die seiner Freunde auszusprehen. Der Minister werde fih
wohl bei der gestrigen Abstimmung {hon überzeugt haben,
daß diese Annahme irrig sei und sh heute noch mehr davon überzeugen. Er (Redner) hebe dies hervor, weil er sehr gut wisse, wie seine Haltung in dieser Sache ausgebeutet werden würde. Dem Minister erkläre er Jes, daß er (Redner) von seinen früheren Aeußerungen über die Kirchenstreitigkeiten und die Schulverhältnisse nihts zurücknehme, sondern die- selben noch heute voll und ganz aufreht erhalte. Er habe estern auch nicht von dem Kultus-Ministerium des Hrn. von
uttkamer gesprochen, sondern von der oder den Regierungen
im Allgemeinen. Hr. von Puttkamer habe allerdings als Kultus-Minister aar dem Gebiet ‘des Schulwesens Reformen versuht, die er (Redner) nur anerkennen könnte, aber er sei leider zu kurze Zeit Kultus-Minister gewesen. Preußen stehe mit seinem Schulwesen ave auf demselben Standpunkt, mit dem der Minister Falk begonnen habe. i :
Abg. von Kleist-Rezow: Der Abg. Windthorst wolle die wichtigste Bestimmung aus dem Geseze entfernen. Zur Be- gründung seines Antrags habe er sih troß seiner sonstigen Sagacität nicht anders helfen können, als mit der Uebertrei- bung: „Was kann nicht Alles noch werden? Der kleine Be- lagerungszustand kann sließlich über das ganze Land ver- hängt werden!“ Seit dem Erlaß des Sozialistengeseßes seien zehn Jahre verflossen, und er (Redner) wünsche dem Abg. Windthorst ein so langes Leben, bis nicht blos alle Städte, sondern auch das platte Land diesem Paragraphen unterworfen Jeien. Die Sozialdemokratie habe Aussicht auf Erfolg lediglich in den großen Jndustriecentren. Daraus ergebe sih aber die Nothwendigkeit, der Regierung diese Befugniß in die Hand zu
eben. Der Schugz Berlins stehe hier in erster Reihe. Hrn.
indthorst sei es sihtlich schwer geworden, seine ursprüng- liche Stellung aufzugeben, wozu ihn die geschickte Taktik des Ministers gezwungen habe. Nach den beiden grauenhasten Attentaten gegen den Kaiser verlange das deutsche Volk Shuß und Sicherheit für den Monarchen. Auch das Attentat am Niederwald-Denkmal fordere zu Vorsichtsmaßregeln auf. Aus dem Verhalten der sozialdemokratishen Abgeordneten zu den Vorlagen könne man abnehmen, wofür man sih zu entscheiden habe. Die Herren hätten sich gegen den kleinen Belagerungszustand ausgesprochen, während ste andererseits behaupteten, die Aus- weisungen hätten ihrer Partei genüßzt. Darnah habe man allen Grund, für die Maßregel zu stimmen. Wer habe nicht das Gefühl der Barmherzigkeit gegen jedes Leid, auch gegen das der Frauen und Kinder der Ausgewiesenen. Aber es sei außerordentlich gefährlih, dieses Argument geltend zu machen gegen die Strafe und deren Handhabung. Dem Mitleid mit den Familien der Ausgewiesenen stehe gegen- über das Mitleid mit Millionen. Das rechte Mit- leid mit dem Verbrehen und der Sünde sei der Jngrimm des Herzens gegen das Verbrechen und die Sünde. Nun habe man allerdings selbst gegen den kleinen Belagerungszustand das Bedenken, daß die aus den Städten Ausgewiesenen sih über das Land verbreiteten und an Orten ihre E vortrügen, wo man sie bisher gar nit gekannt habe. er indessen das treue, gute Landvolk kenne, wie er, wisse, daß die Agitatoren o kurzer Zeit wieder vershwänden. Seine Partei werde für den 8. 28 stimmen in der Hoffnung, daß nah zwei Jahren der Regierung die weiteren Handhaben gegeben würden, welche diesmal versagt seien.
Abg. Sabor: Hr. von Kleist fine esagt, die Herren müßten {hon deshalb für das Jnstitut des kleinen Belage- rungszustandes sein, weil die Sozialdemokraten dagegen wären. Darnach könnten diese einfah die Taktik befolgen, sih gegen etwas auszusprechen, um die Annahme zu ermöglichen. Ein derartiges Argument sei also an sich s{chon hinfällig. Ueber die Ausübung der Humanität könne man sehr verschiedener Ansicht sein. Er gebe zu, daß es s sei, in einzelnen Fällen inhuman zu sein, um andererseits desto humaner zu verfahren. Wolle man aber ein System anwenden, das, au grausamer Grundlage beruhend, nur zu Grausamkeiten führen müsse? Das System, das das Haus heute unter dem Beifall der Majorität annehme, sei das System der Gewalt und der Jnhumanität. Zu welchen Auswüchsen es führe, Le man in der ersten Lesung gehört, daß nämlih amtlih Leute angestellt würden um Verbrechen anzustisten. Das System sei also moralisch mit verantwortlih für diese Verbrechen.
Abg. Hänel: Seine politishen Freunde und er würden für den Antrag Windthorst stimmen. Er habe die feste Ueberzeugung, daß der Zeitpunkt nicht fern sei, wo, ähnlich wie bei den Maigesegen, keine Partei es zugestehen werde, für dieses Geseg als Urheber oder Theilnehmer ver- antwortlih zu sein.
Abg. Dr. Windthorst: Er nehme immer noch denselben Standpunkt wie früher ein. An dem Tage, wo er wisse, daß die Herren seinen Antrag in der ursprünglichen ns an- nehmen wollten, sei er bereit, selbst in der dritten Lejung ihn wieder herzustellen.
__ Abg. v. Kardorff: Der Standpunkt des Abg. Windthorsi sei ja ein recht praktisher und bequemer. Den Gegnern des Sozialistengeseßes gegenüber könne er sih darauf berufen, daß er gegen das Geseg gestimmt habe, den Freunden desselben, daß er für das Gese gestimmt hätte, wenn der 8. 28 nicht angenommen wäre. Diese Taktik sei sehr durh- sichtig, Hrn. Hänel erwidere er, daß er Ie für seine Person die Verantwortlichkeit für dieses Gesetz tragen werde. So sehr er dafür sei, die Bestimmungen des Sozialistengeseßes dem allgemeinen Recht einzuverleiben, der
. 28 werde niemals dem allgemeinen Recht einverleibt werden önnen. Er hoffe, die Zeit werde kommen, wo man diesen
aragraphen abmildern oder entbehren könne. Nach den
ortshritten des Anarchismus in der ganzen Welt werde man ihn ‘aber auch nach zwei Jahren noch brauchen. Niemals Vere er sich s{hämen, für das Sozialistengeseß gestimmt zu aben.
Abg. Dr, von Bennigsen: Er gehe wohl nicht fehl, wenn er behaupte, daß der Murag Windthorst im Wesentlichen eine taktische Bedeutung habe. Er mache darauf Ee daß in dem Verhalten des Abg. Windthorst und in seinem Antrage ein sehr starker Widerspruch vorhanden sei. Derselbe habe heute und früher seinen Standpunkt dahin erklärt, daß er wünsche, durh Aenderungen und Milderungen des bestehenden Sozia- Es allmählich zu einem dauernden und festen Zustande auf diesem Gebiet zu kommen. Jn demselben Augenblick, wo er eine solhe Position einnehme, bringe er einen Antrag ein, welcher den Belagerungszustand überall, auch für Berlin, aus- [Gliebs, also eine 7 erheblihe Veränderung und Milderung
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jalistengeseßes herbeiführe. Während er das thue, er-
darüber verständigen wollten, den Belagerungszustand für Berlin im Gese wiederherstellen werde. Also zuerst mildere er das Gesey bedeutend, im zweiten Stadium werde das Gese wieder Der grie und im dritten solle ein E Zustan eintreten. (Redner) NiGrünte sih in der jeßigen Lage auf die Erklärung, daß seine Partei in eine Erörterung über die Aenderung des bestehenden, für gewisse Zeit erlassenen Sozialistengeseßes, namentlich über die Milderung desselben, nicht eintreten werde, dagegen habe sie nah wie vr den dringenden Wunsch, daß die zwei Jahre, für welche dieses Ge- eß nun wiederum pern werde, Seitens der verbündeten egierungen und der Mehrheit dieses Hauses dazu benußt würden, um an Stelle dieses von Zeit zu Zeit immer wieder verlängerten Zustandes ein dauerndes Geseÿ zu schaffen, geeignet, den Umsturzbestrebungen möglichst entgegenzutreten. Abg. Bebel: Hr. von Kardorff habe gesagt, er würde sich niemals \s{ämen, für das Sozialistengeseß gestimmt zu haben. Wie könne er oder irgend ein Anderer wissen, wie si die Verhält- nisse in zehn bis zwanzig Jahren gestalteten. Es könnte doch der Tag kommen, wo er und seine Freunde diesen Sritt bitter béreuten. Eigentlih sei jede weitere Diskussion überflüssig; wenn das Haus ohne jedes Wort ein- fah abstimme, werde das Resultat genau #o sein, wie wenn es aht Tage darüber debattirt hätte. Das sei zugleih ein Beweis dafür, welhen Werth heute der Parlamentarismus habe, und dab man Grund habe, gering- {äßig auf diesen Parlamentarismus L A Weiter e br, von Kardorff gesagt, gerade bei der Zunahme des narhismus in der ganzen Welt sei das Sozialistengeseß nothwendig. Das sei eine allgemein hingeworfene Behauptung ohne den geringsten Beweis. Erscheine in einem anarchistishen Blatte ein bluttriefender Artikel oder werde irgendwo von Anarqhisten eine Gewaltthat begangen, so werde dies von der esammten Presse ausgenußt gegen die den bürgerlihen Partelen, wie begreiflih, verhaßten sozialdemokratischen Be- strebungen überhaupt. Den Niedergang des Anarhismus be- weise nichts shlagender als die Thatsache, daß die anarchistische Presse in allen Ländern die größte Bersg habe, sih überhaupt existenzsähig zu erhalten. Die Ver)schärsung, welche der undesrath beantragt habe, stüße sih wesentlih darauf, daß der Züricher „Sozialdemokrat“ alljährlich in 10 000 Exempla- ren nah Deutschland eingeführt werde. Wegen dieser 10 000 E „Sozialdemokraten“ müsse das mächtige Deutsche eih bei seiner großartigen Polizei, mit seinen Gerichten und seiner Armee, das erste Reich der Welt, ein Ausnahme- geseb machen und vershärfen. Der Anarchismus sei also in er ganzen Welt im Niedergange begriffen, und wenn ihn noh etwas erhalte, so seien es die agents provocateurs. Nach dem Bericht des s{chweizer Bundesraths sollten sich in den rößeren Städten der Schweiz höchstens 10 Anarchisten gefunden Bibra Werfe man einen Blick in die Most'sche „Freiheit“, so ge- wahre man den Jammer dieses Blattes über die Undankbar- keit der Arbeiter, die nicht die nöthigen Abonnenten stellten und nicht einmal Abonnementsgelder bezahlten. Wenn er nun auf den §. 28 eingehe, so möchte er zunächst fragen, ob der kleine Belagerungszustand etwa geeignet sei, ähnliche Attentate zu verhüten. Es sei überhaupt bis jeg! nicht fest- gestellt, wie der Begriff „Umsturz der be lichenden taats- und Gesellshaftsordnun “ zu definiren B Der kleine Belagerungs- zustand bestehe in Berlin seit zehn Jahren. Niemand aber werde bestreiten, daß troßdem Jemand einen Revolver in der Ne führen oder eine Dynamitpatrone versteckt halten könnte. Habe denn der §. 28 wirklich Vortheile gebraht ? Die Sozial- demokratie habe nah dem Sozialistengeseß erst recht an Um- fang gewonnen. Man habe weiter Nichts nahweisen können, als daß die Sozialdemokraten im Geheimen die Wahlen organisirten und Zeitschriften vertrieben hätten. Jn allen Belagerungsbezirken hätten sie an Stimmen bei den Wahlen gewonnen. Die Ausgewiesenen, so er selbst und seine Freunde Singer und Liebknecht, hätten dadurch nur mehr Zeit ge- wonnen, mit allen Kräften für ihre Sache zu wirken. Hr. von Kleist habe gemeint, das Mitleid für die Einzelnen müsse hier zurüdtreten gegenüber dem Mitleid für die Millionen, die hier geschädigt würden. Dieser Einwand sei noch stets von allen Verfolgern gemaht worden. Diese Tendenz trete auch bei dem 8. 28 hervor.
_ Abg. Meyer (Halle): Hr. von Bennigsen hätte Hrn. Windthorst den Vorwurf der Jnkonsequenz niht machen können, wenn er genau die Age O A zu den vor- liegenden Geseß verfolgt hätte. Hr. Windthorst habe den Erlaß des Gesetzes mißbilligt, da es aber nun einmal erlassen sei, so wäre es ein eben so großes Uebel, es ohne Vorsichts- maßregeln aufzuheben; man müsse es langsam und allmählich aufheben, unddeshalb habe er einzelne Milderungen vorgeschlagen. Diesen Standpunkt nenne der Minister ein Abbröckeln, was \hädlich wirken würde. Darnach bleibe übrig, zu erwarten, ob er es sür richtig halte, daß das Geseß für ewige Zeiten fort- bestehe, oder daß es plößlich mit einem Schlage aufgehoben werde. Das langsame Abbröckeln eines ti sei nihts Schlimmes. Wenn das E in derjelben unschäblichen und harmlosen Weise aus der Welt komme wie die Kulturkampf- gelede, so könne man nur damit zufrieden sein. Ueber das Ver-
alten des Abg. Windthorst in der Kommission diene Folgen- des: Hr. Windthorst habe zuerst beantragt, 8. 28 nicht völlig aufzuheben, sondern für Berlin bestehen zu lassen; und Hege, habe sich Hr. von Puttkamer gewendet. enn die
ationalliberalen die Expatriirung verwürsen, wie könnten sie
eine Ausnahmebestimmung aufrecht E die in ihrem Schoß
die Expatriirung als unfehlbare Konsequenz berge? Jn vielen
Halen werde E aus einem Ort ausgewiesen, wie der e
aumeister Keßler, ein Mann, für den er (Redner) übrigens nicht die geringste Sympathie habe. Dieser sei aus Berlin ausgewiesen, wo er sein Domizil gehabt habe, und später aus jedem anderen Orte, weil er nirgends sein sollte, als in seinem B, Diese Maßr-gel könne nun auf das ganze Rei ausgedehnt werden. ie wolle man es ermöglichen, da Jemand, der aus jeder einzelnen Parzelle des Deutschen Reichs ausgewiesen werde, niht auh aus dem Deutschen Reich aus- rv werde, und dann habe man die Expatriirung! Er- alte man den §8. 28, so führe man nah dem Beispiele Keßler die Expatriirung ein. Strenge gegen das Verbrechen sei ein Grundsaß, zu dem er sich vollständig bekenne. Es handele sich aber hier darum, daß eine Person bestraft wer- den könne, ohne daß ihr in objektiver Beziehung ein Verbrehen, oder in subjektiver die Thätershaft nach- ga worden sei. Die Ausweisung sei eine furchibare
trase, und er sei überzeugt, daß viele der. Ausgewiesenen lieber eine bestimmte Gefängnißstrafe gewählt hätten. Oberster Grundsay des Rechtsstaates sei: nulla poena sine lege. Der
sein. Wenn Jemand ein Mittel angeben könnte, wie solchen teien Verbrechen, wie dem Attentat auf das Niederwald. Denkmal vorgebeugt werden könnte, gäbe es niht Einen hier im Hause, der dieses Mittel niht anwenden würde. Das SOIUREIEES habe nit dazu beigetragen, ihm vorzubeugen und die Enthüllung dieses Verbrechens habe si später mit den Mitteln des gemeinen Rechts vollzogen.
Abg. Dr. Windthorst : Die Nationalliberalen wollten dag Gesey auch beseitigen und etwas Anderes an seine Stelle seßen, vershöben es aber auf eine spätere Zeit. Sie sagten auch nicht, in welher Weise es geschehen solle. Das Centrum wolle nicht warten, sondern sogleih an die Arbeit gehen, und deshalb habe er die Anträge gestellt, die von der Kommission leider abgelehnt seien, ohne daß irgend Jemand versucht hätte sie anders zu formuliren. Ein einfaches Nein sei ihre Ant: wort darauf. Nur den Antrag zu habe ey hier wiederholt, und zwar ohne die früher in dem Antrag enthaltene Ausnahme für Berlin, weil die Re- gierung bestimmt erklärt habe, daß der Belagerungszustand in Berlin nicht nothwendiger sei, als in den anderen Städten. Ex suche einen geeigneten Weg zur Ordnung der Sache durch einen Kompromiß zu finden, leider vergeblih. Er wolle allmählih das Geseg beseitigen. Wenn man thm dabei nit helfen wolle, so könne er nihts weiter thun, und bedauere nur, daß von Anderen nicht andere Vorschläge gemacht seien.
Jn namentlicher Abstimmung wurde der Antrag Windt- horst mit 153 gegen 100 Stimmen abgelehnt. Für den An- trag stimmten ge|chlossen Centrum, Polen, Welfen, Freisinnige und Sozialdemokraten, sowie die fraktionslosen Abgg. Rete- meyer, Hildebrand und Deahna; dagegen die ‘beiden Parteien der Rechten und die Nationalliberalen.
Die eingelaufenen Petitionen wurden durh die ge- faßten Beschlüsse für erledigt erklärt.
n dritter Berathung wurde darauf der Geseßentwu.f, betressend den Erlaß der Reliktenbeiträge, nah den Beschlüssen der zweiten Berathung angenommen.
Abg. von Bernuth mit e von Mitgliedern fast aller Parteien beantragte die Aufnahme eines Zusaßes, wonach Mitgliedern einer Reichs-Civilbeamten-, Militärwittwen- oder Waisenkasse oder einer derartigen Landesanstalt, wenn sie von dem Recht des Widerrufs ihres Verzichts Gebrauch machen, die seit der Verzichtleistung an die resp. Anstalt ge- 4 Beiträge auf die Nachzahlungen angerechnet werden ollen. Auf diejenigen Anstalten, welche Früberen Reichs- beamten der Civilverwaltung oder Angehörigen des Reichs- heeres und der Marine eine entsprehende Anrechnung ver- sagen, soll diese Bestimmung keine Anwendung finden.
Abg. von Manteuffel befürwortete die Annahme des An- trages, der eine Härte beseitigen solle, welhe durch die Be- stimmungen des Geseßes für Diejenigen entstehe, die in den Landeskassen verblieben sind und ihre Beiträge dort gezahlt haben, jeßt aber dem Reich für die verflossene Zeit die Bei- träge nahzahlen müßten.
Direktor im Reichs\hazamt Aschenborn glaubte, daß er, troßdem der Antrag von Mitgliedern fast aller Parteien aus- gehe, dennoch einige Bedenken geltend machen müsse. Bei der Militärwittwenkasse, wo s{ließlich das Reich in leßter Linie verpflichtet sei, könne der beabsichtigte Ausgleih vielleicht ge- stattet werden. Dagegen liege es bei den Landesanstalten anders; denn die Beamten, welche auf die Wohlthaten des Reliktengesezes E hätten, hätten seitdem Beiträge an die Landeskassen gezahlt; nunmehr solle das Reih für ihre interbliebenen sorgen, ohne die entsprehenden Beiträge empfangen zu haben, die Seitens der anderen Beamten gezahlt worden seien. Hier werde dem Reich eine Verpflichtung zugemuthet, die eigentlih dem Einzelstaat obliegen würde, an dessen Kasse die Beamten bisher Beiträge gezahlt hätten. Außerdem sei au die Fassung des Antrags eine mangelhafte, namentlich was den Schluß- passus betreffe, daß dieser plaß unter gewissen Umständen keine Anwendung finden solle.
Abg. Baumbach bat, zur Erledigung dieser Bedenken den Antrag und mit ihm die noch nicht erledigten Vorschriften des Gesetzes einer Kommission zu überweisen ; es handele sich um eine finanziell sehr unbedeutende Belastung des Reichs.
as Haus beschloß demgemäß; die weitere Berathung wurde vertagt.
Ohne Debatte erledigte das Haus in dritter Berathung den Geseßentwurf, betreffend die Zurückbeförderung der Hinterbliebenen im Auslande angestellter Reichsbeamten und Personen des Soldatenstandes. Die Vorlage wurde definitiv angenommen.
Um 4 Uhr vertagte sih das Haus auf Mittwoch 1 Uhr.
— Im weiteren Verlauf der gestrigen (18.) Sizung
des Hauses der Abgeordneten erklärte bei der
ortsezgung der Berathung des Etats des Justiz inisteriums der Justiz-Minister Dr. Friedberg:
Als der Herr Abgeordnete die Frage vor 2 Jahren anregte, ob der Vorbereitungsdienst bei den Amtsgerichten nicht zu verlängern sei, konnte ih. die Frage nur dahin beantworten, daß nad der Ansicht der Etat kein Grund vorliege, schon jeßt eine Aenderung des Regulativs eintreten zu lassen. ZÓ bin aber seiner damaligen Anregung nit uneingedenk geblieben und habe die Präsi- denten aufgefordert, ex professo die Frage im Auge zu behalten und mir über ihre weiteren Erfahrungen Bericht zu erstatten ; da kann ih nun dem Herrn Abgeordneten bezeugen, daß allerdings die Zahl derer, die mit ihm dahin übereinstimmen, es sollte der Vorbereitungsdienst Eine Einheit-
bei den Amtsgerichten verlängert werden, os L E 46 eule noq) niht, und da
lihkeit in der Ansicht herrscht aber au ist der Grund, weshalb ich noch nit zu einer Aenderung des Regu- lativs mi habe entschließen können. Ich darf bei dieser Gelegen- heit wohl meiner allgemeinen Auffassung Ausdruck geben, daß ih nach den außerordentlihen Umgestaltungen, die gerade auf dem Gebiet der Justiz in den legten 10 Jahren vorgekommen sind, allerdings eine große Scheu habe, in der Gesepgebung sowohl als in der Ver- waltung immerfort, sobald sich nur irgendwo ein Mißstand ergeben hat, sofort abändernd Nes as ist auch der Grund ge- wesen, weshalb ich den Anregungen des Herrn Abgeordneten noch nicht Folge gegeben habe. Jch glaube aber, daß, nahdem die Mei- nung bei den zunächst berufenen Instanzen sich mehr seiner Auffassung zuneigt, ih allerdings au in der Lage sein werde, demnächst mit einer Aenderung dieser Bestimmung im Regulativ vorzugehen, so außerordentlich ungern ich au, ih wiederhole das, überhaupt zu solhen Aenderungen mi entschließe.
Was nun den zweiten Punkt anbetrifft, daß die Referendare des Ober-Landesgerichts Celle besonders unglücklich in ihren Relationen gewesen wären, so muß ih das leider bestäti en; sowohl in der Zeit, als ich selbs Präsident der Prüfungskommission war, als auch in [NNNIer Zeit i}t diese Rin allerdings allgemein bei uns gewesen ; ch glaube, tas liegt daran, daß in jenen Landestheilen die sogenannte Bergmann'she Methode im Referiren herrschend war, eine Methode, die allerdings an Weitläufigkeit, glaube ih, mehr leistete als billig
kläre ex aber wirklih, daß er fünftig, wenn die verbündeten es
Regierungen und auch die Mehrheit Hauses sich mit ihm
Thatbestand der strafbaren Handlung müsse genau definirt
war. Das war der Grund, weshalb die Prüfung in Bezug auf die
o häufig ungenügend ausfiel. Wenn aber der Herr Ab- Relationen fo f E der Prozentsaß, weil er keineswegs anohnstia an R war dem widerspräche, so kann ich diese Folgerung nicht als | d T zugeben; denn es ist kein Beweis dagegen, daß nicht die Re-
E \lecht gewesen wäre. Man kompensirte mit den übrigen f Ftigen guten Ergebnissen der Prüfung, und darum konnte Jemand, son eine ungenügende Relation geliefert hatte, doch \{ließlich bestehen, il er in den anderen Punkten überwiegende Proben seiner Kennt- ; atte. nisse abgelegt de der Relation weniger geworden und ich hoffe, De dos hi allzu ferner Zeit die Referendare der dortigen Provinz au
radsichtlih ißrer Besähigung zum Referiren niht geringer beurtheilt | seiner Rede eigentlich nur eine Deklaration dessen gegeben, was der
3nnen, als die der alten Provinzen.
h "Einnahmen des Justiz-Etats, 48 398 000 6, wurden
willigt. : A au pem ersten Ausgabetitel „Gehalt des Ministers 36000 6“, kam der Abg. Eberty auf den schon im Reichs- tage berührten e Dürholt in Hirschberg zurück und kritisirte E Einzelnen das Verhalten des Staatsanwalts Heim und d Gerichte. Der Redner erklärte, er trage diese Dinge dem Justiz-Minister vor, damit er eventuell Remedur eintreten | j lasse. Es wäre ein nationales Unglück, wenn der Glaube an die Unparteilichkeit der Gerichte verloren ginge.
Der Justiz-Minister Dr, Fr iedberg entgegnete:
Obgleich ih dem Vortrage des Herrn Vorredners mit Aufmerk- samkäit gefolgt bin, ist es mir doh U fraglich geblieben, cinmal, wie diese ganze Angelegenheit mit dem Iustiz-Etat in Verbindung zu dringen \eî, und zweitens, was denn eigentli der Zweck dieses Vor- rages sein könne? Die legten Worte des Herrn Vorredners haben
¡ch nun darüber belehrt, daß er glaubt, ih könnte aus seinen Mit- theilungen Anlaß zum Einschreiten haben, fei es gegen die Staats- anwaltschaft, oder in Bezug auf — i sage niht: gegen — sondern absichtlich: in Bezug auf die richterlichen Urtheile, die sein Mißfallen ret Pbrderst will i bemerken, daß die Angelegenheit mir nicht anz neu ist. Nämlich unmittelbar darauf, nachdem eine Ladung n den Hrn. Dürholt wegen angeblicher Beleidigung des Reichstages ergangen war, wurden mir Zeitungs8ausschnitte, eren ih mi noch erinnere, vorgelegt, in welchen dem Staats- anwalt der Bee gemacht wurde, er habe ein gerihtlihes
inshreiten — oder gar, wenn ih mi recht erinnere — eine An- sage erhoben wegen Beleidigung des Reichstages, ohne daß der Reihs- ag selbst darüber gehört worden wäre. Diese Behauptung fiel mir dermaßen auf, daß ih, obglei i sie eben nur in einem Zeitungs- uéshnitt gefunden hatte, sofort den Bericht der Ober-Staats- nwaltshaft darüber forderte, ob wirklih der Staatsanwalt fich eines olhen Versehens \huldig gemacht habe. Der erstattete Bericht ergab, daß keineswegs son ein eigentli \trafgerihtlides Verfahren bean- ragt worden war, sondern daß der Staatsanwalt, um den einstigen invand der Verjährung niht aufkommen zu lassen, den Hrn..Dürholt herdie Publikation des Artikels hatte hôren wollen, daß, als Hr. Dürholt den Einwand machte, der Reichstag sei nicht gehört worden, und er braude ih darum niht vernehmen zu lassen, dem Verfahren kein
Fortgang gegeben wurde. Ob, als dieses formale Bedenken gehoben
ar, Vrautlu der Redacteur verurtheilt worden, ift mir nit gegen- värtig, jedenfalls geht die Ausfübrung des Herrn Abgeordneten dahin, das Gericht habe den Mann zu \{chwer verurtheilt. :
Aber meine Herren, der Herr Abgeordnete selber sagt, es wäre
in nationales Unglück, wenn dur derartige Vorgänge der Glaube
der Nation an die Unparteilichkeit der Gerichte gekränkt und ge- hädigt würde. Aber darf ih den Herrn Abgeordneten denn nicht
i
ragen, wenn er diesen Gedanken selbst mit der Schärfe ausspricht, ob | da
ih nit zuerst selbst hätte fragen müssen: schädigst du niht den lauben an die Unparteilichkeit der Gerichte, wenn du ein Urtheil hit seinen Gründen in der Weise hier zu deiner Kognition ziehst nd gewissermaßen der Nation denunzirst, wie es hier geschehen ist ? Was soll ein Justiz-Minister derartigen Angriffen gegenüber hun? Habe ih — darf ih wohl fragen — die Aufgabe oder das tet, zu prüfen, ob unter den Umständen das Gericht mit Recht eine Strafe überhaupt ausgesprohen hat, und mit Recht eine Strafe in ieser Höhe? Der damals Angeklagte ist, wie ich eben von dem )errn Abgeordneten selber gehört habe, 21mal vorher wegen Preß- ergehen, die er in derselben Zeitschrift begangen, bestraft worden. {s es da so undenkbar, wenn die Gerichte endlich zu der Meinung etommen sind: weil 21 Vorstrafen nicht genügend gewesen sind, in ihn zu einer vorsihtigen Haltung in seinem Blatte zu bewegen, üssen wir da nicht zu härteren Strafen übergehen? Ich weiß nit, b die Gerichte diese oder welhe andere Erwägungen angestellt haben ; denfalls habe ih niht das Ret, in die Erwägungen, aus denen rrihtlihe Erkenntnisse hervorgehen, irgendwie einzudringen ; das will h nit und werde ih auch nit derartigen Angriffen gegenüber, wie e bier gegen ein Gericht erhoben worden sind, versuchen. Einzugreifen îre ih berechtigt, wenn einem Staatsanwalt cin unobjektives Ver- llten vorgeworfen wäre, aber ich glaube, diese Behauptung wird an hier niht aufstellen können, wenn man erwägt, daß cs ih um n Redacteur einer Zeitschrift handelt, der ebenso zu Ausschreitungen der Presse neigen muß wie der Redacteur, der 91mal vorher in eser Cigenschaft bestraft worden ist. : _ Mir ist, wie ih \{chließlich bemerken will, der Name auch {hon üher vorgekommen, ih erinnere mich nämli, daß ih vor Jahren tum angegangen worden bin, als dieser Redacteur etne Strafe zu tbüßen hatte und er bei der Verbüßung der Strafe mit dem Re- Konflikt gekommen war — 1h ih darum angegangen wurde, ih möchte für eine Milderung in r Handhabung der Strafvollstreckung wirken. Darauf habe ich an tinem Theil darauf hingewirkt, daß die Vollstreckung der Strafe diesem Verurtheilten weniger hart ausfiel, als sie nah dem (gulativ hätte ausfallen können. Vielleiht habe ih jeßt Ursache, ju bedauern, daß ih damals auf eine solche Milderung hingewirkt t; denn ih würde vielleiht den heutigen Angriff niht erfahren lben, wenn ih damals einfa das „Viat justitia“ hâtte gelten lassen, Der Abg. von Czarlinski bat um möglichste Zuziehung In Dolmetschern bei gerihtlihen Verhandlungen mit Per- nen, die der deutshen Sprache niht mächtig seien. / er Abg. Träger bemerkte: an einem gerichtlichen Urtheil the man vom Standpunkt der O wohl eine tik üben, niht aber die fen Gesinnung der Jnter-
llatv des Gefängnisses in
‘nten in die Kritik hineinziehen. Die politische Meinung ) Richters müsse für jeden Verständigen gleichgültig sein; n habe überall ein Jnteresse daran, daß die politische einung des Richters in seinem Urtheil nicht zu merken
Der Abg. Eberty habe auch ‘nur die Objektivität } Staatsanwalts angreifen wollen. Die Behauptung, daß
taatsanwalt Heim nur, um die pnvb o ae zu verhin- n, die Vernehmung Dürholt's habe verfügen wollen, lasse t auf die juristische Qualifikation desselben schließen, 0g-
riährung L von der erlangten Kenntniß der Beleidî-
ab rehne. Außerdem hätte es dem Staatsanwalt Heim innt sein müssen, daß der Reichstag die Genehmigung zur tfolgung von Beleidigungen nicht ertheilte. Gegen die jetivität des Staatsanwalts liege ein Verdacht ndestens nahe. Es sei ja auch allgemein bekannt, daß n die liberale Presse mit außerordentlicher Hestigkeit [gegangen werde, während kein Staatsanwalt für die ¡fden der sogenannten gutgesinnten Presse ein Auge zu en scheine. Sehr dankbar würde man im Lande sein, 0 der Justiz-Minister sich über zwei Fragen von höchstem iuesse, über die Einführung der Berufung und die Ent- e dung unschuldig Verurtheilter äußern wollte. Was (den eren Punkt betreffe, so sei zu verwundern, daß, während
sonst die Justiz als EckXstein der Einheit des Vaterlandes be- trachtet werde, die verbündeten Regierungen erklärt hätten,
taaten zur Entschädigung unschuldig Verurtheilter in den Etat ein-
In neuerer Zeit sind übrigens diese Klagen über | jolher Posten ?
griff sih blos gegen die Staatsanwaltschaft und niht auch gegen die Gerichte gerichtet hätte. i , holt und was damit zusammenhängt als erledigt betrachten.
örterung gestellt, von denen ich aber eigentlich zweifelhaft bin, ob sie Veränderung der Reichsgesetßgebung.
getragen, um die hier erörterten Fragen dort zum Austrag zu bringen. Da der Gegenstand hier zur Erörterung gekommen ist, so will ih mit meiner Meinung nicht zurückhalten, M ih die Einführung der Berufung allein und ohne eine gleichzeitige ! 0 ordnung in anderer Beziehung nit für einen Gewinn halten würde. Ich glaube vielmehr, daß wir mit einer solchen ifolirten Revision einen großen Rückshritt machen würden. Die Einführung der Be- rufung wurde von der Reichs-Justizgeseßgebung niht gewollt Stelle wurde eine große Reihe von sogenannten Garantien eine gerihtlihe Verfolgung verwickelten Personen in das Geseßbuch aufgenommen, Garantien, die meiner Ueberzeugung nah sogar vielfach über das Maß des Nothwendigen hinausgehen, weil sie eine energische Strafverfolgung, wie sie ja im Interesse Aller liegt, lähmen. Ießt neben und unter Aufrehthaltung dieser Garantien die Berufung einzuführen, ohne daß in den Bestimmungen darüber zugleich eine Aenderung cintrete, würde ih für einen legislativen E halten. Das sage ih hier allerdings nur als Partikular- / Staates und werde dies sagen, wenn ih bei der Reichs-Justizgeseß- gebung in meiner Eigenschaft als Justiz-Minister in Preußen zur Ab- gabe eines Votums Anlaß bekommen sollte.
Berufung auch die Frage der sogenannten unichuldig Verurtheilten gleichzeitig mit in Betracht gezogen werden müßte. — Ich gebrauche das Wort „sogenannten“ nicht umsonst ; die im Lande als unshuldig Verurtheilte ausgegeben werden, waren meiner Ueberzeugung nach als vollkommen s{chuldi verurtheilt, und gelten nur jeßt als unschuldig, weil man in dem na Jahren erfolgten Wiederaufnahmeverfahren die Schuld niht von Neuem so beweisen konnte, wie sie im ersten Verfahren vor Jahren bewiesen war. man die Bestimmung der Reichsgeseßgebung über die Wiederaufnahme des Verfahrens, ein Rehtsmittel, das ih dort für durchaus fal\ch fonstruirt glaube, nicht zugleich ändern wollte, wenn man nur die Berufung ohne Aenderung des Wiederaufnahmeverfahrens einführt, dann würde man, glaube ih, das Uebel ärger machen, als cs jeßt ist. Uebrigens hat diese Frage der Wiedereinführung A Al so doktrinär sie der Hauptsache nah ist, do auch nebenbei eine recht materielle Seite. der Bernfung gesprochen,
aß sie kein Interesse hätten, diese Frage zu lösei. Man abe die berehtigten Ansprüche dieser Leute an die Einzel- ewiesen. Jn Bayern und Sachsen seien nun Summen
estellt; warum finde sich niht auch in unserem Budaet ein
Der Justiz-Minister Dr. erg erwiderte : Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat in dem ersten Theil
err Abgeordnete vorhin hat sagen wollen oder hâtte sagen sollen. llerdings wäre meine Antwort eine andere gewesen, wenn der An-
Damit darf ich aber wohl die Frage Dür-
Der Hr. Abg. Traeger hat jedoch ferner zwei Fragen zur Er-
n diesem Hause erörtert werden dürfen. Es ist die Frage über die Der Herr Abgeordnete hat ja n einem anderen Hause, im Reichstage, selbst nah Kräften dazu bei-
evision der Strafprozeß-
an deren für die in
tinister eines
Dann glaube ich ferner, daß bei der Frage über Einführung der
denn eine Reihe von Personen,
Wenn
Gewöhnlich wird einfach von der Wiedereinführung ohne daß man sich die weitere Frage vorlegt: was wird denn die Einführung der Berufung für einen Einfluß auf den Justiz - Etat haben? Ih habe mir, ja die Frage seit Jahren auf der Tagesordnung steht, vorgelegt; nach der angestellten Berehnung würden wir, selbst wenn die Berufung an die Landgerichte und niht an die Dber- Landesgerichte ginge, einen Mehraufwand von 2286 000 # nöthig haben; denn wir würden allein \o viel mehr an Justizbeamten ge- brauchen, und dabei wird noch nicht in Anrehnung gezogen, wie ho fi der Aufwand für Zeugen und sonstige Aufwendungen |tellen würde, namentlich au, wie groß der Auswand sein würde, den wir in. den Bau-Etat einstellen müßten. 7 i Fc führe dies an, um darauf aufmerksam zu maden, daß mit
der Setuking die Gesezgebung es doch nicht so leiht nehmen darf, daß man sie sich nicht rhetorisch allein konstruiren und sagen darf: weil sie theoretish richtig ist, darum müssen wir sie nothwendig ein- führen. Will man aber — der Hr. Abg. Traeger ist, soviel ih weiß, dieser Meinung — die Berufung an die Ober-Landesgerichte leiten, dann müssen Sie unsere Organisation, wie wir sie in Folge der Reichsgeseßgebung jeßt besißen, von Grund aus ändern; denn eine Berufung mit dea weiten Bezirken der jeßigen Ober - Landesgerihte is| meiner Meinung nach eine absolute Unmöglichkeit. Wir haben Ober-Landesgerichte, wo die Gerichts- eingesessenen vielleiht bis 30 Meilen zum Siß des Gerichts haben. Denken Sie sich nun: die- Berufung geht an das Ober-Landes ericht, dann müssen sämmtlihe Personen, Angeklagte, Vertheidiger, Zeugen aus den Sigen ihrer Landgerichtsbezirke bis zum Ober-Landes ericht reisen, und damit würden Sie den Gerichtseingesessenen eine Last auf- erlegen, die meiner Ueberzeugung nah geradezu unerträglich wirken würde. Die Berufung an die Ober-Landesgerichte ist mögli in Staaten, wo der Bezirk der Ober-Landesgerichte klein ist, wie in manchen unserer Nachbarstaaten, und ih kann daher sehr gut be- greifen, daß man in solhen Staaten, wenn die Berufung eingeführt wird, daran denken kann, sie an die Ober-Landesgerichte zu legen. Bei uns aber halte ih eine solhe Organisation für eine Unmöglich- keit, und die Vorbedingung der Berufung an die Ober-Landesgerichte wäre : Zurückorganisation, Zerschlagung der großen Ober-Landesgerichte und a P A N epL der kleinen Bezirke, wie sie vor der Reichs- uftizgesezgebung waren. L S R Serre Abgeordnete ferner sagte, er hätte ih gewundert, daß ih nicht einen Etatstitel durhgeseßt habe zur Entschädigung ‘für dal big Verurtheilte, so hat er ein Argument {hon selbst ange- geben, was durchschlagend wäre, daß ih näâmlich damit die Frage eigentli präjudizirt haben würde, weil ich damit ausgedrüdckt hätte, es solle von der Entschädigung auf Grund des Geseyes nicht die Rede sein dürfeu, und zu einem solchen Hinweis habe ih fein Recht. Wenn der Herr Abgeordnete aber dann hinzufügt : man sieht doch darin „die Liebe“, daß man wenigstens etwas für unschuldig Verur- theilte thun will, L un N pen A Dat ia : Ey s
i i n jeßt wiederholt bewährt have un ; /
E T der Nachweis geführt wurde: hier hier i} ein wirklih Un-
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nämli vorgekommen ift, daß mir ist wirkli ein juristishes Unglück geschehen, j \culdiger als shuldig verurtheilt worden, — da habe ich noch jedes Mal aus Fonds, über die ih zu verfügen habe, oder die ih mir zu diesem Zweck ausdrüccklich von Sr. Majestät erbeten hatte, na Kräften für die Entschädigung wirklich unschuldig Verurtheilter bei- getragen. Das werde ih au ferner thun, und wir sind ja in der lüdcklihen Lage, daß wir für einen solchen Zweck keines besonderen Fonds im Justiz-Etat bedürfen. i / Der Abg. von Uechtriß bat um Aufbesserung der Gehälter der Gefängnißbeamten. Das Einschreiten gegen Dürholt sei nicht durch den Staatsanwalt Heim, sondern dur den Ersten
Staatsanwalt erfolgt. : L
Der Justizminister Dr. Friedberg erwiderte:
Ich habe mir das Wort erbeten, nur um der Auffassung ent- gegen zu treten, als ob der Herr Finanz-Minister si abgeneigt er- wiesen hätte, meinen Anträgen auf Verbesserung von Beamten dieser Gesellschaftsklasse stattzugeben. Der Herr Finanz-Minister ist gar- nit in die Lage gekommen, mih mit solhen Anträgen zurückzuweisen, weil ich derartige Anträge bisher noch garnicht an ihn gerihtet habe. Ich bin von der Ansicht ausgegangen, daß, wenn diese Beamten- fategorie in Gehältern verbessert werden foll, daß nicht Jsolirtes auf dem Gebiet der Justiz allein geshehen dürfe, sondern daß wir
Ih hoffe, daß das in der nächsten Zeit mögli sein werde, und verwahre nochmals ganz ausdrüdlich die naer Bas dagegen, als ob sie es vershuldet hätte, wenn jene Beamtenkategorie aus dem Zutugeiet M Ote und ihnen zu wünshende Verbesserung nod) nt erfayren Hat. y J é z
E S Trimborn bat um dieErrichtung eines Landgerichts in Krefeld. i Der Unter-Staatssekretär Nebe-Pflugstädt erklärte, daß ein Bedürfniß dafür nicht vorliege, und ein viertes Landgericht in diesem Regierungsbezirk absolut nicht lebenssähig sei. : Der Abg. Seyffardt (Magdeburg) befürwortete die Bitte
des Abg. Trimborn. Ó rah sich für die Errichtung eines Land-
Der N Hitze \ O aus ts ü - ah aus. E B der Wunsch Krefelds in
Der Abg. Biesenbach hoffte, daß un / Zukunft nah Einführung des allgemeinen Civilgeseßes erfüllt werden würde. i | : Der Abg. Brockmann wünschte, daß bei Errichtung eines Landgerichts in Krefeld die Jnteressen des Landgerichts Kleve nit außer Acht gelassen werden möchten. : Der Abg. Hagens bemerkte dem Abg. von Czarlinsfi gegenüber aus eigener Erfahrung, daß die H von Dolmetschern, fobald sie nur irgend nöthig er)cheine, erfolge. Außerdem sei es wünschenswerth, daß in der Justizgeseß- gebung in ruhigerem Tempo vorgegangen werde, damit die Juristen si in die jeßigen Einrichtungen einleben könnten. Der Abg. Cremer (Teltow) kam nochmals auf den Fall des Redacteurs Dürholt zurück und besprach dabei die Be- handlung der Redacteure in den Gesängnissen. Er wisse niht, ob eine ministerielle Jnstruktion bestehe, die Re- dacteure besser zu behandeln, ihm selbst sei es in Plögzen- see niht gestattet gewesen, \ih_ gu verpflegen. So lange nicht der Begriff des politishen Vergehens fest- gestellt sei, bleibe die A A p der Redacteure von dem guten Willen der Gefängnißinspektoren abhängig. Die Gefäng- nisse, die zu dem Ministerium des Jnnern gehörten, seien milderer Auffassung zugängig, als die, welche vom Justiz- Minister ressortirten. i E
Der Abg. Eberty konstatirte, daß der Justiz-Minister auf die Frage, was er angesihts der von ihm vorgetragenen - Thatsachen gegen den Staatsanwalt Heim zu thun gedenke, keine Antwort gegeben habe. : M
Das Gehalt des Ministers wurde hierauf bewilligt.
Um 4 Ühr vertagte sich das Haus. Nächste Sißung Mittwoch 11 Uhr.
— Der dem a der Abgeordneten zugegangene Entwurf eines Gesezes, betreffend die weitere Herstellung neuer Eisenbahnlinien für Rechnun des Staats und- sonstige Bau-Ausführungen un Beschhaffungen zur Vervollständigung und besseren Ausrüstung des Staatseisenbahnneßes, sowie die Betheiligung des Staats an den E S einer Eisenbahn von Sigmaringen (Jnitgkofen) nach Tuttlingen, lautet: :
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c., verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, was folgt: S
Die Staatsregierung wird / zu I Litt. a Nr. 12 bis 15 und zu Il zugleih unter Ge- nehmigung des beigedruckten Staatsvertrags zwischen Preußen und Sachsen-Coburg-Gotha wegen Uebernahme des Baues und Betriebes mchrerer Eisenbahnen und des Eigenthums der Bahnen Gotha—Ohrdruf und Fröttstädt—Friedrihroda durch den preußischen Staat vom 26. November 1887
ermächtigt: | /
T. Zur Herstellung von Eisenbahnen und der dur dieselbe be- dingten Vermehrung des Fuhrparks der Staatsbahnen, und zwar: a. zum Bau einer Eisenbahn: 1) von obenstein in Ostpreußen nah Marienburg mit Abzweigung nah Maldeuten die Summe von 14 267 000 X, 2) von Miswalde an der unter Nr. 1 bezeihneten Bahn Hohenstein—Marienburg nach Elbing die Summe von 2915000 M, 3) von Mogilno nach Strelno die Summe von 1144000 4, 4) von Lubliniß nach Herby die Summe von 1043000 4, 5) von Strehlen nah Grottkau oder einem in der Nähe belegen-n Punkt der Bahn Brieg—Neisse mit Abzweigung nach Wansen die Summe von 2360 000 #, 6) von
irshberg i. Schles. oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Kohlfurt—Glay nach Petersdorf die Summe von 1050 000 M, 7) von Salzwedel nah Lüchow die Summe von 1030 000 M, 8) von Triptis oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Leipzig — Gera — Probstzella nah Blankenstein die Summe von 9 090 000 - 4, 9) von Arnstadt nah Saalfeld die Summe von 10 700 000 M, 10) von Berga nah Rottleberode die Summe von 750 000 M, 11) von Gremsmühlen nah eus die Summe von 935 000 M, 12) von Ballstädt oder einem in der Nähe elegenen Punkt der Bahn Gotha— Leinefelde nah Herbsleben die Summe von 113000046, 13) von einem in der Nähe von Bufleben belegenen Punkt der Bahn Gotha-Leinefelde nah Großenbehringen die Summe von 1236 000 M, 14) von D nach Grâäfenroda oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Neudietendorf—Ritschenhausen die Summe von 1737 000 M, 15) von Georgenthal oder einem in der Nähe be- [legenen Punkt der Bahn Gotha—Ohrdruf nah Tambah die Summe von 468 000 #4, 16) von einem in der Nähe von Niederroalgern be- legenen Punkt der Bahn Marburg — Frankfurt a. M. nah Weidenhausen die Summe von 943 000 4, 1 von Weil- burg oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Oberlahnstein — Weßlar nah Laubuseshbah die Summe von 1900000 M, 18) von einem in der Nähe von Volmerhausen be- legenen Punkt der Bahn Siegburg - Dershlag nah Brügge die Summe von 5 360 000 4, 19) von Mayen nach Gerolstein oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Euskirchen—Trier die Summe von 9 500 000 Æ, b. zur Belhaaun von Betriebs8- mitteln die Summe von 9146 000 #, zusammen 76 704 000 , zu verwenden, sowie II. das Eigenthum der Bahnen Gotha—Dhrdruf und g O zu Übernehmen. i
Mit der Ausführung der vorstehend unter Nr. I Läitt. a auf- geführten Sue n n erst dann vorzugehen, wenn nachstehende Be- dingungen erfüllt sind:
ur s Der gesammte zum Bau der unter Nr. 1 bis 11 und 16 bis 19 bezeihneten Bahnen und deren Nebenanlagen nah Maßgabe der von dem Minister der öffentlihen Arbeiten oder im Enteignungs- verfahren festzustellenden Projekte erforderlihe Grund und Boden ist der Staatsregierung in dem Umfange, in welhem derselbe nah den landesgeseßlihen Bestimmungen der Enteignung unterworfen ist, un- entgeltlih und lastenfrei — der dauernd erforderliche zum Eigenthum, der vorübergehend erforderlihe zur Dane für die Zeit des Be- dürfnisses — zu überweisen, oder ' die Erstattung der sämmtlichen \taats\eitig für dessen Beschaffung im Wege der freien Vereinbarung oder Enteignung aufzuwendenden Kosten, E aller Neben- entshädigungen für Wirthschaftsershwernisse und sonstige Natheile, in rechtsgültiger Form zu übernehmen und sicher zu stellen.
Vorstehende Verpflichtung erstreckt sich insbesondere au auf die unentgeltliche und lastenfreie Pera des für die Ausführung der-
enigen Anlagen erforderlichen Terrains, deren Herstellung dem Eisen- L rterncimns im öffentlihen Interesse oder im Interesse des be- nahbarten Grundeigenthums auf Grund landesgeseßliher Bestim--
dann darauf bedaht sein müssen, diese Kategorie von Beamten all- gemein und in allen lrants gleihmäßig zu verbessern.
mungen obliegt oder auferlegt wird.