gu aller dieser Nehte und Ansprüche an die Stelle der St. Andreas- Kirchengemeinde tritt und demgemäß die vorerwähnte Eintragung im Grundbugte auf sie umzuschreiben ist.
Eine weitere Ausstattung erhält die Zweiggemeinde von ihrer Stammgemeinde nicht.
___ Im übrigen halten wir es für wünschenswert, daß sih der Gemeinde- kirhenrat der St. Andreas-Kirchengemeinde im Einvernehmen mit dem Pfarrer Nauck der Armen- und Krankenpflege in der Zwingli-Kirchen- AERe bis zur Einführung ihrer eigenen Aeltesten in ihr Amt an- nimmt.
Berlin, ‘den 17. August 1908.
(L. S.) Königliches Konsistorium der Provinz Brandenburg. Abteilung Berlin. Steinhausen.
Nichtamfkliches.
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 20. August.
Der Präsident des Kaiserlihen Aufsichtsamts für Privat- versicherung, Wirkliche a aa Oberregierungsrat Dr. Gruner ist von Urlaub zurückgekehrt.
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Fürst Bismarck“/ mit dem Chef des Kreuzergeshwaders, S. M.SS. „Leipzig“, „Niobe“ und „Arcona“ und S. M. Torpedo- boote „S 90“ und „Taku“ am 18. August in Dalny einge-
troffen. i S. M. S. „Loreley“ ist am 18. August in Varna ein-
getroffen und gestern von dort nah Konstantinopel abgegangen.
Jn der Zweiten und Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers“ wird die vom Reichs- eisenbahnamt aufgestellte tabellarishe Uebersiht der Be- triebsergebnisse deutsher Eisenbahnen für den Monat Juli 1908 veröffentliht, auf die am Dienstag an dieser Stelle auszüglih hingewiesen worden ist.
Hefsen.
Seine Majestät der Kaiser und König ist heute morgen, von Wilhelmshöhe kommend, in Mainz eingetroffen, wo Allerhöchstderselbe von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog und den andern dort weilenden Fürstlihkeiten empfangen wurde. Seine Mazestät hielt alsdann auf dem Großen Sande eine Truppenbesichtigung ab, an die sih eine Gefechtsübung anschloß.
Oefterreich-Ungaru.
Wie die „Politishe Korrespondenz“ erfährt, hat die Antwort des österreichish- ungarischen Ministeriums des Aeußern auf die russische Zirkularnote vom 25. Juli alten Stils über die mazedonishen Angelegenheiten folgenden Jnhalt :
Die Kaiserlie und KönigliBe Regierung hat die Zirkularnote des St. Petersburger Kabinetts vom 25. Juli alten Stils mit leb- haftestem Interesse zur Kenntnis genommen. Sie teilt vollständig die im S@lußresümee dieser Note zum Ausdruck gebrachte Ueber- zeugung und ift ebenso wie die Kaiserli rufsishe Regierung der Ansicht, daß jeder auf die Ergänzung des Reformwerkes abzielende Schritt bei der Pforte bis zu dem Zeiipurkte, wo die Mächte in gegenseitigem Einvernehmen eine neue Entscheidung treffen würden, zu vertagen wäre. Indem das Wiener Kabinett der Auffaffung der russfischen Regierung zustimmt, benußt es diese Gelegenheit, um auch seinerseits die Gesichtspunkte der österreichisch- ungarishen Politik in Ansehung der leßten Ereignisse in der Türkei, deren nächster Zeuge die Monarchie ift, kurz zu vräzi- fieren: Als — es war vor nahezu fünf Jahren — das Wiener Kabinett gemeinsam mit der Kaiserlich russischen Regierung €s unier- nahm, in den Wilajets von Saloniki, Monastir und Kofsowo die als not- wendigst befundenen Neformen auszuführen, fo tat es dies nit nur zum Schutze der mazedoniscen Völkersaften, sondern auch im Interefse des ottomanishen Reichs selbst und war dabei von einem emirent friedlihen und konservativen Gedanken geleitet. Es handelte {ih darum, die türkische Verwaltung in den drei Wilajets zu verbessern. Die neueste politische Bewegung in der Türkei verfolgt augensceinlih denselben Zweek. Ihre Methode ist indes eine verschiedene. Das Uebel wird an der Wurzel gefaßt, und die Reform der Verwalturg în Konstantinopel selbst begonnen, um alsdann über das ganze Reih ausgedehnt zu werden. Wir könnten uns nur beglückwünshen, wenn diesem neuen, durch die Entscheidung Seiner Majestät des Sultans s\anktionierten System ein Erfolg be- schieden sein und es gelingen sollte, auf diese Weise zu einem für alle Untertanen des türkisWen Reis ohne Untershied der Konfession und der Nationalität gleich vorteilhaften Zustand zu gelangen. Dies war stets in den Intentionen unserer Politik gelegen. Schon vom Anfang der jeßiaen Krise an war das Wiener Kabinett der Meinung, daß die Mächte eine reservierte“ Haltung einnehmen müfsen, und jeder un- zeitzemäße Schritt, der die Lage vershärfen könnte, ¡u vermeiden sei. Es hat nit ermangelt, diese jeine Auffassung dem St. Petersburger und den übrigen Kabinetten mitzuteilen. Der Entschluß der Kaiser- lien Regierung, die Ueberreihung ihres Reformplanes aufzusHieben, entspringt demselben Gedankengang, und die Kaiserlihe und Königliche Regierung beeilt fich daher, denselben mit Befriedigung zur Kenntnis zu rehmen.
Wie die „Neue Freie Presse“ meldet, hielt der Minister des Aeußern Freiherr von Aehrenthal im gemeinsamen Ministerrat über die gesamte auswärtige Lage, insbesondere über die Rückwirkung der türkishen Ereignisse auf Bosnien, einen ausführliGen Vortrag, an den sich eine längere Debatte knüpfte. Ueber die bosnishen Angelegenheiten wurde keine Entscheidung gefällt. Jn einer vorausgegangenen Besprechung zwischen dem Freiherrn von Aehrenthal und den Ministerpräsidenten Freiherrn von Beck und Dr. Wekerle über den serbishen Handelsvertrag wurde dem Freiherrn von Beck freie Hand gelassen, mit Rücksicht auf die parlamen- tarishen Schwierigkeiten in - Oesterreih hinsihtlich der Akti- vierung des Vertrages nah den Erfordernissen der jeweiligen
Lage vorzugehen.
Niederlande. -
Der Ministerrat war, „W. T. B.“ zufolge, vor- gestern beinahe ununterbrochen von 3 Uhr bis Mitter- nacht versammelt, um über die Haltung der Regierung in dem Konflikt mit Venezuela und über die Antwort auf das Schreiben der venezolanishen Regierung zu - beraten. Der Minister des ern van Swinderen begab sih nah dem Schlosse Loo zu einer Audienz bei der Königin Wilhelmina. — Ueber das Ergebnis der Beratung der Minister teilt das „Journal Telegraaf“ mit, daß die Regierung vorläufig n die Offensive ergreifen werde. Nichtsdestoweniger seien Maß- nahmen getroffen, um für den Fall, daß ein Ultimatum nötig werden sollte, im September noch zwei Kreuzer nah dem Caraibischen Meer abgehen zu lassen. Ueberhaupt werde alles getan werden, um eine friedlihe Lösung der Differenzen mit Venezuela herbeizuführen. Die Regierung beabsihtige des- halb, ihr weiteres Verhalten von den Ergebnissen der Flotten- kundgebung abhängig zu machen. |
Belgien.
In der gestrigen Sißung der Deputiertenkammer wurde das Kolonialgeseß beraten.
Bezüglich des Artikels 1, der von der Congoshuld handelt, wurde von der Regierung die Ansicht vertreten, daß Belgien sich den Verpflichtungen gegen Dritte nicht entziehen könne, doŸ zugestanden, daß Belgien der Kolonie Unterstüßung nur in Form von Vorshüfsen ¿zu produktiven Zwecken und zu Zinszahlungen leisten dürfe. Ein Vorslag der Regierung, Artikel 1 in diesem Sinne zu ergänzen, wurde mit 75 gegen 54 Stimmen bei 10 Stiimmenthaltungen ab- gelehnt, fodann der Artikel in zweiter Lesung angenommen.
__ Jn der Nachmittagssißung verlas der Minister des Aus- wärtigen eine Erklärung über den Meinungsaustausch, der zwishen England und Belgien in bezug auf die fünftige Regierung des Congostaats stattgefunden hat. Jn der Erklärung heißt es:
Der Staatssekretär Srey habe im Unterhause erklärt, daß eine neue Note an Belgien gerihtet werden würde. Die belgishe Regierung werde sie beantworten, von dem einzigen Wunsche geleitet, eine Bets legung berbeizuführen und womßöglich eine Entente zu sckließen, die wieder Bande der Freundshaft zwischen Belgien und Eng- [and knüpfen werde. Die von dem Chef des britishen auswärtigen Amts geäußerte Anficht fei weit davon entfernt, Belgien die Ver- pflihtung aufzuerlegen, den Zeitpunkt der Annektion aufzuschieben. Denn aus der von der enalischen Regierung zu wiederholten Malen borgebraWten Anschauung gehe hervor, daß sie vor allem den Wunsch bege, die Angliederung vollzogen zu sehen.
Türkei. eitung“ meldet aus Konstantinopel, daß
asch a, Wali des Wilajets Kossowo, zum Armeekorps ernannt
Die „Kölnische Machmud Schewket kfommandierenden General des TII. worden sei.
Amerika.
Einem „W. T. B.“ aus Caracas zugehenden Tele- gramm zufolge, hat der Präsident Castro es abgelehnt, dem brasilianishen Gesandten die Wahrnehmung der französischen Jnteressen in Venezuela zu gestatten. Der venezolanische Minister des Aeußern hat, troßdem er ursprünglih dem Arrangement geneigt war, in einer Note erklärt, daß die Regierung dessen Annahme verweigere, weil die französish- venezolanishe Streitfrage in engem Zusammenhange mit der amerikanischvenezMhen Streitfrage stehe und das vor- geldlagene Arrangement daher die Fortdauer der freund\schaft- ichen Beziehungen zu Brafilien gefährde.
Afrika.
Wie „W. T. B.“ aus Marrakesch vom 15. d. M. ge- meldet wird, vernichtete die Mahalla des Sultans Abdul Asis die Truppen El Glauis bei Sidi Guellal und eine zweite hafidishe Mahalla bei Sidi Rahal. Zu derselben Zeit zog der Kaid Mtugi in Marrakesch ein.
Australien. Die amerikanishe Schlachtfloite is gestern vor Sydney angekommen.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die preußishen Sparkassen im Jahre 1906.
Das Königlich preußische Statistishe Landesamt ve:röffentliht in seiner Zeitschri}t eine eingehende Untersuhßung über den Geschäfts- betrieb und die Ergebnisse der preußischen Sparkassen im Rehnungs- jahr 1906. Aus den dieser Arbeit beigegebenen tabellarishen Ueber- sichten ift das Folgende mitzuteilen :
Die An1ohl der Sparkassen stig während des Rebnungsjahres 1906 von 1583 auf 1606. Von diesen 1606 Sparkassen waren 732 städtische (gegen 724 im Borjahre), 246 Landgemeinde- usw. Kassen (233), 441 Kreis- und Amtssparkassen (434), 6 Provinzial- und ständische (wie im Vorjahre) und 181 Vereins- und Privatsparkassen (186). Zu den 1606 Sparkassen cehörten 693 Filial- oder Neben- faffen und 2814 Sammel- oder Annahmestellen; bei einem Zugange von 23 bezw. 103 Sparstellen überbauvt waren also 5113 gegen 4964 im Jahre 1905 und zwar in 4150 Orten (gegen 4044 Orte im Vorjahre) vorhanden. Es kam fomit eine Sparstelle auf 7421 Ein- wohner gegen 7523 im Jahre 1995. Die meisten Sparkassen hat das Rheinland (250) ; es folgen Shleswig-Hclstein (199), Westfalen (197), Slesien (181), Hannover (176), Safen (141), Brandenburg (112), Posen (88), Pommern (83), Hefsen-Nafsau (80), Ostpreußen (51), Westpreußen (45), Berlin (2) und Hohenzollern (1).
Sparkassenbücher waren 11095276 im Umlaufe; gesperrt waren 169 715 Bücher. E
Die Einlagen betrugen am S@&lusse des Berihtsjahres 8788 Millionen Mak; gegenüber dem Jahre 1905 nahmen sie um 494 Millionen zu. Von diesen Einlagen sind bei den städtishen Syar- kassen 51 v. H., bei den Kreissparkassen 32 v. H. und bei den übrigen Sparkassen zusammen 17 v. H. eingezahlt,
Auf den Kopf der Bevölkerung Preußens kamen an Spars einlagen 232 Æ gegen 222 (G im Jahre 1905 und auf jedes Sparkassenbuch im Dur(hsczniit 792 gegen 779 M im Vorjahre.
Als Reservefonds waren 538 Millionen Mark vorhanden ; gegen 1905 trat eine Verringerung um 5 Millionen Mark ein.
Für öffentlihe Zwedcke find seit dem Bestehen der Kafsen 353 Millionen Mark aufgewendet worden, davon 22 Millionen im Jahre 1906.
Nah Art der Anlage kamen von den zinsbar angelegten Kapitalien auf Hypotheken 59 v. H., auf Inhaberpapiere 25 v. H., auf Anlagen bei öffentlihen Instituten 11 v. H. und auf Anlagen in Schuldscheinen, Wechseln usw. 5 v. H.
Der der Berehnung zu Grunde liegende Bilanzwert der Inhaberpapiere stellte ih im Durschnitt im Jahre 1906 auf S v9. ihres Nennwerts; gegen 1905 fiel dieser Bilanzwert um # V, L) -
In Schuldverschreibungen des Reichs waren 214 Mils- lionen und in folchen Preußens 714 Millionen Mark angelegt.
Der Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe be- ruhenden rwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften bält in der kommenden Woche in Frankfuri am Main seine 49. Tagung. Die in gewaltigem Wachstum über ganz Deutschland ausgebreitete Organisation vecbindet damit die Erinnerung an ihren Gründer Schulze-Delißsch, der am 29. August 1808, also vor hundert Jahren, geboren wurde. Der tausend Delegierten, die bej der Tagung erwartet werden, harrt cin umfangreiches Arbeits. und Festprogramm. Die Verhandlungen beginnen am Sonntag, 23. August, mit einer Sizung des engeren Ausf{usses, am Montagvormitfag tritt der Gefamtausshuß zusammen, am Dienstag folgt die Festfeier für Schulze-Delißsch im Kaufmännischen Vereins faal. Am Mittwoch beginnt die Neihe der Hauptversammlungen, die bis Sonnabend dauern und neben den gemeinsamen Angelegenheiten aller Genofsenshaften die besonderen der Baugenofsensckaften, der Fe tgeno j ensGoltun, der Konsumvereine und der Händwerkergenossen- schaften behandeln. Den Schluß mat ein Auëflug nach Homburg, Aus dem Ausland werden Genofsenschaftsverbände Oesterreichs, Frank, reis, Belgiens und der Schweiz vertreten sein.
Beruflihe und soziale Gliederung des bayerischen Volkes,
In welchem Maße beteiligt fich das Volk am Erwerb? In welchen Berufen vollzieht sh dieser Erwerb, und mit welher Stärke wird er da ausgeübt? Inwieweit sind die einzelnen Erwerbstätigen bei ihrer Tätigkeit selbständig oder abhängig? In welcher Richtung haben sich diese Verhältnisse neuerdings fortentwickelt ? Auf diese Kardinalfragen unseres wirtschaftlißen und \ozialen Lebens gibt die Berufszählung vom 12. Juni 1907 Antwort, deren Hauptergebnis für Bayern soeben vom Königlih bayerisWen Statistischen Bureau fertiggestellt wurde.
iernach ist es von den 6,6 Millionen der bayerischen Bevölkerung rund die Hälfte, welche die eigentliche Arbeitskraft des Volkes repräfentiert; und zwar {afen 3,3 Millionen oder 50 9% als „Erwerbstätige mit einem Hauptberufe“ unmittelbar für die Volkswirtschaft, 115 080 oder 1,7 9% als Hausgesinde. Den übrigen Teil der Bevölkerung bilden 2,8 Millionen nicht erwerb8tätige Familienangehörige (41,8 9/5), worunter neben den noch nicht und den niht mehr erwerbsfähigen Haushbaltsmitgliedern auch die mit der Bes forgung des Hau9wesens befaßten Ehefrauen inbegriffen find, ferner 424 354 (6,4 9/0) fogenannte- berufslose Personen, eine Sammelgruppe, die außer Rentnern, Perfionären auch Armenunterstützte, Anftalts- infassen und solche, deren Beruf nicht feststelbar, ein\ch{ließt.
Die Hauptgebiete wirtschaftlicher Betätigung sind Land- und Forstwirtshaft, Gewerbe und Industrie, Handel und Verkehr: 8509/9 von Bayerns Bevölkerung (5,6 Millionen Erwerbs, tätige mit deren Angehörigen und Dienftboten) finden hierin ihre Nahrungéquelle. Die meisten Menschen (2,6 Millionen oder 40 9%) versorgt die Land- und Forstwirtshaft (darunter allein 2587 255 die Landwirtschaft), näht ihr Gewerbe und Industrie (2,2 Millionen oder 3309/0); von Handel und Verkehr leben 765 000 oder 11,6 9%. Armee-, Hof-, Staatsdienst und freie Berufe ernähren 5 9% der Be- völkerung (34 300), es zählen hierher die Beamtenschaft, Geistliche, der Lehr-, Wehrstand, Gelehrtenwelt, Künfilershaft. Außerdem sind noch 60 009 Lohnarbeiter wechselnder Art sowie die 424 354 berufë- losen Selbständigen, die mit ihren Angehörigen und Dienstboten 571 704 ausmachen, zu erwähnen.
In bezug auf die soziale Stellung, die die einzelnen in ihrem Berufe einnehmen, gliedern sich die 5,6 Millionen der zu Landwirt- haft, Industrie und Handel gehörigen Bevölkerung derart, daß auf die Schicht
Erwerbstätige nebst darunter der Dienenden und 9% |Erwerbetätige 9/6 Angehörigen ür fih Selbständigen . 2173 470 38,7 (98 183 247 Angestellten 237 920 4,2 99 068 3,2 Arbeiter . 3211 438 0,L 1. 2210481. (21
treffen. Am größten ist die Selbständigenziffer von den genannten Berufszweigen in der Landwirtschaft (47,7 9/9 aller zur Landwirtschaft gehörigen Personen), die Angestelltenziffer in Handel und Verkehr (12 19: die Arbeiterziffer în Gewerbe und Industrie (65,1 9/0), nämli :
Prozenanteil der 3 sozialen Klafsen”in
i Schicht der Landwirtschaft Industrie Handel Selbständigen ° 47,7 28,8 39,9 AHgeielet . « 0,4 6,1 12,0 A S s 51,9 65,1 DP L,
Welche Entwicklung in diesen deruflihen und sozialen Verhältnissen vorgeht, ergibt ein Vergleih mit den Ergebnissen der früheren Berufszählungen von 18% und 1882. Darnath ist die Erwerbstätizkeit nicht nur überhaupt, sondern nawentlich au bzim weiblichen Geschlecht gestiegen, allerdings niht ganz in dem Umfang, den die nachstehenden Zahlen bekunden, weil die — überhaupt \{chwierig ¿u ermittelnden — mithelfenden Familienangebörigen von den einzelnen Berufszählungen nicht gleihmäßig erfaßt wurden, namentlih im Jahre 1895 niht fo genau wie 1907, und daher die Erwerbsziffer von 1895 etwas zu niedrig, die Angehörigenziffer etwas zu bo gegenüber den tatsählihen Verhältnissen ausgefallen ist:
Prozent der Gesamtvevölkerung des Jahres 1907 1895 1882 Erverdölätige «€00 I 46,5 1 2,4 1,8 MUgeotige »- ch4 o ALS 47,0 46,4 Berufslose Selbständige . . . 6,4 5,5 5,2.
Die gefteigerie Erwerbstätigkeit vollzieht sich hauptsächlich in Berufen von Indusfirie und Handel, nur in geringem Mcße — und dies wegen stärkerer Beteiligung weibliGer Personen — in der Land- wirtschaft. Es betrugen rämlih die Zunahme der Berufszuaehörizen (Erwerbstätige mit Dienenden und Angebörigen) und deren Aateil an der Gesamtbevölkerung :
Zunahme 1895—1907 | Prozent der
in | Gesamtbevölkerung . absolut 9% | 1907 1895 1882 Land- und Forstwirt- | Ait. . «F L + 04-1 0 05 909 darurter Landwirt- | E. «s S a 1397 4+ 005 | 392 447 501 Gewerbe und Industrie + 404903 +226 | 33,3 31,0 28,3 Handel und Verkehr . +200 672 +355 | 116 98 8,53 Dienste wechselnder Art + 14874 + 32,8 09. 08. 07 Staats- 2c. Dienst, freie Berufe . . .. e + 48585 4165 5,2 01 47 Berufslose Selbständige + 138 398 +319 | 87 7,5 7,1 Summe . 818892 +142 | 100 100 100.
_ Hand in Hand mit dieser beruflichen Entwicklung geht eine Ver- s{iebung in den sozialen Klassen. Die Klasse der Angestellten und Arbeiter hat \sih weiter vermehrt, die der Selbständigen ist an Zabl
¡urüdckgegangen : - Zu (+4) bezw. Abnahme (—) — seit 1895 Erwerbstätige nebst
Dienenenden und Erwerbétätige
Angebörigen für fich A — 359 226 — 5779 Engestellte ó —+ 119 655 + 48736
Arbeiter . 1 856 608 L 608 351.
Am schärfften tritt diese Vershiebung in Gewerbe und Industrie hervor. Bei der Landwirtschaft deuten nabstehende Zahlen zwar auf die gleihe Richtung; sie find aber wesentlih dadur beeinflußt, daß, wie erwähnt, die mithelfenden Familienargebörigen 1907 genauer er- faßt worden und demzufolge nit mehr in der Shiht der Selb- ständigen (als deren Angehörige), wie im Jahre 1895, fondern in der
t der Arbeiter gezählt sind. Im Handel, ina welchem bekannt- Ss iSlcin- und Alleinbetriebe vielfah vorkommen, haben alle drei sozialen Klassen zugenommen, auch die der Selbständigen; inwieweit diese Mehrung der Selbständigen mit der bei Gewerbe und Industrie festgestellten Minderung der Selbständigen in Zusammenhang steht und nur auf vershiedenariige Berufsklassifizierung von kleinen Hand- werkern und dgl, die no einen Laden haben, zurückzuführen ist, muß einstweilen dahingestellt bleiben. ; Es betrug die Zu- (+) bezw. Abnahme (—) [seit 1895] der Er- werbstätigen mit Dienenden und Angeßbörigen in der Klafse der Selbständigen Angestellten Arbeiter
Landwirtschaft . — 267 4811) + 92509 + 276 4343) Industrie . . — 103 255 +— 74922 —+ 433 236 Handel . .—+ 11510 + 42224 —+ 146 938 Summe . . — 359 226 —+ 119 655 —+ 856 608; Die Zu- bezw. Abnahme der Erwerbstätigen für sich in der Klafse der
Selbständigen Angestellten Arbeiter
Landwirtschaft . —+— 19458) + 1709 —+ 338 0544) Industrie . . . — 20286 + 29909 —+ 191 037 Handel . . —+ 12 562 + 17118 —+ 79260 Summe. . — 9779 + 48738 —+ 608 351,
1) nämlich + 6523 Männer, — 274 004 Frauen. — ?) nämli — 26 685 Männer, —+ 303 119 Frauen. — ?) darunter + 546 Männer, + 1399 Frauen. — #‘) darunter — 10931 Männer, —+ 348 989
Frauen. | Von 100 der Bevölkerung des vorngenannten Berufszweig8s gehören zur Klasse der
Selbständigen| Angestellten Arbeiter 1907 1895 | 1907 1895 | 1907 1895 Landwirtschaft . 47,6 57,9 04 03 52,0 41,8 SHdInee - 28,9 41,0 6) 3,8 65,0 55,7 Handel G 35,9 46,6 120. A8 52.1 44,6
zusammen 387 06 | 42 24 | 01 47,0 Von 100 Grwerbstätigen des vorngenannten Verufszweigs sind:
Selbsiändige | Angestellte Arbeiter 1907 1895 | 1907 1895 | 1907 1895 Landwirtschaft . 25,6 32,0 03 03 | 741 s Fndustrie. ; 21,7 29,5 99 291 731 676 Handel 28,5 35,9 | 113 9,4 |_60,2 54,5 zusammen S7 B10 32 24 721 664
Die Entwicklung der berufliGen und fozialen Verhältnisse in Bayern bewegt si hiernach wesentli in der gleihen Richtung fort, die bereits bei der Berufszählung von 1895 für die Zeit von 1882 bis 1895 festgestellt wurde. — Weitere Einzelheiten hierüber unter gleichzeitiger Berücksihtigurg der von der Berufsftatiftik unterschiedenen 26 Berufsgruppen und 218 Berufsarien sowie der Nebenerwerb2- verhältnisse und der Befonderheiten in den aht Regierungsbezirken wird das demnächst (im Lindauershen Verlag, München) erscheinende Heft 80 der „Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern“ enthalten.
Zur Arbeiterbewegung.
Der Ausftand der Straßenbahnarbeiter in Shwerin ift, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, für beendet erklärt worden. (Val. Nr. 195 d. BL.) : :
Die drohende Ausf perrung der Terxtilarbeiter Mährens wird, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, vermieden werden, da eine Einigung zwisGen den Arbeitern und Arbeitgebern erzielt wurde. (Vgl. Nr. 192 d. Bl.)
Die Hafenarbeiter in Livorno sind, der „Köln. Ztg." zus folge, in den Ausftand getreten,
Aus Konstantinopel meldet die „Rh.-Westf. Ztg.“, daß das Personal der Peraer Druckereien seit einigen Tagen ausftändig ift; es erscheint keine europäsche Zeitung. Am Dienstag traten von neuem die Kohlenträger im Hafen in den Ausftand.
Bauwesen.
L
Ueber die Arbeiten am Campanile in Venedig erstattet Diego Angeli in der „Stampa" einen Berichi. Danach erbebt der Turm ih beute {on bis zu 45 m und wird voraussfi@tlib im No- vember 1909 vollendet werden, worauf im folgenden Mat die Marmor- loggia hergestellt werden foll, die sich auf ibm erhebt. Bei dem alten Turm waren die Steine der Basis zum Teil aus fast unbearbeitetem istcishen Fels, zum andern Teil Bruchftücke von Ambonen, die noch die Spuren des byzartinishen Meißels aufwiefen. Die Mauer- steine waren aus allen Zeitaltern; viele trugen noH die Siegel rômis {er Kaiser, ven Nero bis Theodosius. Für die neue Basis wählte man einen außerordentli harten Stein und beftellte bei einer Fabrik in Revigo regelmäßige Ziegel, die ale hemisch untersucht und einem starken Druck . unterworfen wurden, ebe sie zur Verwendurg kamen. Während der Turm in die Höhe wächst, wird in einem der Säle des Dogerpalastes die Loggetta des Sansovino wiederhergestellt. Der Campanile bat in seinem Sturz die Statuen, die Neliefs und die Bronzegitter verbältnismäßig wenig beschädigt ; au die meisten Säulen und Marmorkapitelle sind erbalten und brauen rur durch antik-römishe Stücke ergänzt zu werden. Die Statue der Jungfrau aus vergoldeter Terrakotta, die in der Kapelle verehrt wurde, war inTausende von Bruchstücken zers{chmettert; fie ist heute von Künstlern mit außerordentliher Geduld wieder zusammengesetzt worden, und nur der kleine Johannes neben ihr fehlt, der bei dem Einsturz in Staub verwandelt wurde. Auch die alten Slecken sollen durch mglist ähnliche erseßt werden.
Land- und Forfttoirtschaft. Der Saatenstand in Preußen Mitte August 1908.
_Seit dem leßten Berichte ist das Wetter reht unbeftändig ge- wesen. Wärme, zeitweise bis zur Hitze gesteigert, herrschte vor; nur in der lezten Woche war es kühl. Zahlreihe Niedershläge brachten erwünshie Feuchligkeit, welhe jedo pielfah zu spät kam und auch, da der Boden nach der wochenlangen Dürre und außergewöhnliten Die besonders aufnahmefähig war, nicht immer genügte. Klagen kfonimen in dieser Beziehung bauptsählich aus West- und Ostpreußen, Brandenburg und Pommern. Anderfeits wirkte aber die Näfse dur Vebermaß verderblih, besonders im Regieruncsbezirk Oppeln und au im übrigen Schlesien. Oftmals ist über hefiize Gewitterregen, die das Getreide im großen Umfange zum Lagern braŸten, und über be- deutenden Hagelichaden berichtet.
Die Getreideernte ist in vollem Gange. Ers{wert wird sie durch das Lagern der Frucht und du:ch viele, an sih niht ergiebige, aber dech den Arbeiten sehr hinderlide Regenshauer. Im großen ganzen ist man aber mit dem Erntewetter zufrieden.
Vom Wintergetreide ist der Roggen ziemlich unter Da, im all- gemeinen gesund und troden. Der Regen war für seine Entwicklung zu [pat gekommen; er hatte jedoch auch weniger unter der Dürre zu leiden gehabt als die später reifenden Früchte. Hin und wieder wird allerdings berichtet, daß das Korn infolge des Lagerns und zu früher Reife aiht völlig ausgebildet sei, weit öfter aber die Güte der bollen und trockenen Fruhi hervorgehoben. Auêwuhs hat i ia nennen8werten Umfange nur in Sthlesien, baupt- ahlich Oberschlesien, gezeigt. Die Angaben über den Erdrus geben sehr auseinander, aber troß teilweiser ungünstiger Blütezeit und troy lüdckigen Bestandes ist nach der für den Staat er- tehneten Begutahtungsz!ffer 2,5 eine recht gute Mittelernte zu er- warten. — Auch vom Winterweizen ift \{chon viel geshnitten und eingefahren. Er hat, wie der Roggen, in Sthlesien durh Auswuchs Swaden genommen soll, wie wiederholt aus dea Regierungsbezirken S&leëwig und Caffel und vereinzelt aus anderen Gegenden gemeldet wird, von Rost befallen, auch in der Entwicklung des Korns durh das Lagern beeinträchtigt sein. Im allgemeinen aber ist man mit der
Güte des Kornes zufrieden. Die groß:n Hoffnungen, die auf den Weizen in den ‘beiden Vormonaten geseßt wurden, erfüllt er nicht ganz; seine Note ift von 2,3 im Juni und 2,4 im Juli jeßt auf 2,5 zurückgegangen, hiermit aber immer noch gute Ertragsauztsichten er- öffnend. Der Spelz endlich, der teilweise vom Brand befallen ift, notiert jeßt 2,4 gegen 2,2 im Juli. S
Auch vom Sommergetreide ift {on viel eingebraht. Wie in den Vormonaten wird es nit so günstig beurteilt wie die Winterung; au ist es mehr a!s diese vorzeitig gereift. In den östlichen Gegenden ift infolge der Einwirkung von - Hiße «und Dürre die Sommerung fast gleihzeitig mit der Winterung s\{chnittreif eworden, sodaß, da die Arbeiten nicht {nell genug zu bewältigen
nd, Verluft durch Ausfallen befürhtet wird. Auch ershwert umfangreihes Lagern das Schneiden und beeinträhtigt die Aus- bildung der Körner. Die Gerste hat hin und wieder hierdurch ihre Ver- wendbarkeit als Braugerste eingebüßt. Ueber Urkraut, namentlich im Hafer, wird „viel geklagt. Weizen, Roggen und Gerste haben ihre vormonatigen Ziffern 2,7, 2,9 und 2,8 beibehalten, Hafer hat sogar 0,1 gewonnen und notiert jeßt 2,8; dagegen sind die Hülsenfrüchte Erbsen, Ackerbohnen und Wicken von je 2,7 auf 2,9, 2,8 und 2,8 zurückgegangen. Auch die Sommerung berechtigt also zu der Hoffnung auf eine gute Mittelernte. Í
Die Hackfrüchte, sowohl Kartoffeln wie Zukerrüben, haben ihre Julinote verbessert: vordem 2,8, hat sich jeßt für beide troy ihres lüdenhaften Bestandes 2,6 ergeben. Im übrigen weihen gerade bei Kartoffeln die Einzelangaben sehr von einander ab. Ueber Blattroll- oder Kräufelkcankheit wird nur vereinzelt berihtet. Jm Regierungs- bezirke Arnsberg {eint sie jedoch mehr um fich gegriffen zu haben, hauptfä&lich da, wo kein Wechsel im Saatgut vorgenommen war. Magnum bonum wird als besonders anfällig bezeihnet. Auch Scchwarzbeinigkeit wird “nur selten erwähnt. Die Kartoffelkrankheit
ibt bis jeßt feinen Anlaß zu Befürchtungen. Als Schädlinge werden hier und da Gngerlinge genannt.
Die trockene Hitze nah dem erften SŸhnitte wirkte verderblih auf den NaGwuchs der Satlerpiiaiten, Die späteren Regenshauer haben nicht immer eine durGgreifende Besserung herbciführen können. Immerhin sind die Aussichten, ganz abgesehen von dem fehr reiblichen ersten Schnitite, nicht {lecht. Die Ziffern für Klee und Naturwiesen sind gegen den Juli um je 0,2, für NRieselwiesen um 0,1 zurückzegangen; die Luzernenote ift dieselbe geblieben, sodaß auch jet noch keine von diesen Ziffern unter dem Mittel 3,0 fteht.
Für diesen Berit sind die Angaben von 4821 Verttauens- männern benußt worden. Nicht wenige von thnen haben entgegen der Vorschrift für die bereits geshniltenen Früchte k:ine Noten mehr an- gegeben; jedo ist hicrdurch das Ergebnis der Ber:chnung nicht nennens- wert becinflußt worden.
Verkehr8anftalten.
Die Jangtse-Bahrn.
Der 13. Januar 1908 ist ein bedeutsamer Tag in der Geschichte der deutshen Eisenbahnen in China. An diesem Tage ift es nah zehnjährigen Bemühungen gelungen, die Verhandlungen mit der chine- sischen Regierung wegen des Baues der deuts ch-englischen Eisen - bahn von Tientsin über Tsinanfu nach Pukow am Jangtsekiang (gegenüber Tschinkiang) zum Abschluß zu bringen. Am gleichen Tage ersckien das Kaiserliche Edikt, das der Deutsh-Asiatisen Bank und der Chinese Central Railway Company, hinter der die Hongkong- Shanghai-Banking Corporation steht, die Autführung des Bahnunternehmens gestattet, und zwar fallen der deutshen Gesellshaft die nördlichen zwei Drittel, der englishen das südlide Drittel der Baustrecke zu. / i:
Dieser langersehnte Erfolg der Vorkäwpfer für die deutsche In- dustrie im fernen Often gibt dem Archiv für Post und Telegraphie Veranlaffung, die Vorgeshichte und die Bedeutung der Jangtse-Bahn im Zusammenhange mit den wichtigsten übrigen chinesfischen Eisen- bahnen einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Den Ausführungen ift das Folgende entnommen: i:
Die Geschichte der Eisenbahnen in China ist recht kurz. Die erste Eisenbahn wurde 1876 von einer englishen Gesellshaft gebaut. Sie führte von Schanghai nach dem 17 km- entfernten Hafen Wusung, rentierte si au sehr gut, mußte aber {hon nah 16 Monaten den Betrieb einstellen. Den rechtgläubigen Chinesen ist nämlih j-de Eisenbahn ein Greuel, weil sie die Anwohner zwingt, die überall verstreuten Gräber ihrer Vorfahren zu ver- legen. Die Verlegung des in China hohentwickelten Totenkults ift auch beute noch eine ernste Schwierigkeit für alle Gisenbahnbauten im Innern. Die Särae der Ahnen waren \. Z. an den von Erd- wahrsagern als glückbringend bezeihßneten Stellen beigeseßzt worden, ibre Beseitigung durch die Bahn erbitterte daber die Nachkommen in hohem Maße. Tatsächlich hat 1878 der chinesishe Staat, dem Drucke der Einwohner nahgebend, das rollende Material der Bahn Schanghai—Wusung angekauft und nach Formosa geschickt. Die An- lagen und Gebäude wurden dem Erdboden gleihgemacht, um die beleidigten Geister zu versöhnen. :
Bald darauf wurde eine Babn in Tschili gebaut, um die Tonafankohlenwerke mit dem Lutaikanal und weiter über Lutai und Tongka mit Tientsin ¡u verbinden. Sie hatte zuerst hslzerne Schienen, die Wagen wurden von Pferden gezogen. Später wurden eiserne Schienen gelegt, und auch eine Lokomotive eingestellt. Die demnäthft errotiterte Bahn ift jeßt die Nordchinesishe Staats- bahn (Peking—Tientsin—Sinminthun). Der sehr rege Geshäftssinn der Chinesen fand auch bald einen Ausroeg aus der Gewifsensfrage wegen der Ahnengräber, sodaß bie Schwierigkeiten in den der westlichen Kultur zugängli®eren Teilen des himmlishen Neichs sehr viel geringer wurden,
Ina den neunziger Jahren trat cine raschere Entwicklung der Eisenbahnen ein, indes waren es aus\&ließlih fremdes Kapital und fremde Unternehmer, vor allen Enaländer, Belgier und Rufsen, die die Erschließung des ungeheuren Re:chs durch Eisenbahnen in die Wege leiteten.
Die ersie deut \che Eisenbahn, die Shantung-Bahn, wurde im September 1899 begonnen und war am 1. Zuni 1904 auf der ganzen Strecke von Tsingtau bis Tsinanfu im Betriebe. Die Schan- tung-Eisenbaßngesellshaft hatte ursprünglih den Weiterbau i5rer Linie von Tfinanfu \üdöfilich im Bogen bis Itshou geplant, hat aber die Genehmigung hierzu niht eingeholt, nahdem diese Linie als ein Teil der jeßt zu bauenden Jangtse-Bahn in Aussicht genommen war. Die Gesell- haft hat aber bereits das Recht zum Bau einer Anschlußbahn von Kiautshou nach Its{ou erworben und wird diese Strecke. vorautsiht- lich demnächst in Angriff nehmen und über Itschou hin2us bis zum Anschluß an die Jangtse-Bahn ausbauen.
Gleichzeitig mit der Scantung-Eisenbahn war das gewaltige Unter- nehmen der großen chinesischen Transversfal- oder Zentral- babn Peking—Canton zur Hälfte durchgeführt worden. Von einer belgisch:n Gesellshaît erbaut, ist die 1300 km [ange nôrdliche Teilstrede dieser Bahn — von Peking bis Hankou — am 11. Juni 1905 dem Betrieb übergeben worden. Die Bahn über- {reitet den breiten, zu häufigen Ueberschwemmungen neigenden Hoangho auf einer 3 km [angen eiserzen Brücke mit 102 Bogen von verschiedener Spannweite. Sie erschließt dem Weltverkehr die aus den drei Städten Fankou, Hanyang und Wutschang j¡usammengeseßte Großftadt an der Mündung des Hankiang in den Jangt|e- kiang, iugleichß den wichtigsten Binnenhafen des Jangtse und den Mittelpunkt der neuzeitliGen Eisenindustrie Chinas. Auch die 10900 km lange Foriseßung dieser Zertralbabn südli vom Jangtse, von Wutschang (gegenüber Hankou) bis Canton, ift einer belgishen G-s-llsWaft übertragen worden. Wann sie gebaut werden wird, ftebt nocch- nit fest. Die Vermessungen waren {hon 1904 beendet. Die Schwierigkeiten des Baues sollen nicht erheblih sein, sodaß auch diese wihtige Bahnlinie in wenigen Jahren im Be- tricbe sein kann.
Im Jahre 1900 waren durch das Jangtse-Abkommen die Einflußbereihe bezüglichÞ des Eisenbahabaues zwischen Deutschland und England abgegrenzt worden. Deutshland verzihtete auf den
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Wettbewerb im Tale des Jangtsekiang, während England Deutsh- land freie Hand in Schantung ließ. Jn Ausführung dieses Ab- kommens begann England alskald mit dem Bau der ihm 1909 ge- nehmigten Cifenbahn von Schanghai nach Nanking (320 km), deren größte Teilstrekde Schanghai—Tschinkiang am 15. Oktober 1907 dem Verkehr übergeben wurde. Die, Betriebseröffnung auf der leßten Strecke bis Nanking steht nahe-bevor. Tschinkiang liegt am Shnittpunkte des Jangtse und des Kaiserkanals und hat starken Dampfer- und Dshünkenverkehr mit Schanghai, das bis dahin auf dem Wafserwege s{hnellftens in 16 Stunden erreiht wurde. Das durch die Bahn erschlossene Gebiet ist sehr dicht bevölkert. Die Station Sutschou ift Millionenstadt und Amtsfiß des Gouverneurs von Kiangsu, Station Wusieh ifi der Mittelpunkt der großen Seidenerzeugung am unteren Jangtse, während die Handelsstadt Tschinkiang schon 1896 einen Gesamthandel von 125 Millionen Mark aufzuweisen hatte. |
Gegenüber von Tshinkiang am Nordufer des Jangtse liegt Dutque der Endpunkt der neuen Jangtse - Bahn, der mit
s{inkiang durch Dampffährbetrieb verbunden is. Von Pukow aus plante urfprüngliÞh eine englischWe Gesellshaft eine Bahn nordwestlich bis Likuo, um von da westwärts nach Khaiföng Anschluß an die große Zentralbahn zu finden. Damit wäre auf einem Umwege die Verbindung Peking—Khaiföng—Tfchinkiang— Schanghai auch erreiht worten, aber unter Ausschaltung antungs und des deutshen Schutzgebiets Kiautshou. In diesem Wettstreite der englishen und deutshen Interessen waren auch die Schwierigkeiten begründet, mit denen das deutsche Syndikat zu kämpfen hatte, bis es \ch{ließlih gelang, die Babn über Tsinanfu durhzufetzen.
Die neue chcinesishe Nord-Südbahn, kurz Jangtse-Bahn ges nannt, ist 1085 km lang und durhquert von Tientsin bis Pukow die fruchtbaren und dichtbevölkerten chinesishen Provinzen Ts\chili, Schantung und. Kiangsu. Der Bau hat unter der Leitung eines deutshen Ingenieurs im Juli d. J. begonnen und soll binnen vier Jahren beendet sein. Die Bahn mündet an beiden Enden auf einem Flußufer, ohne unmittelbaren Schienenans{luß an die am jenseitigen Ufer vorbeiführenden Eisenbahnen. Im Süden trennt der JIangtsekiang die Endstation Pukow von der gegen über- liegenden Station Tshinkiang der Nanking-Schanghai-Bahn, und im Norden ift es der Peiho, der * die Endstation der Jangtse- Bahn in Tientsin von dem am nördlihen Ufer gelegenen Bahn- hofe Tientsin der chcinefishen Nordbahn Peking - Shanhaikwan scheidet. Ob in absehbarer Zeit eine Eisenbahnbrücke über den mächtigen Jangtse von Pukow nach Tschinkiang erbaut werden wird, ift zu bezweifeln; der Fährbetrieb wird wobl noch viele Jahre lang die Verbindung herstellen müssen, da die Kosten der NRiesen- brüde zu hoh sein würden. In Tientsin wehren fich die Needer- und Schiffah1tskreise gegen eine Ueberbrückung des Peiho, weil die großen Seedampfer bis Tientsin herauffahren und durch eine Brücke mindestens ftark behindert würden. Doch wird diese SHwierig- keit boffzntlich ebenso zu überwinden sein wie der Wider- stand der chinesischWen Bevölkerung Tientfins gegen die Erbauung des Jangtse - Bahnhofs innerhalb der deutschen Niederlaffung in Tientsin. Die Chinesen beanspruchen, daß der Bahnhof am Underen Ende der Chinesenftadt gebaut werde. Die Frage ist noh nicht ent- schieden, von ihrer Lösung wird das Emporblühen der deutshen Nieder- lafsuna in Tientsin abhängen.
Die Hauptbedeutung der neuen Eifenbahn für Deutschland liegt — abgesehen von der wefentlißen Stärkung des deutschen Ansehens und Einflusses im Reiche der Mitte {hon dur die Genehmigung und dur® den Bau und Betrieb unter deutscher Leitung — in der Schienenverbindung des deutschen ScMugßgebiets einerseits südwärts. mit Schanghai und dem Jangtse-Gebiete, der f unerschöpflichen Schaß- und Vorratskammer Chinas, und andererseits nordwärts mit Pekîng, Tientsin, Taku und — über die Große Sibirische Eisenbabn — mit Europa. Die deutsche SW{antung- Bahn, diz bisher als Stich- bahn am Hoangho endete, erhält durch den Anschluß an den zwet Erdteile durchquerenden Sienenstrang Berlin—Vèéosfau—Irkutsk— Charbin— Peking— Schanghai erst volle Entwicklungsfähbigkeit und die Anwartschaft auf eine gewinnreihe Zukunft. In vier Jahren werden unternehmende Reisende am Bahnhofe Friedrihstraße in Berlin den Zug besteigen, um ohne wesentliGen Aufenthalt nah 15 Tagen in Kiautschou au8zusteigen, während man jeßt zur Reise von Berlin bis Neapel mit der Bahn und von da zur See nach Kiautshou mindestens 38 Tage gebrauchßt. So wird das oftasiatische Schutzzebiet schneller erreichbar und damit der Heimat näher gerüdckt als unsere räumlich weniger entfernt gelegenen Besitzungen in Afrika.
Theater und Musik.
Im Königlihen Opernhause wird morgen, Freitag, „Mignon“ gegeben; außer Fräulein Ekeblad in der Titelrolle find Fräulein Dietrich und die Herren Philipp, Bachmann, Dahn und Boetticher in den Hauptrollen beshäftigt. Dirigent is der Kapell- meister von Strauß.
Im Königlihen Schauspielhause wird morgen Ernst von Wildenbruchs Schauspiel „Die Rabensteinerin*, mit Frau Willig in der Titelrolle, aufgeführt; in den anderen Hauptrollen find die Herren Zimmerer, Kraufineck, Zeisler, Staegemann, Patry und Eggeling, und die Damen von Arnauld, Buße und von Mayburg bes{äftigt.
Als nächste Erstaufführung des Deutschen Theaters wird eine Aufführung von Grillparzers „Medea“ vorbereitet. Sie findet am Dienstag, den 25. d. M. ftatt. Die Titelrolle spielt Adele Sandrock. :
Im Neuen Schauspielhause hat die am Dienstag zu Gunsten der Zevpelin-Spende veranstaltete Aufführung der „Dollarprinzessin“ eine Einnahme von 4291,60 4 gebracht. Nach Abzug der Kosten wurde der Reinertrag in Höhe von 1548,28 (6 der Nationalbank für Deutschland überwiesen, die die Weiterleitung an den Grafen von Zeppelin übernommen hat.
Mannigfaltiges. Berlin, 20. August 1908.
Die staatliche Stelle für Naturdenkmalvflege hat soeben den zweiten Jahresbericht über die Naturdenkmalpflege in Preußen für 1907/08 hberautgegeben. Der Bericht entbält fünf Ablildungen und mehr als hundert Seiten Tert. In dem verfloffenen Jahre ist“ bauptsählich die Naturdenkmalpfl-ge in den Provinzen weiter ausgestaltet worden; im gan¡en wurden zwölf Komitees, meist unter dem Vorsiß des Oberpräsidenten oder eines Negierungspräsidenten, gebildet. Jedem Komitee steht ein FaWmann als Ges&äftsführer ¡ur Seite; die Mittel zur Deckung der Reise- und Verwaltungskoften werden bereitwillig von den Kommunalver- bänden gewährt. Einige Provinzialkomitees veröffentlichen besondere „Mitteilungen“, die in einer großen Zabl von Exemplaren bei amts lichen Stellen, Vereinen und Privatpersonen Verbreitung finden. Sodann haben die Komitees mit der Versendung von Fragebogen begonnen, durch die zunächbst ermittelt werden foll, wo Natur- denkmäler bestehen und gefährdet sind. Weiter ergibt sch aus dem Bericht, daß namentlih das Ministerium für Landwirtschaft, Do- mänen und Forsten an die Generalkommissionen, Landwirtschafts- kammern usw. ausführlige Erlaffe zur Förderung der in Rede stehenden Bestrebungen gerihtet hat. Auch wurde der Staatliche Kommifsar mit Vorträgen an allen Hochulen des Ressorts be- traut. Sodann hat das Landwirtshaft8minifterium den Vogel- \hugy au praktisch gefördert. Beispielsrwotise wurde in der Nord- see auf einer unbewohnten Insel zwishen Juift und Borkum eine Vogelshußkolonie eingerihtet, und die von Freiherrn von Berlepshch auf seinem Schloßgut Seebach, Kreis Langensalza, begründete Vogel- shußstation, bei welcher eine Vogelwarte usw. ausgebildet werden sollen, empfing für eine Reihe von Jahren eine nicht unerbeblihe staatliche Subvention. Ferner enthält der Beriht das auf Veranlassung des Ministers der geistlichen 2c. Angelegenkeiten vom Staatlihen Kom- mifsar im vorigen Jahre erstattete ausführlihße Gutachten über die
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