1888 / 282 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Nov 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Als die Schaaren der Aufständischen gegén Lindi heranzogen, rückten ihnen die in der Stadt befindlichen arabischen Soldaten entgegen, an- geblich um sie zurückzuschlagen, in Wirklickeit wurde nur zum Schein viel Pulver vershossen und beide Parteien machten gemeinschaftliche Sache. Die Sultanstruppen kehrten darauf in die Stadt zurück mit der Nachricht, sie könnten gegen die Uebermacht des Feindes nichts ausrihten; sie hielten den Bezirks-Chef unter strenger Üeberwachung, um nit zu sagen Gefangenshaft, und Leßterer konnte aus ihren Gesprähen entnehmen, daß sie ihn in Ketten den herannahenden Anfftändishen auszuliefern beabsichtigten. Durch die Unterstüßung eines wohlgesinnten Arabers, -der mit zwei- hundert bewaffneten Sklaven aus der Umgegend von Lindi. zu ihm

eilte, aber ihn gegen die Schaaren der Eindringlinge nit zu balten“

vermochte, gelang es dem Bezirks-Chef, Herrn von Eberstein, mit seinem Genoffen in einem offenen Ruderboot zu entflieben und in die See zu stehen. Vor der Abfahrt übertrug Herr von Eberstein jenem Araber in aller Form die Verwaltung des Ortes und ernannte ihn zu feinem Vertreter. Die Flüchtlinge retteten \sich auf eine vorübersegelnde Dbau und gelangten unter mancherlei Fährlichkeiten endlich nah Kilwa an Bord von S. M. Kr. „Möwe“. Die „,Möwe“ hatte, wie berihtet worden, auf diesseitige Requisition vom 20. v. M. von dem Herrn Admiral den Befehl erhalten, nah Kilwa zu gehen, und war dort am 22. eingetroffen. Dur seine Instruktion war dem Kommandanten, Kapitän-Lieutenant Ferber, untersagt, aufs Ge- rathewghl Boote an das Land zu \{chicken, damit niht etwa eine Wiederholung der in Tanga vorgefallenen Ereignisse pvrovozirt würde. Bei dem Einlaufen in den Hafen war die Stadt vol von bewaffneten Eingeborenen, der Strand war dicht beseßt und es wurde in dem Orte selbst viel geshossen. Da das Stationéhaus der Ostafrikanishen Gesellschaft nicht am Ufer, sondern mitten unter den übrigen Häusern gelegen war, so konnte es vom Hafen nicht beobahtet werden ; es war nur zu erkennen, daß die Ge- sellschaftsflagge noch wehte. Der Kommandant wartete also ab, bis die Angestellten der Gesellschaft in irgend einer Weise wit ihm in Verbindung treten würden. Schon vor Eintreffen der „Möwe*“ waren die Landbewohner von weither herbei- geströômt und ihre Anzahl wurde von dem Kapitän des englischen Kricgs\hiffes „Pinguin“ auf 15000 Mann ge- \{âgt. Sie hatten vor Beginn der Feindseligkeiten den deutshen Angestellten eine von 48 Stunden zum Verlassen der Stadt geseßt, allein der Bezirks-Chef hatte aus Pflihtgefühl von vornherein das Verlassen der Station verweigert. Wie cs heißt, sind darauf die Führer der Rebellen in eine Moschee gegangen und baben den Christen den Tod geshworen. Aw Freitag, den 21. v. M,, kam es zu ciner Streitigkeit ¿wischen dem Beéezirks-Chef und mehreren Arabern, worauf die Feindseligkeiten begannen und die Deutschen sih in ihr Haus zurückzogen. Dort wurden sie die nächsten Tage hindur belagert und beschossen und baben vermuthlich keine Möglichkeit gefunden, mit der am 22. einge- laufenen „Möwe“ zu kommuniziren, Am Montag, den 24.,, wurde der Bezirks-Chef Krieger tödtlih getroffen, die Angreifer, welche in. den leßten Tagen etwa 20 Mann verloren hatten, drangen in das Haus ein, und der zweite Angestellte der Gesellshast, Herr Hessel, nahm 8 dur eine Kugel selbst das Leben, als ihm jede Aussi{t auf ettung abgeschnitten war.

Als der Abgesandte des Sultans Nasr ben Soliman in Kilwa erschien und an Land gehen wollte, wurde er mit Schüssen empfangen, und er kehrte nah zweistündigem Aufenthalt wieder an Bord des Dampfers zurück, weil er bei der in der Stadt herrshenden Aufregung Nichts hatte ausrihten können. Auf seine Ermahnungen und im Namen des Sultans abgegebenen Erklärungen war ihm erwidert worden, Seyyid Khalifa habe in Kilwa Nichts mehr zu sagen, er habe das seinem Vater durh freiwillige Äbiretung Überlassene Land den Deutshen verkäuft und werde deswegen nicht mehr als Herrscher arerkannt. Die Häuptlinge der ein- geborenen Stämme des Hinterlandes, denen vordem die Küste ge- hört habe, wollten ihren früheren Besiß wieder an fih nehmen und keinen Europäer dort dulden.

Es wiederholte si hier dasselbe, was {on in Pangani vor- gekommen war, daß nämlich die von arabischer Seite angezettelte Be- wegung bald ihren Urhebern über den Kopf wuchs Und einen ugleich * gegen die Herrschaft der Zanzibar - Araber gerichteten Charakter

annahm. Micbahelles.

In „W. T. B.“ sind bisher folgende Meldungen über die Ergebnisse der heutigen Landtagswahlen ein- gegangen :

Reg.-Bez. G umbinnen. 3. Wablbezi:k: Gumbinnen-Insterburg. Gew. Landrath Bur(ard

(konf.). 9. Wahlbezirk: Angerburg-Lößen. Gew. Landrath Frhr. ron Lyncker zu Lößen (deutsh-kons.).

Reg.-Bez. Marienwerder. 3. Waklbeziuk: Löbau. Gew. von Czarlinski (Pole).

Reg.-Bez. Potsdam. 5. Wahlbezirk: Potsdam. Gew. Landrath Dr. Kelch (\rkons.). 8, G O üterbog-Luckenwalde. Gew. Landrath von Oergen onf.),

i Reg -Bez. Frankfurt. 1, Wahlbezirk: Arnswalde-Friedeberg. Gew. von Meyer-Arnsroalde (kons.), von Brand-Wußzig (konf.). : Reg-Bez. Stettin. 3, Wablbezirk: Stadt Stettin. Eew. Broemel (dfrs\.). 9. Wahlbezirk: Naugard-Regernwalde. Gew, von Podewils (kors.). voa Bismarck-Kniephof (kons). Reg.-Bez. Breslau. 10. Wahlbezirk: Nimptsh-Strehlen. Gew. Graf Saurma-Ruppcrs-

dorf (kons). Reg.-Bez. Oppeln. 3, Wahlbezirk: Groß- Strehlip. Gew. Letocha (Centr.). Strachwiy (Centr.). eg.-Bez, Magdeburg. 2, Wahlbezirk: Osterburg-Stendal. Gew. Landrath von Jagow- Osterburg (kon{.), Graf Bassewitßz:Leveßzow (kons.). : Reg.-Bez. Erfurt. 5. Wahlbezirk : Süleusingen-Ziegentlick. Gew. von Erffa (kons) l Reg.-Bez. Schleswig. 15, Wahlbezirk: Segeberg. Gew. Muhl (kons). 19. Wahlbezirk: O Gew. Kammer-Rath Berling (dfr\.). / eg.-Bez. Stade. . Wahlbezirk: Jork-Kehdingen. Gew. Schoof (nat.-lib.). . Wahlbezirk: Stade-Bremermünde. Gew. Holtermann (nat.-lib.). . Wahlbezirk: Neuhaus a. O. Gew. Pfaff, Pastor (nat.-lib ). . Wahlbezirk: Verden. Gew. Wattenberg (nat.-1ib.). i Reg.-Bez. Lüneburg. Wahlbezirk: Celle. Gew. Gutsbes. Thies in Habighorst (nat.-lib.). . Waklbezirk: Lüneburg. Gew. Pildesb (nât.-lib.).

Graf

: Reg.-Bez. Hildesheim. Wahlbezirk; Marienburg-Goslar. Gew. Madckensen (nat.-lib.). : Reg.-Bez. Osna brü. . Wahlbezirk: Meppen. Gew. Dr. Windthorst (Centr.), Wahlbezirk: S E: E Westérkamp (nat.-lib.), eg.-Bez. Köslin. Wahlbezirk: Schivelbein-Dcamburg. Gew. Landrath von Brock- hausen (kons).

. Wahlbezirk: Rinteln. Gew, Detker (nat.-lib.).

. Wahlbezirk: Hofgeismar - Wolffhagen. Knobel (kons.) ;

Wahlbezirk: Kassel-Stade. Gew. Dr. Enneccertus (nat.-lib.).

. Wahlbezirk: Gshwege-Schmalkalden. Gew. Gutsbes. v. Christen

(frkon * * 6. Wahlbezirk: Rotenburg - Hersfeld. Gew. Oekonom Ferdinand

O P D U LD t

Reg.-Bez. Kassel. ew, Seer (1

ew. Bürgermeister

O o bD d

7. Wáblbezisk : Miligen - Frißlar. Gew. Gutsbes. von Nöll-

u J, 12. Wahlbezirk: Fulda. Gew. Amtsrichter Gößmann (Centr.). 14. Wahlbezirk: Hanau. Gew. Zimmermann (nat.-lib.). Reg-Bez. Düsseldorf. 3. Wahlbezirk : Mettmann Gew. Rumpf (nat.-lib.). 10. Wahlbezirk : Krefeld. Gew. Trimborn (Centr.). Reg -Bez. Koblenz.

1. Wahlbezirk: Weßlar. Gew. Prinz Hermann zu Solms-Braun-

fels (fkons.). ,

Bei einem Anspruch des Rheders eines Schiffes gegen den Rheder eines anderen Schiffes auf Ersaß des dem ersteren durh einen auf deutshem Gebiet stattgehabten Zu- sammenstoß der Schiffe zugefügten Schadens sind nah einem Urtheil des Reichsgerihts, I. Civilsenats, vom 30. März d. J., die seerehtlihen Bestimmungen des deutschen Handelsgeseßzbuhs auch dann anzuwenden, wenn die betreffenden Schiffe oder eins derselben einer, beziehungsweise verschiedenen fremden Nationalitäten angehören.

Der im Betriebe einer Gasanstalt beshäftigte Heizer K. verunglückte, während er den Nachtdienst versah, dadurch, daß er den mit der Räumung der Abtrittsgrube der Anstalt be- \chäftigten Arbeitern, welhe in Folge der Betäubung dur die Grubengase in Lebensgefahr geriethen, auf ihren Ruf zu Hülfe eilte und dabei selbst durch Einathmung der Gase ohn- mächtig wurde, in die Grube stürzte und im Schlamm er- stickte. Die Räumung war dem Bauer H., welcher den Jnhalt der Grube als Düïlgmittel benugen wollte, übertragen und wurde von ihm im Verein mit seinen Söhnen ausgeführt. Die Berufsgenossenshaft, welcher die Gasanstalt angehörte, lehnte den Anspruch der Hinterbliebenen ab, weil K. im Augenblick des Unfalls niht im Betriebe der Gazsanstalt, sondern zeitweilig im Betriebe des H. beschäftigt gewesen sei und den Unfall auch nicht bei dem Betriebe der Gasanstalt erlitten habe, da der von ihm unternommene Rettungsversuch mit diesem Betriebe weder in einem unmittelbaren noch mittelbaren e eas stehe. Das Schiedsgericht hat da- egen auf erhobene Berufung die Berufsgenossenschaft zur Zah- ung der Rente verurtheilt, und das Reihs-Versiherungs- amt den gegen dieses Urtheil erhobenen Rekurs in der Ent:- scheidung (Nr. 604) vom 4. Zuni d. J. zurückgewiesen. Aus den Gründen: Nach den angestellten Ermittelungen in Verbin- dung mit den Angaben der Gas-Gesellshaft steht fest, daß die fraglihe Abortgrube, deren Ausräumung dem H. übertragen worden war, für die Arbeiter der genannten Gesellschast be- stimmt war, sowie daß Abort und Grube einen Theil der Fabrikgebäulihkeiten bilden. Ferner is als festgestellt zu erahten , übrigens auch von der Beklagten demnächst zugegeben worden, daß die Ausräumung der Abortgrube im Interesse des ordnungsmäßigen VBetricbes- der Fabrik erforderlih war. Schließlih steht fest, daß der ver- storbene K. in der fraglihen Nacht in dem Betriebe der Fabrik als Heizer thätig war und in der Abort- grube verunglüdte, in welhe er zur Rettung der Arbeiter hinabgestiegen war. Auf der Grundlage dieser Feststellungen und des sonstigen Akteninhalts gelangt man dazu, die beiden für den Anspruh der Hinterbliebenen entscheidenden Fragen: ob K. im Augenblick des Unfalls „im“ Betriebe der Gazanstalt beshäftigt war, und zutreffendensalls, ob der Unfall sih „bei“ dem Betriebe der leßteren ereignet hat, zu bejahen. Die Gegenausführungen der Beklagten erscheinen nah beiden vor- bezeichneten M E, Wenn sie bézüglich des ersten Punktes der Méinung ist, dêr Unternehmer der Ausräumungs- arbeiten sei der Bauer H. gewesen, und in dessen Betriebe sei deshalb K. verunglückt, so ist dem entgegenzuhalten, daß nah dem Ergebniß der angestellten Ermittelungen H. hin und wieder mit Hülfe seiner Söhne in geringem Um- fange die Reinigung von Latrinen -lediglich zu dem weck- ausgeführt hat, um deren Jnhalt zu landwirth- chaftlihen Zwecen zu verwerthen. Er ist deshalb nah Lage des Falles nit als Unternehmer eines selbständigen Latrinen- reinigungs-Betriebes anzusehen, in den etwa K. eingetreten wäre, vielmehr trat H. dur Uebernahme und Vollziehung der Reinigungsarbeiten seinerscits als Akkordant zeitweilig in den Betrieb der Gasanstalt, in deren Jnteresse die Reinigungs- arbeiten unbestritten erfolgten (zu vergleihen Bescheide 374 und 413 „Amtliche Nachrihten des R.-V.-A.“ von 1887 Seiten 182 und 391, sowie die an leßterer Stelle angeführten Entscheidungen). Die Reinigungsarbeiten erscheinen somit als ein Theil der gesammten zur Gasanstalt gehörigen Betriebs- arbeiten, und K. hat also auch während seiner behufs Rettung unternommenen Thätigkeit nicht A im Betriebe der Gasanstalt beschäftigt zu sein. Anders würde die Sache liegen, wenn es si niht um gelegentliche kleine Absuhrarbeiten für landwirthschaftlihe Zwecke, sondern um einen selbständigen versiherungspflihtigen großen Latrinen- reinigungs-Betrieb handeln würde, welcher nit in dem Be- triebe, sür dessen Zwecke derselbe jeweilig thätig wird, für die Dauer dieser Thätigkeit aufginge. Auch die zweite Frage ob K. „bei“ dem Betriebe der Gasanstalt verunglückt ist, mu unbedenklich im bejahenden Sinne entschieden werden. Wie das Reinigen selbst, so erfolgte au die Hülfeleistung des K., welhe ein dem Fortgang der Neinigungsarbeiten ent egen- tretendes Hinderniß zu beseitigen bezweckte, im Jnteresse des Betriebes der Gasanstalt, und „bei“ deren Betriebe hat \ih deshalb der Unfall des K. ereignet. Leßterer würde sich sogar, wie der Vorstand der Anstalt hervorhebt, eine „grobe Dienst- widrigkeit“ haben zu Schulden kommen lassen und „sofortige Dienstentlassung“ gewärtigt tau wenn ér nach erlangter Kenntniß von der lebensgesährlihen Lage der Arbeiter \ih nicht an dem Rettungswerke betheiligt hätte. ist es eine allgemeine Menschenpflicht, daß triebsarbeiter einem anderen, welher in Folge des Betriebes, in welhem beide beschäftigt sind, gefährdet erfheint, E und denselben zu retten suht; wenn der Arbeiter hierbei verunglückt, so verunglückt er „bei“ dem Bc- triebe und gerade in olge der besonderen Gefahr, welche der- selbe für en Mitarbeiter und ihn herbeiführte. Jm vor- liegenden Falle ist noch besonders hervorzuheben, daß der Zustand der Abortgrube,

Uebrigens ein Be-

der ibe, für die die Gasanstalt zu sorgen hatte, die mit der Reinigungs- wie Rettungzarbeit verbundene Gefahr noch ganz besonders gesteigert hat: nah dem Bericht des Vertrauensmanns hat nämlich die Grube keine Ventilation und ist ferner nur von der Abortthüre aus zugänglih. Der erstere Umstand ist als nächste Ursache des Todes, der legztere

insofern als mitwirkend anzusehen, als er die Rettungsarbeiten ershwerte.

_— Der kommandirende General des IIT. Armee-Corps

Seyffarth (konf).

der ausgesprochenen dürften weitere Bulletins nicht

. Hannover, 3. November. (Hann. Cour.) Jn der am Sonnábend Mgehaeiten (3.) Sißung des 22. Hannover- schen Provinzial-Landtages wird ver Haushaltsplan als Ganzes genehmigt. Der Abg. von Bruenneck bringt den Urantrag ein, die Regierung zu ersuchen, zum Jagdschußgesey eine Deklaration dahin zu geben, daß bei Beshäd ungen an Baumschulen und Holzanpflanzungen nur der na forstwirth- schaftlihen Grundsägen ermittelte Holzwerth erseßt werde. Der’ Abg. Struckmann bringt den Urantrag ein, die Regie- rung zu ersuchen, Ausführungsbestimmungen zn dem Gesetz über die Verfassung der Realgemeinden bald zu erlassen, Musterstatute zu entwerfen 2c. Beide Uranträge sind genü- gend unterstüßt.

Württemberg. Stuttgart, 4. November. Der „St.-A. f. W.“ meldet: „Der Präsident des Staats- Ministeriums, Staats-Minister Freiherr von Mittnacht, ist heute auf den Wunsh Sr. Majestät des Königs nah Nizza abgereist.“ Ferner schreibt das amtlihe Blatt : „Gegenüber den in einzelnen auswärtigen Zeitungen auf- estellten Behauptungen über angeblihe von Sr. Königlichen Majestät kontrahirte, das Allerhöchste Privatvermögen belastende Verbindlichkeiten sind wir von zuständiger Seite zu der Erklärung ermächtigt, daß die fraglihen Behauptungen jedes thatsählihen Grundes entbehren.“

Oesterreich-Ungarn. Wien, 5. November. (W. T. B.)

pn Vertretung des Kaisers begiebt sih Erzherzog Wilhelm,

egleitet vom Kammervorsteher Baron Kobliy und einem

Ehrenkavalier in den nächsten Tagen nah Kopenhagen, um dem Regierungs-Jubiläum des Königs beizuwohnen.

(Prag. Abdbl.) Botschafter Graf Deym ist nah München abgereist, um dem Prinz-Regenten sein Ab- berufungsschreiben zu überreichen; von dort begiebt er sih auf seinen neuen Poften nach London.

fanden heute Klub-

Im Abgeordnetenhause berathungen über die Vorlage, betreffend die Erb-

theilungsvorschriften bei Bauerngütern, statt. Agram, 5. November. (Prag. Abdbl.) Das vom Landtage beschlossene Shulgeseß erhielt die Kaiser- liche Sanktion.

Großbritannien und Jrlaud. Birmingham, 5. No- vember. (W. T. B.) n einer beute hier statt- gehabten Versammlung der liberalnationalen Ver- einigung hielt Gladstone eine Rede, in welcher er sich über die innere und auswärtige Politik verbreitete. Jn Bezug auf die innere Politik gab der- selbe dem Vertrauen Ausdruck, daß seine und seiner Anhänger Bemühungen zu Gunsten der Ho mer ule von Erfolg sein würden. Betreffs der auswärtigen Politik sprach sih Gladstone im Allge- meinen zustimmend zu der von dem gegenwärtigen Kabinet be- folgten Politik aus. Jn der kanadishen Fischereifrage hoffe er auf ein befriedigendes - Arrangement, welches die zwischen England und den Vereinigten Staaten bestehenden Bande wieder fester knüpfe. Jn dem Zwischenfall mit dem englishen Gesandten Sackville Hätten es die Vereinigten Staaten an den England gebührenden Rücksichten ohne Zweifel fehlen lassen.

Frankreih. Paris, 5. November. (W. T. B.) Jn der Deputirtenkammer brachte heute Men Antrag ein, in welchem die Regierung aufgefordert wird? ein Verzeichniß aller pensionirten Civilbeamten, deren Pension den Betrag von 3000 Fr. übersteigt, de Kammer als eine Anlage zum Budget vorzulegen. Cuneo d’Ornano beantragte die Veröffentlihung eines Verzeichnisses der seit dem Dezember 1851 Pensionirten. Rouvierbekämpfteden Antrag, der nur zur Erregung von Haß und Streit führen werde. Barré beantragte die Veröffentlihung eines Verzeichnisse sämmtlicher Pensionirten ohne jeden Unterschied u ohne Rücksicht auf die Höhe der denselben gewährten Pensio Der Finanz-Minister Peytral wies darauf hin, daß di viel Zeit und Arbeit kosten werde und hielt es für angezeigt, die Anträge durch eine Kommission prüfen zu lassen. Die Kammer stimmte dem Antrage Jacquemart's und den von Cuneo d’Ornano und Barré dazu gestellten Unteranträgen zu und verwies die- selben an die Abtheilungen, welche eine Kommission zur Vorberathung derselben ernennen sollen. Der Präsident Meéline zeigte der Kammer an, daß die Quästoren Madier de Montjau und Mahy, jowie der Vize-Präsident der Kammer, Anatole de la Forge, auf ihrer Demission beharrten, während die übrigen Mitglieder des Bureaus ihre Demission zurückgezogen hätten. Die Wahl eines neuen Vize-Präsidenten und von zwei Quästoren wurde auf nächsten Donnerstag fesigeseßt. Die Wahl des Deputirten für Cochinchina, Ternisien, wurde nah langer Debatte für ungültig erklärt. i

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus Tanger hat der Sultan den Vertretern der fremden ‘Mächte ein Schreiben zugehen lassen, in welchem er sein Bedauern aus: spriht, daß die Madrider Konferenz mangels Einver- nehmens unter den Mächten nicht zu Stande gekommen sei und worin er die Vertreter der A Mächte auffordert, ihm resp. seinem Ministerium alljähr- lih ein Verzeihniß der unter ihrem Schutz stehen- den Personen einzureichen, da es hierdurch in vielen Fállen gelingen werde, Schwierigkeiten zu vermeiden.

Rußlaud und Polen. St. Petersburg, 6. November. n T. B.);, Bei dem Minister des Auswärtigen, von Giers, and gestern ein Diner statt, zu welchem die Chefs sämmt- liher auswärtigen Botschaften und Gesandtschaften geladen waren.

_ Jtalien. Rom, 5. November. (W. T. B.) Nath einem von Massovah hier eingegangenen amtlichen Bericht soll der König von Goggiat die Armee Ras- Alulah's geshlagen haben.

Spanien. Madrid, 6. November. (W. T. B.) Die Ein- berufung der Cortes ist auf den 20. November festgesetzt.

Niederlande. Bat, 5, November. (W. T. B.) Bei esfserung im Befinden des Königs

ausgegeben werden.

Griechenland. Athen, 5. November. (W. T. B.) Die

General - Lieutenant Bronsart von Schellendorff, ist von Urlaub hierher zurückgekehrt.

Festlihkeiten zu Ehren des Regierungs- Jubiläums des Königs ha Ó gterungs-Jubiläum

en mit dem von den städtischen Behörden

auf der Akropolis veranstalteten Festmahl und dem gesiec! S lictonden Feuerwerk ihren Abshluß gefunden. Das Feuerwerk, welhem au die Königliche Familie beiwohnte, verlief glänzend. Bei dem dem König dargebrahten Fael- ershien derselbe auf dem Balkon und richtete eine i olle Ansprache an die Fackelträger. Die Bevölkerung brachte dem König und der Königin ununterbrochen lebhafte \ympathishe Kundgebungen dar. Der- Herzog und die Her- von Edinburg verlassen heute Athen. , Auf dem englischen -Admirals\i} fand heute Mittag ein Dejeuner statt, welhem der König und die Königin beiwohnten. e Zum Präsidenten der Deputirtenkammer is mit §9 von 119 Stimmen der Kandidat der Regierungspartei, Augherino, gewählt worden.

Dänemark. Kopenhagen, 5. November. (W. T. B.) Die Prinzessin von Wales wird mit ihrem ältesten Sohne, dem Prinzen Albert Victor, zu dem am 15. d. M. stattfindenden Regierungsjubiläum des Königs hier eintreffen.

Zeitungsstimmen.

Der „Staats-Anzeiger für Württemberg“ schreibt : Die freisinnigen Blätter sind auch nach der Erklärung des Reichs-Anzeigers“ um eine Antwort nicht verlegen. Erst sagten sie: Der Kaiser meint uns nit, er meint die Kartellpresse. Jet heißt es: Der Kaiser ist fals berichtet, man hat uns bei ihm angeshwärzt. Die „Freisinnige Zeitung“ hat alle ihre Nummern seit dem Regie- runasantritt peinlih durhgeseben und nihts gefunden, was ihr ein hôscs Gewissen machen könnte. Welche Unschuld! Das „Berliner Tageblatt“ und der „Börsen-Courier“ spielen gleifalls die zu Unreht Gefränkten. „Angesichts der loyalen Haltung“, so sagt das „Berliner Tageblatt“, „die wir, wie dem Kaiserlihen Großvater und Vater, so au des jeyt regierenden Kaisers Majestät gegenüber allezeit einge- nommen, müssen wir nothgedrungen zu dem Schluß gelangen, daß hier in Jedem Falle cine unrichtige Information des Souveräns vorliege. Wir werden au, was auch kommen möge. unter Kaiser Wilhelm 11. ver- Yarren als Sr. Majestät allergetreueste Dpposition Eine andere Taktik \hlagen die „Vossishe Zeitung* und die ihr sckundirende Franffurter Zeitung* ein. Sie glauben, in dem jepigen Vorgang die ersten Symptome eines „neuen Systems“ gegen die kommunale Selbstverwaltung und die Presse zu erkennen, die freisinnige Presse werde aber ihre Unabhängigkeit ebenso gegen den Magistrat und die Stadtverordneten wie gegen jeden Anderen zu vertheidigen wissen, der sie bedrohe. Man sieht, die Herren sind un- verbesserlih,. Nachdem sie den Tadel auf Andere nicht mehr abwälzen können, schreien sie über Gewalt, die ihnen angethan werde. Von irgend welcher Bedrohung der „Unab- Hängigkeit* der Presse ist aber keine Rede. Der Kaiser hat nicht die von den freisinnigen Blättern vertretenen politishen Anschauungen etadelt, sondern den Mangel an Takt, den fie an den Tag gelegt ben. Er hat sh eine Behandlung seiner Familienangelegenheiten verbeten, die auch) „kein Privatmann“ sih gefallen ließe, und hat die ‘Berliner Stadtväter, die notorisch der Berliner Presse gar nich18 zu befehlen haben, wohl aber ebenso notorisch auf einzelne diefer Blätter vermöge ihrer Parteistellung eine gewisse Einwirkung haben, gebeten, fie möchten ihres Theils mit dafür sorgen, daß er friedlih „als Berliner unter Berlinern“ leben könne. Wo ift da die Vergewaltigung ? „Ueber denselben E soden wir in der „Danziger Allgemeinen Zeitung“ Folgendes: i Bas hat a8 der Kaiser bei seinem Tadel im Auge gehabt ? Man habe seinen Vater gegen ihn beständig citirt. Das sind die ‘Worte des Kaisers, wie Herr von Lucanus sie der städtishen Depu- tation {warz auf weiß gab. Und jeßt erklärt der Kaiser auódrüdlich, daß dieses Citiren in der freisinnigen Presse geschehen sei. | Nicht also einzelne Ausschreitungen, die ja auch in nicht frei- finnigen Blättern vorgekommen sind und einen bedauerlichen, aber dur die Aufregung der Zeit erklärlichen Mangel an Takt bewiesen, meint der Kaiser ; sondern er meint das ganze und umfassende System des Freisinns, angeblihe Regierungsmaximen Kaiser Friedrih's, wie fie besonders aus Stellen seines Tagebuchs gefolgert wurden, welches einfa und ungenirt als „freisinniges Vermächtniß* an das Volk ge- deutet und gepriesen wurde, gegen seine (Kaiser Wilhelm's 11.) Re- gierung, so viel oder so wenig man von ihr wußte, und zwar zu Wahl- zwecken auszubeuten. Hier wurde Kaiser Friedrich in ganz unerhörter Weise gegen den jetzigen Kaifer citirt und ausge]pielt, nicht nah dem Buchstaben des Wortes „ziticren*, sondern nach seinem Geiste; man versuchte miitelst des Tagebuchs einen Eindruck im Volke hervorzubringen, der ‘die Wahlen im deutschfreisinnigen, fälshlich hinein interpretirten Sinne beeinflussen sollte; man wollte die Regierung Kaiser Wil- helm's und seine Zukunft auf die Maximen des Tagebuchs seines ‘Vaters sozusagen festlegen, was nur durch das Volk, d. h. den Aus- fall der Wahlen, erreiht werden tcnnte. Das ist offen in freisinni- en Blättern au8gesprohen worden: man müsse dem jungen Kaiser eine Absicht erleichtern, im (angeblichen, d. h. deutsch{freisinnigen) Geiste feines Pans zu Veglere and darum sollte das Volk seine Stimmung und Meinung offen bekunden. E Das It der wahre und tiefe Sinn des Kaiserlichen Tadels an die freisinnigen Blätter. Kaiser Friedri, wie der Freisinnige ihn ü fälschlich denkt, wurde citirt gegen seinen Sohn, von dem man eine andere Regierung (den Grundsäßen Kaiser Wilhelm's I. gemäß erwartete und den man dur einen ten Freisinnigen günstigen Ausfa der Wahlen, haupt\ählich herbeigeführt dur die freisinnige Aus- beutung des „Tagebuchs“, N wollte, in der angeblichen Richtung und Weise Kaiser Friedrich's zu regieren. i : Salo D ibe Wahrheit werden selbst die freisinnigen Vlätter nicht so ganz ohne Röthe anzueifern wagen, wie sie c jeyt thun, wo fie nah einzelnen Aussprüchen suen, während der Kaiser das ganze zu Grunde liegende System des freisinnigen Vorgehens gemeint hat.

Die „Kölnische Zeitung“ schreibt:

Die wenigen Sitze, [e die deutschfreisinnige Partei bei diesen ‘Wablen - noch retten wird, sind fast ausschließlich in den großen Städten zu suchen. Die ländlihen und leinstädtishen Wahlkreise, welche die Partei bisher behauptet hatte, gehen ihr jeyt fast ohne Ausnahme verloren. Berlin allein wird nahezu ein Drittel ter gesammten fort- crittlihen Vertretung im neuen Abgeordnetenhause stellen. Daß eine Pri welche nur noch einige wenige großstädtische Mandate zu retten vermag, keinen gesunden Boden im Volke hat, sondern hôcbstens noch die Stimmung eines ganz beschränkten Kreises einseitigster Interessen und ‘Lebensanschauungen darstellt, eg, Lear auf der Hand. Und in diesen großen Städten selbst halten sich die Deutschfre:sinnigen nur noch dur das „elendeste aller Wahlsysteme* aufreht, um einen in ihrer Presse jeyt sehr geläufigen Ausdruck zu brauchen. Ihren Sieg erringen sie ledig- lih durch die erste und zweite Wählerklasse. In der dritten, wo doh der Schwerpunkt einer richtigen „Demokratie liegen müßte, haben sie sehr wenig Boden mehr. Die große Menge in den Hauptstädten ist sozialdemokratish oder konservativ. Das zeigt Kch noch deutlicher als bei den Landtagswahlen bei den Wahlen zum Reichstage. Bei den leyteren wird die Fortschriitspartei in e großen Städten einen noch viel \{chwierigeren Stand haben als be den socben vollzogenen Wablen. Es ist darum auch nur Verlegenheit und Selbfitäushung, wenn die Deutschfreisinnigen sich über die Foeben erlittene neue ‘Niederlage mit der Hoffnung auf den dem- ‘nästigen Aufschwung bei den Reichstagswahlen zu trösten und ihre muthlos werdenden Anhänger damit aufzurichten suchen. Eine aen, die nur noch in ‘den großen Städten eine Stüße hat und auch bier

elegentlich durch mittelbare und unmittelbare Unterstüßung Seitens

Der So e Me zu behaupten vermag, ist niht mehr gefährli. Wir gehen den nächsten DOEaRa mit demselben guten Ver- trauen entgegen, mit welhem wir in die Landtagswahlen eingetreten sind, und darin können uns au vereinzelte Mißerfolge bei Nach- wahlen; welche in der deutsckfreisinnigen Agitation ftets zu wichtigen Stimmungssymptomen aufgebausht werden, niht irre machen.

Unter der Ueberschrift „Die preußischen Staatsbahnen und die Nationalwirthshaft“ äußert das „Deutsche Tage- blatt“: : ;

In dem ersten Halbjahr 1888/89 haben die preußishen Staats- bahnen vorbehaltlich derjenigen Korrekturen, welche \ih aus der Differenz zwischen der proviforishen und der -definitiven Einnahme ergeben eine Mehreinnahme von rund 28,5 Millionen Mark gegen das Vorjahr erzielt. Da das Etats\oll der dieëjährigen Einnahmen die Isteinnahme des Vorjahres nicht voll erreicht, bedeutet diese Mehreinnahme zugleih einen mindestens gleichen Uebershuß über den Etat8äanschlag. :

Wenngleich dieser Vebershuß selbstredend nicht einen Mehr- übershuß der Einnahmen über die Ausgaben in gleiher Höhe be- deutet, so ist er doch. ein erfreulihes Zeichen der stetig fort- \hreitenden finanziell günstigen Entwidkelung des Staatsbahnwesens. Diese günstige Entwickelung ist um so erfreulicher, als ihre Früchte \chließlich allein der Gesammtheit der Staatsangehörigen und ins- besondere der Steuerzahler zu Gute kommen. : j Dabei ist die finanzielle Seite der Sache keineswegs noch die- jenige, welhe am bedeutsamsten heroortritt, vielmehr ift auf die Schlußfolgerungen, welche aus -der nah den Einnahmen unverkenn- baren Steigerung des Verkehrs auf die Entwicktelung des nationalen Wirthschaftslebens zu ziehen sind, ein noch viel größeres Gewicht zu legen. Die Einnahmen der preußischen Bahnen sind in dem bezeih- neten Zeitraum um 829 4 auf das Kilometer gestiegen, d. h. um nahezu 5 9, wobei noch in Betracht kommt, daß unter den rund 2 300 000 km preußisher Staatsbahnen etwa ein Viertel wenig renti- render Sekundärbahnen sich befindet und allein in dem leßten Jahre gegen 600 km derartiger Meliorationsbahnen dem Verkehr über- eben sind. i:

s Das charafteristisch in Bezug auf die aus dem Verkehr auf die wirthschaftlihe Gesammtlage zu machenden Rüdschlüsse ist der Umstand, daß an den Mehrertcägen der Güterverkehr mit nicht weniger als beinahe 23 Millionen Mark und 730 F auf das Kilometer be- theiligt ist, obwohl der Hauptgüterverkehr erst in das laufende Viertel- jahr fällt. Der Schluß ist sona gerechtfertigt, daß in dem Halbjahr von Ostern bis Oftober 1888 die deutshe Nationalwirth\chaft und insbesondere die Industrie in kräftig fortshreitender Entwickelung be- griffen war. Selbstredend legt das rashe und stetige Fortschreiten des Verkehrs der Eisenbahnverwaltung auch die Pflicht auf, ihrerseits dur entsprehende Fortentwickelung und Vermehrung ihrer Betriebs- einrihtungen und Betrietsmittel mit dem Fortschreiten des Verkeßrs Schritt zu „alten; Vorkehrungen bierfür sind, wie ja bereits ander- weit verlautete, in umfangreiher Weise getroffen.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus Süddeutsch- land geschrieben : : j Han Feier, wele in unserem norddeutschen Venedig sich soeben in Gegenwart des Kaisers vollzogen hat und nah allen Ve- rihten überaus herrlih verlaufen ift, hat auch in Süddeutschland vollen Widerhall gefunden. Galt es doch den nationalen Abschluß einer Entwicktelung, welche seit den ersten Anfängen deutscher Zoll- vereinigung das Denken und Sinnen patriotisher Männer in Nord und Süd beschäftigt hat. Mit Recht mochte Kaiser Wilhelm II. si glücklih prei'en, daß zu seinen ersten Regierungëhandlungen im Innern des Reichs die endliche Vereinigung unserer beiden großen Handels- emporien mit dem nationalen Wirthschaftsleben gehörte. Gerade in Süddeutschland hat die bisherige Stellung der beiden altberühmten ansestädte außerhalb des nationalen Wirthschaftsgebiets am frübesten Rar Siung gefunden, und wenn auch hier und da shußzöllnerische Voreingenommenheit mit im Spiele war, so hat do weiterblickende Eivysiht und patriotishes Empfinden den Hauptantbeil daran gehabt. Das Bedauern, die Hauptsize deutsher Rhederei und deutschen Welthandels außerhalb der nationalen Zollgrenzen zu sehen, ist natürlich um ein Bedeutendes stärker Garden, als der norddeutsche Bund die politishe Machtstellung der Nation neu begründete. Aber die damaligen Versuche, die drei Hansestädte (auch Lübeck stand damals noch außerhalb des Zollvereins) auch handelspolitisch in die neue Staatsgemeinshaft zu ziehen, ersheinen in den Verhandlungen zur Vereinbarung der norddeutshen Bundesverfassung wie gutgemeinte, aber aussihtslose Träumerei. Jeßt nah weiteren zwanzig Jahren ist der Schlußstein dieser Einigung eingefügt und symbolisch hat ihn der jugendliche deutsche Kaiser unter vielhunderttausendstimmigem Jubel festgelegt. Wenn man sich der Sorgen und Kämpfe crinnert, welche diese Entwickelung begleitet haben, so darf man auch hier die einsihtsvolle Mäßigung preisen, welhe zur Vellendung dieses Werks geführt hat und in Folge derea jeßt die Befriedigung oder do das Sichzufriedengeben mit dem neuen Zustand der Dinge in Ham- burg sowohl als Bremen eine nahezu allgemeine ist. Niemand wird es den Bewohnern! dieser Städte verdenken, daß sie sich gegen das allzu rasche unvermittelte Aufgeben lang gewohnter, Vortheil bietender Einrichiungen \träubten, und es ist ihnen in diesem Kampf auch viel- fah Sympathie im Binnenlande, welche von blinder Oppositions- sucht frei war, bewiesen worden; aber es darf ohne Widerspruch be- hauptet werden, daß die jeßt vollzogene Vereinigung unserer beiden deut- schen -Großseestädte mit dem deutshen Zoll- und Handelsgebiet ganz besonders deshalb im übrigen Reiche willkommen geheißen wird, weil dieses nationale Werk mit dem guten Willen und in hoffnungs- reiher Stimmung Seitens der beiden Hansestädte zum Abschluß fommt. Und nit blos der ideale Patriotismus kommt dabei zu seinem Recht, sondern cs darf auch erwartet werden, daß die nah beiden Seiten nutenbringenden Handelsbeziehungen zwischen den großen Emporien an der Nordsee und dem deutschen Binnenlande bis zum der Alpen einen erheblichen Aufschwung nehmen werden. ie vor wenig Jahren die mit Unterstüßung des deutshen Reichs durchgeführte Gotthardbahn dcn südwestdeutschen Handels- und Verkehrsinteressen den größten Vorschub geleistet hat, so wird jeut in der Richtung nah Norden eine vielleicht noch schwerer ins Gewicht fallende Verkehrserleihterung geschafen, welche beiden Theilen zu Gute kommen muß. Son vor mehreren Jahren hat zwischen süddeutsben Fabrikanten der verschiedensten Produktionszweige und Großhandelsfirmen von Hamburg und Bremen ein lebhafter deenaustaush über ermeiterte Handelöverbindungen, die, statt über avre, Antwerpen und Rotterdam zu gehen, unsere deutshen Handels- tädte beschäftigen sollten, stattgefunden. Das damals Begonnene kann jeßt unter viel günstigeren Aussichten wieder aufgenommen werden, und wir zweifein uit, daß der altbewährte, aber ewig jung bleibende praktishe Unterneh:nungsgeist von Hamburg und Bremen ih dieser neuen Aufgabe vollständig gewachsen „zeigen wird. Die besten Wünshe und Bemühungen ihrer üddeutshen Landsleute werden ihnen dabei zur Seite stehen, und das soeben so herrlich ver- laufene Cinigungz3fest möge auch hierfür von bester Vorbedeutung sein.

Statistishe Nachrichteu.

i isteskranken in den Irrenanstalten Preußens 1886. Be Gre) Während dem Königlichen Statistischen Bureau 1876 aus 125 Irren-Heil- und Pflegeanstalten Nachrichten zugingen, war die Anzahl dieser Anstalten im Jahre 1886 auf 173 Cbiliegen' von denen ih 2 (die Irrenkliniken zu Berlin und Halle) im Besiß des Staates befanden. Die Provinzial- und Bezirks-

brachten ihre Geisteskranken in Abtheilungen von Kranken-, Siechen- Sen Wre Beis unter. Außerdem nahmen 31 WoklthätigkeitE- arstalten im Besiß vou Orden vnd Vereinen Geisteskranke, und zwar vorzugsweise Jdisten, auf. Auch zum Erwerbe wurden zahlreiche Irrenanstalten errichtet ; im Berichtsjabre gab es 68 Privat-Jrren- anstalten, von denen nur 27 Aerzte zu Besißern hatten, während die übrigen 41 Anstalten anderen Privatpersonen gehörten. N Entsprechend der Steigeruna der Anzahl der Anstalten, ift seit dem Jahre 1876 auch die Anzahl der Insassen derselben beträhtlich gewahsen. Während vor 10 Jahren 20748 Fälle von Geisteskrankheit in den Icrenanstalten zur Behandlung gelangten, war diese Zahl 1886 bereits auf 37892 gestiegen. Die Zahl der Fälle von Geisteskrankheit ist indeß nicht identish wit der Anzahl der Personen, welche den Irrenanstalten behufs Heilung und Pflege übergeben werden, weil es häufig vorkommt, daß die Geistesfranken innerhalb eines Jahres die Anstalten wech{seln. So befanden sich im Jahre 1876 unter den Auf- genommenen 10,35 %/ mänrliche und 7,8% weibliche Irre, welche bereits in anderen Anstalten gewesen waren; im leßten Berichtsjähr stieg dieses Prozentverhältriß auf 16,81 für männlihe und auf 19,93 für weibliche Geisteskranke. Unter Berüdcksichtigung des Wechsels der Anstalten belief \ich demnach_ die Anzahl der Geisteskranken in den Frrenanstalten Preußens im Jahre 1886 auf 35524 (19245 männl. und 16279 weibl.) Personen, während sich vor 10 Jahren. nur 20 115 (10754 männl. und 9361 T Geisteskranke in den Irrenänstalten befanden. Der Zugang allein ist von 6206 Personen im Jahre 1876 auf 10713 im Jahre 1886 gestiegen. / / Unter 100 Geisteskronken, welche 1886 in den preußischen Irren- anflalten Aufnahme gefunden hatten, befanden fich 60 Männer und 40 Frauen gegen 56 Männer und 44 fen im Jahre 1876. ; Welche Krankheitsformen es endli sind, die vorzugsweise bei den Männern oder den Frauen die Aufnahme in die Irrenanstalt veranlassen, lehrt folgende Zusammenstellung. Unter je 100 in den Jahren 1876 bezw. 1886 Aufgenommenen m m. w. 1886 78,27 5,24 6,49

7,23 1,50

1,27

j w. | 1876 | 54,26 81,18 | 46,99 1636 3,66 | 17,00 6,06 6,27 | 6,03

7,40 | 7,91 1/16 20/61

| 0,33 | 1,46

litten an cinfaher Geistesstörung litten an paralytisher Seelenstôörung litten an Seelenstörung mit Epilepsie litten an Imbecillität und Idiotisie, Kine litten an Delirium potatorum . .. waren nicht geisteskrank, zur Beobach»

tung und ohne Angabe der Krankheit

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von tem Werl: „Unter den Hohenzollern, Denk-

würdigkeiten aus dem Leben des GeneralsLudwig vonNaßmer, allen deutshen Patrioten gewidmet von Jacobow Ernst von Naßmer

(Gotha, Friedrich Andreas Perthes, 1889), ist der II. Theil des IV. Bandes „Aus der Zeit Friedrih Wilhelms IV. (1848—1861)“ er- \chienen (6 4). Mit diesem Bande erhält das trefflihe patriotische Weik, welches im Jahre 1876 (im Verlage von Mittler) begonnen wurde, seinen würdigen Absh(uß. Waren son die früheren Bände, in denen König Friedrich Wilhelm 111. im Vordergrunde steht, von hohem Interesse, so steigert \sih daëselbe . in dem vorliegenden Bande dur die hier auftretenden, den Lebenden bekannten Per- sönlihkeiten, und durch geschilderte, noch miterlebte Ereignisse, die deshalb ein viel größeres Interesse erwecken, als die abge- \chlossenen Zeiten der vorhergehenden Bände, deren Scilderung meist nur einen geshi{htlihen Werth hat. Friedrich Wilhelm IV. er- \ceint in diesem Band als „ein erhabener Monar von so eigen- thümlihem ungeheuerem Werthe, daß er nur Wenigen verständlih fein kann“ (v Rante), aber glänzend tritt auch Kaiser Wilhelm I. als Prinz von Preußen, Prinz-Regent und König hervor. Das Buch bringt zahlreiche vielfa noch unbekann!e Zeugnisse für die hochherzige Gesinnung des ver- ewigten Kaisers, seine Pflihttreue und Bescheidenheit bei. Wir wollen nur auf den Brief S. 271 hinweisen, den Er am 25. Januar 1861, nach dem Tode Seines Königlichen Bruders, an v. Naßmer schrieb, und in dem ér sagt: „Der gewaltige Abschnitt meines Lebens, der mich noch s\pât im Alter trifft, war zwei Jahre lang vorbereitet, aber denno ist der Abstand gegen früher gewaltig. Ein freudiger ist er um so weniger, als cs, ganz abgesehen von dem Schmerz und der Trauer, welche ihn bezeihnen, in so vorgerücktem Alter nur noch wenig Erfolg ciner gewissenhaften und treuen Thätigkeit zu erleben möglich ist, Dennoch gebe ih getrost und Gott vertrauend meinen Gang und bete, daß Gott Preußen unter meiner Führung nit zurückgehen lafsen möge Fais ce que dois, adyient que pourra ist meine Devise, die jeßt allein gilt“. Der Geist der Liebe und der Treue zu dem Hohenzollernhause, der den General von Naßmer beseelte, wird dur dieses Buch in allen Kreisen, in denen es gelesen wird, und möchten diese reht viele sein! gekräftigt werden. i

In Friedrih Fromann’s Verlag (E. Hauff) zu Stuttgart ift soeben erschienen: „Straßburg vor hundert Jahren“. Ein Beitrag zur Kulturgeshihte von Hermann Ludwig. (Preis 5 A) Allgemeinere und Sonderschilderungen der Zustände und Verbältnisse in Deutschland vor bundert Jahren sind in leßterer Zeit mehrfah veröffentliht worden. Mit erhöhter Berechtigung darf sich denselben wohl ein umfassender kulturgeshichtliher Rückblick auf Straßburg, wie ihn das vorliegende Werk bringt, einreihen ; denn nirgends anderwärts brachte das leßte Jahrzehnt des achtzehnten Jahr- hunderts \taatlih und gesellschaftlih eine ähnlih weittragende und ein- greifende Umgestaltung wie in der Hauptstadt des Reichslandes, wo- selbst die Revolution den inneren und fggeren Julsammenzana mit der deutschen Vergangenheit, soweit derselbe auch unter der fran- zösishen Oberhoheit fortbestanden hatte, aufhob. Der auf dem Felde der elsässischen Literatur in erster Reihe durch seine Kastner-Biographie und seine Erzählungen aus dem Wasgau vortheilhaft bekannte Ver- fasser wendet sih an cinen weiten gebildeten Leserkreis durch an- \chaulihe Darstellung des Stoffes, den er insbesondere den im Straßburger Stadtarchiv in Fülle vorkandenen Urkunden und Hand- schriften entrommen hat, und durch fesselnde vornehme Schreibweise. Bei dem großen Interesse, welles dem Reichslande und vor- nehmlich dessen Hauptstadt überall im Deutschen Reiche entgegen- gebraht wird, ist die Annahme berehtigt, daß das Werk, welches ih vermöge der splendiden äußern Auésstattung Abbildung des alten Straßburg, Umrahmungen, Kopfleisten, Schlußstüccke von A. Dürer, Hans Holbein, Lukas Cranah u. A. au zu Geschenken besonders eignet, in den weiteslen Kreijen eine freundliche und entgegenklommende Aufnahme finden wird. , i

Im Verlage von Dunker u. Humblot in Leipzig ist soeben das sechste Heft von den „Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit“ erschienen. —- JInhalts- angabe: I. Fürsorge für bedürftige Genesende. Von Stadtsyndikus Eberty in Berlin. 11, Die hauswirthschaftlihe Ausbildung der Mädchen aus den ärmeren Volkéklassen. Von Ober-Bürgermeister Obly in Darmstadt. 11]. Trunksuht und Armenpflege. Von August Lammers. 1V. Die Wohnungéfrage vom Standpunkt der Armenpflege. Von Friy Kalle, Mitglied des Reichstages. Y. Die Wohnungénoth vom Standpunkt der Armenpflege. Von Rechtsanwalt Dr. K. Slesch, Mitglied des Magistrats in Frankfurt a. M. Der Ladenpreis des sechsten Hefts beträgt 4 H :

Soécben ist im Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart er- schienen: „Lehrbuch des deutschen literarischen, künst- lerishen und gewerblihen Urheberrechts." Von Dr. P. Daude, Geheimer Regierungs - Rath, Universitätsribter bei der Königlichen Friedrih-Wilhelms-Universität Berlin. Besißen wir au be:üglich der Lehren vom literarischen, künstlerishen und gewerb- lichen Urheberrecht sowohl in .zahlreihen Kommentaren der einzelnen hierbei in Betrat kommenden Geseye als auch in systematischen Einzeldarftellungen sehr eingehende und vortrefflihe Bearbeitungen, fo

ielten 1886 41 selbständige Jrrenanitalten und 4 An- O Abilellungti von Vranteno oder Armenhäusern sind;

K6 nur noch dur das Uebergewicht der vermögenden Klassen und

6 Städte besaßen ebenfalls selbständige Jrrenanstalten, und 21 Städte

t es gleihwohl - bisher offenbar an einem Kompendium gefehlt, Bien sämmtlichen Theile des Urhebertechts umfassend, durch