1888 / 277 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 31 Oct 1888 18:00:01 GMT) scan diff

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Das Ergebniß der gestrigen Wahlmänner- wahlen in Berlin ist nach vorläufigen Feststellungen Folgendes : : i : L

Im ersten Wahlkreise erhielten die Freisinnigen 635 Stimmen gegen 459 welche für die Kartellparteien (inklusive der Konservativen) abgegeben wurden (aus 2 Urwahlbezirken mit 6 Wahlmännern stand das Resul- tat noch aus). Jm Jahre 1885 waren es 612 Freisinnige, 240 Konservative und 84 Nationalliberale. Während die Kartellparteien hier also einen Zuwahs von 135 Stimmen zu verzeichnen haben, brachte es der Freisinn nur auf ein Plus von 23 Stimmen.

Jm zweiten Wahlkreise wurden gewählt : 967 Deutsh- freisinnige, 157 Konservative, 20 Nationalliberale und 4 un- bestimmt. Gegen 1885 haben die Freisinnigen eine Zunahme von 215 (752), die Ranservaliven eine solhe von 27 (130), die Nationalliberalen eine Abnahme von 17. ;

Im dritten Wahlkreise war die Betheiligung eine nur shwache, da durchschnittlich nicht mehr als ca. 22 Proz. wählte. Der Wahlkreis hatte 1505 Wahlmänner zu wählen, doch blieben 28 Vakanzen, so daß thatsählich 1477 gewählt sind. Davon sind 1049 Freisinnige, 406 Konservative, 12 Nationalliberale und 10 unbestimmt. Jm Wadi 1885 waren 784 fortshr., 369 kons, 37 nationl. Die Freisinnigen haben somit um 265, die Konservativen um 37 zugenommen.

Im vierten Wahlkreise wurden gewählt 697 Frei- sinnige, 310 Konservative und 19 Vakanzen waren vorhanden. Im Jahre 1885 wurden 614 Freisinnige, 227 Konservative Und 14 Nationalliberale gewählt, d. i. bei den Freisinnigen wie bei den Konservativen eine Zunahme von 83.

Die in einem ehemaligen Erbpachtvertrage ge- troffene Bestimmung, daß der Erbpächter und seine Nach- kommen den unter der Oberfläche des Guts ih vorfindenden Mergel zur Ackerkultur wirthschaftlih benuyen, zum Verkauf an Fremde aber nicht berechtigt seien, hat nah einem Urtheil des Reichs8gerichts, V. Civilsenats, vom 10. September S 0 Kolge des Preußishen Ablösungsgeseßes vom 2. März 1850 in Preußen jede rechtlihe Wirkung verloren ; der durch das Jnkrafttreten jenes Geseßes zum Eigenthümer 7 gewordene Erbpächter ist berechtigt, über den Mergel seines Gutes frei zu verfügen.

Durch Allerhöchste Ordre vom 15. d. M. ist das dem vormaligen Aktien-Verein für den Bau einer Chaussee von Peilau im Kreise Reichenbach über Gnadenfrei nah Diersdorf im Kreise Nimptsch seiner Zeit verliehene Recht zur Chausseegel d-Erhebun g nach den Bestimmungen des Tarifs vom 29. Februar 1840, einschließlih der in dem- selben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen die Erhebung betreffenden zusäßlichen Vorschriften, den genannten Steen, und zwar einem jeden für die in sein Eigenthum übergegangene Strecke dieser Straßen gegen Ueber- nahme der fünstigen hausseemäßigen Unterhaltung der be- treffenden Straßenstrecke, vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlichen voraufgeführten Bestimmungen, übertragen worden.

Das in der Cirkular - Verfügung der damaligen Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten und des FJnnern, vom 19. Dezember 1857, für Leichenpässe angeordnete Schema diente, in Ermangelung eines besonderen Formulars für Transporte auf Eisenbahnen, bisher zugleich als der im 8 34 des Eisenbahn - Betriebs - Reglements vom 11. ai 1874 für solche Transporte erforderte Leichenpaß. Nah der Bestimmung unter Nr. 3 des laut Bekanntmahung des Reichskanzlers vom 14. De- zember v. J. neugefaßten §8. 34 1, e. ist für diese Transporte ein anderes E vorgeschrieben, ohne daß iedoch dadur die frühere Vorschrift in dem Erlaß vom 19. Dezember 1857 hinsichtlih des dort vorgesehenen E aufgehoben wäre. Da somit der Fall eintreten ann, daß beim Transport einer Leiche, welcher theils auf der Eisenbahn, theils auf Landwegen stattfindet, zweierlei Leichenpässe ausgestellt werden müßten, so haben die genannten Minister im Jnteresse eines einfahen und sicheren Geschäftsganges unterm 23. September d. J. bestimmt, daß das von dem Reichskanzler in dem erwähnten 8. 34 des Eisenbahn - Betriebs - Reglements für die Beförderung von Leichen auf Eisenbahnen vorgeschriebene Leichenpaß-Formular künftighin auch für den Transport von Leichen auf Landwegen Anwendung findet, wobei selbstverständlich, falls der Trans-

ort auf keiner Strecke mittelst Eisenbahn geschieht, im Paß- ormular die Worte „mittels Eisenbahn“ zu streichen sind. _ Ferner is} in weiterer Abänderung der Bestimmungen des Erlasses vom 19. Dezember 1857 die Ertheilung von Leichenpässen zukünftig abhängig zu machen von der Vorlegung einer von einem beamteten Arzt ausgestellten Bescheinigung über die Todesursache sowie darüber, daß seiner Ueberzeugung nach der Beförderung der Leiche gesundheitliche Bedenken nicht R A : / chließlih kommt die zeitlihe Beschränkung der Gültig- keit des Passes in Fortfall.

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich niederländischen Hofe, Freiherr von Saurma-FJeltsch, ist vom Urlaub nah dem Haag zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder übernommen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich württembergisher Präsident des Staats-Ministeriums, Staats- Minister Dr, Freiherr von Mittnacht, und Königlich württembergisher Ober-Regierungs-Rath Schi cker sind hier eingetroffen.

Der General-Lieutenant von Dincklage, Komman-- dant von Frankfurt a. M., hat Berlin wieder verlassen.

Die Archiv: Hülfsarbeiter, Dr. phil, Friedrich Mei- nede bei dem Geheimen Staats - Archiv in Berlin und Dr. phil, Paul Karge bei dem Staats-:Archiv in Koblenz, sind zu Archiv:-Assistenten ernannt worden. .

Meckellenburg - Schwerin. Schwerin, 30. Oktober. Qu Nachr.) Der Großfürst und die Großfürstin ladimir von Rußland sind heute Nahmiltag von hier nah Paris abgereist. Die Großfürstlihen Kinder werden mit ihrer Begleitung morgen die Rückreise nah St. Peters- burg antreten.

Hanna, 30. Oktober. L£W. T. B.) Der General- eldmaschall Graf Moltke hat sich heute Nachmittag nah erlin begeben. Auf dem Wege von seinem Absteigequartier bis zum Bahnhof wurde derselbe von einer zahlreichen Menschenmenge stürmish begrüßt.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 29. Oktober. (Wien. Abdp.) Der Budget-Aus\chuß des Abgeordneten hauses hielt Au eine Sitzung, in welher an Stelle des Abg. Grafen

ichard Clam-Martiniy, welher auf sein Mandat verzichtet hat, der Abg. Haus ner zum Obmann gewählt wurde. Zum zweiten Obmann-Stellvertreter wurde der Abg. Zeithammer gewählt. Sodann gelangte die Vorlage, betreffend die Be- deckung des Rüstungskredites, zur Verhandlung. An der Debatte hierüber nahm auch der Finanz-Minister Dr. Ritter von a Theil. Die Vorlage wurde genehmigt.

30, Oktober. (W. T. B.) Das Abgeordneten- haus hat von Chlumecy zum ersten, Zeithammer zum zweiten Vize-Präsidenten gewählt.

Pest, 29. Oktober. (Wien. Ztg.) Die Berathung des Regalien-Ausschusses in Betreff der Entshädigungen in Folge der Einführung des Schankgefälles gedieh bis §. 15.

Frankreih. Paris, 30. Oktober. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Ministerraths unter Vorsitz des Präsidenten Carnot wurden die Motive zu dem Geseßentwurf betreffend die Einkommensteuer, verlesen. Der Entwurf wurde definitiv gebilligt und wird wahrscheinlich morgen der Kammer vorgelegt werden. E

In dem Gesetzentwurf ist die Steuer auf 2% für ein Ein- fommen aus Arbeit und auf 19%/ für ein Einkommen aus erworbenem Vermögen festgeseßt. Ein Einkommen von 2000 Fr. und darunter wird nicht besteuert; wenn der Ehemann ein Einkommen von 2000 Fr. hat und die Chefrau ebenfalls ein Einkommen von gleicher Höhe, so bleibt dasselbe bei beiden \rei von der Steuer. . Das Geseß wird mit entsprehenden Erleichterungen angewendet werden, je größer die Zahl der Kinder einer Familie ist, Die Steuer roird überhaupt nidt von der Gesammtheit der deklarirten Cinkommen- summe, sondern nur von § derselben erhoben... Den Besißern von Aktien, welche einer Coupon-Steuer unterliegen, wird der entsprechende Betrag bei der Steuer in Abzug gebracht. :

In der heutigen Sißung der Deputirtenkammer

theilte der Präsident Meline das Resultat der Berathung

des Bureaus betreffs des Zwischenfalles mit den Journalisten mit; das Bureau habe den Quästoren das Vertrauen ausgesprochen und die zwischen den Quästoren und dem Syndikat der Presse getroffenen Vereinbarungen angenommen. Jn Folge dieser Berathung hätten die Quästoren ihre Entlassung eingereiht. Lacretelle stellte darauf einen Antrag, nah welhem die Quästoren aufgefordert werden sollen, ihre Entlassung zurückzuziehen. Der Antrag Lacretelles wurde mit 243 gegen 70 Stimmen angenommen. Peytral brachte hierauf Vorlagen betreffs der Getränke: und Éinkominenfteuer ein. Die Kammer nahm. dann die Be- rathung über das Marinebudget wieder auf. Gerville, der Berichterstatter der Kommission, warf dem Marine- Minister Kran vor, daß die Ausgaben für die Häfen zu große seien. Der Marine - Minister widerlegte kurz die Kritiken der Budgetkommission und beklagte sich, stets der Gegenstand ihrer Angriffe zu sein. Gerville und Rouvier verwahrten sih davor, den Minister persönlich angreifen zu wollen; ihre Kritiken bezögen sih nur auf die Verwaltung. Roche vertheidigte die Marineverwal- tung, deren Fehler nur in dèm beständigen Wechsel des Ministers beständen. Hierauf wurde die allgemeine Berathung geschlossen und die Kammer auf Montag vertagt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. Oktober. (W. T. B.) (Telegramm der! „Nordishen Telegraphen- Agentur“.) Ueber die Entgleisung des Kaiserlichen Hofzuges liegen bis jeßt noch keine authentischen Details vor. Jedenfalls steht fest, daß es sih nur um einen gewöhnlichen Eisenbahnunfall handelt.

31. Oktober. (W. T. B.) Nach einem Te-gramm

des Hof: Ministers aus Dolinskaja (Charkow-Nikolajew- Eisenbahn) vom Dienstäg, 3 Uhr 50 Minuten Nachmittags, a die Kaiserliche Familie diese Station wohlbehalten assirt. N 31. Oktober. (W. T. B.) Der „Grashdanin“ bringt nachstehende Einzelheiten über den Eisen- bahnunfall bei Borki: Derselbe fand am Montag Mittag statt. Der Zug ging mit einer Schnelligkeit von 65 Werst pro Stunde und wurde von zwei Lokomotiven ge- führt. Vier Kaiserlihe Salonwagen, die bekanntlih sehr massiv sind, befanden sich im Zuge. Der Weg war ab- \{hüssig. Unter diesen Umständen sei die Entgleisung er- folgt. Die erste Lokomotive bohrte sich in den Bahndamm ein, die zweite wurde zertrümmert. Jm nächstfolgenden Wagen saßen größtentheils Hofbedienstete, der nächste war der Küchenwagen ; hierauf folgten der Wagen des Kaiser- lihen Gefolges und der Speisewagen. Das Gefolge, darunter der Verkehrs-Minister Admiral Possiet, befanden sich im legteren. Der Ober-Jnspektor der Eisenbahnen, Baron Stjernval saß in einem vorderen Wagen, in deren einem Unglüsfälle vorgekommen sein sollen Es heißt, daß auch Baron Stjernval verwundet sei, während der Kriegs- Minister Wannowski, der General-Adjutant Tscherewin und der Flügel-Adjutant Scheremetiev, die sich im Speisewagen befanden, nur leiht kontusionirt wurden. Der Kaijer und die Kaiserin verließen den Thatort niht sogleich, sondern trösteten die Verunglückten und sorgten für dieselben. Gegen Abend begaben \sih die Majestäten nach Losowoje zurück. Anläßlich der wunderbaren Rettung der Kaiserlihen Familie wird allenthalben feierlicher Dankgottes dienst abgehalten. Die Zeitungen tadeln die Eisenbahnverwaltung dee welche für die Sicherheit des Hofzuges besser hätte gesorgt haben müssen.

Jtalien. Rom, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Kommandant der Königlihen Yacht „Savoia“, Kapitän zur See Carlo Turi, erläßt, nahdem ihm von dem Marine-Minister die Ermächtigung dazu ertheilt worden, folgende Berichtigung: „Die von dem „Berliner Tage- blatt“ in der Morgenausgabe Nr. 535 veröffentlichte Nachriht, daß die Königlihe Yacht „Savoia“ am 17, Oktober cr. bei Castellamare sich in Gefahr be- funden habe, ist völlig unrichtig, Der Yacht „Savoia“, welche in dem Hafen von Castellamare an einer Boje vor Anker lag, wurde von dem Dampfboot „Volta“ nur der auf dem Hintertheil der Yacht befindlihe Flaggenstock zerbrochen; es geschah dies am Vormittage um 10 mis als das Dampf- boot „Volta“ langsam manövrirend sich an A vor Anker zu gehen. Während dieses Ereignisses befanden sich Jhre Majesläten der Kaiser Wilhelm und König Humbert N das Gefolge Allerhöchstderselben noch nicht an Bord

er Yaht „Savoia.““

Griechenland. Athen, 30. Oktober. (W. T. B.) Der König empfing Mittags vor den anderen Spezialabge- sandten den österreihishen Admiral von Sterneck in

feierliher Audienz. Anwesend hierbei waren der Minister des Auswärtigen, Dragumis, der gesamnite Hofstaat, die Begleitung des Admirals von Sterneck und der Kommandant des „Greif“. Admiral von Sterneck brachte die Glückwünsche des Kaisers Franz Joseph dar, worauf der König sür den außer: ordentlichen Beweis der Sympathie wiederholt dankte und jedes Mitglied der Mission in wohlwollender Weise ansprah. Nachmittags nahm der König von den ständigen Vertretern der Mächte die Glückwünsche entgegen. Erzbishof Marango überreichte ein Schreiben des Papstes. Abends fand bei dem Cre a Gesandten Freiherrn von Kosjek zu Ehren Sternec's ein Galadiner statt. S

31. Oktober. (W. T. B.) Der österreichische Admiral von Sterneck war gester allein vom König um Familiendiner geladen; die übrigen Spezialabge- dien, sowie die Mitglieder des diplomatischen Corps haben für heute eine Einladung zum Diner erhalten.

Serbien. Belgrad, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Minister-Präsident Chri stic richtete als Minister des Fnnern an sämmtliche Polizeiorgane des Landes ein Cirkular, in welhÉn er dieselben cufforbert den Worten des Königs, durch welhe die Wahlfreiheit Achtung zu verschaffen.

Amerika. Washington, 30. Oktober. (R. B.) Der diesseitige Gesandte in London, Phelps, übermittelte dem Staatssekretär Bayard Depeschen, in welchen die Ansichten der englishen Regierung über den Qw ishenfall Sackville auseinandergesegt werden. Diese

epeshen sollten dem heute stattfindenden Kabinetsrath unterbreitet werden. Jm Auftrage des Präsidenten Cleveland theilte Bayard heute dem britischen Gesandten @Qadckville mit, daß aus der englishen Regierung bereits mitgetheilten Gründen Sackville's ferneres Verbleiben auf seinem bisherigen Posten für die Regierung der Vereinigten Staaten nicht mehr annehmbar und deshalb nachtheilig für die Beziehungen der beiden Länder sein würde.

garantirt werde,

Zeitungsstimmen.

Die gee Zeitung“ schreibt: /

Ein Deutsches Reich, welches die feste Grundlage seiner Einheit in der freiwilligen Mitwirkung aller Stämme und DLynastien finden sollte, war das hohe Ziel, welches dem ersten Deutschen Kaiser aus dem Hause der Hohenzollern und seinem großen Kanzler bei Begründung dieses Reichs vorswebte. Und als einReich, wie es seine großen Baumeister sih dachten, fest gegründet auf die Treue und das Vertrauen seiner Fürsten und Völker, stark nach Außen und troß manch häuslichen Zwistes in allen großen Fragen einig im Innern, ist es zu Fleisch und Blut geworden nicht blos im Denken und Sinnen der Nation, hat es \sich bewährt auch in dem harten Kampfe um sein nationales Dasein, bewährt in den Stürmen, die der Reichstagswahl des ver- flossenen Jahres vorausgingen, bewährt in diesem Reichstage selbst und bewährt in den {weren Schicksalsshlägen des Jahres, in dem wir noch stehen. i i

In necessariis unitas im Nothwendigen Einheit, in der Aus- führung Treue und wechselseitiges Vertrauen so wurde dieses Reich gegründet, und unter demselben Zeichen \teht unsere Stadt, wenn sie morgen ihren Ehrentag feiert. „Im Nothwendigen Einheit“ das gilt nächst dem deutschen Heere vor Allem vom deutschen Recht; das äußere Markzeichen dieser Einheit sol für alle Zeiten der oberste Gerichtéhof bilden, dessen Grundstein wir morgen legen. . Daß G diese Feier in unserer Stadt und in unserem Staate vollzieht, daß Kaiser und König diesem Feste durch ihre Anwesenheit die Weihe geben und die erste Stadt des Reichs uns dazu neidlos ihre Glückwünsche sendet, das weist uns sinnbildlih auf jene beiden anderen Grundlagen unserer nationalen Einheit hin: das wechselseitige Vertrauen und die erprobte Treue, welche die deutschen Fürsten und Stämme untereinander verbindet. Den Schwur dieser alten Treue erneuern wir morgen und das soll der Willkommensgruß sein, mit dem wir unsere erlauchten Herrscher empfangen. Dem Kaiser Heil, Heil unserem König Albert!

Das „Berliner Fremdenblatt“ bemerkt:

Von einer gleich bohen politischen Bedeutung wie die Ein- verleibung Hamburgs und Bremens in den Zollverein, ist die morgen in Leipzig stattfindende Grundsteinlegung zu dem neuen Reichsgerichts- gebäude. Zu dem, was das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit aller Deutschen stets roachzuhalten und neu zu beleben geeignet ift, trägt neben den Maßnahmen zur Erleichterung des wirthschaftlichen Vakeh1s Nichts in dem Grade kei, als die Einheit des Rechts und der Gerictsoreanisatieon. In der Rechtseinheit ge- langt die Gemeinsamkeit des sittlihen Empfindens und geistigen Strebens der Nation, ihres Riagens nach sittliher Vervolllommnung dur die wachsende Erkenntniß der höchsten Rechtsidee zu ihrem \härfsten Ausdruck; in der einheitlihen Gerichtsorganisation liegen die Vorbedirgungen für die praktisc;e Pflege des Rechts nach den- selben Normen des Verfahrens, nach den gleihen Grund|ägen abso- luter Unparteilichkeit und nah böchster juristisher Einsicht, alfo die Grundlagen für die unablässige Uebung der Gerechtigkeit, d. h. für die Erfüllung des vornchmsten Zwecks des Rechts. Die hohe Bedeutung einer möglichst vervollklommneten Ausbildung gemeinsamer Rechts» institutionen für das ganze wir1:hshaftlihe Leben der Nation und au im Einzelnen für die vitalsten Interessen jedes Reichéangehörigen giebt sih damit überzeugend zu erkennen; die Aussicht, überall im Reich nah gleih:.m Ret bemessen, überall einer gleich gewissenhaften und glei einsihtigen Rehtsprehung theilhaftig zu werden, ist nit nur geeignet, die Wechselbeziehungen der Angehörigen der verschiedenen Bundesftaaten zu vermehren, sondern auch dem ganzen Handel und Wandel die solideste Basis zu geben und das Vertrauen zu dem Reich und das vollste Interesse an seiner Erhaltung allseitig aufs Höchste zu fördern. Materielle Rüdsichten vereinigen \sih hier mit idealen Bestrebungen, um die deutschen Stämme mit einem Bande zu um- aeben, dessen cinigende Kraft der aller praktishen Maßnahmen zur Göôrderung des wirtk\chaftliden Verkehrs keineswegs nachsteht.

Der Partikularièmus s\teifste sich dcnn auch mit ganzer Macht gegen die Einführung der Rechtseinheit, und es lag, als sie denno im Prinzip beschlossen war, lange noch die Gefahr nahe, daß ihre praktishe Bethätigung tur die Mifgurst und die Sondermaßnahmen einzelner Bundesstaaten, speziell Bayerns und Sachsens, zu Zuständen führen könnte, wie sie in den leyten Stadien der Reichokammer- geridtsherrlihkeit Play gegriffen hatten. Diese Befürchtungen sind aber durch die Entwickelung der Verhältnisse, an der der neu begründete oberste Reichsgerihtshof selbst den _hervorragendsten Antheil hat, zu Schanden gemaht worden. Wir erfreuen „uns zunächst nur der einheitlichen Gerichtsorganisation, des einheitlichen Strafrechts und des gemeinsamen Prozeßverfahrens, aber die darauf

bezüglichen Justizgeseze bestehen noch nit ein Jahrzehnt, und sie sind

dem Deutschen bereits unentbehrlich geworden. Die Rechtsprechung der Gerichtshöfe steht vollständig auf der Höhe ihrer Aufgabe und besonders die des obersten Reichs8gerihts nimmt im Volke cue unbestrittene, täglih steigende Autorität ein, Der Rechts partikularismus is für dcn Geltungsbezirk des Reichögerichts 4 Deutschland für immer ein überwundener Standpunkt, und

kann nur noch eine Frage der Zeit sein, daß auch Baye sich seiner juristishen Sonderstellung entkleidet. Dieser Zeit wird um so schneller eintreten, wenn wir uns erst einhe licher Rechtssaßungen in dem allgemeinen deutschen bürgerlichen Geseßbuch erfreuen; dann wird der zusammenfassende, das Bewußtsein

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untrennbarer nationaler Zusammengehörigkeit stärkende Einfluß der

deutshen Rechtseinheit noch gewaltiger werden und aus ihr stets ein Quell frischen deutshen Lebens hervorsprudeln. Indem das Reich morgen den Grundstein zu einem imposanten Heim für das oberste Reichsgericht legt, bekundet es den Sieg des Reichsgedankens au auf dem Gebiet der Rechtspflege über partikulare Engherzigkeit, ein köst- lies Ergebniß des mannhaften Ringens deutsher Männer, ein hoffnungerweckendes Wahrzeichen für die Zukunft.

Die „Jundu strie“ schreibt:

Naturgemäß ift gegenwärtig die Aufmerksamkeit aller Schichten der Bevölkerung der Hanjastädte nah nunmehr vollzogenem Zoll- anshluß dieser gewaltigen Umwälzung auf wirthschaftlihem Gebiet zugewandt. Berühren doch die großartigen Veränderungen, welche die Handelswirthschaft zu erwarten hat, nicht nur das Interesse des gesammten Handelsstandes aufs Einschneidendste, sondern überhaupt das Wohl und Wehe der ganzen Bevölkerung von Hamburg-Altona. Die Erwerbsverhältnisse Aller müssen mehr oder weniger davon betroffen werden, ohne daß sih die cigentlihen Folgen {hon heute ganz klar voraussehen lassen; dazu wirken zu viele Umstände zusammen, die wechselseitig wieder von einander abhängig sind.

Wo ehedem Tausende von Masten ihre bunt bewimpelten Spigzen gen Himmel streckten, ein geshäftig bewegtes Leben auf Fluß und St1aße sich vollzog, da ist es fortab ôde und still, und wo bislang eine unbelebte Sand- oder Wiesenflähe \sich dehnte, da bespülen die Fluthen der Elbe in neu errichteten Häfen und Kanälen Quais, Packhäuser und Geschäftsräume und wogt geschäftiges Drängen und Treiben. Verkehr und Grundwerth sind völlig verschoben worden. Jene großartigen Hafen-, Dock- und Speicher-Bauten, welche dem Welthandel Hamburgs in Zukunft seine Heimstätte gewähren sollen, sind nahezu vollendet, und man ist jedenfalls eines Sinnes darüber, daß der Handel über Einrichtungen von solcher Vollkommenheit zu verfügen haben wird, wie man fie bisher nech niht gekannt hat. Hamburg kann sich vielmehr heute rühmen, einen Hafen zu besißen, welcher es mit den ersten der Welt aufnimmt in der Größe aller seiner Einrichtungen, in der zweckdienliGen Anordnung aller Arlagen, in jenen technishen Veranstaltungen, welcke dem Handel und der Siffahrt Zeit und Geld ersparen. Allerdings, es war au hohe Sh es Antwerpen gleich zu thun, welches scinen Hafen in den leßten

ahren einer so großartigen Umgestaltung unterzogen hatte, und diefe günstige Wirkung des Zollanshlusses auf eine {chnelle und zeitgemäße Umgestaltung aller Hafenarnlagen fann daher nicht hoch genug an- geshlagen werden. i

Der Freihafen gewährleistet Hamburg andererseits die Fortdauer aller überseeishen Geschäftsbeziehungen und die ungehinderte Be- wegung für den Handelsverkehr und die Schiffahrt. Was aber sonst die Verbindungen mit dem deulschen Binnenlande betrifft, so werden diese dur den Zollanshluß an Bedeutung unzweifelhaft noch wesentlich zunehmen. Der Nutzen des dur keine Zollschranken ge- hinderten oder erschwerten Verkehrs mit dem übrigen Deutschland wird ohne Zweifel die Zahl und den Umfang der Hamburger Geschäftsverbindungen mit demselben steigern, hon durch die Noth- wendigkeit, sehr viele bisher vom Ausland bezogene Waaren in Zukunft dem Inland zu entnehmen. Daß der Hamburger Klein- handel durch den Zollanshluß voraussihtlich ungemein gewinnen muß, haben wir erst kürzlich in einem diesbezüglihen Aufsatz des Näßeren erörtert. Ebenso dürfte es auch dem Hamburger Gewerbe ergehen, worüber man in Interessentenkreisen niemals im Zweifel war, denn gerade in „Handwerkerkreisen fand der Gedanke des Zoll- anshlufses zuerst günstigen Boden, da durch denselben ein neues und großes Absaygebiet ershlossen wird. Fast ein Gleiches läßt sih von den Hamburger Großgewerben erwarten, theilweise sind dén bereits be- standenen in ihren Betrieben auch nach dem Zollanshluß wesentliche Vergünstigungen zugebilligt worden und andererseits ist erft in Folge der neuen Verhältnisse auch în Hamburg der Boden für eine be- deutendere Großindustrie geebnet worden.

* Im Uebrigen darf man es als ein gütiges Geshick ansehen, daß der Zollanschluß der Hansastädte zu einer Zeit vor \sih geht, die, nah allen äußeren Anzeichen zu \{hließen, für den Welthandel einen er- neuten Aufshwung nah fo manchen Jahren sihtlihen Stillstandes bringen zu wollen \{cheint. Nur mit um so größerem Vertrauen kann daher Hamburg heute in die Zukunst blicken; hat es auch noch nie- mals glei große und tief ein\chneidende wirthschaftliche Umwälzungen in seiner gewaltigen Handelsstellung erfahren, so zeigt doch andern- theils sein großactiger Entwickelungsgang, daß es seither noch stets, und felbst unter den \{chwierigsten Verhältnissen verstanden hat, seinen Handel zu immer größerer Blüthe und Gedeihen zu bringen.

Die „Deutsche volkswirthschaftlihe Cor- respondenz“ bemerkt über „Deutshlands Handel sonst und jeßt“:

Alle Erörterungen über die Mittel, durch welche die Theilnahme Deutschlands am Weltverkehr weiter ausgedehnt und nußbringender gemacht werden könnte, kommen zunächst immer mit zwingender Noth- wendigkeit auf die Stellung unserer großen Hafenpläße an der Nordsee, Hamburgs und Bremens, zurü. Diese Städte waren bisher und sind heute noch die Brüden, über welhe Deutschland mit den überseei]hen Ländern, von denen ein großer Theil ja noch un- ermeßliche SGihe besißt, in Verbindung steht; aber auch in Zukunft wird dies fo bleiben, ja der Zellanshluß beider großen Handelshäfen wird dieselben erst recht geeignet machen, die Theilnahme der deutschen Industrie am Weltverkehr zu vermitteln.

__ Die frühere handelspolitische Abgeschlossenheit Deutshlands hatte eine einseitige Entwickelung der beiden großen Hansestädte erheblih begünstigt, indem sie niht sowohl die Brücke für die deutshe Pro- duktion, als vielmehr das Einfallsthor ter ausländischen Interessen bildeten. Sie selbst tcifft indeß dafür weniger die Schuld ; waren sie doch lange Zeit hindur die einzigen, welche den deutschen Namen in den entfernten Welttheilen vertreten haben. Die Einseitigkeit ihrer Stellung ist nämlich keineswegs der großen Mehrheit ißrer eigenen An- gehörigen, geschweige denn dem gesammtenDeutschland zu Gute gekommen, fondern vielmehr jenem kleinen Theile von Kaufleuten allein, welche das Geschäft zwishen Deutschland und dem Auslande in den Händen hatten. Nach Lage der Verhältnisse konnte dieses Geschäft, 10 be- deutend und großartig es auch war, doch nicht üker gewisse Grenzen hinausfommen, und so geschah es, daß dieses Geschäft Jahrzehnte hindurch fast das unbestrittene Eigenthum eines an Kapital, Ver- bindungen und Intelligenz allerdings ausgezeibneten Kreises von Pa- trizierfamilien war. Gerade die Art und Weise dieser Solidität, welche in den Verhältnissen dieser Kreise herrschte, trug dazu bei, die Fortdauer einer solchen geschäftlichen Hegemonie selbst für Hamburg und Brewen unerwünscht zu machen. : s

Die Firmea in Hamkurg und Bremen sowie deren Filialen im Auslande vererbten sich gewissermaßen nah dynastishen Prinzipien; Kapital und geschästlihe Verbindungen gingen vom Vater auf den Sohn, vom Onkel auf den Neffen über, und nur da, wo einmal cine Lücke în der verwandtscaftlihen Succession entstand, war es einem erprobten und beliebten Angestellten der Firma möglich, in der Leitung derselben eine unabhängige und maßgebende Stellung zu erringen. Grundsätlich läßt sich gegen die Vortrefflichkeit dieser Ordnung der Dinge ja nichts einwenden, ohne Zweifel trug sie gewaltig dazu bei, die weltbekannte Solidität der Hamburger wie Bremer Geschäftéwelt zu erhalten und zu befestigen, und wäre der Spielraum für die Jni- tiative der Anderen, welche außerhalb jener Patrizierkreise standen, nit gar zu beshränkt gewesen, so dürste an den erwähnten Einrich- tungen a ewohnheiten au heute nicht das Geringste aus- zusetzen sein.

__ Allein gerade derselbe Reichthum und dieselbe Vorsicht, welche jenem System einerseits zum Lobe gereichen, shufen andererseits den Nachtheil desselben. Der reihe und vorsihtige Patrizier ließ {ih nie auf Unternehmungen ein, deren Ausgang ihm nicht als zweifellos gesihert und nicht als sehr vortheilhaft ershien. War der Gewinn nicht sogleich in den ersten Jahren fehr groß, so verzichtete er gern darauf, sein ohnehin {on sehr ausgedehntes Geschäft noch zu ver- größern. Der Unternehmungsgeist aber wurde auf diese Weise leider

nur in besckränktem Maße gefördert. Auf der anderen Seite' besaßen jene Kreise aber eine so große Einsicht, eine so weitreihende Kontrole in der Geschäftswelt, daß es ihnen ein Leichtes war, jede in Ham- burg bezw. Bremen si regende Konkurrenz, welhe mit ihnen felbst O 0 Galiee Fühblung ftand, zu bekämpfen und nicht aufkommen

Heute, nachdem der deutshe Handel fich in der erfreulihsten Weise über seinen ehemaligen engen Rahmen weit ausgedehnt hat, auch die beiden großen deutschen Hansestädte niht mehr isolirt, son- dern mit dem deutsck{,en Vaterlande endli eng verbunden sind, ist es dringend zu wünschen, daß \sih das Kapital und der Unternehmungs- geist, welhe bis jeßt im deutshen Binnenlande wirkten, in Zukunft mehr, als es ehemals geshehen, nach ©amburg und Bremen wenden, wo es zuverlässige und kompetente Kräfte genug giebt, um sich an die Suite neuer Unternehmungen zu stellen, ohne deshalb die Ueberlegen- heit der alten scheuen zu müssey. Daß es zur Bethätigung kaufmän- nischen Unternehmungsgeistes aber Raum und Gelegenheit noch genug giebt, darüber finden wir in den Berichten der Hamburger wie Bremer Handelskammer fortgeseßt Beweise genug.

Amtsblatt des Reih3s-Postamts. Nr. 46. Inhalt: Verfügungen: Vom 24. Oktober 1888: Fahrplan der Reichs- Postdampfer ; Einrichtung einer Post- Agentur in Viktoria (Kamerun).

Beröffentlichhungen des Kaiserlichen Gejundhe1ts- amts. Nr. 44. Inhalt: Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Cholera in Ostindien. Pocken und Typhus in Port-Bou. Zeitweilige Maßregeln 2. Sterbefälle in deutshen Städten von 40000 und mehr Cinwohnern. Desal. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Witterung. Thierseuhen in Ungarn, April bis Juli 1888. Desgl. in Oesterreich, Juli und August 1888, Veterinärpolizeiliche Maßregeln. Medizinal-Gesezgebung 2c. (Deutsches Reich.) An- leitung zur Gesundheitspflege an Bord von Kauffahrteischiffen. Thierseuchenstatistik. (Preußen.) Geschäftsanweisung für die Wissenschaftlihe Deputation für das Medizinalwesen. (Sachsen.) Hypnotishe Vorstellungen. (Württemberg.) Maßregeln beim Aus- bruch der Menschenpocken. (Hessen.) Ausschlagskrankheit im Zusammenhang mit der Schußpocktenimpfung. (Medcklenburg- Streliß.) Desgl. (Anhalt. ) VBichtranëport auf Eisenbahnen. (Elsaß-Lothringen.) Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Vieh- beförderungen auf Eisenbahnen. Rehtsprehung. (Reichsgericht.) Wissentliches Inverkehrbringen eines gesundheits\chädlihen Nahrungs- mittels. Vermiscbtes. (Preußen. Berlin.) Karbonnatronöfen. (Spanien.) Bekämpfung der Diphtherie.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Württembergishe Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Herausgegeben von dem Königlihen Stali- stischen Landesamt. Jahrgang 1887. 11. Hälfte: Württem- bergishe Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. In Verbindung mit den Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, dem Württembergischen Alterthums-Verein in Stutt- gart, dem Historishen Verein für das Württembergische Franken und dem Sülchgauer Alterthumsverein herausgegeben von dem Königlichen Statistishen Landesamt. Jahrgang X, 1887. Der neue Jahrgang der „Württembergischen Vierteljahrshefte“ steht an Reichhaltigkeit, Werth und Interesse der darin gebotenen Bei- träge zur Landesgeschichte hinter den früheren iht zurück. Er bringt zunächst eine Nachlese zu den Uhland-Biographien, zu welcher der hundertjährige Gedenktag der Geburt des Dichters den Anlaß ge- geben, und eine umfänglihe Uebersidt der s{chwäbischen Geschichts- forsher und. Geshichts[hreiber (verfaßt von Dr. Karl Klüpfel in Tübingen). Auch die jährlich vom Statistischen Landesamt auf- gestellte Liste der württembergischen Geschihtsliteratur (vom Jahre 1886) fehlt niht. Die an der Publikation der Vierteljahrshefte mit- wirkenden Geschichtsvereine haben sich mit mannigfachen Ab- handlungen, Mittheilungen, Urkunden - Veröffentlihungen 2c. be- theiligt, wie die nachstehende Uebersicht darthut. Von dem Württembergishen Alterthumé-Verein in Stuttgart wurden bei- gesteuert : Aufsäße über alte kirchlide und weltlihe Gebräuche in Ellwangen, aus tem Wortshaß der Ellwanger Mundart, über Hechinger Latein, die Zerstörung von Enzberg im Jahre 1384, über die Burgkapellen auf Achalm und Sperberseck, über die Heerstraße der Peutinger'shen Tafel von Vindonissa bis Abusina, über ein Stammbuch Herzog Friedrih's 1. von Württemberg. Ein „Albrecht Dürer in Württemberg* betitelter Beitrag untersucht an der Hand eines Skizzen-Buchs des Meisters (aus dem ein Blatt in Facsimile- Druck beigegeben 1) den Weg, den Dürer auf seiner Reise nah dem Elsaß und der Schweiz (im Jahre 1515) durch Württemberg ein- geshlagen hat. Endlich finden wir weitere Mittheilungen über die Skulpturen des Stuttgarter Lusthauses auf dem S(lofse Lichtenstein. Dem Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Dberschwaben verdankt der Band u. a, Beiträge über das Wappen der Grafen von Marstetten, über die Familie der Besserer in Ulm, den Mengener Danuvius- Altar, die Christianisirung des füdlihen Oberschwaben, die Privilegien der Stadt Isny und die Ortsnamen der Peutinger'\hen Tafel. Aus dem Historishen Verein für das Württembergische Franken sind für den Band Mittheilungen über die Ausgrabung des Römerkastells in Murrhardt (uit Abbildungen) eingegangen, während die Beiträge zur älteren Topographie Württembergs (beson- ders im Codex Laureshamensis) vom Pfarrer Gustav Bofßsert in Bätblingen, fortgeseßt werden. Derselbe giebt auch eine Geschichte des Klosters Bruderhartmannszell bei Rothenburg. Professor Dr. Ludwig in Hall beschreibt eine Reise auf der Teufelsmauer und Pfarrer Gußmann in Gutenbera erstattet Bericht über die Jagsthäuser Ausgrabungen im Herbst 1886, welche das Kastell, den Garnisonäbau und die Civil- Niederlassung bloslegten. Der aufgefundene Fortuna-Altar sowie mehrere Inschriftenreste sind dazu abgebildet. Vom Sülchgauer Alterthumsverein wurden zunächst mehrere Arbeiten von E. von Kallee, General-Major a. D. in Stuttgart, geliefert. Dieselben betreffen die Bedeutung der römischen Niederlassungen auf dem kleinen Heu- berg, die römische. Heerstraße von Rottenburg über den Bromberg nad) Kannstatt und die römische Niederlassung bei Wachendorf (mit Abbildungen und Karten). Daran reihen \ich sodann kleine Bei- träge zur Geschichte der Sai Hohenberg im 16. Jahrhundert 2c. Ferner wird die Herren-Stuben-Ordnung von Rottenburg a. N. aus dem Jahre 1535 nach dem Wortlaut der Urkunde mitgetheilt. Am Ende des Bandes erscheint ferner, in Ausführung eines be- züglihen, von dem Redaktions-Ausshuß der „Württembergischen Vierteljahrshefte für Landesgeschichte“ gefaßten Beschlusses als Nr. 1 der „Württembergischen Geshichtsquellen“ der bekannte, aber bis jeßt als Theil der Bibliothek des Literarishen Vereins (ohne Beo wenig verbreitete Hirsauer Codex. Die Publikation hat der Archiv-Sekretär Dr. Schneider besorgt und ein umfangreiches Register der Ortschaften und Personen hinzugefügt. Wie die Redak- tion anzeiat, ist Einleitung getroffen, daß alljährlih eine oder meh- rere Quellenschriften des Mittelalters, unter thunlihfter Berü- sihtigung der verschiedenen Landesgegenden zur Ausgabe gelangen Föônnen. Der Codex Birsaugiensis wird im Königlichen Staatsarchiv zu Stuttgart aufbewahrt, besteht aus 70 Pergamentblättern und ift im Anfang des 16. Jahrhunderts niedergeschrieben. Er enthält die Geschichte des Klosters Hirsau nebst Chronik der Aebte und Verzeich- nissen dieser, dann der Altäre des Klosters nebst ihren Reliquien, sowie der O und Erwerbungen.

_— Die am 3. November erscheinende Nr. 2366 der „Illustrirten Zeitung" enthält folgende Abbildungen: Kaiser Wilhelm“ Il. in Rom. 2 Abbildungen, Kaiser Wilhelm 11. in Neapel. 2 Ab- bildungen. Königin Margherita von Italien. Das italienische Panzer\chif} „Umberto“ auf dem Stapel zu Castellamare.

Gewerbe und Handel.

Die gestrige ordentlihe Generalversammlung der Aktionäre der Berliner Elektrizitäts-Werke genehmigte den von der Verwaltung vorgelegten Geshäftsberiht, ebenso die Bilanz mit dem Gewinn- und Verlust-Conto für den Zeitraum vom 1. Januar 1887 bis 30. Juni 1888, seßte nah dem Vorschlage der Verwaltung die an die Aktionäre zu vertheilende Dividende auf 74 °/9 pro rata tem- poris = 5 9% per annum fest und ectheilte dem Aufsichtsrath und dem Vorstand die Entlastung für die abgelaufene, 18 Monate um- fassende Geschäftsperiode. Alsdann wurde nach dem Antrage der Verwaltung beschlossen, den Vorstand und Aufsichtsrath zur Erhöhung des Aktienkapitals um 3 Millionen Mark durch Ausgabe von 3009 Stück neuer Aktien zu je 1090 A zu ermächtigen und gleichzeitig den Beschluß der Generalversammlung vom 15. Januar d. I., das Aktienkapital von 3 auf Millionen Mark zu erhöhen, wieder aufzuheben. Die Verwaltung wird ferner ermächtigt, die Mo- dalitäten der beschlossenen Neuausgabe der Aktien, namentlih den Cours, zu welchem dieselben ausgegeben, und den Zeitpunkt, von wann fi die neuen Aktien dividendenberehtigt werden, selbständig zu be-

immen.

Die \oeben ausgegebene 11. Lieferung 26. Jahrgangs 1888 der „Gewerbehalle“ (Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunstindustrie, unter Mitwirkung bewährter Fahmänner redigirt von Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle, Architekten in Stuttaart ; Verlag von J. Engelhorn daselbst) bringt die sorgfältig gezeichnete Aufnahme eines prächtigen alten Werkes deutscher Renaissance. Es ist das \{hönste und interessanteste aus einer Reihe von Grabmälern in der Stadtkirhe zu Dehringen in Württemberg, das des Grafen Georg Friedrih I. von Hohenlohe-Waldenburg und seiner Gemahlin Dorothea Reuß von Plauen. Das (von dem Regierungs-Baumeister Fr. Gebhardt in Ellwangen aufaenommene) Denkmal ist in Alabaster ausgeführt und in klassisher Weise polyhromirt. Der ganze Aufbau zeigt in den Ver- hältnissen eine \{öône Harmonie und in der reichen, zierlihen Orna- mentifk cin edles Formgefühl. Der Styl ist mit großer Sicherheit und in der reizvollsten Weise behandelt; neben frei in seinem Rahmen benußten und weitergebildeten Motiven zeigen \sich auch originelle neue Cinfâlle. Alle ornamentalen und figürlihen Einzelheiten sind mit größter Feinheit und tehnisch vollendet ausgeführt. Der Meister des Waeikes ist unbekannt, doch wird fch ein Monogramm mit der Jahreszahl 1604 und den Buchstaben A. 8, auf ihn beziehen lassen. An trefflichen Arbeiten des älteren Kunstgewerbes bietet die neue Lieferung ferner eine vlämishe, in Kupfer getriebene Kanne von graziôóser Form, auf drei Füßen ruhend, aus Gent (Privatbesiß; auf- genommen vom Professor F. Ewerbeck in Aachen), dann eine ge)chnitte Holzdete aus einem Wohnhause in Halle a. d. S. vom Ende des 16. Jahrhunderts (aufgenommen vom Architekten Hugo Steffen daselbst), und endlich ein \chöônes altes Stoffmufter aus dem bayerishen National - Museum in München, aufgenommen von Anton Lehmann daselbst (in Farbendruck reproduzirt). Die moderne deutshe Kunstindustrie ist repräsentirt durch einen alterthümlich stylisicten Schrank, entworfen vom Professor L. Theyer in Graz, und einen Bücherschrank, verbunden mit Schreibtisch, ent- worfen von dem Architekten Fr. Chr. Nillius in Mainz, ausgeführt in der Hofmöbelfabrik von F. C. Nillius u, Co. daselbst. Das Pariser Kunstgewerbe vertritt eine Tafel, darstellend einen \{chwung- vollen \chmiedeeisernen Träger von Baudri (aus dem K. K. öster- reihishen Museum in Wien), aufgenommen von Joh. Beer daselbst.

Der Verein zur Wahrung der wirthschaftlihen Interessen von Handel und Gewerbe versendet ein Gut- ahten über die Frage, ob Lieferungsgeschäfte über im Jnlande von einem der Kontrahenten erzeugte oder hergestellte Mengen von Saen oder Waaren dem preußischen Landesftempel unterworfen sind. Das Gutachten ist auf Veranlassung des Vereins durch den Justiz- Rath von Simson erstattet.

Der Vorstand des Ausftellung8-Comités für die GBewerbe- und Industrie-Ausftellung zu Hamburg 1889 macht Folgendes bekannt : :

Die zahlreihen und umfangreihen Anmeldungen, welche in den leßten Tagen eingelaufen sind, maben es dem Comité zar Pflicht, èie Gesuhe um Verlängerung der Anmeldefrist im Allgemeinen ab- zulehnen und folgende heute beschlossene Bekanntmachung zu erlassen :

Bekanntmachung.

1) Für Anmeldungen von Gegenständen für das Hauptausftellungs- gebäude bleibt der Saß 14 der besonderen Bestimmungen vom 23. Juni 1888 in Kraft.

Hiernach können Anmeldungen, welhe nach dem 1. November 1888 eingehen, auf Berücksichtigung niht rehnen. Falls ihre Zu- laffung noch mögli, haben die Aussteller außer der Plaßmiethe einen Beitrag in gleiher Höhe wie diese Plazmicthe zu entrihten, ohne für diese Zuzahlung an der Vertheilung eines etwaigen Ueber\chusses des Unternehmens betheiligt zu werden.

2) Ausgenommen von der vorstehenden Bestimmung sind

a, die Einzelmeldungen solcher Kollektiv-Ausftelungen, welche von den betreffenden Innungs-Vorständen oder Lokal-Comités bereits angemeldet sind oder bis zum 1. November noch angemeldet werden,

b, die Anmeldung für die Kollektiv-Ausftellung weiblicher Hand- arbeiten und kunstgewerblicher Arbeiten von Frauen, soweit die Be- treffenden ihre Absicht, diesen Kollektiv-Ausftellungen beizutreten, bis zum 1. November brieflich erklärt haben werden.

Für die Nachlieferung der förmlichen Einzelmeldungen sür die unter a und b erwähnten Aussteller wird noch eine Frist von 14 Tagen gewährt.

3) Anmeldungen für die Mashinenhalle und die Auëstellung im Freien werden nach dem 1. November nur unter dem Vorbehalt registrirt, daß noch genügender Play vorhanden sei. Die nah dem 1, November sih meldenden Aussteller werden also nöthigenfalls cine Verminderunz des gewünschten Raumes oder eine völlige Abweisung si gefallen lassen müssen.

Falls diese Anmelder noch zugelassen werden, soll von einer Ver- doppelung der Playzmiethe (§. 14 der Besonderen Bestimmungen) ab- gesehen werden.

Nach dem 30. November tritt für die Maschinenhalle und die Ausstellungen im Freien der §. 14 der Besonderen Bestimmungen wieder in Kraft. Jedoch behält sih das Comité vor, die Annahme au vor diesem Tage für alle oder einzelne Gruppen von Ausstellungs- gegenständen zu \{chließen, falls der jeßr noch verfügbare Raum früber belegt werden sollte.

, 4) Vorstehende Bestimmungen finden für die Anmeldungen zur Kunstausstellung und zur M Cra ung keine Anwendung. Hamburg. den 26. Oktober 1888. Der Vorstand des Ausftellungs-Comités: Albertns von Ohblendorff, Justus Brinckmann, Dr., erster Vorsitzender. zweiter Vorsitzender.

_— Die Nr. 44 40. Jahrgangs des „Gewerbeblattes aus Württemberg“, herausgegeben von der Kgl. Centralstelle für Gewerbe und Handel, hat folgenden Inhalt : Offenhaltung der Bibliothek der Königl. Centralstelle für Gewerbe und Handel an Winterabenden. Kraft- und Arbeits8maschinen- Ausstellung für das Deutshe Reih in München 1888. Die Facbschulen der Shubmachermeister-Innung München. Verschiedene Mittheilungen. Preisaus\hreiben. Neues im Lesezimmer. Literarische Erscheinungen, Neues im Landes-Ge- werbemuseum. Reichs-Patente von Erfindern aus Württemberg. (Patent-Anmeldungen).

_— Der Handel des vereinigten Königreichs Groß- britannien und Irland mit dem Audlande +4 Seb 1887 ergab, wie das „Chamber of Commerce Journal“ den defini- tiven Auêweisen entnimmt, folgende Ziffern! Einfuhr 362 227 564 Pfd, Sterl., Ausfuhr 221 414 186 Pfd. Sterl.; dazu die übrige (fremde und koloniale) Ausfuhr 59 348 975 Pfd. Sterl., ergiebt als Gesammtwerth der vorjährigen britishen Handelsbewegung 642 990 725 Pfd. Sterl. Die Handelsbewegung des ganzen leßten Dezenniums illustrirt nachstehende, von dem genannten Journal mitgetheilte Tabelle :