1888 / 54 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Feb 1888 18:00:01 GMT) scan diff

rozesse niht öffentlich verhandeln werden, als jeßt, sei in einer Weise erwiesen. So hoh man die Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens auch stets angeschlagen habe, so habe man doch immer die Berechtigung von Ausnahmen anerkannt. Mit Da Gesetzentwurf werde also kein Einbruch in das Prinzip emacht. s Abg. Dr. Meyer (Jena): Ein weiterer Aus\{chluß der Oeffentlichkeit als bisher liege nicht in der Tendenz des Ge- seßes, die e könne hon jegt aus denselben Gründen ausge Ee werden, die Worte „Gefährdung der Staatssicherheit“ seien nur als Erklärung eingefügt worden. Die ganze Tragweite des Geseßes werde von den Gegnern überschäßt, wenn sie meinten, daß in allen Fällen, wo politishe Dinge in Frage kämen, die Oeffentlichkeit ausge- \hlossen werden solle. Schon jeßt fönnten solhe Prozesse, 4. B. die auf Grund des Sozialistengeseßes, aus Gründen der öffentlihen Ordnung unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt- finden. Er habe kein solches Mißtrauen gegen unsere Gerichte, er vertraue darauf, daß sie die Bestimmungen zwedlmäßig handhaben würden. Jm vorigen Jahre habe er auch manche Bedenken gegen die ursprüngliche Vorlage gehabt, die Re- ierung habe aber dieselben, indem sie den Beschlüssen der Bani floa und des Plenums entgegengekommen sei, beseitigt. Menn man den Ausdruck „Staatssicherheit“ ändern wolle in den Ausdruck „Sicherheit des Reichs oder eines der Bundes- staaten“, so sei das ledigli ein formeller, _ redaktioneller Unterschied. Wenn man Mißbrauch in dieser Beziehung fürchte, so könne er bei beiden Formen stattfinden. Abg. Rintelen: Dem Legations - Rath Kayser gegen- über verwahre er sich dagegen, mit seinen Mittheilungen aus der Kommission einen Vertrauensbruh begangen zu haben. Wenn man zugebe, daß hier auch Prozesse gemeint seien, în welchen es sih um die innere Sicherheit des Reichs handele, so seien das eben politische Prozesse. Wenn der §. 173 allein ur Diskussion stände, könne er L annehmen, aber aus den olgenden Bestimmungen gehe er dessen Tragweite hervor. Der Ausschluß der Oeffentlichkeit solle verschärst werden, das Fönne er nicht zugeben. Ein Mißtrauen gegen unsere Gerichte hege er nicht. | ; Abg. Meyer (Halle): Wenn das Geseg keinen weiteren Aus\chluß der Oeffentlichkeit wolle, so solle man es doch bei den bestehenden Vorschriften S Man spreche iemlich geringschäßig von der Oeffentlichkeit des Geriiiver ahrenia und meine, es sei nicht von so großer Bedeu- tung. Früher habe man einmüthig ganz anders über diesen Punkt gedacht. Früher sei die Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens einer der wesentlihsten Punkte in jedem politischen Parteiprogramm gewesen. Man habe gemeint, die Oeffentlichkeit sei die Garantie, daß nicht vorkäme, was nicht vorkommen dürste. Seine Partei habe dur einen Jnitiativantrag kundgegeben, daß sie die Unbefangenheit, die

der Richter haben solle, am stärksten gefährdet dort sehe, wo es sich um politische Ansichten handle. beamteten Richtern gerade diese Prozesse ganz entziehen. aber den entgegengeseßten Weg Prozesse zu belassen und die teiishe Handhabung zu nehmen, 8 die sie von einem geordneten Rechts\staat habe.

Deshalb wolle sie den Nun einzuschlagen, ihnen diese einzige Garantie für unpar- widerstrebe allen Anschauun- Man age, es handele sich nur um die Ausschließung der Deffent- lihkeit in geringer Anzabl von Fällen. Wer wolle heute ih vermessen zu sagen, auf wie viele Fälle diese neue Be- stimmung angewendet werden würde? Ein derartiges Gesey sehe anders aus zur Zeit, wo es berathen werde, wie zur Zeit, nachdem es publizirt worden sei. Gerade bei Gesezen dieser Art s{chwähe man die Bedeutung während der Berathung ab. Ständen sie einmal in der Geseß- sammlung, dann werde der unumschränkteste Gebrauch davon gemacht und jeder Einwand niedergeschlagen mit dem Worte: ita seripta est. Was die Gerichte thun würden, könne er niht wissen; aber das Eine wisse er mit Bestimmtheit, daß die Staatsanwalte Anträge stellen würden, von dem Geseß in der umfassendsten Weise Gebrauch zu machen; und die Er- g habe gelehrt, daß eine Ansicht, die die Staatsanwalt- chaft mit großer Nachhaltigkeit festhalte, zuleßt eine gewisse überzeugende Kraft auf ge möchten

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agen, er das ichtungen wohl fehle es, wenn Bedeutung dieses bedauere, daß die

die Nichter ausübe. Man sage, die doh fein Mißtrauen gegen die wünshe Vertrauen zu thnen zu Fundament sei eine nach allen geordnete Rechtspflege, und daran dieses Gesey Annahme finde. Die Geseßzes sei eine unermeßlihe. Er Aufmerksamkeit sich demselben niht in öherem Maß zugewendet habe und daß es vor shlecht be- eten Bänken berathen werde; er meine, man soll Gesetze ieser Art nicht beschließen, wenn man nit volle Sicherheit habe, daß man ein beshlußfähiges Haus vor sih habe. Der Werth dieses. Gesezes sei ein ganz bedeutender, wenn auch nach der negativen Seite; es sei der stärkste Vorstoß, der seit langer Zeit gemacht sei gegen Einrichtungen, die man früher für unerläßlihe Forderungen eines RNechtsstaats gehalten habe.

Abg. Klemm: Er nehme als Vorsißender der Somtmission das Wort, um nah Außen zu beruhigen. Die Diskussion habe eine Wendung genommen, als handele es sich um eine Gefährdung des Prinzips der Oeffentlichkeit der Gerichts- verhandlungen. Das gebe er nicht zu, das Gesetz enthalte diese Tendenz niht. Nach wie vor \s{hwebe über den Gerichten, welche die A r ausschlössen, das Schwert der Revision. Die Tendenz des Geseßes, die verfolgt werde und auch in der Kommission anerkannt worden sei, gehe dahin, u sorgen, daß, wenn aus geseßlich zulässigen Gründen die

effentlichkeit einer L Lecbed ausgeschlossen sei nunmehr das, was nicht öffentlich verbreitet worden sei, au nicht öffentlih verhandelt werden könne, daß also das Geseß nit umgangen und illusorish werde. Man habe Erfahrungen, daß das geschehen ‘sei, und das wolle man beseitigen. Seine persönliche Ansicht sei allerdings auch die: ein Ge f welches unter den Augen des Geseyzes umgangen und illusorisch gemacht werde, sei die größte Gefährdung für die Autorität des Staats, und dann sei freilich besser: Kein Geseg!

Abg. Dr. Windthorst: Er acceptire die lebten Worte des Vorredners. Er bitte, das Geseg niht anzunehmen. Er bedauere, daß unter dem Vorsiße eines so ausgezeichneten Richters ein solches Do ausgearbeitet worden sei. Wenn durch das gegenwärtige Gesep an dem bestehenden Zustande nichts geändert werde, warum diese neue Redaktion? Dann lasse man es bei dem Bestehenden, was nah seiner Ansicht vollkommen genüge.

Bei der Abstimmung über einen Schlußantrag bezweifelt Abg. Meyer (Halle) die Beschlußfähigkeit des auses. ie Auszählung ergiebt die Anwesenheit von nur 145 Mitgliedern,

während 199 Mitglieder zur Besdilußfähigfeit erforderli sind. Die Sigßung wird deshalb abgebrochen. Schluß 43/4 Uhr. Nächste Sißung Dienstag 1 Uhr.

Jn der gestrigen (26.) Sißung des Hauses der Abgeordneten bemerkt bei Fortsezung der erathung des Geseyentwurfs, betreffend die Kosten der König- lihen Polizeiverwaltungen 1n Stadtgemeinden, der Abg. Bachem: Da es sich um 21 Städte handele, so müßten die Vertreter derselben sämmtlich in die Kommission gewählt werden und dann von den anderen Herren noh sieben dazu. Man sollte do versuchen, die Frage der Vertheilung der Kosten der Polizei zwischen Stadt und Staat genen zu regeln, nit für die 21 Städte mit Königlicher Verwaltung allein. Für Berlin sei der vorgeschlagene Maßstab geradezu eine Un- gerechtigkeit, denn in Berlin seien viele Polizeieinrihtungen getroffen, die nur im staatlihen Jnteresse nothwendig seien. Das Verhältniß, daß der Staat zwei Drittel der Kosten über- nehme, würde wohl besser sein. Man werde jedenfalls etwas mehr statistishes Material beibringen müssen. Uebrigens fei das Gewitter ohne jeglihes Vorzeichen so {nell über die Städte hereingebrohen, daß man einige Uebergangsbestim- mungen machen müsse, wonach die Kosten zunächst in einem geringeren Betrage REOI in Höhe von 1/4 auf fünf Jahre den Städten auferlegt würden und daß nachher erst die volle Belastung eintrete. Denn die plößliche Mehr- belastung müsse jeden städtischen Etat in Verwirrung bringen, au den der Stadt Berlin. Deshalb bitte er um Einseßung einer 28er-Kommission. : :

Unter-Staatssekretär Herrfurth: Die Staatsregierung habe eigentlich nihts Anderes gethan, als einen Wuns erfüllt, den die Landesvertretung vor 20 Jahren ausgesprochen und vor 2 Jahren wiederholt habe. Es scheine, daß der Mensch oft mit der Erfüllung seiner Wünsche gestraft werde. Die Bedenken des Abg. von Rauchhaupt seien nicht zutreffend. Die Kosten der Landespolizei sollten vorweg 1m Etat fest- gestellt und der Rest als Kosten der Ortspolizei solle zwischen Staat und Stadt ‘getheilt werden. Ueber beide Posten ‘habe das Haus dann zu beschließen. Eine Ungerechtigkeit den Städten gegenüber liege nicht vor, denn das Ober-Verwal- tungsgericht habe stets entschieden, daß die Frage des Bedürf- nisses Seitens der Gerichte in dieser Angelegenheit nicht t Pu werde; das Bedürfniß sei von Staatswegen fest- ustellen.

' Abg. Barth: Wenn man die bestehenden Ungleichheiten beseitigen wolle, dann gebe es mehrere Wege. Der erste sei die Beseitigung der Königlichen Polizeiverwaltungen ; aber zu einem solchen Experiment könne er sih troß allen Respekts für die städtishen Polizeiverwaltungen niht entschließen. Der zweite Weg würde die Trennung der Säicherheits- von der Wohlfahrtspolizei sein; die Trennung sei leiht, aber es wür- den bei Uebertragung der leßteren auf die Städte doch manche Schwierigkeiten und namentlih auch große Mehrkosten ent- stehen; denn wenn die Beamten von beiden Ressorts gemeinsam beshästigt würden, könne ihre Arbeitskraft besser verwerthet werden. Der dritte Weg, die Polizeikosten nah der Kopfzahl zu vertheilen, sei auch niht angänglich, weil die städtishen Aus- gaben dann noch geringer sein würden. Den vierten Weg sei die Regierung gegangen. Die Vertheilung scheine ihm, ab- geschen von Bexlin, au gerehtfertigt. Aber Berlin ‘müsse eine Ausnalzmestëllung einnehmen, einen erheblichen Theil der Kosten der Centralstelle e das ganze Land tragen. Denn die Polizeiverwaltung in Berlin habe eine Bedeutung über die Hauptstadt hinaus. Er möchte doch glauben, daß einige der von Berlin geschlossenen Sonderverträge unter dieses Geseßz fielen, so daß der Staat weitere Lasten auf sich nehmen müsse.

Abg. Friedländer: Es frage sich, ob für eine solhe Vor- lage auch der richtige Zeitpunkt gekommen sei. Gerade" jeßt, wo der Staatshaushalts-Etat ein freundlicheres Angesicht zeige, sollte man niht den Kommunen gleichsam überflüssiges Fett abzapfen. Die Regierung habe früher die L der Gemeinden als nit so günstig angesehen, daß sie denselben auch nur den vierten Theil der Polizeikoslen auferlegen könne. Seitdem habe sich die neue Wirthschastspolitik entwidelt und die Lage der Städte des Ostens N vershlehtert. Der Getreide- handel z. B. sei aus Breslau vollständig vershwunden ; er sei zu einem elenden Lokalhandel herabgesunken. Jn Folge der Tabacks\teuer sei eine Anzahl von großen Tabacksfirmen ge-

zwungen worden, ihreGeschäfte einzustellen. Numerisch sei die Stadt

Breslau gewachsen, finanziell habe fie sich erheblich verschlechtert. Es müsse die Bestimmung des Geseßes vom Jahre 1850 ihrem Begriffe nah festgestellt werden. Diese Vorlage seße an die Stelle der seit 30 es bewährten Scheidung der Kosten in Ee und persönlihe eine neue Scheidung in mittelbare und unmittelbare. Die Städte hätten gar kein Widerspruhs- recht. Man überweise den Städten oft ältere Beamte, welche abgearbeitet seien und daher bald pensionirt würden ; die Städte sollten nun von jeßt ab auch die Hälfte der Pensionen tragen, ohne die Hälfte der Beiträge zu erhalten, welhe die Staats- kasse seit Jahren eingezogen habe. Ein Theil der städtischen Budgetberathung werde in dieses Haus verlegt. Die Abgeord- neten der von dem Geseh betroffenen Städte müßten sih gegen die Regierung und das ganze Haus wehren, wenn es sih darum handele, neue Ausgaben für die Polizeikosten zu bewilligen. Ein NONED, welches \sih ges{chichtlich entwidckelt habe, könne nicht so leicht beseitigt werden. Der Staat könne eher eine solhe Aenderung und Erhöhung seiner Ausgaben ertragen, als eine Stadt, welhe nicht in der Lage sei, ein Defizit durh Ausnahme einer Anleihe zu decken. Eine Aen- derung, die nothwendig sei, müsse mit möglichst shonender Hand vorgenommen werden. Es werde versucht werden müssen, eine begrifflihe Unterscheidung herbeizuführen und einen an- deren Vertheilungsmodus zu finden.

Abg. Althaus spricht sich für kommissarische Berathung aus, in welcher namentlih die Quote ter Hälfte, die den Städten aufzuerlegen sei, geprüft werden müsse ; 1m Uebrigen E, sich der Redner den Ausführungen des Abg. von Rauch- aupt an.

Abg. Dr. Enneccerus : Die vertheilende Gerechtigkeit sei doch nur auf einer Seite vorhanden, denn es werde nur den großen Städten etwas genommen, während den Städten, in deren Interesse die ganze Ee angeregt sei, nichts gegeben werde. Der Vortheil alle allein der Staatskasse zu und zwar in einem Augenblick, wo die staatlihen Finanzen allgemein günstige seien, während die Gemeinden unter großen Lasten zu leiden hätten, so daß eigentli die Ent- lastung der Gemeinden die Parole der Zeit sei. Wenn der Staat von Me für die Polizei sih entlasten wolle, dann solle er solhe Zweige der Pa die sich zur kommunalen Verwaltung eigneten, den Städten über-

wenn sie unverändert angenom- men würde, dazu reizen, die Zahl der Königlichen Polizei- verwaltungen zu vermehren und die Selbstverwaltung zu be- \hränken. Jeßt müsse der Staat etwa ?/s der Kosten tragen; später solle er nur 1/5 tragen. Die Bedenken gegen die Vor- lage würden vielleicht beseitigt werden, wenn man den Städten nur 1/4 der Kosten auferlegte. Er halte eine Kommission von 28 Mitgliedern für wünschenswerth.

Finanz-Minister Dr. von Scholz:

Der geehrte Herr Vorredner hat, wie {Gon vor ihm mehrere Redner, der Meinung Ausdruck geg-ben, daß die Vorlage, welche heute das hohe Haus beschäftigt, do wesentlih oder, wenn ih richtig verstanden habe, sogar nur vom finanziellen Gesichtspunkt aus erklär- bar erscheine, daß die anderen Gesichtspunkte daher viel zu sehr in den Hintergrund getreten wäcen; er hat zur Begründung dieser Auf- fassung einige Ausführungen vorgelesen, die der Herr Minister des Innern bei früherer Gelegenheit gemacht hat. Wenn das in der Meinung geschehen ist, einen Widerspruch zwischen der Auffassung des Herrn Ministers des JInrern und der Staatsregierung im Ganzen oder der Finanzverwaltung insbesondere hervorzuheben oder anzudeuten, so muß ih dem entgegentreten. Ich bin mit den Ausführungen, die der Herr Minister des Snnern damals gemacht bat, ebenso einverstanden, wie ih glaube, daß derselbe Angesichts dieser Vorlage niht den geringsten Grund - hat zuzugeben, daß er seinen tandpunkt irgendwie seit der Zeit oder mit dieser Vorlage verändert habe. Meine Herren, wenn wir von nur finanzielem Standpunkt aus hätten die Vorlage machen wollen und ih habe im allerersten Stadium der Verhandlungen der Sache innerhalb der Regierung ja natürli diesen Gesichtspunkt zu prüfen gehabt —, dann hätten wir eine ganz andere Vorlage gemacht. Meine P ih habe seit 25 Jahren Veränlassung gehabt, mit dieser

rage mi oft und eingehend zu beschäftigen. Ich war damals bei einer Bezirksregierung, wo eine fehr umfangreiche Prozeßführung mit der betreffenden Gemeinde über Polizeikosten stattfand, und ih war leider verurtheilt, an der Bearbeitung dieser Sache einen sehr großen Antheil zu nehmen. Ih habe damals die ‘ganze Frage, auch die E dieser Frage studiren müssen und meinerseits die völlig fest|tehende, seither nie aufgegebene Rechtsauffassung ge- wonnen, daß das Geseß vom 11. März 1850 zu Gunsten der betreffenden Gemeinde in der Praxis {hon damals zu Unrecht eine zu weitgehende Auslegung erfahren hatte, und daß die im Gesey nicht begründete Begünstigung der größeren Städte dann noch stärker in der Folge hervorgetreten ist, nahdem die Rechtsprehurng des damaligen rbersten Gerichtshofes einen Anhalt dazu gegeben hatte. Meiner Meinung nah ist das Gesey vom 11. März 1850, unbefangen inter- pretirt und mit allen E interpretirt, die zu seiner Interpretation vorhanden sind, wenu man namentli auh mit der an demselben Tage publizirten Gemeinde-Ordnung interpretirt, gar nicht anders zu verstehen, als daß die Pflicht des Staats sih darauf beschränkt, die angestellten besonderen Beamten oder besonderen Behörden seinerseits zu salariren. Ich würde deshalb, wenn die Sache lediglih vom finanziellen Gesichtspunkt jeßt zu regeln gewesen wäre, meinerseits mih aub nur dafür haben aussprechen können, daß wir eine geseßlihe Deklaration herbeigeführt hätten, welche das, was das Geseh vom 11. März 1850 meiner Ueberzeugung nach gewollt hat, was aber niht im Sinne dieses Gesetzes aus- geführt worden ist, von nun ab wirkli zur Ausführung brächten; d. h. daß in den 21 Gemeinden, um die es sich handelt, der Staat ledig- lich die Bedürfnisse der besonderen angestellten Beamten oder Behörden zu befriedigen hätte, daß im Uebrigen aber die Gemeinde für die Polizeikosten gerade so wie sämmtliche übrigen Gemeinden des Landes aufzukommen hätten.

Fch habe mich also nun mit der Vorlage einverstanden erklärt, die weit entfernt von diesem finanziell richtigen Gesichtspunkt ist, die so weit geht, dem Staat die Hälfte der gesammten Polizeikosten in diesen 21 Gemeinden aufzuerlegen.

Warum, meine Herren, habe ich mich mit gutem Gewissen do damit einverstanden erklären können? In den Motiven finden Sie den Grund wiederholt hervorgehoben und damit zugleich widerlegt, daß die Vorlage lediglih vom finanziellen Gesichtspunkte aus gemacht sei; namentli finden Sie Seite 9 und 10 die Rücksicht geltend ge- macht auf die bestehenden Verhältnisse, die wohlwollende Rücksicht- nahme auf den Haushalt der betreffenden großen Städte und die Rücksichtnahme auf das staatliche Interesse, wa3 bei diesen Polizei- verwaltungen noch über das, was vorhin gesagt worden, hinaus immerhin anzuerkennen is ; dics führt auch hier dahin, daß bei einer Gemeinschaft, wo mit bestimmten Ziffern weder der Antheil des Einen noch der Antheil des Anderen auszurechnen ist, die- alte Regel eintritt, daß man eben halbirt; das ift die Art und Weise, wie man bei allen derartigen Kommunioneu \{ließlich billig herauëzukommen in der Lage gewesen ist.

Das ist also die Grundlage unseres Vorschlages, und indem ich JFhnen den auf das Wärmste empfehle, erlaube ich mir daran die Bemerkung zu knüpfen, meine Herren, wenn auch die heutige Ver- handlung nur von sehr wenigen Seiten in derselben Richtung ih bewegt hat. Das hohe Haus hier ist doch die Ver- tretung des gesammten Landes, der gesammten Tausende von Gemeinden, die alle bei der Frage betheiligt sind, und nicht eine Vertretung der 21 Gemeinden, die hier zunächst in Frage kommen. Ich meine, meine Herren, daß also Andeutungen, wie: es handle ih hier niht um eine justitia distributiva, es gebe dabei blos solche, denen genommen, nicht aber solhe, denen etwas zu Theil werden solle, es komme „blos der Fiskus“ besser weg, es handle sich um „Fiskalität“ 2c., völlig unzutreffend seien. Ja, meine Herren, das Wort Fiskus wird fast immer so gebraucht, als wäre es mit einem fatalen Geruch umgeben, als wenn man sich davor etwas zu geniren hätte, als ob etroas öd Bedenkliches dabei wäre. Meine Herren, was ist der Fiskus? Der Fiskus ist die Gesammtheit der Steuerzahler, die Gesammtheit der Gemeinden, die habe ih zu vertreten, und wer wird sih denn geniren, die Gesammtheit der Steuerzahler Preußens zu vertreten? Ist das nicht mehr_ recht, ist das nicht mehr gut, die Gesammtheit gegenüber den Sonderinteressen, gegenüber den An- sprüchen Einzelner, die der Gesawmtheit nachtheilig werden, zu ver- treten ? Das kann ja Niemand, meine Herren, den Vertretern der betreffenden Wahlkreise verdenken, wenn sie hier mit großer Wärme, ja mit dem greren Interesse für die Kommune eîn- treten, deren unmittelbare Angelegenheit wir hier verhandeln, aber es darf auch uns Niemand verdenken, wenn wir für die Gesammtheit mit derselben Wärme, mit demselben Interesse, ja mit größerem Interesse eintreten.

Ich habe von

tragen. Die Vorlage würde,

diesem Standpunkt aus nur noch ein paar Be- merkungen zu machen. Einmal bezüglich der Frage, die sowohl der verehrte Herr Vorredner als auch der Hr. Abg. Friedlaender berührt hat, ob denn jeyt der rechte Zeitpunkt sei, mit einer solhen Neu- ordnung vorzugehen. Nun, meine Herren, zu einem an sich ge- rechten Unternehmen ist Zeit; es

zumeist immer die rechte würde vielmehr die Frage gerehtfertigt sein: Warum haben wir das nicht

hon längst gethan, eine Frage, die in Ihren Verhandlungen \{chon seit 20 Jahren wiederholt erwogen worden ist, und die nur bei den besonderen Schwierigkeiten die einer solchen Regelung entgegenstehen, bisher noch immer zur Ver- neinung gelangen konnte. Aber ih gebe au nicht zu, daß der jetzige Zeitpunkt in ökonomischer Hinsicht besonders ungerechtfertigt und unpassend wäre. Meine Herren, einmal haben wir jeßt nit blos günstigere Verhältnisse der Staatsfinanzen, sondern wir haben au das Bestreben \{chon E in der jüngsten Bergungenes und bethätigen es in der. Gegenwart, der ganzen irthschaf\ts- politik der Regierung entsprehend, án diesen günstigeren Staatsfinanzen die Kommunen im Lände theilnehmen, und von diesen ünstigeren Finanzen die Kommunen die Wirkung mit empfinden zu assen. Gesetze, mit denen Sie \ich augenblicklich befassen, wegen Er- leihterung der Volksschullasten, Geseße, die Sie in der leßten Ver- gangenheit beschlossen, wegen Pensionirung der Volksschullehrer u. st. w.,

die bewe isen das ja, es ist auch das {on in den Motiven angedeutet. Es sind ¿ mannigfache Thatsachen zu konstatiren, durch welche va Staat den Kom munen gegenüber eine bessere wirthscaftlihe Lage zu schaffen hemüht gewesen T Es ist gilo gerade ein günstiger Zeitpunkt, um jeyt nach der hier in Rede stehenden Seite hin eine Ausgleihung vorzunehmen. Au ist im Allgemeinen nicht, wie der Hr. Abg. Fried- laendec annahm, die Wirkung der Wirthschaftspolitik im Ganzen oder auch nur für die Stadt Breslau im Besonderen als eine irgend E O die Leistungsfähigkeit herabdrückende anzuerkennen oder zu bezei ;

Der geehrte Herr Abgeordnete bat gesagt, daß der Getreidehandel in Breslau speziell seit dem Iahre 1879 voll E O sei, ja aufgehört habe, daß die Tabackfabrikation daselbst zurückgegangen sei, daß überhaupt ein Rückgang der Steuerfähigkeit eingetreten sei, daß die Firmen, die nicht ruinirt worden seicn, na Berlin übergesiedelt seien, daß Breélau in einem traurigen Rückgange \ih befinde. Meine Herren, ih nehme überaus warmen Antheil an dem Ergehen der Gemeinde Breslau, aber ih kann nicht bestätigen, daß mir von dieser trüben Schilderung irgend etwas bisher bekannt geworden wäre, und ih kann nicht annehmen, daß die Thatsachen dieser Schil- derung entsprehen. Ich will gleih einmal nachsehen lassen, ich bin nit i darauf A ob wirkli ich glaube es niht, möchte beinahe in diesem Augen- blie hon das Gegentheil behaupten, der Vorsicht halber will ih es nicht thun —, daß in der Einkommensteuer von Breslau irgend eine für einen so traurigen Rückgang \prehende Veränderung eingetreten is oder in der Klassensteuer. Jch glaube, daß nach dieser Richtung die Thatsachen den Herrn Abgeordneten niht rechtfertigen werden. Wenn er beklagt hat, daß die Kräste, die niht dort dur die Wirthschaftspolitik ruinirt seien, nah Berlin gezogen seien, meine Herren, dann, glaube ih, thut er seiner Vaterstadt oder seinem Wahlkreise doch recht E Unreht. Die Stadt Breslau erfreut sich einer außerordentli großen Zahl potentester und ehrenwerthester Firmen, die nicht daran denken, dort fortzugehen. Das, was er herv-rgehoben hat, mag in irgend einer einzelnen Branche zu beobachten gewesen sein, das mag sein. Im großen Ganzen ist es ein bekannter Zug, der auh bei anderen Ge- legenheiten schon oft konstatirt worden ist: es kommen von den öst- lien Landestheilen Personen nach Breslau, die ih dort zu einer ge- wissen Wohlhabenheit heraufarbeiten und dann nah Berlin ihren Luf weiter fortseßen. Das ist mit und ohne Wirthschaftspolitik von 1879 geshehen und wird auch ferner geschehen.

_Den Wünschen, daß für Berlin ausnahmsweise aus besonderen Rücksichten der eine oder andere Punkt des Geseßes noch anders ge- staltet werde, würde ich meinerseits ein unbedingtes Nein nicht ent- gegenseßen, indem ich wohl glaube, daß Gründe ih in- dieser Be- ziehung geltend machen lassen, die von Gewicht sein könnten. Im lebrigen will ich nur bitten, meine Herren, daß Sie bei der Wahl der Kommission, wenn es Jhnen beliebt, eine solde zu ernennen zur Berathung des Geseßes, und, daß Sie auc demnächst in der Kommission doch geneigtest nicht unbeachtet lassen wollen, daß wir das Interesse der Gesammtheit wahr- zunehmen haben, daß alfo nicht blos von dem Standpunkt Derjenigen, denen hier etwas gekürzt werden soll, die Sache zu beur- theilen ist, sondern von dem Standpunkt der Allgemeinheit und daß Sie in der Beziehung sih zu der Anerkennung veranlaßt finden A wir sind nicht ungerecht, nicht hart bei unseren Vorschlägen gewesen.

i Abg. von Eynern hebt hervor, daß die freisinnige Presse die Vorlage namentlich vom Berlinischen Standpunkte aus lediglih als eine Mehrbelastung für Berlin ansehe; 25 Proz. Kommunalsteuer mehr müßten erhoben werden. Die Abgg. Zelle und Genossen sollten sich einmal auf den Standpunkt der vielen niht privilegirten Klein- und Großstädte stellen welhe außer den Kosten ihrer eigenen Polizei au noh in Form der Staatssteuern die Kosten der König- lichen Polizeiverwaltungen tragen müßten. Das Gesetz von 1850 sei durch ein rkenntniß des Ober - Tri- bunals vollständig falsch ausgelegt worden zu Gunsten der Gemeinden, denn das Geseß habe keineswegs daran gedacht, daß der Staat die Kosten der Ortspolizei übernehmen solle; der Staat habe nur Kraft seiner Oberhoheit das Recht, die Leitung der Polizei zu übernehmén. Redner weist darauf hin, daß die Mitglieder des Hauses, namentlich aus der national- liberalen Partei, stets darauf hingearbeitet hätten, die Zahl der Königlichen Polizeiverwaltungen zu vermehren. Die Theilung der Kosten zur Hälfte befriedige ihn noch nit : die Städte müßten noch mehr bezahlen. Pete Ga aber müsse bei der Aufstellung des Etats die betreffende Gemeinde gehört werden, die Negierung dürfe ihr niht ohne Weiteres eine beliebige Summe auferlegen. Wenn der Staat an Po- O 41/, Millionen Mark erspare, dann müsse man das Geld dazu anwenden, den nicht privilegirten Städten einen Theil der Polizeikosten zu erseßen; er wenigstens sei niht ge- neigt, dem Finanz-Minister diejes Geld zur weiteren Schulden- ilgung etwa zu übergeben.

Damit {ließt die Debatte.

Die Vorlage wird an eine Kommission von 21 Mit- gliedern verwiesen.

Es folgt die erste Berathung des Ges egentwurfs, betreffend die Uebertragung polizeilicher Befug- nisse in den Kreisen Teltow und Niederbarnim, owie im Stadtkreise Charlottenburg an den Polizei-Präsidenten zu Berlin. :

Abg. Zelle: Er sei im Allgemeinen mit dem Gesetzentwurf tinverstanden und habe nur einzelne Bedenken. Es bestehe ein Streit darüber, ob 8. 2 des Geseßes vom 31. Dezember 1842 wona die Landespolizei das Recht erhalte, Per- sonen, die irgendwie einmal sich_ vergangen hätten, im Aufenthalt zu beschränken, noch zu Recht bestehe. Jedenfalls

öhte er diesen Paragraphen nicht dadurch sanktioniren, daß derselbe in diesem Gesey citirt werde. Die Einfügung der Genehmigung des Ober-Präsidenten für E i Verordnungen erscheiné ihm als ein Eingriff in die Selbst- verwaltung. Diese und einige andere kleine Bedenken könnten n kommissarischer Berathung erledigt werden.

Minister des Jnnern, von Puttkamer: Meine Herren! Ich freue mich, daß der Hr. Abg. Zelle an dem Veseßentwurf als solhen keine Ausstellungen mahke, daß er im Begentheil ihm seine Zustimmung ertheilte, und ih bin der Ueber- eugung, daß bei der etwa fortgehenden Diskussion sich kaum ein Mitglied des Hauses finden wird, welches einen weniger günstigen Standpunkt zu dem Geseßentwurf einnehmen wird. -- Denn as NLe liegt so auf der Hand, an i“ glaube, ß bedarf keiner weiteren Ausführungen betreffs der Noth- endigkeit, den Polizeidistrikt von erlin in Bezug auf ie Friminal- und Sittenpolizei auf die in der Vorlage ge- annten Vororte auszudehnen. ch will deshalb nur gan kurz f die Bemerkungen des Hrn. Abg. Zelle eingehen, welche, so wie h verstanden habe, Einwendungen gegen einzelne Theile des Gesetz- ntwurfs enthalten. i

Er sprach zuerst davon, daß seiner Penang nach die Auf- Gterhaltung des &. 2 Nr. 2 des Gesehes über die Aufnahme neu nziehender Personen vom 31. Dezember 1842 etwas Bedenkliches sei, dem das Recht der N bestraften Personen den Auf- thalt an bestimmten Orten zu versagen, ewissermaßen ein Veber- leibsel patriarchalisher Zustände sei elder mit der heutigen Auf- sung eines Rechtsftaats nicht mehr im Einklang stehe. Er hat

vorbereitet

dabei allerdings anerkannt, das das Ober-Verwaltungsgeriht ausdrüdlid in - wiederholten Fällen statuirt bat, diese Be- fugniß der Polizei sei noch zu Recht bestehend; und wenn er die Güte haben will, davon auszugeben, daß es sich um eine zu Recht bestehende Jnstitution handelt von der ich meinerseits annehme, daß ihre Aufrechterhaltung im Interesse der öffentlichen Sicherheit dringend nothwendig ist dann wird er kaum si dem Anerkenntniß entziehen können, daß in diesem Geseß die Befugniß des Berliner Polizei-Präsidenten in den jeyt zugetheilten Be- zirken, dies Recht der Ausweisung oder der Beschränkung des Aufenthalts, gewissen Personen gegenüber aufre{cht erhalten bleiben muß, denn irgend Iemandem muß es doch zuerkannt werden. Hr. Abg. Zelle wird selbst von seinem Standpunkt aus nicht der Ansicht sein, daß man für einzelne Bezirke, und noh dazu für solche, welche nahweislich durch das Verbrecherthum besonders gefährdet und bedroht sind, das einmal bestehende Recht aufheben und in das Freie fallen lassen kann; das würde doch wobl nicht möglich sein, und da es sich hier um friminalpolizeilihe und sittenpolizeilihe Gegen£Æ=d- handelt, so wird wohl kein Zweifel darüber sein, daß derjenige, welhem diese Befugniß am zweckmäßigsten übertragen wird, auch derjenige sein muß, dem die Verwaltung der Kriminal- und Sittenpolizei in den frag- lihen Vororten von Berlin zugetheilt werden soll, d. h, dem P Daß in Pod Händen die Sache niht {lecht aufgehoben ist, werde ich do wohl annet;men können, ich glaube nicht, daß man sagen kann, daß das Polizei-Präsidium von dieser Befugniß irgend einen Mißbrauch machen wird. Also ih nehme an, daß dieses Bedenken des Hrn. Abg. Zelle sich erledigt.

Dann hat er Einwendungen dagegen erhoben, daß die orts- und landespolizeilihen Verordnungen, welhe von dem Polizei-Präsidenten in Berlin in den Vororten in den hier bezeihneten Ange- legenheiten der Kriminal- und Sittenpolizei erlassen werden follen, nur der Zustimmung des Ober-Präsidenten bedürfen sollen und nit der Zustimmung der betreffenden Amtsaus\hüsse, die ja die Vertretungsorgane für die Amtsbezirke sind. Jch glaube, meine Herren, es handelt si hier um einen analogen Fall mit dem §. 143 des Landes- verwaltungs-Gerichtsgeseßes, Inhalts dessen in Bezug auf die Polizei- verordnungen, welche von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Sicherheitspolizei erlassen sind, nur die Anhörung, nicht aber die Genehmigung der Ortsbebörden für erforderli erklärt wird. Ich glaube do, daß die im Entwurf vorgeshlagene Regelung eine ganz angemessene sein wird, aber wenn eine Kommission zur Berathung der Vorlage beliebt werden sollte, dann wird sich ja mit dem Hrn. Abg. Zelle, der seine Ansicht vielleiht dort Lrtreten wird, hierüber disfkutiren lassen.

Sodann wendet sich eine Bemerkung des Hrn. Abg. Zelle gegen den §. 5, wonach unter Zustimmung des Provinzialraths der Provinz Brandenburg auch auf andere als die im §. 1 genannten Amtsbezirke der Kreise Teltow und Niederbarnim bezw. auf Theile von solchen von dem Minister dieselben Maßregeln für anwendbar erklärt werden können. Ich räume ein, das ist mehr Frage der Zwed- mäßigkeit. Die Regierung hatte den Wunsch, daß, wenn man zu der ea gelangen sollte, daß ein Bedürfniß zur Ausdehnung des engeren Berliner Polizeibezirks fernerhin sih herausgestellt habe, nicht jedes Mal die Maschine der Sesengebung in Bewegung zu seßen ein Zwang einzutreten braucht. enn indessen das Haus Werth legen würde, sich in as einzelnen künftigen Fall mit kleinen Fragen, die \sih auf Einzelheiten erstrecken, legislatorisch zu beschäf- tigen, so habe die Mes keinen Widerspruch dagegen zu erheben. Im Großen und Ganzen kann ich nur bitten, das Gese so anzu- nehmen, wie es Ihnen im Entwurf vorliegt.

Abg. von Benda glaubt, daß die Bedenken des Abg. Zelle

u weitläufigen Erörterungen kaum Anlaß geben würden; die

orlage könne von derselben Kommission berathen werden, welcher der vorhin erledigte Gesezentwurf überwiesen sei.

Abg. Lohren protestirt gegen die A der Vor- lage, welhe in Bezug auf die Vororte Rixdorf, Lichtenberg- Friedrichsberg, Weißensee und Reinickendorf Folgendes sage : „Aus denselben ist namentlih au bekannt geworden, daß in den Vororten stch förmlibe Verbrecherbanden gebildet batten, welche ihre Raubzüge gegen das Eigenthum der \tädtishen Bewohner in planmäßiger Weise organisirten und si bei ihren Unternehmungen durh eine geshickte Nollenvertheilung lange Zeit hindur vor ciner Entdeckung zu {ügen wußten. Troßdem diesem Unwesen in Leoailbler Weise entgegengetreten ist, kann niht behauptet werden, daß eine Besserung erreiht roorden sei. Die amtlih festgestellte Zahl der gewerbsmäßigen Ver- brecer, Zuhälter, liederlihen Dirnen u. \. w. ist in den genannten Orten nah wie vor eine sehr bedeutende, und da außerdem notorisch eine ganze Anzahl bestrafter Personen sich daselbst aufhält, ohne bei der Polizei angemeldet zu sein, so bleibt die Unsicherheit und Beunruhigung, welche sih aus der Anhäufung einer größeren An- zahl gefährliher, nur vom Verbrehen und vom Laster lebender Subjekte in den Vororten nothwendigerweise für die Hauptstadt ergeben muß, in unverminderter Stärke besteben.

Von diesen Verhältnissen hätten die Bewohner der Vor- orte erst aus der Vorlage Kenntniß erhalten. Man sollte es doch vermeiden, die konservativen Leute, welche sich bei den Wahlen als die besten U der Regierung bewährt hätten, durch solche unbewiesene Behauptungen zu beleidigen. Die Leute befürchteten, daß ihr Grund und Boden entwerthet werde.

Geheimer Regierungs-Rath Dr. von Bitter: Die Schädi- gung der Vororte, melde der Vorredner befürchte, sei eher durch seine Rede als durch die Motive herbeigeführt worden. Bei einer solchen Aenderung der Organisation müsse die Re- gierung rücsichtslos die Mißstände aufdecken. Die bisherigen Beamten hätten vollständig ihre Schuldigkeit gethan ; daß sie niht mehr erreicht hätten, liege an den eigenthümlichen Ver- O an der Peripherie der Hauptstadt. enn in Rirdorf 120, in Lichtenberg 152, in Weißensee 109, in Reinickendorf 65 pro Ee der Polizei bekannte Ver- breher gezählt würden, so sei das angesichts der Bevölkerungs- zahl bedenklich. Er erinnere an die verschiedenen Banden, die fich gebildet hätten und im Prozeß Dickhoff hervorgetreten eien, an die „Hochzeitsgesellschaft“ in Rixdorf, deren 16 Mit-

lieder, und an die unter Leitung einer gewissen Markowska Kehenbe Bande, deren 13 Mitglieder zu Zuchthaus verurtheilt gewesen seien. :

Abg. Cremer meint, daß die Motive nur von den Ber- liner Verbrecherkolonien sprächen, und hält es für nothwendig daß man das Geseß auch auf Tempelhof und namentli auf Rummelsburg, dieses Progymnasium des Verbrecherthums, wegen der dort befindlichen Filiale von, Plözensee ausdehne.

Das Geseh wird darauf der vorhin beschlossenen Kom- mission überwiesen.

Schluß 33// Uhr. Nächste Sißung Dienstag 11 Uhr.

Die Rede des Ministers des Jnnern, von Putt- kamer, in der gestrigen Sizung des Hauses der Ab- gor n bei der Berathung des Geseßentwurfs,

ree die Kosten der Königlichen Polizei- verwaltungen in Stadtgemeinden, lautete: : Meine Herren! I kann wohl mit der Erklärung beginnen, daß ih mit dem Schlußantrag des in Ahg. Zelle vollkommen einver- standen bin und auch das hohe Haus bitte, diese Vorlage in einer Kommission A zu erwägen und zu prüfen und auch den Ver- tretern der großen Städte die Gele enheit zu geben ihren Standpunkt, von dem ih annehme, daß er der Vorlage nicht sehr sympathisch sein

wird, dort geltend zu machen. Ih erkenne an, es steckt in diesem Geseßentwurf und in der Begründung desselben eine gewisse Anzahl \hwerwiegender Detailfragen, die ohne eine gründliche kommissarische Berathung nit beurtheilt und erledigt werden können. Also, wie gesagt, die Einseßung einer Kommission zur Prüfung der Vorlage, în welcher alle Interessen vertreten sind, kann der Staatsregierung nur durchaus erwünscht sein.

Fh erkenne ferner an, daß der Hr. Abg. elle sich mit Erfolg bemüht hat, seinen Ausführungen jeden politishen Hintergedanken zu nehmen und sich jeder Spißen und Schärfen zu enthalten, sondern die Ersprießlihkeit und Nüßlichkeit dieser Maßregel ganz sachlih zu diskutiren. Die Staatsregierung geht davon aus, daß es sich hier ledigli um die Regelung eines unktes handelt, bei welhem Billig- keit und GereWtigkeit herrshen sollen und bei dem es sich nur um eiye möglichst zweckmäßige Regelung der gegenüberstehenden Staats- und Einzelinteressen handelt.

Wenn aber der Herr Abgeordnete seine Ausführungen damit begann, daß er meinte, wir hätten es hier lediglih mit einem Geseh zu thun, welches sih wohl an den Namen eines hervorragenden Mit- O dieses Hauses knüpft, so glaube ih, hat er doch die historische

ntwickelung dieser ganzen Materie niht gehörig zu Rathe gezogen. Fch erlaube mir, daran zu erinnern, daß diese Frage einer gerehteren und angemesseneren Bertgenng der Kosten der polizeilihen Einrich- tungen în denjenigen großen Städten, wo Königliche Behörden die Ortspolizei verwalten, seit Jahrzehnten nicht nur die offentliche Auf- merksamkeit, sondern au die Landesvertretung beschäftigt hat. Ih fann Shnen oder könnte Ihnen ih will ja darauf verzihten, weil das alles in der Begründung steht darauf hinweisen, . daß von Jahrzehnt zu Jahrzehnt \eit Erlaß des Geseßes über die Polizeiver- waltung vom 11. März 1850 diese Frage nicht mehr zur Ruhe ge- kommen ift, und sie wird auch meiner Auffassung nah nicht eher aus der Diskussion verschwinden, als bis sie în einer ange- messenen Weise gelöst ist: nämlich die Frage, ob die jeßige Vertheilung der Kosten zwishen Staat und Gemeinde in den großen Städten, wo Königliche Polizeiverwaltungen bestehen, eine gerechte und billige ist. Darum allein dreht sih der ganze Gesetz- entwurf ; er versucht an der Hand der Erfahrung und nach den Grundsägen der Billigkeit diese Frage zu lösen und zu beantworten. Ob er das in einer nach allen Rihtungen hin den Anschauungen der Majorität dieses Hauses entsprehenden Weise thut, das wird ja die Kommissionsberathung und demnächst die Abstimmung ergeben. Die Regierung is der Ansicht, daß ihr Vorschlag der Theilung der Polizeiverwaltungskosten je zur Hälfte zwishen der Staatskasse und der Gemeinde das Richtige trifft. ___ Die Frage ist also: ist 8 rihtig, daß gerade die blühendsten, steuerkräftigsten und kapitalmächtigsten städtishen Gemeinwesen diesen finanziellen Vortheil in exorbitanter Weise haben, daß der Staat, d. h. die Gesammtheit der übrigen Steuerzahler, fast die ganzen Kosten für die Polizeiverwaltung innerhalb ibres Bezirks trägt? denn das, was die Städte jeßt an sählichen Kosten zu tragen haben, fällt in der That doch nur wenig ins Gewicht gegenüber den persönlichen Kosten. Ih glaube, die Frage wird wohl unter allen Umständen verneint werden müssen; wenigstens hien der Hr. Abg. Zelle selbst es vermeiden zu wollen, hier eine Rechnung aufzustellen, welche seiner Meinung rach dazu führen müßte, daß so, wie die Sache jeßt ge- regelt ist, es dem Rechte und der Billigkeit entspräche, daß es rihtig sei, wenn der Staat gegenüber den gegenwärtigen Zuständen und weil er die Polizei in diesen Gemeinden verwaltet, nun auch den Löwen- antheil zu den Kosten zu tragen habe, während in allen übrigen Gemeinden dies eine aus\chließlihe Kommunallast ift.

Der Herr Abgeordnete hat zunähst an dem Geseßentwourf die von der Staatsregierung vorgeschlagene Theilung monirt, nah welcher unter Aufhebung des Unterschiedes zwischen persönlichen und sächlichen Kosten künftig der Staat die Polizeiverwaltung für seine eigene Rechnung führen und die Gemeinde die Hälfte zahlen soll, indem er ausführt, daß dies ein ganz mechanischer Theilungs8modus, ein mechanischer Gesichtspunkt insoweit sei, als ja die einzige Schranke, welche begrifflich hier aufgestellt werde, im Eingang des §. 2 zu finden sei, wonach alles Dasjenige unter dieses Gefeß fallen soll, für welhes im Staatshaus- halts-Etat ein besonderer Titel ausgeworfen sei. Ih möchte mir erlauben, darauf aufmerksam zu machen, daß es si hier einfah darum handelt, die Gesammtkosten der örtlihen Polizeiverwaltung ih betone diesen leßteren Ausdruck besonders —, welche bisher nah eine be- stimmten Maßstabe von Staat und Gemeinde getragen wurden, nah einem anderen Maßstab zu regeln, und es fragt \ih, welches wird der rihtige Maßstab sein. Der Hr. Abg. Zelle hat in dieser Beziehun Vorschläge nicht nemacht. Ich glaube, daß das dem Gesichtspun entspricht, welchen der Hr. Abg. Zelle der Regierungsvorlage gegenüber überhaupt einnimmt, aber ih glaube, es wäre von seiner Seite richtiger gewesen, wenn er, sih auf das Prinzip des O \tellend, wenigstens eventuell folhe Vorschläge gemacht hätte. ie Regierung ist für eine quotitative Vertheilung, was das zweckmäßigste wäre und die wenigsten Schwierigkeiten für die Gegenwart bilden und die wenigsten Fâlle von Streitigkeiten für die Zukunft veranlassen würde, indem dur jährliche geseßliche Feststellung der parlamentarishen Körper- schaft die Sache im Wesentlichen geregelt würde. Der Hr. Abgeord- nete hat, wenn er sich dazu entschließen fönnte, die quotenweise Ver- theilung als die rihtige Grundlage anzuerkennen, ih nit darüber e ob er den Maßstab diefer Quoten, nämlich die Theilung, alb und halb für das richtige halten wolle; ich nehme an, daß er von seiner Stellung aus eine den größeren Städten günstigere Ver- theilung für däs ritigere halten würde. Jch komme darauf noch

nachher mit einigen Worten zurü.

Dann möchte i mich aber doch au noch mit demjenigen Theile der Ausführungen des Herrn Vorredners beschäftigen, welcher dazu bestimmt zu sein schien, die Aufmerksamkeit des Hauses von dem Gegenstande, der hier geregelt werden soll, abzuziehen und auf ein anderes Gebiet überzulenken, nämli auf das so sehr interessante und so viel bearbeitete, aber noch niemals gelöôste roblem, in welcher Weise am zweckmäßi sten nicht nur die Begriffsbestimmung, \ondern auch die faktishe Arbeitstheilung zwischen Moe und Kommunen getroffen werden kann. Er wünscht in der eziehung eine Deklara- tion des §. 6 des Geseßes über die Polizeiverwalturg vom 11. März 1850, und ih kann ihm sagen, daß wir uns mit diesen Fragen ein- gehend beschäftigt haben, und daß ich, theoretish betrahtet, die Mög- lichkeit keineswegs verkenne, in dieser Beziehung eine klare Begriffss bestimmung herbeizuführen; ich möchte nur nicht glauben, daß das Gegenstand dieser Vorlage sein und daß es mögli sein kann, den Versuch einer Klärung der nah seiner Meinung vorhandenen Be- griffsverwirrun zwischen Kommunal- und Polizeiangelegenheiten in diesem Ses erbeizuführen, welches mit garz bestimmt gegebenen N rewnet. Jch glaube, der Herr Akgeordnete wird nd bei der

ommissionsberathung überzeugen, daß es niht möglich ist, den Versu anzustellen; ob er gelingen wird, ob nah dem Beispiel von Dresden und Leipzig, welches uns der verehrte Herr Abgeordnete vor- führte und was wir vollkommen bekannt ist, ein sehr verlockendes nah den dort gemahten Erfahrungen sein würde, das müßte aller- dings no genau erörtert und erwogen werden, ih meinerseits bin einigermaßen in Zweifel darüber. T glaube auch nit, daß der Versuch, der heute so im Vorbeigehen von dem Herrn Vorredner emacht ist, den Begriff der Polizei zu Is auf den der icherheitspolizei, daß dieser Versuch hier niht als geglüdckt angesehen werden kann. Er citirt uns den §. 10 Titel 2 des All- emeinen Landrechts, welcher seiner Ansicht nah den Begriff der Polizei, wie er vernünftigerweise angesehen werden kann, erschöpft. Zch glaube doch, er hat die springenden Punkte dort einigermaßen übersehen, indem er ihn aus\cließlich auf den Gesichtspunkt der Sicherheit beschränkte, was den §. 10 aber keineswegs ganz ausfüllt. di Di a 7 ift It Erh e nöthigen Anstalten zar Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sigerta U Oa n zur R per en Publiko e einzelnen gliedern desselben bevorstehenden ahr zu tr ist das Amt der Polizei. l 1 V

- Nun, meine Herren, wer diesen Paragraphen in seinem Inhalt wirklich ausfüllen will, der kommt N vent Resultat daß “illes