1888 / 148 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Jun 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 9. Juni. Se. Majestät der Kaiser und König besichtigten gestern Nachmittag gelegent- lih einer Spazierfahrt das Barackenlager des Lehr-Fnfanterie- Bataillons bei Bornstedt. .

M Vormittag 12 Uhr empfingen Allerhöchstdieselben den General-Adjutanten von Albedyll zum Lortrage.

Der Bundesrath hat in seiner Sißzung vom 17. Mai d. J. beschlossen, daß der Zollsa1z, bis zu welchem die im Bundesrathsbeshlusse vom 11. April 1883 gewährte Erleichterung für die Ermittelung des zollpflihtigen Gewichts oon M eintreten kann, auf 5 pro 100 Kg er- öht wird.

Steigt ein Reisender in einen Personenwagen eines zur Abfahrt dastehenden Eisenbahnzuges ohne gültiges illet und ohne (unaufgeforderte) Meldung beim Schaffner oder Zugführer und verschafft er sich so eine freie Fahrt, so begeht er damit nah einem Urtheil des Reichs8gerichts, II. Strafsenats, vom 13. März d. J., einen Betrug. Diese andlung verliert dadurh niht den Charakter einer betrüg- lihen, daß er dabei im Einvecnehmen mit dem mit der Billetkontrole beauftragten Schaffner handelt. „Nach §. 14, E Z des Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlands vom 11. Mai 1874 hat der Reisende, welcher, ohne ein gültiges Fahrbillet zu besißen, in einen Personen- wagen einsteigt, dem Schaffner oder Zugführer hiervon gleich bei dem Einsteigen unaufgefordert Meldung zu machen. Die Unterlassung der Meldung ist also geeignet, bei dem Zug- führer, welcher den Reisenden sonst nicht besördect hätte, den Jrrthum hervorzurufen, daß der Reisende ein gültiges Billet besitze, und dieser Jrrthum wird erregt durch positives Handeln des Reisenden durch das Einsieigen obne gültiges Billet und ohne Meldung, also durch Unterdrückung wahrer That- sachen. Wenn sich der Angeklagte durch Erregung solchen JIrrthums die freie Fahrt von R. nach L. ohne gültiges Billet verschaffte und auf diese Weise in der Absicht, sich den rechts- widrigen Vermögensvortheil dieser freien A zu verschaffen, das Vermögen des Eisenbahnfiskus beschädigte, so liegt schon hierin der Thatbestand des vollendeten Betruges, sollte auch der den betreffenden Wagen in R. bedienende Schaffner im Einverständniß mit dem Angeklagten gehandelt und so den Betrug desselben unterstügt haben.“

Nah einer allgemeinen Verfügung des Justiz-Ministers vom 31. Mai d. J. kann den nicht ständigen E arbeitern ihre Remuneration ohne Genehmigung des Justiz-Ministers auch für diejenige Zeit fortgezahlt werden, während welcher sie ihre Thätigkeit in Folge einer Erkrankung, eines Urlaubs zur Wiederherstellung der Gesundheit, einer Beurlaubung für Sonntage und allgemeine Feiertage, einer Beurlaubung während der Gerichtsferien oder einer e iehung zu militärischen Dienstleistungen unterbrochen haben, ian durch die Einstellung der Thätigkeit Stellvertretungs- kosten nicht erwachsen sind.

Der Kaiserliche Minister-Refident in Lima, Zemb\ch, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Mit der interimistishen Wahrnehmung der Geschäfte der Kaiser- lichen Mission ist der dortige Konsul Strömsdörfer be- auftragt worden.

Der Königliche Gesandte in Dresden, Wirkliche Ge- heime Rath, Graf von Dönhoff, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während der Abwesen- heit desselben von seinem Posten fungirt der Legations- Sekretär Prinz von Thurn und Taxis als interimistischec Geschäftsträger.

Der Königliche Gesandte in Weimar, von Derenthall- hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten.

Der hiesige japanische Gesandte, Marquis Saronzi, hat ih Luis Regelung gesandtschaftliher Angelegenheiten nah Brüssel begeben. Während der Abwesenheit desselben von Berlin fungirt der zweite Legations-Sekretär Chokichi Kikkawa als interimistisher Geschäftsträger.

Der bisherige Spezial-Kommissar in Elbing, Regie- rungs-Rath H essen, ist der General: Kommission in Münster als außeretatsmäßiges Mitglied überwiesen worden.

Der Kommandant von Berlin, General-Major Graf von Schlief fen, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs, hat mit kurzem Urlaub Berlin verlassen.

Nach Beendigung des Kursus bei der Artillerie- Schießshule haben sih die zur Theilnchme an demselben kommandirt gewesenen Offiziere in ihre resp. Garnisonen zurückbegeben.

Potsdam, 8. Juni. (W. T. B) JFhre Majestät die Kaiserin hat in Begleitung Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria heute Abend 10 Uhr die Reise nah Westpreußen mittelst Extrazuges angetreten.

9, Juni. (W. T. B.) Se. Kaiserliche uad Königliche Hoheit der Kronprinz traf heute Morgen 10 Uhr hier ein und begab Sich al2bald in das Marmor- palais.

__ Dirschau, 9. Juni. Majestät P ist mit Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria und Gefolge heute Morgen 7 Uhr iex eingetroffen und am Bahnhof vom kommandirenden

eneral des 1. Armee-Corps von Kleist, dem Ober-Präsidenten von Ernsthausen, dem Regierungs-Präsidenten von Heppe, dem Eisenbahn-Direktor Wolff, dem Landrath Doehn und dem Bürgermeister Wagner empfangen worden. Jhre Majestät nahm im reihgeschmüdckten Wartesaal ein Gabelfrühstücck ein, zu welchem die zu ihrer Begrüßung erschienenen Herren ein-

eladen wurden. Der Bahnhof war abgesperrt; das außer- alb desselben zahlreih zujammengeströmte Publikum begrüßte hre Majestät mit lebhaftem Enthusiasmus. Um 7 Uhr

5 Minuten erfolgte die Weiterfahrt nah Marienburg.

Marienburg, 9. Juni. (W. T. B.) Jhre Majestät die Kaiserin und Jhre Königliche Hoheit die Prin- zessin Victoria trafen heute früh 7 Uhr 55 Minuten hier ein und machten alsbalck eine Rundfahrt durch die festlich geshmücte Stadt, überall von der zahlreih zusammen-

W. T. B.) Jhre ( ne

eströômten Bevölkerung mit Begeisterung begrüßt. Vor der höheren Töchtershule nahm S Majestät von einer Schülerin einen prähtigen Strauß entgegen; auch im Remter des Schlosses - überreihten Damen mannigfahe Blumen- spenden. Hier begrüßte der Sängerhor des Scullehrer- Seminars Jhre Majestät mit dem Gesange des Liedes „Gott grüße Dich.“ Hierauf fand die Vorstellung der Behörden, des Hülfscomités und der Geistlichkeit, darunter Bischof Thiel aus Frauenburg, und dann eine Besichtigung des Schlosses statt. Um 9 Uhr 15 Minuten fuhr Vis Majestät auf einem reich geschmückten Dampfer nah FJonasdorf weiter.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 8. Juni. (W. T. B.) Der Reichs-Kriegsminister General Freiherr von Bauer und der Marine-Kommandant von Sterneck sind heute nah Pest abgereist, um der Eröffnung der Delegations-

| beizuwohnen. Der Minister-Präsident Graf

sißungen Taaffe begiebt sich morgen dorthin. : j

Wie die „Neue Freie Presse“ erfährt, weist das gemein- same Budget ein Mehrerforderniß von nahezu 5 Millionen auf, wovon 42/16 Millionen auf das Kriegsbudget entfallen: für Anschaffung von Repetirgewehren sind 13 Millionen, für organisatorishe Maßnahmen im Ordinarium, wie im Extra- ordinarium ca. 38/;9 Millionen in Aussicht genommen. Der außerordentlihe Spezialkredit der Kriegsverwaltung beträgt 473//9 Millionen, von denen 16 Millionen unter Verantwort- lichkeit der Regierungen bereits verausgabt sind; 137/19 Mil- lionen werden zu künftiger Verwendung und 176/14 Millionen für den Fall dringender Nothwendigkeit gefordert.

Pest, 8. Juni. W. T. B.) Das Abgeordneten- haus hat heute die Delegations8wahlen vorgenommer.

Die ungarische Delegation hielt heute eine Vor - konferenz ab, in welcher die Konstituirung des Prä - sidiums und der Ausschüsse vorgenommen wurde. 0 Präsidenten wurde Ludwig Tisza und zum Bize- Präsidenten Kardinal Haynald aufgestellt.

Großbritannien und Jrland. (A. C) Jn einer von 3000 Personen besuhten Ver- sammlung von Liberalen verbreitete sich Earl Spencer, der frühere Vize - König von Jrland, gestern in Shef- field über die irishe Frage. Die liberalen Unionisten behandelte er fast wegwersend. Als Partei wagten sie keine Maßregel im Parlament zu N welche dem liberalen

London, 7. Juni.

Programm angehöre, damit der Bestand der Tory Regierung |

nicht in Gefahr geriethe. Bei den nächsten allgemeinen Wahlen werde es heißen „Hie Gladstone, Hie Salisbury“. Das Land wisse jeßt, was es unter der berüchtigten zwanzig- jährigen energishen Regierung Jrlands zu verstehen habe. Den Einwurf, daß er (Lord Spencer) als Vize-König ebenso energisch durhgegriffen habe, wie der Ober-Sekretär Balfour, wies der Redner auf die gewöhnliche Gladstonianische Weise zurück, daß damals dié Verhältnisse ganz anders gelegen hätten. Nachdem das Verfahren der Polizei in Mitchelstown, die Verschärfung der Urtheile bei Berufungen und das Vorgehen der irischen Exekutive gegen die Presse eine scharfe Rüge er- halten hatten, fam Lord Spencer auf Chamberlain's in der „Birmingham Post“ veröffentlichtes Programm zu sprechen. Er glaube nicht, daß die irische Landfrage gelöst werden könne, ohne den Kredit des Reichs in Anspruch zu nehmen. Welche Sicherheit könne beispielsweise der Kreis Mayo leisten, wo die Armendistrikte am Rande des Bankerotts ständen? Vor Allem müsse erst eine verantwortliche Legislatur in Dublin er- richtet werden. Welchen Nußen würde ein Landankaufsplan in den dicht bevölkerten, armen Distrikten haben? Die Frländec würden sich niemals mit Provinzial-Verwaltung zufrieden geben. Nur Homerule könne dauernden Frieden schaffen.

—- (A. C.) Das zwischen der britishen und canadischen Regierung zur Ansiedlung der schottischen K.ein- bauern und Käéthner in Canada getroffene Ab- kommen ist jet veröffentlicht worden. Die britische Regierung leistet einen Beitrag von 10000 Pfd. Sterl., während die canadische jeder von Westschottland auswandernden Familic 160 Acres Landes kostenfrei überläßt. Eine eigens zu den Zweck eingeseßte Behörde überwacht die rihtige Durhführu1g des Kolorisationsplans. :

9, Juni. (W. T. B.) Nach einem Telegramm aus Simla vom 8. d. hat die indische Regierung die Zwe- mäßigkeit einer besonderen Anleibe für Grenzver: theidigungszwecke in Erwägung gezogen, um eine über: groze Beiastung des Ordinariums der Einnahmen zu ver- meiden.

Frankreich. Paris, 7. Juni. (Fr. C.) Der Finanz- aus\huß des Senats berieth gestern über den Nachtrags- kredit von fünf Villionen, welcher für die Betheiligung der verschiedenen Ministerien an der Weltausstellung von 1889 veriangt wird. Die Senatoren Boulangzr, Clamageran und Maze bekämpsten den Antrag, indem sie ausführten, die Ministerien könnten ihre Ausstellunger. sehr wohl in den Gebäuden des Marsfeldes unterbringen, ohne die Kosten durch die Errichtung eigener Povillons zu erhöhen. Diese Meinung wurde mit Stimmengleichheit verworfen. Dann beschäftigte sich der Ausschuß noch mit der Aenderung des Datums des Budgetjahres, welhe von dem Finanz- Minister mit den Gründen vertheidigt wurde, die er shon in der Kammer geltend gemacht hatte. Ein Beschluß über die

rage wird erst am Sonnabend gefaßt werden. Der evisions-Ausshuß der Kammer erwog in seiner ge‘irigen Sißung die Frage, was nun Angesichts der Erklärung der Regierung zu thun sei, gelangte aber zu keiner Ent- scheidung.

Ftalien. Rom, 8. Juni. (W. T. B.) Jn der De- putirtenkammer wurde auf Antrag Mancini’'s bei der Verhandlung über das neue Strafgeseß bei vem Artikel über Abschaffung der Todesstrafe die Tagesordnung genehmigt Die Kammer verwarf fast einstimmig die Protest-Petition. des Episkopats gegen verschiedene Artikel des neuen Strafgeseßes. E

Wie von amtlicher Seite verlautet, wird vie Regierung zu den M UeS großen Manövern keine fremden Missionen zulassen und auch zu den fremden Manövern keinerlei Mission senden.

Spanien. Madrid, 9. Juni. (W. T. B.) Die Königin-Regentin wird heute hierher zurückehren. Die Senatoren und Deputirten werden bei dem Empfang auf d anwesend sein und der Regentin eine Ovation ereiten.

Der Minister des Aeußern erklärte in der Kammer, die Regierung wünsche in Marocco den Status quo aufrecht: erhalten zu sehen.

Griechenland. Athen, 7. Juni. (A. C.) (Telegr. des Bureau Reuter.) Die griehishe Regierung empfing die amtlihe Meldung, daß die türkishen Behörden im Distrikt Elassona, unweit der Grenze, das Standrecht Me haben und diese Maßregel damit rechtfertigen, daß

äuberbanden in der Nachbarschaft ihr Wesen treiben. Die gricchishen Einwohner litten lange dur Einfälle von Räuberbanden, aber es wird sehr gefürchtet, daß das Uebel A die Maßregel eher verschlimmert als verringert werden ürste.

Schweden und Norwegen. Stoccktholm, 6. Juni. Die \hwedisch-dänishe Kommission, welhe mit den Vor- arbeiten für die Herstellung von Geseßen in möglichst gleicher Form, betreffend die Staatsangehörigkeit und das Armen- pflegewesen in Schweden und Dänemark, betraut worden ist, hat nur einige Sigungen gehalten und sih dann bis zum Spätsommer vertagt. Die dänischen Mitglieder der Kommission sind bereits wieder nah Kopenhagen abgereist. Die Genera l- Postverwaltung hat in Veranlassung eines Beschlusses des Reichstages in der leßten Session der Regierung jeßt einen Gesetzentwurf unterbreitet, der das bisher bestehende Postgeseß ergänzen und namentlich dem Postwesen des Staates das aussc{ließlihe Recht zur Beförderung von Briefen und Brief- karten „zwischen dem Jn- und Auslande, zwischen den in- ländischen Orten und in den Städten, in denen die Post- verwaltung eine lokale Briefbestellung unterhält“, sichern soll.

Zufolge eines Beschlusses des Reichstages werden die kleinen Staats-Domänen, die nur bis 200 Kronen Pacht bringen, nach Ablauf der jeweiligen Pachtperiode von der Domänen-Verwaltung freihändig verkauft. Jm Jahre 1887 sind 23 Domänen dieser Art im Taxwerthe von 75 300 Kronen für 117 691 Kronen verkauft worden. Seit dem Jahre 1876, wo die ersten Verkäufe stattfanden, sind im Ganzen 228 sol- her Besißungen im Taxwerthe von 594259 Kronen für 1245119 Kronen veräußert. Eine bedeutende Anzahl derselben is aber noch unverkauft, obwohl die Bedingungen für den Käufer sehr günstig sind: es ist nux 1/; der Kauf- summe jährlih zu bezahlen und Zinsen auf die Restkauf- summen werden nicht berechnet. Auf Beschluß des leßten Reichstages sollen nun au alle Staatsdomänen, die bis 400 Kronen Pacht bringen, freihändig verkauft werden, und soll hiermit noch in diesem Jahre begonnen werden. Die ganze Anzahl der am Schlusse des Jahres 1887 verpachteten Staatsdomänen betrug 3463.

Dänemark. Kopenhagen, 8. Juni. (W. T. B.) Nach- dem anläßlih des am 15. November d. J. stattfindenden Negierungs-Jubiläums des Königs eine Subskription eröffnet worden, um den Majestäten einen Landsiß in Jüt- land zum Geschenk zu machen, hat sich der König an- gesichts der drückenden ökonomischen Verhältnisse und der viel- fahen an die Opferwilligkeil der Bevölkerung gestellten An- sprüche jede Gabe verbeten.

Afrika. Egypten. Alexandria, 8. Juni. (W. T. B.) (Telegramm des „Reuter'shen Bureaus“.) Der Präsident des Ministeriums Nubar Pascha is seines Amtes ent- seyt und Riaz Pascha in das Palais berufen worden.

(Telegramm des „Reuter schen Bureaus“.) Riaz T ascha hat si bereit erklärt, die bisher von Nubar Pascha innegehabten Portefeuilles zu übernehmen, Wie man annimmt, wäre die Absezung Nubar Pascha's wegen dessen a’.lzushroffen Auftretens gegen den Unter-Staats- sekretär des Auswärtigen im Ministerrathe erfolgt.

Kairo, 9. Juni. (W. T. B.) Riaz Pascha hat das Präsidium des Kabinets und das Portefeuillle des Fnnern übernommen. Man glaubt, Mustapha Fehmi würde Minister des Auswärtigen werden und in der Be- sezung der übrigen Ministerposten keine Veränderung - ein- treten.

Zeitungsstimmen.

In dem Bericht der Handelskammer für Aachen und Burtscheid für 1887 lesen wir: :

Danken wir cs doch dem Hochseligen Kaiser, daß der deutsche Name in allen Theilen der Welt geehrt und geachtet ist und daß für Deutschlands Handel und Industrie nicht nur neue und zeitgemäße Ba'nen beschritten worden sind, sondern auch durch die Sicherung des Friedens die Möglichkeit einer gesunden Entwickelung geschaffen wurde! Seiner s\egensreihen Regierung ist es gelungen, einen Herzens8- wunsh des deutschen Volkes zu erfüllen und die deutshe Kolonial- volitik in energischer und thatkräftiger Weise zu eröffnen. Ihm ver- danken wir die großen Errungenschaften unseres Vaterlandes auf dem Gebiete der Sozialpolitik, die geeignet sind, das Wohl und das Glüd der arbeitenden Klassen zu fördern und zu sichern und den sozialen Frieden zu \{chaffen. : L

Was die Sozialpolitik betrifft, so äußert sich der Bericht selbst in seinem allgemeinen Theile, wie folgt:

Die segensreihen Folgen der Kranken- und Unfallversicherung treten immer klarer zu Tage, und die Grundlagen, auf denen sie be- ruhen, erweisen si, troy mancher Fehler in den Cinzelbestimmungen, je länger je mehr als durhaus zweckmäßig. Mögen all diese sozial- politishen Einrichtungen, die Handel und Industrie freilih niht un- bedeutend belasten, der Arbeiterwelt stets recht lebhaft im Bewußtsein bleiben und sie veranlassen, sih durch Treue, Fleiß und Ordnung dieser groß" artigen Errungenschaften unserer Zeit würdig zu erweisen. Das deuts e Volk hat alle Ursahe, dem Hochseligen ersten Kaiser des Reichs und seinem treuen Mitarbeiler, dem Reichskanzler, für die thatkräftige Förderung der dem sozialen Frieden dienenden Einrichtungen ¿U danken, und künftig an dem weiteren Ausbau derselben zum Wohle unseres Vaterlandes mitzuarbeiten, Der hobe Werth der deutschen Sozialpolitik drängt \ich uns um so deutlicher auf, wenn wir einen Blick auf die sozialen Zustände anderer Länder werfen und sehen, wohin der Mangel entsprechendec Fürsorge z. B. in Belgien, Amerika und England führt.

Die „Elberfelder Zeitung“ schreibt:

Von dem Grundsay „Billig und shlecht“ scheint die deutsche Industrie in ihren besseren Elementen ih gründlich abwenden 1 wollen. Und dies mit vollem Reht. Denn eine verständige und E sihtige Konkurrenz kann in der That ihre Aufçabe nicht M kennen, dem Gegner durch eine gewisse Aufdringlichkeit einen Af sprung abzagewinnen, sondern ihn durch bessere Qualität der S langsam aber sicher zum Rückzuge zu zwingen. Einige sensationt i Creignisse der jüngsten Zeit haben die Gediegenheit aicht deutshen Arbeit und der deutschen Marke in das hellste “her gestellt. Wir erinnern zu wiederholten Malen an die Sheffie uf Rasirmesser, die mit der Bezeichnung : „In Hamburg gesliffen ind den englishen Markt gebracht wurden und ohne diese Bezeien 9 dortselbst keinen Absag finden konnten, an die Bemühungen des

mehr den Ruf größerer Vollkommenheit besiße

zösishen Handels-Ministers Lockrcy, den französishen Markt vor deutshen Provenienzen zu verschließen, indem er die Bezeichnung der- selben als französishe Waare dur drakonishe Maßregeln zu ahnden

versuhte mittels eines Geseßes, das vor zehn Jahren in Frankreich

einfach zu den Unmöglichkeiten gehört hätte.

Derartige Symptome lieferten den glänzendsten Beweis für die Berechtigung des E daß nur der Sieg über den inneren Werth des Fabrikats die Herrschaft und den Genuß der gemachten Eroberung dauernd zu verbürgen vermöge. Bereits in dem Bericht der Handels- und Gewerbekammer von Chemniß für das Jahr 1886 war hervorgehoben worden, das Mittel, durch welches sich die deutschen Fabrikate allem Wettbewerbe zum Troß einen dauernden und überlegenen Play auf dem Weltmarkt sichern werden, bestehe nit darin, zu der Her- vorbringung minderwerthiger Waaren seine Zuflucht zu nehmen, sondern mit allen Kräften darnach zu streben, immer bessere, edlere und \chönere Qualitäten zu erzielen, damit die ausländische Industrie nicht dieser Ruf vielmehr in erster Linie der heimishen Produktion gebühre. Bereits erschallen vom Auslande aus immer lauter die Stimmen, welhe die Ver- breitungsfähigkeit der deutshen Erzeugnisse auf die größere Güte der- selben zurückzuführen gezwungen sind. Nach dieser Richtung sind die Hebel einzuseßen, welche einen immer größeren Aufschwung bewirken und dazu führen werden, daß die Superiorität deutshen gewerblichen Fleißes aller Welt vor Augen gebracht werde.

Während nun de: Chemnitzer Bericht im Interesse der Supe- riorität des deut)chen Handels die Aufmerksamkeit der Fabrikanten auf die Hebung der Qualität der deutschen Waaren lenkt, beschäftigt si der diesjährige Handelskammerberiht für Aachen und Burtscheid mit der Frage des nationalen Handels in der Weise, daß er auf jenen Appell zurückkommt, der Ende 1887 an die deutschen Fabrikanten ergangen is : „Deutsche Waaren deutsche Marken , heißt es dort, das ist der Grundsaß, der in der deutschen Geschäfts- welt noch immer nit zur allgemeinen Geltung gelangt ist. Allzu häufig noch bezeihnen deutshe Fabrikanten ihre Waaren mit außer- deutshen Fabrikationsorten, Marken und Firmen, geben ihnen eine fremdsprahige Aufmachung und vertreiben sie nach ausländischem Maß und Gewicht, ohne dur einen angemessenen Zusaß die deutsche Her- funft der deutschen Waare kenntlih zu machen.“ Der Bericht unter- sucht den Ursprung dieser Unsitte, der noch eben aus jenen Zeiten stamme, wo es nothwendig war, die Gediegenheit und Preiswürdigkeit der Waare auf das Konto desjenigen Landes zu schreiben, dessen Sprache, Fabrikationsorte und Namen der Konsument auf der Waare finde. Anstatt den Ruf der deutschen Produktion zu mehren, arbeite man also den Konkurrenznationen in die Hände und die Früchte der mühe- vollen und eifrigen Arbeit der deutschen Geschäftswelt ernten \chließlich diejenigen, die an der Beseitigung der deutschen Konkurcenz das dringendste Interesse haben, ein Vorgehen, das weder patriotisch noch klug genannt werden fann. Noch beklagenswerther sei es aber, wenn sich deutsche Fabrikanten dazu hergeben, in Deutschland selbst ihre Waaren unter fremdländisher Bezeichnung zu verkaufen That- \ählih werden ja allerdings gewisse deutshe Produkte erst auf dem Umwege über das Ausland als nicht deutsches Fabrikat in Deutsch- land vertrieben. Ein zielbewußtes Vorgehen werde auf diesem Ge- biet leiht Wandel hafen; deutshe Moden seien {hon durch die s mit Erfolg eingeführt und deutsche Möbel haben den

eschmack des Publikums für das Fremdländishe {hon verdrängt. Wenn die Fabrikanten fest zusammenhalten, werden eben auch auf anderen Gebieten die deutschen Waaren niht mehr nöthig haben,. sich hinter dem erborgten Flitter des Auslandes zu verbergen.

Indem wir auf diese Enunziationen zurückkommen, wollen wir nicht verab/äumen, daran zu gemahnen, daß es eben die Wirkungen unserer „praktischen“, unserer „nationalen“ Wirthschaftspolik sind, welche derlci Symptome hervorgebracht haben, während nach den Grundsäyen des „laisser faire“, des Freihandels, es als widersinnig erscheine würde, wenn man dem Einzelnen zumuthen wollte, er solle sein Privatinteresse auch) nur vorübergehend in den Dienst der Allge- meinheit stellen. Der Schutz der heimischen Arbeit und der heimischen Produktion matt sich gerade nah der von uns hier ge\cilderten Richtung bereits in der allerwohlthätigsten, die kühnsten Erwartungen über- steigenden Weise geltend.

Jn einem Artikel „Zur Lage des englishen und deutshen Eisenmarkts“ bemerkt die „Rheinisch - West- fälishe Zeitung“:

Einen äußerst wohlthuenden Gegensaß zu der Lage der beiden großen englishen Märkte bildet die Statijtik dec west- und südwest- deutschen Roheisenerzeugung, ‘welche stark 6/7 der gesammten deutschen Produ?tion ausmacht.

Erfreulich ist zunächst, daß wir eine Aufstellung der Vorräthe entbehren köanen, weil dieselben durchschnittlih kaum eine, vorüber- gehen höchstens zwei Monatsherstellungen betragen werden, bei unseren Ausführungen also. gar niht in Frage kommen. Im Einzelnen zeigt sich, daß die Herstellung von 1886 auf 1887 wieder zugenommen und die von 1885 ganz wesentli überschritten hat, wobei gleichzeitig noch die Vorräthe sih verringert haben. Die Steigerung im Minette- revier war stärker wie im Nordwesten, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß legterer im Jahre 1886 auch weitaus niht den scharfen Rüdgang hatte wie jenes, verglichen mit dem Jahre 1885. So hat denn das Minetterevier gegen 1885 nur einen kleinen Vorsprung in 1887, während der Nordwesten nahezu 200 000 t Steigerung auf- weist. Besonders interessant ist die stetige Entwickelung des Roh- eisens für Fluß-(Eisen- oder Stahl-)Betrieb; im Jahre 1883 noch war das Roheisen für Puddelbetrieb nahezu doppelt so stark im Quantum wie jenes im Jahre 1886. Nach einem Rückgang des leßteren in der Herstellungsmenge waren beide schon fast gieih, um zum Jahre 1887 bei eintretender Besserung des Geschäfts beide fast gleihmäßig zu steigen. Immerhin hat das Quantum von Puddelcisen die Höhe der Jahre 1883 —85 nicht wieder erreicht und dürfte vom Flußmaterial bald überholt werden. Die einzelnen Sorten des Roheisens für Flußbetrieb betreffend, bält sich die Dar- stellung von Spiegeleisen ziemli auf gleiher Höhe. Leider wird die Erzeugung seit einiger Zeit in der Statistik niht mehr getrennt auf- geführt und muß dieselbe aus dem Puddelroheisen \{äßungs- weise herausgeschält werden. Weitaus am meisten Beachtung bietet beim Flußeisen tas Verhältniß von Bessemer- und Thomas- eisen; die Erzeugung von Bessemereisen geht seit 1884 langsam zurück, im leßten Jahre unter dem Einfluß eines im allgemeinen besseren Geschäftsgangs „sogar fast gar nicht, während die Erzeugung von Thomaseisen {nell zunimmt. Im Jahre 1883 noch wird fast 1èmal soviel Bessemereisen wie Thomasei)en gemacht, im Jahre 1887 stark doppelt soviel Thomaseisen wie Bessemereisen. Die Erzeugun von ersterem hat sich von 1883—87 verdreifacht und beträgt jetzt hon fast # von der des Puddeleisens. Dabei ist die Vermehrung eine stetige und wird auch durch den Nückgang in der Gesammterzeugung im Jahre 1586 nicht aufgehalten, man sicht also deutlich hier die Wirkung, einmal des vermehrten Ueberganges zum Flußmaterial und dann, daß seit Jahren diese Vermehrung aus Gründen der Qualität nur dem basishen Material zugute kommt. Diese Bewegung wird auch weiter gehen und ist daraus klar zu erschen,, wie nöthig es ist, der Roheisenindustrie des Nordwestens zunächst durh Ermäßigung der Frachten und dann durch \ch{leunigste Kanalisation der Mosel die großen Mengen von Minette zuzuführen, welche die- selbe haben muß, wenn sie weiter Thomasroheisen herstellen soll. Das Thomasverfahren bietet dec deutshen Roheisenindustrie den un- geheuern Vortheil, daß dadurch die ausländischen, speziell spanischen

rze, welche zur Darstellung von Bessemereisen in den nöthigen è engen unbedingt eingeführt werden mußten, wieder entbehrlih wer- e Hn wir nicht ebenso wie England mehr und * mehr von aus- Endischem Rohmaterial abhängig werden. Die augenblicklice Se von Eisenerz nah England geht troß der Winterzeit in O von 4 Millionen Tonnen im Jahre, daraus entfallen, bei R hohen Gehalt der eingeführten Erze, über 2 Millionen Tonnen oheisen, das sind volle 30%/e, der heutigen, englishen Erzeugung. ollten die Sparier cs si einfallen lassen, den längst geplanten usfuhrzoll auf Eisenerz einzuführen, so würde davon die englische

Roheisenerzeugung unweigerlich \chwer getroffen werden. Wir in Deutschland find, dank dem Thomasverfahren, mit einer Ausgabe von lumpigen 20 Millionen Mark in der Lage, uns eines der größten Erzreviere der Welt, auf Zollvereinsboden, aufzushließen und damit den lohnenden, siheren Bezug von künftig Millionen von Tonnen Eisenstein zu sihern. Daß dann die Grundlagen unserer Eisen- erzeugung natürlihere und sicherere sein werden, als die der eng- lishen, dürfte aus den ganzen obigen Ausführungen wohl deutlich hervorgehen.

Bemerkenswerth in der deutschen Roheisenstatistik ist endlih noch der stetige Zuwachs in der Herstellung von Gießereiroheisen, mit der einzigen MterlveGung in dem \{chlechten Jahr 1886. Es zeigt dies im Verein mit der ebenfalls sinkenden Roheiseneinfuhr, daß wir au in diesen Sorten von England immer mehr unabhängig werden. Wenn wir zum Schluß noch flüchtig die Entwi@elung der deutschen Ausfuhr in den leyten Jahren überblicken wollen, so ergiebt die Statistik Folgendes :

Die Gesammtausfuhr ist in den leßten Jahren ebenfalls steigend gewesen, jedoch, besonders im Jahre 1887, bei Weitem nicht in dem Maße wie in England. Es liegt dies einmal daran, daß die bis 1886 steigende Ausfuhr von Roheisen im Jahre 1887 etwas zurück- gegangen ist, einmal weil der Bedarf im Inlande ein viel stärkerer wurde, dann aber wegen der russishen Zollmaßregeln. Man sieht, daß die Ausfuhr im leßten Quartal noch stärker zurückbleibt und danach nur 240000 t pro anno ergeben haben würde. Aber auch in einer anderen Reihe von Artikeln fällt das vierte Quartal gegen die drei ersten ab und s{chwächt dadur das Gesammtergebniß des Jahres. So besonders in dem Artikel Draht und Stiften, in welhem die Höhe von fast 300 000 t erreiht worden wäre, wenn das Tempo der ersten drei Quartale Hätte eingehalten werden können ; der Grund liegt in einem gewissen Nachlassen der Versendungen nah den Vereinigten Staaten. Derartige Shwankungen treten im Geschäft nah dort aber stets auf. Im Ganzen kann man mit der Entwickelung der Ausfuhr der Dratl;branhe wohl zufrieden sein. Auch in Stabeisen, Façoneisen und verwandtem Material ift besonders bei ersterem das vierte Quartal etwas s{chwächer gewesen. Glücklicherweise hat vermehrte Ausfuhr der anderen Artikel dieser Gruppe den Fehlbetrag wieder ausgeglihen. Die ganze Ent- widelung der Stabeisenausfuhr der leßten Jahre ist eine hoh- erfreulihe, das Quantum hat ebenso, wie der Draht schon früher, das Eisenbahnmaterial überflügelt. Bei dem jeßt be- stehenden festen Verhältnisse für as Stabeisengeshäft im Inlande, mit wesentlich besseren Preisen hier, wird es besonders Sache der Werke mit eigenen Gruben und Hochöfen sein, die Ausfuhr weiter zu pflegen, damit das gegen England und Belgien eroberte Absay- gebiet niht wieder verloren geht. Die Ausfuhr von Eisenbahn- naterial hat si, speziell im vierten Quartal, etwas besser gestellt, wie in den drei ersien, und dazu beigetragen, den sonstigen Rückgang im vierten Quartal auszugleihen. Nach durhgeführter Kanalisation der Mosel werden auch darin die deutschen Werke eher in den Stand gesegt fein, den Engländern die Stange zu halten. Auch im Halbfabrikat bietet das Jahr 1887 einen Fortschritt, besonders das leßte Quartal, aber doch bei Weitem nit die Entwickelung, wie in England in den leßten Jahren. Der Wettbewerb ist eben in dem Hauptartikel, den Rohbstahlblöcken, bis jeßt darin zu {wer zu halten. Erfreulich is die Entwickelung der Ausfuhr in Blechen, besonders im leßten Quartal. Es dürfte dies mit der Steigerung der Preise für Stahlblech in England zusammenhängen, durch die stark vermehrte Thätigkeit im Schiffbau. Au die groben und feinen Eisenwaaren, sowie Röhren und Diverse weisen im vierten Quartal speziell eine s{öne Steigerun auf, so daß dieses doch dem Jahres- durhschnitt gleihkommt, während man im Herbst sich allerdings cin noh besseres Ergebniß versprechen durfte.

Etwas haben auf diese Verhältnisse die vielfah geschlossenen Verbände zur Erzielung besserer Preise im Inlande jedenfalls mit- gewirkt, man darf aber den Eiscnwerken diese immec noch bescheidenen Preise recht wohl gönnen. Die Aufmerksamkeit auf die Ausfuhr sollte dabei jedoch nit verloren gehen. Nach Herstellung der nöthigen Wasserstraßen, des Emskanals, dessen Verbindung nah dem Rhein, der Kanalisation der Mosel, Lahn und Ruhr, wird in Zukuvft eine ganz ungeahnte Ausdehnung der Ausfuhr noch mögli sein, die einen neuen Aufshwung der Eisenindustrie heroorrufen würde und damit eine vermehrte Quelle des Woh!standes fir das ganze westlihe und \üdwestliche Deutschland.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 23. Inhalt; oll- und Steuerwesen: Bestimmungen des Bundesraths über die öhe der für Abläuse dec Zuckerfabrikation festgeseßten Verbrauchs- abgabe. Abänderung der Bestiinmungen über die Ermittelung des zollpflichtigen Gewichts von Massengütern. Bestellung eines Reichs- Bevollmächtigten ; desgl. eines Stations-Controleurs. Abberufung eines Stations-Controleurs. Statistik: Herausgabe eines neuen statistischen Waarenverzeichnisses und Verzeichnisses der Massengüter. Kolonialwese«: Ermächtigung zur Vornahme von Civilstands-Akten im deutshen Shußgebiet der Neu-Guinea-Compagnie. Konsulat- wesen: Ernennungen. -— Ermächtigungen zur Vornahme von Civil- stands-Akten. Todesfall. Polizeiwesen: Ausweisung von Aus- ländern aus dem Reichsgebiet. Anhang. Militärwesen: Verzeich- niß der zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigten höheren Lehranstalten; desgl. der provisorisch berechtigten Anstalten. _ Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 224. Inhalt: Nichtamtliches: Abfluß- und Verdunfstungsverhältnisse der nord- deutschcn Ströme. -— Radreifenbrühe auf den deutshen Eisen- bahnen. Die Integralcurve und die Integraphen. Vermischtes : e um Erbauung eines neuen Realgymnasiums in Mann- heim. Preisbewerbung für den Neubau einer evangelishen Kirche in Köln a. Rÿ. Tragfähigkeit von Hanftauena. Eisenbahnbauten in Chili. Bücherschau.

Nr. 23. Inhalt: Amtliches: Personalnachrichten. Nicht- amtliches: Zur Berliner Dombaufrage. Zur Beanspruchung der eisernen Träger im Hochbau. Die Preisbewerbung zur Wiederherstellung des Bremer Domes. —- Neuere Mittheilungen über das Gefrierverfahren von Poetsh. Vermischtes: Bekanntmahung vom 30. Mai 1888, R {von Rohren durch Kupferniedershlag. Frage der zu- lässigen Beanspruhung und der Elastizitätsgrenze des Eisens und Stahles. Königliche Technische Hochschule in Hannover. Messung des Widerstandes von Eisenbahnzügen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

__Acta Nationis Germanicae Universitatis Bono- niensis ex archetypis tabularii Malvezziani iussu instituti Ger- manici Savignyani ediderunt Ernestus Friedlaender et Carolus Malagola. Cum quinque tabulis. Berolini typis et impensis Georgii Reimeri MDCCCLXXXVII, XXXIX et 504 pagg. in 49 maj, Am 12. Juni feiert die Universität zu Bologna das 8. Säculum ihres Bestehens. Es erscheint am Plaß, bei diesem Anlay einer Arb-it zu gedenken, welche uns Deutschen die Wichtigkeit dieser Universität für unsere nationale Bildung in lebendige Erinnerung ruft, wir meinen die jüngst ershienenen Dokumente der

Deutschen Nation“, d. h. der zu Bologna studirenden deutschen Rechts\{olaren.

Die Bedeutung der BolognesisGen Rehtsshule hat ihr zu allen U das Interesse der gebildeten Welt zugewendet. Es ist das erdienst Savigny's, Alles, was diese Juristen-Universität angeht, ge- sammelt und in der Darstellung vereinigt zu haben, welche den an- ziehendsten Bestandtheil seiner „Geschichte des römishen Rechts im Mittelalter“ ausmaht. Mit dem Resultat der Savigny’ schen For- hung schien das Wissen über Bologna seinen Abschluß erreicht zu haben, bis in den legten Dezennien, angeregt durch die historische Be- handlung unseres vaterländishen Rechts, der Gegenstand wieder in den Vordergrund gerückt und in den Schrifster, von Stinzing, Stobbe,

Muther, Stölzel, Luschin von Ebengreuth und noch jüngst von Heinrich Denifle erneuter Forshung unterzogen wurde. Durch eine merkwürdige Entdeckung sind wir dann vor Kurzem dem Ziele sehr nahe gekommen. Im Jahre 1878 ließ der Direktor des Staatsarhivs zu Bologna, Carlo Malagola,- sein Buch über den im 15. Jahrhundert an der dortigen Hochschule blühenden Humanisten Urceo erscheinen, in welchem er Auszüge aus der alten Universitätsmatrikel der Landsmannschaft der Deutschen in Bologna mittheilte. Diese Thatsache erregte in der gelehrten Welt billig Aufsehen, denn jenes Dokument galt für ver- loren. Als im Juni des Jahres 1796 die Truppen Bonaparte's Bologna besetzten, wurden die städtishen Behörden durch die fran- zôsishe Herrschaft suspendirt und die Universität geschlossen; die „Deutsche Nation* zerstreute sh wie die übrigen, ihre Akten traf das gleihe Schicksal. Malagola hatte sie im Archiv der Grafen Malvezzi de’ Medici zu Bologna vorgefunden, wo sie seit 1825 ver- steckt gelegen. Graf Giuseppe Maria Malvezzi, ein großer Liebhaber und Sammler von Büchern und alten Handschriften, entdeckte damals den Schay auf öffentliher Straße und brachte ihn an sich. Die Akta bilden noch heute den werthvollsten Bestandtheil der an seltenen Drucken und Codices reichen gräflihen Bibliothek.

Von deutscher Seite erkannte zuerst Carl Georg Bruns den Werth der so unerwartet ans Licht gekommenen aen Denk- male und wies auf den Nuygen threr Veröffentlihung hin. Im Jahre 1880 war er zweimal in Bologna, um an Ort und Stelle den Hund zu rekognosziren. Seine an die Berliner Sektion der Savigny- Stiftung erstatteten Berichte über den Inhalt der Akta hatten den Er- folg, daß sih die Stiftung zu einer Publikation derselben in dem von Bruns kezeihneten Umfange entshloß. Der große Romanist wäre am meisten dazu berufen gewesen, die Herausgabe in die Hand zu nehmen; sein Tod (er starb am 10, Dezember 1880) vereitelte einen solhen Plan. Die akademische Kommission der Savigny-Stiftung be- traute nun mit dieser Arbeit den Geheimen Staats8archivar und Archiv- Rath Dr. jur. Friedlaender in Berlin. Carlo Malagola nahm in Bologna die erforderlichen Abschriften von den Originalien und stellte sie dem Herausgeber zu. In der Folge hatte der gegenwärtige Eigen- thümer der Bolognesishen Universitätspapiere, Graf Johann Malvezzi de’ Medici, die Güte, den ganzen umfänglichen Manuskriptenbestand behufs Kollationirung und zur weiteren *Be- außung bei der Drudcklegung an das Berliner Geheime Staatsarchiv zu übersenden eine Liberalität, die wir nit unterlassen wollen, an dieser Stelle zu rühmen. Die Arbeit konnte nun bestens gefördert werden. Die beträhtlihen Kosten der Herausgabe bis zur Fertig- stellung des Manuskripts für den Druck hatte die Savigny-Stiftung auf sich genommen. Da aber deren Mittel niht ausreihten, trat, auf den Vortrag der Staats-Minister Dr. Friedberg und von Goßler, der Fürst Reichskanzler bei Sr. Majeslät dem Hochseligen Kaiser für die Sache ein und erlangte die Genehmigung des erforderlichen Zuschusses aus Reichsmitteln.

Ueber den Bestand der im Malvezzi'shen Archiv befindlichen Dokumente der deutschen Landsmannschaft, über deren Beschaffenheit und Inhalt mat die Vorrede des Herausgebers ausführlihe Mit- theilungen. Zum Abdruck gelangt ist nur der für die Pertode der Rezeption des römischen Rechts in Dcutschland wichtige älteste Theil der annalistishen Aufzeihnungen, fowie die Schriftstücke, welche die Korporation als solche, ihre Rechte, ihre Verfassung und ihr Ver- mögen betreffen. Die Publikation umfaßt demnach 1} die ältesten vorhandenen Statuten der „Natio Germanica“ vom Jahre 1497; 2) ihre Privilegien, von dem Originaldiplom Kaiser Karl’'s V. (datirt den 25. Februar 1530) bis zum Privileg Clemens’ XII. vom 2. August 1737; 3) die „Annalen“ von 1289—1562, welchen zugleich die Matrikel der deutshen Scolaren einverleibt ist, und 4) 96, meist notarielle Urkunden über Verfassung und Finanzen der Land8mannschaft, aus den Jahren 1265—1543, die „Instrumenta“. Den größten Werth für die Wissenschaft haben die Annalen. Es hat mit diefen folgende Bewandtniß. An. der Spite der einzelnen Bolognesisden Scholaren- verbindungen standen jährlich von ihnen selbst gewählte Vertreter (Consîliarii), welche zusammen den Senat des Rektors bildeten und mit ihm gewisse Geschäfte erledigten. Die „Deutsche Nation“ hatte deren zwei, Procuratores genannt, und mit größerer Befugniß aus- gestattet als die Consiliarii der anderen Genossenschaften: sie übten mit Ausschluß des Rektors, dem sonst die oberste Jurisdiktion zustand, und der städtishen Behörden die Gerichtsbarkeit über die Mitglieder der Nation. Sie verwalteten zugleih ihr Vermögen und besorgten die Einzeichnung neu hinzutretender Scholaren in die Matrikel, sowie die Einziehung des Einschreibegeldes. In der Hauptsache Rechnungs- legungen über Einnahme und Ausgabe, enthalten also jene Jahres- aufzeihnungea in ihrer Zusammenfassung do zuglei ein sorgfältiges Verzeichniß aller deutshen Rehtöhörer an der Universität Bologna, und zwar unter Beiseßung von Stand und Heimath eines jeden. Sie erschlicßen hierdurch der Forshung nach dem Umfange der Rezeption des rômishen Rechts in Deutschland zu dieser oder jener Zeit ein neues und ergiebiges Feld; denn da jene Scolaren oft Männer in reiferer Jahren und meist in Amt und Würden stehende Geistliche, also in ihrer Heimath seßhaft waren, so können wir nun vermöge jener matrikularen Aufzeihnungen verfolgen, wann und wohin ein jeder derselben die in Bologna geshöpfte römisch-rehtlihe Bildung verpflanzte. Die Gelehrtengeshihte im Allgemeinen geroinnt gleich- falls aus diesen Angaben.

Außer der Rechnungslegung enthalten die Annalen unter den ein- zelnen Jahren Einträge, welche eine fortlaufende Chronik der merk- würdigen Vorgänge im Leben der Korporation darstellen und daher ein allgemeineres Interesse haben; wie andererseits auch die einzelnen Ausgabeposten dur die Benennung der Gelegenheit, welche sie ver- n und des Gegenstandes, wofür sie geleistet wurden, als kultur- geshitlich interessante Daten fungiren. Wenn wir noch beispiels- weise daran erinnern, daß diese Jahrbücher nah ihrer geschilderten Beschaffenheit auch die Geschichte der alten Adelsgesclechter, die Topographie und den Wortshaß der mittelalterlihen Latinität be- n so glauben wir ihren Werth genügend ins Licht gestellt zu haken.

Die Herausgabe der „Akfta“ hat nah den in den „Monumenta Germaniae“ befolgten Grundsäßen stattgefunden. Der oft verderbte Text bot Schwierigkeiten; nicht die kleinsten stellten sich der Verifi- kation der Namen entgegen. Auf ihre Üeberwindung hat der Heraus- geber viel Mühe gewendet, und der Text mit dem hermeneutischen Apparat, wie der dem Buche beigegebene sehr umfangreihe Index, welcher nah bewährter Methode Personen- und Ortsnamen vereinigt, legen Zeugniß ab von dem Fleiß und dem Geshick, womit er seine Aufgabe gelöst hat. Der Index der Namen ist für jeden Leser der

| „Akta“ ganz unentbehrlich und erweist seine Nußbarkeit namentli

da, wo die alte Schreibung der Namen von der heutigen erhcbli

abweiczt. Mittelst dieses Index läßt sich ohne Schwierigkeit d Topographie der Beschikung von Bologna aufstellen, welhe wichtige R Aa auf den Bildungszustand der einzelnen deutschen Gauen l ias eit gestattet, Zu loben ist die Reichhaltigkeit der Be!eg- ellen.

Wo der Text verbessert werden mußte, ist das in den Noten an- gegeben daselbst findet man au die Varianten der in der Vorrede au geführten Parallelhandschriften und texterklärende Bemerkungen. Der „Index rerum et. verborum rariorum“ am Schlusse, gleihfalls vom Herausgeber zusammengestellt, ist, in Vertretung des SaHrealstèrs, cine willkommene Zugabe.

__ Von der Beigabe biographischer Daten zu den einzelnen Namen, wie sie ursprünglich im Plan des Herausgebers lag, mußte abgestanden werden, weil diese Arbeit Dézennien erfordert haben würde, sollte sie von Einem gemaht werden. Es bestcht aber die Absiht, das Werk den berufensten Gelehrten des Fahs zur Kommentirung nach dieser Seire hin zugehen zu lassen und aus den so gewonnenen Materialien einer Supplementband zusamtnenzustellen —- ein Gedanke, welchem wir, bei der im Obigen dargelegten Wichtigkeit der Publikation, die dli vit Verwirklichung wünschen.

Außer der erwähnten Vortrcde des Herausgebers ist dem Werke noch eine zweite, von Carlo Malagola, beigegeben, welche, auf Grund- lage der Annalen und untec Heranziehung weiterer Quellen, über die Solarenverbindungen ¿u Bologna im Allgemeinen, über die Ver-

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