1888 / 60 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 05 Mar 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Heute hielt der Ausshuß des Bundesraths für Zustizwejen eine Sißung, ebenso die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Elsaß-Lothringen, für das Landheer und die Festungen, für Eisenbahnen, Post und Telegraphen und für Rechnungswesen, für das Landherr und die Festungen und für Rechnungswesen, für Handel und Verkehr und für Justizwesen.

Die Scchlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen s 7 E des Neichstages, welher der Staatssekretär des FJnnern, Staats-Minister von Boetticher und Kommissarien beiwohnten, wird zunächst die zweite Berathung des Antrags Ampach? wegen Beseitigun'g des Fdentitätsnachweises fortgeseßt.

Abg. von Wedell-Malchow tritt zunächst den Bedenken entgegen, welhe am Sonnabend der Abg. Freiherr von Horn- stein vom süddeutschen Standpunkt aus entwidckelt hat. Der Antrag der Kommission mit seinen Einfuhrvollmachten komme \hließlich nur dem Großhandel zu Gute; sein Antrag dagegen mache die Ausfuhr und die Einfuhr vollständig unabhängig von einander, fo daß die Landwirthschaft den direkten Vor- theil davon haben würde, den man ihr doch zuwenden wolle. Die Reichskasse komme bei seinem Antrage jedenfalls besser fort, als bei jedem anderen Verfahren, denn für jeden Centner ausgeführten Getreides müße ein Centner fremden Getreides eingeführt werden, für welchen der volle Zoll ent- rihtet werden müßte, während für die Ausfuhr nur 90 Proz. des Bes vergütet würden.

er Abg. Woermann bestreitet, daß der Antrag der Kom- mission allein dem Großhandel zu Gute komme; vielmehr seien in dem Antrag die Jnteressen von Handel und Landwirth- schaft gleihmäßig bedacht worden. Es handele sich darum, die deutshe Ausfuhr, welhe vor der Einführung der Getreidezölle bestanden habe und durch dieselbe unmöglich ge- macht sei, wieder zu heben. Redner führt dann aus den Berichten der Danziger und Königsberger Kaufmann- haft an, wie sehr der gesammte Getreidehandel dieser Städte zurückgegangen sei, zum kleinen Theil allerdings au in Folge der russishen Eisenbahntarifpolitik, welche die russi- [Hen Ausfuhrhäfen begünstigten; die Getreidezölle bildeten aber die Hauptursahe des Rückgangs, der den ganzen Handel der beiden Städte lahm gelegt und auch andere Ausfuhrhäfen geschädigt habe. Der Antrag der Kommission sichere auch die Jnteressen der Jndustrie, namentlih der Preßhefe und Cakesfabriken, für welche Redner schon früher mehrfach eingetreten sei. Mit Einfuhrvollmachten könne kein solcher Handel getrieben werden, daß dieselben im Course wesentlich s{hwankten, denn da die Einfuhr eine größere sein müsse, als die Ausfuhr, so würden die Scheine wohl immer pari stehen. Die Ausfuhr würde aber eine Menge Getreide, die jeßt den deutschen Markt drücke, namentlih auch in Süddeutschland den Preis ermäßigt habe, aus dem Lande schaffen. Als Kaufmann könne Redner dem Antrag von Wedell eigentlih keine Bedenken entgegenstellen, aber die finanziellen Jnteressen des Reichs würden dadurh dermaßen geschädigt werden, daß deshalb der Finanz - Minister gegen ein solhes Verfahren sich wehren müßte. Die Beseitigung der Transitlager könne Redner nicht für zweckmäßig halten, denn dadurch wür- den nur die Großkapitalisten bevorzugt, die in der Lage seien, den Zoll sofort baar zu bezahlen; gerade im Jnteresse der kleineren Kaufleute müßten die Transitlager erhalten werden.

Bei Schluß des Blattes erhält der Abg. Frhr. von Pfetten das Wort.

Dem Reichstage sind folgende Drucksachen zu- gegangen ; e

eriht der VIII. Kommission über den Entwurf eines

Geseves, betreffend den Verkehr mit Wein. Die Kommission beantragt :

Der Reichëtag wolle beschließen :

1) dem G: fetentwurf, betreffend den Verkehr mit Wein, in der aus der Anlage sih ergebenden Fassung die verfafsungësmäßige Zustimmung zu ertheilen;

2) die folgende Resolution anzunehmen :

den Bundesrath zu ersuchen, darauf hinzuwirken,

daß in den Einzelstaaten öffentlihe Anstalten zur technischen Untersuhung von Nahrungs- und Genufmitteln für allge- meine Benuzung, welche von den Interessenten unabhängig sind und unter amtlicher Leitung stehen, cingerichtet werden:

3) die auf den Gesezentwurf bezüglichen Petitionen für erledigt zu erklären. s

Freundschafts-, Handels-, Schiffahrts- und Konsularvertrag zwischen dem Reich und dem Freistaat Guatemala.

Freundschafts-, Handels-, chiffahrts- und Konsularvertrag zwischen dem Reich und dem Freistaat Honduras.

Freundschaftsvertrag zwischen dem Reich und dem Frei- staat Ecuador.

Zusammenstellung des von den Abgg. Dr. Lieber, Hitze eingebrachten Geseßzentwurfs, betreffend Abänderungen und Ergänzungen der Gewerbeordnung vom 1. Suli 1883, mit den Beschlüssen des Reichstages in zweiter Berathung.

Antrag zur dritten Berathung des Entwurfs eines G e- seves, betreffend die Feststellung des Reichshaus- E für das Etatsjahr 1888/89 (Etat der

eihs-Justizverwaltung, Anlage VIT). Antragsteller: Kule- mann.

Der Reichstag wolle beschließen : /

anknüpfend an die Resolution des Reichstages vom 14. Juni 1881 und an die Beschlüsse desselben vom 15. Dezember 1881 und 6 Februar 1885 die verbündeten Regierungen zu ersucen, in der nächsten Session des Reichstages cinen Gesetzentwurf vorzulegen, durh welchen eine durchgreifende Ermäßigung der Gerichtskoîiten herbeigeführt wird, und mit der Revision des Getrichtskostengesctzes eine solhe der Gebührerortnung für Rechtsanwälte zu Van,

Auf der Tagesordnung der am Dienstag, den 6. d. M., U U 11 Uhr, stattfindenden 32. Plenarsitzung des Hauses der Abgeordneten steht die zweite Abstim- mung über den Geseßentwurf, betreffend die Abänderung des Artikels 73 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.

,— Der Staatsanwalt kann, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 6. Dezember v. Jz nah der in Folge des Todes des Privatklägers ein- getretenen Einstellung eines Privatklage-Verfahrens nicht mehr die Verfolgung des Angeklagten übernehmen.

_ Einer Abänderung des Genossenschaftsstatuts, wona in die Rentenfeststelungs-Kommission (S. 57 Absay 2 des Unfallversicherungsgeseßes eine Person, welhe niht Mit- glied der Berufsgenossenschaft ist, mit Stimmrecht wählbar sein jollte, hat das Reichs - Versiherungsamt unter dem

28. Dezember v. F (Nr. 486) die Gezehmigunç versagt. Es ist geseßlih unzulässig, Personen, die nicht Mitglieder der Ge- nossenschaft find, zu den in Rede stehenden Selbstverwaltungs- befugnissen C Die „örtlichen Beauftragten“, welhe nach der angeführten Geseßesstelle mit der Renten- feststelung betraut werden fönnen, sind nicht identisch mit den „Beauftragten“ im Sinne des 8. 82 a. a. O., welhe aller- bengs niht Mitglieder der Berufsgenossenshaft zu sein rauchen.

Der von dem Ober-Verwaltungsgeriht wiederholt ausgesprochene Grundsaß, daß für jeden Eigenthümer die Pflicht besteht, sein Grundstück in einem solchen Zustand zu erhalten, bezw. dasselbe so umzugestalten, daß polizeilich zu E öffentlihe Jnteressen niht beeinträchtigt oder ge- ährdet werden, und daß die Polizeibehörde berechtigt erscheint, dem jeweiligen Eigenthümer eines Grundstücks, dessen Be- schaffenheit das A oder den Einzelnen mit Gefahr be- droht, oder sonst einen polizeilich unzulässigen Zu- stand aufweist, deshalb, weil er Eigenthümer des Grund- stücks ist, zur Abstellung der vorhandenen Mängel anzuhalten, A nah dem auf den Schwarzen Graben bei Berlin bezüglihen Endurtheil des TIT. Senats des Ober- Verwaltungsgerihts vom 2. Januar d. J., bei der Anwendung auf Verhältnisse, für welche die öffentlich- rechtlihen Pflichten des Grundstückseigenthümers als solchen durch spezialgesezlihe Bestimmungen geregelt sind, an diesen Spezialbestimmungen seine geseßlihe Schranke. Es können daher die na . 100 Titel 8 Theil T des All- gemeinen Landrehts und §. 10 des Vorfluthgesetes vom 15. November 1811 zur Unterhaltung, Auskrau- tung und Räumung der über ihre Grundstücke gehenden Gräben verpflichteten Eigenthümer zu einer Kanalisirung dieser Wasserläufe auch dann nicht angehalten werden, wenn sih eine solhe Maßregel im sanitätlichen Jnteresse als dringend geboten herausstellt.

Der General-Lieutenant von Passow, Commandeur der 22. Division, hat Berlin nah Abstattung persönlicher Meldungen wieder verlassen.

Posen, 4. März. Die zum 24. Provinzial-Land- tag einberufenen Abgeordneten wohnten heute früh 10 Uhr dem Gottesdienst in der evangelischen Kirche St. Pauli bezw. in der fatholishen Pfarrkirhe ad St. Mariam Magdalenam bei und versammelten sih sodann um 12!/2 Uhr Nachmittags in dem Sigungssaale des Ständehauses. PVachdem der König- liche Kommissarius, Ober-Präsident, Graf veà Zedlitz-Trüßschler dur eine Deputation benachrichtigt worden war, daß der Provinzial-Landtag versammelt sei, begab \ih derselbe in die Mitte der Versammlung und eröffnete den Provinzial-Landtag mit folgender Ansprache:

Hochgeehrte Herren !

Den 24. Provinzial-Landtag werden cine Reihe schr wichtiger und Ihre Zeit voll in Anspruch nehmender Arbeiten beschäftigen.

Die Erfahrungen bei der praftischen Handhabung der Verordnung, betreffend die Ausführung des Fischereigesezes vom 20. Mai 1877 lassen eine Aenderung der Bestimmungen derselben in mebhr- facher Hinsiht wünschenswerth erscheinen. Nachdem eine Revision der analogen Verordnungen in anderen ege! bereits stattgefunden hat, ersheint es n der Zeit nunmehr au in der Provinz Posen hiermit vor agen, Sie werden um Ihre gutahtlihe Aeußerung über diesen Gegen ay! angegangen werden. 4

Die Entiwidweluny der Geschäfte in cinigen Verwaltungsorganen der Provinz macht die Anstellung cines rechtsverständigen oberen Beamten erforderlich. Die bezügliche Vorlage, durch welche die Ab- änderung gewisser statutarischer Bestimmungen über die Zusammen- seßung und Geschäftsführung in der provinzialständishen Verwaltungs- kommission und in der Landarmen-Direktion bedingt wird, legt in eingehender Weise das Bedürfniß und die am zweckmäßigsten ershienene Form zur Befriedigung des\elben dar.

Die Normen, nah wel{en die Provinzial-Hülfskasse ihre Ge- \chäftsthätigkeit zu üben hat, sind in wesentlihen Punkten der Ab- änderung bedürftig Um dies Institut in den Stand zu seven, die wichtigen ihm zugewiesenen Aufgaben zu crfüllen und den veränderten Verhältnissen des Kreditverkehrs Rechnung zu tragen, ist die Erweite- rung ihrer Geschäftsbefugnisse und die Zuführung neuer und billigerer Betriebsmittel an dasselbe nothwendig. Es ist für nüßlich erachtet worden, zu diefem Behuf ein völlig neues Statut aufzustellen, dessen Prüfung und Annabme Ihnen anheimgestellt werden wird.

Ebenso wird Ihrer Beurtheilung die Entscheidung darüber unter- breitet werden, ob die Provoinzial-Feuersozictät ihre Geschäftsthätigkeit nah dem Vorgange und den Erfahrungen in anderen Provinzen au auf die Mobiliarversicherung auszudehnen hat. Der Ausfall Ihrer Entschließung wird voraussihtlich von großer Bedeutung für die fernere Entwickelung dieses gemeinnüßigen Instituts sein.

Wie Ihnen bekannt ist, wird die Begründung einer mit der provinzialständischen Wittwen- und Waisenkasse organisch zu ver- bindenden Reliktenkasse für die Hinterbliebenen der Beamten der übrigen Kommunalverbände scit Jahren sehnsüchtig erwartet. Das Bedürfniß muß anerkanrt werden. Es ift daher versucht worden, demselben durch eine auf billiger Abwägung der konkurrirenden Interessen beruhende Vorlage über die Einrichtung ciner solhen Kasse Rechnung zu tragen. Im Interesse des öffentliven Wohls ebenso wie in dem der zablreicken Familien, welche von dieser Vorlage die Siche- rung ihrer Zukunft vor No:h und Sorge erwarten, bitte ih Sie der- selben ihr wohlgeneigtes Interesse entgegenbringen zu wollen.

In niht minderem Maß empfehle ich Ihrem besonderen Wobhl-

wollen die vielfachen Bittin von Vereinen und Wohlfahrt2organi- sationen, die von Ihnen Förderung ihrer Zwette und Unterstützung ihrer Leistungsfähigkeit crhoffen. Die Vielgestaltigkeit des modernen Kulturlebens kann die freie Vereins- und Liebesthätigkeit dieser nütz- lihen und wohlthätigen Einrichtungen nit entbehren, ebensowenig aber auch diese den Rückbalt und die Stütze an dem behördlih organisirten großen und leistungsfähigen Gemeinwejen. _ Die Ergebnisse der Verwaltungsthätigkeit ihrer ständigen Organe, über welche eingehende Berichte erstattet worden sind, legen Zeugniß von dem Eifer. dem Geschik und der Pflichttreue ab, mit welcher auf allen Gebieten derselben gearbeitet worden ist. In nicht minderem Maß werden Sie mit Befriedigung auf die Initiative und die haus- hâälterishe Sorgfalt bliten, mit der Ihnen Vorschläge zu Neubegrün- dung und Erweiterung Jhrer Institute gemaht werden, ohne dadurch die Steuerkraft der Provinz neu zu belasten.

,_ Alle Ihre Arbeiten zu unterstüßen und mit Ihnen gemeinsam für die Förderung des Wohls der Provinz thätig sein zu dürfen wird mir nit nur als eine ernste Pflicht, sondern als cine freudig übernommene und dankbare Aufgabe erscheinen. :

Ich überreihe Ihnen, Herr Landtags-Marschall, den Allerböchsten Landtagsabshied vom 27. Februar d. I. und das Allerhöchste Propositionsdekret von demselben Tage, und erkläre im Allerhöchsten Auftrage den 24. Provinzial-Landtag der Provinz Posen für eröffnet.

Der Landtags-Marschall, ‘Schloßhauptmann von Posen, Freiherr von Unruhe-Bomst entgegnete hierauf:

_ Hohgeehrter Herr Landtags-Kommissarius!

Auf die Worte, welhe Herr Graf im Allerhöhsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs an uns gerichtet haben, drängt es mich zunächst dem Gefüble Ausdruck zu geben, welches unsere, wie die Herzen aller getreuen Unterthanen Sr. Majestät des Kaisers er- füllt, dem Gefühle banger Sorge für Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit unseren Kronprinzen, Mit den Gebeten der ganzen Nation

vereinigen sich die unsrigen. Gott der Herr wolle in Seiner Gnaj,

ihn, den Stolz unsrer Nation, Sr. Majestät und uns erhalten. Herr Graf haben uns ein reiches O) der Thätigkeit eröffn

und wenn wir auch aus den so vorzüglich ausgearbeiteten Vorlage;

die uns durch Ihre große Güte, Herr Lar. otags-Kommissarius, diesm:Ÿ

{hon vor Eröffnung des Landtages zug:gangen, ersehen haben, da unsere Arbeiten ix einer Weise vorbereitet sind, wie kaum je zuvo so können wir do darauf gefaßt sein, daß die eingehende Erwägun und Bearbeitung so wihtiger Gegenstände, nebst der Fürsorge 1 unsere Anstalten und der auf unsere Hülfe rechnenden Vereine uni Wohlfahrts-Genossenschaften, unsere Zeit und Kräfte in außergewöh lihem Maß in Anspru nehmen werden.

Die Zusicherung, daß Sie, hochgeehrter Herr Landtagë-Kom missarius, uns dabei unterstüßen und gemeinsam mit uns für di Förderung des Wohls der Provinz thätig sein wollen, erfüllt uns mi der frohen Zuversicht, daß unsere Arbeiten dadurch nit nur wesentli werden erleichtert werden, sondern daß sie auch wirklich dem Zweg das beißt, dem Heil unserer theuren Heimath dienstbar sein werd Nit leugnen kann i aber, daß unsere Provinz, welhe ja mehr wi andere auf den Ertrag aus der Landwirthschaft angewiesen if unter dem Rückgang der Preise aller landwirtß\chaftliche Produkte leidet, und daß die trübe Stimmung, welche überall zu Tag tritt, uns mahnt, bei Erfüllung der an uns herantreienden Anfor derungen, die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung im Auge zu behalte und vor allen Dingen auf Erleichterung der Lasten bedacht zu sein,

Ich würde mi der hohen Auszeichnung, welhe mir Se. Majestä der Kaiser und König Allergnädigst geruht hat, wiederum zu Theil werden zu lafsen, L erweisen, wollte ich es unter lassen, vor Beginn unserer Arbeiten, dem Manne unseren Dar! und unsere Anerkennung auszusprechen, den der 23, Provinzial- Landta; durch feine Wahl an die Spite der provinzialständishen Kommissione gestelt hat. Ich danke Namens meiner Mitstände der bohen Staats regierung, daß sie damals mit dem e Wohlwollen den Ak sichten des Landtages entgegengekommen ist; ih danke Ihnen, v.r chrter Herr Graf, daß Sie die Arbeiten unserer Kommissionen s; kräflig unterstüßt und gefördert baben, und ih sprehe es au daß der Hr. Geheime Regierungs-Rath Graf von Posadowsky Wehner das ihm vom 23. Provinzial-Landtag entgegen gebrahte Vertrauen im vollsten Maße verdient und da 24. Provinzial-Landtag nihts Dringenderes zu thun hat, als ibn seinen anerkennenden Dank darzubringen.

Mit shmer;lichem Bedauern muß ih der Mitglieder d:s leßter Landtages gedenken, welche der Tod aus unserer Mitte abberufen bat

In erster Linie nenne ich den Herrn Fürsten von Thurn ur! Taris, der, wenn auch niht persönli, doch dur cinen Stellvertrete sih an den Berathungen des leuten Landtags betheiligt hatte ; ferne: zwei der ältesten Mitglieder, den Stadtrath Kaaß aus Posen, welcher sis nicht nur dur seine eifrige und sachkundige Betheiligung an de;

Geschäften des Landtags s\elbît, sondern auch in zahlreichen Ehre

ämtern, so namentlih in der Verwaltung der Provinzial-Hülfskasi um die Provinz verdient gemacht hat, sowie den bewährten lar jährigen Schriftführer, Bürgermeister Alberti, den rechts- und gs schäftskundigen Amtsgerihts-Rath von Zabloi, die Hrrn. von Hove, Altag, Troska, Starke, Panienski und Pinkowski. Ihnen Alls bleibt ein ehrendes Andenken gesichert.

Wenn fonach der 24. Provinzial-Landtag sich aus vielen neue; in den Geschäften noch unkundigen Mitgliedern, neben den erfahrenerz zusammenseßt, so kann ih doch Namens aller meiner Mitstände ver sichern, daß wic mit der Hingebung, welche unserer theuren Heimat! zu widmen uns Herzensdrang ist, an die Arbeit gehen, und sie mi Anstrengung unserer geistigen und körperlihen Kräfte, so Gott wil zu segensreihem Ende führen werden.

Ehe wir ans Werk s{reiten, vereinigen Sie Sih mit mir f den althergebrahten Ruf der Verehrung und Treue: Es leb Se. Maiestät der Kaiser und König!

Die Versammlung stimmte in das von dem Marschal! ausgebrahte Hoh auf Se. Majestät den Kaiser un! König begeistert ein. i As i

Dex Königliche Kommissarius wurde hierauf durch di Landtags-Deputation wieder zurückbegleitet und es wurde sodann die Verhandlungen der diesmaligen Session eröffnet.

Sachsen. Dresden, 5. März. (W. T. B.) König und die Königin sind heute früh zum Besuch Prinz-Regenten nah.München abgereist, woselbst die Ar kunft Jhrer Majestäten heute Abend 81/2 Uhr erfolgt. Di Königin wird sich von München aus zu einem dreiwöchige: Aufenthalt nach Riva am Gardasee begeben; der Köni: kehrt voraussichtlich am nächsten Freitag hierher zurück.

Württemberg. Stuttgart, 4. März. Der heutig „Staats-Anzeiger“ veröffentlicht folgenden Bericht über dai Befinden des Königs:

Florenz, Villa Quarto, 1, März. Die seit Mitte voriza Monats zu konstatirende Wendung zum Besseren in der neu dings aufgetretenen Krarkheit Sr. Majestät des Königs bat i der zweiten Hälfte des abgelaufenen Monats angehaltcn. Di Rüdckbildung der entzündlilhen Produkte von Seiten der Lur und der Luftröhrenshleimbaut macht zwar langsame, abc stetige Fortschritte. Der Appetit kehrt nah und nah wicda Die cinige Tage lang bervorcetretenen Erscheinungen von verminderte Energie der Herzthätigkeit find mit Hebung der Gesammternährux und damit Kräftigung der Herzaktion geshwunden und auch die durt die fieberhafte Erkrankung bedingte Steigerung des länger bestehende örtli&en Leidens hat in der letzten Zeit Rückgang der Symptome « kennen lassen. Fieberersheinungen sind seit nahezu zwet Wochen nid! mehr aufgetreten.

Wenn darnach fcwohl im allgemcinen Befinden Sr. Majestät des Königs als auch in den einzelnen örtlihen Erfkrankungsvorgänge cine Besserung unzweifelhaft konstatirt werden kann, so ist doch unte Berücksichtigung der im Ablauf begriffenen jüngsten Erkrankung, sow! der seit längerer Zeit bestehenden Störungen in der Allerhöchste Gesundheit nur ein allmählihes Fortschreiten der Wiederherstellu: zu erwarten und werden Se. Majestät dec König noch längere Z der größten Rube und Schonung bedürfen, um ¿u dem früheren Stat relativer Gesundheit zurückehren zu können.

Ober-Medizinal-Rath Dr. von Feter, . : Erster Leibarzt Sr. Majestät des Königs. 59. März. (W. T. B.) Anläßlih seines morgig

Geburtsfestes richtete der König ein Shreiben an def

Minister-Präsidenten von Mittnaht, in welche" er gerührt seinen Dank allen Denen ausspricht, wel! während seiner Krankheit Beweise treuer Anhänglichkeit gt geben haben. Der König entsendet der fernen theure?

eimath und seinem geliebten Volke „uen landesväterlich

u d way spricht die Hoffnung aus, bald wieder zurückehre: zu dürfen.

_ Oefterreih-Ungarn. Wien, 3, März. (W. T. Y Die Fnternationale Jubiläums- Kuna usstellun! ist heute von dem Protektor derselben, Erzherzog Kar! Ludwig, als Vertreter des Kaisers feierlih erö ffn worden. Der Crherzog ließ sih die fremden Kommissar darunter Professor Jraht, Architekt Hoffacker, Bildhaut Ka E (Berlin) und die Maler Echtler und Heffner (München) vorstellen.

Im Budgetaus\chuß erklärte der Ministe räside! Graf Taaffe, die Pläne zur Regulirung des Eiserne! Thores seien bereits fertiggestellt und die Jnangriffnahn der Arbeiten nunmehr zu erwarten.

est, 3. März. (Prag. Ztg.) Im Abgeordneten- uB eist in der Debatte über die Zuckersteuer-Vorlage Staatssekretär Wekerle nah, daß die von Ungarn an Oester- reih zu zahlende Steuersumme für den in Ungarn konsumirten Zucker nicht höher sein werde als bisher. Die aus der Steuer- erhöhung resultirende Mehr-Einnahme werde nur dem unga- rishen Staatsshay zu Gute kommen. Die Vorlage lege Ungarn keine größeren Lasten auf als das bisherige Gesez. Den Prämien sei es zu verdanken, daß Ungarn 100000 M.:Etr. Zucker auf den Weltmarktexpedire. Die Regierung habe si auf der Lon- doner Konferenz bereit erklärt, der Aufhebung der Prämien beizu- treten, wenn auch die übrigen Staaten die Prämien aufheben. Der Referent Hegedüs hob hervor, in der Prager Enquete der Zuckerindustriellen habe man allerdings für die Bewilli- gung von 500 000 Fl. an Ungarn plaidirt, doch seien hieran drei onerose Bedingungen geknüpft worden.

Agram, 3. März. (Wien. Ztg.) Der Landtag tritt am 7. April zusammen. Jn der heutigen Gemeinde- rathssizung erfolgte die Verifizirung der neuen Gemeinde- räthe.

Großbritannien und Jrland. London, 5. März. (W. T. B.) Der Herzog von Rutland is gestern in Belvoir-Castle gestorben. Den Herzogstitel erbt Lord John Manners, Kanzler des Herzogthums Lancaster und Kabinets- mitglied. Hierdurch wird eine Neuwahl für Ofst- Leicestershire erforderlich.

Franfkreih. Paris, 3. März. (W. T. B.) Der Prinz von Wales ist heute hier eingeiroffen. /

(Fr. C.) Der Ministerrath beschäftigte sich heute mit der durh den Bruch des französish-italienishen Schiffahrtsvertrages für die französishe Handelsmarine geschaffenen Lage. Die französischen Packetboote können nicht mehr in den italienishen Häfen anlegen. Als Antwort auf diese Maßregel werden die Minister des Handels, der Marine und des Aeußern einen Geseßentwurf in der Kammer ein- bringen, welcher darauf abzielt, den italienishen Schiffen das Einlaufen in französische Häfen zu verbieten.

Der Senat nahm gestern in erster Lesung den Antrag auf Verschärfung der Strafe auf lebenslängliche Zwangsarbeit in Fällen, wo die Todesstrafe durch mildernde Umstände oder durch Umwandlung der Strafe geändert werde, an. Die Verschärfung besteht in zehn- jährigem Zellengefängniß vor Antritt der Zwangsarbeit. Die Deputirtenkammer beschloß heute auf Antrag Rivet's, bis auf Weiteres täglich zwei Sißungen abzuhalten.

(W. T. B) Wilson und RNibaudeau haben gegen das Urtheil in dem Ordenshandel-Prozeß Berufung eingelegt.

Jtalien. Rom, 3. März. (W. T. B.) Der heute anläßlih des zehnten Jahrestages der Krönung des Papstes abgehaltenen feierlihen Messe in der Sixtinishen Kapelle wohnten der Papst, die Kar- dinäle, der päpstlihe Hofstaat, die Mitglieder des diplo- matishen Corps und der römische Adel bei. Auf dem Wege, welchen der Papst nah der Sixtinischen Kapelle nahm, bildete eine große Menschenmenge, darunter die deutschen Pilger, Spalier. Leßtere werden morgen von Sr. Heiligkeit in einer Abschiedsaudienz empfangen werden und treten am Montag die Rüdckreise an.

4. März. (W. T. B.) Amtliche Nachrichten aus Massovah bestätigen die Konzentrirung der Abessinier in Gura unter Ras Mikael und Ra5 Area. n Asmara und Cassen befinden \sich die durch den Negus verstärkten Truppen. Ein unmittelbarer Angriff gegen die Jtaliener ist wahrscheinlih bevorstehend.

Rumänien. Bukarest, 4. März. (W. T. B.) Das Kabinet reichte seine Entlassung ein; der König berief den Präsidenten des Senats, Ghika, zu sich.

9. März. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach hat der Senats-Präsident Ghika die Bildung des Kabinets übernommen und Bratiano um Mitwirkung ersucht, der die- selbe zusagte.

Serbien. Belgrad, 5. März. (W. T. B.) Der „Politischen Correspondenz“ wird über die Wahlen zur Skupschtina gemeldet, daß auf die Radikalen 130, auf die Liberalen 12 und auf Kandidaten, die keiner Partei- stellung angehören, 7 Mandate gefallen seien. Ausständig seien noch 6 Wahlen.

Afrika. Egypten. Kairo, 4. März. (R. B.) Die Staatsschulden-Kasse beshloß, zu einer Anleihe von Mo 2 290 000 egyptishen Pfund ihre Zustimmung zu geben.

Aus Suakim wird dem „Reuter'’shen Bureau“ u. d. 4. März gemeldet: Gestern Abend besetzte eine stärkere Ab- theilung von Derwischen ein Fort außerhalb Suakims und machte heute einen Angriff auf die Stadt selbst. Nach einem einstündigen Kampfe waren die Derwische genöthigt, ih zurückzuziehen, wobei sie einige Hundert Todte und Ver- wundete zurückließen. Oberst Tapp, englischer Offizier in egyptischen Diensten, und 5 Soldaten wurden getödtet, 14 Soldaten verwundet. Die Kanonenboote „Delphin“ und „Albacora“ nahmen dur ein mörderisches Feuer an dem Kampfe Theil.

Zeitungsftimmen.

Die „National-Zeitung“ äußert über die Revision des Genossenschaftsgesezes :

Die dem Bundesrath zugegangene Vorlane wegen der Revision des Genossen\chaftsgeseßzes hat, abgesehen von Neben- punkten, einen dreifahen Zweck: es soll neben der jetzigen unbeschränkten solidarishen Haftung der Mitglieder der Ge- nossenschaft für Ansprüche an dieselbe die beshränkte Haftbarkeit

| zugelassen, es soll eine regelmäßige Revision der Geschäftsführung

der Genossenschaften begründet, und es soll die Erfüllung der den Leitern dieser obliegenden Verpflihtungen durch Straf- androhungen mögli} gesichert werden. Diese Tendenzen des Ent-

wurfs, der auch im Einzelnen den Eindruck einer reiflich durchgearbei-

teten Vorlage macht, verdienen durchaus Zustimmung.

Die Frage der beschränkten Haftbarkeit der Genossenschafter war früher lebhaft umstritten; Schule - Delißsh hielt lange Zeit an der unbeschränkten Solidarbaft als an der unentbehr- lichen Grundlage der Genossenschaften fest; \chließlich hatte aber auch er sich überzeugt, daß die beiden Rechtsformen sehr wohl neben einander bestehen können. Die Solidarhaft legt den Mitgliedern der Genossenschaft Verpflichtungen auf, welche, wie ih mehrfach bei dem Zusammenbru einer solhen gezeigt hat, verhäng- nißvoll werden könnten. Allerdings wird der Kredit einer Genossen-

{aft mit Solidarhaft bei gleider persönlicher Zusammensetzung größer sein, als der einer Genossenschaft, deren Mitglieder nur für eine bestimmte Summe haften; aber wenn dieser geringere Kredit für den Zweck des Unternehmens ausreicht, so ist nicht abzuseben, warum man die Leute zur Uebernahme von Verpflihtungen zwingen foll, welche ihnen zu \chwer eïsheinen und daher unter Umständen das Zustandekommen der Genossenschaft verhindern. Der früher laut gewordene Einwand, daß eine Genossenschaft mit beschränkter Haftbarkeit einer Aktiengesellschaft mit Aktien von beliebig niedrige Betrage gleich- komme und daher bedenklih mißbraucht werden könnte, ist nit halt- bar; denn Genossenschaften dürfen überhaupt nur für wenige, be- stimmte Zwee, bei denen es auf die Förderung des Geschäftsbetriebes und der Wirthschaft der Mitglieder abgesehen ist, errihtet werden, f E OUNDG Gescäfts-Unternehmungen , wie die Aktien- gesellshaften.

Der Vorschlag des Entwurfs, daß regelmäßige Revisionen des Geschäftsbetriebes der Genossenschaften durh Revisoren statt- finden follen, welche entweder vom Gericht ernannt oder unter Zustimmung des Bundesraths durch eigene Verbände von Ge- nossenschaften bestellt werden, scheint einem englishen Muster, der Revision gewisser gegenseitiger Unterstützungévereine von Staatswegen, nacgebildet zu sein. Jn unserem Gesellschafts- recht ist er wohl neu; aber während er sachlich ohne Zweifel im Interesse der Genossenschaften ist, läßt er sich unseres Er- ahtens formell sehr wohl dur die Ausnahmestellung begründen, welche die Geseßgebung den Genoffenschaften in wichtigen Beziehungen im Vergleich mit anderen Arten der Ver- gesellschaftung gewährt, Ausnahmen, mit denen ohne Zweifel manche Gefahren für die Betheiligten verknüpft sind. Mit dec Ein- fügung der oben erwähnten Strafbestimmungen endlich wird eine offenbare Lücke des jeßigen Genossenschaftszeseßes auëgefüllt; es hat sich mehrfach gezeigt, daß Leiter von Genossenschaften zum {weren Schaden der Mitglieder die übernommenen Pflichten leihtsinnig un- erfüllt ließen.

Der „Hamburgische Korrespondent“ schreibt zur deutschen Kolonialpolitik:

_ Haben die Deutschen au seit dem Mittelalter bis zur Wieder- herstellung des Reichs keine Kolonien mebr gebildet, so haben sie doch nie aufgehört, zu kolonisiren, und in der Fähigkeit dazu felbst vielfach die Engländer übertroffen. Es ift deshalb eine Verirrung, wenn man noch immer hier und da in Deutschland in der neuen kolonialen Bewegung etwas Künstlihes und darum Vorübergehendes hat er- bliden wollen. Ganz im Gegentheil muß diese Bewegung als durchaus natürlich aus der deutschen Vergangenheit heraus- gewachsen, und als neu an ihr nur angesehen werden, daß sie eine nationale geworden ist, seitdem eine deut|che Staatsgewalt und eine deutshe Flagge ihre Erfolge \chütt. Was einzelne Deutsche beute in den neuen Kolonien unternehmen und beginnen, das haben andere in großer Rahe son seit langer Zeit in allen Welttkeilen gethan, nur daß die Frütte dieser zerspliiterten Thätigkeit dem Mutterlande verloren gingen, auf dieses keine Rückwirkung übten und si also keine Tra- dition, feine koloniale Erfahrung in der Heimath bilden und an- sammeln konnte. Die kolonialen Leistungen der Deutschen kamen allein den fremden Nationen zu Gute. :

Erscheint es demnach als zweifellos, daß die Deutschen in den bisher erworbenen Kolonien bei planmäßigem Vorgehen und unter einkeitliher Leitung alle Erfolge erreihen werden, welle die besonderen Verhältnisse gestatten, so entsteht nur die Frage, was das für Erfolge sein und welhe Bedeutung sie für das Mutterland haben können? Die Antwort auf diese Frage giebt nun die Thatsache, daß alle bis jet von Deutschland erworbenen überseeishen Gebiete tropishe sind, nach dem Urtheil der Sahh- verständigen zwar kolonisationsfähige, aber nur soweit es das Klima gestattet. Sämmtliche deutshe Besißungen in West- und Ost-Afrika, wie in Neu-Guinea werden daher aus\{ließliG Handels- und Pflanzungskolonien gleih den englischen Kronkolonien sein und bleiben mit wenig Europäern und einem Ueberwiegen des ein- heimishen erst zu erziehenden Elementes, nicht Aterbau- kfolonien mit europäischer seßhafter Bevölkerung. _ Ein „größeres Deutschland“, im Sinne des jeßt in England angestrebten „greater Britain“ werden also die gegenwärtigen deutschen Kolonien nicht bilden können, es sei denn, daß die noch zu ersließendeñ afrikanischen Hoch- länder, etwa das Gebiet .des Kilimandscharo, oder auch Südwest- Afrika \ich zur Ansiedelung von Europäern und damit zu Ackerbau- kolonien eignen. Daß letztere einstweilen fehlen und auch wohl in absehbarer Zeit noch nicht zu gewinnen sind, ist ein empfindliher Mangel für die deutshe Auswan- derung, welhe auch noch fernerhin dem Mutterlande ver- loren gehen muß, ein Mangel, der jeßt um so größere Beachtung Seitens der Reichsregierung beansprucht, als das alte Ziel der deutschen Auswanderung, die Vereinigten Staaten von Nord- Amerika, wohin sie \sich noch alljährlich mit 95% ihres großen Stromes ergießt, shon lange nicht mehr die günstigen Entwickelungs- bedingungen bietet, wie chedem. Die Ansicdelungsverhältnisse in Nord-Amerika sind neuerdings besprohen in einer von der Kritik bei- fällig aufgenommenen Schrift von J. von Parseval, die bedenkliche Frage der Auswanderung nah Brasilien in zwei Monographien von W. von Hundt und W. Breitenbach. i

Inzwischen bleibt die Aufmerksamkeit der Kaiserlihen Regierung den überseeischen deutshen Schußgebieten unbeirrt zugewandt, nah dec Richtung der Vervollkommnung ihrer Verwaltungs - Organisation niht weniger, als nach der ihrer Besiedlung und daran si \{ließen- den Nußbarmachung. Der soeben in der Reichstagskommission fest- gestellte Geseßentwurf wegen Abänderung des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutshen Schutzgebiete, enthält zunächst eine Reihe von Erweiterungen des Kaiserlihen Verordnungs- recht8 auf dem Gebiet der Strafrechtspflecge im Interesse ihrer leichteren und rasheren Handhabung, dann ebenso auf dem Ge- biet der Civilrechtépflege, und hier besonders die zur Sicherung und Erleichterung der Rechtsverfolgung böchst wichtige Bestimmung, daß durch Kaiserlihe Verordnung die Verlängerung aller zur Geltend- machung von Rechten und zur Erfüllung von Pflichten festgestellten Fristen angeordnet werden kann. Vorläufig wird freilich wohl auf dem Wege der Erfahrung festzustellen sein, in welchem Umfang die leßtere Bestimmung zu verwerthen ist.

Die wichtigste und jedenfalls folgenreihste Bestimmung des ge- nannten Entwurfs ist die über die Kolonialgesellshaften, welche lautet!: § 8. Deutschen Kolonialgesell haften, welche die Kolonisation der deutschen Schuygebiete, insbesondere den Erwerb und die Verwerthung von Grundbesitz, den Betrieb von Bergbau, gewerblihen Unter- nehmungen und Handelsgeschäften in denselben zum ausshli:ßlihen Gegenstand ihres Unternehmens und ihren Siß entweder im Reihs- gebiet oder in den deutshen Scutgebieten haben, oder denen dur Kaiserlihe Schutbriefe die Ausübung von Hoheitsrehten in den Schugzgebieten übertragen ist, kann auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Gesellschaftsvertrages (Siatut) durch Be- {luß des Bundesraths die Fähigkeit verliehen werden, unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigenthum und andere dinglihe Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. In folckchem Fall haftet den Gläubigern für alle Verbindlichkeiten der Kolonialgesellshaft nur das Vermögen derselben. i; Bas

Die hier im Einzelnen bezeichnete Fähigkeit, welche in Zukunft Kolonialgefellshaften sollen erwerben köunen, ist nun genau das, was sonst Korporationsrechte oder juristische Lea teit genannt zu werden pflegt. Neu is nur, daß die Eigenschaft einer juristischen Person durch Bundesrathëbeshluß, also von Reihhswegen bei- gelegt werden fol, während das bisher nur durch die höchste administrative Gewalt der Einzelstaaten in verschiedenen Formen geschah, Für die Kolonialgesellshaften is aber die Ver- eihung der juristishen Persönlihkeit durch -das Reih die nothwendige Folge davon, daß die Kolonisation aus\chließlih Reichsangelegenheit ist und folglich au alle gesezgeberischen Ver- fügungen, wozu im weiteren Sinne auch die Verleihung von

Korporationbrechten gehört, nur vom Reiche, bezw. dessen höchsten administrativen Organen ausgehen kann. Daß die künftigen Kolonial- gesellschaften der Aufsicht des Reichskanzlers unterstehen sollen, ift zu einem Theil aus denselben Gründen des öffentlichen Interesses zu erklären, welche bei zahlreihen Privatkorporationen anderer Art die Staatsaufsiht eintreten lassen, anderntheils und hauptsählich aber wohl aus der Absicht des Gesezgebers, die einheitlidbe Verbindung der deutshen Kolonien mit dem Reih weiter zu begründen und äußerlich zur Erscheinung zu bringen.

Die Bestimmung über die Kolonialgesellshaften ist bekanntlih cin Zusaß der Reichstags-Kommission. Sie wurde angeregt bei der ersten Berathung im Reichstage unter dem Beifall der Bundes- kommiffare durh den- Aba. Meyer-Jena, weil, wie im Weiteren be- sonders noch der Abg. Dr. Hammater ausführte, eine Erweiterung der zu Recht bestehenden Gesellshaftsformen für koloniale Unter- nehmungen ein Bedürfniß sei, da namentlich für leßtere die Aktiengesellshaften sich nit eigneten. In der soeben, am 28. v. M,, zu Ende geführten zweiten Berathung des Entwurfs sind die ange- deuteten Gesichtspunkte erneut zur Geltung gebracht mit dem be- gründeten Hervorheben, daß das Gesez nur den Charakter eines Uebergangs- und E habe und in nicht zu langer Zeit die geordnete Gesetzgebung fich mit einem volikommen durgearbeiteten Kolonial - Ge)ellschastsreht im Zusammenhang mit der Ent- widelung und Erweiterung des deutschen Sozictätsrechts über- haupt befassen werde. Das Bedürfniß fei nah beiden Seiten vorhanden, nah ter einen genüge vorläufig das vorgeschlagene Gese, da es der gegenwärtigen Entwickelung in den deutshen Schupygebietcn entsprehe. . ...

Gewerbe und Handel.

Vom Berliner Pfandbrief -Institut sind bis Ende Februar 1888 10305200 A 349%oige, 20561100 A 4 °/oige, 44 735700 M A E und 9478800 M d%59°/oige, zusammen 85 081 800 M Pfandbriefe ausgegeben, wovon noh 10 122 300 4 33 oige, 16 853 400 49/oige, 25700400 M 44%ige und 4 219500 M 5 oige, zusammen 56 895 600. A Pfandbriefe Seitens der Grundstücksbesiter verzinslich sind. Es sind zugesichert, aber noch niht abgehoben 237 300 4, im Laufe des Monats Februar 1888 angemeldet 1 Grundstück mit einem Feuerversiherungswerth von 77 400

_ Dresden, 4, März. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Sächsischen Bank hat heute bes{lossen, der auf den 26. März einzuberufenden Generalversammlung für 1887 eine Dividende von 4 9/0 vorzuschlagen.

Glasgow, 3. März. (W. T. B) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sih auf 952 241 Tons gegen 846 902 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 85 gegen 71 im vorigen Jahre.

New-York, 3. März. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 12 059 665 Doll, davon für Stoffe 3533 262 Doll. Der Werth der Einfuhr in der Borwoche betrug 109 297 307 Doll., davon für Stoffe 3 917 303 Doll.

New-York, 5. März. (W. T. B.) Gestern fand bier ein Meeting von Maschinisten aller in New-York mündenden Eisen- babnen statt. Es wurde beschlossen, die Strikenden der Chicago- Burlington-Quincy-Eisenbahn zu unterstüßen, auh wenn der Eisenbahnverkehr im ganzen Lande darunter leiden sollte.

Buenos-Ayres, 4. März. (W.T.B.) Während des Monats Februar cr. sind hier 53 Dampfer mit 12000 Einwanderern eingetroffen. Die Zolleinnahmen betrugen während desselben E 2764000 Pesos für Buenos-Ayres und 353900 Pesos für

ofario.

Submisfionen im Auslande.

Italien.

1) 12. März. Spezia, Direzione Costruz. Navali R. Marina: 9 Stück Ankerbojen aus Eisen nebst Zubehör für die Rhede der Insel Maddalena. Voranschlag 48 960 Lire.

2) 12. Mârz. Novara, R. Prefettura: Bau einer eisernen Brücke über den Toce-Fluß bei Domodosso!la. Voranschlag 360 000 Lire, Depot 29 000 Lire.

3) 13. Mârz. Neapel, Direz. Armamenti R Marina: Se gel- tuch. Voranschlag 16 675 Lire:

4) 15. Mârz. Venedig, Genio militare R Marina: Guß- eiserne Säulen, Träger und Transmissions-Vorrich- tungen aus Eisen, Voranschlag 84 000 Lire.

5) 16. März. Spezia, Direz. Costruzioni Nayali R. Marina;: Zwei vollständige Motoren für DampfHbarkassen von je 12,25 m Länge. Voranschlag 19 000 Lire.

6) 17, März. Genua, R. Fonderia: 10000 kg Zinfk in Broden. Voranschlag 6006 Lire.

Verkehrs - Anstalten.

Danzig, 3. März. (W. T. B) Alle Eisenbahnstrecken Westpreußens sind in Folge von Schneeverwehungen ge- sperrt, zahlreihe Züge sind im Schnee stecken geblieben.

Bromberg, 3. März. (W. T. B.) Die Strecken Brom- berg bis Dirschau und Konit bis Laskowit sind wegen Schneeverwehungen bis auf Weiteres gesperrt. :

. März. (W. T. B) Die Bahnstrecke Bromberg bis Dirschau ist wieder frei. :

5. März. (W. T. B.) Der durch den orkanartigen Schnee- urm am Sonnabend unterbrochene Verkehr auf den Haupt- linien der Eisenbahn-Direktion Bromberg ist mit Ausnahme der Strecke Stolp—Danzig, welche vorauss\ihtlichß Heute frei wird, wieder hergestellt. E

Thorn, 4. März. (W. T. B.) Der Verkehr auf den durh- gebenden Strecken Thorn- Allenstein und Thorn-Marien- burg ist durch Schneeverwehungen unterbrohen. Die Unter- brechung wird voraussichtlid noch über 6 Stunden dauern. S

Altona, 3. März. (W. T. B.) Sämmtliche seeländische Staats- und Privatbahnen sind fahrbar.

4. März. (W. T. B.) Die Dampfschiffahrten Fre- derikssund-Gothenburg sind wieder aufgenommen und kann daher direkte Expedition von Personen, Gepäck und Gütern nah s{chwedisch-n orwegishen Stationen über Frederikshavn wieder statifinden. : y i

Chemniß, 5. März. (W. T. B.) Auf der Strecke Chemnig- Borna-Leipzig fehlen in Folge von Schneeverwehungen seit gestern Abend alle Züge von und nah Leipzig. :

Hamburg, 4, März. (W. T. B.) Der Postdampfer „Rugia" der Hamburg-Amerikanishen Patcetfahrt- Aktiengesellschaft ist. von Hamburg kommend, gestern Nach- mittag in New-York eingetroffen. i

Hamburg, 5. März. (W. T. B.) Die Postdampfer „Lessing“ uno „Saxonia“ der Hamburg-Amerikanischen A, haben beute früh, ersterer von

ew-York, leßterer von West-Indien kommend, Lizard passirt.

Triest, 4. März. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Achille® ist heute früh it der ostindishen Post aus Alexandria hier eingetroffen. Ï i:

Chicago, 3. März. (W. T. B.) Der Verkehr der Dalovan-, Lokal- und Güterzüge auf der Chicago-Burlington-Quincy- Eisenbahn wird allmählih wieder aufgekommen.

Theater und Musik.

_ Das Deutsche Theater hat das einaktige Lufispiel „Die Wittwe von Ephesus*, von Karl Jaenicke, zur Aufführung an- genommen.

E E R U O R A S E ais E Kt S Ei air