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RNeichs- und Staatsanzeiger Nr. 243 vom 17. Oktober 1931. S.
Jn der weiteren Aussprache nimmt zunächst
Abg. Ripvel (Chr. Soz.) das Wort. Er erklärt, die grenzenlose Not sei der beste Schritimacher der radikalen Flügel- Es, Auch wir, so betont er weiter, verlangen, daß Klarheit,
tahrheit und Reinheit wieder in die Welt einziehen. Es sind Hoffnungen erweckt worden, die auch die radikalen Parteien nie- mals erfüllen können. Jchch glaube, es ist gut, wenn wir eine Ver-
andlungs- und Aussprachebasis finden, wie sie Herr Hit!ler in einem offenen Brief an den Reichsiíanzler gefunden hat. (Zwischen- rufe bei den Nationalsozialisten.) Der Redner verliest unter an- dauernder Unruhe des Hauses verschiedene Stellen aus dem Briefe Hitlers. Jch habe aus keiner Rede des Herrn Dr. Gocbbels den Eindruck gewonnen, daß er diese Plattform gefunden hat. Er hat versucht, einen Boykott anzukündigen. . Ob die Na:ianalsozialisten durch die Notverordnungen Auftrieb bekommen haben, weiß ih nicht, aber ih freue mich, daß Dr. Oberfohren erklärt hat, daß die Zeiten der parlamentarischen Klopffechterei vorbei sind. Es ist die Zeit gekommen, wo wir Klarheit und Wahrheit verlangen müssen von denen, die die Regierung für sih fordern. Hier gibt's kein Mundspiten, hier muß gepfiffen werden. Der Reichskanzler hat in seiner Rede bestätigt, daß ie biëherigen Maßnahmen der Regierung dazu gedient haben, die Selbstkosten der Wirtshaft zu verringern, die Ausgaben der öffentlichen Hand herabzuseßen. Die Rede des Abg. Dingeldey begann mit der Notwendigkeit der Senkung der Löhne und endete mit der Notwendigkeit der Senkung der Löhne und der Lösung der Zwangsbewirtschaftung der Arbeit durch Auflockerung der Tarife. Jch habe leidex weder bei Dr. Dingeldey noch bei Dr. Oberfohren eine klare Stellungnahme gehört, iiwieweit sie auf die Zwang®bewirtschaftung der Wirt- schaft und der Produktion durch die Kartelle, Syndikate und die Konzernpolitik der Groß- und Schwerindustrie ihren SUNn aus- üben wollen. Die wirtschaftlichen Fragen müssen dur eine lücken- lose Arbeitsgemeinschaft in Ordnung gebraht werdeu. Wir machen eine Politik, die die Schwachen Yerancieht und die Starken laufen läßt, niht mit. Wir stimmen Dr. Oberfohren zu, wenn er jagt: „Sozialreaktionär ist, wer Erfüllungspolitik aus Grund- sat treibt.“ Gerade bei dem Reichskanzler trifft das nicht zu. Wir lehnen es ab, in ein Reparationsfaß ohne Boden zu opfern und die Steuern des Volkes ebenfalls in ein solches {Faß ohne Boden für Verwaltungskosten verschwinden zu lassen. Das Volk bricht unter der Last der Steuern zusammen. Wir müssen das Nebenecinander-, Uebereinander- und Gegeneinanderregieren in Reich, Staat und Gemeinden abbauen. Der Sparkommissar muß beschleunigt die Verhältnisse von 1913 wieder herbeiführen. Der Redner beschäftigt sich mit den hohen Gehältern in der Privat- wirtschaft. An die Nationalfozialisten rihtet er folgende Fragen: 1. Jst zwischen Hitler und der deutshen Wirtschaftsführung ver- einbart worden, daß die Nationalsozialisten sich gegen die Gewerk- shaften und die Tarifverträge einsepen? 2, Hat die National- u iiGe Partei die Absicht, gemeinsam mit Herrn Hugenberg ie Sozialversicherung der Arbeiterschaft zu zerschlagen und in eine unklare Sparkasse umzuwandeln? 83, Sind Sie entschlossen, die Höchstgehälter und Höchstpensionen zu beseitigen? Wir fordern eine Front der staatsbejahenden Arbeitsgemeinschaft.
Abg. Dr. Neubauer (Komm.): Reichskanzler Brünin der bei seinem Antritt als Führer des Febinett bér Feonisotdaten begrüßt wurde, steht heute vor dem Bankrott seiner Jnnen- und Außenpolitik. Die Regierung konnte nicht einen Schritt tun ohne das Einvernehmen mit den französishen Fmperialisten. Se Frontsoldat Brüning mußte den Kanossagang nah Paris antreten. Der Einzug Lavals war das Symbol der Eroberung Deutschlands durch den französischen {Fmperialismus. Deutschland ist heute ein Glied in dem Kontinentalblock der reaktionäcen kapitalistischen Welt gegen Sowjetrußland. Auch eine Rechtsregierung wird keine andere Außenpolitik führen können, Nach vier Wochen national- sozialistisher Regierung werden die Massen ihnen den Rücken kehren. Der Weltkapitalismus denkt nicht daran, ihnen zu helfen. Der Redner entivickelt dann das Programn der kommunistischen Außen- und Wirtschaftspolitik und rihtet einen Appell zux Soli- davität an die französishe Arbeiterschaft. (Lebhafte Unruhe und Auseinandersezungen zwischen der Linken und dex Rechten.)
: Abg. M olath (Wirtsh. P.) verliest folgende Erklärunz seiner Fraktion: Die verhängnisvollen Folgen einer zehnjährigen vernichtenden Finanz- und Wirtschaftspolitik in Verbindung mit außenpolitischen Halbheiten und shweren Fehlern haben dazu ge- ührt, daß sih heute nicht nux die gesamte deutshe Jugend, sondern auc große Teile der besonnenen Arbeiterschaft und des Bürgertunts gegen diese Politik und das ganze in den zehn Fahren herausgebildete System wenden. Fahrelang hat gerade die Wirt- [haftspartei sich gegen die unerhörte Ausgabenwirtschaft und gegen die wirtshaftsfeindlihe Politik gewendet. Die vielen Mil- lionen junger Menschen und junger Wähler, die hinter der sich bildenden nationalen Front stehen, sind einex der wertvollsten Teile unjeres ganzen Volkes. Der ideale Shwung dieer Jugend aus allen Schichten der Bevölkerung, ihre Begeisterungsfähigkeit und ihr Opfersinn find neben dem Arbeitswillen, der hohen JFn- telligenz der deutsen Arbeitnehmerschaft und dem Sparsinn der Mittelshihten unseres Volkes das größte Aktivum des deutschen Volkes. Nach der durch die Politi? der leßten zehn Fahre immer sihtbarer werdenden Verwirrung aller anderen Faktoren und Be- rufsstände unseres Volkes sind diese Kräfte vielleiht die lebte Reserve, über die Deutschland noch verfügt. Wenn diese Reserve eingeseßt wird, muß die Gewißheit gegeben sein, daß das mit Er- feln geschieht. Die Frak1iion der Wirtschaftspartei, die dur die ustimmung zum Mißtrauensvotum den Weg freimachen soll für die Vildung einer Regierung, in der diese Kräfte führend vertreten sind, isk sich der Schwere der Verantwortung ihrer Entschließung voll bewußt. Um so selbstverständliher war es deshalb für die Fraktion, losgelöst von aller Parteipolitik, einzig und allein die ebensmöglichkeiten der deutshen Nation ins Auge zu fassen und zu prüfen, ob der Einsaß dieser Kräfte mit unbedingter Sicherheit zum Erfolge führt. Denn, wenn diese Kräfte eingeseßt werden, ohne daß die Wahrscheinlickeit des Gelingens groß genug ist, wird dieser Jugend und der deutshen Nation der [{lechteste Dienst ge- leistet. Wenn die Regierung sih heute niht durhseßt gegenüber den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sind die Folgen unabsehbar. Die KommunistisGe Partei spekuliert und rechnet damit. Das ist leßten Endes auch der Grund, weshalb die Kommunistishe Partei den Sturz der Regierung Brüning und das Einsebßen der natio- nalen Front anstrebt. Sie spekuliert, daß unter den schwierigen Verhältnissen des bevorstehenden Winters auch eine nationale Regierung sich niht durhseßen kann. Das wäre nah unserec Auffassung. ein verhängnisvoller Schlag für die gesamte Be- wegung. (Zuruf bei den Kommunisten: Jeßt kommi der Dreh! — Lachen lin#s.) Daher wollten wir zunäckst wissen, ob zu erwarten ist, daß eine Besserung der politishen Situation und der Erkennt- nis der Völker in einem Sinne, der Deutschlands Chancen in der Welt vergrößert, in den nächsten Monaten wirklich erwartet werden kann. Wir wollten wissen, welche wirtshaftspolitischen Maßnahmen die Regierung Brüning und welche wirt\chaftspoli- tis&en Maßnahmen die Führer der Deutschnationalen und Natio- nalsozialisten vorgesehen haben. Wir wollten wissen, ob die Bereitschaft besteht, die verhängnisvolle Entwicklung dadurch auf- gzuhaiten, daß u. a. endlih die gesamte deutshe und besonders die mittelständishe Wirtschaft durh rücksihtslose Abkehr von der Fesse- lung angekurbelt wird. Wir wollten wissen, ob sowohl bei den Deutschnationalen wie bei. den Nationalsozialisten und bei Herrn Brüning endlich die Erkenntnis vorhanden ist, daß die weitere api Stübung der Großwirtschaft zu Lasten der mitteli- ständishen Fndividualwirtshaft dem deutshenu Volke zum Ver- höngnis werden muß. Wir wollten wissen, ob au weiterhin eine inanzpolitik betrieben werden soll, die auss{ließlich den Groß- anken dient und die Kreditinstitute der Fndividualwirtschaft ver-
“nihten. Wir wollten wissen (Rufe links: was die Wirtschaf1s-
partei nun eigentlich will, — Geläcter), ob endlich wieder der
Persönlichkeit gegenüber dem Groffkapital und der Geweiêschafts- bürokratie Geltung vershafft werden soll. Diesen Verhandlungen ist die Oeffentlichkeit mit großem Jnt:eresse gefolgt. Diejenigen, die die von Verantwortungsbewußt’ein ge:ragenen Verhandlungen so auélegen wollten, als hätte es sih hier um irgendeinen flein- lihen Schacher gehandelt (Gelächter), kounten nur deshalb zu einer solden Auffassung kommen, weil solhe Tendenzen bei den ver- ichiedensten Regierungsbildungen der leßten 109 Jahre das A und O der Verhandlungen waren. (Hört! Hör:-Ruje!) Das gilt in ganz besonderem Maße auch für die Sozialdemokratie, die unter dem Deckmantel des Schußes für die Arbeitnehmershaft immer wieder Maßnahmen durchgeseßt hat, die leß:en Endes nicht dec Arbeitnehmerschaft, sondern der Parteibürokratie in den ver- schiedensten Lagern zugute kommen. Wir haben bei unseren Ver- handlungen nicht überall und nicht in allen einzelnen Punkten die Klarheit gewinnen können, die für eine so s{werwiegende En:- scheidung bedeutungsvoll is, Vor allem haben wir aber nicht die Ueberzeugung gewinnen können, daß heute die Chancen für eine Mehrheitsbildung der Rechten andere geworden sind als vor einem Fahre, wo wir, um die Bildung einer Regierung der nat10- nalen Front zu ermöglichen, Minister Bredt aus dem Kabinett Brüning zurückgezogen haben, um damit den Anstoß zur Bildung einer so gearteten Regierung zu geben. Die Führer des Zentrums haben uns wissen lassen, daß der Entschluß der ZentruméfraLtion, im gegenwärtigen Zeitpunkt eine evtl. Regierung der nationalen Front nicht zu tolerieren, unter feinen Umständen umzustoßen ist. Eine Minderheitsregierung der nationalen Front von National- sozialisten, Wirtschaftspartei, Volkspartei und Landvolk würde so- mit eine arbeitsfähige Minderheit darstellen. Auch irgendwie er- zwungene Neuwahlen würden die Situation nicht ändern (Ge- lähter red;ts), da nach dem Ergebnis der Wahlen in Hamburg feststeht, daß auch dann das Zentrum für eine Mehrheitsbildung notwendig sein wird. Das sind wohl auch die Gründe gewesen, die den Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg, hinter dem nadh
. wie vor das Gros des deutshen Volkes steht, veranlaßt haben, den
Reichskanzler Brüning noch einmal mit der Kabinettsbildung zu beauftragen. Dem neuen Kabinett Brüning gehört eine Rethe von Persönlichkeiten nicht mehr an, deren politise Tätig- keit auch bei der Wirtschastspartei Bedenken gefunden hal. Anderseits ist es Dr. Brüning nit gelungen, sein Kabinett zu ergänzen durh Männer die das Vertrauen der nationalen Front und der Wirtschaft haben, Wir haben mit vielen anderen Par- teien des hohen Hauses deshalb auch s{chwere Bedenken gegen das neue Kabinett Brüning. (Rufe rechts: Aber . . .) Aber wir rechnen damit, daß auch Herr Reichspräsident von Hindenburg diese grundsäßlihen Bedenken und Schwierigkeiten kennt und daß er zu dem geeigneten Zeitpunkt die unbedingt notwendige Aenderung des Systems auch gegen dea Willen der widerstrebenden Kräfte erzwingt, wenn die gegebene Zusage einer grundsäßlichen Svstem- änderung niht innegehalten wird. Wir werden in unverbrüch- liher Treue (Abg. Stubbendorff [D. Nat.]: Für dreiviertel Mil-= lionen Mark unverbrüchlihe Treue! — Präsident Löbe erteilt dem Abg. Stubbendorff einen Ordnungsruf. — Abg. Stubben- dorff: Der „Vorwärts“ \{chreibt es doh! — Präsident Löbe: Was der „Vorwärts“ s{chreibt, geht uns gar nihts an! — Große Heiterkeit im Hause und Händeklatschen bei den Nationalsozialisten. — Präsident Löbe: Fch habe den Abg. Stubbendorsf gerügt für die Unterstellung, die in seinem Zuruf lag.) Wenn wir im Ver- trauen auf den Herrn Reichspräsidenten und auf die Persönlich- keit des Herrn Reichskanzlers diesen s{chwerwiegenden Schritt tun, so geschieht dies nux, nachdem der Herr Reichskanzler uns die unbedingte Zusicherung gegeben hat, daß er gewillt ist, eine grundsäßlihe Shwenkung in der Politik der leßten zehn Jahre vorzunehmen und allen Notwendigkeiten der selbständigen Mittel- shihten unseres Volkes Rehnung zu tragen. Wir werden in un- verbrüchlicher Treue dem Herrn Reichspräsidenten von Hinden- burg auf seinem Wege folgen und das von ihm berufene Kabinett deshalb und dementsprehend troß aller Bedenken tolerieren. (Aharufe rechts. Beifall bei der Wirtschaftspartei.) Zu dieser Er- flärung fügt der Redner noch hinzu: Gegenüber den verschiedensten Pressemeldungen möchte ih sagen: Es ist eine Fnfamie, zu be- haupten, daß in dieser Schiksalsstunde des ganzen deutschen Volkes ür irgendeine anständige politishe Partei eine Geld{summe — in welcher Höhe auch immer — irgendeinen entscheidenden Ein- fat gehabt habe. (Großer Lärm rechts und Rufe: Nur ent- cheidenden?) Es ist vielleiht das Furchtbarste an dem Geschick des deutschen Volkes, daß in allen entscheidenden Stunden die Auseinandersezungen immer wieder eine solche gehässige Form annehmen. (Sehr richtig! bei der Mehrheit. Lärm rets. Abg. Kleiner [D. Nat.] ruft: Unerhörte Frechheit! — Er erhält einen Ordnungsruf.) ere Kleiner, die Unterredungen der leßten Tage haben mich durchaus darin bestärkt und meine Freunde teilen diese Auffassung, daß es einfach unmögli ist, in dieser Form der Verheßung und der persönlihen Herabreißung überhaupt zu einer großen Linie im Jnteresse des ganzen Volkes zu kommen, Fh denke niht etwa an eine herabseßende Methode gegenüber Herrn Hitler, mit dem ih persönli gesprohen habe und von dem ih unbedingt den Eindruck einer absolut ehrlihen Ueberzeugung hatte. Gerade in dieser Zeit, wo der einzelne von Fhnen (nah rechts) vielleiht noch nit ganz begriffen hat, welches Opfer wir in dieser Stunde E, (Lachen rechts) müssen wix leider auch bezweifeln, ob Sie sih über die ganze Größe der Entscheidung flar sind, die darin liegt, daß wir in diesem Augenblick dur unsere Stellungnahme jene große Bewegung zurückgehalten haben, in einem Augenblick, wo sie vielleicht entfesselt und losgelassen niht das Ziel erreicht hätte, das erreicht werden muß, wenn Deutschland wieder gesunden soll. (Beifall bei der Wirtschaft8- partel.)
Reiskanzlexr Dr. Brüning: Meine Damen und Herren! Jch habe mih zum Wort gemeldet, um einige wenige Bemerkungen zu der Diskussion der vergangenen zwei Tage zu machen. Es ist nicht meine Absicht, polemishe Erklärungen abzugeben. Fh habe die Linie derx Politik der Reichsregierung zu Beginn der Debatte Jhnen auseinandergeseßt und habe auch nach &&wissen Seiten hin au kritishe Bemerkungen gemacht, die ih glaubte, im Jnter- esse der Aufklärung des Volkes machen zu müssen. Fch habe den Debatten sehr aufmerksam zugehört und bin sehr dankbar für eine Reihe von Anregungen, die gegeben worden sind. Die Reich8- regierung widerseßt sih keineswegs einem Antrage, eine Rethe von formulierten Vorschlägen beziehungsweise Anträgen auf Ab- änderung von Notverordnungen einem Ausschuß zur weiteren Be- ratung zu überweisen. Wir halten nicht in dem Sinne an einer Linie fest, daß wix glauben, nun in jedem einzelnen Punkte einer Notverordung absolut recht zu haben. Wir sind nur der Ueber- zeugung, daß an den wesentlihen Dingen, die dem Wirtschafi€- und Finanzgebäude unter allen Umständen die feste Klammern liefern sollen, nit gerüttelt werden darf. Aber wenn ih die De- batte nah einer anderen Seite mir ansehe und aus den An- regungen der verschiedensten Parteien etwa glaubte, etwas über eine andere Gesamtlösung entnehmen zu können als der Weg, den die Reichsregierung bisher beschritten hat und weiter beschreiten wird, so muß ih sagen, daß ih cine solhe andere Gefamtlösung nirgendwo gehört habe. (Sehr richtig! im Zentrum.) Fh danke außerordentli% den Rednern der einzelnen Parteien ebenso wie dem Führer der Nationalsozialistishen Partei für die Vornehm- heit, mit der sie si meiner Person gegenüber bei aller Kritik ein- gestellt haben. Das ist zweifellos eine Besserung mancher poli- tischer Methoden gegen früher, von der ih wünshen möchte, daß sie bis in die lebte und kleinste Versammlung im kleinsten Orte
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des Landes überall eingeführt würde (levhaste Zustimmung 1m Zentrum), eine Besserung der poli:ischen Methoden, die uns zu unserer Freude dann einer großen Anzahl von Maßnahmen ent=- heben würde, die wir niht zu unserem eigenen Genuß oder aus freiem Willen in die Notverordnungen haben hineinnehmen müsscn. Es ift keine Freude, der Presse Zwangsauflagen machen zu müsseu, und i wünschte den Tag herbei, wo es durch eine frei willige gegenseitige Kontrolle der Presse untereinander mögli sein würde, auf solche Dinge zu verzihten. (Beifall im Zentrum.)
Im übrigen darf ih eines besonders hervorheben, was mih mit einer gewissen Enttäushung ersüllt hat, und das ist die bei aller persönlihen Liebenswürdigkeit scharf ablehnende Kritik der Deutschen Landvolfpartei. Meine Herren, ih sage Enttäusckung, und ih sage das vom Standpunkt eines Freundes der Landwirts» schaft. (Sehr gut! im Zentrum.) Denn einen Minister so anzu= greifen, dem es das Geschick auferlegt hat, nur Abbaumaßnahnen gegen die Arbeitershaft aus einer Zwangslage heraus vorzus nehmen, einen Mann, der sich [hon in früheren Fahren unter die Konsumenten gestellt hat und sich mutig für den Schuß der Land- wirtschaft erklärt hat, mit derartigen Vorwürfen zu belegen, ist ein historischer Fehler vom Standpunkt der deutshen Landtwvirt- schaft selbst. (Lebhafter Beifall in der Mitte.) Seien wir uns doch darüber klar, neben der ungeheuren Schulden- und Zinsen- last, die auf der Landwirtschaft ruht, neben der Ueberspannung anderer öffentlicher Lasten leidet doch die Landwirtschaft heute in Deutschland in stärkstem Maße darunter, daß die Kauffkraft der Konsumenten so weit gesunken ist, daß sie ihre Produkte nit mehr abseßen kann. (Sehr wahr! in der Mitte.) Das is das Problem. (Zuruf rechts.) — Jh lehne es gax niht ab, Herr Wendhausen, oder wer das gerufen hat, mit einem so klugen Manne wie Herrn Dr. Heim übereinzustimmen. — Deshalb geht es auch niht mit solhen Radikallösungen der Produktionskosten- senfung auf einen Schlag, wie sie anscheinend einzelnen Rednern der Mitte, vielleiht auch dem Herrn Abgeordneten Dingeldey, vorgeschwebt haben. Vor allem aber muß ih doch einmal s{hurf betonen, Herr Kollege Dingeldey: Wenn ih in den Tagen, wo die Banken und Sparkassen geschlossen waren, Maßnahmen ge- troffen hätte, die das ganze Voik erregt hätten, dann wäre es nicht möglih gewesen, die deutshe Kreditwirtshaft und den deutschen Staat überhaupt zu retten. Ruhe mußte ih schaffen und nit Unruhe in diesem Augenblicke in die Bevölkecung hineinwerjen. Denn leßten Endes sind es nit die Maßnahmen des Staates getoesen, die unser Kreditsystem gerettet haben, sondern es ist dec Glaube des Volkes an diese Maßnahmen gewesen, der die Hiise gebracht hat. (Lebhafte Zustimmung.)
Wenn der Herr Kollege Dingeldey gemeint hat, ih hätte den Gedanken der Arbeitsgemeinschaft doch schon früher verwirk- lichen sollen, so habe ih. gestern schon in einer kurzen Bemerkung darauf erwidert, daß ih das vom ersten Augenblick meiner Regie- rung an versucht habe und shließlich die Bemühungen im leßten Augenblick gescheitert sind, hon im vorigen Fahre, Aber die faktishe Arbeitsgemeinschaft habe ih in den vergangenen Mo- naten und im stillen insofern heobeigeführt, als ih gemeinsam mit meinen engsten Mitarbeitern im Kabinett stets und immer wieder mit Wirtschaftsführern verschiedenster Art und Berufe, aber auh mit den Vertretern der Arbeitnehmer und der Landwirtschaft dauernd gesprochen, verhandelt und versucht habe, eine gemein- same Linie zu finden. Jch bin der Ueberzeugung, daß es mög- lich ist, eine solche Linie zu finden. (Zuruf von den Kommunisten? Eine Hungerlinie!) Keineswegs eine Hungerlinie! Fhre Politik (zu den Kommunisten) führt leßten Endes zu einer Hungerline! (Sehr gut!)
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich das ein- mal offen aussprechen: So geht es wirklich nicht, das mitten in diese Verhandlungen hinein vielleiht gutgemeinte Aufrufe von Spibenorganisationen hineinplagen, die sofort zwei scharfe, sih restlos verneinende Fronten im deutshen Volk schaffen. (Sehr wahr! im Zentrum.) Das ist meine Aufgabe: zu verhindern, daß das deutsche Volk in diesem s{hwersten aller Winter auseinander- gerissen wird. „(Lebhafte Zustimmung. — Abgeordneter Graef [Thüringen]: Das können Sie abex nicht!) Aber ganz bestimmt Sie, Herr Kollege Graef; davon bin ih überzeugt. (Sehr gut! links und in der Mitte.) Aber ih werde um diese Aufgabe kämpfen.
Das ist die Linie dieses Kabinetts, das keine parteipolitische Färbung hat und keine Front nah irgendeiner Seite hin ein- nimmt (Lachen bei den Kommunisten), sondern das sih bewußt ist, daß es sich sogar in eine Verteidigungsstellung hinein- manövrieren lassen muß, um stärkste Polemik, stärkste Angriffe und Gegenangriffe zu vermeiden. Denn das Ziel des verant- wortlihen VPolitikers muß in. diesem Augenblick eins sein, ein
‘Biel, das über allem anderen stehen muß: zu verhindern, daß
über der Not dieser Tage, Wochen und Monate, über diesen inter- nationalen Spannungen äußersten Grades das deutshe Volk nicht, wie shon oft in der Geschichte, in zwei feindlihe Lager auseinandergerissen wird. (Lebhafte Zustimmung.) Dafür, meine Damen und Herren, kämpfe ih. Und s{hon neulich habe ih in
einer Rede erklärt, man möge und könne mich ruhig angreifen, man möge auch sonst über mich sagen, was
man wolle — man. -hat ja sogar die Bethmann-Akten wieder entdeckt, und der Alldeutshe Verband hat ja geglaubt, den Fall Bethmann aus dem Jahre 1917 shôn nah Schema F wieder reproduzieren zu sollen —-, das alles möge man tun, es wird mih nicht stören. Und wenn Herr Dingeldey mir vielleiht freund- schaftlich den Vorwurf gemacht hat, ih hätte in den vergangenen Wochen nicht genügend in der Oeffentlichkeit gesprochen, so habe ih das bewußt deswegen nicht getan, weil ih gerade in den ver- gangenen Wochen, wenn ih hätte reden müssen, in einer sharfen Form gegen die aufgezögenen Futrigen (hört, hört!) und—gegen die gehässige Form der Angriffe hätte Stellung nehmen müssen, daß ih dadurch vielleicht vieles für die Zukunft zershlagen hätte. Meine Damen und Herren! Wollen Sie es mir bitte niht als Feigheit und Unentschlossenheit auslegen, wenn ih mihch nicht gegen jeden Angriff wehre, der kommt, jeden Tag und jede Woche in irgendeinem obskuren, von einer gewissen Stelle bezahlten Blatt! Jch habe Wichtigeres zu tun. (Händeklatshen in der Mitte.) Jch habe einen tieferen Glauben an den edlen Charakter des deutschen Volkes als diese infamen Skribenten. (Bravo! und Händeklatshen in der Mitte.)
Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 243 vom 17, Oktober 1931. S. 3
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Kollege | Dingeldey hat gestern gefragt, weshalb ih den Vorschlag eines | Konzentrationskabinetts nicht praktisch durchexerziert hätte. Jh | weiß nicht, ob die Vorbilder in andern Ländern zu einem praktischen Durchexerzieren reizen, wenn man nicht vorher eine bestimmte Gewißheit des Gelingens sich {hon vershaffen kann. (Sehr gut! in der Mitte.) Wenn ih sehe, daß auf der einen Seite dieses Hauses — mögen die Männer noch so pratiotish sein, und mögen sie das besie wollen, genau so, wie die Männer auf dieser Seite des Hauses — als erste Vorausseßung für eine Politik immer der Kampf gegen die andere Seite proflamiert wird, dann kann ih nur feststellen: es ist eben nicht mögli, die Volksgemeinshaft in ihrem politishen Ausdruck herbei- zuführen, die wir in dieser historishen Stunde des deutschen Volkes unter allen Umständen haben müßten. (Bravo! in der Mitte.)
Lassen Sie mich hinzufügen: Eine Maxime is es gewesen in all diesen Wochen und Monaten neben aller Arbeit, die zu leisten war: Jh halte es für unmöglich, einen Weg zu gehen, der uns über diesen {weren Winter hinwegführen soll, der von vornherein eine scharfe und geschlossene Front gegen die Arbeiter- haft begründet. (Händeklatshen.) Wer glanbt, das tun zu können, der wird meines Erachtens in ganz kurzer Zeit versagen, (Sehr wahr! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten.)
Aber hinter dem Versagen, meine Damen und Herren, steckt dieses Mal etwas anderes. (Lebhafte Zurufe von den Kom- munisten: Hört, hört! Sehr wahr!) Und wenn es auf diesem Wege nicht möglich gewesen ist, so bin ih eben zu der Ueberzeugung gekommen, Herr Kollege Dingeldey, ein Kabinett zu bilden, das an sich in seinen Maßnahmen und in seinem Programm von jedermann akzeptiert werden könnte; denn die Linie, die gegangen werden muß, wenn Deutschland gerettet werden soll, wird doch immer eine Linie des Ausgleihs und niht der Unter- drückung nah der einen oder der anderen Seite sein müssen. (Händeklatschen.) Weil der Weg niht möglich war, den ih von Herzen gern gewollt hätte, der aber, wie die Erkenntnis mir zeigte, praktisch nicht zu gehen ist, mußte ih die parteipolitische Basis, wenn Sie wollen, in diesem Parlament verengen und die Reichsregierung stärker objektivieren als in der Vergangenheit, dann aber gleichzeitig den zweiten Schritt tun und dem Herrn Reichspräsidenten vorschlagen, einen Wirtschaftsrat zu bilden, der nach avuht des Herrn Reichspräsidenten und nach dem Wunsch des Reichskabinetts keine parteipolitishen Gegensäße kennt (Zu- rufe von den Kommunisten), sondern, nur aus Sachverständigen bestehend, die Brücke über alle Parteien bilden soll und in seinen Beratungen dieses Kabinett in jeder einzelnen Maßnahme unter- stühen soll.
Jm übrigen, wenn man glaubt, in dieser schwierigsten außen- politischen Zeit einfah Wechsel in den Regierungen vornehmen zu können, dann muß ih etwas sagen, was ih aus eigenster Er- fahrung, bitterer Erfahrung, kennengelernt habe: jedes neue Kabinett mit einer anderen Etikette oder Firma hat zunächst für einige Zeit mit stärkstem Mißtrauen im Auslande zu kämpfen (sehr wahr! in der Mitte), und diesmal können wir keine Zeit verlieren. Wix können, Herr Kollege Dingeldey, das in den Zeiten, für die Sie mir vielleicht vorwerfen, zögernd gewesen zu sein, Erarbeitete. und in einer doch sehr starken Veränderung
der ganzen außenpolitishen Situation Erreichte niht aufgeben, |
um in diesen entscheidenden Monaten von Grund aus neu an- zufangen. Nehmen wix einmal den theoretischen Fall einex Rechts- regierung! Wenn sie den Weg, der zur Freiheit und Rettung führen muß, gehen will, dann wird sie den Weg fortseßen müssen, den wir gegangen sind. (Sehr richtig!) Aber ih fürchte: sie wird Erklärungen gegenüber dem Auslande abgeben müssen, die diese Regierung nicht abzugeben braucht. (Lebhafte Zustimmung. — Widerholte Zurufe von den Kommunisten.) Damit ih nicht miß- verstanden werde, betone ih: ih habe kein Wort von einer Kayitulationserklärung einer solchen Rechtsregierung gesprochen. Jch glaube, daß es keine Partei in diesem hohen Hause gibt, die jemals auf den Gedanken kommen würde, eine solhe Kapitu- lationserkflärung abzugeben. (Erneute lebhafte Zustimmung. — Widerspruch und Zurufe bei den Kommunisten: Zollunion!) Das gleiche trifft in anderer Beziehung auf eine theoretisch gedachte Rechtsregierung zu. Wie sollen sich denn die Anschauungen der einen Partei u1d der anderen Partei auf der Rechten, soweit sie dieses hohe Haus bislang gekannt hat, überhaupt, wenigstens im Augenblick, auf einen Nenner bringen lassen? (Sehr richtig! in der Mitte.) Die Persönlichkeiten, die in Harzburg zusammen waren, haben jedenfalls für den Außenstehenden die heterogensten Ansichten, und man sollte doch endlih einmal von diesen Parteien aus klar erklären, was man will. (Sehr richtig! in der Mitte und links.) Dann ist die Stellungnahme des gesamten deutschen Volkes in dieser Situation vollkommen klar.
Nun habe ih nicht die Möglichkeit gehabt, den „Offenen Brief“, den Herr Adolf Hitler an mi gerichtet hat, heute morgen selber ganz durhzulesen. Das bedeutet keine Kritik; ih werde ihn durhlesen. Aber mir sind ein paar Stellen unterstrichen worden, und auf diese Ausführungen möchte ih mit einigen Säßen ein- gehen. Herr Hitler sagt in seinem „Offenen Brief“:
Wenn Jhnen, Herr Reichskanzler Brüning, selbst nux vor- übergehend das Ziel einer wirtschaftlihen Sanierung gelungen wäre, hätte kein Mensch in der Welt an eine Revision auch nur des Young-Planes gedacht.
Hier liegt meines Erachtens ein grundsäßlicher Fehler vor, der im den Auffassungen mancher Herren vielfah wiederkehrt. Jh habe ja gar nicht mit einer Revision des Young-Planes ange- fangen, sondern meine Aufgabe war es zunächst, untex bitteren Opfern, die dem deutschen Volke aufzuerlegen waren, ein finanziell wankendes Gebäude zunächst einmal zu stüßen, um darin leben zu können. Der zweite Schritt — das kann ih heute auch vor dem Auslande ganz klar aussprehen — war: wix haben erfüllt, wir sind die erste Regierung gewesen, die aus eigener Kraft erfüllt hat, nicht auf Grund von Anleihen, sondern auf Grund einer bestimmten Gestaltung der Handel8bilanz mit allem, was damit zusammenhängt. (Rufe von den Kommunisten: Mit Lohn- raub!) Jn dem Augenblicke zeigte sich neben anderen Dingen, die mit dex Erschütterung der Weltwirtshaft und der Kreditwirt-
haft der Welt zusammenhängen, daß es so mit den Reparationen
niht geht. (Sehr wahr! in der Mitte.) Entweder gibt man uns das Geld, um es wieder zurückzuzahlen. — und auch das hat oin Ende —, oder man saft uns die Möglichkeit, die Reparationen mit cinem vriesigen Exportübershuß zu zahlen. (Zustimmung in der Mitte.) Lebteres können die Völker eben auch miht vertragen. Aber man mußte einmal den Mut haben, diesen Weg zu gehen (sehr richtig! in der Mitte), troy aller Unpopularität im Fnnern. Jch entsinne mich eines Aufsayes, den ih geshvieben habe, der unter einem anderen Namen veröffentlicht worden is, wo ih im Jahre 1919 schon als Ziel, rein aus theoretischen Erkenntnissen heraus, hingestellt habe, daß, wenn man an das Erfüllen ohne ausländische Kredithilfe geht, es sih in kürzester Zeit zeigen wird, daß es wiht möglich ist, in dieser Form und in dieser Höhe die Reparationen zu zahlen. (Sehr richtig!) Dieses offene Wort wird man uns vielleicht im Auslande hier und da verübeln, aber ih glaube, die Methode, die von dieser Regierung gewaähit worden ist, um eine Aufklärung über die wirkliche Lage Deutsch- lands in der Welt zu shaffen, ist wirksamer gewesen, als was man vielleiht auf manchen Seiten dieses Hohen Hauses gefordert hat, oder wie man es manchmal in der Vergangenheit gemacht hat. Meine Herren, Denkschriften, dickleibige Bände, Exposés und fulminante Reden werden die Welt niht von der Notlage Deutschlands überzeugen (sehr wahr!), sondern eines wird über- zeugen — und das hat überzeugt! —: wenn eine Regierung den Mut hat, die Konsequenzen aus allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ziehen, ihre Karten aufzudecken, so daß jeder sie sehen und jeder Einsicht nehmen kann, nicht zu sagen: wir wollen mit allem, was uns auferlegt ist, mit einem Schlage brechen, soudern zu sagen: kommt her und seht, was mit uns los ist, und seht ein, daß es nicht mögli ist, die Dinge so fortzutreiben, weil aus diesem Ruin und aus diesem Wirrsal Deutschlands leßten Endes, weil Deutschland noch immer das Herz Europas ist, der Ruin und die Verwirrung der ganzen Welt eintreten wird! (Zu- rufe von den Kommunisten.) Das ist die Methode, und diese Methode ist nicht neu: sie ist von Völkern, die besiegt worden sind, ® immer wieder und wieder in der Geshihte benußt worden, um zu einem Evfolge zu kommen, und wenn Herx Adolf Hitler mutig genug ist, mir niht meine nationale Gesinnung abzusprehen, was hindert dann — und damit möchte ich schließen — vier Fünstel dieses hohen Hauses, sich einmal zu entshließen, für ein paar Monate Parteipolitik beiseite zu lassen (lebhafter Beifall) und nur
daran zu denken, das Vaterland zu retten und fich dem Vater- !
lande zu opfern, um endlih Glück und Freiheit zu schaffen! (Stürmischer, langanhaltender Beifall links, in der Mítte und vehts.)
Abg. Sch midt - Hannover (D. Nat.): Nach dex Begründung unserer Forderungen durch den Fraktionsvorsißenden Dr. Ober-
fohren haben wir bewußt darauf verzichtet, im Schattenspiel der |
Verhandlungen dieses rlaments noch in die Diskussion ein- ugreifen. Die heutigen Ausführungen des Reichskanzlers und die sih verdichtenden Gerüchte über neue Vertagungsabsichten des Reichstages veranlassen uns, folgendes zu erklären: Ein Weiter- regieren dieses Kabinetts und eine neue Ausshaltung des Reich8- tags würde eine außen- und innenuoe e Lage von so tragisher Stgvére schaffen, daß ein Abgleiten Deutshlands in chaotishe Zustände unvermeidlich wäre. (Gelächter und Zurufe links.) Es ist Jhrer Aufmerksamkeit vielleiht entgangen, daß in den leßten agen und Nächten ray Schüsse in Berlin und anderen Orten
des Reiches gefallen
Millionen anderer pflihtgetreuer Volksgenossen hinaus. Aber Brüning ist niht Deutschland. (Lebhafte Zurufe.) Der Mißerfolg seinex mit nie dagewesenen Vollmachten ausgestatteten Regierung liegt klar vor aller Augen. Fhm war die Aufgabe gestellt, die Finanzen des Reiches zu sanieren, die Landwirtschaft und den deutshen Osten gu retten. Brüning scheiterte, weil ex sih aus der Abhängigkeit von der Sozialdemokratie nit zu befreien vermochte. (Zustimmung rets.) Der Reichskanzler hat in seiner Rede vom 13. Oktober ausgesprochen, und die heutigen Ausführungen stehen in mancher Beziehung im Widerspru dazu: Sie, die Parteten dieses Hauses, tragen die Verantwortung für alles, was kommen wird. Wir geben heute dem Notverordnungskanzler und den- jenigen, die versuchen wollen, ihm zu einer Mehrheit zu verhelfen, dieses Wort in seiner vollen schweren Schwere zurück. Die Träger der Regierung werden nicht von der Verantwortung entbunden, wenn sie auch noch mehr als bishex die Autorität des Reichs» präsidenten und seinen geshihtlihen Namen in, den politischen Streit und in die kommenden Wirtschaftsauseinanderseßungen hineinziehen. Die Erklärungen des Reichskanzlers haben sih in einer eGtertigung der Vergangenheit ers{chöpft, Auch heute hat er: keinen Weg in die Huranit ewiesen und sh auf allgemeine Andeutungen beschränkt. (Le haste Burn links.) Es is sehr interessant, daß der Reichskanzler seine Zustimmung gerade immer von seiten der Sozialdemokratie erhält. (Beifall rechts.) Mit Nach- druck hat sih der Reichskanzler nur 4 Fortsezung der bisherigen Außenpolitik bekannt. Wenn der eichsfanzler die Befürchtung uge pern hat, ‘daß eine Rechtsregierung sich zu Erklärungen dem Ausland gegenüber veranlaßt sehen würde, die diese Re- gierung niht abzugeben hat, so müssen wir unser Befremden darübex aussprechen, daß der Kanzler überhaupt an solhe Mög- lihkeiten denkt. Wir können ihn aber beruhigen: Das Vertrauen des Jn- und au des Auslandes zu einer klaren Rechtsregierung wird größer sein als das Vertrauen gzu seiner eigenen hundertfah überlebten Regierung. Der Bankerott gerade der Außenpoltik dieser Regierung ist in ershütternder Weise durh den Verzicht guf die Zollunion zutage getreten und durch den Rücktritt des Ministers Curtius bestätigt worden. So vorbelastet will der Reichskanzler „in die kommenden internationalen erhandlungen eintreten. Solche Aeu wiegt shwerer als die Befürch- tungen hinsihtlich einer kommenden Rechtsregierung die der Reichskanzler ausgesprohen hat. Damit steigt die Gefahr eines dritten Tributplanes und einer Verewigung der deutschen Wehr- losigkeit auf. Demgegenüber wiederholen wir die hon auf dem Déêutschnationalen Parteitag in Stettin egebene Er- klärung, daß wir neue internationale Lasten und Bindungen, die diese Regierung übernimmt, niht anerkennen. Die Verant- wortung Für die Uebernahme E er Beet Grnnges durch diese Regierung würde denen zur Last fallen, die diese Regierung nicht stürzen. Es geht heute niht um einen Þ: rlamentarishen Kabinetts wechsel, es geht um den grundsäßlihen Systemwechsel. Herr Brüning ist der Mann des heute E enden Systems. Neben dem Zentrum hat sofort und ohne Vorbehalt die Sozialdemokratie ihm das Vertrauen ausgesprochen. Schon aus diesem Grunde kann dieser KOE Nee niemals der Führer einex Regierung ev die alle nationalen Kräfte zu aktiver Bee zusammen che Der Reichskanzler hat am 13. Oktober exklärt: Man darf sih nicht abdrängen lassen von klaren und überlegten politischen en. Das ist unser Wille: Wir kassen uns nich! abdrängen von dem klaren, überlegten Weg, auf dem wir Deut chland aus dieser Keren]|kiperiode der Halbheiten, aus dem büro ratishen Despotis- mus dieses Verordnungsstaates hinüberführen werden in eine neue und starke Zukunft. (Beifall bei den utshnationalen und Nationalsozialisten.)
ind. Der verantwortliche Träger der Reihhs- | politik ist der Kanzler. Daß er nah bestem Wissen seine Kräfte | eingeseßt hat, versteht 19 von selbst. Es D ihn nicht über ;
. Dr. Rosen feld (Sozialistishe Arbeiterpartei) erklärt die Erflärnng der Wirtschaftspar:ei lasse deutlich erkennen daß der Reichskanzler hier gewisse Konzessionen gemacht have. Schon diese Tatsache hätte die E zu einer anderen Haltung bestimmen müssen. Die zialdemokratie {heine mit Brüning durch dick und dünn gehen zu wollen und werde dadurch immer weiter fkompromittiert. Die Tolerierun itif war uns s{chon unerträglih unter dem ersten Kabinett Brüning. Die Zusammen- fassung des Wehr- und Fnnenministeriums in der Hand Groeners bedeutet die Militärdiktatur der zweiten Regierung Brüning. Vor wenigen Monaten hätte nicht viel daran gefehlt, daß die Mehr=-
eit der Sozialdemokratishen Partei fich gegen Brüning erklärt itte. Die Sozialdemokratie schüz durch ihre Tolerierungspolitik niht die Staatsform und nicht die Verfassung, sondern nur den Artikel 48. Wir haben den Glauben verloren, daß die Sozial- demokratische Partei fa zu einer E E r Bekämpfung des Kapitalismus aufraffen kann. Auch die deutshen MacDonalds werden einmal von “der Partei ausgeshlossen werden. Lieber tausendmal mit den Kommunisten als einmal mit Groener.
Abg. D. Strathmann (Christl. Soz.): Wix bekennen uns mit heißer Liebe zur Nation, ader die hier gehörten Reden haben uns nicht überzeugen können, daß die nationale Opposition die richtige Politik vertritt. Die Reden der Rechten illustrieren den Begriff der parlaarentavishen Klopffehterei. Der Redner exklärt, man habe in deu leßten Fahren leider eine Fassadenpolitik etrieben, zu der au die Beamtenpolitik gehöre. Die Losung dec Dinti@uttionaleni das deutsche Volk braucht keine Notverord- nung, sondern Arbeit und Brot, erinnere auch an parlamentarische Klopsfehterei. Die deutsche Familie und der Nahwus sei ge- sa rdet. Bei Verhand5lungen mit Frankreih solle man sehr vor- ihtig sein. Nur au* dem Wege der Siedlung sei die Arbeits losigteit zu mildern und zu überwinden. Die Methode, den katho» lishen Kanzler im politischen Sinne als „papsthörig“ zu bezeihnen und ihn als Vaterlandsverräter hinzustellen, sei widerwärtig und verähtlih. Auf die große Linie gesehen, könne unter den gegen- wärtigen Verhältnissen in Deutschland kein anderer Weg ge- angen werden, als der, auf den Dr. Brüning uns geführt habe. Der Redner erklärt, er möhte gern wissen, wohin der Weg dec sogenannten nationalen Opposition führen solle. Wolle man g. B. die Vankenaufsiht aufheben? (Abg. Graf Reventlow [Nat. Soz.]: Nein!) Wolle man die Kürzung der hohen Pensionen beseitigen?, Wolle man die Fortführung des Siedlungswerkes verhindern? (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Nein!) Warum sind Sie denn, so fragt der Redner, nicht für Brüning? (Heiterkeit.) Der Rednev rihtet weitere Fragen an die Nationalsozialisten, um zu er- fahren, „wohin die Reise gehe“. Wenn man mit der nationalen Opposition gehen solle, so könne man do die Kate nicht im Sa kaufen. Dr. erfohren sei in seiner Kritik völlig im Negas tiven hängen. geblieben. Den Weg ins Dunkle ungewisser Expevi- mente könne man nicht verantworten. Fm Christentum allein, nicht im o S aberi Hege die Möglichkeit, den Bolshewismus in Deutschland zu überwinden. Z y
Abg. Sollm anan (Soz.) ersucht, chne Ausshußberatung die sozialdemokratishen Anträge sofort anzunehmen soweit sie die Ablehnung aller Pläne auf Beseitigung oder Aushöhlung des Tarifrechts, die Durchführung einer Winterhilfe - und dié Neu- regelung der Fürstenabfindung E Er weist zur Begrün- dung auf das oe Urteil zugunsten des Herzoghauses von Me@cklenburg-Streliß hin. 5 Ls
Abg. Kl i 1 2 - Séhwwaben (Bayer. Bauernb.) erklärt, daß seine Freunde die Mißtrauensanträge ablehnen würden. Damit billig- ten sie aber niht alle Maßnahmen des Kabinetts Brüning. Der Redner verlangt Schuß für die bäuerliche Veredelungswirtschaft und Einstellung der Devijenbereitstellung für solche Einfuhrgüter, die im Jnland ausreichend hergestellt werden könnten. «Fm übrigen seien keine Wege gezeigt worden, die besser wären als die des Kabinetts Brüning. -
Abg. Meyer - Hannover (D.-Hannov. P.) exklärt, der Kampf gegen die Gottlosenpropaganda habe noch nicht zum Erfolge geführt, die Reichsreform sei noh nicht einmal in Ange genommen, die Lage von Landwirtschaft und Mittelstand no niht gebessert. Wenn sih die Deutsh-Hannoveraner trobden von den Mißtrauensanträgen fernhielten, so sei dafür die Person des Reichskanzlers maßgebend. Diesem Mann, der in ehrlichem heißesten Bemühen an einer Besserung der Lage des Vaterlandes arbeite, brächten die Hannoveraner vollste Hochachtung entgegen. Namentlich habe die auswärtige Lage durch die Führung Brünings cine Wendung erfahren. Der Redner erivartet, daß Brüning seine weitere Wirksamkeit auf die inneren Schwierègkeiten lenken werde und erklärt, die Deutsh-Hannoverane®? würden sich bei der Abstimmung über die Mißtrauensvoten der Stimme enthalten.
Abg. Haa g (Landvolk) bedauert, daß dur die Erhöhung der Zuersteuer die Lage der Winzer noch verschlechtert worden sei. Der Redner bittet, noch heute einem Antreg zuzustimmen, der die Zucersteuer für Zucker zur MWeinbearbeitung aufheben will.
Damit schließt die Aussprache.
Es wird dann zunächst abgestimmt über die Antrage der Kommunisten, Deutschnationalen und Nationalsozialisten, dem Gesamtkabinett das Mißtrauen auss= zusprechen. Dafür stimmen mit den Antragstellern der größte Teil der Deutschen Volkspartei, das Landvolk und die Sozialistishe Arbeiterpartei. Von der Volkspartei stimmen untex anderem die Abgeordaeten Dr. Kahl, Gla el und Thiel gegen die Mißtrauensanträge. Auch die Wirtschafts-
artei stimmt dagegen. Die drei Hannoveraner enthalten fich der Stimme. Die Mißtrauensanträge werden mit 295 gegen 270 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. (Beifall bei der Mehrheit.) j
Es folgen die kfommunistishen Mißtrauens- anträge gegen einzelne Minister, und zwar gegen die Minister Schiele, Stegerwald und Groener. :
Vor der Abstimmung erklärt Abg. Dr, Leit (Bayr. Volksp.): Jedenfalls zu dem Zweck, die Abstimmung É beein»
lussen, ist ein anonymer Zettel in die Hände von protestantischen Mitgliedern des Hauses gelegt worden, der Vorwürfe gegen mih- enthält. Jch fordere den anonymen Schriftsteller auf, den Mut aufzubringen, zu sagen, wer er ist. (Lärm bei den National- oiialisten) Der Zettel ist übershrieben „Das wahre Gesicht des Pälaten Leicht“. Jn dem Zettel wird behauptet, is hätte im Oktober 1930 auf den Zuruf des Abg. Frank IT: „Wie steht es mit Jhrer Toleranz gegen den Protestantismus?“ sichtlih verlegen entgegnet: „Sorgen Sie dafür, daß die große Sünde, die vor vier- hundert Jahren eingetreten ist und an allem Unglüdck S U wieder rückgängig gemacht wird! Dann brauchen wir niht mehr über Toleranz zu reden.“ Jch frage den Abgeordneten ave e er sih einer solchen Aeußerung erinnert. (Abg. Dr. Frank I [nos Soz.]: Nein.) Er erklärt, daß ex sih dessen nid erinnere; ch nämli auch nicht. Selbst vor solhen Mitteln shreck man niht zurück, um die Abstimmung zu beeinflussen! (Stürmische Pfuirufe beim Zentrum und bei der Bayerischen Volkspartei.) Abg. Dingeldey (D. V.-P.): ch habe namens meiner reunde (Zurufe bei den Kommunisten: Welcher Freunde?) ediglih zu erklären, daß wir es, nachdem wir in der vorigetz Abstimmung unserer R ERER Da ulte zur Regierung Ausdruck gegeben haben, ablehnen ommunistishen Demonstrat vanträgen uzustimmen. (Beifall bei der Mehrheit.) Wir werden diesen dinträgen unsere Zustimmung verweigern. 5
Dieselbe Erklärung gibt Abg. Döb r i ch (Landvolk) für seine Fraktion ab. : a
Für den Mißtrauensantrag gegen Minister Groener stimmen nur die Kommunisten, die Deutsch- nationalen und die Nationalsozialisten. Das Landvolk ent=
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