1909 / 41 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 17 Feb 1909 18:00:01 GMT) scan diff

können wir die Güterwagengemetins{haft freudig e, Wir werden durch sie weit eher zu einer allgemeinen Gemeinschaft kommen. Dasselbe wie der „Vorwärts* erlebt auh der „Simplicissimus“ und andere Produkte unserer modernen Literatur. Sobald da einem Ge- heimrat einmal etwas nicht gefällt, kommt man mit Polizeimaßregeln und fuht ich will einmal fagen die Bildung des deutschen Volkes in politisher Richtung zu beeinflussen. Im Augenblick sind die Freisinnigen ja von solchen Maßregeln befreit. Aber die Derr, lihkeit der Welt vergeht manchmal schneller, als einzelne. Herr- schaften denken. Desha!b freue ich mich, daß der Abg. Storz die Behandlung des „Vorwärts“ hier berührt hat. Merkwürdig aber finde ih die Tatsace, daß dieselben Buchhandlungen, denen die Verbreitung des „Vorwärts* unterfagt ift, die Schundliteratur des Nick Carter und Sherlock Holmes führen dürfen. Wenn einmal die Bahnhofszensur ausgeübt werden soll, dann würde es im Volke mehr verstanden werden, wenn man solchem Schund zu Leibe rückt und das Menschliche, nicht das Politische in den Vordergrund stellt. Was den preußish- hessishen Eisenbahnvertrag betrifft, so sind die Meinungen über die finanzielle Bedeutung au nicht mehr so, wie sie ursprünglih waren. Man fängt in Hessen an, außerordentli bedenklich zu werden. Fch warne alle anderen deutshen Staaten, einen solchen Vertrag mit Preußen abzuschließen. Preußen hat Me dee neunziger Jahre den Verkohr derartig von der hessishen Ludwigsbahn abgeleitet, daß, als die Frage der Verstaatlihung an uns herantrat, zwar ein verhältnis- mäßig niedriger Kaufpreis erzielt wurde, aber gleihzeitig au eine Tilgungsziffer herauskam, bei der wir Hessen die Hineingefallgnen waren, fo bedenklich hineingefallen sind, daß, wenn wir eine Zeit der Krisis wie der gegenwärtigen länger durchmachen müßten, für unseren Staat geradezu gefährliche Zustände herbeigeführt würden. Unser Hauptvoranschlag für 1909 \{chließt hinsihtlih der Eisenbahn: einnahmen fo unglücklich ab, daß wir gezwungen sind, den ganzen Reservefonds, der in dem Ausgleihfonds steckte, auszunußten, .um eine Steuererhöhung von 20 bis 25 9% zu vermeiden. Das it eine Folge der unglücklihen Quote, die man uns als Teilungsziffer zu- erteilt hat bei der Aufstellung des Vertrages vom 9. Fuli 1895. (Zuruf des Abg. Freiherrn von Gamp: Heben Sie den Vertrag doch auf!) Ich habe Ihnen schon früher erklärt, daß wir sehr vergnügt sein würden über die Auftebung. (FreiherrvonGa mp: Wirauh !) Wir wollen aber nit von Preußen los solche Partikularisten sind wir nit —, fondern wir wollen, daß dem kleinen Bruder wird, was ihm gehört, nämlich 3 9/9 statt der jeßigen 2 9/0. Der Abg. von Gamp vergißt, daß der Vertrag leider niht einseitig aufgehoben werden kann. Wir werden im Landtag niht aufhören, immer wieder auf die Benachteiligung Hessens hinzuweisen und 1% mehr zu fordern, was für uns 2 611 0009 4 ausmaht. (Präsident Graf zu Stolberg: Sie ent- fernen sih vom NReichseisenbahnamt vollständig; das Reichs- eifenbahnamt hat keinen Einfluß auf diesen Vertrag.) Mein Vortrag foll dazu dienen, daß das Netichseisenbahnamt uns be- hilflich ist, von neuem mit Preuß!n auf einer vernünftigen Bafis zu verhandeln. Solche einshneidenden Verträge zwischen iwei Bundes- staaten auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens müssen auch zur Kenntnis des Reichseisenbahnamts kommen, und ih unterstelle, daß das bisher niht geshehen ist. Ich will aber nicht auf alle Einzelheiten eingehen, sondern nur feststellen, daß in den 10 Jahren das kleine Land Hessen 33,8 Millionen Mark weniger bekommen hat, als es hätte erhalten müssen. Es wäre sehr am Plaße, wenn man dur die Intervention des Neichseij)enbahnamtes dazu käme, an eine Aenderung des Vertrages heranzutreten. Wir können ja in Hessen nicht einmal mehr eine Haltestelle so an- legen, wie es das lokale Interesse erfordert. (Der Präsident erfuht den Redner, si kurz zu fassen und nicht \ich in Details zu verlieren, die mit dem Reichseisenbahnamt in keiner Verbindung mehr stehen.) Ich gebe zu, daß diese Haltestellenfrage hier nit her gehört, aber ih hatte sie auch nur vorgebraht, um einen eleganten Uebergang zu finden. Im vorigen Jahre hat der räsident des Reichseisenbahnamts auf meine Klagen über die Unzulänglichkeit des Bahnhofs Offenbach eine längere Entgegnung gemacht. Aber noch bis heute ist nchts zur Abhilfe geschehen; ih lenke daher seine Auf- merksamkeit nochmals auf diese gefährlihen Zustände, die unter allen Umständen beseitigt werden müssen.

Wöürttembergisher Ministerialrat Shleehauf: Ich weise den Ausdruck „Schmiergeld", den der Abg. Pichler gebraucht hat, namens meiner Regierung mit Entschiedenheit zurück.

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Die große Mehr-

zahl der Bewohner Hessens freut \ich, daß das Land în der Lage !

war, diesen für uns sehr erfolgreihen Vertrag abzuschließen. Wie eine Aenderung dieses Vertrages herbeigeführt werden soll, ist mir unverständliß; will man eine Revision berbeiführen dur die Aufhebung, fo fürchte ih, daß diese Revision fehr zu unseren Un- gunsten ausfallen wird. Wenn der Abg. Ulrich behauptet, die preußische Regierung habe \. Z. eine ungünstige Teilungsziffer auf dem Um- wege über die Main-N- ckarbahn herbetgeführt, fo hätte sich dr

an diesem Umwege auh die hessishe Regterung beteiligt. J

kann mich den gestrigen Ausführungen des Abg. Grafen Oriola nur ans{ließen. Das hessishe Schienenneß brahte vorher jährli ein Defizit; hätten wir das Abkommen mit Preußen niht, so wären wir gar nicht in der Lage, die Kulturaufgaben zu erfüllen, die auch unferem kleinen Lande gestellt sind. Die Zweite Kammer hat uns mit Nebenbahnen füc 40 Millionen beglückt, die fast alle keine Rente

abwerfen. Wie gerade der Abg. Ulrich von seinem politishen Stand- !

punkte den Vertrag bekämpfen kann, verstehe ih nit, denn er hat gerade für die Arbeiter die segensreihsten Folgen gehabt. Wir empfinden geradezu Preußen ge;enüber das Gefühl der Dankbarkeit für den Vertrag. Ich habe die Arbeitszeit meiner Arbeiter verkürzen können, weil die Verwaltung die Züge fo gelegt hat, daß \ich eine [eie Maßregel ermöglichen ließ. Die heutige Kritik ist ohne jede nterlage geübt und muß cinen ganz falshen Eindruck über die Stimmung im Lande dem Vertraae gegenüber hervorrufen.

Abg. Freiherr von Gamp (Rp.): Jh würde die Wirkung dieser ebenso loyalen wie von Sachkenntnis zeugenden Ausführungen ab- schwächen, wenn ich mich noch besonders dazu äußerte; ih verzichte deshalb aufs Wort.

Abg. Storz (Volksp.): Das Wort „Schmiergelder“ ist von dem Vertreter Württembergs zurückgewiesen worden. Auch ih lege als Reichstagsmitglied Verwahrung gegen die Unterstellung ein, als ob es sich um einen unmoralischen Vertrag ge- handelt hätte. Die Ausführungen des Abg. Ulrih über den preußisch - hessishen Vertrag erscheinen mir nicht gerechtfertigt. Wenn der Vertrag auch marhe Mängel aufzuweisen hat, so ist doch nicht zu bestreiten, daß Hessen dabet ein gutes Geschäft gemacht hat. Die Regelung der Bahnverhältnisse der Stadt Leipzig ent- spriht den Interessen Bayerns. Der Abg. Pichler hat in der Art der C rie gegen mich polemisiert und die Württemberger Zuggeshwindigkeit läherlih zu machen gesucht. Er ver- gißt dabei zu erwähnen, daß die bayerische Eisenbahnverwaltung gerade die mittelalterlich interessanten Städte vernachlässigt. Der Abg.

ihler verspottet den Eisenbahnidealismus und sehnt die Zeit der Postkut zurück. Jch kann mir denken, daß der Abg. Pichler im Grund einer Seele wünscht, daß diese ganze moderne Umwälzung nicht ge- kommen wäre.

Abg. Stolle(Soz.) bleibt dem Präsidenten des Neichseisenbahnamts gegenüber bei seiner Behauptung stehen, daß die Eisenbahnbetriebs- infálle sih vermehrt haben, auch relativ, und daß die Eisenbahn-

arbeiter einen übermäßigen Tagesdienst haben. Ec habe das Ver- traven zu dem Präsidenten, daß er der Sache nahgehen und Abhilfe hafen werde. Der Wirkungskreis des Neichseisenbahnamts sollte erweitert werden. Besondere Aufme!k samkeit verdiene der Mangel an Zugpersonal bei den \ähsischen Bahnen. Eine Vermehrung dieses Zugpersonals sei notwendig zur Bewältigung des Dienstes der IV, Klasse und des Sonntaçsverkehrs.

Abg. Dr. David (Soz): Ich muß den Ausführungen des Abg. von Heyl entschieden widersprehen. Er meinte im Namen der großen Mehrzahl des hessishen Volks sprehen zu können. Worauf fügt er diese Meinvng? In der Ersten Kammer ist

die große Mehrheit des hessischen Volkes nicht vertreten.

Wenn er von etner allgemeinen Dankbarkeit des hessishen Volkes spra, so weise ich ihn darauf hin, daß in der Zweiten Kammer eine ganz andere Auffassung zum Ausdruck Mgen ist. Ih stelle fest di außer der Sozialdemokratie, hinter der doch ein sehr großer Teil des hessishen Volkes steht, die Vertreter der Freisinnigen wie des Zentrums und auh verschiedene Bauern- bündler in die Klagen über diese Zustände sehr lebhaft ein« gestimmt haben. Wir waren dafür, daß der hessishe Staat die Privatbahnen übernehmen soll, aber es ist falsch, wenn man nun die Zustände vor und nach ‘der Verstaatlichung vergleiht und das, was dur die Verstaatlihung besser geworden ist, als einen Erfolg der Gemeinschaft mit Preußen hinstellt. Das hessishe Eisenbahnneß war ein überaus wichtiges Zwischenneh, und die Gemeinschaft hätte wie mit Preußen ebenso gut mit anderen, süddeuishen Staaten zustande gebracht werden können. Auch der Abg. Freiherr von Heyl hat es niht unternommen, das Zahlenmaterial des Abg. Ulrich zu ershüttern. Die hessische Bevölkerung ist niht 2, sondern über 3 °/% der preußishen. Des- wegen hätte die Quote 3 9% betragen müssen. Daß ein Vertreter des hesfischen Volkes, wie der Abg. Freiherr von Heyl, damit einverstanden sein kann, daß dieses {were Unrecht in Permanenz erklärt wird, ift mir unbegreiflich. Der Gedanke einer Revision ist berehtigt, aber von Free ist Gerechtigkeit niht zu erwarten. No s{limmer wie wir lind ja die thüringishen Staaten von Preußen benachteiligt. Preußen müßte es als Ehrensache ansehen, daran mitzuarbeiten, daß diesen Verhältnissen ein Ende bereitet wird. Namentlich für die national- liberale Partei, die sich ja doch die nationale Einheit und die nationalen Gesichtspunkte zum Leitstern ihrer Politik macht, müßte es das Ideal fein, den Gedanken der Reichseisenbahngemeinschaft zu propagieren. Das wäre der einzige Weg, auf dem wir zu annehm- baren Zuständen gelangten.

Abg. Dr. Pichler (Zentr.): Es tut mir aufrichtig leid, daß mir das Wort „Schmiergeld“ in den Mund gekommen ist. Es ist mir nicht eingefallen, unsere lieben Nachbarn irgendwie kränken zu wollen. Württemberg ist bei Abshluß des Vertrags sehr gut weggekommen. Es ist sehr reihlich entschädigt. Hier im Reichstage hat gerade der Abg. Gröber, bekanntlich etn Württemberger, Klage darüber geführt, daß die Reihspostverwaltung einen von ihrem Standpunkt aus so ungünstigen Vertrag mit der württembergischen Postverwaltung abgeschlossen habe. Jh meine, in einer folchen Klage eines württembergishen Abgeordneten liegt die \{ärffte Kritik, die man dem Vertrage zuteil werden lassen kann. Die preußische Eisenbahn- verwaltung is allerdings \{chuld daran, daß der Verkehr Berlin - München über Leipzig um so viel langsamer geführt wird als über Halle. ch weiß nihcht, worin die Gründe dafür liegen, aber wir hoffen nach wie vor auf Abhilfe. Wenn der Abg. Storz sih über die Vernachlässigung der kleinen Städte in Bayern beshwert hat, so möchte ih ihn darauf hinweisen, daß die kleinen Städte do nur das Vergnügen haben, die Schnellzüge vorbet- fahren zu sehen. Rothenburg und Dinkelsbühl haben ja etne Lokal- bahn. Wir haben den Wuns, daß diese Orte besucht werden, es gibt wenige, die so wie Rothenburg thre Baudenkmäler sich erhalten haben. Der Abg. Storz hat mir unterstellt, ih wünschte die Zeit zurück, wo man im Postwagen gefahren ist. Mir ist es die größte Qual des Lebens, in eirem Post- wagen zu fahren. Bet dem Liede „Das Wandern ist des Müllers Lust“ habe ih nihcht daran gedacht, daß der Müller die Postkutsche oder die Eisenbahn benußen soll. Wir können es mit jedem anderen Lande, was den Verkehr anbetrifft, aushalten, auch wenn Bayern etnen {chwarzen Verkehrsreferenten hat.

Abg. Storz (Volkspy.): Gegenüber dem Kollegen David erwidere ih, daß Unbeteiligte den Eindruck haben, daß Hessen bei dem Vertrag ein au8gezeihnetes Geshäft gemaht habe. Jch habe au niht empfohlen, daß für Württemberg oder einén anderen Staat der Vertrag einfach kopiert werden foll. Mit Befriedigung nehme ich Akt von der Richtigstellung, die der Abg. Pichler bezügliß des von ihm ge- brauchten Ausdrucks hat eintreten lassen. Daß der Schnellzugs- Le über Leipzig nah München beschleunigt wird, wünschen auch wir.

Abg. Preuera Depl ¡u Herrnsheim: Als Fürst Bismarck das Neichseiscnbahnprojekt betrieb, waren gerade die süddeutshen Staaten dagegen, was wir in Hessen sehr bedauert haben ; ih weiß also niht, weshalb gerade die Nationalliberalen von dem Abg. David jeßt \harf gemaht werden follen. Jch habe auch nicht erklärt, namens der Mehrheit der hessishen Bevölkerung zu sprechen ; ih weiß auch nicht, woher der Abg. David den Auftrag hatte, namens dieser Mehrheit zu sprehen. Die Konvention mit Preußen hat erft er- mögliht, daß die hessischen Bahnen in genügend brauchbaren Zustand verseßt werden konnten. Die unrentablen Nebenbahnen bätte Hessen allein überhaupt nicht bauen können. Man muß diese Verhältnisse kennen, wenn man ein Urteil über die Sache haben will.

Abg. Ulrich (Soz): Ich ersuche die Kollegen aus den süd-

j deutschen Staaten, sich tem Vertrage niht anzuschließen, denn

sie bekommen dann Firanzverhältnisse, wie sie bei uns find, wo die Finanzmänner mit Angst daran denken, daß nächstens 20 oder 29 % Steuern mehr erhoben werden müssen. (Zwischen- ruf.) Ja, Herr von Heyl, Ste haben ja Gelegenheit, mitzusparen. Wo Sie sparen wollen, ist nichts zu sparen, und wo wir sparen wollen, bei Heer und Marine, wollen Sie nit sparen. Der Abg. von Heyl hat gar nit versucht, die von mir angeführten Ziffern zu ershüttern. Er sprach von einem glänzenden Geschäft, wir hätten 3 Millionen mehr Einnahme, als wir zur Verzinsung der Eisenbahn- {huld usw. nötig hätten. Der hessis@e Finanzminister Gnauth hat in der hessischen Kammer selbst zugegeben, daß wir diesen Vebers{chuß nur haben, weil wir eine Schuldenwirtshaft treiben; wir leben von unseren Schulden, Wir amortisieren nur mit 3/5 9/0, wir müßten eigentlich 2 9% tilgen, und dann haben wir tatsählich nichts übrig, wenn wir große Einnahmen haben. Geht aber die Ginnahme zurück, dann langen die Einnahmen nit mehr, um die Schulden zu tilgen. Ich bestreite, daß wir niht mit Preußen zu einer Verständigung kommen können, um mehr zu er- reichen als die 2 9/6.

Abg. von Brockhausen (dkons.): Als Mitglied der Kommission zur Beratung des Staatsvertrages mit Hessen kann ih nur sagen, daß wir nur shweren Herzens dem Vertrage zugestimmt haben, und zwar deswegen, weil Preußen dem engbefreundeten Staate Hessen in seiner finanziellen Kalamität beispringen wollte. Es wäre mir interessant, auh die Ansicht des Präsidenten der weiten hessischen Kammer zu hören, den ich auf seinem Platze sehe. Wir find in unserer Ctatsberatung noch sehr weit zurück. Vkielleiht wäre zu erwägen, ob es niht rihtiger wäre, wenn die hessische Regierung sih mit der preußishen in Verbindung seßte, um den Staatsvertrag zu lösen. glaube, daß die preußische Regierung sehr gern darauf eingehen würde. Ob das allerdings im Interesse des hessischen Staates wäre, lasse ih dahingestellt. Sehen Sie sih die Verhältnisse in anderen Provinzen Preußens an. Die Provinzen haben viel mehr getan für die Eisenbahnen als der hessische Staat. Ih möchte anheimgeben, daß die Bundesstaaten unter fih eine Regelung treffen.

Abg. Haas (nl.): Die unrentablen Nebenbahnen, die wir bereits bis zur Höhe von 40 Millionen bewilligt hatten, hätten wir tatsählich nit bauen können, wenn nicht inzwishen der Staatsvertrag mit Preußen gekommen wäre, der hat es uns erst ermöglicht. Db wir bei etner Revision wteder so gut abshneiden würden, wissen wir nicht. Jch kann versichern, daß die nattonal- liberale Fraktion in der Zweiten hessishen Kammer dem Ver- trage zugestimmt hat, weil fie in ihm den erften Schritt zu einer Fre rGbellenbahngemeinsGast sah. Das war das auós\chlaggebenve

oment.

Abg. Ulrich (Soz.): Auch der Präsident der Zweiten hessischen Ständekammer Haas ist niht in der Lage gewesen, die von mir gegebenen Ziffern zu erschüttern.

Abg. Köhler (D. S Es ist wohl vieles besser geworden in dem Eisenbahnwesen Hessens; aber als ih 1890 in die

Kammer eintrat, hatten wir 39 Millionen Uebers{chüsse, und j haben wir 300 Millionen Schulden. Wir haben dabet z. B. aus unserer Tasche allein für den Darmstädter Bahnhof 10 Millionen zuzuschießen gehabt. Das ganze hessishe Volk wünscht, daß man endiih einmal zum System der Reichseisenbahnen kommen sollte Hessen hätte sh der Idee der Gemeinschaft gegenüber energischer abweisend verhalten sollen; dann wären wir vielleicht weiter gekommen.

Damit {ließt die Diskussion.

Das Gehalt des Präsidenten wird bewilligt und die von der Kommission vorgeschlagene Resolution mit schwacher Mehr, heit angenommen.

Den Rest des Etats für das Reichseisenbahnamt erledigt das Haus nach den Kommissionsanträgen, wonach an einzelnen Titeln kleine Abstriche erfolgen sollen.

Die Ausgaben „für Veröffentlihungen des Reichseisen- bahnamts“ werden nah kurzen Bemerkungen der Abgg. Schwabach (nl.) und Schirmer (Zentr.) ebenfalls nach den Kommissionsanträgen bewilligt.

Schluß 7 Uhr. Nächste Sißung Mittwoch 2 Uhr. (Zweite Lesung der Vorlage über die Einwirkung von Areal stüßungen auf öffentlihe Rechte und über die Doppelbesteuerung; Novelle zum Bankgeseß.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 32. Sißung vom 16. Februar 1909, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung desg Geseßentwurfs, betreffend die Abänderung des Allge- meinen Berggeseßes vom 24. Juni 1865/1892 und 14. Juli 1905 (Regelung der Verantwortlichkeit der Betriebs- beamten, Bestellung von „Sicherheitsmännern“ dur Wahl der Arbeiter, Regelung der Kündigungsfristen für die Betriebs- beamten, Bildung einer Bergbaudeputation als gutachtlichen Sia für Bergbaufragen für den Umfang des ganzen

aats). __Jn Verbindung mit dieser Vorlage werden folgende An- träge beraten:

Die Abgg. Dr. Szuman (Pole) und Genossen beantragen, „die Regierung zu ersuhen, sobald als möglich eine Nov ‘lle zum All- gemeinen Berggeseß vorzulegen, durh welche 1) die geheime Wahl der Knappschaftsältesten gewährleistet wird, 2) den Nevier- beamten in ihrem Aufsicht3dienst als Gehilfen Ver- trauensleute der Belegschaft betgegeben werden, welche aus deren Mitte dur geheime und direkte Wahl erwählt werden, 3) die Arbeitsdauer in den Bergwerken unter Tage auf 8 Stunden festgelegt wird“.

Die Abgg. Arons ohn (fc. Volksp.) und Genoffen beantragen, «die Regierung zu ersuchen, 1) noh in dieser Session einen Gefeßz- entwurf zur Abänderung des Allgemeinen Berggeseßes vom 24. Juni 1865 einzubringen, wonach von der Beleg\chaft in direktem und geheimem Wahlverfahren gewählte Vertrauens- männer die Revterbeamten bei der Kontrolle der Be- triebsverhältnisse des Bergwerks zu unterstüßen haben, 2) ay eine reihsgeseßlihe Regelung des Bergrechchts hin- zuwirken“".

Die Abgg. Imbusch (Zentr.) und Genossen beantragen, „die Regterung zu ersuchen, 1) sofort etnen Gesezentwurf zur Abänderung des Berggeseßes vorzulegen, durch welchen eine geordneie Mits- wirkung der Bergarbeiter durch in geheimer Wahl ge- wählte Vertreter bei der Grubenkontrolle gewährleistet wird, 2) im Bundesrate für eine reihsgeseßliche Negelung der Bergarbeiterverhältnisse einzutreten®.

Die Abgg. Krause- Waldenburg (freikon\.) und Genossen be- antragen, „die Regierung zu ersuchen, noch in dieser Session einen Gesetzentwurf zur Abänderung des Allgemeinen Berggeseßzes ein- zubringen, dur den 1) die Verantwortlichkeit der Betriebs- beamten s\chärfer abgegrenzt und die Verantwortlichkeit der Werksbesißer und ihrer Vertreter (Generaldirektoren, Direktoren usw.) des näheren geregelt wird, 2) nah dem Vorbilde der in den fiskalishen Bergwerken bewährten Einrichtung Mitgliedern der für die einzelnen Bergwerke vorhandenen Arbeiter- ausschüsse die Befugnis beigelegt wird, die Grubenbaue zu befahren und bei dex Kontrolle der für die Sicherheit der Berg- arbeiter zu treffenden Maßregeln mitzuwirken“.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Der Jhnen vorliegende Gesegßentwurf bezweckt die anderweite respekcive neue Regelung einer Anzabl von Fragen, die mit der Handhabung der Bergpolizei, mit der Vervollkommnung des Unfallverhütungsdienstes in den Bergwerken und mit der Ver- ringerung der Gefahren des Bergbaues in mehr oder wentger engen Beziehungen stehen. Alle diese Fragen sind nicht neu, sie find nicht von gestern auf heute entstanden; sie beshäftigen die öfentlihe Mel- nung, sie beschäftigen dieses hohe Haus, sie beschäftigen die zuständigen preußischen Behörden, ih möchte beinahe sagen, seit Jahrzehnten, und diese Erörterungen haben dahin geführt, daß diese Fragen zum größten Teil als absolut \spruchreif zu bezeihnen sind oder doch dur die bisherigen Erörterungen und Ecfahrungen so weit gefördert sind, daß die Königliche Staatsregierung ihrer Entscheidung niht aus dem Wege zu gehen braucht.

Den äußeren Anlaß zu der Vorlage hat die Besprehung des be- Flagen8werten Grubenunglücks von Radbod gegeben, bei welher von verschiedenen Selten dieses hohen Hauses mehr oder weniger bestimmt formulierte Wünsche wegen einer alsbaldigen Neuregelung der in Betracht kommenden bergrechtlichen Fragen ausgesprohzn sind. Jch habe damals für meine Person in Aussiht stellen können, daß ih der Königlichen Staatsregierung empfehlen würde, diesen Wünschen zu entsprehen, und ih bin heute in der Lage, zu sagen, daß die Königliche Staatsregierung ih diesen meinen Vorschlägen einstimmig angeschlossen hat, und es um so mehr für angezeigt erahtet hat, in eine s{leunige Regelung dieser Angelegenheit einzutreten, als au im Reichstage diese Fragen Gegenstand eingehender Besprehungen ge- worden sind und dort von einer überwiegenden Mehrheit dem Wunsche Ausdruck gegeben ist, diese Angelegenheit im Wege der NReichs- geseßgebung geregelt zu sehen. Da nun die Königlich preußische Staatsregierung aus den hier und an anderer Stelle wieder- holt erörterten Gründen nach wie vor auf dem Standpunkt steht, daß eine reihögeseßlihe Regelung dieser Angelegenheit unerwünscht ist, hat sie geglaubt, daß es richtig sei, an eine landesgesehliche Regelung alsbald heranzutreten.

(Sthluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichsanzeiger und Köni

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, wenn ih jeßt mit ciaigen Worten auf die einzelnen Abschnitte des Entwurfs und seine Begründung eingehe, so möchte ich das nicht tun, ohne noch einmal zu betonen: nur den äußeren Anlaß zur Einbringung der Vorlage hat der Unglücksfalt von Radbod gegeben. An si is das, was über die Affäre von Radbod und ihre Ursachen ermittelt ist und noch nicht ermittelt ist, was darüber er- mittelt werden wird, meines Erachtens völlig irrelevant für die Be- schlüsse, die fie ihrerseits über die Jhnen gemahte Vorlage zu fassen haben werden. Ih werde mich daher auch meinerseits eines jeden EGingehens auf die Frage von Radbod enthalten, zumal es ih hier um eine Angelegenheit handelt, die Gegenstand einer gerihtlihen Untersuhung ist, und darum wohl hier niht zum Gegenstand einer eingehenden Erörterung gemaht werden kann.

Meine Herren, der erste Teil des Gesegentwurfs beabsihtigt eine azderweite Negelung der bergpolizeilihen Verantwortlichkeit der Be- triebsbeamien. Sie wissen, daß das Berggeseß von 1865 den da- maligen Verhältnissen des Bergbaus entsprehend die Verantwortlich- keit der Betriebsbeamten dahin geregelt hat, daß es bestimmte, daß der Bergbehörde ein für den gesamten Betrieb verantwortlicher Leiter ju benennen fei, daß die Bergbehörde die Qualifikation dieses Be- triebsleiters zu prüfen und thm danach die Genehmigung zur Führung des Betriebes zu geben haben würde.

Diese geseßlihen Bestimmungen haben s|ch zweifellos bei der Gntwickelung, die unser Bergbau genommen hat, niht mehr als aus- reichend erwiesen. Die Betriebe sind so groß geworden, daß ein einzelner Mann für alle Einzelheiten kaum mehr verantwortlih ge- macht werden kann. Die Zahl der den Betriebsführern nahgeordneten, zu selbständiger Tätigkeit berufenen Beamten i} außerordentli ge- wachsen, und die Entwickelung der Dinge hat es mit {ih gebracht, daß über dem Betriebsführer eine ganze Reihe bergtehnisch geschulter, meist akademish vorgebildeter Beamten stehen, die mebr oder weniger berufen und in der Lage sind, in den wichtigsten Dingen in den Be- trieb einzugreifen. Dieser Entwickelung gegenüber is die Auslegung der berggeseßlichen Bestimmungen, die ihnen die Gerichte gegeben haben, niht immer die gleihe geblieben, und son aus diesem Grunde erschien es notwendig, Klarheit darüber zu hafen, wie es in Zukunft mit der Verantwortlihkeit der Beamten gehalten werden soll.

Die Königliche Staatsregierung is nun der Ansicht gewesen, daß es an fih zweckmäßig sei, bei der bestehenden Einrichtung insoweit stehen zu bleiben, als die Bestellung eines für die Gesamtheit des Betriebes zu berufenden Betrietsführers nah wie vor beizubehalten sei, daß aber einerseits neben diesem Betriebsführer die diesem nach- geordneten Beamten für den Umfang ihres engeren Geschäft3bereihs au verantwortlich zu machen seien; und daß man umgekehrt den Vorgeseßten des Betriebsführers insoweit die volle Veran/wortlichkeit zushieben müsse, als fie dur Duldungen oder Unteilassungen oder dur direkte Anordnungen in den Betrieb eingegriffen haben. Eine derartige Regelung ist seiters der Bergverwaltung seit langen Jahren angestrebt worden. Sie ist bereits, ehe ih die Ehre hatte, das Ressort für Handel und Gewerbe hier zu vertreten, Gegenstand eingehender Grörterungen mit den Beteiligten gewesen, und ih habe bereits vor drei Jahren gezweifelt, ob ih niht den ersten Teil des jeßt vor- liegenden Entwurfs {hon bamals zusammen mit dem Entwurf zu einem neuen Knappschaftsgeseß Ihnen vorlegen sollte. Jch habe es ledigli unterlassen, weil es mir unzweckmäßig hien, das s\ozials- politisch wihtigste Geseh, das Knappschaftsgeses, mit dieser zweiten Frage zu belasten und dadurch eventuell die Verabschiedung dieses Geseyes zu erschweren.

Der Gesezentwurf ist inzwischen noch einmal sowohl mit den beteiligten Oberpräsidenten und Oberbergämtern als mit einer Ver- sammlung von Interessenten beraten worden, in der sowohl Vertreter der Bergbautreibenden als auch der Beamten und Arbeiter zugegen waren, und er hat, diesen Erörterungen entsprechend, eine etwas andere Formulierung gefunden, die aber im Prinzip den damaligen Plänen entspricht, und meines Wissens und meiner Hoffnung nach auch all den Wünschen genügen wird, die aus den Kreisen der Beamten und der Bergbautreibenden heraus bei der leßten Erörterung mir entgegengebraht sind.

Im Anschluß an diese anderweite Regelung der Verantwortlich- keit der Beamten ist das Verfahren über die Erteilung und die Ent- zichung der Qualifikation anderweit geregelt. Meine Herren, es hat sich auf Grund der bestehenden Bestimmungen die Uebung ent- widelt, daß die Qualifikation eines Beamten in jedem einzelnen Falle für“ jede Stelle erneut festgestellt wird, und zwar sowohl nah der tehnishen wie nah der moralischen Seite hin. Die Qualifikation ist dann in einzelnen Fällen aberkannt, sie ist auf Grund bestimmter Vorfälle entzogen worden dur Verfügung des Revierbeamten als der zuständigen bergpolizeilihen Lokalinstanz, und diese Verfügung des Revierbeamten konnte angegriffen werden im Wege der Beschwerde an das Oberbergamt, gegen dessen Entscheidung der Rekurs an den Minister für Handel und Gewerbe zustand. Meine Herren, ich muß feststellen, daß die Zahl der Rekurse gegen derartige Entscheidungen des Oberbergamts, die bis in die Ministerialinstanz gekommen find, außerordentlih gering gewesen ist. Immerhin is anzuerkennen, daß das bisherige Verfahren niht unseren modernen Anschauungen ent- spricht, ebensowenig wie der großen Bedeutung, die die Frage der Entziehung und Erteilung der Qualifikation sowohl für den Betrieb als auch für den einzelnen Beamten hat, und ih habe daher meinerseits die Wünsche, die aus den Kreisen der Beteiligten dahin kamen, daß man eine etwas andere Regelung des Instanzenzuges und des Ver- fahrens eintreten lassen müßte, für berechtigt anerkennen müssen.

Die Jhnen vorliegenden Bestimmungen sollen nun dem Minister die Handhabe geben, das Verfahren bezügli der Erteilung und der Entziehung derx Qualifikation bei den tehnischen Grubenbeamten analog den bestehenden Bestimmungen für die Markscheider zu regeln. Ich nehme an, daß es gelingen wird, die technische Qualifikation für

Zweite Beilage

Berlin, Mittwoch, den 17. Februar

den Betriebsführer bezw. für die Führer einzelner Teile des Betriebes generell vom Bestehen einer Prüfung abhängig zu machen, sodaß naher in einzelnen Fällen nur zu prüfen ist, ob der betreffende Beamte für das ihm zu übeztragende Amt dte Qualifikation erworben hat und ob er inzwischen die moralishen Eigenschaften nicht verloren hat, die e1forderlih sind, um ein derartiges veraniwortungsvolles Amt zu führen. Die Frage, ob im einzelnen Falle die Qualifikation zu er teilen, zu versagen oder zu entziehen sei, muß naturgemäß in der Hand der dazu berufenen Bergpoltzeibehörde, das heißt in der Hand des Revierbeamten bleiben. Der Revierbeamte soll aber seine Ent- scheidung nur treffen nah Anhörung der Beteiligten, und gegen die Gntscheidung des Revierbeamten soll es ein Rechtsmittel an das Oberbergamt geben, das alsdann in der Form des Verwaltungs- streitverfahrens in öffentliher, mündlicher Verhandlung unter Bewets- aufnahme nah prozessualischen Vorschriften zu entsheiden haben wird. Gegen die Entscheidung des Oberbergamts soll der Rekurs an den Minister für Handel und Gewerbe zustehen. Der Grund für diese Regelung des Instanzenzuges und des Verfahrens ist der gewesen, daß ih einerseits von der Auffassung ausgegangen bin, daß das Verfahren so geregelt werden muß, daß die Beteiligten zu einer rashen Entscheidung kommen, daß aber auf der anderen Seite auch den Beteiligten alle diejenigen Rechtegarantien geaecben werden müssen, die wir gewöhnt sind für ähnliche Fälle nah der Analogie des Verwaltungsstreitverfahrens nah den Bestimmungen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung zu fordern. Ich habe nach den Vorbesprehungen au den Einbruck gewonnen, daß diese Vorschriften und die sie begründenden Gesichtspunkte die Billigung der beteiligten Kreise gefunden haben.

Im Zusammenhang hiermit if dann anderweit geregelt die privatrechtliche Stellung der technishen Grubenbeamten zu den Berg- bautreibenden. Auch bas ift ein alter Wunsch der Beteiligten. Die Regelung foll erfolgen nah den Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Stellung der technishen Beamten in den Gewerbebetrieben, und es sind bei dem Entwurf, soweit es die Verhältnisse des Berg- baus als notwendig und wünschenswert erscheinen lassen, auch die- jenigen Veränderungen der Gewerbeordnung berücksihtigt, die augen- blicklich auf Grund einer Vorlage der verbündeten Regierungen im Reichstag beraten werden. J nehme an, daß auch diese Bestimmungen Ihre Billigung und die Beratung dieser Bestimmungen keine Schwferigkeiten finden werden.

Es chließt sfich dann noch an es ist der leßte Abschnitt des Gesehes die Bestimmung über die Grrichtüng einer ständigen tech- nishen Deputation für das Bergwesen. Auch dieser Vorschlag ist nicht Erwägungen entsprungen, die die Ereignisse der leßten Wochen hervor- gerufen haben, sondern er entspriht einem von mir, solange ih Minister bin, empfundenen Bedürfnis, Es gibt im Bergbau eine Fülle Fragen betriebstehnischer Natur, Fragen, die speziell die Unfall- verhütung betreffen, die fortwährend erneut zum Gegenstand von Er- örterungen gemaht werden müssen. Wir haben uns bisher in der Weife geholfen, daß ad hoc Kommissionen aus Beamten und Jnter- effsenten aller beteiligten Kreise zusammenberufen wurden, die dann die einzelnen Fragen bis zu einem gewissen Punkte förderten, nach dem Stande des Tages abs{lossen und dann ihre Tätigkeit einstellten, Ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß das nicht die richtige Ait i}, derartige Fragen so zu behandeln, fondc::: derartige Fragen, wie Kohlenfall, Steinfall, Kohlenstaubexplosionen, Gas- explosionen, Seilfahrt, müssen ständig an einer Zentralstelle bearbeitet werden, die die gemahten Erfahrungen sammelt, die die Literatur dursieht, verarbeitet und die Ergebnisse dieser Arbeit in bestimmten Perioden der Allgemeinheit zugänglich maht. Ich habe es ferner als einen Mangel empfunden, daß mir in Fällen, wo ih aus besonderen Gründen meine Beamten als Sah- verständige aushalten wollte, die Instanz fehlte, die an Stelle meiner Beamten ein Gutachten abgab oder eventuell einen Gutahter benannte, Diese Funktionen sollen in Zukunft dieser tehnishen Deputation übertragen werden. Es war meine Absicht, diese tehnishe Deputation als ein bestimmtes Glied ein- zubeziehen in die Neuorganisation der Bergbehörden, die von diesem hohen Hause vor zwei Jahren verlangt und von der Staatsregierung zugesagt worden ist. Jch habe es aber für zweckmäßig gehalten, mit Rücksicht auf das dauernd wahsende Bedürfnis, diese Einrichtung der allgemeinen Neorganisation vorwegzunehmen und zunächst im Geseyz- entwurf nur grundsäßlih festzustellen, daß sie efngerihtet werden soll. Ich will mir dabei vorbehalten, zu prüfen, wie diese Organisation in Zukunft zwcckmäßig nach bestimmten Normen aufgebaut wird, und werde nah den zu machenden Erfahrungen ev. die bestimmtere Ge- staltung dieser Deputation im Gesezentwurf über die Reorganisation der Bergbehörden hoffentlich die Ehre haben, Jhnen in eintger Zeit vorzulegen. Jh will nur bemerken, daß ih zunächst beabsichtige, die Deputation in der Weise zusammenzuseßen, daß etwa zwei Drittel der Mitglieder aus den Interessenten genommen und von den Interessenten gewählt werden, während das leßte Drittel von mir ernannt wird. Ich denke mir zunächst die Wahlen aus den Kreisen der Interessenten derart, daß die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter der sechs3 Sektionen der Knappschafisberuf8genossenschaft, die im wesentlihen preußishe Ge- biete umfassen, die Wahlen vorzunehmen haben, während, wie {hon erwähnt, das letzte Drittel durh mih zu ernennen sein würde.

Ich habe weiter die Absicht, die Tätigkeit dieser Deputation so zu regeln, daß bestimmte Ausschüsse für bestimmte Zwecke gebildet werden, welche die laufenden Fragen, wie ih sie vorhin {on er- wähnte, au ständig zu bearbeiten haben würden. Jh hoffe, daß ih au hierin bei Jhnen auf keinen Widerspru stoßen werde. (Sehr gut! bei den Nationalliberalen.)

Nun, meine Herren, komme ih zu dem umstrittensten und unter diesem Gesichtspunkte vielleiht auß wichtigsten Teil der Vorlage, zu der Beteiligung der Arbeiter am Unfallverhütungsdienst oder, wie man sich nach dem Vorbilde fremder Länder zu sagen ge-

glih Preußishen Staatsanzeiger.

wöhnt hat, zu den Arbeiterkontrolleuren. Meine Herren, wenn man \ich ein Bild maen will, wie eine derartige Beteiligung der Ar- beiter an der Grubenkontrolle zu denken ist, so ist es gut, fh einmal vor Augen zu führen, wie fich die Dinge in anderen Ländern entwickelt haben. Sie wissen, daß England, Frankrei, Belgien England \chon seit geraumer Zeit diese Einrihtung haben, und Sie werden glei sehen, wie si, den Eigentümlichkeiten dieser Länder entsprehend, die Einrichtungen ganz verschieden entwickelt haben. England hat bekanntlich lange Zeit es im allgemeinen abgelehnt, fih von Staats wegen in die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern einzumengen. Es is dort im wesentlihen den ih organisiert gegenüberstehenden Arbeitgebern und Arbeitnehmern über- lassen geblieben, je nah Maßgabe ihrer Machtverhältnifse auch das zu regeln, was wir im Wege bergpolizeiliher Vorschriften zu regeln gewöhnt sind. Jn der Mitte des vorigen Jahrhunderts gaben in England die Klagen der Arbeiter über Mißstände in den Gruben dem Parlamente schl[ießlich Veranlafsung, eine parlamentarische Enquete zu veranstalten, und das Ergebnis dieser Enquete war, daß man in England staatlihe Minenkontrolleure anstellte, Beamte, die etwa unseren Nevier- beamten entsprechen würden. Sehr zahlrei ist dort die Zahl dieser Beamten nie geworden; man if zu dem alten System zurückgekehrt, im wesentlichen die Regelung auch dieser bergpolizeilichen Fragen, die Regelung des Unfallversicherungsdienstes, wenn ich mi so ausdrüdcken darf, dem Ringen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu überlaffen, und hat {ließlich den Arbeitern durh ein Geseß, ih glaube vom Jahre 1872, konzediert, daß sie berehtigt sein sollen, für jede Grube aus der Belegschaft heraus zwei Kontrolleure zu wählen, die das Recht haben, einmal im Morat in Begleitung eines Angestellten der Grube die Baue der Grube zu befahren und auf ihre Sicherheit zu prüfen. Der ganzen Entwicklung der englishen Arbeiterverhältnifse, den Tra- ditionen, wie sie die Unions mit sich brachten, entsprechend, hat man diese Einrichtung nur als Veranstaltung der Arbeiter angesehen und demertsprehend den Arbeitern auch die Verpflichtung auferlegt, die Kosten zu tragen, die durh diese Befahrung ihrer Vertrauensleute entstehen. :

Als man in Frankreich an die Regelung dieser Argelegenheit ging und Frankrei folgte historisch den Engländern —, da über- nahm man die Wahl durch die Belegshaft und aus der Belegschaft, man legte aber, der Entwicklung der französishen Verhältnisse ent- sprehend, wo die Traditionen der Untons fehlten, die Kosten der Be- fahrung nicht den Arbeitnehmern wie in England, sondern dem Arbeit« geber auf. So ift die Einrichtung auch noch heute.

Es folgte dann Belgien. Belgien ging einen völlig anderen Weg. E3 bestimmte, daß für größere Bezirke sogenannte Grubenkontrolleure angestellt werden sollten. Diese Grubenkontrolleure werden präsentiert gemeinshaftlih von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen si also über die Persönlichkeit einigen und werden dann vom Minister ernannt, nachdem ihre theoretische und praktishe Qualifikation festgestellt ift. Ein!gen sich Arbeit- geber und Arbeitnehmer nit, so liegt es in der Hand des Ministers, geeignete Personen zu ernennen. Der Fall if im großen and ganzen in Belgien nicht selten gewesen. Es handelt sih also hier in Belgien, meine Herren, im wesentlichen um ein Institut, das dem unserer Eins fahrer entspricht; es handelt sich um ftaatlih bestellte Polizeibeamte. Der Unterschied zwischen der belgishen Einrichtung und den unsrigen liegt nur darin, daß in Belgien bei der Bestellung dieser Polizei- beamten eine Mitwirkung der Interessenten stattfindet.

Meine Herren, wenn man an die Frage herangeht, ob man ähnlihe Einrihtungen treffen kann oder soll, und wie man sie zu treffen hat, so muß man sich selbstverständlih zunächst auh mal wieder darüber klar werden: wie haben sich denn die Dinge in Preußen entwickelt? Nun, meine Herren, sie haben sich direkt in entgegen- geseßter . Richtung entwickelt wie in England. Der absoluten Freiheit des Bergbautreibenden in England stand bei uns eine völlige Gebundenheit des Bergbautreibenden durch das sogenannte Direktionsprinzip gegenüber. Der Staat übernahm für alles und jedes die Verantwortung, so auch in vollstem Umfange für die Sicherheit der Arbeiter. Mit dem Berggeseß von 1865 haben wir das Direktionsprinzip verlassen. Wir haben es dem Bergbautreibenden freigestellt, nach seinem Ermefsen, nach seiner Kenntnis der Dinge, nach seiner Vorstellung von Rentabilität die ihm verliehenen Felder aufzushließen und zu betreiben. Aber der Staat hat ih die Befugnis zurückbehalten, bergpolizeilihe Vorschriften jeder Art, insbesondere auch zum S@hußze der Arbeiter, in vollstem Umfange zu erlassen; er hat fih vorbehalten, den Betriebsplan in jedem einzelnen Falle zu prüfen und eventuell zu beanstanden, und er ift demgemäß sehr rasch dazu über- gegangen, zur speziellen Kontrolle der Durhführung aller bergpolizei- lihen Vorschriften eine erheblihe Anzahl von Beamten zu bestellen. Ich will hier auf einzelne Zahlen niht eingehen, es wird Sie aber immer interessieren, wenn ich Sie darauf aufmerksam mache, daft, während in England auf 23 000 Mann Belegschaft ein ftaat- liher Aufsichtsbeamter kommt, in Preußen auf 3430 Arbeiter ein staatliher Aufsihtsbeamter kommt (hört, hört! rets), und es wird Sie interessieren zu hôren, daß im leßten Jahre im Oberbergamtsbezirk Dortmund jedes Werk dur(hschnittlich 191 mal im Jahre von einem Bergbaubeamten revidiert worden ist. (Hört, bört!) Neben dieser intensiv entwickelten staatlichen Kontrolle und staatlichen Aufsicht liegt natürlih die eigentlihe Verantwortung für die Durhführung der Betriebspläne, für die Befolgung der herg- polizeilihen Vorschriften im einzelnen Falle in der Hand des Werkes, und, meine Herren, ih glaube, Ste werden mit mir darin einig sein, daß wir daran nit rütteln dürfen. Der Staat kann und soll grund- säßlich iht mehr tun, als die erforderlichen bergpolizeilien Vor- \hriften erlassen und ihre Durhführung kontrollieren. Er kann aber und soll niht verantwortlich gemacht werden für die Durhführung des Betriebsplans und für die Befolgung der bergpolizeilihen Vor- \(riften im einzelnen; das ist Sache des Werkes.

Jch bin au ferner der Ansicht, meine Herren, daß an dem be-