1908 / 238 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Oct 1908 18:00:01 GMT) scan diff

veterinär im Feldart. Regt. Nr. 72 Hohmeister, zum Oberveterinär, Stammer, Unterveterinär im Hus. Regt. Landgraf Friedrich II. von

fsen-Homburg (2. Kurhef\.) Nr. 14, Schüler, Unterveterinär im

asur. Feldart. Regt. Nr. 73, tnit Wirkung vom 1. Oktober 1908 ¡u Oberveterinären, Dr. Henze (1 Bochum, Garde) und Zörner (Landsberg a. W.), Unterveterinäre der Res, zu Oberveterinären des Beurlaubter standes, ernannt. Pahl, Oberveterinär im 1. Garde» feldart. Regt., der Charakter . Stabsveterinär® verliehen. Broh- mann, Stabsveterinär im Drag. Regt. von Arnim (2. Brander- burg.) Nr. 12, zum Gren. Regt. zu Pferde Freiherr von Derfflinger (Neumärk.) Nr. 3, Born, Oberveterinär im Sleswig- Holstein. Ulan. Regt. Nr. 15, behufs Wahrnehmung der Stabsveterinär-

eshäfte zum Drag. Regt. von Arnim (2. Brandenburg.) Nr. 12, Tiegs, OÖberveterinär, Ast. bei der Militärlehrschmiede in Königss berg i. Pr., zum 1. Ostpreuß. Feldart. Regt. Nr. 16, Neumann, Oberveterinär im 2. Pomm. Ülan. Regt. Nr. 9, als Assist. zur Militärlehrshmiede in Königsberg t. Pr, mit Wirkung vom 1. Oktober 1908 versetzt. Ganser, Müller, Kroening, Mush ak, Ebach, Klahr, Militärbauregiftratoren auf Probe bei den Baus ämtern in Rastatt bezw. Il Koblenz, Frankfurt a. D., Karlsruhe, IT Koblenz und IIT Mainz, eadgültig angestellt.

Die Intend. Sekretäre: Zenker, Hülsmann, Busch von den Intend. des VIII. Armeekorps bzw. der 2, Div. und des X V1. Armeekorys, zu denen des I. bzw. VIT. und VIL Armeekorps, Heße (Karl), Waechter von den Intend. des 1X. Armeekorps bzw. der 33. Div, zu denen des XVIII. bzw. VIIL. Armeekorp8, zum 1. Januar 1909 MeeET L

26. September. rmand, Gericht8afsefsor, als etatmäß. Meilitärintend. Assessor bei der Intend. des IV. Armeekorp8 ange- telt. Nicolaus (Alfred), Intend. Sekretär von der Intend. des TI1. Armeekorps, zu der des Gardekorps verseßt. Preußer, Ober- ¡ablmstr. vom Shle8wig-Holstein. Drag. Regt. Nr. 13, auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand verseßt.

Königlich Sächfishe Armee. E

Offiziere, Fähnrihe usw. Dresden, 9°. tober. Seine Majestät der König von Spanien zum Chef des 2. Ulan. Regts. Nr. 18 ernannt. :

24. September. Böhringer, Lt. im 1. Pion. Bat. Nr. 12, vom 1. Oktober d. I. ab auf ein Jahr zur ieñstleistung zum 2, Trainbat. Nr. 19 kommandiert. :

27. September. Schubert, Oberlt. im 1. Feldart. Regt. Nr. 12, mit dem 30. September d. J. von dem Kommando zur Dienstleistung beim Königl. preuß. Großen Generalstabe enthoben und vom 1. Oktober d. J. ab auf zwei Jahre ohne Gehalt be- urlaubt.

1. Oktober. Gr. Schall-Riaucour, Lt. im Gardereiter- regt, vom 1. November d. I. ab auf ein Fahr zur Kaiserlichen Ge- sandtshaft in Adis Abeba kommandiert. ;

Im Sanitätskorps. 30. Sevtember. Dr. Wolf, Unterarzt der Res. im Landw. Bezirk 11 Dresden, als Unterarzt des Aktivstandes unter Beauftragung mit Wahrnehmung einer offenen Assist. Arztstelle unterm 1. Oktober d. I. beim 1. Feldart. Regt.

Nr. 12 angestellt. L Militärgeistliche.

Dur Verfügung des Kriegsministeriums. 26. Sep- tember. Dr. Kaiser, kathol. Militärpfarrer beim XIX. _(2. K. S.) Armeekorvs, unterm 1. Oktober d. J. zum XII. (1. K. S.) Armee- korys versezt. Klesse, Kaplan in Leipzia, unterm 1. Oktober d. I. zum kathol. Militärpfarrer ernannt und dem X 1X. (2. K. S.) Armee- korps zugeteilt.

Beamte der Militärverwaltung.

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 26. Sep: tember. S phil. Thiergen, wissenshaftliher Hilfslebrer am Kadettenkorys in Dresden, unterm 1. Oktober d. I. als Oberlehrer auf Probe bei dieser Behörde angestelt. Dr. phil. Hoffmann, Kandidat des bôheren Schulamts, unterm 1. Oktober d. I. als wiffsen- schaftlicher Hilfslehrer am Kadettenkorps in Dreéden angestellt.

Angekommen:

Seine Exzellenz der Staatssekretär des Auswärtigen Amis, Wirkliche Geheime Nat von Schoen, vom Urlaub.

In der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers“ ift eine Genehmigungsurfkunde,

betreffend eine Anleihe der Neinickendorf-Lieben-

walde-Groß-Schönebecker Eisenbahn-Aktiengesell-

\haft, veröffentlicht.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 8. Oktober.

Der Bundesrat versammelte sih heute zu einer Plenar- sigung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für JZustiz- wesen und für Elsaß-Lothringen sowie der Ausschuß für Justizwesen Sizungen.

—— e —ZLÎ

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Der Präsident des Reichsversicherungsamts, Wirkliche Geheime Oberregi-rungsrat Dr. Kaufmann, is in dienst- lihen Angelegenheiten nah Rom abgereist.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Hertha“ vorgestern in Las Palmas auf Gran Canaria eingetroffen und geht am 19. Oktober von dort nah Queenstown (Jrland) in See.

S. M. S. „Leipzig“ ist vorgestern in Kiukiang (Yangtse) und S. M. S. „Luchs“ gestern in Kobe (Japan) einge- troffen.

Württemberg.

Die Volks\hulkommission der Zweiten Kammer ist gestern nahmittag zur Beratung der olks\chulnovelle zusammengetreten. Der sozialdemokratishe Antrag auf Strei- chung des Religionsunterrihts in der Volksshule wurde, „W. T. B.“ zufolge, mit allen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Ebenso wurde der A der Volkspartei, die Erteilung des Religionsunterrihts auf die Geistlichkeit zu beschränken und die Lehrer davon zu befreien, gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.

p Ä a A LOA A CE N E S E B I E S RS C N R E S igt pa na wan

Oesterreich-Ungarn.

Die Proklamation des Kaisers Franz Joseph ; an die bosnishe Bevölkerung ist dur die Behörden, die ! Ortsältesten und öffentlihe Ausrufer im ganzen Lande zu gleiher Zeit bekannt agen und den Truppen durch die Chefs der Abteilungen mitgeteilt worden. Die Landbevölke- rung nimmt, dem „K K Telegraphen - Korrespon- denzbureau“ zufolge, das Ereignis mit Ruhe und Würde entgegen. Jn Serajewo hielt gestern der Gemeinderat eine Festsißung ab und sandte eine Huldigungsdepesche an den Kaiser Franz Joseph ab. Désgleichen gehen aus allen Landes- teilen Huldigung E von Gemeinden und Kor- porationen an den Kaiser und den gemeinsamen Finanz- minister ab. | Zu der Einverleibung Bosniens und der Hergege ns in DIE öôsterreihisch - ungarische onarchie bemerkt das Wiener „Fremdenblatt“, daß die Regelung der Rechtsverhältnisse der offupierten Länder ein wichtiger historisher Akt von großer Tragweite sei, zu dessen zusammenfassender eung sagen dürfe, daß er aus fulturellen Motiven erflossen sei, daß der Zeitpunkt, in dem er vor si gehe, von der politischen Notwendigkeit an- egeben worden sei, und daß er in Ausführung der eigentlichen Absichten des Berliner Vertrages ein hervorragend friedliches Ziel verfolge. ‘Das genannte Blatt fährt dann fort: Der Berliner Vertcag enthielt für uns ein europäishes Mandat, in Bosnien und der Herzegowina die Ordnung herzustellen und durch ihre dauernde Aufrechterhaltung den europäischen Frieden an einem gefährdeten Punkt zu sihern. Wir haben diese Aufgabe gelöst, wir haben diesen Ländern den Frieden zurückgegeben und alle Segnungen der Zivilisation vermittelt, sodaß fie heute auf einer hoben matertellen und individuellen Entwickelungsstuffe angelangt sind. Die Ofkuvation der beiden Länder beruht auf den uns vom Berliner Kongreß unter ausdrüdcklicher Zustimmung au der ersten Bevollmächtigten Englands und Rußlands über- getragenen Rechten, während die rechtliche Stellung dieser Länder in bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen unserer Monarchie und der Türkei dur die Sonderkoavention vom 21. April 1879 geregelt wurde, um deren Abänderung allein es ih jeyt handelt. Diese Sonder- fonvention enthielt zwet Hauptpunkte; der eine sprah gegenüber der faltishen Ausübung der Souveränitätsrechte dur Oefterreih-Ungarn die Belaffung einer rein nominellen türkishen Souveränität aus, der andere betraf die näheren Abmachungen über die von beiden Staaten im Sandshak Novibazar zu unterhaltenden Garnisonen. Diese legteren Bestimmungen wurden mit Rücksicht auf den damaligen Schwächezustand der Türkei getroffen. s ist vollends eine An- erkennung der Tatsache, daß fich die Türkei seither wieder erholt und insbesondere durch die jeßt erfolgte Neuordnung ihrer Verhältnifse konsolidiert hat. Zuglei liefern wir aber ‘damit einen unzweifel- haften Beweis sowohl für die territoriale Uneigennüßigkeit unserer all- emeinen Orientpolitik, als auch insbesondere für unseren Wunsch, der ürkei ein sihtbares Pfand unjerer freundschaftlihen Gesinnung und unseres vollen Vertrauens in die neuen ftaken Grundlagen ibrer Staatlichkeit zu geben. Die Souveränität des Sultans in den offu- pierten Ländern, diesen zweiten Hauptpunkt des Sonderabkommens vom Jahre 1879, konnten wir drei Jahrzehnte lang sonen, erstens, weil fie eine solhe Form der Souveränität darftellte, die uns in der geordneten und einheitlichen Berwaltung niht behinderte, dann aber auch weil ihre Schonung bisher mit keiner Gefahr für die Stabilität in den okkupierten Ländern, ¿zu deren Aufreht- erhaltung uns der Berliner Vertrag verpflichtete, verbunden war. Eine solhe Gefahr haben aber gewisse Agitationen, die Be- unrubigunrg in die Bevölkerung trugen, nahegerückt. Es entstand die Notwendigkeit, jener Gefahr durch eine geeignete Maßregel entgegen- zutreten. Diese Maßregel besteht in der endgültigen Klärung eines - bisher ungeklärten und mit steten Ko likationen drohenden Vei- hältnifses. Es war unsere Pflicht, di- in osnien und der Herzegowina geshaffene Ordnung im Sinne und zum Schutze der Grundgedanken des Berliner Vertrages aufrecht zu erhalten. Das Blatt weist sodann auf die Verleihung eines kfon- stitutionellen. Regimes an die Bevölkerung hin und sagt: Diese konnte erst nach Klärung des Nechtsverhältnifses ohne Gefahr von Verwicklungen erfolgen. Was abcr unser Vechältnis ¡ur Türkei betrifft, so Hoffen wir, daß, Erregung des ersten Augenblicks vorüber ift, dieses bisher durch die Last eines unklaren Zustandes komplizierte Verhältnis in Zu- funft volle Freundshaftlihkeit und gegenseitiges Vertrauen ge- winnen wird. Dur die Regelung des Souveränitätsverhältnifses ur.d durh die Gewährung konstitutioneller Einrihtungen bieten wir diesen Ländern die Rube ncch außen und nah innen und errichten fo an der Grenze der neuen Türkei einen festen Wall ¡um Schutze ihres Terri- toriums und ihrer nationalen Zukunft.

Der Rechtslehrer Lermnhauenma Hofrat Lammasch führt in einem Artikel des „Fremdenblattes" zur Angliederung Bosniens und der Herzegowina aus.

Der bevorstehende Zusammentritt dis türkishen Parlaments habe Oesterreich-Ungarn vor die Notwendigk-it einer Revision des Verhält- niffses der offupierten Provinzen zur Monarchie gestellt. Durch etwaige aus Bosnien für jenes Parlament gewählte Persö: lichkeiten fönnten ch für die Türkei toie für Oesterreich-Ungarn Verlegenheiten und Gefahren ergeben. Es könnte sich ein staatêreWtlich und vöôlfer- rechtlich gleihmäßig unmöglicher Zustand zeigen. Ferrer ergebe {fi die Notwendigkeit angesichts des hoben fulturellen Aufihwungs der Bevölkerung in den Okkupationsgebieten , den oerehtigten Wunsch nah Sewährung ftaatsbürgerliher Rechte zu verwirklichen, zumal die Erteilung einer Verfaffung in der Türkei diesem Wunsche einen gewifsien Nachdruck verliehen habe. Eine Verfofsung aber könne nur von der unbeshränfien souveräzen Gewalt erteilt werden, nur als Souve: än dieser Länder könne der österreichishe Kaiser und ungarische König eine Verfassung verleihen, denn diese Verleihung sei die voll- kommenste Ausübung seiner Souveränität über sie. Eine Ver- faffung sei also nur unter der Voraussezung möglich, daß die im Artikel 25 des Berliner Vertrages aufcechterhaltene Fiktion einer noch fortdauernden Souveränität des Sultans als nudum Jus auf- gegeben werde. Das Verhältais der Monarchie zu Bosnien und der Herzegowira dürfe nit bloß nah dem Berliner Vertrage, sondern auch nach der Konvention von 1879 zwishen Oesterreich- Ungarn und der Türkei beurteilt werden. Die Freiheit des Kultus für Bosnien und die Herzecowina sei als ein der österreichisch - ungarishen Monachie angehöriges Land selbstver- ständlih. Bezüglich der Ehrenrehte des Sultans als religiöses Oterb-upt werde gewiß alles gesehen, was zur vollen Beruhigung der Mohammedaner notwendig sei Bezüglich der ottomanischen Münzen bemerkte Lammash, daß diese tatsählich nicht mehr zirkulieren. Wenn vollends Oesterreih-Ungarn als Kompenjation für den Verzicht auf die Schattenhälfte der Souveränität seinerseits auf das reale und praktish bedeutsame Ret, militärische Beiaßungen im Sandschak Novibazar zu balten, verzichte, werde die Türkei keine Ursache haben, über diese Aenderungen zu klagen.

Großbritannien und JFrland.

Der Premierminister Asquith und der Staatssekretär des Aeußern Sir Edward Grey haben sih gestern in längeren Reden über die jüngsten politishen Ereignisse und die Stellung Englands hierzu geäußert. Nach den Berichten des „W. T. B.“ führte der Premierminister Asquith aus: /

Wir begegnen an diesem Abende einer großen, über die ganze

wenn die

: aller fremden Politiker rihten fich auf die ershreckende Aufeinander-

folge von Umwälzungen, deren Schauplay das östliche Europa ift. Wentge Ereignisse unserer Zeit erregten eine herzlichere und allgemeinere Svmpathie im britishen Volke, als die unblutige Revolution, welche die Türkei in eine freie, sfih selbs regierende Nation umwandelte.

| SFhre Anstifter und Führer find ausnahmslos ven höchst un-

eigennügizen Beweggründen geleitet worden, und das neue Negierunge-

| \system iff mit einem Minimum an Reibungen ins Werk getreten.

Die'e Situation, die zu fo hoffaungsvollen Erwartungen berehtigte, wurde plöglih gewaltsam unterbrohen durch die Proklamation der bulgarishen Unabhängigkeit und, fast gleichieitia, durch die Annexion Bosniens dur Oesterreih-Ungarn. Beide Ereignifse, die von einander zu trennen kaum mögli ift, bilden gemeinsam einen {weren Schlag

„gegen das neue, noh in seinen Anfängen begriff:ne Regime. Sie find

in der Tükei mit niht unbegreiflißhem Unmut, aber mit bewundern®- werter Rube und Würde e: Poti worden.

Jm weiteren Verlauf seiner Rede kam der Premierminister auf das Januarprotokoll vom Jahre 1871 zu sprechen, das dem Vertrage von London angefügt ist und in dem auch von Oesterreich-Ungarn ausdrücklich dem zugestimmt wird, daß keine Macht die in diesem Vertrage eingegangenen Ver- pflihtungen anders als mit Zustimmung der anderen vertrag- schließenden Parteien lösen könne. Auch der Fürst von Bul- arien könne ohne Zuftimmung der anderen Mächte ein- hließlich der Zustimmung der Türkei keine Aenderung vornehmen.

Deshalb, so fuhr Asquith fort, ist es die Pfücht der Regierung Seiner Majestät, die Parteien, die für den Bruch des Vertrags ver- antwortlid sind, darauf hinzuweisen, daß wir die leßten E nit als irgendwie rechtsverbindlich anerkennen können, solange fie nit durch die Zustimmung der Mähte geregelt find. Es ist ferner klar, deß diese Geshehnifse, die mit solher Ueberstürzung vor sich gegangen find, unweigerlih zu anderen Fragen führen müssen, die von anderen im nahen Osten schr interessierten Mächten erboben werden können. Wir werden nit zögern, der Türkei unsere Versicherung zu geber, daß wir alles in unserer Macht Befindlihe tun werden, um ihre Interessen und ihren Status geachtet und aufcehterhalten zu sehen. Und es if unser ernstester Wursch, der Bevölkerung jenes Landes unsere Sympaihie mit ihrer neuen Regierung zu bezeigen, sowie unsere Sympatbie mit dem Fortschritt und der Entwicklung der freiheitlihen Institutionen des türkishen Kaiserreihes. Indem wir diese Haltung einnehmen, liegt kein Grund zu der Annahme vor, daß wic damit unter den Grof mächten allein fänden, und wir geben uns der Hoffnung hin, daß eine sowobl gerechte wie friedlihe Lôsung die Kräfte der europäishen Diplomatie nicht überschreiten wird.

Sir Edward Grey sagte in seiner Rede, die er in Wooler (Northumberland) hielt, unter anderem:

Unsere Haltu g wird diese sein: Wir können keiner Macht oder keinem Staate das Recht zuerkennen, einen internationalen Vertrag ohne Zustimmung der anderen beteiligten Parteien zu ändern. Das Ergebnis eines derartigen Vorgeh-ns können wir fo lange nicht an- erkennen, als bis die andecen Mächte b:fraat worden find, einschliefß;- li, und speziel ia diesem Falle, der Türkei, die eine der am meisten betroffenen Mächte ist. Wern es in der auswärtigen Politik einreißen sollte, daß irgend eine einzelne Macht oder irgend ein Staat nach Belieben einen internationalen Ver- trag verletzen könnte, so würde dies das ¿fentlihe Vertrauen unter- graben. Die Neigung, die Rüstungen zu vermindern, war in Europa im Zunehmen beguiffen, aber wir können niht erwarten, daß die Aus- gaben für die Rüftunçcen abnehmen, wenn man befürchten muß, daf die Verträze plöglih ohne Zustimmung aller an thnen beteiligten Mächte geändert werten können. Im gegenwärtigen Falle wücde es sehr wünschenswert sein, kcine Z-it zu verlieren und ter Türkei zu versihzrn, daß in jeder Revision des Berliner Vertrags die Inter- effsen und der status der Türkei volle B-rücksichtigung finden würden. Wir wünschen mit allem Ernst die Dinge so fair geleitet zu sehen, daß das Endergebnis aller Aende: ungen des Vertrags nicht sein werde, die neue Regierung în der Türkei zu entmutigen, sondern sie vielmehr zu unterstüßen. Wir werden unseren Einfluß nah dieser Richtung bin geltend machen. Es ift wünschenswert, fih vor Augen zu halten, daß jede Kcänkuna d!s neuen Regimes der jeßt friedlihen Bewegung eine militärische Richtung geben könnte. Hierdurhch könnten alle Reformen in der Türkei gefährdet werden, Mazedo: ien und Armenien könnten wieder in jenen beklagen8werten Zustand geraten, in dem fie ih ncS vor kurzer Zeit befunden haben. Es liegt kein Grund vor, warum das, was ge!chehen ift, zu irgendwelher Friedensstôörung führen follte.

Der Redner schloß, er hoffe niht nur, sondern glaube es auc, daß es zu keiner Störung kommen werde. Die materielle und tatsächlihe Aenderung sei nit so groß, da der Unterschied zwischen Autonomie und Unabhängigkeit vom praktishen Stand- punkt aus nicht bedeutend sei.

Frankreich.

Der Minister des Aeußern Pichon hatte gestern vor- mittag kurz hintereinander Besprechungen über die Orient- fragen mit den Botschaftern Englands, Jtaliens und Nußlands sowie dem serbishen Gesandten ; außerdem konferierten Pichon und Clemenceau gemeinsam erst mit dem englischen Botschafter und dann mit dem griechishen“Gesandten. Wie die „Agence Havas‘ meldet, liegt zur Zeit noch fein formeller Vorschlag für die Einberufung einer Konferenz vor.

Am Nachmittag überreihten dem Minister Pichon der bsterreichis&-ungaris@té Botschafter Graf Khevenhüller die Zirkularnote seiner Regierung, betreffend die An- nexion Bosniens und der Herzegowina und die Räumung des Sandschaks Novibazar, und der türkische Botschafter Na um Pascha die Protestzirkular- note der Pforte gegen die bulgarische Unabhängig- feitserklärung. Jn leßterer heißt es, „W. T. B.“ zufolge:

Der Sultan erhebe nahdrückiih Einipruh gegen die Haltung des Fürsten Ferdinand und appelliere eindringlih an die Signatar- mächte des Berliner Vertroges, entsprehende Verfügungen i! treffen, beispielsweise die Einberufung einec Konferenz - behu!s Prüfung der Bedingungen zur Wiederherstellung der geseh- liden Ordnung in Bulgarien und Ostrumelien urd Auf rechterhaltung der Interessen der Türkei. Die Pforte könr!e zur Gewalt greifen, um ibren Rehten Achtung zu verschaffen, 6b sie wolle dies aus Achtung vor den Verträgen und im Hinblick auf die allgemeinen Interessen und das einmütige Fr'edenébedürfnis ve!- meiden. Sie protestiere formell gegen die eben vollzogene Verleßzuns des Berliner Vertrags und bebalte sich arsdrücklih alle thr dur dies internationalen Akt verliehenen Rechte vor.

Rußland. \

Die offiziôse „Rossija“ veröffentlicht einen Leitartikel über die Annexion Bosniens und der Herzegowina jowif über die Proklamation Bulgariens zu einem unad- hängigen Königreich, in dem es, „W. T. B. zufolge, u. a. heißt: i 5

Der soeben von Oesterreich - Ungarn proklamierte Bes(le Bosnien und die Herzegowina zu annektieren, und andererseits dir Unathängigkeitterklärung Bulgariens bilden eine wesentliche Dl lezung. des Berliner Verirages. Daher sei es nicht zu verwun daß allerseits ungeduldig Nachrichten entgegengesehen werde, wet Maßregeln die Neaterungen der übrigen Mächte ergreifen werden #" gefihts der neuen Lage der Dinge auf der Balkar halbinsel.

Jn dem Artikel wird dann weiter ausgeführt :

Welt verbreiteten Besorgnis und die Gedanken aller englischen und

Öbgleih der Berliner Vertrag nicht wenige für Rußlas? drückende Bestimmungen enthalte, aich so!e, die ¡weifellos nur die

Bedeutung von temporären und im Uebergangszuftande befindliGen Abkommen hätten, habe Nußland sih nicht beeilt, die E E Abänderung dieses Vertrages aufzuwerfen, sondern sei durhweg besorgt gewesen, den Frieden aufrecht zu erhalten und den Vertrag zur Nicht- shnur zu nehmen auf der Grundlage der durch den Londoner Vertrag vom Jahre 1871 bestätigten internationalen Beziehungen, fraft deren ein Abkommen nicht anders geändert werden fônne, als dur allzemeines Einverständnis der Signatar- mächte. Rußland sei jedo verpflichtet, seine Stimme zu erheben, wenn Ereignisse eintreten, die nicht bloß die geseßliche Sphäre seiner politishen Tätigkeit berührten, sondern auh die rehtliche Lage der internationalen Beziehungen im Wesen änderten. Nadem Rußland so viel Blut vergofsen, um die Christen auf dem Balkan zu neuem Leben zu erwecken, und um deren gute Organisation niht wenig Sorge getragen habe, könne es in der Wiederherstellung des Bulgarenreiches nur den erwünshten Ab‘chluß einer historis@en Sache und gleibsam das Erbteil seiner eigenen Mühen erblicken. Dieser Akt im Leben Bulgariens bedürfe jedoch der geseßmäßigen Anerkennung, und es sei notwendig, daß sämtliche Abänderungen, die gleichzeitig in die bestehende Ordnung auf der Balkanhalbinsel eingeführt werden könnten, nit Erschütterungen und internationale Verwikluncen nah ih zôgen. Der natürlihste Weg zur Erreichung dieses Zieles wäre die gemeinsame Beratung der neuen Lage auf einer neuen Konferenz der Mächte, die die bisherige Ordnung auf der Balkanhalbirsel eingeführt haben. Es fei voller Grund zu der Annahme vor- handen, t bei den Mächten dez Wunsch rege sei, ihre sich be- egnenden Interessen in Einklang zu bringen, und dieser Weg der Beratung auf einer Konferenz der Mächte, die den Berliner Traktat unterzeihnet haben, werde zweifellos die befte Bürgschaft bilden für die Wiederherstellung des Gleihgewihts auf der Balkanhalbi: sel und d E eines dem nahen Often gerechten und befländigen rieden®.

JFtalien.

Wie „Agenzia Stefani“ meldet, hat der österreichisch- ungarishe Botschafter gestern vormittag dem Minister des Aeußern Tittoni die Note seiner Regierung überreicht, welche die Gründe darlegt, die Destereeiä-Ungarn zur O Bosniens und der Herzegowina veranlaßt aben.

Türkei.

Der Mere Gamgarage Botschafter in Konftantinopel Markgraf Pallavicini überreihte gestern nahmittag der Pforte, „W. T. B.“ zufolge, nachstehende Note:

Als Oesterreih-Ungarn mit der Pforte am 21. April 1879 die Konvention, betreffend die Durhführng des Artikels 25 des Berliner Vertrages mit Bezug auf den Sandshak Novibazar, abs{hloß, gab es sch Rechenschaft über die enge Solidarität der Interessen, die sich unter anderem in jenen Bestim- mungen der Konvention kundgab, welche die Anwesenheit der österreihisch-ungarischen und . ottomanischen Garnisonen in gewiffen Ortschaften vorsah. Die dur diese freundshaftlihe Kooperation österreihisch-ungarisher und ottomanisher Truppen vorgesehene Ab- iht wurde erreicht. Es ist uns gelungen, die Ordnung aufreht- j¡uerhalten und den euroväishen Frieden zu sichern, den eine Konflagralion in diesen Gebieten in Gefahr gebraht hätte in dem Augenblick, wo die Türkei durch die Folgen des Krieges gans war. Seitdem hat sich die Lage gründlich geändert.

ie 30 Jahre, die der Unterzei@;nung der Konvention folgten, gaben der Türkei Zeit, sich zu sammeln. Die politishe Bewegung, die sih namentlich gegenwärtig in der Türkei zeigt, läßt eine Er- starkung des ottomanishen Staates und hierdurch eine Festigung der Grundlagen des Reiches erkennen. Oesterreih-Ungarn gab vor nit langer Zeit der Türkei den Beweis seiner wohlwollenden und fried- lihen Absichten, indem es erklärte, es sei geneigt, in der Konvention, betreffend den Eisenbahnanshluß Uvac—Mitrowißa, die Klausel auf- zunehmen, daß die Monar§ie von nun an niht mehr von ihrem Rechte Gebrauch machen werde, an anderen Punkten des Sand- \chaks ohne vorheriges Einvernehmen mit der Pforte Truppen zu halten. Heute, wo der Beginn einer neuen politishen Aera in Kon- stantinopel eine ausgezeichnete Borbedeutung für die Zukunft der Türkei zu sein \{cheint, hofft VDesterreilß-Ungarn, daß es der Pforte allein ge- E werde, die Ordnung in Sandschak aufrechtzuerhalten und so in diesen Gegenden die Aufgabe zu erfüllen, die bisher dem Zufammen- wirken der beiden Regierungen oblag. Oesterreih - Ungarn zögert nit, zu erklären, daß es in Zukunft auf die Geltendmachung der Rechte verzihtet, die ihm die Konvention bezüglih der Sandschaks einräumt. Was die döfterreibisch-ungarischen Truppen betrifft, so erhielten diese den Befebl, die Ortschaften, wo fie garnisonierten, zu räumen. Durch diese hechbedeutsame Tat glaubt Oesterreihß-Ungarn der Pforte niht nur einen offenbaren Beweis seines Vertrauens und seiner aufrihtig freundschaftlihen Gefühle zu geben, sondern es sett hierdurch gleih- zeitig den Gerüchten, die ihm egoistishe Absichten und territoriale Begebrlichkeiten zuschreiben, das formellste Dementi entgegen. Wenn es fesisteht, daß Oesterreich-Ungarn niht mehr die Absicht hat, an die Bestimmunçcen des Konstantinopeler Vertrages bezüglich des Sand- {aks zu appellieren, so liegt ihm andererseits die Pflicht ob, seinen Standpunkt bezüglih der übrigen in E Konvention spezifizterten Fragen klarzulegen. Oesfterreih-Ungarn hat die ihm dur den Ber- liner Vertrag auvertraute Missicn în Bosnien und der Herzegowina zum Wohle der dortigen Bevölkerung und selbft auch im Interesse der Türkei erfüllt. Tatsächlih hat nur die in Bosnien und der Herzegowina durch den Berliner Vertrag geschafffene und von Oester- reih-Ungarn aufrecht erhaltene Lage der Tükei gestattet, ihre Kräfte zur Wahrung der territorialen Integrität des Reichs jzusammenzufafsen. Bosnien und die Herzegowina sind beute dank der fleißigen Arbeit der öfterreihisch-ungarishen Ver- waltung zu einem hohen Grade materieller und geistiger Kultur ge- langt. Der Augenblick \ckeint also gekommen, das unternommene Werk zu krönen und diesen Provinzen die Wobltat des von der Be- völkerung gewünschten autonomen und konstitutionellen RNegimes zu gewähren. Oefterreich. Ungarn muß indessen, um seine edlen Ab- sichten zu verwirklichen, die Lage in beiden Provinzen genau regeln und für wirksame Garantien gegen Gefahren vor- sorgen, die die Stabilität des im Jahre 1878 eingeführten Regimes bedrohen könnten. Oesterreih-Ungarn sieht sich daher vor der ge- bieterishen Notwendigkeit, sich der in der Konstantinopler Konvention enthaltenen Vorbehalte zu entledigen und, was Bosnien und die Herzezowina betrifft, seine frühere Aktionsfreiheit wiederzuerlangen. Es glaubt, daß die Beziehungen zwishen Oesterreihß-Ungarn und der Türkei, frei von der Ursicherheit der Lage in Bcsnien, der Herzegowina und im Sandschak, mit der definitiven und normalen Sachlage, die wir herstellen wollen, gewinnen werden.

Alttürkische Kreise schieben die jüngsten politishen Ereignisse auf das Schuldkonto der Jungtürken. Auf jungtürkischer Seite verteidigt man sich damit, daß die Geshehnisse nur Folgen und Nachwehen des alten Negimes seien. Gestern miitag fanden in Konstantinopel Kundgebungen vor der englischen, der fran- zösischen und der russtsgen Botschaft, der griehishen Gesandtschaft und vor der bulgarishen Ugentie statt. Jn einer zahlreich besuhten Volksversammlung vor dem Kriegsminifterium wurde eine Resolution angenommen, in der es, nah einer Meldung des „K. K. P E O e E men heißt, daß die Pforte alle nötigen diplomatischen Schritte veranlassen müsse, um die Rechte des Vaterlandes zu wahren.

e Bnfolge des bulgarishen Staatsstreiches hat die Be- völkerung Kretas Es beshlossen, die Angliede- rung an Griechenland zu profklamieren, und, der

Anstalten hellenishe Behörden eingeseßt worden. Die Be- völkerung strömt zu Tausenden in Kanea zusammen, um dort ihrer Begeisterung für Griehenland Ausdruck zu verleihen.

Serbien.

__ In einer Note an die A emágte des Ber- liner Vertrages protestiert die jerbishe Regierung auf Grund des Artikels 25 des Berliner Vertrages gegen die Einverleibung Bosniens und der Herzegowina in die habsburgishe Monarchie. Jn der Note heißt es na einer Meldung des „W. T. B.“:

Obwohl die serbishen Rechte auf dem Berliner Kongresse un- vergleihlid geringer befriedigt worden seien, als es den Kriegsopfern beider serbischen Länder, Serbiens und Montenegros, entsprochen bätte, und obwohl Serbien die Verpflihtungen aus dem Berliner Is \frupulöôser erfüllt hätte als irgend jemand anders, sei keine einzige Veränderung an diesem Vertrage seit den leßten dreißig Jahren zu Gunsten de3 Serbentums erfolgt. Angefihts dessen hoffe die serbishe Regierung, daß die Bitte um Gerechtigkeit und um Schus gegen die offenbare Verlegung des Berliner Vertrages bet den Signatarmächten niht ungehört verballen werde. Serbien könne nur in der Wiederherstellung der Lage bezüglich Bosniens volle Be- friedigung finden. Sollte dies unmöglich sein, so fordere Serbien eine entsprehende Entshädigung, um ihm Bürgschaften zu sichern für fein unabhängiges staailihes Leben und um dem ferbishen Volke die Bedingungen für seinen nattonalen Fortbestand wenigstens in dem Maße wiederzugeben, wie fie ihm der Berliner Vertrag ge- geben habe.

Die Meldungen über die Veränderungen hinfichtlich Bosniens haben auf die Bevölkerung einen sehr tiefen Eindruck e Die Stimmung ift bei dem größten Teil des Volkes,

em „K. K. Telegraphen-Korrespondenzbureau“ zufolge, äußerst erregt. Die führenden Politiker aller Parteien ats die Presse treten einmütig für eine energishe Stellungnahme zu Gunsten des serbishen Teils der Bevölkerung von Bosnien und der Herzegowina und gegen Oesterreih-Ungarn ein, um dadurch eine Intervention der europäishen Mächte herbeizuführen. Die Skupschtina ist zum nähsten Sonnabend einberufen

worden. Bulgarien.

Der diplomatishe Agent Großbritanniens in Sofia hat dem Ministerium des Auswärtigen gestern eine Note überreicht, die, „W. T. B.“ zufolge, die Erklärung enthält, daß die Tie Regierung das Königreich Bulgarien nicht anerkennen fönne, bevor die anderen Mächte und die Türkei ihre Haltung in der Angelegenheit präzisiert hätten.

Montenegro.

__ Die Regierung hat an die Vertreter der Berliner Signatar- mächte eine Note gerichtet, in der die Verfügung, betreffend Bosnien, als eine Verlegung des Berliner Vertrages be- zeihnet wird. Jn der Note wird nach einer Meldung des „K. K. Telegraphen-Korrespondenzbureaus“ hinzugefügt: wenn die Mächte diese Tatsahe anerkennen würden, halte \ich Montenegro von allen Verpflichtungen aus dem Vertrage, namentlich foweit fie sich aus dem Artikel 29 ergeben, für

entbunden. Dänemark.

Der Finanzminister Neergaard, der gestern zum König berufen wurde, hat versprochen, die Bildung eines neuen Ministeriums zu verjsuhen. Wie das „W. T. B.“ meldet, wandte er sich an die beiden Gruppen der Regierungspartei, die linke Reformpartei und die Gemäßigten, die ihm ihre Unter- stüßung zusagten.

Koloniales.

Die Diamanten von L LL S in Deutsch-Südwest- afrika.

In der „Deutschen Kolonialzeitang“ berichtet Ferd. Gessert, einer der ältesten Farmer im Süden von Deutsch-Südwestafrika, aus Lüderißbucht :

_ „Wir leben hier im trockensten Klima. Das Regenwasfser trägt hier keine Berge ab, fondern der fast unaufbhörlihe Wind, der den Sand und Kies aufwühlend im Laufe der Jahrtausende als äußerst wirkungtvolles Sandgebläse groteske Formen aus dem Urgestein ausmodelliert hat. Da man die Halbedelfteine, die im Verein mit den Diamanten gefunden werden, auch im Granit sieht, ist es wahrscheinli, daß dieser ebenfalls Diamanten enthält, jedenfalls aber in weit geringerer Menge als der Kies. Denn der Kies ist allmählih angereihe1t worden, dadur, daß alles weihere und flähenhaft vorkommende Geftein, zunähst Glimmer und Kupferblättchen, ausgeblasen wurde, während die harten, \pezifisch {weren Diamanten liegen blieben, um so mehr, als fie dank ihrer tetragonalen Kristallform dem Sturm wenig Anhaltspunkte bieten. Die übrigen Steine find von dem sharfen, Diamant führenden Schleif- mittel faft kuglih gerundet, kommen in allen “avi vor und würden sich zu sebr haltbaren Mosaiken verwenden laffen.

Da si in den Tälern der Verwitterungsshutt im Windschatten der Berge anhäuft, so werden da die meisten Diamanten gefunden. Doch könnte man auch annehmen, daß einst ein Alluvium das Ur- gestein bedeckte, daß von höheren Lagen die Diamanten angespült wurden und nun nach Jahrtausende langem Windfraß das einzige Ueberbleibsel find. Dann wäre es nicht ausgeshlofsen, daß in der Gegend von Tsauchaib oder Tiras noch Blaugrundpfeifen gefunden würden. Wahrscheinlih ist das nicht. Denn auf Kilometer haben die breit Quarz gebänderten Granitshihten den gleichen steilen Ein- fall8winkel von etwa 70°, Daraus läßt sich \s{chließen, daß ein enormes Gebirge abgetragen wurde. In der Zeit, die dazu benötigt wurde, wären längst alle Diamanten, kätten fie alluvial dem Urgestein auf- gelegen, zu Staub weggeschliffen worden. Die Schürfer haben die Natur zur Lehrmeisterin genommen und blasen zunächst dur eine Windfege, nicht unähnlih einer Getreide- reinigungsmaschine, den Sand vom Kies weg. Der Kies kommt als- dann in ein Handsieb. Dur eigenaitiges Schütteln kommen die Diamanten unten auf der Mitte des Siebes zu liegen. Das Sieb wird dann umgestülpt. Die gleich {weren Granaten zeigen durch ihre dunkelrote Färbung an, wo man auch die Diamanten zu suchen bat. Solange ih zusah, wurden fast jeder Handfiebfüllung mit der inaelle ein oder mehrere Diamanten entnommen. Da auf viele ilometer in der Runde die Edelfteine gefunden werden, kann man fih eine Vorstellung von dem beisptellosen Reihtum machen. Un- willkürlich denkt man an den Neid, den dec Nibelungenhort hervor- rief, denkt daran, daß der Srund, ‘wo jeßt Kimberley steht, als dort die ersten Diamanten gefunden wurden, nicht britisch war, daß Johannesburg, als dort unermeßlihe Schäße gehoben wurden, nicht unter dem Union Jack stand. s

Es ift ein besonders glüdliher Umstand, Des der als wafserlos verschrieene Wüstenstreifen reich an Brackwasser ist, In den Tälern #¿ßt man bereits in einer Tiefe von drei bis vier Metern auf zum Waschen durchaus geeignetes Brakwafser. Es ist keineswegs aus- geshlofsen, daß noch Süßwafser erbohrt wird. Denn hierzulande ist es Regel, daß das Brackwasser dem Slißwasser überlagert. Sonst kämen die Quellen von Anihab oder die neu ers{lofsenen Brunnen bei Garab als Trinkwasser in Betracht. Das Waffer wird also keine

„Agence Havas“ zufolge, gestern diesen Beshluß ausgeführt. uf der ganzen Ansel find in ösffentlihen und kommunalen

Abbauershwerung bieten,“

Parlamentarische Nachrichten.

Das Mitglied des Hauses der Abgeordnet besiger Braemer in Ernfstberg bei Blalterkehmen (Rec nen E s Mee Ragnit und Pillkallen reikonj.), ist, nah einer Meldung der „O i i s am 6. L M. gestorben. 5 Pee IEen Hela:

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Zentralauskunftsftelle für Auswanderer i Berlin (W. 9, Schellingstraße 4) hat im dritten Biérteliadr 1908 (1. Juli bis 30. September) . in 2263 Fällen Auskunft ‘ar Auswanderungelustige erteilt, und ¡war in 1704 Fällen \chriftliche und in 5599 Fällen mündlihe. Beartwortet wurden insgesamt 3702 Anfragen über die verschiedenen Au8wanderung8gebiete. Davon bezogen sich 2370 auf die deutshen Kolonien, und zwar auf Deutsh-Südwestafcika 929, auf Deutsh-Ostafrika 492, auf Kamerun 159, - auf Togo 136, auf Samoa 67, auf Deutsh- Neuguinea 42, auf die Karolinen, Palau und Marianen 30, auf Kiautshou 18 usw. Unter den fremden Auswanderungs- gebieten steht Südbrasilien mit 158 Anfragga_an der Spige; dann folgen Argentinien mit 155, die Ver-:inigten Staaten von “Amerika mit 92, Brafilien im allgemeinen mit 59, Canada mit 52, Gbile mit 43, Nord- und Mittelbrasilien mit 39, Paraguay mit 24, Bolivien mit 21, Neu-Seeland mit 18, Uruguay und Britisch-Südafrika mit je 17, Mexiko und China mit je 16, Rußland mit 15, Cuba, Peru und Queensland mit je 12, Niederländish- und Britisz-Indien mit -je 9. Der Rest ver- teilt sich auf Ecuador, Guatemala, Kolumbien, Nicaragua, West- indien, Vene¡uela, Honduras, Abessinien, Algerien, Britis-Oftafrika, Aegypten, die Goldküste, die Kanarishen Inseln, den Congostaat, Liberia, Madagaskar, Dahomey, Madeira, Portugtesish-Ostafrika, Tunis, Kleinasien, Japan, die Philippinen, Siam, Sibirien, Tonking, Neu-Südwales, Viktoria, England, Frankrei, Oesterreih-Ungarn, Bulgarien, Jtalien, Spanien, die Shweiz, die Türkei, Rumänien, Griechenland, Norwegen, Schweden usw. Es gibt somit kaum ein Gebiet der Erde, über das nit Anfragen eingelaufen und be- Me gt Gie

on den 14: nfragenden, die ihr Alter angaben, waren 197 noch nicht 20 Jahre alt, 934 standen im Alter zwishen 20 und 30 215 zwishen 30 und 40, 54 zwischen 40 und 50 Jahren, und 2 waren über 50 Jahre alt. Von den 1570 Fragestellern, die Angaben über ihren Personenstand matten, waren 1173 ledig, 383 ver- heiratet und 14 verwitwet. Nah dem Berufe waren unter den Anfragenden am ftärkften die Kaufleute, Handwerker und Landwirte vertreten. Bemerkenswert ift, daß ih von den Anfragenden nur 399 als mittellos bezeichneten, während beinahe 1000 zum Teil über recht erhebliße Summen verfügten, z. B. 24 über 10 000 4, 20 über 15 000 4, 16 über 20 000 Æ, 18 über 30 000.4, 6 über 40 000 , 10 über 50000 # usw. bis zu 500000 4 binauf. -

Von den Anfragen kamen aus Preußen 1485, und zwar aus Brandenburg mit Berlin 659, aus der NRhbeir provinz 173, aus der Provinz Sachsen 103, aus Hefsen-Nafsau 96, aus Schlesien 92, aus Westfalen 76, aus S{leswig- Holstein 64, aus der Provinz- Hannover 60, aus Westpreußen 46, aus Pommern 45, aus Ostpreußen 36 und aus der Provinz Posen 35. An der Spitze der übrigen deutshen Staaten steht das Königreih Sachsen mit 166 An- fragen; dann folgen Bayern mit 113, Hamburg mit 90, Baden mit 64, Württemberg mit 46, Hefsen mit 33, Elsaß-Lothringen mit 23, Bremen mit 19, Mecklenburg-Schwerin mit 15 usw. Aus den deutschen Kolonien kamen 8 Anfragen, aus dem Auslande 129, davon 46 aus Oefterreih-Ungarn, 21 aus der Shwetiz, 19 aus Eng- land, 10 aus Rußland usw. Die Zentralauskunftestelle für Aus- wanderer erteilt kostenlos s{riftlihe und mündlihe Auskunft.

Zur Arbetiterbewêgung.

Aus München wird der „Frkf. Ztg.* telegraphiert, daß, nahdem eine Versammlung der Schneider und Scchneiderinnen gestern vormittag den neuveränderten Tarif angenommen hat, der Ausftand der Damenmaßarbeiter nun beendet ist. (Vgl. Nr. 233 d. Bl.)

Kunft und Wissenschaft.

In Aachen ift, wie die „Frkf. Ztg.“ mitteilt, der Physiklebrer an der dortigen Tehnishen Hochschule, Seheime Regierungsrat, Pros fessor Wüllner am 6. d. M. im Alter von 73 Jahren gestorben. | bin Dr. Adolf Wüllner habilitierte fh im Jahre 1858 in

arburg, konnte also dieses Jahr sein goldenes Jubiläum als Hoch- \{ullehrer feiern. Wissenschaften und Akademie.

Er war Mitglied der biefigen Akademie der korrespondierendes Mitglied der Münherer

Literatur.

Dantes poetische Werke. Neu übertragen und mit Ori-

ginaltext versehen von Richard Zoozmann. 4 Bände. Verlag von Herder in Freiburg i. B, geb. in Leinwand 18 4; in Pergawent 28 4. ‘Die Herdershe Verlags8buchbandlung bat fich mit der Her- ausgabe dieser Dante- Ausgabe ein großes, unbestreitbares Verdienft erworben. Einmal ift der Uebersezer, Zoozmann, selbft ein Dichter,- seine Ueberseßung bat daber den geaen Vorzug vor der Mehrzabl der font vorhandenen deutschen Dante, ebertragungen, daß fie von poes» tischer Schönheit ist. Zoozmann hat aber auch die rihtige Grenze wenn dihterisher Freiheit und Achtung vor dem Wortlaute des Originals mit Geshmad und Takt einzuhalten gewußt. Son um dieser Voriüge willen muß die neue Ueberseßung allen Dantefreunden hoh will- kommen fein. Ein besonderer Vorzug ift aber die Gegenüberftellun von Original und Uebertragung ; ermögliht doch erst eine Parallel- ausgabe ein vôlliges Gindringen in etne fremdsprahige Dichtung und hilft dem gewifsenhaften Leser über etwaige Mängel der Uebersegung und deren gibt es ja au in der besten hinweg. Daß neben der „Göttlihen Komödie“ auch das „Neue Leben“ und die „Gedichte“ des großen Florentiners in dieser Ausgabe Aufnahme gefunden haben, kann gleichfalls nur mit Freude begrüßt werden. Auch die äußere Ausftattung des Werks steht durhaus auf der Höhe. Bei der erhöhten Aufmerksamkeit, die im naturwissensckaft- lihen Unterriht der Pflanzenbiologie zugewandt wird, wird ein Buch jedenfalls willkommene Aufnahme finden, das von einem hervorragenden Botaniker gele ohne große Vorkenntnifse vorauszuseßen, den reihen Stoff geshickt und übersichtlih gliedert. Diese Vorzüge ver- einigt die Schrift „Biologie der Pflanzen“, Schilderungen aus dem Pflanzenleben von dem Profefsor an der Forftakademie in Eisenach Dr. W. Migula, das mit 133 Abbildungen nach Photographien und eichnungen und mit 5 Tafeln auszestattet, bei Quelle und Meyer in ipztg eben erschienen ist (geh. 46 8, geb. #46 8,80). Das Buch behandelt in lebens8voller Darstellung die wihtigften Gebiete der Pflanzenbiologie mit besonderer Berücksichtigung der beimishen Verhältnisse. Wo es irgend angängig war, sind die biologisGen Verhältnifse der ver- breitetsten oder doch leiht erreihbaren Pflanzen geschildert, um ein JOEZDDes Beobachten der Natur zu ermöglichen. Acht Abschnitte ehandeln die Fortpflanzung der Gewächse, die Verbreitung der Pflanzen, ihre speziellen Shußeinrichtungen, ihre Anpafsung an Klima und Boden. Den verschiedenen damit zusammenhängenden Pflanzengesellshaften in Wald und Feld, Heide und Moor ist das 5. Kapitel gewidmet. Die Biologie der Ernährung sowie die überaus interessanten Er- sheinungen des Genossenschaftslebens zwischen Pflanzen und Tieren bilden den Abschluß des prächtig ausgeslatteten Werkes, das für jeden Naturfreund eine anregende und interefsante Lektüre, allen Lehrern und Nv ois bald ein hohgeschäßtes Lehr- und Natschlagebuh fein ürfte.