1909 / 18 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Jan 1909 18:00:01 GMT) scan diff

vernement von Südwestafrika, Dr. Berk s, Stabsarzt in der Shuß- truppe für Kamerun, vom 1. Februar 1909 ab bis auf weiteres zum ESouvoernement von Kamerun, zur Dienstleistung kommandiert. Rösener, Oberarzt in der Schußtruppe sür Südwestafrika, mit dem 1. Februar 1909 in die Schußtruppe für Kamerun verfeßt. Dr. Lin dner, Oberarzt in der Schußtruppe für Südwestafrika, der Abschied mit der geseßlichen Pension bewilligt.

Deutscher Reichstag. 189. Sigung vom 20. Januar 1909, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Zur Beratung steht der Antrag der Abgg. Albreht und Genossen, betreffend Regelung des Vertragsverhält- nisses zwischen den in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beshäftigten Arbeitern und ihren Arbeit- gebern sowie des Vertragsverhältnisses zwischen dem Gesinde und dessen Arbeitgebern durch reichsgeseßliche Vorschriften.

Ueber den Anfang der Sißzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Stadthagen (Soz.) fortfahrend: Der ländliche Arbeiter ist auch nah der Rittung der Erhaltung seiner Gesundheit, nah der Seite der Sittlichkeit hin von steten Gefahren bedroht, die aus der Willkür des Arbeitsvertirages entspringen. Auch in Bayern besteht ein Ausnahmegeseß gegen tie ländlihen Arbeiter, wenn es auhch nit so \{limm ist wie das in Preußen, Anhalt und Neuß. An die Stelle dieser Ausnahmegesetze muß ein einheitlihes Reichsreht treten, wie es für die besitzenden Klassen {hon besteht. Die unsihere Rechtslage shädigt auch die kleineren Besiger, die ihren Arbeitern gegen- über eine mehr patriarhalishe oder eine weniger sfelbstherrliche Stellung einnehmen, da infolge des brutalen Vorgebens der Groß- grundbesizer gegen die Landart eiter Leutenot und Lindflucht enistanden find. Notwendig ist au die reihsgeseßlihe Ausdehnung der Kranken- versicherung auf die ländlichen Arbeiter und das Gesinde. Bei Schaffung der Neichskrankenversiherung wurde ein konservativer Antrag auf Er- streckung des Gesetzes der Versicherungspflicht auf die ländlihen Ar- beiter mit sehr geringer Mehrheit abgelehnt, weil das Zentrum hier- von seine Zustimmung zu dem Gesete abhängig machte. Die ländlichen Arbeiter und das Gesinde sind noch heute ledigli angewiesen auf die ortsftatutarische Regelung ihrer Krankenversiherung. Ein Ver- sprehen d2r Regierung, uns eine Statistik über die Orte zu geben, wo eine solhe Regelung erfolgt ist, ist unerfüllt geblieben. Wie es heißt, sollen in der neuen Krankenversicherungsnovelle die ländlihen Arbeiter berücksihtigt werden; ich traue der Sache nicht ret; irre ich mich, um so besser, Sie können dann um fo leichter unseren Antrag annehmen. Die gesundheitl:chen Zustände auf dem Lande vershlechtern sich von Jahr zu Jahr, und dazu trägt mit die unterlassene reihs8geseßlihe Krankenversiherung bei. Ein anderer Faktor sind die erschreckend niedrigen Löhne, die zwar niht durh Gesetz beseitigt, aber durch die Gewährung der Koalitionsfreißeit ver- bessert werden könnten. Es gibt Löhne in Schlesien, Wes: preußen, Ostpreußen, Pommern, die noch nicht 1 4 für den Tag betragen. Ebenso verlangen wir \{chließlich für die ländlichen Arbeiter und das Gesinde die Einführung von Arbeitershußbestimmungen. Auf agrarischem Gebiete herrsht heute, wie sehr gut gesagt worden ist, der Despotismus, gemildert hier und da durch den Kontraktbruh. Dieser ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Notwendigkeit, sozusagen ein Menschénreht. Von dem Züchligungsrecht wird auch heute noch auf dem Lande gegen das Gesi-.de und die Arbeiter Ge- brauch gemacht, obwohl auch der Abg. Gröber bei Beratung des Bürgerlichen Geseßbuhs es auszesprochen hat, daß au ein indirektes Züchtigungsreht nach der preußishen Gesindeordnung nicht zulässig jei. Das Züchtigungsreckt ist tatsählich beseitigt, aber in der Praxis wird dies nicht beachtet, und das Kammergericht hat neulich erkannt, daß der betreffende wegen Beleidigung verklagte Arbeitgeber nur von seinem Züchtigungsreht Gebrau gemacht habe. Ein Prügelreæ#t gibt es nur für Sklaven (Zwischenruf); unsere Kolonialverwaltung übt es aus, aber nicht für sreie Leute. Das Oberverwaltungsgericht hat in einem Falle erkannt, daß man nach der preußischen Gesindeordnung nur bei ungewöhrlih harter Behandlung den Dienst verlassen düfe; ein Peitschenhieb sei niht als ungewöhnlich harte Behandlung anzusehen. Ich mache nicht den Richtern einen Vorwurf; die Richter sagen nur, was tatsählich gang und gäbe ist. Wir haben allein in Preußen nit weniger als 19 Gesindeordnungen, die älteste, ehrwürdigste stammt aus dem Jahre 1732, die jüngste von 1858. Das preußische Gese hat- niht das geringste geändert, es hat eine Unmenge Entlassungs- gründe für die Arbeitgeber, aber es fehlt jede Schußbestimmung für das Gesinde. Genau fo liegt es mit dem Schuß des ländlichen Arbeiters. Wir haben keine den Gewerbeinspektoren entsprehende Einrichtung. Die Arbeitszeit ist nicht geregelt, die Gesundheit, die Gebote der Sittlich- keit werden bei den ländlihen Arbeitsverhältnissen aufs äußerste ver- legt. Die Forderungen, die wir aufstellen, entsprehen dem Erlaß des Kaisers vom Jahre 1890, der bis jegt eine Verheißung geblieben ist, insbesondere die Zusagen an die ländlihen Arbeiter vollkommen unerfüllt gelaffen hat. Die Sozialdemokratie hat erkannt, welches die Bedürfnisse der Arbeiter sind, daß die Arbeitershuß- bestimmungen nitt bloß im Interesse der einzelnen Kategorien der Arbeiter liegen, sondern im Gesamtinterefse. Jh hoffe, Sie werden unseren Antrag annehmen, damit der Landarbeiter niht mehr der Sklave und Leibeigene seines Arbeitgebers bleibt. (Zuruf des Abg. Dr. Hahn.) Tauschen Sie doch miteinander. Die Art der Behand- lung der Landarbeiter und des Gesindes ist eine Kulturshmach für das Deutsche Neich, die endlih von ihm genommen werden muß

_ Abg. Kleye (nl.): Der sozialdemokratishe Antrag ist nicht estellt, weil die Verbältnisse der landwirtschaftlißen Arbeiter f {lecht find, sondern aus agitatorishen Gründen. J gehôre auch zu denjenigen, die nah der Behauptung des Vor- redners die landwirtschaftlihen Arbeiter zu Sklaven, Leibeigenen und Arbeitern zweiter Klasse herunterdrücken. Wer lebt mehr mit seinen Arbeitern im Frieden als der landwirtschaftlihe Arbeitgeber ? Der industrielle Unternehmzr, der Fabrikbesitzer, wehselt mit seinen Arbeitern und kennt fie kaum, aber der landwirtshaftlihe Arbeitgeber wiki zusammen mit ihnen von Morgens bis zum Abend. Der Haupt- grund für die Anträge ist die Absi&t, einen Keil in die landwirtsh2ft- liche Bevö'kerung zu treiben und Mißstimmung z1 erregen, damit das Bollwerk fällt, das allein imstande ist, gegen staatsgefährlihe Be- strebungen noch festen Widerstand zu leiîten. Die Gesindeordnung halte ich auch für reformbedüiftig, fie ist veraltet, und gegen eine Aenderung hätte ih durchaus nichts, aber eine Schädigung eines Ar- beiters hat durch sie noch nit stattgefunden. Die Bestimmungen stehen lediglich auf tem Papier und werden nicht in Anwendung gebracht, denn die Verkältnisse sind viel stärker als die Bestimmungen. J bin seit 25 Jahren Gemeindevorsteber und habe in dieser Zeit die Gesinde- ordnung mit auszufühten gehabt, ih darf mir also wohl auch ein Urteil darüber zutrauen. Die Bestimmungen über den Kontcaktbruh helfen uns auch nichts, sie sind eigentlih nur dazu angetan, um einmal einen Arbeitgeber, der nicht kameradshaftlid handelt, zu fassen. Lesen Sie jemals, daß ein Knecht mit guten Zeugnissen sih auf ein Fnserat melde! ? Solche Landarbeiter brauen das gar niht, weil sie Arbeit in Hülle und Fülle finden, Jeder Landwirt greift gern zu, wenn er einen ordentlihen Arbeiter bekommen kann, denn die Leute- not ist groß, Hauptfsächli leidet darunter der mittlere und kleine Bauer, der seine Arbett r.iht allein verrihten kann, besonders bet uns in Braunschweig bei der intensiven Bewirtshaftung und dem Nübenbau kann kein fl-iner Besißer ohne Hilfskraft bestehen. Der Grofigrundbesiger i da viel besser dran, êr kann sogenannte Sa(chsengänger, Russen, Polen, nehmen und Schweizer anstellen; diese gehen niht gern in die kleinen Wirtshaften, Im Osten foll ja wieder der Kleingrundbesiß ins Leben gerufen werden, aber den

kleinen Besitzer, dessen Familie jahrhundertelang auf der Scholle sißt und mit ihr verwachsen ist, schaffen Sie niemals wieder, Ih wäre wirkli niht so bange und die nattonalliberale Partei wobl au niht, wenn das Koalitionsreht fiele. Jh sage nicht, daß die Partei auf diejem Standpunkt steht; aber ih würde es nit für fo ängstlih ansehen. Das Zentrum hat von Kautelen gesprochen, die die Einbringung der Ernte sichern sollen; was verstehen Ste unter diesen Kautelen? Wirksam wäre doch nur eine Kautel des Inhalts: In den Sommermonaten darf nicht gestreikt werden, sondern nux die paar Wintermonate. Das wäre aber eine Kautele, die etwas lächerlih wäre und zugleih ein zweishneldiges Schwert. Und follen denn eintretendenfalls die alten Leute auch mitstreiken ? Der Arbeitgeber müßte ja nachgeben; die Neaktion würde im Winter eintreten, da würde es heißen, die höheren Löhne werden wir denen zahlen, die noch leistungsfähig find; die es nicht sind, werden nicht mehr beschäftigt. Dann wird es dahin kommen, daß, wie es auf den großen Wirt'chaften {hon jeßt ist, ländliche Tage- [öhner immer wentger angenommen werden. Bet den mittleren und kleineren Besitzern kann das niht vorkommen, die müssen immer einige läidlihe Tagelöhner durch den Winter mitnehmen. Wir stoßen in Braunschweig jeßt keine alten Leute vor den Kopf; aber das könnte anders werden. (Ruf rcchts: Sind Ste für oder gegen ?) Wa:ten Sie doch ab! (Abg. Dr. Hahn: Jch warte schon so lange!) Die Wohnungen auf dem Lande werden in soztal- politisher Beziehung immer besser, sie sind jeßt vielfah {hon mit Küthe versehen. Wenn die Forderungen des fozialdemok-atishen An- trages angenommen werden, gut, dann würden sämtliche einzelstaat- lichen Geseße umfallen, Die Verhältnisse zw!shen Industrie und Landwirtschaft liegen bezüglich des Streiks sehr verschieden. Bei cinem Streik kommen ganz andere Rücksichten und Vermögens- interessen auf dem Lande in Frage a!s in der Industrie; und das ist au der Grund, weshalb die Partei sih noch nit für die Aufhebung des Koalitionsverbots entschließen kann. Die Gesindeordnung, das wiederhole ih, ist reformbedürftig, diese veraltete Bestimmung sollte auf irgend eine Weise reihsgeseßlich verbessert werden. Die reihs- geseßlihe Krarkenversiherung für die ländlihen Arbeiter muß auch nah unserer Meinung eingeführt werden. In Braunschweig ist sie orts- statutarish vielfah bereits eingeführt; von allen sozialpolitischen Maß- nahmen bat \ch die Krankenversiherung als die segensreihste erwiesen. Auf die Fo: derungen in dem leßten Absaße des Antrages, betreffend Negelung der Zeit, der Art und der Dauer “der Arbeit, kann fi nie- mand einlassen, das ist nur im Winter mözlih; wer das für den Sommer verlangt, der hat von landwirtschaftlihen Verhältnissen wohl keine Ahnung. Die Zuständigkeit des Reiches wird in bezug auf die ganze Frage von unserer Partei nicht bestritten, sie lehnt die reichgeseßlihe Regelung aber zurzeit ab, weil diese noch nicht spruch- reif ist, und die Bedenken dagegen nicht ganz außer acht zu lassen sind. Ferner sind die landesgeseßlihen Erfahrungen der Staaten eist abzuwarten, wo die Koalitionsfreiheit besteht. Für die Ge- findeordnung halten wir eine reihêgeseßlihe Regelung für sehr wünschenéwert ; der Einführung der Krankenversicherung ist unbedingt zuzustimmen.

Abg. Graf Mielzynski (Pole): Wir werden für den Antrag Albrecht stimmen, denn es ist eine absolute Forderung der Gerecktig- keit, daß die ländlichen Arbeiter wie alle anderen behandelt werden. Wir können das desto mehr, weil damit nicht nur eine bisher bestehende Ungerechtigkeit beseitigt wird, scnderna diesen Arbeitern wie den Arbeit- gebern damit nur çcenüßt wird. Die Regelung der Vertragsverhält- nisse zwishen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geht viel bisser und sicherer vor \ih, wenn der Arbeiter organifiert ist.

Abg. Stauffer (wirtsch. Bgg.): Seither war die ländliche Arbeiterschaft für die Sozialdemokratie nahezu unerreihbar ; jeßt foll der Versu gemaht werden, hier Etnkehr zu halten durch Vorschläge, wie sie der Antrag enthält. Die cinzelnen Forderungen desselben, das Verlangen der landesgeseßlihen Vorschriften über Nithtantritt der Arbeit, über Verlassen der Arbeit, über Vertrag8verleßung, Ungehorsam und Widerseßlichkeit , sie alle sind ein direkter Aufreiz mit zum Kontraktbruch. In Bayern ist die Koalition allerdings niht verboten, wohl aber der Kontraktbruch unter Strafe gestellt. Die {on vorhandene Fluktuation der länd- lichen Arbeiterschaft ncch durch den Anz:eiz zum Kontraktbruch zu ver- mehren, dazu können wir uns niht hergeben. Eine Methode, den ländlihen Arbeiter zu halten, ist die, ihm Tantiemen zu bewilligen, ihn am Reingewinn zu beteiligen, eire andere, die bodenständige Arbeiterschaft zu halten, ist die Bewilligung von Mitteln zum Bau von kleinen Häusern. Bald die eine, bald die andere Methode wird im Deutschen Reiche überwiegen ; eines {chickt sich niht für alle, dazu sind die Verhältn'fse zu verschieden. Tantiemen zu gewähren, ist wohl stets ratsam und politisch; riskanter {hon i die Beteiligung am Netngewinn, besonders in s{chlechten Jahren. Auch die Seßhaftigkeit der Arbeiter auf den großen Gütern des Ostens hat zum Teil ihre Bedenken, weil in Jahren von Mißernten und \{chlechten Ernten niht für alle Arbeit vorhanden ist. Im Süden des Deutschen Reichs liegen die Verhältnisse etwas anders, weil die Bevölkerungsdictigkeit größer ist als im Often, und weil wir es dort zum großen Teil mit Kleinbauern zu tun haben. Die Arbeiter haben dort immer die Möglichkeit, zu cinem etaenen Besitz zu gelangen, auf der soztalen Stufe höher zu steigen. Die Sozial- dem: kraten werden wohl selber wen, wie die Ärbeiter und Besißer über ihre Bestrebungen denken: wo der Besiß anfängt, hört die Sozialdemokratie auf. Im Süden besteht die Koalitiontfceiheit für die ländlihen Arbeiter, aber sie kommen kaum in die Lage, davon Gebrauch zu machen, weil dort Streiks nicht voikommen. Ganz anders liegen aber die Verhältnisse im Osten. Wir meinen, daß man es den einzelnen Bundesstaaten überlassen soll, wie sie die Koalitions- freiheit regeln wollen, denn die Verhältnisse sind in den einzelnen Ländern sehr verschieden; das wird auch von liberaler Seite anerkannt. Eine reichsgeseßlche Megelurg könnte die Einzel- staaten veranlassen, die Krankenversiherung obligatorisch eirzuführen, die Regelung im einzelnen aber sollte den Einzelstaaten überlassen bleiben. Wern der fozialdemokratisch- Antiag die Gesundheit der ländlihen Arbeiter fördern will, so sollten die Herren zunächst dafür sorgen, daß die tndustriellea Arbeiter gesund bleiben. Will er abcr die Arbeitszeit normieren, dann müßte auch zunächst für ein normales Wetter gesorgt werden, dafür, daß die Sonne jeden Tag zu derselben Zeit aufs und untergeht. Dann könnte es vielleicht dazu kommen, daß jeder Tag ein Sonntag ist.

Abg. Gothein (fr. Vga.): Es ift ein altes liberales Verlangen, daß auf dem Gebtet des Rechts der ländlihen Arbeiter einheitliches Necht im Neiche aeshaffen wird. Wir begrüßen den \ozialdemokratishen Antrag sympathisch und freuen uns, ihm zuslimmen zu können. Was hat es ermögliht, daß seinerzeit der deutshe Osten besiedelt wurde ? Das bessere Necht ! (Zuruf.) Gewiß trug au der deutsche ttefgehende Pflug dazu bet. Das gute deutshe Recht und die deutsche F'eibeit ist auch der slawishen Bevölkerurg zu gute gekomm-:n. Es gibt hier nur zwei Mittel der Gesundung: eine weitgehende innere Ko*onisation und die Gewährung des Koalitionsrechtes an die ländlichen A: beiter und das Gesinde. (Buri rechts.) Jawohl : Jedem das Seine, aber auch für jeden Freiheit! Der eine Fall allein spricht Bände, daß in Schlesien Arbeiter, die bei ter Dreshmaschine gegen einen Tagelohn von 35 4 täâtig waren, sich zusammentaten und d‘e Arbeit niederleaten, mit G-fängnis, die sogenannten Rädelsführer

sogar zu mehreren Monaten, verurteilt wurden. (Zurufe rets.) ) Daß es Arbeitgeber gibt, de ihre Arbeiter durchaus gut und wohl- |

wollend behandeln, gebe ich gern zu. Es kann jemand konservativ sein bis in die Knochen und troßdem ein guter Arbeitgeber. Wenn man dea Arbeitern 75 - Lohn für den Tag gibt, wird man natürlich

immer mit Arbeitermangel zu kämpfen haben. Ih wünsche das |!

Koalitionsrecht für die Landarbeiter, um gesunde politishe Ver- hältnisse in Ostelbien herbeizuiühren, um politishen Anstand zu

\{afen, worunter ich verstehe, daß man jeden abhängigen |

Arbeiter so wählen läßt, wie es setner politishen Ueberzeugung

entspricht, daß man nicht durch etne aeschickte Aufshihtung der Wahl- |

zeitel kontrolliert, wie jeder gewäh!t hat. Ih möchte Jhnen (rechts)

ins Gedähtnis rufen, was Luther sagte, als das Wort eujus regig

ejus religio bon den Fürsten angewandt wurde. Da ecklarte Luther die alten römishen Tyrannen für harmlose Leute gegenübes den modernen Tyrannen; denn diese versündigten fh gegen das Edelste, was der Mensch habe, seine innere Ueberzeugung. Was Luther damals bezüglih der Religion sagte, hat dieselbe Geltung für die politishe Ueberzeugung. Was Sie jedem industriellen Arbeiter ¡u gestehen, seine Berufsinteressen zu vertreten, die Interessen sciner Frau und Kinder, vie zu sorgen, daß er ein nienschenwürdigeg Dasein findet, das ve en Ste dem ländlihen Arbeiter, und damit zwingen Sie ihn dauernd unter die Knute. Warum soll das was in Süddeutshiand, Frankreich, Italien, Desterreich - Ungarn, was in England, Belgien, Holland mögli, die Koglitions. freiheit der Landarbeiter, in ganz Deutschland nihcht mögli sein2 (F8 gibt dagegen keine Gründe, außer denen, die auch aus gewerb, lihen Kreisen vor zwei Jahren auf der Hauptver'ammlung der Groß industriellen in Mannheim vorgebraht wurden, wo man eiklärte, Sie verleiden urs jede Arbeitsfreudigkeit in unserem Beruf, wenn Ste uns zwingen, mit den Arbeitern zu verhandeln. Dies erinnerte mig an das, was damals, als Stein die Bauernbefreiung durchführen wollte, der pommershe Junker an Fri: drih Wilhelm 111. s{rieh- eWenn man uns fceie Bauern neben unsere Güter sett, wird man uns unsere Schlösser zur Hölle machen.“ Troß der freien Bauern \cheinen Ihnen Jhre S&lösser auch in Hinterpommern nicht zur Hölle ge- worden zu sein, Wollen Sie gesunde Arbeiterverhältnisse auf dem Lande schaffen, so hafen Sie einen gesunden Arbeiterstand, mit dem Sie verhandeln, der menshenwürdig ist, der sih frei fühlt und niht an die Scholle gebunden wird, der in der Lage ist, \cin Recht au) Ihnen gegenüber geltend zu maŸhen. Sorgen Sie daür daß wieder ein genügender Kleingrundbesiß entsteht, g-ben Sie dem Landarbeiter die Möglichkeit, auh einmal zu einer Scholle zu kommen, dann werden Sie auch niht mehr über Arbeitermangel zu klacen haben. Es mag s{chwer sein, hier und da Arbeiter zu bekommen, aber durch die Betbehaltung der Gesindeordnung und das Koalitions- verbot ändern Sie daran nichts. Wenn Sie glauben, daß die Landarbeiter für die Soztaldemokratie noch unerreichbar seien, so täushen Sie sh. Lassen Sie die Lantarbeiter Geweik- haften bilden, die das Interesse der Arbeiter gegenüber den Be- stern vertreten, dann wird man mit der Zeit auch dabin kommen, daß auh hier Tarifverträge eingeführt werden. Den Kontraktbruch verurteilen wir moralisch auf das entschiedenfte, Den letzten Punkt des Antrages hat der Abg. Stauffer lächerlih machen wollen mit seinem Hinweis auf das Normalwetter usw. Der Abg. Stauffer vergißt, daß doch auch für die Gärtnerei einheitlihe Be- stimmungen bestehen; und die Antragsteller werden ebensowenig wie wir hter ein bloßes Schema ohne jede Ausnahme verlangen. Wir nehmen den Antrag an, halten aber dafür, daß vielleicht prak- tisch weiterzukommen wäre, wenn wir thn einer Kommission über- weisen. Die Kommission wird ja unter den obwaltenden Umständen nigt rasch und nicht bald arbeiten, aber son die Pflicht der Courtoisie gebietet diesen Ausweg. So wie bisher kann es auf diesem Gebiete niht weitergehen; wir müssen dahin kommen, das gesamte Arbeiters ret zu kodifizieren.

Abg Dr. Hahn (dkons.): Ih bin längere Zeit tmZweifel cewesen, ob ich mich im Wahlkreise des Abg. Gothein befände, und erst mein Nachbar mate mich darauf aufmerksam, daß wir im Reichstage sind. Seine Rede hat der Abg. Gothein gewiß |schon so und jo oft in seinem Wahlkreise gehalten. Das ist ein ländlicher Wakl- kreis; die Bevölkerung verlangt natürli zuerst von threm Vertreter, daß er ihrc behilflih sei, ein rentierlihes Auskommen zu haben, Ein solches is nur möglih, wenn die Landwir!schaft ihren Mann ernährt. Das ist nur mözlih, wenn die Preise dur die Geseß- gebung und die Zollpolitik entsprehend gestaltet werden. Jn diesem Punkte hat die Partei des Abg. Gothein versagt. In einem länd- lihen Wahlkreise hat ein Herr, wie der Abg. Gothein, von vornherein einen \{chwoeren Stand; es ist mißlich, in einem solhen Wahl- kreise zu kandidieren. Wie bringt man also die Leute dort auf seine Seite? Das hat der Abg. Gothein heute gezeigt. Die Leute müssen danoch zu der Meinung kommen, daß es \{limmere Feinde als die Großgrundbesiger für sie gar nit gebe. Grund und Boden, Klima, Produlte sind in Deutschland außerordentlich ver- schieden. Besondirs parzelliert ist ter Grundbesiß im Westen und Süden; den anderen Teil bildet der niedersähsische Bauernbereid; dem tritt als Drittes der große Bereih des Eroberungs!andes im Osten hinzu. In Niedersachsen galt das Prirzip der Markgenoîen- schaft, im Osten und Nordosten gat es natürlih niht. Diese Ver- bâltnisse sollte ih auch der niedersähsi‘che Abg. Waechhorst de Wente etwas mehr vergegenwärtigen. In dem eroberten Osten haben die Hokbenzollern, soweit sie konnten, eine bauernfreundlihe Politik getrieben, aber nicht überall konnten sie das Bauernlegen verhindern. Nicht rur die Stände, sondern auch die Universität Greifswald hat Bauern gelegt. Die Entœicklung ist eben überall unter den verschiedenen Verbältnissen ganz verschieden gegangen. Der Uebershuß der nordwestlihen Bevölkerung wanderie nah dem Nordosten ab, weil im Westen kein Land mehr vorhanden war; es ift dieselbe Erscheinung wie bei der heutigen Auswanderung. Nur sehr wenige Freisinnige nach der Art des Abg. Gothein wandern aus, um ein besseres Recht zu bekommen; die übrigen wollen ihre Lage verbessern. Die Leibeigensh.ft d.8 18. Jahr- hunderts ist dur harte militärish politishe Notwendigkeit entstanden (Präsident Graf zu Stolberg ersuht den Redner, do näher auf den etgentlichen B T iaeilieceoiais einzugehen). Ich habe bloß einen lezten Versuch machen wollen, den Abg. Gothein zu einer gé“ rehteren Beurteilung der Sache zu bringen. Den Arbeitern wollen wir da, wo sie das Koalitionsreht schon haben, es niht nehmen. Gegen die Koalitionsfreibeit der Seeleute baben auch die Freisinnigen gestimmk. Auch die Einführung des Koalitionsreh1s auf dem Gebiete der Cisen- bahnverwaltunz würde einen Entrüstungssturm in Deutschland hervorrufen, wenn eiwa die Passagiere auf den Eisenbahnen nid! zur rechten Zeit befördert werden könnten. Dasselbe möchte ih in bezug auf die Bergwerke sagen, obwohl vielleicht ein großer Teil der Herren in dieser Beziehung von mir abweiht. Auch die Siche: heit im Bergwerkbetriebe muß dem einzelnen Arbeiter Schranken auferlegen, feine Nehte niht bis aufs äußerste in Au spruch zu nehmen. Vor allen Dinçen aber ist unmögli, das Koalitionsrecht auf die Landarbeiter auszudehnen, wie dies der Kollege Stauffer kla\sisch nahgewiesen hat. Was würden Sie daz! sagen, wenn zu Beginn der Ernte die gesamten deutshen Landarbeitt, durch die Soztaldemokraten verhetzt, auf eine Parole der Aba, Singer und Bebel plöplich die Arbeit einstellen wollten ? Cin Sturm ter Entrüstung würde sich erheben gegen diejenigen Arbeite, die dazu v rleitet wären. Es ist ja auferortentlih leicht, sole Maßregeln zu fordern, aber sie können nicht realisiert werde. Das gilt auch von d-r Stellung der Sozialdemokratie zum Zolltarif, Wenn es nah den Wünschen der Sozialdemokraten gegangen wärt und sämtliche Zölle beseitigt worden wären, so wäre ein allgemeiner Zusammenbrucy der Industrie die Folge gewesen, und es hätte si ein Sturm der Entrüstung in Ihren etgenen Arbeiterkceisen gegen

| Ste erhoben. Mit dem Abg. Gothein bin ih in einem Punkte einig:

Wir befinden uns da, Gott sei Dank, zurzeit im Block, und darum ist et

| gut, daß uns einige Punkte verbünden. Er hat sih zu Gunsten des | fleinen GrundLtesizes und zu Gunsten der Landausfteilung in Vorpommer®

auégesprohen. Cs ist nicht zu verkennen, daß es dort am Ploye fein dürfte, eine Rethe von Domänen zu verkaufen und kleine Ansiedlungen zu mahen. Dagegen hat aber keiner unserer Freunde etwas; gerade

| auf fkonservativer Seite is die Notwendigkeit der Ansiedluns

kleiner Leute und Landarbeiter im Osten immer betont worde!

(Schluß in der Dritten Beilage.)

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

ich rückständigen Meklenburg hat das Domanium seit Häutlereien eingerihtet. In der Nähe von Greifs- Bewegung au eingeseßt und wird fortgeseßt. des Bundes der Landwirte, der Frhr. von der auf dem Gebiet der inneren Kolonisation derer gearbeitet und die richtigen Wege ge- llerdings niht den Weg, den der Abg. Gothein und schlagen, die die Sache privaten Erwerbsgefell-

n dem angebl

wald hat die

E ige gewesen, mehr als îirge

} wiesen hat, a wel reunde Vor

angenheim,

die auf Gewinn arbeiten, überweisen ih bescheinige Jhnen, Absicht niht haben ;

Î Unter meinen

if Fiat e Sie olitishen Freunden g es

L der Arbeiterfrage bien darin erblicken, daß sie die Aufteilung der Güter Sie wollen die Kolonisation ter möglichster Vermeidung von Zwischenhändlern. chafffung besserer Wohnungen für die Land Abg. Gothein einverftanden.

eine ganze

die die Lösung und der Land-

Hand genommen h

arbeiter be- Auch meine eingetreten, mehr und hafen. Aber fo etwas raucht man Kapitaiten,

bin ich mit dem i hen Freunde sind seit Jahren dafür Arbeiterwohnungen auf dem Lande zu it. von heute auf morgen. Dazu an die Landesversiherungsanstalten hierfür in Ans t man vielfa auf Widerstand. n, die auf Grund des Klebegesetes aufgespart den Landesversicherungsanstalten zum Bau von möglichst guten Arbeiterwohnungen nuybar gemacht werden.

Î und wenn man Î nimmt, so ß Ï die enormen

Wir wünschen, daß

J zablreihen und Ih möchte | gebaut sind, diese

Y namentlih die ; Näume zu hab

EGinzelräume Räume erfordern zu viel Feuerung, hätten gewünscht, etwas kleinere Man muß bei dem Bau von Arkbeiter- [lokalen Verhältnisse berücksihtigen. Die Wohnung eines e brauht gewiß viel Luft und Behaglichkeit und Wäcme vor. vorgebracht,

Ÿ wohnungen die ¿ Î Parlamentariers in der Bülowstra

Wahlkreise ungenügend

ihre Leute Dit 1 SFch kann wohl im Namen sämtlicher

i Arbeitgeber E shlecht behandelt ha

J Konservativen,

verurteilen ; um sle gegen uns auszuspielen und die ein größerer so hariherzig wäre. Fch will keine Vorwürfe erheben gegen die sagen zu dürfen, ein so patriarchalishes im besten

Ï Unksliberalen ' deutshen Volke zu Ì Teil der Arbeitgeber der Landwirtschaft N Sate liegt umgekehrt. N Industrie, aber ih glaube,

Osten kesteht,

die Sozialdemokraten würden auf Grund ibrer Theorien von Staat und menschlicher Gesellschaft eine

Aber nah den Berichten, miteinander

verleiten lassen,

Sozialmoral anlassen, besser miteinander umzugehen. wie Sie (zu den Sozialdemokraten) j h will gar nicht einmal von Jhren Parteitagen \prechen —, wie Sie als Arbeitgeber gegen Ihre uns als Vorbild dienen. Die Fälle aber, die der Abg. Gothein angeführt hat, können nur Ÿ Ausnahmen sein, die wir ebenso verurteilen wte er. Y Worte zu dem Abg. Kleye. Ï wählt worden, wir haben i N mit seinen Darlegungen; solange er aus seinen verf Ÿ Mitteilungen mate, haben wir wohl alle das Gefühl geha N fie sehr wertvoll waren. Daß in sehr vielen Fällen die Arbeitnehmer Y den Arbeitgeber fchlechter behandeln als umgekehrt, hat un® der | frühere Abz. Schall nachgewiesen. Ÿ daran, seine Arbeitnehmer zu halten, als umgekehrt. Wenn aber der N Abg. Kleye meinte, daß für den Fall der Einführung des Koalitions- ihre Stellung gegenüber den Arbeitern o paßt dieses

die Menschen besser, werden Sic Noch einige

Gr ist vom Bunde der Landwirte mitge- hn entdeckt ; insofern habe ih ein Mitgefühl önliwen Erfahrungen

Dem Arbeitgeber liegt wehr

rechts die Herrschaft auch Ÿ revidieren und die Arbeiter hinauswerfen könnte, |\ Ÿ Rezept nicht; denn wenn danach gehandelt würde, so müßten die Ge- Ï meinden für die Hinaus8geworfenen eintreten.

Kleye auf das Gebiet der hohen Politik begeben.

rufen, ihm Natschläge zu erteilen, obgleih unsere gemeinsame Zu- Landwirte *

Dann hat sich der Abg. Ich bin nicht be-

h nicht gelungen,

mir klar zu maden, was er eigentlich meinte und wollte, aber v'elleiht an mir. i Ï Antrag der Sozialdemokraten zurzeit abzulehnen sei. Wenn diese „Zeit“ Ÿ genügend in die Länge gezogen würde, dann könnte ich mich ihm an-

\hließen. Die Verhältnisse liegen do in Deutschland sehr verschieden.

Wenn die Nationalliberalen gegen eine allgemeine reichsgeseßliche

Regelung des Koalitionsrechts l ihnen dazu. Es wird dazu beitragen, in einer Reihe von Wablkreisen noch werden halten g möchten wir dem Gesinde und den Land- In etner großen Zahl von Kreietagen ist die Mitwirkung der kon- Auch diese Reich den Einzelstaaten über- n klar darüber werden, e neue Form der Versicherung, Die Einzel- Wir sehen keine Ver-

Eine Krankenversicherun arbeitern gern gönnen,

heute fakultativ zugelassene Versicherung unter serbativen Mehrheit Materie der Gesetzgebung möge das lassen, man möge sich in Preuße obligatorish im ganzen Staat dies die wir begrüßen, einführen will oder welche staaten haben eine sehr vershiedene Meinung.

anlassung, dem Reich die Möglichkeit zu geben, in diesen Zweig der Das preußische Abgeordnetenhaus hat zum leßten der Meinung, Dann aber

in den Kreistagen

Gesehgebung einzugreifen. ) bereits mit der Frage des Kontraktbruchs beschäftigt, Nale im Jahre 1904. Die Mehrheit war

den Kontraktbruch gar niht streng genug

müsen nicht allein die Arbeitnehmer, geber bestraft werden. deren Kreisen durchdringen. meiner politishen Freunde,

Coeotdnetenhauses geblieben.

l harakter des Reiches überzeugt, als ihen Verhältnisse einmishen möchte,

wieder Artikel für den „Tag* schreibt, süddeutshen Verhältnissen ausgehen.

deutshland eine andere Besi ba Landwirtshaft und Industrie. andhabt werden als in Süddeutschland. deutshland einzugreifen, so hoffen wir,

Fu hland möglich\t zufrieden läßt un

een Herr Abg. Müller, es gilt

aufdrängt. Nachdem die Lage der Landwirtf

d der zeitwelligen Geldverteuerung. Neichsbankprivilegs zu reden t die Stimmung n der Zeit

bestrafen kann. sondern auch die Arbeit- Das Gefühl der Solidarität muß auch Das ist die Meinun sondern einer ehrheit des bin zu sehr vom föôderativen daß ich mich in die etnzelstaat- und wenn der Abg. Erzberger dann möge er nicht immer nur Wir haben ir haben den Großbetrieb Es muß eine andere Disziplin ge- Wie wir uns hüten, in Süd- daß man uns auch in Nord d uns nicht die demokratischen das insbesondere au für Sie aft etwas günstiger chwierigkeiten

verteilung, w

m Arbeitermangel un tere wird bei Verlängerung des s aber die Arbeiterfrage anlangt, so geh samten deutschen Landwirte dahin, le gewerbliche Arbeiterschaft darauf

daß es endlih a aufmerksam zu machen, daß

Dritte Beilage

Berlin, Donuerstag, den 21. Januar

sie neben den großen Rechten, die ihr eingeräumt sind, auch Pflichten |

zu erfüllen hat; solange sie sich allen nationalen Anforderungen für Herr und Flotte gegenüber ablehnend verkält, wird sie auch Schwierig- keiten haben bei der Durchseßung threr Standesforderungen. Die großen und kleinen, die katholishen und evangelishen Landwirte sind mit mir darin einig, daß die Einführung des Koalitionsrehts der Land- arbeiter a limino abzulehnen ist. Die Abstimmungen der großen land- wirtshaftlihen Körrerschaiten dürften mir recht darin geben. Nach der Rede des Abg. Gothein hätte man glauben können, daß fämtliche Freisinnigen die Landarbeiterfrage ebenso beurteilen wie er. In feiner Neuen deulshen Wirtschaftspolitik sagt aber der Abg. Naumann, die heutigen Schwierigkeiten in der Landarbeiterfrage stammen aus \{lecht angewandtem Liberalismus. In der konservativen Anschauung darüber liege ein vorwärts drängendes Element, dem si der einfichts- volle Neuliberale niht werde verschließen können. Das Bedürfnis nah einem langfristigea Arbeitsverhältnis, wie es der Abg. Naumann

in seinem Buche als erstreben8wert bezeihnet, empfinden wir {hon | g | bindung mit der ersten Beratung des Geseßentwurfs,

lange. Ich hoffe, daß der Abg. Nauraann an seine Brust {lagen und seinen jeßigen Liberalismus an seine jüdishen Freunde als altes Eisen verkaufen wird.

Abg. Dr. Hoeffel (Reichtp ): Auch wir wollen, daß jedem Arkbeiter Gerechtigkeit widerfährt, daß dieselben Klassen der Gesellschaft dieselben Nechte und dieselbe Freiheit genießen. Aber die Notwendigkeit einer reih8geseßlihen Regelung, wie sie hier in Vorschlag gebracht ist, fönnen wir nit einsehen. Man kann nicht shablonisieren und die Bestimmungen für die gewerblichen Arbeiter auf die Landatbeiter und das Gesinde übertragen. Für die Durchführbarkeit der leßten Forderung des Antrags hat der Abg. Stadthagen uns den Beweis nicht erbracht. Für die Landarbeiter is eine solhe Regelung einfa eine Unmöglich- keit, sie inr aber auch nicht notwendig. Die Arbeiter auf dem Lande

sind im großen und ganzen mit threr Lage zufrieden, sie kommen }

vorwärts, und es gibt wenige unter ihnen, die kein Sparkassenbuch

haben. Sie haben auh gar kein großes Verlangen nah dem | nicht das geringfte zu tun haben. Anscheinend hat den Hezrn Vor-

so wenig geschüßt, als das des Landwirts; seine Ernte liegt unter | redner der Wunsch geleitet, sich dem hohen Vause in Be Gr- freiem Himmel, eine Stunde kann ihn um den vollen Ertrag | innerung zu bringen für den Fall, daß nah dem Beschluß der Wakhl- | prüfungsfkommission wir auf das Vergnügen verzichten müssen, die

Koalitionsrecht geäußert. Es scheinen bei den Antragstellern ganz andere Momente, es zu veclangen, vorzuliegen. Kein Eigentum ist

seinec Arbeit bringen. Was bleibt ihm übrig, wenn dazu noch die Freiheit für seine Arbeiter tritt, die Arbeit niederzulegen? Man

darf da doch nit zu weit gehen. An den s{lechten Löhnen liegt es | x i i E 1A R abo E Lag ai Arbeiter nicht zu ha!ten sind, wentostens nit in den | demokraten: Warten Sie ab!) (Glocke des Präsidenten.) Reichslanden. Ih befürchte, daß aus der Koalitionsfreiheit eine | | : Koalitionsunfreiheit, ein Koalitionsterrorismus werden wird. Würden | ih andeuteie, mit dem Etat garnichts zu tun haben. Jch versage es Sie (zu den Sozialdemokraten) darauf veizihten, diese Freiheit |

für Ihre Sonderinteressen zu gebrauchen, dann würde fi darüber

qi

reden lassen, langsamen Schrittes, maßvoll diesen Fordecungen |

Rechnung zu tragen; sonst wäre das ein Danaergeschenk. Abg. Herold (Zen1r.): Jh werde mich stceng an die Sache halten

behandelt. Unzweifelhast leiden unter den gegenwärtigen Verhältnissen die ländlihen Arbeitgeber am allermeisten. Die reihsgeseliche Nege- lung der Gesindeordnung is eine alte Zentrumsforderung ; die be-

stehenden Gesindeordnungen enthalten viele veraltete Bestimmungen, die !

unter den heutigen Verhältnissen nicht mehr zu balten sind, wie das }

Züchtigungsrecht und ett 29 Sl gus der L DgPuaa heraus | ; i is läângit obfolet geworden it. In Slhaß- f. L E E S

Gd ua Be eatbera had Gesindeordnuitgen in Geltung, die | demokratie gesprochen (sehr rihtig ! rets), und ih befircite dem Heren

für die reihsgeseßlihe Regelung sehr wohl die Grundlage bilden können. ! l

i | im allgemeinen aufzutreten. Das Gros unserer deutschen Arbeiter steht

Auch auf dem Gebiete der Bestrafung des Kontraktbruches ist dringend zu wünschen, daß tein Unterschied zwischen industiiellen und landwirtschaftlihen Arbeitern besteht ; das liegt {on im Interesse der Arbeitgeber. Durch Strafbestimmungen können die landwirt-

aftlichen Arbeiterverhältnisse niemals günstiger gestaltet werden; | nah ter rechtlichen Seite dürfen die ländlichen Arbeiter nit |

\chlechter gestellt werden als die gewerblichen. Würden _- die Vorschriften der Gewerbeordnung auf die Landwirtschaft über- tragen, so hätten die ländlihen Arbeitgeber einen weit besseren Schuß gegen Kontraktbruch als heute, denn es kann wenigstens eine Buße von einem Wochenlohn beansprucht werden; es käme also darauf an, diese Bestimmung zweckentspredend auf die landwirtsaft- lihen Verhältnisse zu übertragen. Das Verleyzende der kriminellen Bestrafung wäre dann doch in Wegfall gebracht. Das Koalitions8-

recht betreffend hat das Zentrum stets unabänderlich den- | selben Standpunkt eingenommen und ihn niht gewe@hselt, worüber |

selbst der Abg. Stadthagen orientiert sein müßte. Bei rubiger Er- wägung wird man erkennen, daß auch für die landwirtschaftliche Bevölkerung keine nennenswerien Befürchtungen bestehen, wenn das

Koalitionsrecht gewährt wird. Das Gese von 1854 hebt es nur für j

die damaligen preußischen Provinzen auf, in den neuen Provinzen be- steht es, auch in Hannover, dec. Heimat des Abg. Hahn, der eben

dieses Necht so sehr bekämpft hat. Liegen denn die Verkbältnisse für } y L L Rur ; 2 elite clas Deli Gro o Landwirtshaft in den neuen preußishen Provinzen schlechter | verstand si das von selbst, weil in jenem Zeitpunkt eine viel chârfeze

als in den alten? Keineswegs. Der Landarbeiter ist heute so weit entwidelt, daß er nicht untershiedlih gegen andere Arbeiter behandelt werden will. Es ist eine kurzsichtige Politik, den landwirtschaftlihen Arbeiter dadurch an die Scholle zu fesseln, daß man ibn in der Koalitionsfreiheit beschränkt. Auf die Dauer wird ihm dieses Recht niht vorenthalten werden können. Auch bei dem Streikrecht wird man ja die besonderen landwirt» schaftlihen Verhältnisse mit berücksihtigen können; das könnte in etner Kommissionsberatung gründlich geprüft werden. Auch in Süd- deutshland besteht das Koalitionsverbot niht, auch niht in Bayern. Was jetzt in Bayern verboten ist, ist nur das Streiken, um günstigere Arbeitsbedingungen zu erlangen. Selbst auf Grund der hierher ges hörigen Bestimmungen des Geseßes von 1594 find Bestrafungen faum je vorgekommen. Dem Verlangen der reichêgefeßlihen Einführung der Krankenversiherung für diese Kategorien stehen wir ebenfalls }ym- pathish gegenüber. Die Stimmung geht immer mehr dahin, auch für die Landwirtschaft zwangsweise die Versicherung einzuführen, wenn sih au noh manche Kreise, auch Arbeiterkreise, dagegen sträuben. Die Forderung in Nummer 4 des Antrages is außerordentlih schwer zu erfüllen ; die Landwirtschaft verträgt eigentli k.inen VMarximalarbeitstag Fin- verstanden sind wir damit, daß keine übermäßige Arbeitszeit besteht, daß die Gesundheit nicht darunter leiden darf ; hier werden sich die moderneren Anschauungen shon von selbst durchsezen. Wie gro® die Schwierigkeit ist, die hier vorliegt, gibt au der sojzialdemo- kratishe Abgeordnete David in feinem Buche über die land- wirtshaftli#e Arbeiterfrage zu; da sieht man doch, daß auch die Sozialdemokraten wenigstens zum Teil fo vernünftig sind, das anzuerkennen. Auch für die Sittlichkeitsforderungen treten wir ein, wenn wir diese auch anders verstehen als der Abg. Bebel. Auch wir halten für angebracht, hier darau! hinzuweisen, daß schon 1866 die preußische Regierung den § 3 des Gesetzes von 1854, die Be- \strafung des Kontraktbruhes, aufheben wollte. Noch heute aber be- steht diese Bestimmung in Kraft. Wir beantragen, den Antrag Albrecht und den unseren an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu

verweisen.

Hierauf vertagt sih das Haus.

Jn persönlichen Bemerkungen seyen _sih die Abgg. Gothein (fr. Vgg.) und Dr. Hahn (d.-kon}.) nochmals auss einander.

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staaksanzeiger.

1909.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sißung Donnerstag 1 Uhr. (Jnterpellationen Albrecht (Soz.) und Brandys (Pole), betreffend die Handhabung des Vereinsgeseßes.)

Preußischer Ländtag. Haus der Abgeordneten. 16. Sißung vom 20. Januar 1909, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sigung, in der die erste Beratung der Geseßentwürfe, betreffend die Feststellung des Staatss- haushaltsetats für das Etatsjahr 1909 und die Er- gänzung der Einnahmen in diesem Etat, in Ver-

betreffend die Deckung von Ausgaben des Rehnungs- jahres 1907, fortgeseßt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Auf die daselbst im Auszuge mitgeteilten Ausführungen des Abg. Heimann (Soz.) erwidert der

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Der Herr Vorredner hat tausend und einen der beterogensten Gegenstände in feiner Rede behandelt. Er ist niht nur auf die Kanal- verhandlungen des Jahres 1899, auf die Zollverhandlungen des Jahres 1893, sondern sogar bis auf die Wahlen des Jahres 1861 zurüd- gegangen, Dinge, die, glaube ih, auch bei der woblwcllendsten Inters- pretation mit dem Entwurf des Staatshaushalts für das Jahr 1909

Herren demnächst hier wieder zu sehen. (Zurufe bei den Sozial- Ich muß es ablehnen, auf alle diese Dinge einzugehen, die, wie mir daher, auf die Frage der Rückständigkeit Preußens, des Wohnungs-

gesetzes, der Gesindeordnung und die, wie ih wohl sagen fann, dur Sa(hkenntnis niht getrübte Behauptung einzugehen, daß bei uns in

! Preußen ein Haß der Regierung gegen die Selbstverwaltung bestehe. und keine weitabs{hweifenden Reden! wic andere Redner vorbringen. | Nur in einem Punkte muß ih allerdings der Behauptung des Herrn Bon unserer Seite liegt ein Antrag vor, der die Materie ebenfalls } | Arbeiter mit der Sozialdemokratie. Er e:klärte, der Herr Reichs-

Vorredners durhaus widersprehen, das war die Identifizierung der

fanzler habe gestern eventuell ein Ausnahmegeseß gegen die Arbeiter angekündigt. Das is dem Herrn Reichskanzler niht eingefallen, sondern ex hat nur von der in der Zukunft vielleiht fi ergebenden Notwendigkeit einer Versiärkung der Schußpmiit:l gegen die Sozial-

Vorredner das Recht, ircendwie hier als Anwalt der Arbeiterklafse

nicht binter Ihnen, sondern h!nter den anderen Parteien, die bier im Hause sitzen. (Sehr richtig! rechts.) Im übrigen gehe ih au? alle die Punkte nicht ein und halte es nur für meine Pflicht, einige von dem Herrn Vorredner aufgestellte Behauptungen zifernmäßig zu widerlegen, damit tie Brunnenvergiftung, die sowieso draußen im Lande vor sich gehen wird, niht noch dadur eine Verstärkung erfährt, daß mit der Be- hauptung opertert wird, die Regierung habe die von dem Herrn Vor- redner aufgestellten Behauptungen unwidersprochen gelafsen.

Der Herr Vorredner ist davon ausgegangen, daß ein Vertretung8- Förver wie das Abgeordnetenhaus naturgemäß nur seine eigenen Inter- essen wahrnehmen könnte, und daf es also cia Klas}

Das Abgeordnetenhaus bade der Reform unserer

nur zugestimmt gegen den Erlaß der Gebäude- und &

muß das hohe Haus dagegen in Schuß nebmen, daß bei dem Ein- kfommensteuergeseß von 1891 Klafseninterefsen mitgespieslt hätten, und daß die Interessen der arbeitenden Klassen nicht genügend berüdfiZtigt seien. Wenn die Grund- und Gebäudesteuer erlassen worden ist, so Einkommensteuer, insbesondere die Selbstdeklaration, eîngefudrt wurde und vor allen Dingen die Vermögenésteuer, die an die L telle der Grund- und Gebäudesteuer trat.

Der Herr Vorredner hat fih ferner zu der Behauptung verstiegen, die Arbeiter trügen bei uns den größten Teil der Lasten ¡u Gunsten der Reiten. Nun, unsere ganze steuer» lie Entwicklung in den leyten Jahren und Jahrzehnten ist doch genau in der gegenteiligen Ri&#tung gegangen. *(Sehr ridtig!)) Wir haben unsere ganze Steuergesezgebung immer mehr dem Grundsaß angepaßt, die Last auf die leistungsfähigen Schultern zu legen und die minder leistungsfähbigen Klassen zu entlasten. Wir haben zuerst die alte Klafsenfteuer aufgehoben, wir haben dann die Grenze, bei der die Steuerpfliht anfängt, bei 900 gesept, wir haden das Kinderprivileg eingeführt, meine Herren, was jeßt s@on 10 Millionen an Steuererlassen do gerade für die arbeitenden Kreise im allgemeinen bedeutet und was nach den Beschlüfsen der Kommission um weitere 6 Millionen etwa verstärkt werden soll. Die Gntwicklung ift also stetig dahin gegangen, die arbeitenden Kreise zu entlasten.

In welchem Maße das der Fall gewesen ist, wollen Sie aus folgenden wenigen Daten ersehen. Wir baben in Preußen eine Be- völkerung von rund 38 Millionen, ron denen nicht weniger als 90 Millionen Köpfe glei 5209/0 der ganzen Bevölkerung im Jahre 1908 vollkommen steuerfrei waren. (Hört, bört!) Aber weiter, meine Herren, von den verbleibenden find nit weniger als 16 Millionen glei 429/06 în den niedrigen Steuerstufen von 900 # bis 3000 M veranlagt. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Is ditte, mi nicht zu unterbrechen. Ich wiederhole: von den 38 Millionen Köpfen sind 36 Millionen Köpfe entweder ganz steuerfrei oder in den Steuerstufen von 90 bis 3000 4 eingeschäut, sodaß also 2 Millionen Köpfe glei 5,9% dex Bevölkerung übrig bleiben, die nicht weniger als 669% der gesamten Einkommenfteuer aufbringen. Aber weiter: wenn Sie bis zu den Zenfiten über