1888 / 113 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Apr 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Escadrons des Regiments der Gardes du Corps waren zu diesem Zwecke nah Charlottenburg gezogen worden, deëgleichen die augeublicklich niht in Charlotleabiea befindlihen Ba- taillone des 4. Garde-Regiments z. F. aus Spandau. Wenige Minuten nah 28/4 Uhr Nachmittags begaben Sich die Aller- böchsten und Höchsten Herrschaften zu Wagen und zu Pferde nah dem Paradefelde. Unter Voraufritt eines Unter- offiziers vom Regiment der Gardes du Corps, zweier Spit:reiter und eines Stallmeisters in Gala erschien an der Tête diz vierspännige Hofequipage mit ZJhren Majestäten der Köniain Victoria und der Kaiserin und Königin ; neben dem rechten Wagenschlagz, an welchem Großbritanniens

Beherrscherin_ den Plaz im Fond inne hatte, ritt ein Ordonnanzoffizier des Regiments der Gardes du Corps,

während unmittelbar hinter der Equipage Jhrer Majestäten Jhre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen-Töchter Victoria urd Maraarethe zu Pferde folgten, begleitet von dem Prinzen Heinrich von Batterberg im Civilanzuge. Jn einem zweiten Wagen saßen die Prinzejsin Beatrice von Battenberg mit Jhrer Königlichen Hobeit der Prinzessin Sophie, denen ncch mehrere Equipagen

nd Kavalieze zu Pferde folgten. Gegen 3 Uhr trafen die Majestäten auf dem Paradefeld ein, woselbst eine glänzende Suite die Allerhöhsten und Höchsten Herrschaften empfing. Während des Abfahrens der Fronten prätentirten die Truppen das Gewehr und die Musifcorps spielten die englische Hymne : „God save the Queen“. Nah dem Abfahren der Fronten formiiten fi die veiden Regimenter zum Vorbeimarsch, der zwei- mal stattfand, und zwar Seitens der Jnfanierie jedesmal in Com- paaniefront, bei der Kavallerie zuersi in Zügen im Swritt, das zweite Vial in Eëcadrons im Trabe. Mit dem zweiten Vor- beimarsch hatte die Parade ihr Ende erreiht und rückten die nichi in Charkottenturg stationirten Truppen direkt vom Paradepiag in ihre Garnisonen wieder ab. Die Parade selbst hatte faum eine halbe Stunde getauert. Die Rückfahrt nah dim Charlottenburger Schlosse crfolate un: 31/2 Uhr vom

1

Paradeploze aus in ähnlicher Weise wie die Hinfahrt. Auf beiden Seiten des Weges hatte ein äußerst zahlreiches

Publikum Spalier gebildet und begrüßte die Majestäten dur

Hocrufe und Tüchershwenken. 701 von Seiven beiden Adjutanten, etwas später dahergesprengt am, wurden Höchstdemselben begcisterte Ovationen dargebracht.

Gegen 2/4

| Ubr ichasten vor de

em Schlosse zu Charlottenburg wieder ein und

wurden auch tier vou einer dihtgedrängten Menschen[chaar

in enthusiastisher Weise begrüßt.

JFhre Majestät die Königin von britannien und Frland hat in Begleitung der Ptinzessin Beatrice und des Prinzen Heinrih von Battenberg gestern Abend 7 Uhr 25 Minuten von Charlottenburg die Rückreise nah England angetreten.

Der Bundesrath ‘ertheilte in der am 2. d. M. unter dem Vorsitß des Staats-Ministers, Staatssekretärs des Innern von Boetticher abgehaltenen Plenarsizung dem Entwurf von Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der Anlagen zur Anfertigung von Cigarren und dem

Ar trage Oldenburgs wegen Hinausschhiebung der Fristen zur Durchführung der Organisation der land- und forstwirthschaftlihen Unfallvcrsiherung im Großherzogthum

Oldenburg, die Zustimmung. Von der Uebersicht über die auf |

den deutschen Münzstätten im Jahre 1887 erfolgten Aus- prägungen von Reichë-Gold- und Silbermünzen nahm die

A!s der Kronprinz, begleitet |

trafen die Allerhöchsten und Hösten Herr- !

Groß- j

Versammlung Kenntniß und beshloß, einer Eingabe, etreffend die Befreiung des Kammstricker - Gewerbes von der Unfallversicherungspfliht, der Eingabe eines

Gutsbosigers in Nussisch-Polen wegen Ueberführung einer Stammschäferei von feinem Gut über die preußische Landes-

des Vorstandes d

grenze und dem Gesuch s Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands um reichsgesezliche Maß- regeln zum Scug8e der Baumshulen gegen Wild- schaden, eine Folge nicht zu geben. Die Eingabe des

Vorstandes der Brennerei-Berufsgenossenshaft zu Berlin, be- treffend die Aenderung des Gesezes über die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirthshaftlihen Be-

trieben beschäftigten Personen, wurde dem Vorsitzenden des |

Bundesraths überwiesen. Den zuständigen Ausshüßsen wurden

zur Vorberathung übergeben: Der Antrag auf Bildung von drei |

Berufêgenossenschaîten der Unternehmer land- und forst-

wirthschaftlicher Betriebe in Elsaß-Lothringen, die Borlage, betreffend den Nachweis der Befähigung als Seeschiffer mit |

Hochseefiscberei-Fahrzeugen, und ein Nachtrag zur internatio-

nalen Nordseefischerei-Konvention vom 6, Mai 1882. Endlich wurde über die Wiederbesezung mehrerer erledigter Stellen bei Disziplinarkammern Beschluß gefaßt.

Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erweiterung der Stadtgemeinde und des Stadt-

kreises Harburg, vom Abgeordnetenhause, mit der Aenderung |

der Worle „L Ap! i „L Zuli? im S 1 cia worden. Auch die Gesegzentwürfe, betreffend die Abänderung des F. 29 des Gesetes über die Verfassung der Verwaltungs- gerihte und das Verwaltungssireitverfahren vom 3. Zuli 1575/2. August 1850, und betreffend die Vertheilung der öffentlichen Lasten bei Grundstückstheilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen in der Provinz Schleewig-Holstein, sind vom Abgeordnetenhause an das Herrenhaus zur weiteren Erledigung überwiesen worden.

In der heutigen (51.) Sibuna des Hauses der Abgeordneten, welcher der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums, Minister des Jnnern von Puttkamer, der Minister für Landwirthschaft u. f. w., Dr. Lucius, und mehrere Kommissarien beiwohnen, theilt der den Vorsitz führende erste Vize-Präsident Dr. Freiherr von Heereman mit, daß ein Schreiben des Vize-Präsidenten des Staats-Ministeriums von Puttkamer eingegangen sei, in welchem angezeigt wird, daß des Kaisers und Königs Majestät unterm 22. April geruht haben, den Staatssefretär im Auswärtigen Amt,

Wirklichen Geheimen Rath, Grafen von Bismarck-Sc{önhausen :

zum preußischen Staats-Minister zu ernennen. ;

Auf der Tagesordnung steht als erster Gegenstand die dritte Berathung des Antrags der Abgg. Dr. Kropatscheck und von Schenckendorff auf Annahme eines entwurfs, betreffend das die Pension der Lehrer an den öffentlihen niht- staatlihen höheren Lehranstalten.

S V

(nnahnm Gesegz- ! Diensteinkommen und |

Abg. Jmwalle legt noch einmal die Bedenken des Cen- trums gegen den Gesegentwurf dar und bittet um die Ab- lehnung desselben; die Abgg. von SSenckendorfff, Dr. Natorp

und Dr. Kropatscheck dagegen empfehlen die unveränderte An- nahme der Beschlüsse zweiter Lesung.

Der Geseßentwurf wird darauf unverändert angenommen.

Es folgt der erste Bericht der Petitionskom- mission über die Petition des Markus Ebel wegen Au f- nahme in den preußischen Staatsverband.

Der Berichterstatter Abg. Czwalina empfiehlt den Antrag der Ken:-mission, die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen; der Abg. Lehmann beantragt, mit Rücksicht auf Art. 32 der Verjassungsurkunde, nah welchem das Petitionéreckt nur den Preußen zusteht, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen; Abg. Zelle endli stelt den Antxag, die Petition cer Königlichen Staatsregierung zur Berücsichtigung zu überweisen.

Abg. Korsch befürwortet einfahen Uebergang zur Tages- ordnung, da das Petitionsrecht einem Außerdeutshen nit zustehe, das Mitgefühl in dergleihen Fällen aber innerhalb der formalen Erwägungen keine Stätte habe.

Abg. Zelle bittet um Annahme seines Antrages unter Hinweis darauf, daß Seitens der Regierung fm Jahre 1883 dem Petenten die Aufnahme in den preußischen Unterthanen- verband zugesihert worden sei.

Regierungskommissar, Geheimer Ober- Regierungs - Nath Braunbehrens erklärt, daß der 2c. Ebel sich an die Staats- regierung um nochmalige wohlwollende Prüfung seines An- liegens aewandt habe ; dieser Bitte sei nahgegeben, die bezüg- lien Verhandlungen seien aber noch nit abgesch!ossen.

Abg. Lehnzann._ bittet im Juteresse endlicher Entscheidung der Prinzipienfrage entweder feinen Antrag anzunehmen oder cie Petition für unzulüffg zu erklären.

Aba. von Schenckendorff hält dagegen die Auffassung auf- recht, daß die Petition, die ihrem wesentlichen Jnhalt nach eine Besc:werde sei, im Hinblick auf Art. 81 der Verfassung der Würdigung dcs Abgeordnetenhauses unterliege.

Regierurgsfommissar, Geheimer Ober-Regierungs-Ra!h Braunbehrens bemerkt, daß in dieser reinen Verwaltungssache die Kegierung ihren prinzipiellen Standpunkt festhalt:, ihn au nicht infolge eines Druckes durch einen etwaigen Beschluß des Hau'es ändern würde.

Aba. Hansen spricht sih für den Antrag Korsch aus.

_ Abg Rintelen ist der Meinung, daß das Haus mit einem Beschluß zu der Petition durchaus keinen Druck auf die Staats- regierung ausübe. Nach Art. 81 könne jedes Haus die an dasselbe gérichtetcn Schriften an den Minister überweisen. Wenn das hicr in diesem Falle bestritien werde, so liege darin eine Verminderung der Rechte des Hauses der Abgeordneten, und um diefe Auffassung niht aufkommen zu lassen, empfehle li der Antrag der Kommission oder des Abg. Zelle. (Schluß des Blattes.)

Die Befreiung des Checks von der Wechsel stempe l- Abgabe (§8 24 Z. 1 des Wechfelsiempelsteuerges.) erstreckt sih nach cinem Urtheil des Reichsgericts, 1. St

i af!enats, vom 6. Februar d. J., auf jede Urkunde, welhe ihrem Znhalt und ihrer Form nach keinen Zweifel läßt, daß es sich um eine auf Sicht zahlvare Anweisung auf das Guthaben des Ausstellers bei x ¡éine Zahlungen besorgenden Bankhause handelt ; dagegen in der Urkunde nit das Wort „Ched“ felbst gebraucht fein, noch braucht sie die Worte zu enthalten, daß fie eine Anweisung auf das „Guthaben“ des Ausstellers bilde.

Das amilihe Handbuch für das Deutsche Reich, welches seit seinem Bestehen alljährlih dem Kaiser Wilhelm zu Seinem Geburistage überreiht wurde, ist au für das Jahr 1888 zu dem bezeihneten Termin erschienen. (Carl Heymann's Veilag, Berlin W. 5 () Aus dem reichen Inhalt des Buchs mögen folgende Veränderungen besonders

erwähnt werden: Die meisten Veränderungen gegen das vorige Jahr weist wiederum das Auswärtige Amt

mit den von ihm abhängigen Missionen und Konsulaten auf. Die politische Abtheilung dcs Amts zählt jezt nur 5 vortragende Räthe. Die Zahl der Kaiserlihen Missionen ist 29 geblieben, die Zahl der Botschaften mit 6. Die Minister- residenturen in Chile und Mexico sind in Gesandtschaften umge- wandeit worden, so daß jeßt 18 Gesandtschaften (gegen 16 im

Vorjahre) und ò Ministerresidenturen (gegen 7) vorhanden sind. Die Zahl der Konsularämter beträgt jezt 664 (gegen 655), darunter 82 Berufskonsulate (gegen 70)

und zwar 22 Gencralkonsulate (gegen 17), 54 Konsulate (gegen 47) und 6 Vizckonjulate. Eine neue Rubrik enthält das Handbuch unter dem Titel: „Wirkliche Geheime Iiäthe“. Es sind darin die Reichsbeamten auf- geführt, welche a!s folche vom Kaiser zu Wirklilen Geheimen Räthen ernannt wurden und deëhalb im Preußischen Staats- handbuch nicht aufgeführt wurden. Die Rubrik enthält 20 Namen. Beim Reichéamt des Jnnern erscheint neu im Abschnitt „Reihs-Gesundh-itzamt“ die „Ständiae Kommission für Bearbeitung der Pharmakopöe“. Die „Physikalish- tehnishe Reichéanstalt“ erscheint neu als Ressort des Keichs- amts des JFnnern.

S. M. Kanonenboot „Wolf“, Kommandant Kapitän- Lieutenant Jaeschke, ist am 26. April cr. in Singapore ein- getroffen.

Der heutigen Nummer des „Reichs- und chStaats- Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 2), enthaltend Entscheidungen des Neichsgericht®s, beigefügt.

Vayern. München, 26. Avril. Wie die „Allg! Zig“ mitgetheilt, hat der Prinz-Regent si entschlossen, die für die Zeit vom 3. bis 11. Mai anberaumte Rundreise in der Pfalz bis auf Weiteres zu verschieben.

Anhalt. Dtcssau, 26. April. Nachdem durch die All- gemeine Verfügung des preußishen Justiz-Ministers vom 12. März 1888 die Vorschriften in §. 23 des Regulativs des preußischen Ministers der Justiz vom 1. Mai 1883, betreffend die juristishen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren Justizdienst, in einigen Punkten abgeändert worden sind, kommen, nach einer Verordnung vom 5. d. M., diese Aränderungen auh hinsihtlih der anhaltischen Referendare mit der Maßaabe zur Anwendung, daß die Em bezeihnete Entscheidung durch das Staats-Ministerium erfolgt.

Oesfterreih-Ungarn. Wien, 25. April. (Wien. Ztg.). Der Budget-Auss\huß nahm den Gesezentwurf, be- treffend die Veräußerung von Objekten unbeweg- lihen Staatseigenthums mit der Resolution des Abg.

Matus an, durch welche die Regierung aufgefordert wird, bezüglih der in der Vorlage enthaltenen Transaktionen die betreffenden Rehnungsabshlüsse und die Nahweisung über die Einnahmen und die Verwendung heizushließen. Der Aus- schuß nahm ferner das Präliminare des Meliorations- fonds für das Jahr 1888 unverändert an.

26. April. (W. T. B.) Wie die „Polit. Corresp.“ von authentisher Seite erfährt, find die Mel dungen aus- wärtiger Blätter über die beabsihtigte Entsendung österreih-ungarisher Truppen än die rumänische Grenze wegen der Agrarbewegung in Rumänien gänzlich unbegründet.

Pest, 25. April. (Presse). Die Klubkonferenz der liberalen Partei des Abgeordnetenhauses acceptirte den Geseßentwurf, betreffend die ausnahmsweise Einberufung von Reservisten und Ersazreservisten zur Dienstleistung in Friedenszeiten.

Großbritannien und JFrland. London, 2. April. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Unterhauses wurde die Berathung der Einnahmebudget-Bill fort- geseßt. Picton beantragte die Streichung des zweiten Artikels, betreffend den Theezoll. Der Antrag wurde jedoch mit 259 gegen 98 Stimmen abgelehnt und der Artikel angenommen. Bei Berathung des dritten Artikels (Weinzölle) theilte der

Unter-Staatssekretär Fergusson mit, daß Frankreich gegen den neuen Weinzoll, als den franzöfishen Handel shädigend, Vorstellungen erhoben habe. Gladstone bekämpfte den Weinzoll als s{chuzzöllnerisc. Der Kanzler der Schazkammer, Goschen, widerlegte diese

Behauptuna, und wies darauf bin, daß Gladstone dur seine Rede die Schwierigkeiten erhöhe, welhe dur die von Frank- reih geaen dcn neuen Weinzoll erhobenen Vorstellungen ent- standen seien. Die Befürhtungen, welhe man in Frankreich über eine nahtheilige Rückwirkung des neuen Weinzolls auf den franzöfishen Handel hege, seien übertrieben; die billigen Weine würden unter dem neuen Zoll nicht leiden, sondern vielmehr den theueren Weinen gegenüber auf einen günstigeren Fuß ge- stellt werden. Der Unter-Staatssekretär Fergusson erklärte: Eng- land habe auf die bezüglihen Vorstellungen Frankreichs ge- antwortet, daß der neue Weinzoll eine nothwendige Finanz- maßregel sei und nicht in einem Frankreich unfreundlichen Sinne vorgeschlagen wurde. Jm weiteren Verlauf der Sißzung wurde der Artikel 5 mit 246 gegen 121 Stimmen ange- nommen.

¿Frankreih. Paris, 26. April. (W. T. B.) Bei dem gestrigen Bankett in Limoges dankte der Präsident Carnot, in Erwiderung auf den Toast des Maire, für den ihm von der Bevölkerung bereiteten Empfang, welchen er hauptsählich als dem treuen Hüter der republikanischen Jn- stituticnen bereitet ansebe. Die Rede wurde mit Hochrufen auf die Republik und den Präsidenten aufgenommen. Heute Vormittag um 81/, Uhr verließ der Präsident Carnot Limoges. Derselde wurde bei der Abreise mit lebhaften Zurufen und mit Hochrufen auf die Republik begrüßt. Auch in Peri- gueux wurde ihm bei der Durchfahrt ein sehr sympathischer Empfarg zu Theil, vereinzelte Hohrufe auf Boulanger, die sich hören ließer, sanden feinen Widerhall. Ebenso wurde der Präsident der Republik auf allen Bahnstationen zwischen Perigueux und Agen und in leßterem Orte selbst äußerst 1ympathish empfangen. Ja Agen legte derselbe heute Nach- mittag den Grundstein zu einem neuen Lyceum. Die Feier wurde leider dur einen Unfall beeinträchtigt, indem eine von mehreren Hunderten von Zuschauern besegzte Tribüne zu- sammenbrah, wodurch eine Anzahl von etwa 20 Personen mehr oder weniger s{were Verleßungen erlitt. Für heute Abend hat Präsident Carnot die Einladung zu einem von der Munizipalität veranstalteten Bankett angenommen,

__— Der Senat hat die 9 ersten Artikel des Rekrutirungs- ge)eBes angenommen und die Weiterberathung auf morgen Dio D i: B i I vertagt. Die Deputirtenkammer erklärte die Wahl Flourens' zum Deputirten mit 316 gegen 138 Stimmen sür gültig.

Der Appellhof hat das Urtheil bestätigt, nach welchem wegen Ordenshandels Frau Limousin zu sehs- monatlihem Gefängniß, General Caffarel zu 1000 Fr. Geldstrafe verurtheilt wurde.

Nancy, 26. April. (W. T. B.) Boulangisten ver-

anstalteten heute Abend eine Kundgebung, indem sie die Stadt durchzogen und unter den Fenttern der Präfektur zu ningen begannen. Jn das Studenten-Kasino wurden Steine geworfen, ein Polizeibeamter leiht verwundet. Die Gendar- merie zerstreute die Menge. __ Bogen, 2A (M T. B) Ai Erwiderung auf die Ansprache des Präsidenten des Gerichtshofes spra der Präsident Carnot die Versicherung aus, daß er ein treuer und entschlossener Wächter der Verfassung bleiben und sich bemühen werde, den inneren und äußeren Frieden aufrecht zu erhalten. Bei dem Abendbankett drückte er der Bevölkerung seinen Dank für ihre patriotishe Einmüthigkeit aus.

__ Rußland und Polen. St. Peter3burg, 27. April. (W. T. B.) An Stelle des Generals Durnowo, welcher von dem Präsidium des slavischen Wohlthätigkeitsvereins zurüdgetreten ist, wurde der General-Adjutant Graf Jgnatieff zum Präsidenten gewählt. Der griechische

Minister Dragumis ist gestern wieder abgereist.

Jtalien. Neapel, 26. April. (W. T. B.) Der König von Shweden besihtigte heute das hier befindliche italienishe Geshwader und sprach über die Evolutionen desfelben dem Kommandanten seine hohe Befriedigung aus.

Velgieu. Brüjsel, 26. April. (W. T. B.) Jn der Deputirtenkammer interpellirte beute Simons, De- putirter von Brüssel, den Minister des Jnnern über die Un- ordnungen, welche gelegentlih der gestern stattgehabten Trauung des Prinzen von Croy-Dülmen und der Prinzessin von Arenberg beim Ausgang aus der Kirche stattgefunden hatten, indem Studenten und andere Personen das Brautpaa. insultirten und zishten. Der Deputirte verlangte eine Untersuchung der Sache. Der Minister des Innern gab seinem Bedauern über diesen Vorfall Ausdruck und theilte mit, daß die Untersuchung bereits eingeleitet sei. Buls, Bürgec- meister von Brüssel, hielt die von den Deputirten angeführten Thatsachen für übertrieben, erklärte sich jedoch mit der Ein- leitung der Untersuchung einverstanden, welche zeigen werde, wen die Schuld an den Vorgängen treffe. Im Senat wurde eine gleiche Juterpellation eingebracht.

| Griechenland. Athen, 25. April. Die „Agence Havas“ meldet: Die Beziehungen zwischen Griechenland und

der Türkei find ziemlih gespannt. Die Regierung hat darauf verzichtet, einen Gesandten zur Ueberbringung des Großkreuzes des Erlöser:Ordens an den Sultan zu entsenden. Die Regierung richtete an die Pforte Bemerkungen über die Verfolgungen des griehishen Elements in der Türkei. Die Pforte ift durch Jnsinuationen der Slaven in Macedonien, wona die Griechen einen Umfiurz daselbst wünsten, gegen dieselben erbittert. Die griechishe Politik ift indeß ledigli auf die Erhaltung des status quo in Macedonien gerichtet, und hat dies auch dem Großvezier, jedoch vergeblich, ver- fichert.

Serbien. Belgrad, 26. April. (W. T. B.) Die Skupschtina hat den Geseßgentwurf wegen Auflösung des Vertrags mit der Tabackmonopolgesellschaft und wegen Verstaatlihung des Tabackmonopols ein- stimmig und ohne Debatte angenommen. E

27. April. (W. T. B.) Das Kabinet hat seine

Entlassung gegeben und Nifolas Cristic die Bildung des neuen Kabinets übernommen. Dasselbe ist folgender- maßen zusammengeseßt: Nikolas Cristic Präsidium und Jnneres, Mijatovic Aeußeres, General Protic Krieg, Georg Pantelic Justiz, Beghitshewic Arbeiten, Dr. Wladau Georgevic Kultus, Unterricht und interimistish Handel und Mita Raku Finanzen. r, _ %. April. (W. T. B.) Die der Ministerkrisis vorausgegangenen Besprehungen des Kön i 3s mit Garaschanin, Milojkovic und Cristic bezweckten nur Aufklärungen der Situation, doch wurde Niemandem die Neubildung des Kabinets zunächst angeboten. Die latente Krise bestand indessen weiter, als eine Folge der Votirung des Gemeindegeseßes und weil die Skupschtina beständig die Budgetberathung vershob, wo- gegen die Regierung sich machtlos erwies. Auf eine heute im Namen des Kabinets und der radikalen Partei vom Minister-Präsidenten Gruic gestellte Anfrage antwortete der König, daß mehrere von der Skupschtina votirte Gesetze die Sanktion nicht erhalten könnten, da solhe einen gefähr- lihen Charakter für die Staatémacht und die Autorität des Könisos trügen; die radifale Partei habe hierdurch den mit der Krone geschlossenen Paftt gebrochen, da sie niht hin- reichende Beweise einer wirklich regierungëfähigen Partei gegeben, noch den Willen zeiate, dem Vaterland und dem Thron treu zu dienen. Der Minister-Präsident erklärte hier- auf, daß die Regierung hierdurch die Grundlage verliere, worauf das Kabinet die Demission gab. Dann erst brah die Krisis aus und es erfolgte die Berufung Cristic’s.

Bulgarien. Sofia, 26. April. (W. T. B.) Prinz Ferdinand ist heute Abend 81/, Uhr, begleitet von den Ministern Stambuloff und Natschowic, sowie von einer Com- pagnie Soldaten aus verschiedenen Truppengattungen, unter den Klängen militärisher Musik nach Tirnowa abgereist. Als er sich im Hofe des Palais von den Offizieren der Gar- nison verabschiedete, sagte er zu denselben, er werde ihre Kameraden im Norden besuchen; er freue si, alle Offiziere um fich versammelt zu sehen und rechne darauf, daß sie au ferner das Vertrauen zu ihm haben würden, welches sie bisher stets an den Tag gelegt hätten.

Zeitungsftimmen.

_ In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen wir:

Der bewährte Wokbltbätigkeitésinn, der in unserem Vaterlande

fi geNdts des unermeßlihen Notbstandes der von der etroffenen Gebiete überall in der glänzendsten tigt. en Seiten strömen die Gaben berbei, um ngel und Elend, die dur die elementaren Verwüstungen ngerichtet worden, zu feuern, und auf diese Weise den so {wer beimgesu@ten Bewobnern der bedrängten Landeêtheile Obdach, Klei- dung, Nabrerg und vor Allem die Mittel zur Aufnabine ibres Lebenëerwerbs und zur Wiedereinribtung ibres Hausstandes zu bes {hafen In ersprieëliter Weise ist dadurch der Staatähülfe vor- gearbeitet und der Boden vorbereitet worden, auf dem dieselbe dem- nft tur Gewährung von Unterstüßungen und Darleben an die Geschädigten, wie dur die Anlage von Schutßktauten und Melio- rationen zur Vetbätigung gelangen fell.

In dem Augenblick der Opferfreudigkeit, mit welcher alle Stände und Klaffen dem großen Werke der Nädstenliebe dur Wohbltbun ibre Untcrstützung geliehen, ist es aber auc eine vatriotisce Pflicht, fih des bervorragenden Antheils zu erinnern, den die Armee an dem Rettungêwerk genommen bat. Wie immer, wo dem Vaterlande Gefabr drobt, {nell bereit, das Leben einzuseßen und vor keiner der S{wierig- keiten und Gefahren zurüdzushreFen, welde die Ausübung der Be- rufêpflit im Gefolge hat, haben die zur Tbeilnabme an dem Hülfs- werke berufenen Truppentheile in Muth und UnersHrotenbeit, in Ausdauer und Entsagung mit einander gewetteifert und leubtende Beispiele von Hingebung und Aufopterung gegeben.

Wie {on bâufig bei solHer Gelegenbzit, find auch dieëmal wiederum von Offizieren und Mannschaften Thaten der Kühnheit und Unverzagtheit verribtet worden die sch den rübhmlicbsten Leistungen im Felde gleistellen laffen, ja, die in gewisser Beziehung noch böber zu îtellen find,

So führten Abtheilungen des Magdeburgishen Pionier- Bataillonë unter den s{wierigsten Witterungë- und Lokalverhält-

niffen am 20. und 21. März vmfängreihe Eiésprengungen bei Lauen- burg aus, durch welche es gelang, den Eiéverstopfungen ein Ziel zu legen, die sich von Bleckede bis Vrakede-Boitenburg, und von der Lauenburger Brücke bis Marschacht-Geesthaag sebildet batten. Ein Detachement des Garde-Pionier-Bataillons, das zur Dienstleistung im Inundationêgebiet von Lenzen kommandirt war, leistete den Be- wobnern mit größter Aufopferung bei dem Bergen von Vorräthen und dem Retten von Vieh thatkräftige Hülfe, wodur in der Bevöl- kerung der Eifer am Rettungswerk neu belebt ward. Bei Dêmitz an der Unterelbe und bei Boitenburg waren ebenfalls Pontonnier- Tommandos aus Rendéburg an der Ueberwältigung des dort bei Gülz eingetretenen Notbstandes betbeiligt. Das gesammte Ostpreußische Pionier-Bataillon Nr. 1 wurte in den Tagen vom 25. bis 27. März nach der Nogatniederung gezogen, um dort mit Rettungeutensilien bei der _Uedershwemmungsnoth Hülfe zu leisten. In gleider Weise riffen bei den Verwüstungen, wel@e die Braße in der Gegend von

eutsch-Krone anrihtete, Militärkommandos ein, und wurden, Dank der Entschlossenheit, mit der die Rettungsarbeiten dort betrieben wurden, die dem Staat gehörenden dortigen Mühlenwerke vor Zer- stóôrung ges{ügt. Ebenso betbeiligten h mit unermüdlicer Bravour und Ausdauer die Infanterietruppentheile der Garnisonen Poscn und Küstrin und die zu Landsberg a. W. ftationirte Abtheilung des Feld- Attillerie-Regiments Nr. 18 an dem Kampf gegen das enutfe?selte Glement.

. Von Neuem hat so die Armee mit den Dienstea, die sie den in Sefahr für Leben, Gesundheit und Besitz gerathenen Bevölkerungen gewährte, gezeigt, daß sie ebenso wie zur Abwehr des das Vaterland bedrobenden äußeren Feindes, auch zum Scbuy und zu thatkräftiger Hülfe bei inneren Kalamitäten bereit und sclagfertig, und daß sie der feste Hort ist, auf dem, soweit es in Menschenmacht stebt, die Sicherheit des Vaterlandes im Innern wie nah Außen hin ruht.

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Das „Deutsche Tageblatt“ äußert sih in einem „Herrschen und Dienen“ beschriebenen Artikel wie folgt :

Forst man na dem leßten Grunde des erbitterten Kamvfes, welcher au jeßt wieder, so furze Zeit nah dem Heimgang unseres glorreichen Kaifers Wilbelm, die öffentliße Meinung bei uns in ¿wei Lager tbeiit, so wird man nitt umhin können, denselben darin zu finden, daß gewisse Parteien bei uns das Verlangen zu berrshen böber stellen, als das zu dienen. Auf welhe schiefe Ebene ein folbes Verlangen in Frankrei gefübrt hat, erkennt jeder Ein- sichtige. Unsere Freisinnigen aber wollen aus der Erfahrung nichts lernen, und die Geschichte ist für ste keine Lehrmeisterin. Die Meis- nung, die sie von sich haben, ift eine so bobe, daß fie glauben, sotald nur ibnen einmal die Gelegenbeit gegeben werte, au wirkli die maßgebende Rolle zu spielen, um wel§he se ch betrogen anseben, die Welt Wunder was erleben werde.

Sie machen die Rechnung obne den chriftlihen Geist, der im deutschen Volk ebenso sta:k wie lebendig ist und der das Dienen nidt geringer einschäßt, als das Herrshen. Sie übersehen aber auß durchaus, daß die Größe des Hobenzollernberrsherbauses darin bestebt, daß daëselbe den Dienît für das Vaterland jederzeit als die böte Pflicht des Regenten erkannt bat.

Der große König Friedri 11. von Preußen kann im Grabe nit sckwerer beleidigt werden, als ‘adurch, daf ihn die Freisinnigen als Eideëhelfer gegen das moderne Regier:-ngssvstemn anrufen. Der Weise von Sanssouci nannte si selbst den er!ten Diener des Staats. Kaifer Wilbelm war in dieser Beziebung seinem großen Abnberrn

durhaus ebenbürtig. Die Freisinnigen aber seßten sch mit dem Vater des jeßigen Kaisers nit einmal, sondern stets

und ständig in Wider!rruh, dadur, daß sie nie die Rückiht auf das Gemeinwobl und zu feiner Zeit die Sorge für das Gesammtinterefe des Vaterlandes für ihre Entschließungen makgebend sein ließen, sondern allezeit nur das fleinlihe Partei-Interefse berücksi{tigten und von dem Glauben, den fie felbst hatten, aub nit ein Iota auf dem Altar des Vaterlandes zu opfern im Stande waren.

Sie baben aus diesem Grunde den Maßregeln widerstrebt, welHe das S&wert des preußischen Staates zu \ch{ärfen bestimmt waren, damit die deute Einheit errungen werden konnte, und baben dem Zustandekommen der deutschen Reibêverfafsung ihren Widerspru entgegengesett. :

Sie baben die Notbwendigkeit der wirtbs{aftliben und Fnan- ziellen Konsolidirung des Reichs nit erkannt und den Maßregeln ihre erbittertste Feindschaft gewidmet, welhe Kaiser Wilbelm, um seiner Regentenpfliht zu genügen und dem Vaterland u dienen, für die allein richtigen erflärte, damit die Sicherheit des Reis nah außen hin außer Frage geitellt werde. Glei{wobl fommen dieselben

Freisinnigen jeßt her und nehmen das Recht in Anspru, dem Derrscher Direktiven zu geben, resp. selbft mit ihm zu berrshen. Furst Bismarck fragte mit gutem Grund seinerzeit: was fannst

du armer Teufel geben? Den Freisinnigen fehlt ber unerläßlie Befähigungénachwe!s zum Herrschen, se baben dem Vaterlande bis jeßt nit in dem Maße gedient, wels ibnen aub nur den Sein einer Berechtigung geben könnte, diejenize Einflusnabme auf die Regierung zu nebmen, welche fe beansprucen.

Aber die Zeit {eint ibnen gerade gut genug, um si in ein gem2dtes Bett zu segen, zu dem se felbst nibts beigeftzuert baben.

Das deutsche Volk sollte endlih denen den Laufpaß geben, die nur berrsden aber nicht dienen wollen. In Preußen und in Deutsch: land hat Ieder zu dienen, au der Kaiser und König. Für die Frei- sinnigen giebt es bis jet feine Privilegien wenigstens nit in der Verfassung, und der Staatsfinn des einsihtsvollen Theils der Be- völkerung sollte dana befinden.

In einem Artikel über Deutschlands Handel mit den Vereinigten Staaten sagt die „National-Zeitung“:

._._, Unter den obwaltenden Verbältniffen gewinnen die Ausfuhr- ziffern Deutschlands nach üÜberseciswen Gebieten eine immer mebr wasende Bedeutung. Unter anderem ist es der Verkebr Veutscblands mit Amerika, der eine Haurtrolle in unserem Außenhandel spielt. Es ift eine für die deutshe Arbeit, den deutshen Unternebmungsgeist ehrenvolle Thatsache, daß Deutschland im Verkehr mit den Vereinigten Staaten si seit einiger Zeit auf die zweite Stelle emporgeschwungen hat. No bis zum Jahre 1885 stand Deuts{land binter England und Frankreich in dieser Beziehung zurück; seitdem ist, wie die fol- genden Zahlen beweisen, sein Antheil beständig gewachsen. Es stellte id nâmlich der Prozentsaß folgender Staaten an der Einfuhr Ameritas im Fisfkaljahr für

188 1886 1885 1884 1883 882

Großbritannien 23,84 2428 3307 2488 96,08 26,99 Deutschland 11,65 10,88 10,95 9,74 7,93 7,78 Frankrei 3,84 9,98 986 1061 13,55 1226, Man sieht deutli: die allmätlihe Abnahme des Antheils Groß- britanniens und Frankreihs am amerifkfanishen Außenhandel ist Deutscland zu Gute gekommen. Um so mehr gewinnt für uns ein

erbôhteres Interesse, was von jenseits des Ozeans von handels- und finanzpolitishen Maßnahmen oder von bedeutungêvollen gewerblichen oder verfehrliwen Thatsachen verlautet. In erter Linie nimmt das amerifanische Zollsvstem unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, das wiederum mit der Finanz- und Steuerpolitik der dortigen Regierung im engsten Zufsammenbarg steht

Es ist in diefer Beziehung bckannt, daß die steigenden Ueberschüfe es Staatshaushalts unabweisbar die Lösung der Frage fordern, was mit diesem embarras de richesse anzufangen sei, ob es ni6t am ebesten geratben wäre, die Volkélasten zu vermindern, insbesondere die Schutzöôlle, welhe die Lebenéhaltung vertheuern, zu ermäßigen oder theilweise abzushaffen. Es wird sich demnächst zeigen, ob die politis@en Führer der amerikanischen Nation die Tugend der Selbît- verleugnung in genügendem Grade besißen, um jenes Mittel, das großz Anforderungen an den eigenen Sackel vieler von ibnen stellt, zur Anwendung zu bringen. Ein Theil des Volks, speziell die Großinduftrie, steht aus Furt vor der bereinbrechenden Konkurrenz nach ciner Ermäßigung der Zölle auf Seiten derjenigen, welche die Konferrirung des aiten Abwehrsystems erstreben.

Gleichwohl erscheint die Breschelegung in das amerikanische Scbußsystem als unabwendbar. Es ist vornehmlich das rapide Wachs- tbum der ameriktanischen Industrie selbst, weles dabin drängt, der das schützende Gewand naigerade zu enge geworden ist. Die Groß- industrie sieht sich genöthigt, den Weltmarkt mebr und mebr auf- zusuchen und empfindet als das größte Hindernis für ihre Bestre- bungen die Vertheuerung der Rohmaterialien durch die Zölle. Man werfe nur einen Vlick auf die Eisenindustrie Amerikas, um die rasbe Entrwoickelung der dortigen Großgewerbe zu würdigen. Dieselbe nimmt nunmebr unter den Roheisen produzirenden Hauptländern den zweiten

Plaß ein, wie aus folgender Uebersicht hervorgeht. Es produzirten (in Tons): j

England Ver. Staaten Deuts{land Frankreich 1886 6 870 665 5 684 543 3 339 803 1 526 446 1885 7 250 657 4 044 526 3751 775 1 628 941,

Die drohende Ueberproduktion bildet die treibende Kraft in vielen Industriezweigen, welhe nah Außen fi Luft zu maten streben. Darin liegt allerdings eine nicht zu verachtende Gefahr für Deuts- land, sodaß mit den Vortheilen des ermäßigten amerikanishen Zolls si auch manche Schwierigkeiten einstellen konnen. Doch stäblen si im Kampf die Kräfte, und wir glauben, daß für das erfte Jahrzehnt noch die Vortheile für Deutsbland weit überwiegen werden. Weiter binaus in bandels8politischen Dingen zu blicken, ist kaum mögli; Jedermann weiß, daß im wirtbschaftlihen Leben die beftimmenden Faktoren bäufig einem raschen Wewsel unterliegen. :

Werfen wir einen Blick auf die Hauptartikel, welche Deutschland nach Amerika einführt, so erhellt sofort, daß diese noch einer starken Vermehrung und Erböbung fähig find. Nach den lezten amtlichen Listen bildeten im Fiskaljahr 1887 Hauptimportgegenftände Deuts {- lands die folgenden: Strumpfwaaren 6,6 Mill. Doll. (1886: 6,5 Mil.), seidene Spitzen 4,9 Mill. Doll. (3,8 Mill.), Robzucker 4,9 Mill. Doll. (5,6 Mill.), Drabt 2,2 Mill. Doll. (2,0 Mill.), Ingots 1,2 Mill. Doll. (0,4 Mill.), Farben 1,5 Mill. Doll. (0,4 Mill.), Flachs 1,4 Mill. Doll.

(1,6 Mill.), Galanteriewaaren 2,9 Mill. Doll. (2,0 Mill. ), Spiegel- glas 1,5 Mill. Doll. (1,4 Mill.), Hopfen 2,58 Mill. Doll. (0,4 Mill ), musikalishe Instrumente 1,0 Mill. Doll. (1,0 Mill), Leder- fabrikate 1,8 Mill. Doll. (16 Mill.), âätherishe Oele 1,19 Mill.

Doll. (1,03 Mill.), Parfümerien 1,2 Mill. Doll. (1,05 Mill), seidene Kleiderstoffe 25 Mill. Doll. (2,3 Mill), wollene Kleiderstoffe 25 Mill. Doll. (1,9 Mill), TuHe 2,8 Mill. Doll. x. x. Es betrug der Gesammtwerth aller aus Deutschland nah den Vereinigten Staaten erportirten Waaren : 1887 1886 1885 1884 1883 Millionen Dollars 8§0,6 69,1 63,2 60 57A.

Diese Zablen ftellen der deutshzn Industrie und dem deutschen Handel, die troy des starken Schußzsvstems Amerikas und der Kon- furcenz Englands und Frankreihs immer größeren Boden dort gewinnen, ein rübmlibes Zeugniß aus. Sie lassen der Hoffrung Raum, daß die über kurz oder lang in den Vereinigten Staaten zu erwartenden Zollreformen Deuts{lands Verkebr mit diesem Lande beleben und îteigern werden.

Statiftische Nachrichten.

Nah dem „Archiv für Poft und Telezrapbie“ in der Zeit vom 1. Oktober 1885 bis Ende September 1887 im Betrieb der Reichs-Post- und Telegravhenverwaltung im Ganzen 83 Betriebsunfälle eingetreten, welde zu Gewährun- gen auf Grund des Unfall-Versicherungs- odec des Unfall-Fürsorge- geseßes Anlaß gegeben haben. Es verunglüdckten: 1 Telegravbengebülfin, 4 Briefträger, 3 Leitungsaufseber, 3 Postpacketträger, 1 Stadtpostbote, 14 Landbriefträger, 6 ständige Posthülfsboten, 2 Postillone reihhseigener Postbaltereien,

En 1nd

Leute

1 Telegrapbenvorarbeiter, 22 Telegraphbenarbeiter, 5 Stellvertreter von Unterbeamten, 5 Aufbelfer ‘ür den Unterbea:nten- dienst, 4 Eilboten und 1 Shmied einer reibseigenen Posthalterei. 32 von den Unfällen oder 38,6 °/9 batten cinen tödtlichen uSgang.

Bei 45 Unfällen oder 54,2 “/9 hatte das Unfall-Versicherungs- Geis, bei 38 oer 8A % das Unfall - Fürsorgege?eß

Bemerkenêwerth ist die unverbältnißmäßig 2er Bestellung der

Ula

Anwenduug zu finden. bote Betheiligung des Landbriefträgerdienstes Telegramme in den Landbezirken an den Betrichëzun?ällen. Es fommen deren auf den Landbriefträgerdienst 19, nämlich 9 Körververletzungen und 10 Todesfälle, auf die Bestellung der Telezramme in den Land- bezirken 6 Unfälle, und zwar durchweg Todesfälle. Die in diesen beiden Dienstzweigen bervortretende Erscheinung, die Zabl der Todesfälle im Verbältni5 zur Gesammtzabl der Unfälle eine bobe ift, zeigt si au bei dem dem Landbestelldienst nabestebenden und vielfach von derselben Person. wahriunebhmenden Botenpostdienst, auf welchen 2 Todesfâlle und eine Körperverletzung entfallen.

Na§ den „Mittheilungen der Großherzoglich Hessishen Centralstelle für di deSstatistif* sind von den durch die Besäler des Großherzogli Hessishen Landgestüts bedeckten Stuten trähtig geworden aus d châlzeit: 1877 50,99/0, 1878 54,6%/0, 1879 54,49%, 1880 53,29/5, 1881 52,09/0, 1 0 1883 58,1 9%, 1884 56,2 %, 1885 56,4% und 1886 57,0

09%, 1882 55,72/0, 0

0.

Kunst, Wissenschaft und Literatur. Der Wirkliche Gebeime Ober - Regierungs - Rath Heinri von Sybel beging beute sein 50 jähriges Doftorjubiläum. Dem

berübmten Gelehrten wurden aus diesem Anlaß alänzende Ov zu Theil. Schüler, Freunde und Verehrer überreihten ibn von dem BVildbauer S{haver vorzüglih ausgeführte Marmorbü!

Im Verlage von R. Oldenbourg in München erscheint in nächsten Tagen: „Die Gescihte des Sankt î Ordens inBayern undder Sankt Mitdhaels-Bruders ch seit dem Jahre 16

_1693 bis auf die Gegenwart“ von Der, Ludwig Trost, K. b. Legations-Rath.

692

Die mit vier Farbendruck- tafeln (die sâmmtlihen neuesten Dekorationen des Ordens in natür- liher Größe entbaltend) ausgestattete Schrift, welhe nah amtlichen Quellen gearbeitet ift, enthält ein reibes geschibilihes, fultur- und kunstgeshitlides Material.

Gewerbeordnung für das Deut'che Rei. Aus den Materialien der Gesezgebung und aus der Praxis der Gerihte und Verwaltungsbebörden erläutert von Dr. Paul Kavser, Wirklihem Legations-Rath und vortragendem Rath im Auswärtigen Amt. Zweite, verbesserte Auflage. (Verlag von H. W. Müller in Berlin.) kl. 8, 24 Bogen. In braunem Leinenbande. Die vorliegende 2, Auflage, alle Aenderungen und Ergänzungen berücksihtigend, welche die Deutsde Gewerbeordnung in neuester Zeit wiederum reihlih erfahren bat, erschien in drei vers@iedenen Ausgaben.

Eine Studie über das chtigungsärecht der lehrer in Mecklenburg-Schwerin und Meckl Streliß, welche von dem Lebrer H. Kofssow in Güstrow fo ausgegeben ist und eine kurze Zusammenstellung der das strafre Verfahren betreffenden Vorschriften, die der Landgerihts-S

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Pobl in Güstrow verfaßt bat, wird in pädagogisen Kreisen Beach- tung finden. Die kleine Schrift ist in Güstrow bei Opiy und Go

erschienen. i .

R. Paul: „Ueber die Kapitalanlage in Werth- papieren und die neueste Gesetzgebung über das Aktien- wesen.“ (Leipzig, Verlag von Gustav Weigel. Preis 1,60 4) Da das Striftchen au die gesammte neue Gesetzgebung über die Aktiengesellschaften enthält, dürfte es jedem Besitzer von Wertbpapieren schr willkommen sein.

Julius Lobmever's Monatsschrift „Deutsche JIugend (Leozbard Simion, Berlin), bringt in Heft 6 (Neue Folge Band V) folgende Beiträge: W. Bake, Aus den Erinnerungen meiner Großtante, mit einem farbigen Bilde von Waldemar Friedri; Karl Gerok, Kriegëgeriht, Ballade u. #. w, und in ihrer neuesten Nummer (Neue Folge Band VI, Heft 1, Preis 50 4) eine Reibe von feinen Gharafkterzügen aus dem Leben des hbeimgegangenen Kaisers, u. a. „Der Kaifer als Siegelsammler“.

Land- und Forstwirthschaft.

Dresden, 26. April. (W. T. B.) Der sächsische Landes- kulturrath beschloß in seiner beutigen Sißung: die sähsishe Regierung möge bei einer etwaigen Abänderung der Gewerbeordnung dabin wirken, daß den Landesregierungen die Ermächtigung erthei werde, den Schweinebandel im Umberziehen zeitweise oder dauernd zu verbieten, und ferner die landwirth\{aftlihen Vereine zu einer Aussprahe darüber veranlassen, inwieweit ein Bedürfniß für die Beibehaltung des Schweinehandels im Umberziehen vorliege, Leziebentlih, ob ein allgemeines Verbot desselben anzustreben sei.

Deutsche Forst-Zeitung, Organ für die Interessen des Waldbaues , des Forstshugzes und der Forstbenußung. (I. Neumann, Neudamm.) Nr. 4. Inbalt: Verschiedene Ansichten über die Ursache der Schütte. Von Forst-Afsessor R. Rittmeyer. (Fortseßung und S{luß ) Was bat der Forftmann bei Anlage eines Kiefern)aat- kamves zu beobachten? Von Revierförster Buchbolz. Von Wald- beim. Von Max Grunow. Von E. P. Vermischtes aus der Provinz Posen. Von R. M. Das Gefeß, betreffend die Unfall- versiherung der in land- und forstwirthschaftliGen Betrieben be- shäftigten Personen. (Fortsezung.) Anweisung zur Ausführung des Reih8gesezes, betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtbschaftlißen Betrieben beschäftigten Personen, vom 5. Mai 1886 (R.-G.-Bl. S. 132) und des preußischen Landes- geseßes, betreffend die Abgrenzung und Organisation der Berufs- genofsenshaften auf Grund des §. 110_ vorstehenden Reichsgeseßzes, vom 20. Mai 1887. (Fortseßung und S(luß.) Cirkularverfügung vom 2, Februar 1888, Die Ausübung des Forst- und Jagd- schugtes dur Privatforstaufseher. Ueber eine Pflanzleine. Von Gräfl. Förster Strade. Aus Südwest-Rußland. Von Leshmann. Starke Bäume. Vom Königlichen Hülfsjäger A. Matthies. Personalien. Brief- und Fragekaften. E E

Deutsce Jäger-Zeitung, Organ für Iagd, Fischerei, Zut und Drefsur von Jagdbunden. (J. Neumann, Neudamm.) Nr. 7. Inhalt: Jagd-, Scheiben- und Gewehrpulver. Von