D im Lande einigermaßen er- shüttert wurde, bald wieder hergestellt sein wird. — Unter den Geseßentwürfen, welche das Kabinet dieser Tage in den Cortes eingebracht Aeu befindet sih das Budget pro 1888/89, das mit einem Fehlbetrag von 800000 Fr. abschließt, und eine Vorlage, betreffend die Einführung der Tabad- regie, sowie ein Gesegentwurf bezüglich der V erp achtung der südlichen Eisenbahnlinien in den Provinzen Alemtejo und Algarve für die Dauer von 40 Jahren. — Jn einigen Provinzen Ne waren kürzlih in Folge der Einführung einer Reform der Gewerbesteuer, welhe mit 1. Ja-
freisinnigen Blätter haben au
nuar 1888 ins Leben trat, Unruhen entstanden. Die Regie- rung sah si angesichts dieser Erscheinung veranlaßt, die Durch- führung dieser Steuerreform einzustellen, und“ es wurde au bereits in den Kammern eine vollständige Abänderung des neuen Gesezes beantragt. — Die Cortes, welche seit dem 2. d. M. wieder tagen, haben die Einseßung eines parla- mentarishen Ausshusses behuss Untersuchung der Angelegenheit Hersent beshlossen. Hersent wird bekanntlich beschuldigt, einige höhere Beamte durch Bestehung für seine Offerte, betreffend die Hafenbauten in Lissabon, ge- wonnen zu haben. — Die portugiesishe Regierung hat den Kabinetten der Mächte zur Kenntniß gebracht, daß sie die Uebernahme des Protektorats über die Küste von Dahomey ablehne. Dieser Schritt des Lissaboner Kabinets ist darauf zurückzuführen, daß der König von Dahomey den von ihm vertragsmäßig übernom- menen Verpflichtungen gegenüber Portugal nicht nahgelommen ist. — Vor Kurzem ist in Rio de Janeiro, wo die portu- giesische Kolonie ungefähr 100 000 Köpfe zählt, eine amt liche Finanzagentur der portugiesishen Regierung errichtet worden. — Die lezten Nachrihten aus den portu- iesishen Kolonien in Afrika lauten neuerdings dabin: daß die Stadt Lorenzo-Marques in fom- merzieller, wie in gewerblicher Beziehung immer größeren Aufschwung nimmt, wozu insbesondere der Ausbau der neuen Eisenbahnlinie beiträgt. Desgleichen steigert sih die Handels- bewegung in Loanda, der Hauptstadt von Angola, welche durch den Ausbau der Eisenbahn nah Ambaca und die Wasser- leitung aus dem Bengofluß nah der Stadt begünstigt wird. U dem neuen portugiesishen Congogebiet wurden auf rund des im unabhängigen Congostaat festgestellten Tarifs Ausfuhrzölle für verschiedene einheimishe Waaren eingeführt. Fast in den ganzen portugiesischen Kolonial ebieten in Afrika waren die Regengüsse der gegenwärtigen Jahreszeit sehr reich- li, so daß man eine ergiebige Ernte erhofst. Die Hotten- totten hatten gegen Ende des vergangenen Jahres einen ihrer gewohnten Einfälle in den Süden der Provinz Angola unternommen, wurden aber energish zurückgeschlagen.
Serbien. Belgrad, 26. Januar. (Wien. Ztg.) Der König wohnte heute der Sava- Feier in der Hoch)chule bei, wo der Professor und Akademiker Stretikovic eine Rede über
“ den Patriotismus hielt, welche den Beifall des Königs erntete.
Sodann wurde in Gegenwart des Königs die von demselben gegründete Preisvertheilung an jene Hörer der Hochschule vor- genommen, welche sich dur ausgearbeitete Themata aus- gezeichnet hatten. Der König beehrte jeden derselben mit einer längeren Ansprache.
Bulgarien. Philippop el, 26. Januar. (Wien. Ztg.)
Von allen Städten, den Bruderschaften, dem bulgarischen und Ferdina Klerus treffen Adressen an den Prinzen
erdinand ein, in welhen demselben für seine Ankunft im
ande, durch welche Ordnung und Ruhe gesichert wurden, gedankt, die Ergebenheit für den Thron betheuert und versichert wird, daß er auf ihre Mitwirkung undalle Opfer zur Vertheidigung der Freiheit und Unabhängigkeit des Landes zählen könne. Jn seinen Antworten auf diese Adressen erklärte der Prinz, daß die Bevölkerung des südlichen Bulgarien immer ihre Pflicht L habe; er hoffe bei der gesammten Nation der gleichen
reue und Ergebenheit zu begegnen, wenn das Land in eine ernste Lage gerathen sollte. Nikolajew erhielt den Großcordon des Alexander: Ordens. Mehrere Truppenkommandanten wurden mit verschiedenen Klassen desselben Ordens dekorirt.
Asien. Bombay, 26. Januar. (R. B.) Das nah Sikkim gesandte Expeditions-Corps, bestehend aus 1000 Mann Truppen, einem Lagergefolge von 300 Mann und 500 Mauleseln, is in Siliguri, am Fuße des Dar- Omg Sa, angelangt. Das Corps hat die Aufgabe, die nah Thibet führende Straße auszubessern. — Kapitän Ba fam am 15. d. in Kham-i-Ab an. Die Errichtung von
renzpfählen an der russish-afghanishen Grenze ist nunmehr vollendet.
Zeitungsstimmen.
Die „Ostpreußische Zeitung“ schreibt über unsere Finanz- und politische Lage: Eines ist immerhin in E Zeit erreiht worden: die deutsch» gehört zu versichern, unsere Regierung treibe ein böswilliges Spiel mit Kriegsgerüchten und der Hervorrufung gegenstandsloser Kriegsbefürhtungen, und verfolge unter diesem Deck- mantel Pläne der inneren Politik und vor Allem der Erzielung endloser Steuerbewilligungen. Man is — sagen wir so einsihtig geworden, zu begreifen, daß es ein kaum erhörtes Maß von Gewissenlosigkeit einer Regierung sein würde, in einer so shwierigen und gefahren]|chwangeren politischen Lage, wie es die heutige ist, mit dem Feuer zu spielen ; ganz zu geschweigen des ganz besonderen Anspruchs auf Vertrauen und Achtung, den si unsere heutige Regierung doch wohl erworben hat. So beginnt man denn widerwillig zuzugeben, daß die Regierung zu ihrer vorsihtigen und vorsorglihen Haltung durch außer ihr liegende Verhältnisse gezwungen ist, und dem nämlichen Gedanken- gange ist es wohl auch zuzuschreiben, wenn das Geseß über die Landwehr zweiten Aufgebots und den Landsturm so geringen Schwierigkeiten begegnet ist und au die Beschaffung der Mittel voraussichtlich als eine unausweichlihe Pflicht anerkannt werden wird. Daran aber, die gesammte Finanzpolitik unserer Re- gierung als eine solhe zu bezeihnen, die zwar fortwährend Erleich- terungen und besondere Verwendungen in Aussicht stelle, in Wahrheit aber nur auf stetige Steigerung der Steuern bedacht sei, um für ihre („volksfeindlichen“) Zwecke immer mehr Mittel zu gewinnen, daran hält man um o eifriger fest und hat \ich hierfür sowie für die Beurtheilung der „wirklihen“ finanziellen Leistungen unserer Regierung ein System geaen, welhes selten îm Stich läßt. Um ein Beispiel anzuführen: wenn unsere Eisen- bahnen große Uebershüsse abwerfen, so sind hieran nah den deutsch- freisinnigen Blättern nur die großen Getreidemassen Schuld, die zur Vermeidung des drohenden Zolles eingeführt worden sind (es ist dies übrigens nicht einmal wahr, sondern ‘diese Ueberschü}é bezw. Mehr- erträge sind hauptsählich den ungeheueren Kohlen- und Eisen- transporten zuzuschreiben, die in den leßten Jahren Dank unseren blühenden industricllen Verhältnissen stattgefunden haben, und es er- \cheint daher keineswegs so verwerflih, wenn diese Industriezweige nach Tarifermäßigungen verlangen); sind aber in Folge solcher Importspekulationen große a ins Land gekommen und fallen in Folgg dessen auf einige Zeit die Getreidezollerträge nur gering aus, \o wirst man der Regierung die Geringfügigkeit
der den Kreisen mittels der lex Huene gewährten Subventionen vor,
und verhöhnt die Kreise mit der Kleinheit der Summen, die ihnen bis jeßt nur zugeführt werden konnten. Unsere Leser werden ohne Weiteres zugeben, daß mit dieser Art von Polemik und Kritik das Blaue vom Himmel herunter bewiesen, und die beste, vorsorglichste und \o sehr wie überhaupt Os auf gute Verwaltung bedahte Regierung in den Augen gedankenloser Zeitungsnachbeter {Whlet ge-
mat werden kann. Glückliher Weise ist selbst das zeitunglesende Publikum gegen dieses Verfahren allgemah stark abgestumpft worden.
Legen wir uns einmal die Frage vor, welches für die Finanz- politik unserer Regierung der leitende Gedanke gewesen ist, und ob derselbe den Verhältnissen gemäß seine Erfüllung gefunden hat, Die Regierung wollte mittelst dieser Politik Mittel \chafffen für die Sozialreform und für die Entlastung der Gemeinden, wollte die inanzen des Reichs nah Kräften unabhängig machen von denen der
inzelstaaten, und wollte endli, um in der Militärfrage, in Besol- dungsfragen 2x. mehr Freiheit zu haben, über die allzu große Knappheit der bisher verfügbar gewesenen Mittel hinaus- kommen; leise und nur zaghaft war auch der doppelte Gedanke aufgetreten, die Landwirthschaft zu entlasten, den Handel und das mobile Kapital aber etwas stärker in Mitleidenschaft zu ziehen. Dafür, daß von den verfügbar gewordenen Mitteln immer wieder ein großer Theil für militärische und maritime Zwecke dienstbar gemaht werden mußte, können wir nihts; niht wir haben den gegen ten poli- tischen Zustand geschaffen, sondern derselbe ist das Produkt jener unglückseligen Zeiten, in denen der deutsche Reichs- gedanke verloren gegangen war, und es ist nichts daran zu ändern, daß wir die Lasten tragen müssen, welhe uns durch die Thaten und Versäumnisse jener traurigen Zeit aufgeladen wor- den sind. Auch ist es nicht wahr, daß die Annexion Elsaß-Lothringens unsere Lage ungünstiger gemaht habe, wie M sonst sein würde; militärish hat ‘diese Ännexion unsere Lage außerordentlich gebessert, und ob die Franzosen bei Schonung ihrer Empfindlichkeit friedliebender geworden sein würden, das vermag kein Mensch au nur mit Wahr- \cheinlihkeit darzuthun. Ebenso wenig sind unsere Ausgaben für Flotte und Kolonien zu tadeln; ein großer, Welthandel und Welt- industrie betreibender Staat kann s{chlechterdings nicht umhin, seinen Antheil an den noch herrenlosen Gebieten zu bean- \pruchen, und die Wahrscheinlichkeit wenigstens, daß die okkupirten Gebiete für uns eine Quelle reihen Segens sein werden, ist in vollstem Maße vorhanden. Daß wir nun für unsere Wehrkraft zu Land und Wasser in erster Reihe sorgen müssea, liegt so sehr in der Natur der Verhältnisse, daß man dies wohlmeinenden und patrio- tishen Leuten wahrlih nicht erst zu beweisen brauchen sollte, und daß, mag man noch so sehnsüchtig eine Zeit niedriger Steuern herbei- wünschen, gerade die gegenwärtige Zeit keine solche ist, in der dem Fdeal ausgedehnter Steuerbefreiuungen groß nachgestrebt werden fönnte, das sollte gleihfalls jeder verständige Mensch sich selbst sagen. Eine Beschuldigung, unsere Regierung verschwende oder übe doch nicht nach Kräften weise Sparsamkeit, ist unseres Wissens bisher kaum er- hoben worden. Es ist demna geschehen, was geschehen konnte, um wenigstens die Steuerlast gleichmäßiger zu vertheilen und um die ganz besonders drückenden Gemeindesteuern zu ermäßigen. Ein erster Schritt in dieser Richtung geshah durch die lex Huene; ein zweiter soll eben jeßt durch die Uebernahme eines ansehnlihen Theils der Scbullasten (20 Millionen Mark) auf die Slaatskasse geschehen, wogegen dann die Gemeinden auf das, zum so großen Theile von ärmeren und dabei kinderreichen Leuten aufzubringende Sculgeld verzihten müssen, Niemand wird hiernah behaupten fönnen, die Regierung \trebe ihren oben angedeuteten Zielen nicht unentwegt nah; wenn sie niht eher an dieselben herantreten konnte, so hat dies seinen sehr einfahen Grund darin, daß sie erst seit Wahl des jeßigen Reichstages auf eine einigermaßen entgegenkommende Stimmung bei der Volksvertretung gestoßen ist.
Die Aussichten für die Zukunst haben si nunmehr folgender- maßen gestaltet. Das E in den Finanzen des Reichs sowie der preußishen Monarchie ist hergestellt; für die einmaligen Ausgaben zur Ausrüstung von Landwehr und Landsturm werden die Mittel dur eine Anleihe beshaft werden müssen, was um so un- bedenklicher ist, als unsere Finanzverwaltung eine vortrefflihe und unser Schuldenstand (von Eisenbahnschulden abgeschen) nur ein geringer is, und bei den leßterwähnten Schulden fo eben erst eine großartige Tilgung vorgenommen werden konnte. Da nun gehofft werden kann, daß die Staatseinnahmen sich troß der, immer noch nicht ganz beschworenèn Kriegsbefürhtungen in auf- steigender Richtung bewegen, und eine ausgiebigere Heranziehung des mobilen Kapitals zu den Staatslasten immer noh Rd so wird es, wills Gott, möglih sein, den Weg einer Entlastung der Ge- meinden und dadurch au der Landwirthschaft weiter zu verfolgen ; man denkt in dieser Hinsicht bekanntlich an eine Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer oder doch eines bedeutenden Theiles der- felben an die Gemeinden. Eine allmählihe Erhöhung der Gehälter, bei welcher in erster Reihe auch an die Volksschullehrer zu denken sein wird, dürfte hiermit Hand in Hand gehen. Dabei dürften die nöthigen Mittel für Durchführung der Sozialreform immer noch verbleiben, ebenso die Mittel zu den zählreihen Meliorationen, Wasserbauten 2c., die seit lange mit Sorgfalt und Eifer betrieben werden; und der Stand unseres Eisenbahnwesens wird es ermög- lichen, immer neue Linien zu erstellen (wie wir dies in Ostpreußen sehr deutlih wahrnehmen) und so das Eisenbahnneß zu ver- vollständigen. — Wir verkennen nicht, daß mit alledem für die 1roße Aufgabe einer durhgreifenden Steuerreform, eîiner allgemeinen Schulausstaltungs-Geseßgebung und mancher anderen idealen Ziele unseres Staatswesens erst Vorarbeiten. geschaffen sein werden. Aber wenn einmal die Zeit der Kriegsbefürhtungen vorüber sein wird und es si dann zeigt, daß wir selbst in dieser ge- fährdeten und wirthshaftlih wenig günstigen Periode gewaltige Fort- \chritte in Steuerwesen, wirthshaftlihen Einrichtungen, gemeindlichen und Schulverhältnissen 2c. gemacht haben, dann wird es nit allzu {wer sein, an alle diese Dinge die ausgleichende, einen ein- heitlihen Gesichtspunkt durchführende Hand zu legen. Erst die staat- liche Existenz, dann das um innerer Verhältnisse willen Nothwendige, dann endlich das Wünschenswerthe!
— Die „Volkswirthshaftlihe Correspondenz“ be- merkt zu dem neuesten, vor Kurzem erschienenen Bericht der Handels- und Gewerbekammer in Pest über die Verhältnisse des Handels, der Gewerbe und des Verkehrswesens 1884 und 1885: ;
Wenn die Budapester Handels- undGewerbekammer ihren neuesten Bericht mit den Worten beginnt: Die Lage unserer Volkswirthschaft war in den Jahren 1884 und 1885 eine ungünstige; Landwirthschaft, Gewerbe, Handel und Verkehr empfanden gleich Yber den Einfluß jener Faktoren, welhe auf die Kräfte der Wirthschaft nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt lähmend einwirkten — so lassen ich diese Behauptungen mit gleichem Reht auch auf das Jahr 1886 und den größten Theil von 1887 anwenden; und wenn es weiter heißt, die augenfälligste der wirthschaftlichen Erscheinungen sei die Abnahme der Rentabilität der Produktion gewesen, so ist es bekannt, daß diese Erscheinung leider das Charakteristikum der wirth- \chaftlihen Thätigkeit auch in den übrigen europäishen Produktions- ländern und speziell in Deutshland bildete und erst seit Kurzem hierin Anzeichen der Besserung sich bemerkbar maten.
Einen der wichtigsten Produktionszweige Ungarns bildet bekannt- lih die Landwirthschaft. ieselbe hatte denn auch von den wirth- \caftlichen Unzuträglihkeiten und namentlih dem edeigen Preis- stande in den leßten Jahren in besonders hohem Grade zu leiden, wie dies bekanntlih auch in Deutschland niht minder der Fall war. Das Sinken des Preises der landwirthshaftlihen Produkte, heißt es im Budapester Handelskammerberiht, die zeitweilige Abnahme der Rentabilität der Produktion verursahte einen starken Niedergang der Kaufkraft der Landwirthschaft treibenden Klassen, roelher in oige der zwishen sömmtlihen Produktionszweigen
S
bestehenden elwirkung auf das ganze Gebiet der Produktion zurüdwirkte. mmtliche Industriezweige verspürten die Wirkung dieser Erscheinung, und zwar nah zwei Richtungen :* Nicht blos der el der Jndustciearti el nahm ab, sondern es ging auch der Preis derselben zurück, wofür der Umstand, daß auc die roduktionskosten ch niedriger stellten, nur in sehr geringem Maße Ersaß bot, da sich die Ermäßigung der Produktionskosten erst nah längerem Zeitraum fühlbar zu mahen pflegt.
Diese Swilderung \timmt vollständig mit den Wahrnehmungen
überein, welche auch in Deutshland gemacht worden sind und bekannt- li einen wihtigen Anlaß mit zur Erhöhung der landwirthschaft- lihen Zölle gebildet haben. Die deutshen Handelskammern haben dieser Ansihht ja auh mehrfach Ausdruck geliehen. Wir erinnern hier nur daran, was die Handelskammer zu Lüneburg in ihrem leßten Jahres- beriht über das Jahr 1886 anführt, wo es heißt, daß, troßy- dem die Getreideernte in allen Gattungen an Körnerertrag recht er- iebig gewesen sei und au die anderen Früchte des Landmanns gute
esultate ergeben hätten, dennoch der Absaß in den Kaufmanns- A kleiner als gehofft geblieben sei, weil eben dem Landmann ie lohnenden Preise für seine Produkte ¿i hätten; die gewöhn- lihen Bedürfnisse des platten Landes, felbst sämmtliche Kolonial- waaren, s\ejen den Landleuten, oft wider ihren Willen, durch die Haufsirer in das Haus gebracht und gegen Butter, Eier, Flachs u. \. w. ab- gelegt worden. In analoger Weise bemerkt die Handelskammer zu
avensburg in Württemberg, daß die niederen Fruchtpreise die Kauf- lust der ländlichen Bevölkerung zurückgehalten hätten; und die Kammer in Rottweil meldete, die Landwirthschaft sei leider in keiner rosigen Lage, Nes auch die Kauffähigkeit der bäuerlihen Kundschaft gering sei.
Wir sehen also, daß die Budapester Handelskammer die s{hwer wiegenden Argumente vollinhaltlich bestätigt, welhe “bei der Debatte über die Erhöhung der landwirthschaftlihen Zölle im deutschen Reichstage als besonders ins Gewiht fallend “hervor- gehoben worden waren, von deren Gegnern allerdings mit großer Beharrlichkeit als übertrieben hingestellt oder ganz geleugnet wurden. Wenn man nun in Ungarn über die deutsche Getreidezollerhöhung ganz besonders ungehalten war, so be- stätigt man andererseits selbst ofen die trüben Folgen der [andwirth- \haftlihen Nothlage; gleihwohl will man uns aber diejenigen iee welche allein noch zur Abhülfe zu Gebote standen, nicht gestatten! \
Centralblatt für das DeutscheReich. Nr. 4. — Inhalt : Militärwesen: Aufnahmebedingungen für das Potsdamsche große Militärwaisenhaus. — Konsularwesen : Bestellung eines Konsular- Agenten; Entlassung. — Marine und Schiffahrt : Abänderungen des Tarifs der an der Sulinamündung zu erhebenden Schiffahrtsabgaben. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 3A. — Inhalt: Nichtamtliches: Aus dem preußishen Staatshaushalts-Etat für 1888/89. — Vorrichtung zur Entseuhung von Kleidungsstücken und Lagerungsgegenständen (Dénneberg's Desinfector). — Vermischtes: Auffindung des Kabeirion bei Theben in Beotien. — Gleichstellung des Studiums auf den tehnishen Hochshulèn. — Deutsches Zeichen- papier. — Oeffentlihe Parkanlagen in London. — Plan einer Eisen- bahn das Euphrat-Thal entlang. — Ueberschwemmungen in China. — Bücherschau. — Neue Patente.
Statistische Nachrichten.
Nah dem neuesten „Jahrbuch der preußishen Gerichts- verfassung“ gab es im Dezember 1887 an preußischen Ge- richten bei 28 318 470 preußischen Gerichtseingese\ssenen und 241 252 Eingesessènen aus anderen Staaten 14 Ober - Landesgerichte (inkl. Jena), 94 Landgerichte (inkl. Bezirk Jena 2), 1094 Amtsgerichte (Bez. Sena 7), 28 Orte mit Kammern für Handelssahen, 48 Orte mit Strafkammern der Amtsgerichte, 381 Gerichtstage (Bez. Jena 5) und 27 große Forstgerihtstage. Außerdem sind in Waldeck noch 4 preu- ßische Amtsgerichte. Bei den 13 Ober-Landesgerichten (außer Sena) waren angestellt: 13 Präsidenten, 37 Senats-Präsidenten 935 Räthe, 13 Ober-Staatsanwälte, 11 Staatsanwälte und 231 Rechtsanwälte und Notare; bei den Land- und Amtsgerihien 1136 Mitglieder der Landgerichte und 2517 der Amtsgerichte; es famen auf ein Mitglied der Landgerichte 25 000- Geri tseingesessene, auf E 11 256, auf ein Mitglied der Ober-Landesgerichte
Von Len Landgerichten zählten 28: 8, 12:9, 9: 10, 8: 11, 7: 12, 6:13, 2:14, 3:15, 4:16, 3:17, 3:18, 2:19, 2:21, 1:22, 1:26, 1: 94 Mitglieder; von den Amtsgerichten 493 : 1, 308: 2, 147: 3, 57: 4, 37:5, 18:6, 11:7, 4:8, 3:9, 3:10, 2:11, 1:12, 2:13, 1:14, 1:15, 1:17, 2:18, 1:36, 1:98 Mitglieder. :
Gewerbe und Handel.
Nah \ dem Geschäftsberiht des Berliner Maklervereins war das Jahr 1887 weniger günstig als das vorhergegangene. Dem Rückgang der Umsäße entspricht die Verminderung der von dem Institut u entrihtenden Börsen-Umsaßsteuer. Dieselbe betrug für den Berliner
aklerverein und seine Bevollmächtigten 158 450 A gegen 202 34946 im Vorjahre. Der Antheil des Vereins an der Provisionseinnahme belief ch im leßten Jahre auf 336 435 #4 oder 135 908 ( weniger als 1886. Das Zinsen-Conto brachte einen Ertrag von ca. 37 9%, nämlich 116 020 M glei 14 728 A mehr als im Vorjahre. Die Ke unkosten betragen 143 943 4 gegen 160 604 f in 1886. Der ordent- lihe Reservefonds hat mit 300 000 4 = 10 9/ des Aktienkapitals seine geseßlich und statutarisch vorgeschriebene Höhe erreiht. Es sind daher nur an die Spezialreserve Ueberweisungen zu machen und \chlägt die Verwaltung vor, dieselben mit 20000 # zu bemessen. Diese Reserve wird alsdann 40000 f betragen. Die diesmalige Gewinnvertheilung würde sich wie folgt stellen: Reingewinn 305 986 H; hiervon entfallen für die Sa eee 20 000 4, für Tantièmen 36 060 A Von dem alsdann verbleibenden Rest von 249 926 jagen s Dividende vertheilt werden, wozu 240 000 # erforder- ih \ind.
— Der Verwaltungsrath der Allgemeinen Berliner Om- nibus-Aktien-Gesellshaft hat beschlossen, der bevorstehenden Generalversammlung die Vertkbeilung einer Dividende von 9è 9/0 vor- zusblagen. Im vorigen Jahre wurden 10% vertheilt.
— Der Aufsichtsrath der Vereinigten Deutschen Tele-
raphen-Gesellschaft seßte nah statutenmäßiger Dotirung der Reserve: und Erneuerungsfonds mit je 100/6 die Dividende der Stamm- Aktien auf 10%/ fest. Für die Hamburg-Helgolander Tel e- graphen-Gesellshaft und für die Gesellschaft des Deutsch-Norwegischen Kabels- wurde nah gleichen Dotirungen cine Dividende von 59% normirt. Die betreffenden ordentlichen Generalversammlungen finden am 21. C statt.
— In der am 26. Januar in Köln abgehaltenen Hauptver- sammlung des rheinish - westfälishen Roheisenver- bandes wurde festgestellt, daß die Verbandswerke ihre Erzeugungen für das erste Halbjahr und theilweise noch darüber hinaus unter Er- zielung von Preisen, die in den meisten Fällen um E 46 höher als die Uebereinkunfts-Mindestpreise waren, verschlossen haben. Wenn troy dieser günstigen Lage und troy der inzwischen gestiegenen Selbst- kosten von einer Erhöhung der Uebereinkunftspreise abgesehen worden ist, so ist dies darauf zurückzuführen, daß man den auf die Ausfuhr U Werken den Bezug des Roheisens nicht vertheuern wollte.
— Die vorgestrige außerordentliche Generalversammlung der Lübeck-Büchener Eisenbahn gene die beantragten Statutenänderungen. Hervorzuheben ist, daß in Zukunft jede Aktie eine Stimme hat, daß die bisherige Dotirung der ilanzreserve fortfällt und daß die Summe für die Dividendenvertheilüung dadur eine größere wird. j |
ntwerpen, 27. Januar. (W. T. B) Wollauktion. Angeboten wurden 1244 B. Buenos-Ayres-Wollen, von denen 1176 B. verkauft wurden, ferner 785 B. Montevideo-Wollen, von denen 560 B, verkauft wurden, und 25 B. Pelades Lavees, die sämmtli verkauft wurden. Preise unverändert.
New-York, 27. Januar. (W. T. B.) Baumwollen- Wochenbericht. Zufuhren in allen L 90000 B, Ausfuhr na. Großbritannien 55 000 B., Ausfuhr nach dem Kontinent 48 000 B., Vorrath 928 000 B. :