1908 / 276 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Nov 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Dann ist no#mals betont worden, es würden hier dauernde Mehreinnahmen verlangt, während cin Teil der Ausgaben mit der Zeit vershwinden würde. Nun, ih wics neulich {on darauf hin daß allerdings nach der Berehnung, die wir angestellt haben, im Jahre 1913 die berechneten Einnahmen um 30 Millionen Mark höher sein würden, wie die erwarteten Ausgaben. Ich habe aber au darauf hingewiesen, daß dann immer noch ein Resi von 194 Millionen Mark Schulden ungedeckt bleibt; den durch Ersparnisse in der Zwischen- zeit einzubringen sehr {rer sein wird.

Ich weise ferner darauf hin, daß die Annahme des Herabgehens der Pensionen der Invaliden, der Beiträge an die Veteranen noch lange nit berechtigt i. Wir kommen bei den Fnvalidenpensionen erst na 1912 auf den Beharrungszustand, und von den Veteranen- beiträgen gilt dasselbe. Gewiß wäre es sehr erwünscht, wenn ih mit - einem geringeren Betrage an neuen Steuern als 500 Millionen Mark die Gewißheit hätte, die Einnahmen und die Ausgaben in den nächsien Jahren in die Balarce seten zu können; aber ih glaube, daß eher die Gefahr ist, au mit den 500 Millionen nur knapp auézukommen (hört! bört! links), als das Gegenteil. Und da möte ih noch eine Zahl miiteilen, die hier niht in Berücksichtigung gezogen ist, die ih eigentli erst bei der Vorlegung des neuen Etats zu geben die Absicht hatte: das Defizit für das laufende Jahr wird gegen die Nechnung 100 Millionen Mark überschreiten. (Hört! hört! rechts.) Die Deckung hierfür ist noch gar nihcht in der Veranshlagung vorgesehen.

An die Spitze seiner Betrahtungen über die Aufbringung des Bedarfs hat der Herr Vorredner den Hinweis auf den § 6 des Flottengesezes gestellt. Er wies ja zu Anfang seiner Nede auf die Autorität meines verehrten Herrn Amisvorgängers hin. Vielleicht bat er auh gelesen, was er über den § 6 des Flotten- gesetzes denkt. Jh für meine Person bin der Ansicht das muß i ganz offen ausspre@en —, daß der S0 des Flottengesezes vielleißt ein Meisterstück der parlamentarischen Takiik, aber kein Meisterstück der Finanzpolitik gewesen ift. (Sehr richtig! rechts.) Schon dieser Hinweis auf bestimmte Einnahme- quellen, ans denen bestimmte Ausgaben gedeckt werden sollen, cder negativ: auf bestimmte Einnahmequellen, die allgemein für gewisse Ausgaben vershlofsen sein sollen, hat ihre Bedenklichkeit. Ich meine au, daß der ganze § 6 von der überwundenen Auffaffung ausgeht, als sei der Bau und die Verstärkung unserer Flotte in erster Linie den Besißenden zu gute gekommen, während sie dem ganzen Vater- lande, Handel, Industrie und Landwirtschaft, allen zu gute kommi, indem fie die Sicherheit des Landes erhöht (sehr richtig! rechts) und

dadur auch die nihtbesißenden Klafsen mit {chügt.

Wenn es Ihnen von Interesse ist, glaube ih, Ihnen in der Kommission nahweisen zu können, daß im übrigen sowohl die in dem ersien Flottengeseß gemahten Mehrausgaben für die Flotte als die nah dem lezten Flottenprogramm noch zu erwartenden Mehr- au83gaben dur Einnahmen, die den Anforderungen des S6 des Flottengesezes enisprechen, bisher gedeckt sind und aub, wenn die Steuervors{läge der verbündeten Regierungen angenommen werden, weiter werden gedeck werden. Aber entsheidenden Wert lege ih darauf nicht. Wir müssen den Etat als ein Einheitlihes, das Reich als ein Ganzes ansehen, und wir müssen eben die Ausgaben, die wir zu leisten haben, aus allen Ginnahmequellen, die uns zugängli® find, im ganzen bestreiten.

Wie ih schon sagte, mötte ih auf die einzelnen Einwendungen, die der Herr Vorredner gegen die Steuervorshläge gemacht hat, nicht eingehen und nur einen allgemeinen Gesichtspunkt berühren. Er sagt, die Art der Belastung \chüte nit genügend die mittleren und kleinen Betriebe, und hat dies bei den einzelnen Vorlagen nahzuroeisen gesucht.

Die Branntweinsteuervorlage beruht ja gerade darauf, die mittleren und kleinen Brennereien zu s{onen, und au auf die süddeutschen Materialbrennereien ist Nücksiht genommen.

Bei der Brausteuer wurde eingewendet, die großen Brauereien würden künftig befser gestellt sein als die kleinen. Das kann ich nicht absehen, denn die Spanrung zwischen den Säßen für beide bleibt dieselbe. (Heiterkeit in der Mitte und links.) Außerdem ist die ganze Tendenz der Brausteuervorlage darauf gerihtet (Zuruf rechts) ja, das bitte ih doch zu beachten —, daß die Abwälzung ermöglicht werden soll, und gerade die Abwälzung, die cine Erhöhung des Bier- preises bei den Trinkern zur Folge hat, kommt den kleinen in erster Linie zugute. Bisher ist doch nit, wie gestern der Herr Abg. Raab oter war es Herr Abg. Geyer? sagte, dur die Großbrauereien die Abwälzung verhindert, sondern dur die kleinen Brauereien, die bei dem früheren Saß von 4 verblieben sind, also den Preis aufreckt- erbalten konnten. Wenn nun allgemein eine Erhöhung des Preises der Konsumenten eintritt, so profitieren davon doch die kleinen avch.

Was den Tabak betrifft, so ist die Konzentration der Betriebe von der vorgeschlagenen Art der Besieuerung befürchtet worden. Ih habe gestern {on darauf hingewiesen, daß in der Zigarettenfabrikation gerade die Zahl der kleinen Beiriebe, die neu entstanden siad, recht erheblich gewachsen ift, und daß im Zigarrenbetriebe in Amerika bei der dortigen Art der Banderolenbesteuerung eine erhebliGe Ver-

mehrung der Zahl der Betriebe stattgefur.den hat. Der Herr Vor- redner hat darauf gesagt: auf Amerika dürfen wir uns nicht beziehen, weil mein verehrter Herr Nachkar (Staat8minister Fceiherr von Rheinbaben) selber erklärt habe, daß nach dem, w32s er in Amerika gesehen, mit der Banderolensteuer nichts zu malen sei. Ich habe mich bei meinem Herrn Nachbar, {hon als i diesfzum erften Male in der Zeitung las, dana erkundigt und darf mit seiner Zustimmung erklären, daß er gesagt hat : das System der amerikanishen Banderolensteuer, die nur zwei Sorten unterscheide : Zigarren und Zigarillos, hielte er sür unsere Verhältnisse niht für anwendbar. (Hört! bört! rets.)

Auch bei Elektrizität und Gas glaube ich den Nachweis geführt zu haben, taß die mittleren und kleineren Betriebe verhältnismäßig am besten dabei fortkommen. Ih habe Ihnen gesiern auf Grund der Tatsachen Zahlen gegeben, aus denen hervorgeht, wie kurz die Benußzungsdauer ift, während welher in kleinen Betrieben die elektris angetriebenen Mashinen unter Strom gestellt werden. Es waren die Jahreskoften an Steuer in der Meßgerci von 2,65 jährli, in einer Buchdruckerei von 5 jährli und in einer Sthreinerei, die mit einem 8 pferdigen Motor arbeitet, von nit ganz 39 4 jährli. Die Hauptlast hiervon werden die großen Betricbe

baben; das ist, glaubte i, keinem Zweifel zu unterwerfen. Eine kleire Berichtizung bei der Gelegenheit. Ich habe nicht

trieben werden. Ich erwähnte noch, daß zur Herstellung der Tonne Stahl etwa für 18 4 Kohlen erforderlich find. Was das Verhältnis der Beteiligung Bayerns an der Elektri- zitäisstzuer betrifft, so ist auf die Elektrifizterung der Bahnen Bezug genommen, die dort beabsichtigt ist, und die nah den Mitteilungen des Herrn Vorredners einen Steuerbetrag ven 7- bis 800 000 jährli erfordern würde. In Preußen würde, wenn die Staatsbahnen elekftrifiziert worden sind, der . Steuerbetrag viele, viele Millionen ausmathen, und troßdem nimmt man in Preußen an, daß diese Kosten in die Kosten bineingehen, wel@e überhaupt mit einer folchen Umwandlung verbunden find. (Zurufe aus der Mitte.) Ostpreußen ist in bezug auf die Kohlen nit besser gestelt wie Bayern, und die Bahnen laufen niht bloß im Industriebezirk Preußens, sondern auch in anderen, koblenarmen Gegenden. Das gleiht sh wohl ziemli aus. Jedenfalls find aber, obwohl Preußen in gewifsen Teilen Kohlen in ter Nähe hat, die Kosten, die von der Elektrizitätssteuer bei der Elektrifizierung auf die Bahnen fallen würden, unverbältnismäßig höher als in Bayern, weil eben das Net in Preußen viel dichter aus- gebaut ist als im großen und ganzen in Bayern. Dann ift der Herr Vorredner nochmals auf die Frage eins gegangen, ob durch die Bindung der Matrikularbeiträge auf Zeit das Einnabmebewilligungsrecht des Reichstags wesentli beeinflußt werden würde. Er hat sie bejaht und hat darauf hingewiesen, daß ih selber gesagt habe, ich würde den Ressorts in der Bemefsung der Ausgaben anders gegenüberftehen, wenn ich sagen könnte, es scien keine Einnahmen mehr da, also hängen Einnahmen und Aus- gaben zusammen. Jawohl, ich sage eben, man steht besser, wenn die Einnahmen limitiert find. Der Reichstag würde nach dem Vorschlaze der Regierungen ach nur auf eine Erhöhung der Einnabmen verzichten; sie weiter zu limitieren würde ihm nah wie vor freistehen. Was dann die Frage der SHuldentilgung angeht, so ist durhaus nit die Absicht, künftig von der Schuldentilgung durch Abschreibung auf neue Anleihen allein oder überwiegend Gebrauch zu maten, Natürlih \oll auch davan Gebrau} gemacht werden, wenn die Ver- bältnifse es gestatten. Aber die Absicht, auß durch NRückauf von Anleiben den Kurs zu bessern, besteht; das if au zum Ausdruck ge- bra@t worden. In welchem Maße nun davon eine Kurshebunz zu erwarten ift, das hängt ratürlich wesentli davon ab, wie weit gleih- zeitig neue Anleihen ausgegeben werden. Denn wenn dann auf der anderen Seite der Kurs wieder dur Neuemissionen gedrüXt wird, fo ist diese Maßregel natürli verbhältnismäßig von schwacher Wirkung. Wie das auf die einzelnen Arten von konsfolidierter Anleihe verteilt werden foll, ob auf die vier-, dreieinhalb- oder dreiprozentigen zu- sammen, oder auf welhe Sorten das angewendet werden soll, das zu sagen bin ich heute niht in der Lage. Da ich am Worte bin, so möchte ich noch kurz auf das zurüdck- kommen, was zwei andere Abgeordnete gestern gesagt haben, die si grund\säßli, allerdings von verschiedenem Standpunkte aus, der Vor. lage recht unfr:undlih entgegenstellten, der Abgeordnete Geyer und der Abgeordnete Raab. Das Allheilmittel, das der Herr Abgeordnete Geyer uns zur Besserung der finanziellen Lage des Reichs hier vor- geschlagen bat, wird; glaube ih, nicht auf die Mehrheit in diesem boben Hause rechnen können. Als erstes Mittel hat er die Abschaffung des stehenden Heeres vorgesGlagen. Jh fürhie, das würde dem deutschen Volke teurer zu stehen kommen als alle Steuern, die jeßt bezahlt werden, zusammen. (Sehr richtig! rechts.) Dann verlangte er eine gründliche Aenderung der Zollpolitik und Abschaffung aller in- direkten Steuecn. Wenn man fich das einmal überschlägt, dann würde die Einkommensteuer für Reih, Staat und Gemeinde zusammen etwa auf 50 bis 60 °/6 erhöht werden müssen. Auch hierfür wird eine Mehrheit in diesem bohen Hause nicht zu finden sein. Die Aufhebung der Zölle würde au nit zu einer wirtischaftlißen Stärkung führen. Ih glaube nicht, daß die Landwirtshaft davon außerordentlich profitieren würde, und die Industrie zum großen Teile doch wahr- s{einlich auch nit. Ich glaube also, dieses Rezept braucht hier nicht eingehender erörtert zu werden. Von einem ganz anderen Gisichtspunkte ist der Herr Abg. Raab an die Sache herangetreten. Er hat ja, wie wir alle, die ernsteste Absicht, dem Reiche in der politischen Verfassung, die es hat, auch finanziell auf die Beine zu helfen. Aber ih glaube, der wirts{chafts- reformerisce Standpunkt hat den finanziellen etwas zu sehr verdeckt. Zunä#st hat er mir vorgeworfen, i bätte auf die pfleglihe Be- handlung der Kapitalsbildung ein Hauptgewickht gelegt. Ih weiß nit genau, woher er den Ausdruck genommen hat, ob er in der Be- gründung des Finanzgeseßes stehen soll oder in dem Auffaß von mir. Ich habe ihn weder an der einen Stelle noŸÿ an der anderen gefunden. In der Begründung fteht, man solle die volkswirts{aftliÞ gebotene Kapitalsbildung niht hemmen. Das bezieht si natürlih nicht auf das Großkapital allein, sonder1 auf alle Kapitalsbildung, und gerade die mittlere und kleine Kapitalsbildung is doch etwas, was man aus allgemeinen Gesichtspunkten auf das äußerste begrüßen muß. Von irgend einer Vorliebe für das Großkapital weiß ich mich durchaus frei. Er hat weiter gesagt, es sei eigenilih kein einziger neuer Gedanke in der Vorlage, es werde auf Originalität vollständig verziGtet. Ich will nit das Wort anwenden: Wer kann was Kluges, wer was Dummes denken, das niht die Vorwelt {on gedacht! Aker bei Steuerfragen trifft es sehr häufig zu, daß, wenn man mit neuen Sahhen lommt, erwidert wird, das Neue sei niht- gut, und das Gute sei nicht neu. An den Erfahrungen der Nationalökonomie der ver- gangenen Jahrzehnte können wir doch nit einfa vorbeigehen. Er hat uns nun ein großes Steuerbukett angeboten. Es sind eigentli keine Blüten darin, es sind nur Knospen oder junge Triebe. J soll mich im Patentamt sozusagen auf die Lauer legen, auf alle neuen Erfindungen aufpafsen und fie dann s{leunigst für das Reich in Anspru nehmen, damit recht viel Geld dabei herauskomme. Er hat sogar den Kopf geschüttelt über den-Sah, ene so junge Industrie wie die eleftrotechnische dürfe man nicht unter das Monopol stellen. Ich meine, wenn eine neue Erfindung wirtschaftlih ge- fördert werden soll, -dann ist die Privatwirtischaft das einzige Mittel, ihr auf die Beine zu helfen. (Sehr richtig!) Darauf ist der Staats- organismus gar nicht eingerihtet. Ueber seinen Vorschlag der Verstaatlihung der Reihtbank wird mehr zu sprechen sein, wenn die Frage der Verlängerung des Neichs- bankprivilegs zur Erörterung gestellt wird. Auf das Petroleummonopol mö§Ÿte ih hier nit eingeken. In der Kommission wird dazu Gelegenheit sein. Die Frage muß

besser in der Kommission als hier im Hause erörtert werden, Auch die Wertizuwachssteuer ift natürli auf der Bildfläche erschienen, Ih will den bere&tigten Kern, der vielleicht darin steckt, in keiner Weise verkennen, aber wenn sih irgend eine Steuer zunächst zur Aus, bildung im engeren Kreise der Gemeinden eignet, dann ift es diese, Es fehlt noch die Erfahrung, es ist zunächst ein vorsihtiges Tasten nôtig, ob sie sich überhaupt auf die Dauer zur Ausdehnung eignet, Das können vielleicht die Gemeinden, in zweiter Linie der Staat; in leßter Linte erst könnte das Reih in Frage kommen, und daß - dag” Reich den Staaten und den Gemeinden diese Steuer weguehmen soll, halte ich nicht für angebracht. Ich kann nur dringend dabor warnen, bei der Frage der Shaffung neuer Einnahmequellen unreife Früte pflücken zu wollen. Der Herr Abg. Raab hatte die Güte, mich zum Schluß aufzufordern, das NReichsshaßamt möge ih dahinterseßen, alle seine Anregungen gründlih vor- und durzuarbeiten. Das wis ih ibm versprechen, sobald das Reichsshazamt Zeit dazu hat. (Große Heiterkeit.)

Abg. Dr. Paashe (nl): Nah dem bisherigen Verlauf der Debatte und namentli nah den Erklärungen, die vorhin der Abg, Syahn namens der größten Partei abgegeben hat, bleibt eigentli von dem Steuerbukett, das die verbündeten Regierungen vorgeschlagen haben, nit vel übrig. An positiven Zugeständnissen hat der Abg, Dr. Spahn eigentlich nur eine böbere Schaumweinsteuer und die Plakatbesteuerung gemaht. Daß die Sozialdemokraten der Regierung feinen Groschen bewilligen wollen, wußten wir ohnedies. Ich bin überzeugt, daß auch diejenigen Redner, die alles verworfen haben, es für eine ernste Pflicht erachten, die Finanznot des Reiches zu beseitigen, dafür zu forgen, daß die Reichsfinanzen auf eigene Füße gestellt werden. Ich glaube, selbs beim Zentrum wird die Stimmung eine andere werden, wenn es erst genügend aufgeklärt worden ift, Die verbündeten Regierungen dürfen nit allzu hoffnungslos auf die Zukunft blicken, selbs wenn von meinen politishen Freunden Be- denken erhoben werden. Wir alle sind der Ansicht, daß es mit dieser Finanznot nicht so weiter gehen kann, si2 hat Dimensionen an- genommen, die unser Ansehen im Auslande schädigen. Man sollte anderseits aber auch nicht zu schwarz malen. Das Bild von dem Kürassier, der dem Franzosen bettelnd seine Hand bin streckt, kann als charafkteriftisch für die Finan¡lage be- zeichnet . werden, aber es if doch \{ließlich nihts weiter als ein Wit, der für die Zeichen der Zeit niht entscheidet, Das Sinken der Reihs- und Staatsanleihen is noch kein Beweis des sinkenden deutshen Kredits. Auch in dem vielgerühmten Eng- land, von dem der Neichskanzler sprach, hat ein solcher Kursíturz stattgefunden. Seine 24 proz. Konsols find in den leßten Jahren von 113 auf 821/16 im Jahre 1907 beruntergegangen, ein Kursfturz von über 3009/0, und ¡war geshah das nicht während der Zeit des Krieges und der wahsenden Schuld; denn als der Burenkrieg aus bra, war der Kurs noch 5 bis 6 9% höher als 1907. England hat 2 Milliarden während des Krieges aus laufenden Mitteln auf gebracht, und von 3 Milliarden Schulden hat es bereits jetzt mehr als cine Milliarde getilgt, troßdem is der Kurs gefallen. Auß die 3 ©/0 französishe Rente ist um mehr als 10 °/ gesunken, obwohl Frankreih seit längerer Zeit keine Anleihe mehr kontra hiert hat. Wenn unsere 3 9% Anleibe durchs{hnittlid um 3 % niedriger ist als die franzêsishe Rente, so liegt das nit daran, daß unsere Papiere unsiherer find, sondern es liegt an allgemeinen wirk \chaftliden Verhältnissen. Unser deutsches Volk fann ftolz darauf sein, daß es seine gewaltigen wirtshaftliben Fortschritte immer mebr bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit gesteigert und große Kapitalien in industriellen Unternehmungen festgelegt hat. Infolgedessen ift bei uns der Bedarf an Papieren nicht so groß wie in Brankcei, un so mehr, als auch die kommunalen Verwaltungen ungewöhnlihe Ansprüche an das kaufende Publikum stellen. Wenn bei urs die 39/6 Konsols um 10 9% gesunken sind, so ist ‘das noch immer niht - so ershreckend, taß man sagen müßte, wir find anderen Ländern gegenüber weit im Rückstand, und wir verdanken dem allein und aus\chließlich unsere Schulden- und Finanzwirischaft, Daß unsere Finanzwirtshaft in den leßten Jahren feine gute gewesen ist, wird allerdings von allen Seiten des Hauses zugegeben, Ich stehe auf dem Standpunkt, daß in erster Linie die Schuld bei den verbündeten Regierungen liegt, die eine folche Finanzwirtscaft getrieben haben; sie haben uns die Zuschußanleihen zugemutet, dit Matrikularbeiträge auf Jahre gestundet, uns wachsende Ausgaben vorgeshlagen. Man könnte nun sagen, deß wir ja das Auszabe- bewilligungsrecht haben. Jedermann von uns weiß aber, wie. \chwer es bält, wenn uns ein sahzerständiger Minister in de Kommission ausführt, dies und das ist absolui notwendig und unentbehrlich, und es wäre unpatriotisch, wenn man es nicht be willigte. Wir haben in der Budgetkommission noch_ karz vor de Vertagung einmütig beschlossen, an eine ernste Schulden tilgung heranzugeben und dafür zu sorgen, daß in Zukunft nicht | leichten Herzens Schulden gemacht werden können. Es sollte streng geshieden werden zwishen Ausgaben, die auf Anleibe genommen und die aus ordentlichen Mitteln zu bestrciten find. Früher wurden |amb lihe Schiffe, Kasernen, Festungsbauten, Armierungen usw. aus An- leihen genommen. Hierin is nun eine we!entliche Besserung ein getreten. Heute sollen nur noch die Festungsbauten und was zur Lande verteidigung notwendig ist, und die Eisenbahnen auf Anleihen stehen. Kein verständiger Hauévater kann daran vorbei, daß folhe Schulden, die noch unsere Enkelkinder belasten, und die keine werbenden An lagen waren, getilut werden müssen, und zwar so kräftig wie irgen? mögli. Was werbende Anlagen find, muß ebenfalls tunlichst bal? getilgt werden; bei den Fortschritten der Technik find au Lokomotive vielleiht niht mehr werbende Anlagen, - fondern werden allmäbhli altes Eisen. In beiden Richtungen muß eher noch mehr gel werden, als die Vorlage vorshlägt. Daß eine Finanzreform n! i bloß eine Steuerbewilligung sein darf, fondern au das gan Finarzgebaren ändern muß, unterschreibe ich. Die Reihs- 1 Staatsfinanzen müssen endlih reinlich geschieden werden. _Me Tendenz der Vorlage geht in dieser Beziehung noh weiter, E beiden Stengelshen Refcrmen; sie will uns auf fünf Jahre di Hände binden auf 80 H pro Kopf Matrikularbeiträge, und da sollen wir denn noch womöglih stolz darauf sein, daß der Reichstag l Einnahmebewilligungsrecht gewahrt, hat. In diesem Hause wird pas faum jemand Lust haben, auf diese Bahn zu treten; meine politisde Freunde lehnen es einmütig ab. Bei der Finanzgebarung_ muß n besonders auf die Ansprüche der Kommunen an die Steuerza®e Rücksicht genommen werden, was durch die Vorlage nicht genu geschieht. Die unglück}elige clausula Franckenstein hat am meisten = der starken Verquickung der NReichs- und Staatsfinanzen beige

wirkt aber immer noch na.

ja

sie existiert formell nicht mehr, n D rien die Vorlage will noch 220 Millionen Ueberweisung fest Bei dem System der Ueberweisungssteuern und Matrikun, beiträge stellt si auf beiden Seiten ein gewisses Hasardspiel Q weder das Reih noch der Einzelstaat kommt dabei zu aen vollen Rechte. Die Einzelheiten sind ja uns allen ir Meine Freunde sind daher der Meinung, daß man damit aue d und die Ueberweifungssteuern ganz aufheben sollte. Nun wt cir Vorlage die Matrikularbeitiäge zum Betrage von 80 Pig- e ntt Jahre festlegen. Bei seinem leßten Finanzreformvors(lag Deine Miquel noch die bare Herauszahlung von 40 Millicnen an die E staaten; jeßt ist man so weit, daß 48 bis 50 Millionen gu A Einzelstaaten dem Reiche herausgezahlt werden sollen. Für i wünschte Veredlung der Matrikularbeiträge fehlt es zur Zeit ai Maßstabe. Den Matrikularbeiträgen follte jedenfalls ihr [M1

Charakter bleiben, de?

Reichéeinnahmequelle erhalten D 680 find auch E Matrifularbeits#

gegen die Aufhebung der

(S@luß in der Zweiten Beilage.)

als wir

gesagt, daß beim EGlektrostabl die Steuerkosten auf die Tonne 8 machen, sondern bei einem Stahlwerk, desen Walzen elektrisch ange"

sehr ernstlich bedacht werden und hat fehr große Bedenken, die

* beeinflussen durch die Beamten ?

M 298.

(S@&Sluß aus der Grsten Beilage.)

Anderseits is das Einnahmebewilligungsreht des Reichstags aus diesen ein Bewilligungsrecht aus fremden Taschen, wie {hon ov 10 Jahren Dr. Lieber gesagt hat. Hieran muß feftgehalten werden. Mit diesem Recht des Neich8tags foil und läßt sich man§e Million an Anleihen sparen, und da übt denn auch der Bundesrat wohl oder übel Sparsamkeit. Entgegenkommen möchte ich den Einzelstaaten insofern, als die Matrikularbeiträge nur als Notbehelf, niht als dauernde Einnahm- quelle des Reiches angesehen werden sollten, wie es nah dem Entwurf ter Fall sein könnte. Die Ausgaben können wir ja do nicht steigern, sondern nur vermindern ; wir können auch dem Reiche die Malrikularbeiträge nicht aufdrängen, wenn es der Bundeêrat nicht tut. Für die reinlihe Scheidung der Reih3- und Staats- finanzen wird sh hcffentlih in der Kommission eine Mehrheit finden. Die Wertzuwadssteuer soll man den Kommunen lassen. Was die Deckung des Bedarfs betrifft, fo find wir selbflverständlich zur Be- \{chafffung neuer Einnahmequellen gezwungen. Ueber das, was wirkli not tut, haben wir leider weder aus den Vorlagen, noch aus den Reden vom Bundesratstische aus ein klares Bild gewinnen können. Gewiß werden einige hundert Millionen herauëkommen,. - Willi man nun zwishen Einnahme und Ausgabe das Gleichgewicht berstellen, so wird es mit der Nückehr zur alten preußishen Spar- samkeit, die vielfach eine recht bôse Knikerei war, die ih für das Deutshe Reich niht recht schick, nicht getan fein. Gewiß ist sür Luxus viel unnüg auëgegeben worden. Gewisse Bauten \&leppen {fih mit der Schlußabrehnung jahr- zehntelang hin; in den amtlihen Baubureaus fißen Baubeamte in S{aren und abfolvieren eine Menge eigentlih übe flüssiger Arbeit. Der Privatmann räumt damit viel {neller auf, und was erx kann, muß die staatliche Verwalturg au können. Hier kann sehr bedeutend gespart werden. Ebenso können Ersparnisse in der Militärverwaltung gemacht werden; man braucht z. B. nit ganze Truppenteile kost- \vielige Reisen zu Paraden machen zu lassen, die nachher nicht statt- finden u. dergl. Auch an den Uniformen könnte sehr viel gespart werden; es ist im Lande der allgemeinen Wehrpflicht nit röôtig, daß die Husaren im pelzverbrämten Attila herumlaufer, damit die Wehr- pflichtigen angereizt werden, gerade bei diefer Truppe einzutreten. Neben den Steuern auf den Konsum wollen wir auch Steuern auf den Besiß haben; es wäre nah unserer Meinung ein Unrecht, alles auf den Massen- konsum zu_ werfen und die b-sißenden Klassen frei zu lassen. Wenn es sich darum handelt, diefe Hundert? von Millionen aufzu- bringen, so wird man den Grundsay, daß nicht Gegenstände* des Masfenkonsums besteuert werden sollen, niht aufrecht erhalten können. Wenn nur wenige Millionen in Frage kommen, fann man es mit kleinen Steuern versuchen, wie wir es {hon öfter getan haben, hier aber muß man an die Genußmittel herantreten, und da können Tabak, Bier und Branntwein niht umgangen werden. Fraglich kann nur sein, ob die Besteuerungsform, die die Regierung vorschlägt, richtig ist. Zunächst das Branntweinmonopol. Heute geht man allgemein von dem Standpunkt aus, daß Monopole für gewifse Gegenstände die beste Form der Steuererhebung sind. Daß dieses Monopol ewisse politische Bedenken hat, wird niemand leugnen können. 58 müssen auch kier wieder Staatsbeamte geshaffen werden, aber die paar hundert Beamte, die rotwendig sind, machen nur einen geringen Bruchteil in dem großen, in dem gewaltigen Heere unserer Beamtenschast aus, und selbst bei einer fo gewaltigen Beamtenzahl wie bei den Eisenbahnen ist man vollkommen frei und unabhängig in seiner politishen Ueberzeugung. Lassen Ste sich 1 Gewiß nimmt man hier zu dieser oder jener Beamtenfrage einmal etwas freuntliher Stellung, aber bei dem allgemeinen, gleihen und geheimen Wahlrecht wird von einer Be- einflussung nicht die Rete sein können. Ich will die Frage des Wahl- rechts jeßt nicht anschneiden. In anderen Ländern werden ebenfalls neue Monopole eingeführt, und auch von liberalen Männern gut- geheißen, weil man darin nicht mehr eine Beschränkung der Privat- industrie durch den Racker vcn Staat erblickt, sondern eine praktische Methode der Steuererhebung. Deswegen ftehcn meine Freunde dem Branntweinmonopol durchaus niht unsympathisch gegenüber. Ueber die Einzelheiten wird in der Kommission- zu reden sein. Es gibt kaum ein Gefeß, das fo gründlich und den Bedürfnissen der Praxis entsprehend du chgearbeitet is wie diese Vorlage. Ich habe die Empfindung, daß dabei nit rur die Gebeimräte, sondern au die Männer der Praxis mitgearbeitet und die Form gesucht haben, in der ein Uebergang möglich ist. Die Biersterer foll von Rechts wegen eine Verbrauheabg:be auf Bier scin, die leßte war niht viel mehr als eine Gewerbesteuer für die großen Brauereien. Der Konsument hat sie niht zu tragen gehabt; Sie werden mir zugeben, taß das nidt ter Zweck einer Verbrau@sabgabc ist. Sie muß, ohne die Gastwirtshaften und Brauereien zu belasten, auf die Konsumenten abgewälzt werden können. G.wiß lastet der Druck der Zeiten {wer auf allen, aber es wird troßdem nicht viel weniger Bier getrunken werden. Bei der Weinsteuer gehen viele meiner Freunde von der Ueberzeugung aus, daß, wenn die Getränke des armen Mannes, Bier und Branntwein, besteuert werden, auch eine beständige Besteuerung des Weins niht zu umgeben ift. Ein Teil meiner Freunde ist aber der Meinung, daß diese Steuer tie Mühe nit wert ift, die auf- gewendet werden muß und den Winzerstand und den Weinproduzenten ruinieren muß. Den Herren von Württemberg und Baden hat man ja das Kompliment gemacht, decn offenen Wein frei zu lassen. Der Flashenwein ist zu einem großen Teile leiht und billig, in meinem

Wahlkreise werden vielleiht 300 bis 400 G für das Hektoliter für solcken

Wein gezablt. Bei 350 # würden 5 für jede Flasche 70 6

sür das Hektoliter ergeben, das ist ein garz beträchtliher Bruchteil.

Nehmen Sie an, daß dem Winzer soviel weniger bezahlt wird, so muß

er bungern. Der mittlere Flashenwein von über 11 zahlt 15 S für

die Flasche, da kämen 220 M für das Hektoliter heraus. Wenn das vom

Verkauft preise abgegeben werden \oll, fo ist es überhaupt niht mehr

mögli, Wein zu produzieren. Ohne mih im Namen meiner Fraktion

auszusprechen, erkläre i, daß für mich die Weinsteuer unannehmbar ift.

Die Schaumweine könnten sehr wohl eine höhere Steuer tragen, vielleicht

könnte man die Staffel etwas ändern. Würde man die billigen Hausmarken

s{honen, fo würde man damit den stillen Weinen {chweren Abbruch tun.

Der Tabok ist der wichtigste Gebrauchsgegenstand, auf den eine Steuer

gelegt wird. Meine Freunde sind einstimmig der Meinung, daß eine Banderolensteuer nit in Frage kommen kann. Metne Freunde sind aber bereit, einer anderen Fer, die der Leislungsfähigkeit der Industrie entspriht, zuzustimmen. as die übrigen Steuern betrifft, fo haben die Verfasser der Steuergesetze offenbar bei der Auswahl der Steuern l nur danahch gefragt, welhe Steuer am meisten einbringt, nit

ana, ob sie nah wirtshaftlich und praktisch erprobten Geseßen der ausgleihenden Gerechtigkeit sh als Okjekte eignen. Die Elektrizitäts- s Gasfteuer würde den gesunden und tehnischen Fortschritt

eeiner Weise hindern, an die vielleiht die Herren bei der Aus- arbeitung des Gesetzes nicht gedaht haben. Es handelt \sich hier qs eine direkte Erwerbssteuer, um keine Verbrauhsabgabe. Es wird

or allen Dingen der Mittelstand dadurh s{chwer geschädigt werden, nl wenn es richtig ist, daß die Fahrkartensteuer die Einnahmen

er einzelnen Staaten \{chmälert, so greift die Gas- und Elektrizitäts-

euer noch viel empfindlicher in die Einnahmequellen der Kommunen Dazu kommt noch ein foziales Moment. Es gibt viele kleinere

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| Zweite Beilage E zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Montag, den 23. November

Mittelstand billige mehanishe Kräfte zur Verfügun g zu stellen. Nun

\foll auf diese Erwerbsmittel eine Steuer gelegt werden! | Man sagt, wenn tas Petroleum besteuert sei, so_könnte man die glänzende elek- trishe Beleuhtung auch besteuern. Handelte es sich lediglih darum; eine Luxussteuer auf elektrisches Licht einzuführen, so würde kaum jemand etwas dagegen haben. Aber zwischen Liht- und Kraftsteuer kann ein Unterschied niht gemacht werden. Wäre es mögli, einen Weg zu finden, auf dem das elektrische Lit ebenso besteuert werden könnte wie das Petroleum, fo könnte man ja dem Gedanken näher treten. Nach den Aeußerungen des Hauses glaube ih aber nicht, daß es ge- lingen wird, eine folhe Regelung zu finden. Die Inseratensteuer verwerfe ih persönli und ein großer Teil meiner politisGen Freunde deshalb, weil darunter die kleine und mittlere politishe Presse schwer leiden würde. Die Verleger würden niht immer imstande sein, die Steuer abzuwälzen. Anders steht es mit der Plakatsteuer. Plakate gibt cs vielleicht heute viel zu viel; sie drängen sich bis in den Reichstag hinein. Es ist des Reichstages niht gerade würdig, daß foldhe Reklamen selbst in dem Raume stehen, wo die Reichstagsabgeordneten ihr kümmerliches Mahl einnehmen. Gegen die Nachlaßsteuer haben auch meine Freunde lebhafte Bedenken, die niht etwa darin liegen, daß der Nachlaß als solcher versteuert wird, sondern darin, daß ganz selbst- verständlih bei einer so hohen Steuer, die bis 3%, vielleiht mehr, geht, die Einshäßurg eine fo rigorose und so schikanierende sein muß, daß ih der festen Ueberzeugung bin, eine solche Steuer wird nament- lich in ländlichen und in weiten bürgerlihen Kreisen eine solche Erbitterung hervorrufen, daß „.ich ungern die Verantwortlichkeit dafür überrehmen möchte. In dem Moment, wo der Ernährer der Familie gestorben ist, soll der Wert des Besißes festgestellt werden, dann soll im cin¡elnen ges{äßt werden der Wert des Adlers, ter Wert der Kübe, ter Pferde usw. Man sagt zwar, die Steuereinshäßung werde nicht so rigoros sein, sie wird es aber sein, denn man will eben hohe Erträge herautbringen. Man wird das Vermögen bis auf den leßten Groschen {chägen. _Der Hausrat soll nit besteuert werden. Was heißt aber Hausrat? Soll die Witwe den Shmuck, den sie von ihren Eltern hat, alte Spigzen usw. versteuern? Das würde eine Fülle von Ver- bitterung hervorrufen, nicht bloß den Familiensinn {ädigen. Schaffen Sie lieber eine Vermögersstsuer. Hier handelt es ih nur um £2 bis 1°%/%. Es kommt da nicht darauf an, ob das Vermözen 30 320 M4 oder 37 000 6 beträgt. Man kann eine Staffel einführen von 30 bis 40 000 16; bei F % wird kein Mensch daran denken, das Vermögen bis auf den leßten Groschen einzushägen. Die Staffeln können ziemlih weit geben und die Steuer würde eine dauernde Cinnahmcquelle sein. Ich hoffe, daß auch der Finanzminister von Rheinbaben diese Steuer als die beste Form der direkten Besteuerung betrachtet; sie ist ein gerechter Ausgleich zwishen der Belastung der Besißenden und dem Masfsenvterbrauh der großen Massen des Volkes. Die Erbschaft des Reiches bei entfernten Verwandten bekämpfen wir grundfäßlich nicht. Vielleicht wäre es aber zweEmäßiger, diese Erb- {chaften richt als Einnahme, sondern als Vermögenëzuwachs für das Reich zu behandeln und sie zur Schuldentilgung-zu benußen. Die Fahbrfartensteuer soll aufgehoben werden, sie ist ja recht wenig beliebt, und die Abgeordneten, die sie bewilligt haben, werden heute vielfach angegriffen. Mein Freund Büsing hat dafür büßen müssen. Ich möchte darauf hinweisen, daß die uationalliberale Partei nicht ver- antwortlich ist, die große Mehrheit - des Hauses hat der Steuer zu- gestimmt, und der Bundesrat hat sie akzeptiert. Ih muß sagen, es ift eine merkwürdige Geseßgebung: vor noch niht zwei Jahren wird sie eingeführt und jeßt wird sie als unbrauchbar beiseite g: worfen. Glauben Sie, daß andere Steuern etwa populärer sind? Deshalb mödhte ih noch nicht das leßte Wort über die Fahrkartensteuer ge- sprochen haben. Vielleiht e1wägt man in der Kommission, ob man niht an eine Reform dieser Steuer herangehen kann. Die Zudter- steuer soll demnächst ermäßigt werden, man kann deshalb jeßt nit daran denken, sie zu erhöhen. Schließlich kann ih nur wiederholen, das Bild wird nah 3 bis 4 Monaten hoffentlich anders aussehen als jeßt. Möge es gelingen, etwas zu stande zu bringen, was das Volk ertragen Tann; an unserer Miiwirkung foll es nit fehlen.

Preußischer Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: | Meine Herren! Dem Herrn Vorredner sind wir aufrichtig dankbar für die Erklärung, daß er mitarbeiten will, das große Werk tre der Bedenken, die er geäußert hat, zum Abs{luß zu bringen. Er richtete an den Vertreter des Zentrums die Bitte, das Zentrum möte seinerseiis seine Bedenken zurücktreten laffen. möôGte mir erlauben, die gleihe Biite an iha zu richten, daß er auch seincreits die vielfaWen Bedenken zurücktreten lassen möge, die er heute geäußert hat. Ich will auf die einzelnen Punkte nicht eingehen, namentlich nicht auf die Bemängelung der einzelnen Steuern. würde zu weit führen, wenn man, namentlich bei der vorgerüdckten Stunde, auf die Einzelheiten aller Steuerprojekte eingehen würde. Ich will mih nur zu den allgemeinen Fragen äußern, zu denen der Herr Abg. Paaste seinerseits Stellung genommen hat. Im Eingang seiner Ausführungen sagt er, man dürfe die Vershuldung in | Deutschland niht zu ernst nehmen, und wies zur Begründung dafür darauf hin, daß auch die englischen Konsols ftark ge- fallen sind. Meine Herren, das ift ganz richtig; aber ih bitte dabei hinzuzufügen, daß die englishen Konsols eine zweimalige Konvertierung von 3 auf 23 und 2} auf 25 erfahren haben. (Zuruf.) Innerhalb der 10 Jahre sind sie von 23 9/4 auf 2} 9/6 konvertiert worden. Der Herr Reichékanzler hat kürzlih mit Recht auf die Finanzrede des englischen Ministerpräsidenten Aëquith hingewiesen, der hervorhob, daß England seine Staatss{uld im leßten Jahre um 360 Millionen getilgt hat und im laufenden Jahre um 280 Millionen tilgen wird und daß am 1. Aptil nächsten Jahres die englishe Staats\{uld um 10 Millionen geringer sein wird als vor Ausbruh des Burenkrieges. Der französishe Finanzminister Caillaux hat auch mit berehtigtem Stolz hervorgehoben, daß die franzöfishe Schuld seit 1891 nicht zu- sondern abgenommen hat troß der enormen Leistungen, die Frankreich für Heer und Marine gemacht hat. Wenn Sie demgegenüber die Schulbzunahme im Deutschen Reih auf mehr als 4 Milliarden stellen, so, meine ih, fällt die Parallele sehr zu unseren Ungunsten aus und macht es geradezu zu einer gebieterishen Pflicht, in dieser Beziehung Wantel zu schaffen. Eins möchte ih noch hinzufügen: die 2{ 9/0 englishen Papiere stehen jeßt ungefähr fo wie die preußischen und deutschen 3 % Staatspapiere, obaleih es, wie Herr Dr. Paasche ganz mit Recht gesagt hat, kein besseres, {sicherer fundiertes Papier gibt, als die preußishen Konsols. Ih frage: ist ein innerer Grund zu finden für den \ chlechten Kurs der deutshen und preußischen Staatspapiere, is ein Grund vorhanden, daß fle \{chlechter tehen, als die italienishen? Gewiß hat die große Aus-

tin. Städte, die Gas- und Elektrizitätswerke angelegt haben, um- dem

dehnung ter Industrie mit der aufßerordentliGen FJnanspruch-

1908,

nahme des: Kapitalmarktes sehr wesentliGß dazu beigetragen ; aber ih glaube, der Ausgang8spunkt der Denkschrift ift rihtig, daß die ersje und hauptsählichste Ursache die gewesen ist, die ganz übermäßige Inanspruchnahme des Kapitalmarktes infolge der \chlechten Finanz- wirtshaft im Reih und auch in den Einzelstaaten infolge der über- mäßigen Belastung des Anleihemarktes. Herr Paasche sagte dann, man solle nit untersuchen, wer an der {chlech!en Finanzwirischaft die Schuld trüge, die verbündeten Regierungen seien iñ®erster Linie seiner Ansicht nah daran {uld. Wir haben Jahraus Jahrein, kann ih beinahe sagen, Vorlagen gemaht, um die nötigen DeEungsmittel zu beschaffen. Ich glaube, es reiht die Anzahl von Dutenden von Vor- lagen nicht aus, die in den leßten Jahrzehnten-dem Reichstag unter- breitet worden sind, von dem Branntwein- und Tabaksmonopol an bis iu den verschiedenen Anträgen des Herrn von Stengel, und diese Anträge sind entweder ganz hier abgelehnt.oder nur in sehr geringem Maße Fewilligt worden. Also ich glaube, die verbündeten Regierungen trifft nit der Vorwuf, daß sie nicht auch für DeEckungsmittel gesorgt hätten. Aber lafsen Sie das Vergangene vergangen sein, ich freue mich über die Erklärung des Herrn Dr. Paasche, daß er mit uns arbeiten will, um endlih die Reihsfinanzen auf eine feste Grundlage ¡u stellen.

Ich wollte mih einmal zu dem von den Herren Dr. Spahn und Paasche eingehend behandelten Verhältnis der Einzelstaaten zu dem Reich wenden, zweitens zur Vermögensfteuer und drittens zur Be- lastung der großen Massen mit indirekten Steuern.

Was zunächst das Verhältnis der Einzelstaaten zu dem Reich be- trifft, so hat Herr Dr. Spahn zu meinem lebhaften Bedauern ih dafür ausgesprochen, daß die gestundeten Mat1ikularbeiträge auch von den Einzelstaaten dauernd getragen werden sollen. Die Entwicklung der Matrikularbeiträge ift ja eine sehr chwankende gewesen und läßt ih wesentlich in drei Perioden teilen. Als das Reich ins Leben trat, mit unzureihenden finanziellen Mitteln autgestattet, sind die Bundeéstaaten in sehr hohem Maße dur die Matrikularbeiträge in Anspruch genommen worden, die sh bis ¡um Jahre 1882 auf insgesamt 557 Millionen belaufen haben, dann kam die clausula Franckenstein, die in Fürsorge füx die Bundesstaaten ihnen den größeren Teil der Erträge der Zölle und der Tabaksteuer überwtes, den größeren Teil, der über den Betrag von 130 Millionen hinaus8geht. Damals haben die Freunde des Herrn Dr. Spahn mit Recht den Standpunkt vertreten, daß das Reih fürsorgen soll für die Bundesstaaten, aber niht umgekehrt, daß die Bundez- staaten eintreten sollen für die Ausgaben des Reichs, und deswegen bedauere ¿H die Erklärung, daß er jeßt die Bundesg- staaten dauernd mit diesen Beträgen belasten will. Infolge der clausula Frandckenstein änderte fi{ch allmählich das Verhältnis, und bis 1892 übersliegen die Ueberweisungen die Matrikularbeiträge um den Gesamtbetrag von 480 Millionen. Aber wo find die \{önen Zeiten geblieben? (Heiterkeit.) Seit 1899 haben umgekehrt die Ma- trikularbeiträge stets die Ueberweisungssteuern überschritten, und es be- tragen bis jeßt auf diess-Weise für die Bundesstaaten die Matrikular- beiträge mehr wie die Ueberweisungssteuern insgesamt 273 Millionen Mark. Dabei spreche ih noch niht von gestundeten Matrikular- beiträgen, die einschließlich der einmaligen Zulagen für die Beamten vom Jahre 1907 und 1908 fich auf niht weniger als 195 Millionen Mark belaufen. Nun erlauben Sie mir die Frage, wo follen die Bundesstaaten in der Lage sein, diese Mittel ber¡unehmen? Wenn ih speziell von Preußen sprechen darf, so haben wir als gute Finanz- verwalter in den Jahren, wo wir in der Lage waren, 1906 und 1907 die gestundeten Matrikularbeiträge in Rest gestellt (bört! hört! aus

Ich | lih. Infolge der rückläufigen Einnahmen der Eisenbahnverwaltung | wird selbs der Etat eines großen Landes wie Preußen mit einem

| Ich glaube, es | |

der Mitte), aber beispielsweise für 1908 ist das {lechterdings unmög-

sehr erbheblihen Defizit von mindestens 100 Millionen, wahrscheinlich noch mehr Millionen Mark abs{ließen. (Hört, hört! aus der Mitte.) Es ift also s{chlechterdings keine Möglichkeit gegeben, diese Matrifularbeiträge auch etwa für 1908 [aufenden Mitteln zu ents nehmen, es bliebe nihts anderes übrig, als diese gestundeten Matrikular- beiträge von 1908 auf Anleihe zu übernehmen, und ic glaube nit zu viel zu fagen, wenn ih behaupte, daß es dem Geiste der Ver- fassung doch durchaus widerspriht, Matrikularbeiträge den Einzel- staaten in dem Sinne auferlegen zu wollen, daß sie nicht aus ihren laufenden Mitteln dieselben deken, sondern Schulden aufnehmen müssen, um die Verpflihtungen des Reichs zu begleihen. (Sehr rihtig! rechts.) Und was ich von Preußen, dem größten Staate, sage, gilt in ver- stärktem Maße von den mittleren und kleineren Staaten. Sie brauchen nur die Klagen, die jedes Jahr in den Landtagen der einzelnen Staaten ertönen, zu lesen, um zu sehen, in welher Situation sie sh befinden. Sie haben thre direkten Steuern auf das äußerste angespannt ; Einkünfte an werbendem Vermözen, uamentlich aus den Forsten, sind durchaus beschränkt; und fonstige Einkünfte haben sie nicht. Jch frage: woher sollen diese Staaten die 195 Millionen nehmen? Indem das Neich diese bedeutenden Beträge geslundet hat, indem es davon ausging, daß nur 40 auf den Kopf der Bevölkerung zu zahlen seien, hat es doch wenigstens implicits anerkannt, daß die Bundesstaaten niht imstande sind, mehr zu leisten, und ih bitte do, den Gedanken fallen zu laffen, von den Einzelstaaten diese enormen Beträge nachträglih einzuziehen. Jh wüßte nicht, wie die Einzel- staaten fie decken könnten.

Was das Verhältnis des Reichs zu den Einzelstaaten Zukunft betrifft, so hat Herr Dr. Paashe ganz mit Necht darauf hingewiesen, daß größte Sparsamkeit geübt werden müsse, und er hat das jeßige Verhältnis als ein Ein- nahmebewilligungsreht aus fremden Taschen bezeihnet. Sehr rihtig, meine Herren! Das Reich bewilligt die Aus- gaben, und die Einzelstaaten können sie gütigst bezahlen! Wenn es eine unsparsame und unwirtschaftlihe Verwaltung gibt, fo ist es die, bei der der eine die Ausgaben leistet und der andere sie bezahlen muß. Ich möchte den studierenden Sohn sehen, der sparsam lebte, wenn er.

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