1888 / 73 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Mar 1888 18:00:01 GMT) scan diff

C e E E t D H

o Let Es

Straßburg i. E., 14. März. Der Statthalter Fürst von Poheitohe ist in Begleitung des Adjutanten Hauptmann von Thaden und des Geheimen Regierungs-Raths Jordan in der leßten Nacht nah Berlin abgereist. Gestern Abend haben sih Jer Rektor der Universität, Professor Zoepffel, und der Prorektor, Professor Reye, nah Berlin begeben.

Für den Tag der DE/ERns ist außer dem Schluß der öffentlihen Bureaux auch derjenige vieler Geschäfte bereits bestimmt. Jn den höheren Schulen findet eine Trauerfeier- lihkeit statt. Die städtishen Schulen haben die Trauerfeier- lihkeiten am 22. d. M., bleiben aber am 16. d. selbstverständ- lih geschlo}sen.

Der Gouverneur von Straßburg, General-Lieutenant von Verdy du Vernois, begiebt sih heute Abend nah Berlin.

Wien, 14. März. Dem von der hiesigen deutshen Bot- schaft am Freitag veranstalteten feierlihen Trauergottesdienst für weiland Kaiser Wilhelm wird, wie das „Fremdenblatt“ meldet, der Kaiser Franz Josef beiwohnen.

In Folge eines gestern Abend von dem Minister- Präsidenten Crispi im Auftrage des Königs von Jtalien an den hiesigen Botschafter, Grafen Nigra, gelangten telegraphi- schen Austrages ist der für heute Vormittag anberaumt ge- wesene Empfang ‘in dem italienishen Botschaftspalais wegen des Ablebens Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm abgesagt worden. Der Empfang, welcher aus Anlaß des Geburtstages des Königs Humbert stattfinden sollte, ist bis nach dem Leichenbegängniß des Kaisers Wilhelm vershoben worden. Die heutige Sißung des Herrenhauses eröffnete der Prä- sident Graf Trauttmansdorf mit folgender Ansprache: „Wir sind heute noch unter dem hochernsten Eindruck der s{hwer- wiegenden Trauerbotschaft zusammengetreten, die seit den letzten Tagen ganz Europa bewegt. Se. Majestät der Kaiser Wilhelm, der Deutsche Kaiser und König von Preußen, ist in hohem Alter aus diesem Leben geschieden. Den Gefühlen regster Theil-

nahme, welche uns Alle erfüllen und mit denen wir uns der so ]

allgemeinen und gerechten Trauer anschließen, ziemt es gewiß im Herrenhause einen kollektiven Ausdruck zu geben. Vit dem Kaiser, unserm Allergnädigsten Herrn, betrauern wir den Tod des weisen Monarchen, mit welchem Allerhöchstderselbe jenes Freundschaftsbündniß geschlossen, welhes bestimmt is zur emeinsamen Erhaltung und Sicherung der Segnungen des riedens. Mit lebhafter Theilnahme schließen wir uns der schweren und gerehten Trauer, welhe ganz Deutschland be- wegt, an, einer Trauer, welche alle Angehörige des Deutschen Neichs von Dank erfüllt dem Verewigten aus vollen Herzen widmen, und die auch in unserem Vaterlande einen so lebhaften Widerhall findet in der sympathishen Würdigung des {hweren Verlustes, welchen das so eng befreundete Reih erleidet. Mit innigen Gefühlen gedenken wir des herben Schmerzes des so sehr geprüften erlauchten Herrscherhauses. Viele fnd unter Un3, denen es vergönnt war, dem hohen Verblichenen näher zu treten, seine edle Ritterlichkeit, sein leutseliges, wohlwollendes Wesen und seine hohen Regententugenden kennen und schäßen zu lernen, und somit, hohes Haus (die Versammlun 1 sih) bin .ách davon durch- drungen, der Dolmetscher hrer Gefühle zu Mae wenn ih Jhrer trauernden Theilnahme an dem Tode Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm, des Freundes und Verbündeten unseres Allergnädigsten Herrn, Namens des hohen Hauses hiermit Ausdruck gebe. Angesichts einer so bedeutungsvollen Trauerkund- gebung halte ih dafür, das hohe Haus nicht zum Uebergange auf die Geschäftsgegenstände einladen zu sollen; ih bin über- zeugt, Jhren Jntentionen hiermit zu entsprehen und schließe unter diesem Eindruck die Sizung.“

Wien, 15. März. Wie das „Fremdenblatt“ erfährt, ist im Austrage des Schah's von Persien, da die große Entfer- nung die Entsendung eines Mitglieds des persischen Herrscherhauses zu den Trauerfeierlihkeiten in Berlin un- möglih macht, der persishe Gesandte in Wien, General Neriman Khan, heute früh zur Vertretung des Schah's nah Berlin abgereist.

Pest, 14. März. Jm Unterhause wurde heute von M Präsidenten ein Dankschreiben mitgetheilt, welhes dem- elben vom Reichskanzler Fürsten Bismarck für die Kund- gebung des Hauses bei dem Ableben des Kaisers Wilhelm zu- gegangen ist.

Die peutite Sißung der Repräsentanz von Buda-Pest eröffnete der Bürgermeister mit einer Ansprache, in welcher er der Trauer über das Hinscheiden Kaiser Wilhelm's be- wegten Ausdruck gab: Eine der größten Nationen habe einen s{hweren Verlust erlitten. Jede gebildete Nation Enropas sei von demselben tief - ergriffen worden. Die innigste Theilnahme für das mit Oesterreih-Ungarn im Bündniß stehende Nachbarreih bekunde \ich in ganz Ungarn und habe insbesondere und mit Recht in der ungarischen Hauptstadt s{merzlihen Widerhall gefunden. Jn dem ver- blichenen großen Kaiser habe die ganze Welt nicht nur den mächtigen" Begründer des Deutschen Reihs und seinen Beherrscher, sie habe vielmehr in ihm au den mächtigsten Beschüßer des Friedens der Völker verehrt und anerkannt. Der Ober-Bürgermeister glaubt deshalb, nur die Gefühle der Versammlung zu verdolmetshen, wenn er anläßlih des Hinscheidens des intimen Freundes des ungarischen Königs, des treuen und mächtigen Verbündeten der Monarchie, dem tiefgefühlten Schmerz und Beileid der Haupt- stadt Buda-Pest Ausdruck verleihe und die Versammlung ersuche, die shmerzlihe Theilnahme der Hauptstadt in dem heutigen Protokoll zu verewigen und an den ungarischen Minister-Präsidenten die Bitte zu richten, das Beileid der Hauptstadt Buda-Pest kompetenten Orts zur Kenntniß zu bringen. Die Versammlung hörte die Rede stehend an und Beh! 8 Antrag des Ober-Bürgermeisters einstimmig zum

eshluß.

Bozen, 14. März. Jm Kurhause von Gries bei Bozen wurde heute eine Trauerfeier für Kaiser Wilhelm abgehalten. Die versammelten Deutschen und Oesterreicher sandten an den Oberst-Hofmarschall ein Telegramm, in welchem sie ihren tiefen Shmerz über das Dahinscheiden des Kaisers Wilhelm sowie Segenswünsche für Kaiser Friedrih ausdrücken. Die deutschen und österreichischen Flaggen wehten halbmast.

London, 15. März. (W. T. E Anläßlih der Bei- sebung der irdishen Hülle weiland Kaiser Wilhelm's werden am Freitag Mittag in sämmtlichen größeren englishen Gar- nisonen und Flottenstationen des Jn- und Auslandes auf Befehl der Königin die Flaggen auf Halbmast gehißt und 91 Kanonenshüsse abgefeuert werden. Der auf Freitag, den 16. d. M., anberaumte Trauergottes- dienst in der deutshen Kapelle des St. * James- ag für weiland Kaiser Wilhelm findot erst am Sonntag

att. Eine Versammlung der in London ansässigen

Deutschen rn, am 24. d. M. eine Trauerkund-. gebung r 4 ilhelm zu veranstalten. Professor Max

Müller wird hierbei eine Rede halten. :

St. Petersburg, 14. März. Der „Regierungs - An-

zeiger, meldet: Auf Befehl des Kaisers haben am Freitag

ormittag in der lutherischen Petrikirhe zum Trauergottes- dienst für weiland Kaiser Wilhelm zu erscheinen: die Hof- staaten, die Mitglieder des Reichsraths, die Minister, Sekre- täre, die ersten und zweiten Hofchargen, die Staats- sekretäre, die Hofkavaliere, die General - Adjutanten, die General - Majors à la suite, die Flügel - Adjutanten, die Kavaliere und Adjutanten der Großfürstlichen Höfe, die Generale, die Admirale und die Stabs- eee der Garde und der St. Petersburger Garnison. Alle sollen in tiefer Trauerkleidung sein; die Be- sißer preußischer Orden haben die Ordensbänder anzulegen. Laut Bekanntmachung in den Zeitungen finden am

eitag in den rien Mrs keine Vorstellungen tatt. Die Reichsbank bleibt an diesem Tage geschlossen. Da die räumlichen E le der Petrikirhe es unmöglih machen, die überaus große Nachfrage nah Einlaßkarten zu dem Vormittags-Trauergottesdienst zu befriedigen, so findet Le am Freitag Nachmittag ein zweiter Trauergottes- ienst statt.

St. Petersburg, 15. März. ‘Die hiesige englische Kolonie hält am Freitag in der englischen Kirche eine Gedächtniß- feier für weiland Kaiser Wilhelm ab. :

Rom, 15. März. Der Papst hat ein Condolenz-Schreiben an Kaiser Friedrich gerichtet, welhes neben dem tiefen Beileid an dem Heimgange Kaiser Wilhelm's die Hoffnung ausspricht, daß die Beziehungen Deutschlands zu dem Päpstlichen Stuhl fortgeseßt die freundlihsten und zutrauensvolle sein würden.

Bern, 14. März. Jn der hiesigen Münsterkirhe fand heute ein Trauergottesdienst für den dahingeschiedenen Kaiser ua statt. Pfarrer Hofmann von der evangelisch-unirten deutschen Kirche in Genf hielt die Trauerrede. Die deutsche Gesandtschaft, sämmtlihe Mitglieder des Bundesraths, das diplomatishe Corps, Vertreter der Berner Behörden, viele Mitglieder des National- und des Ständeraths, die hier woh- nenden Deutschen, sowie zahlreihe Einwohner der Stadt wohnten der Trauerfeier bei.

Konstantinopel, 14. März. Das „Reutersche Bureau“ meldet: Da gegenwärtig die Verbindungen über die Donau unterbrochen sind und die Zeit für das rechtzeitige Eintreffen einer speziellen Mission nicht ausreiht, hat die Pforte die türkishen Botschafter in Berlin und Wien beauftragt, den Sultan bei der Leichenfeier weiland Kaiser Wilhelms zu ver- treten.

Belgrad, 14. März. Der serbishe Minister-Präsident Gruic ist als Vertreter des Königs Milan bei der Beisezung des Kaisers Wilhelm heute nah Berlin abgereist.

Christiania, 14. März. Die hier ansässigen Deutschen haben beschlossen, zu der feierlihen Beiseßzung des Kaisers Wilhelm einen silbernen Kranz nah Berlin zu senden ; gleich- zeitig soll eine Beileidsadresse abgesandt werden.

New-York, 14. März. Die hier wohnenden Deutschen beshlossen eine Versammlung in der Steinway-Hall abzuhalten, um der Trâuer über das Hinscheiden Kaiser Wilhelm’s Aus- druck zu geben. Der Präsident Cleveland wird eingeladen werden, dieser Versammlung beizuwohnen.

F Zum Ehrendienst sind Allerhöhst kommandirt worden :

zu Sr. Majestät dem König der Belgier: der General der Kavallerie, General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, Graf von Bismarck-Bohlen,

zu Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen von Wales: der General der Kavallerie, General - Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und kommandirender General des VIII. Armee-Corps, Freiherr von Loë,

zu Sr. Königlichen oheit dem Prinzen Ludwig von Bayern: der General-Lieutenant v. d. Burg, kommandirender General des II. Armee-Corps,

zu Sr. Königlichen Hoheit dem Kronprinzen von Dänemark: der General-Lieutenant von Grolman II., Chef des Departements für das zznvalidenwesen,

zu Sr. Königlichen Hoheit dem Grafen von Flandern: der General-Lieutenant und General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs von Derenthall, Com- mandeur der 33. Division,

zu Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen Rudolph von Desterreich: der General der Kavallerie und kommandirende General des XI. Armee-Corps Freiherr von Schlotheim,

zu Sr. Königlichen Hoheit dem Herzog von Cambridge: der General-Lieutenant von Hänish, Direktor ves Allgemeinen Kriegs-Departements.

pur Theilnahme an den Beisezungs-Feierlich- keiten find ferner hier eingetroffen: der General-Lieutenant von Heuduck, kommandirender General des XV. Armee-Corps, die General-Lieutenants: Hugo Prinz von Schönburg-Walden- bura, à la suite der Armee; von Leszczynski, Commandeur der 11. Division; von Zaglinigki, Inspecteur der 1. Feld-Artillerie- «Inspektion; von Brandenstein, à la suite des Königlichen XITII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps ; von Winter- feld, Gouverneur von Mainz; Freiherr von Gemmingen, Com- mandeur der 21. Division ; von Dinclage, Kommandant von Frankfurt a. M.

Zu den Beisegungsfeierlichkeiten treffen im Auftrage des Präsidenten der französishen Republik hier ein: General Billot, kommandirender General des L, Armee-Corps in Lille, Mitglied des Senats ; General- Major Graf de Sesmaisons, Sous - Chef im Großen Generalstab zu Paris; Oberst-Lieutenant Kornprobst, attachirt dem militärishen Gefolge des Präsidenten der Republik ; Commandant Michel und Capitain Haillot. Für dieselben ist E des Hofsmarschall-Amts im Central-Hotel Quartier gemacht.

Die XIV. Kommission des Hauses der Ab- geordneten hat zu dem Entwurf eines Gesezes über das Grundbuchwesen und die Zwangsvollstreckung in das unbeweglihe Vermögen im Geltungs- bereih des Rheinishen Rechts beantragt, dem Entwurf in der von der Kommission beschlossenen S zuzustimmen. Zu dem Entwurf eines Ge- eyes, betreffend die Vereinigung der Rechts- anwaltshaft und des Notariats im Geltungs-

Led Des Rheinischen Rechts, hat dieselbe Kommission eantragt : V

1) dem Entwurf in der aus der Zufammenstellung der Kommissionsbeshlüsse sich ergebenden Fassung seine Zustim- mung zu ertheilen, 2) die Königlihe Staatsregierung um baldige Vorlage eines Gesezes über die Reform der geseßlichen Vorschriften, betreffend die Zuziehung von Jnstrumentszeugen oder eines zweiten Notars bei Ausuahnien von Notariats: urkunden, zu ersuchen. :

Die Eintragung eines dinglihen Rechts in der II. Abtheilung des Grundbuchs mit der Angabe, worin das Recht seinem Wesen nah besteht, und der Bezeichnung des Berechtigten unter Verweisung bezüglih der Nebenbestimmun- gei auf den bei den Grundakten befindlihen Begründungstitel Vertragsurkunde) ist nach einem Urtheil des Re ihsge richts, V. Civilsenats, vom 1. Februar d. J., zulässig; es sind dur diese Verweisung auf den Begründungstitel aus M sonstigen im Grundbuch nicht besonders hervorgehobenen Bestimmungen desselben in die Eintragung einbezogen und haben deren Wirkung erlangt.

Das Wort „Einrichtungen“ im §. 78 Absag 1 des Unfallversiherungsgeseßzes hat nicht ausscließlich den engen Sinn einer baulichen oder eei Einrichtung; der Begriff umfaßt vielmehr neben diesem objektiven Element im Sinne der „Unfallverhütungsvorschrifsten“ auch N alle diejenigen Maßnahmen überhaupt, welhe die Betriebs- unternehmer zur Verhütung von Unfällen zu treffen haben. Den Anlaß zur Ausstellung dieses unter dem 11. Januar d. J. vom Reihs-Versicherungsamt (Nr. 495) verlautbarten Grundsages gab folgender Fall. Ein Schlosser- lehrling erlitt in einem versicherten Betriebe dadurch einen Unfall, daß, während er auf Geheiß des Betriebsunternehmers in einem Raume ohne Betrieb, jedoch mit einer in Bewegung befind- lichen Transmissionswelle einen zwishen den Scheiben der Triebwelle lose und nicht in Thätigkeit befindlichen Treibriemen auseinander s{hraubte, der Riemen sich um die Welle widckelte und den Lehrling erfaßte. Für die Folgen der hierdurh erlittenen Körperverleßzungen mußte zu Gunst-n des Verleßten eine Ent- schädigung festgeseßt werden. Auf Grund des §. 78 Absay 1 Ziffer 1 des e in Verbindung mit der in - Betracht kommenden Bestimmung der Unfall: verhütungsvorschriften, wonach die Betriebsunternehmer gehalten sind: „das Nähen, Binden und Ausbessern der Treibriemen, wenn dieselben auf den Triebwellen oder Riemenscheiben aufliegen , strengstens zu untersagen“, hat der Genossenschastsvorstand den Betrieb wegen der bur Ertheilung des oben angeführten Auftrages Seitens des Be- triebsunternehmers begangenen Zuwiderhandlung in eine höhere Gefahrenklasse verseßt. Die von dem Betriebsunter- nehmer gegen diese Einschäßung eingelegte Beschwerde hat das Neichs-Versicherungsamt zurückgewiesen, weil ein Zuwider- handeln gegen eine nach den Unfallverhütungsvorschriften zu treffende „Einrichtung“ (§. 78 Absay 1 Ziffer 1 des Unfall: versicherungsgesetes) vorliegt. Dieselbe IeS hat das Reichs- Versicherungsamt übrigens bereits in dem Rundschreiben an die g vom 19. April 1886 T. 6804 in welchem der Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften erstmalig angeregt worden ist, zum Ausdruck gebraht. Wollte man den Begriff in dem obenerwähnten engeren Sinne auffassen, so würde ein großer Theil der für die Betriebsunternehmer gegebenen Unfallverhütungsvorschriften straflos übertreten werden können. Auch im §. 120 der Gewerbeordnung ist das Wort „Einrichtungen“ in dem weiteren Sinne zu verstehen und umfaßt auc den Erlaß von Fabrik- und Arbeitsordnungen, welche sih auf die Sicherung von Leben und Gesundheit der Arbeiter beziehen. Die Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem Auftrage und dem erlittenen Unfall vorliegt, kann hier überhaupt unerörtert bleiben, da zur Erfüllung des Thatbestandes einer Zuwiderhandlung gegen die Bestim- mung der Unfallverhütungsvorschriften nur gehört, daß die dort näher bezeichneten Handlungen niht untersagt werden. Die verbotene N ist aber im vorliegenden Falle nit nur nit untersagt, sondern ausdrücklih geboten worden.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich badische Präsident des Staats-Ministeriums, Dr. Turban, ist hier angekommen.

Posen, 14. März. Zur Ergänzung des gestrigen Referats über die 4. Pleñarfißung des 24. Provinzial- Landtages der Provinz Posen wird in Betreff der Position: „Jrrenanstalt zu Owinsk“ bemerkt, daß der Etat für diese Anstalt niht, wie angegeben, für die nächsten zwe: «ahre auf 311 900 6, im Uebrigen auf 272 900 4, sondern für die nähsten drei Jahre jährlich im Ordinarium auf 272 900 M und im Extraordinarium auf 26 000 6 zusammen jährlih auf 298 900 M festgestellt worden ist.

In der vierten Plenarsißung wurden folgende Gegenstände zum Vortrag und zur Erledigung gebraht: 1) Der Etat für die Verwaltung des Provinzial - Stände- hauses pro 1888/8399 u. ff. wurde in Einnahme und Ausgabe mit 5600 6 abschließend genehmigt. 2) Die Provinzialständishe Verwaltungs-Kommission ist ermähtigt worden, nach Vereinbarung mit den zuständigen Siaats- Aufsichtsbehörden die Acckerbaushulen zu Forbach und Woynowo aufzuheben und den für diese auegesezten Etat: betrag zur Errichtung oder Unterstüßung landwirthschaftlicher Winterschulen zu verwenden. 3) Von dem Bericht über die Verwaltung der Gärtner- Lehranstalt zu Koschmin nahm die Landtagsversammlung Kenntniß. 4) Der Landtag bewilligte zur Deckung der Ausfälle in dem Fonds zur Beförderung von Landesmeliorationen einen Betrag von 79407,98 M und erhöhte den etatsmäßigen jähr- lihen Fonds zu Landes-Meliorationen um 16 000 M, also auf 50 000 (M Die Provinzialständishe Kommission hat vor Jnanspruchnahme des Fonds die Bedeutung der beabsichtigten Melioration für die allgemeine Landeskultur, sowie die Leistungsfähigkeit der Meliorations-Jnteressenten zu prüfen. 5) Zn Betreff der Regulirung der Bartsh und ihrer Neben- flüsse Orle und Massel wird zu Gunsten derjenigen Meliorations-Jnteressenten, deren Grundbesiß innerhalb der Provinz Posen ganz oder theilweise in die Meliorations- Genossenschaft einbezogen ist oder noch einbezogen werden sollte, die jährlihe Tilgung des aufzunehmenden Meliora- tionsdarlehns mit 1 Proz. und die jährliche Verzinsung desselben, insoweit solhe 21/2 Proz. übersteigt, unter ge- wissen formulirten Bedingungen übernommen. 6) Die vorliegenden Gesuche der Exiner Ent- und Bewässerung®- Genossenschaft, der Genossenshaft zur Entwässerung des Biechowo'er Sees haben durch den Beschluß zu

ihre Erledigung gefunden und find der Provinzial- ständischen Verwaltungs-Kommission zur weiteren Veranlassung überwiesen worden. 4 Das Gesu der Genossenschaft zur Entwässerung von Seefelde und Rogasen und das Gesuch um eine Provinzial-Beihü]fe zur Melioration des Thales der faulen Baritsch sind der Provinzialständishen Verwaltungs-Kommission zur Prüfung und Entscheidung überwiesen worden. 8) Das Gesuch der Welna-Genossenschaft um- Zineermäßigung ist abgelehnt. 9) Mit dem vorgelegten Entwurf einer neuen Ausführungsverordnung zum Fischereigeses für die Provinz Posen hat sich der Landtag einverstanden erklärt. 10) Der Antrag des Kreises Witkowo um Gewährung von 50 000 zum Bau eines Ständehauses wird abgelehnt. 11) Zur Erhaltung der gewerblichen Vorschule in Pojen sind jährlih 3000 6 bewilligt. 12) Ueber die Nehnungen von dem Chaussee- und Wegebaufonds pro 1. April 1883 bis Ende März 1886 ist Decharge ertheilt. 13) Ein Gesuch des Rudolph Flieger zu Pinne um Anerkennung des Eigenthums- rets an einem Quantum Steine der Pinne-Brägßer Chaussee wird abgelehnt. 14) Der Antrag des Dominiums Konarzewo um Aus- bau eines Weges ist der Provinzialständischen Kommission für den Chaussee- und Wegebau zur weiteren Veranlassung übergeben. 15) Ueber den Antrag, betreffend den Bau einer Eisenbahn von Küstrin über Schwerin nah Wierzebaum, ist: zur Tages- ordnung übergegangen. 16) Zu der Vorlage, betreffend die Darstellung über den Zustand der Feuersozietät Ende März 1887, ist beschlossen worden, der Provinzial-Feuersozietäts- Direktion im FJnteresse der Versicherten zur dringenden Berüdsichtigung zu empfehlen, durch Revision der von den Schätern bewirkten Einschäßungen der Gebäude zur Versiche- rung dasür Sorge tragen zu wollen, daß Ueberversicherungen möglichst vermieden werden, damit beim Brande keine Abzüge stattfinden. 17) Ueber die Rechnungen von der Verwaltung des Feuersozietätsfonds pro 1884—85, 1885—86, 1886—87 wird Decharge ertheilt. Hierbei ist beschlossen worden, die Distrikts- Kommissarien und Bürgermeister dahin zu belehren, daß einfache Visirungen der Quittungen genügen und nicht stempelpflichtig find. 18) Die Gesuche des Fischer in Dzidno und der Josepha Glinska zu Znin um Gewährung von Brandentschädigung sind von dem Landtage befürwortet und ferner der Provinzial- Feuersozietät die Auszahlung von 75 4 an den Häusler

adlewskfi zu RNadomierz anheimgestellt. Ueber die Gesuche des N. Zud)e zu Weichselthal und des Pankowski zu Laskow um Gewährung von Brandentschädigung ist zur Tagesordnung übergegangen. : ,

Hiermit war die Tagesordnung erledigt.

Sachsen. Dresden , 15. März. Das amtliche „Dresdner Journal“ meldet: Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu befehlen geruht, daß das 2. Hufaren-Regiment „Kronprinz Friedrih Wilhelm des Deutshen Reichs und von Preußen“ Nr. 19 von jeßt ab die Bezeichnung „2. Husaren- Regiment Nr. 19 Kaiser Friedrih König von Preußen“ zu führen hat.

Oesterreih-Ungarn. Wien, 14, März. (W. T. B.) Kronprinz Rudolf mit Gefolge is heute Abend 10 Uhr nah Berlin abgereist.

Nach Meldungen einiger Blätter fanden vorgestern und gestern unter dem Vorsiß des Kaisers militärische Kon- ferenzen statt, an denen auch Erzherzog Albrecht Theil nahm.

s (Wien. Ztg.) Jm Abgeordnetenhause über- mittelte gestern der Ackerbau-Minister das Präli- minare über die im Jahre 1888 aus dem staatlichen Meliorationsfonds zur Verwendung gelangenden Be- träge. Eine Zuschrift des Minister-Präsidenten Grafen Taaffe theilt eine Depesche des deutshen Reichskanzlers Fürsten von Bismarck an den Minister des Aeußern Grafen Kälnoky mit. Das Wiener Landesgericht sucht um Gestattung der gerihtlihen Verfolgung des Abg. Schönerer an wegen gewaltthätigen Eindringens desselben in die Redaktion des „Neuen Wiener Tagblattes“. Abg. Angerer und Genossen interpelliren wegen Lieferung der Soole bei Salinen. Abg. Sigmund und Genossen beantragen die Erlassung eines Geseßes zum Schug der Mineral-Heilquellen und anderer für den Trinkbedarf dienenden Wässer gegen absichtliche oder fahrlässige Beschädigungen. Hierauf wird zur Weiter- berathung des Katechetengeseßes geschritten.

er Justiz-Aus\huß des Abgeordnetenhauses hat den Bericht über die Regierungsvorlage, be- treffend den Advokatentarif, vorgelegt und beantragt in demselben, dem Geseßentwurf, welcher nur den Zusaß erhalten hat, daß der Tarif auch für die Entlohnung der betreffenden Arbeiten der Notare als anwendbar erklärt wird, die ver- fassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen.

Großbritannien und Jrland. London, 14. März. G: T. Ta Jn der heutigen Sißung des Unterhauses eantragte Sl agg eine Resolution, in welcher erklärt wird, daß die indische Grenzpolitik in Jndien ernste finanzielle Schwierigkeiten bereite. Der Unter-Staatssekretär Gorst meinte: die Regierung würde sih eines großen politischen Ver- brehens s{huldig machen, wenn sie niht, ohne Rücksicht auf die Kosten, die Grenze Jndiens gesichert hätte. Die Quettah-Eisenbahn und ihre Ausdehnung durch das Amram:Gebirge würden nicht über das britische Gebiet hinausgehen; das Amram-Gebirge als erste Vertheidigungslinie sei erfolgreih gegen jeden Angriff zu vertheidigen. Die Wirkung der einge chlagenen Politik sei voraus sitlih die, daß jeder Versuh einer Macht, in Jndien einzudringen, abgewendet werde. England unterhalte gegenwärtig herzlihe Beziehungen zu allen Grenzstämmen zwischen Jndien und Afghanistan ; auch mit China beständen sehr befriedigende Beziehungen, und es sei nicht die geringste Wahrscheinlihkeit, daß mit dieser Macht hinsihtlich der birmanishen Grenze Schwierig- keiten entstehen könnten. Der Antrag Slagg's wurde nah längerer Debatte mit 122 gegen 72 Stimmen abge- lehnt. Der Unter-Staatssekretär Fergusson hatte im Laufe der Berathung erklärt: der indischen Grenzpolitik liege keine Herausforderung gegen irgend eine Macht zu Grunde ; mit derselben seien vielmehr nur C Ig G ANngan gegen irgendwelche Eventualitäten bezweckt.

14. März. (W. T. B.) Das Unterhaus nahm mit 250 gegen 150 Stimmen die zweite Lesung des Brad- laugh’ schen Geseßantrags an, welcher den Personen, die einen Eid nicht leisten wollen, gestattet, eine Erklärung an Eidesstatt abzugeben. Jm Lauf der Debatte erklärte sih Bradlaughbereit, um den Einwänden Harcourt's und Clarke's zu

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begegnen, bei derSpezialdébatte die Bill dahin abzuändern, daß Per- r die ihren Eid durch eine Erklärung an Eidesstatt er- eßen wollen, ausdrüdlich erklären müssen, daß sie Gewissens- \krupel gegen den Eid als solhen empfinden und sich dur einen Eid nicht für gebunden erachten.

Frankreich. Paris, 14. März. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer nahm heute mit 317 gegen 229 Stim- men den Antrag der Budgetkommission auf Aufhebung der Getränk Cour an, dieselbe repräsentirt eine Einnahme von 160 Millionen Francs, die die Budgetkommission dur eine einheitlihe Steuer auf Alkohol, und durch den Ertrag aus der Aufhebung des Privilegiums der bisher steuerfreien Rohspiritus-Brennerei wieder einzubringen hofft. Tirard hatte sh gegen den Antrag ausgesprochen.

15. März. (W. T. B.) Das „Fournal officiel veröffentliht einen Bericht des Kriegs-Ministers, in dem verschiedene Thatsahen aus dem früheren Verhalten des Generals Boulanger registrirt werden. Danach sei Boulanger drei Mal ohne Urlaub nach Paris gekommen. Der Bericht konstatirt die Schwere solchen Mangels an Disziplin, namentlich wenn dieselbe von einem General ausginge, und beantragt, Boulanger in Nicht-Aktivität zu versetzen. Der Bericht ist vom Präsidenten der Republik genehmigt.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 14. März. (W. T. B.) Der Reichstag erhöhte die Branntwein- steuer mit 10 Dere per Liter.

BZeitungsfstimmen.

_ Aus den überaus zahlreichen Kundgebungen der Zeitungen über das Hinscheiden Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm jowie die Proklamation und den Erlaß Sr. Majestät des Kaisers Friedrich theilen wir heute die folgenden mit :

Die „Konservative Correspondenz“ spriht sih über den Erlaß im Wesentlichen dahin aus:

„Wir begrüßen vor Allem das Urtheil mit hberzliher Freude, daß „die Förderung der Aufgaben der Reichsregierung die festen Grundlagen unberührt lassen muß, auf denen bisher der preußische Staat sicher geruht hat"; denn dieser feste Boden beißt Gottes- furcht, Pflichttreue und ein starkes obrigkeitlihes Regiment, und wem diese konservativen Staatëgrundsäge in Fleish und Blut über- gegangen sind, der bietet auch für die bundesfreundliche, si \treng an die geschlossenen Verträge bindende Gesinnung gegenüber den anderen deutschen Staaten die beste Gewähr. Daß Kaiser Friedrich weiter sich zu dem alten Shnmuck und Erbtheil seines Hauses, dem Grundsatz dcr religiösen Duldung bekennen würde, haben wir nicht anders von ihm erwartet, und wir freuen uns detgleichen des \{charfen BVlicks für eine Hauptquelle aller unserer sozialen Uebel, mit denen unser König auf die Gefahren der Halbbildung und der einseitigen Uebershätzung vêrmehrten Wissens, sowie auf die zerrüttenden Folgen unverhältnißmäßigen Aufwands hinweist. Wir hören weiter von der Einigkeit der Anschauungen Kaiser Friedrih's mit denen seines Vaters auf dem Gebiet der Bestrebungen, die wir gewöhnli unter der Bezeihnung der Ziele der Kaiserlichen . Botschaft vom 17. November 1881 zusammenfassen. Wir erfahren “weiter von der hochherzigen Absicht Kaiser Friedrih's, die gegenwärtige Blüthe der deutschen Kunst und Wissenschaft zu voller Entfaltung zu bringen, und von seinem (Entschluß, mit einer Reibe praktischer Re- formen auf dem der besserndea Hand allerdings dringend bedürftigen Gebiete des Kommunal-Steuerwesens vorzugehen.“

Die „Neue Preußische Zeitung“ hebt hervor :

„Die knappen Säte der Proklamation werden ihres tiefen Ein- drucks auf das Volk, an welches sie sich wenden, sicherlih nicht ver- fehlen. Warme Worte entströmen dem Sohnesherzen im Angedenken an den dahingeschiedenen Vater. Und dio Aufgabe, die er vom Vater als eine wenn auh. \{chwere, so doch s{chône Erbschaft übernommen hat, schickt Kaiser Friedrih sich an, unter Gottes Beistand und Segen in demselben Sinne wie Jener weiterzuführen: nah außen ein starker Hüter des Friedens, nach innen weiter bauend auf der geschihtlihen Grundlage des preußishen Staates, der „untrennbaren Verbindung von Fürst und Volk“, die eben, weil Gott sie zusammengefügt hat, durch Menschenhände niht geschieden werden können. Ist es auch naturgemäß ein anderer Ton, den „der Erlaß an den Reichékanzler“ anschlägt, so ist es doch derselbe Grund- akford, der in ihm überall durchfklingt: Keine Unterbrehung der historishen Kontinuität, uners{ütterlibes Festhalten an den Grund- lagen, „auf denen bisher der preußische Staat sier geruht hat“. Der Hohenzoller - König hat niht nöthig gehabt, den alten, in Sturm und Drang wie im Sonnenschein des Glücks treu erprobten Diener seines Königlichen Vaters auf diese ge\hicht- liden Grundlagen im Einzelnen hinzuweisen, denen Preußens Ge- \chickchte seine unvergleihlihe Eigenart verdanlt Das „Mit Gott“, welches în zweifaher Weise des Königs Heer \{müdckt, zeigt uns mit einer, Gott gebe es, unvergänglihen Bestimmtheit, daß Christenthum, Monarwie und Heer die drei starken Wurzeln sind, denen der Baum entsprossen ist, unter dessen Schatten wir Preußen und Deutschen gut und sicher wohnen können.“

Der „Reichsbote“ beschäftigt sich insbesondere mit dem die religióse Duldung betreffenden Passus und sagt dann weiter : :

„Wir haben \tets, wie es unser Kaiser in seinem Erlasse thut, betont, „daß nur ein auf der gesunden Grundlage von Gottesfurcht in einfaher Sitte aufwacbsendes Geshlecht hinreichende Widerstands- kraft besißen wird, die Gefahren und Schwierigkeiten zur Zeit zu überwinden“; wir haben ebenso wiederholt die ÜUeberwucherung der Halbbildung als eine Gefahr für die gcsunde soziale Entwickelung betont, wie wir auf der anderen Seite stets die Förderung eter Wissenschaft und Kunst hervorhoben und zur Sparsamkeit in der Verwaltung des Staates und zur Vereinfahung der Bureaukratie ermahnten: Alles Dinge, welhe auch der Kaiserliche Erlaß betont. Ganz besonders freut es uns, daß der Kaiser auh in Bezug auf die Wirthschafts- und Sozialpolitik sich auf den Boden der bestehenden Ba stellt, indem er, fern von einer Politik des liberalen Gehen- assens, es vielmehr als die Aufgabe des Staates betont, „die wider- stieitenden Interessen zu versöhnen und unvermeidlihe Mißstände zu mildern“. Das ist die Politik des Schußes der nationalen Arbeit wie der sozialen Reform im Sinne der Kaiserlihen Botschaft.“

Der kurzen Ausführung der „Post“ entnehmen wir:

«Weder die Ansprache an das Volk, noch der Erlaß an den Reichékanzler und Minister-Präsidenten tragen eine Gegenzeichnung. So muß es sein in Preußen. Unser Staatsleben ift nun schon seit zwei Regierungen unter die Norm der Verfassung getreten, aber immer klarer hat sich die Ueberzeugung der denkenden Vaterlandéfreunde her- ausgebildet, daß der Königliche Wille an die verantwortlihe Gegen- zeichnung zwar gebunden ist für jede Anordnung in öffentlihen Ver- hältnissen, für jede geseßliche dauernde Normirung derselben, aw aber die Perfönlihkeit des Monarchen nicht aufhört, aud) in ihrer Beziehung zum Volke eine lebendige und freie zu sein, demna niht behindert ist im Ausdruck ihrer Gefühle und Grundsäge, wo der Herrscher die öffentlihe Bekundung derselben angemessen findet. Der Ang os Preußen darf nicht eine \ym- bolishe Figur ohne Leben, gleichsam eine Mumie sein, auf deren Gewändern von fremder verantwortliher Hand die Staatsakte ver-

zeichnet werden. Der König von Preußen darf und sfoll, um dem

Volke Großes zu bringen, ebenso wie er dem Staat angehört, auch sih selbst angehören, und die Angebörigkeit an den eigenen, von Gott verliehenen Charafter soll niht verborgen werden, nicht zurüdFgedrängt in die Verborgenheit des Privatlebens. Sie darf heraustreten in die Oeffentlichkeit, wenn auch der Herrschertakt die Wahl der Gelegenheit überwachen und beschränken wird. Eine größ:re Gelegenheit kann fast nit wiederkehren, als die jeßige. A i

ol Bu „Berliner Börsen-Zeitung“ resümirt sih wie olgt :

«Im Ganzen ist aber der Geist, welher den Erlaß des Kaisers durchweht, fo klar und überzeugend, daß alle aufrihtigen und von keinen selbstsüchtigen Gelüsten mißleiteten Männer si dazu beglück- wünschen müssen. Ein gerechtes, sparsames, immer die Woblfahrt der Allgemeinheit im Auge bebaltendes Regiment wird der Kaiser führen. Niemand im Lande darf sich erkühnen, die Verfassung oder andere Gesetze zu verlegen.“ ;

Die „Vossische Zeitung“ äußert am Schlusse ihrer Ausführung :

„Alle Gedanken Kaiser Friedrih's bewegen sich auf dem Boden praktischer Politik und unmittelbarer Gegenwart. Selbst auf dem Felde, welhem Kaiser Friedrih seine besondere Neigung widmet, spricht er mit gehaltener Vorsicht: er will deutsche Kunst und Wissen- haft zu voller Entfaltung bringen, wenn es ihm gelingt, die Grund- lagen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens Iräftig zu erhalten. Wenn ter Kaiser zum Schluß den Glanz ruhmbringender Großthaten von sih weist, so bedarf er freilich solher Thaten niht mehr; er hat deren ungezählte vollbraht. Und wenn er zufrieden ist, dem Volke wohlthätig, „dem Lande nüßlich, dem Reiche ein Segen zu werden, so wird ihm die Gesbichte dieses Zeugniß dereinst gewiß nit vorenthalten, wenn die Vorsehung ii;m die Zeit vergönnt, die für feine Negierung aufgestellten Gcundsäte durchzuführen und zu bethätigen. In jedem Falle aber weiß die deutsche Nation ihrem Kaiser Dank, daß er fkraftvoll und ents{lossen die Zügel der Regierung ergriffen hat, um dem Volke, dem er sein Leben geweißt, „ein gerehter und in Freud wie Leid treuer König zu sein“. Er wird es fein, und möge er es lange sein.“

Die „Freisinnige Zeitung“ schreibt:

„Ehrfur@t und Dank für den im Tode verklärten Kaiser, Treue um Treue zwishen dem na{folgenden Kaiser und seinem Volke das sind die Gefühle, denen die Proklamation Friedrih's 11]. vollen und würdigen Autdruck giebt. Des Widerhballes im ganzen deutschen Volke kann sie versichert sein. Der Erlaß an den Fürsten Bismarck, als den Staatsmann, der zugleih Kanzler des Deutschen Reichs und Minister-Präsident in Preußen ist, ist aus\{chließlich den Zielen der inneren Politik gewidmet.

Zwei Punkte sind es, die in dem Erlasse mit unzweideutiger S(âärfe hervortreten. Es ist die nachdrückli&e und rückhaltlose Be- tonung der Nothwendigkeit der konstitutionellen Verfassung im Reiche 2nd in Pieußen, als in den „unabweiëbaren Bedürfnissen des gesell- schaftlichen und staatlichen Lebens begründet Die „gleite“ Achtung der Rechte des Kaisers, der verbündeten Regierungen, wie des Reichs- tages und Landtages, die in wiederholten Wendungen gefordert und zugesichert wird, läßt für diktatorische Gelüste keinerlei Naum. Sie läßt die Warnung von dem „häufigen Wesel der Staatseinrihtungen und Gesetze“, ge|chweige denn der Verf-fsungen, doppelt bedeutsam erscheinen. Scharf bervoitretend niht minder ist das starke und vn- umwundene Bekenntniß zu dem Grundsatze religiöser Duldung gegen- über jeder Religion8gemeinschaft und jedem Bekenntniß.

Alles in Allem genommen ter Erlaß ist \{lechterdings nicht das, was er als cine Kundgebung der Person des Kaisers, der die ministerielle Gegenzeihnung fehlt, nicht sein konnte und nit sein durfte ; er ist kein Partciprogramm. Er ist das, was er sein konnte und mußte, eine Kundgebung für alle Parteien, welche in Treu-c gegen den Kaiser die bestehende Verfassung des Reichs und Preußens als den festen Auësgangspunkt aller ihrer politischen Bestrebungen erachten. Der Erlaß richtet sih an alle Parteien ohne Ausnahme, keine kann fih rühmen, bevorzugt, keine kann si beklagen, zurücgeseßzt zu sein. Sie alle finden Platz, um nah dem Maße ihres Könnens und Wifsens den Zielen naczustreben, die der Erlaß vor Augen stellt. Der Kaiser behält sich die Würdigung der Dienste, die dem Vaterlande gewidmet werden, nah allen Seiten hin vor.“ S E

Die „Germania“ sagt, nachdem sie die bis dahin ihr vorliegenden Preßstimmen glossirt hat:

es ist zweifellos in dem Kaiserlihen Erlaß der Gesichtspunkt einer größeren Stctigkeit in den Rechtsordnungen von Staat und Reich betont, die Ordnungen sollen „in der Ehrfurcht und den Sitten der Nation sich befestigen“, was natürlich niht möglich ift, wenn niht „Ershütterungen möglichst vermieden werden, welche häufiger Wechsel der Staatseinrihtungen und Gesetze veranlaßt“. Und diesem Grundsaß gemäß „muß“ nah dem Willen Sr. Majestät „die För- derung der Aufgaben der Reichsregierung die festen Grund- lagen unberührt lassen, auf denen bisher der preußische Staat sicher geruht bat“, und es sind „im Reiche die verfassungs- mäßigen Rechte aller verbündeten Regierungen ebenso gewissenhaft zu achten, wie die des Reichstages; aber von Beiden ist eine gleiche Achtung dcr Rechte des Kaisers zu erheisten. Dabei ist im Auge zu behalten, daß diese gegenseitigen Rechte nur zur Hebung der öffent- lihen Wohlfahrt dienen sollen, welche das oberste Geseh bleibt, und daß neu hervortretenden unzweifelhaften nationalen Bedürfnissen stets in vollem Maße Genüge geleistet werden muß.“ Der erbaltende Charakter dieser Politik tritt in allen diefen Worten aufs Schönste hervor und vor Allem erfreut, daß die gleiche „gewissenhafte“ Rechts- achtung für die Kaiserlihen Rechte, die Rechte der verbündeten Re- gierungen und die Rechte des Reichstages verlangt wird.“

Die „Magdeburgishe Zeitung“ ruft aus:

Mit der Thatsache eines Thronwechsels pflegt \sich in der Regel die Vorstellung einer Aenderung des Regierungssystems zu verbinden, eine Borîstelung, die dann, je nach Umständen, den Charakter der Vefürhtung oder der Hoffnung annimmt. Glücklich der Staat, wo weder das Eine noch das Andere am Playe ift, wo einerseits die Zustände, wenigstens im Allgemeinen, nicht von der Art sind, daß das Volk nah einer allzu durhgreifenden Aende- rung derselben si sehnen müßte, und wo andererseits die Persön- lichkeit des neuen Herrschers Bürgschaft dafür leistet, daß weder ohne Noth Neuerungen eingeführt, noh viel weniger aber Rückschritte an- gebahnt werden dürften. Denn, wie in allen Dingen, fo ist zumal im Staatéleben, und vollends im Leben eines großen Staats, Stetigkeit die beste Gewähr glücklihen Gedeihens, siheren Wachs- thums. Stetigkeit das beißt niht Stillstand oder starres Fest- halten am Alten, vielleiht Veralteten, wohl aber stetige, ruhige, naturgemäße Entwickelung. Darum warnt der Kaiser vor Allem vor den Erschütterungen, welhe ein häufiger Wechsel der Staatseinrihtungen und Gesehe veranlaßt. Wie im Innern, fo ist eine solhe Stetigkeit vor Allem in der äußeren Politik nothwendig, um das Vertrauen der auêwärtigen Freunde und Verbündeten unge- \{chwächt, voll und ganz zu erhalten, den Gegnern aber keinen Anlaß zu geben zu bedenklichen Hoffnungen oder gar zu gefährlichen Wag- nissen. Niemals und nirgends wohl war eine solhe Stetigkeit der aen Politik dringlicher, als in diesem Augenblick für unser Deutsches

eich!

Die (Londoner) „Allgemeine Correspondenz“ be- rihtet: „Der Tod des Kaisers Wilhelm beschästigt fortdauernd die Federn der englishen Presse. Der mit Trauerrand er- schienene „Observer“ schreibt :

„Mit dem verstorbenen Kaiser ist eine der hervorragendsten Per- \sönlihkeiten unserer Zeit in's Jenseits hinübergegangen. Mit ihm wird eine Aera zum Abschluß gebracht, und obwohl Deutschland unter anderen Herrschern an Stärke und Gebietszuwachs gewinnen mag, kann das Haus Hohenzollern kaum hoffen, einen Monarchen zu erzeugen, defsen Ruhm den des einstigen Prinz - Regenten von Preußen überstrahlen wird.“ Gleichwohl verspriht sih das „Sonntagsblatt“ Ersprießlihcs von der Regierung des neuen Kaisers,

zumal wenn, was zu erwarten sei, das Ansehen des Fürsten