1888 / 297 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 23 Nov 1888 18:00:01 GMT) scan diff

geseß vom 28. Mai 1885 fallender Betriebe mit Baubetrieben in der Tiefbau- beziehungsweise einer territorialen Baugewerks- Berufsgenossenschaft zu ermöglichen, und daß der Gedanke fern gelegen det eine gleihe berufsgenossenschaftliche DEORS au zwischen land- und forstwirthshaftlihen Betrieben u Baubetrieben für zulässig zu erklären. Eine solche Heraushebung einzelner land- oder forstwirthschaftlicher Betriebe aus den landwirthschaftlihen Berufsgeno}sen- schaften würde ein Durhbrehen des dem landwirth- \chastlichen AUGRSe G eigenthümlihen Grund- saßes bedeuten, wonach „alle“ land- und forst wirthshaftlihen Betriebe in sih geshlossen einer einzigen territorialen Berufsgenossenshaft angehören und einer in wesentlihen Punkten von der Versiherung der gewerblichen und der Baubetriebe abweichenden Unfallversicherung unter- worfen sein sollen (vergleiche d 1 und 13 des landivirth- Mon Unfallversicherungsgeseßes). Eine derartige strenge

ortinterpretation des 8. 9 Absaz 2 a. a. O. würde ein inner- lih nicht begründetes Ausnahmeverhältniß der Baugewerks- Berufsgenossenshaften gegenüber allen anderen gewerblichen Berufsgenossenschaften herbeiführen.

Bezüglih der Unterhaltung der Landstraßen hat das Ober-Verwaltungsgericht am 26. und 29. Sep- tember d. J. zwei, insbesondere für Ostpreußen wichtige Entscheidungen getroffen.

Nah dem dortigen Wege - Reglement vom 24. Juni 1764 waren alle Wege, demnah auch die Landstraßen von den Gemeinden und selbständigen Gütern je inner- halb ihrer Feldflur, und zwar, soweit niht andere Dorsshaften herkömmlich zu Beiträgen an Geld oder Diensten verpflihtet waren, allein zu unterhalten. Durch Einführung des Ostpreußishen Provinzialrehts im Jahre 1802 ist dies Reglement völlig aufgehoben. An dessen Stelle trat der Titel 15 des 11. Theils des Allgemeinen Land- rechts, nach welhem der Staat für die Unterhaltung der Landstraßen zu sorgen verpflichtet ist (8. 11), die Einwohner der an der Straße liegenden Gegend (des Dijtrikts, Kreises oder Kirchspiels) aber zur Arbeit mit Hand- und Spanndiensten bei Unterhaltung dieser Straßen verbunden sind (8. 13 und 14). Diése Bestimmungen sind jedoch dur den Zusag 226 des Ostpreußischen Provinzialrechts gleichzeitig dahin ergänzt, daß da, wo bisher Dorfschasten, die nit an der Straße belegen sind, zur Unterhaltung derselben N Geld oder Dienste hergegeben haben, dies auch erner geschehen solle. Beide Gesezge wurden nun von der einen Seite dahin ausgelegt, daß der Staat auch in Ostpreußen berechtigt sei, bei der Besserung einer Landstraße den Umfang der dienstpflihtigen Gegend innerhalb des von jener durhshnittenen Distrikts, Kreises oder Kirchspiels je nah Lage des Einzelfals zu bestimmen und von den Einwohnern dieser Gegend die zur Besserung noth- wendigen Dienste, außerdem aber von den bisher verpflichteten Dorfschaften außerhalb der so bestimmten Gegend die her- kömmlichen Beiträge an Geld und an Diensten zu fordern. Nach dem Endurtheil des Ober - Verwaltungsgerihts vom 26. September darf der Fiskus dagegen zu der ihm ob- [liegenden Unterhaltung der Landstraßen auf Grund des Allgemeinen Landrehts die Hand- und Spanndienste immer nur von derjenigen Gemeinde (Gutsbezirke), in deren Feldflur die zu bessernde Straße liegt, und nur insoweit fordern, als die Dienste zur Besserung innerhalb der Feldflur nothwendig sind und zugleih die Leistungsfähigkeit der Gemeinde nit übersteigen. Daneben bleibt dann nah dem Provinzialrecht die etwaige bisherige Verpflichtung aller übrigen Dorsschaften bestehen, die herkömm- E Beiträge an Geld oder an Diensten auch ferner zu eijten.

Jn der zweiten Entscheidung vom 29. September ist aus der Entstehungsgeshihte des Allgemeinen Land- rechts nachgewiesen, daß dessen §. 1 im Titel 15 Theil II, nah welchem „Wege, die von einer Grenze des Landes zur anderen oder von einer Stadt, einem Post- oder Zollamt entwéder zu einem anderen oder zu Meeren und Hauptsirömen führen, Landstraßen genannt werden“, nit als eine bis zum Erweise des Gegentheils maßgebende Nechts- vermuthung, sondern OoRO als eine Begriffsbestimmung aufzufassen ist. e dieselbe kommt das Folgende, nicht deut: lih zum Ausdruck gebrachte, aber auh von den Redaktoren des Landrehts anerkannte Moment wesentlich in Betraht. Damit ein Weg oder mehrere zusammen- hängende Wege zur Landstraße werden, genügt nicht die bloße Thatsache, daß er als Verbindung zwischen gei Städten vom Publikum - in - größerem oder geringerem Umfange gebraucht wird; es muß vielmehr hinzukommen, daß ihm die Bestimmung, als ein einheitlihes Kommunikations- mittel für eine solhe Verbindung zu dienen, von der zustän- digen Staats- d. i. der Landespolizei-Behörde beigelegt ist. Wo es an einer bezüglihen ausdrücklihen Erklärung fehlt, bleibt je nah den besonderen Umständen des einzelnen Falles, 3. B. nah der äußeren Beschaffenheit und Einrichtung des Weges, nach der Art seiner Entstehung und bisherigen Ünter- Ms oder nah seiner Bezeichnung in Karten, Rezessen und onstigen Urkunden 2c. zu erwägen, ob dessen Widmung für den allgemeinen Verkehr von Stadt zu Stadt (und nicht bloß von Dorf zu Dorf), und somit dessen Bestimmung, als „Grund- linie für den N im Lande bewegenden Hauptverkehr“ zu dienen, als eine ftill\ weigend erfolgte ra D und dem- gemäß der Weg als Landstraße anzusprechen ist.

Der Ga bayerische Gesandte am hiesigen Aller- höchsten dose, Gra von Lerchenfeld-Koefering, hat einen thm von jeiner Regierung bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Für die Dauer der Abwesenheit desselben von Berlin fungirt der a e Freiherr von Tuer als interimistisher Geschäststräger.

,— Der fiamesische Gesandte in Berlin, Phya Damrong Rajabholakandh, ist am 22. d. M. in egleitung des Gesandtschaftssekretärs Dr. H. Keuchenius und des Dolmetscher- Attachés Mr. H. Lostus von Kopenhagen zurückgekehrt.

_ Sachsen. Dresden, 22. November. (W. T. B.) Die Königin hat sih heute Rachmittag 5 Uhr zum Besuch der Fürstin von Hohenzollern nah Sigmaringen begeben.

Hessen. Darmstadt, 22. November. (Darmst. tg.) Prinz Christian zu Schleswig-Holstein ist gestern hier angekommen. Prinz und Prinzessin Ludwig B E era find gestern Abend von hier nah Malta

Den Ständen des Großherzogthums ist mit Ge- nehmigung des Großherzogs ein Gesetzentwurf, betref-

fend die Abänderun den Mißbrauchch gangen. Braunschweig. Braunschweig, 22. November. (K.) Fn Nr. 291 beri@teten wir shon über eine Vorlage der egierung beim Landtage, welche e auf Bewilligung von Geldmitteln zur Bestreitung des außerordentlihen Be- darfs der Herzoglihen Hofstatt erstrete. Jn der Sizun vorgän-

des Geldes vom 23. April 1875 über er geisilihen Amtsgewalt, zuge-

des Landtages am 16. d. M. wurden nah giger Berathung über jene Vorlage folgende Beschlüsse gefaßt:

1) Ist genehmigt, daß der Hofstaatskafsse von den Einnahmen aus der Veräußetung des Kavalierhauses, des Schlachtehauses und des Küchengartens hies-lbst behufs Deckung der Mehbrkosten der Straßen- anlagen in leßterem, sowie der Kosten der Beseitigung und des Neu-

baues des Coulifsenhauses nebs Zubebör außer den {on zu freier

Verwendung überlassenen 720000 Æ der weitere Betrag von 112856 3 S zur Verfügung gestellt werde,

2) die Kosten der im Allgemeinen in der Regierungsvorlage be- zeidneten Bauten an den Herzoglihen Residenzshlöfsern hier und in Blankenburg nebst Zubebörungen sowie am Gestüt zu Harzburg, desgleichen die Kosten der Anschaffung von Inventar bis zur Summe von 459 000 Æ aus dem Kammer-Kapitalfonds sind verwilligt.

Auch ist das Einverständniß dazu erklärt, daß S

a. mit der Zahlung derjenigen 60 000 Æ, welche in Gemäßheit des Art. 3c des Landtagsabsciedes vom 5. September 1855 zur Er- stattung der aus dem Kammer-Kapitalfonds verwandten Summen jährlih aus den laufenden Einnahmen des Kammergutes an den ge- nannten Fonds gezahlt werden sollen, bis zur endlihen Deckung auch jener 450 000 M fortgefahren wird,

b. die Ausführung der Bauten sowie die Inventar-Beschaffung dem Ckef der Herzoglichen General-Hof-Intendantur im Verein mit dem die Bauten dér Herzoglichen Hofftatt leitenden Techniker über- lassen werde, die Gelder ab:r nah Bedarf bis zum Betrage von 450 000 M einem bei Herzogliher Baukasse zu bildenden und zu ver- waltenden Fonds überwiesen werden, aus diesem die Zablungen der Baurechnungen auf Anweisung des Chefs Herzogliher General-Hof- Intendantur und des bezeidneten Technikers, die Rebnungen für Inventar auf die Anweisung des ersteren allein zu zablen bezw. zu er- statten seien und die Kontrole über die Rehnungéführung endlich die Herzoglihe Bau-Direktion zu übernehmen kat, «

3) ist genehmigt, taß aus dem als zinstragender Fond der Her- ¿oglichen Hofftatt zu belegenden Uebershufle des Kaufpreises für die Gerundstücke der Herzoglichen Hofstatt, nämlih des Kavalierhauses, des S(tlachtehauses, des Küctengartens, die zur Deckung einmaliger außerordentlicher Ausgaben der Herzoglichen Hofstaatska}se erforder- liden Beträge nach Anordnung der Herzoglihen General-Hof-Irten- dantur entnommen werden, jedoch mit der Maßgabe, daß die jeweilig verrandten Beträge in längstens 20 Jahren dur zinsbare Belegung von aus den laufenden Einnahmen der Hofstaatskasse zu extnehmenden gleien Jahresabträgen und der zu Kavital zu shlagenden Zinsen der leßteren wieder anzusammeln seien.

Se. Königliche Hoheit der Regent reist muth- maßlich am 283. d. M. von Berlin nach Dresden, um wie schon gemeldet daselbst eine Massage-Kur zu gebrauchen. Jhre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Albrecht wird mit den Prinzen Friedrih Heinri, Joachim Albreht und Friedrich Wilhelm in den nächsten Tagen hier- her zurückfkehren.

Elsaß - Lothringen. Meg, 23. November. (W. T. B.)

Der Lothringische Bezirkstag hat für das in Mey zu errihtende Denkmal für weiland Kaiser Wilhelm I. einen Beitrag von 10000 H bewilligt.

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Oesfterreih-Ungarn. Wien, 22. November. (W. T. B.) Der Wehraus schuß des Abgeordnetenhauses beendigte heute die Berathung der Wehrvor lage dur unveränderte Annahme des Entwurfs; es wurde beschlossen, den Bericht des Referenten in vertraulicher Sißzung zu berathen.

23. November. (W. T. B.) Das „Fremdenblatt“ bemerkt anläßlih der Thronrede des Kaisers Wilhelm: Der nicht mehr zu überbietende friedensfreundlihe Charakter der Thronrede müsse am meisten auffallen; der ungeheure militärische Apparat des Reichs sei vollständig mit Stillshweigen tibergangen, in der festen Absicht, daß dieser Apparat am besten den Zweck erfülle, wenn sein bloßes Vorhandensein seine ernstlihe Ver- wendung überflüssig mache. Die „Presse“ findet in der Unterscheidung zwischen den befreundeten und zunächst benah- barten Monarchen die internationale Lage widergespiegelt, welche nothwendig mache, daß die Absichten der Friedens- liga durch ein imposantes militärishes Aufgebot unterstüßt werden müßten. Das Blatt begrüßt mit großer Genugthuung die Erklärungen über die naa des deutschen Reichs- gedankens. Die „Neue Freie Presse“ bezeichnet die Thron- rede als die friedfertigste und friedenverheißendste, die man nur wünschen könne.

_Fiume, 22. November. (W. T. B.) Die zu Ehren der Offiziere des deutshen Geshwaders vom Gouverneur von Fiume veranstaltete Soirée, zu der etwa 300 Gäste ge- laden waren, nahm einen glänzenden Verlauf. Gestern nahm der Commandeur des deutschen Geshwaders, Contre-Admiral Hollmann, Hafenbesichtigungen vor, während der Gouverneur. von Fiume nebst Gemahlin das deutsche Geschwader besichtigte.

Der Gouverneur Graf Zihy und dessen Gemahlin machten heute früh mit dem Contre-Admiral Hollmann und dem Militär-Attahé, Major von Deines, einen Ausflug nah Tersato. Mittags fand bei dem Contre-Admiral Hollmann auf dem Flaggenschiff ein Dejeuner statt, zu welhem der Gou- verneur, der Bürgermeister, General Cantinelli, der Hafen- kapitän und mehrere Mitglieder der deutshen Koloniz geladen waren. Das Geschwader geht erst morgen früh ab.

Großbritannien und JFrland. London, 22. November. (W. T. B.) Jn der heutigen Sigzung des Unterhauses antwortete der Unter-Staatssekretär des Auswärtigen, Fer- gusson, auf eine bezüglihe Anfrage: die egyptis he Regierung habe eine fünfjährige Ferananung der Wirksam- keit der gemishten Gerichtshöfe vorgeshlagen und zwar unter gewissen Bedingungen, welche gegenwärtig den Gegen- stand der Erörterung unter den Mächten bildeten. Die Vor- [anage involvirten jedoch keinerlei Aenderung der Befugnisse der Gerichte in Bezug auf die Forderungen fremder Staats- angehörigen sowie der Obligationen-Jnhaber oder sonstiger Gläubiger der egyptishen Regierung. Das Unterhaus E sodann die irijche Pachtankaufsbill in zweiter Lesung mit 299 gegen 224 Stimmen an.

(A. C.) Das britishe Kanalgeshwader hat Befehl erhalten, sich in Portland zu versammeln und am 10. Dezember seine Kreuzungsfahrt anzutreten. Um Weih- nachten wird das Geschwader in Gibraltar sein und von da nah Cartagena und Malta segeln. An dem leßteren Ort wird sih Prinz Georg von Wales von der „Alexandra“,

dem Flaggenshif} des Herzogs von Edinburg, auf den „Nort unborlauts, das genshiff des Kanalgeshwaders, begeben.

Frankreich. - Paris, 22. November. (W. T. B.) Jn

der Deputirtenkammer befürwortete bei der fortgeseßten

Berathung des Budgets für die Kolonien der Unter- Staatssekretär der Kolonien, Delaporte, das Budget für Tongking und betonte, eine weitere Verminderung der dortigen Truppen würde eine Unklugheit sein. Die Kammer möge die ver- langten 15Millionen bewilligen, die für Casernements und den. Bau von Straßen nothwendig seien. Lanessan beantragte eine Ver- minderung um 5 Milionen. Der Marine-Minister be- zeichnete es als nothwendig, den gegenwärtigen Truppenbesiand aufrecht zu erhalten, und sprach gegen den Antrag Lanefsan. Constans erklärte, er wolle es der Einsicht der Regierun überlassen, die Zahl der Truppen im geeigneten Augenbli p verringern. Der Minister-Präsident Floquet wies den ntrag Lanessan’'s ebenfalls Namens der Regierung zurü. Er habe schon eine Verminderung der Truppenzahl eintreten lassen und werde mit Vorsicht darin fortfahren. Als der Minister die Vertrauensfrage stellte, zog Lanessan seinen Antrag zurück, erklärte aber gleichzeitig, eine Be- rathung des Budgets würde unmöglich werden, wenn das Kabinet wegen einer so geringfügigen Ersparniß von 5 Millionen mit dem Rücktritt drohe. Der Kredit von 15Millionen wurde hierauf mit 278 gegen 223Stimmen angenommen und sodann das Budget für die Kolonien genehmigt. Die Kammer begann sodann die Berathung des Budgets für das Finanz-Ministerium. Der Artikel 3, betreffend die Amortisirung, wurde einer späteren Berathung vorbehalten, die übrigen Artikel bis Artikel 19 wurden genehmigt. Ein von dem Baron Soubeyran eingebrahtes Amendement, die den Steuer-Erhebern und Hauptkassenrendanten gewährten Vergütungen zu reduziren, soll nah dem mit 274 gegen 121 Stimmen gefaßten Béshluß in Erwägung gezogen werden. Die Weiterberathung wurde auf Sonnabend vertagt. 23. November. (W. T. B.) Mehrere konservative und boulangistishe Blätter beschuldigen die Regierung anläßlih der am 2. Dezember cr. stattfindenden Kundgebungen am Grabe Baudin's, einen Staatsstreich zu beabsichtigen. Man werde einen Konflikt hervorrufen, indem man ein Komplot gegen die öffentlihe Sicherheit vorspiegele. Die Führer der konservativen und boulangistishen Parteien würden ei dieser Gelegenheit verhaftet und zur Aburtheilung vor den Senat gestellt werden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 23. November. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ dementirt die Nachricht der „Times“ von einem ge- heimen Vertrag zwishen Rußland und Korea, durch welchen leßteres unter russishe Protektion gestellt werde. Das Blatt erklärt: es bestehe kein Vertrag dieser Art, und weist dabei auf die Abmachungen Koreas mit England und Deutschland hin, für deren Handel dur dieselben drei koreanishe Häfen geöffnet seien. Das Journal fügt hinzu, Rußland habe sich bald nachher dieselben Vortheile gesichert. Da sih aber der Handel Rußlands mit Korea ausscließlich auf dem Landwege vollziehe, so sei eine Modifikation dieser Beziehungen erst neuerdings eingetreten, indem für den Handel über die Landgrenze derselben Ver- günstigungen festgeseßt wurden. Das neue Abkommen dürfte in Kürze veröffentlicht werden.

Jtalien. Nom, 22. November. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung der Deputirtenkammer inter- pellirte Santonofris den Arbeits-Minister und den Kriegs-Minister wegen der beständigen Verspätungen der Eisenbahnzüge und der häufigen Eisenbahn- unfälle, welhe er der mangelhaften Dienstorganisation zushreibe, und fragte an: was denn in Kriegs- zeiten ges{ehen würde, wenn dergleichen hon in Friedens- zeiten vorkdomme. Die Minister möchten diese Frage ernstlich erwägen, um bei einer eventuellen Mobilisirung gefährliche Ueberrashungen - zu vermeiden. Der Arbeits-Minister erwiderte, daß die Regierung vertragémäßig nur bei Unglücks- fällen oder ernsten Zwischenfällen einzugreifen habe; dersel- ben liege im Uebrigen ob, den guten Bau zu überwachen und dafür zu sorgen, daß doppelte Geleise bestehen. Der Minister werde demnächst die Resultate einer betreffs des Eisenbahn- betriebes veranstalteten umfassenden Engquete veröffent- lihen. Er habe die Pusgaven des Eisenbahnwesens stets im Einvernehmen mit dem riegs-Minister vom militärishen Ge- sihtspunkte aus ins Auge gefaßt. Der Kriegs-Minister erklärte: er sei von seiner Pfliht durchdrungen, alle auf die Landesvertheidigung bezüglihen Eisenbahnfsragen gründlich zu studiren; um jedo einen guten Eisenbahndienst zu haben, bedürfe es eines vollständigen Neßes und vollständig aus- gebauter Linien. Bisher seien noch nicht alle Linien ge- baut, die der Kriegs-Minister im Jahre 1879 als militärish wichtig bezeichnet habe. Die bestehenden Linien seien mangel- haft, weil sie mitunter nur eingeleisig und die Bahnhöfe zu entfernt seien. Es sei jedoch nicht richtig, wenn be- hauptet werde, daß im Mobilisirungsfall der gewöhnliche Dienst eingestellt und die Eisenbahnen von der Militärbehörde allein occupirt werden würden. Die in allen Details erwogene Mobilisirung würde ohne Jnconvenienzen durchgeführt werden. Es sei sicherlih viel zu thun, um den Dienst zu verbessern, er habe aber Grund zu glauben, daß die vorliegenden Auf- gaben dur die vom Arbeits-Minister erwähnten Maßnahmen bald gelöst sein würden; das Land könne darüber beruhigt sein. Santonofris machte einige Einwendungen gegen die Ausführungen der Minister, stellte jedoch keinen Antrag.

Brindisi, 22. November. (W. T. B.) Der Groß- t und die Großfürstin Sergius von Rußland ind an Bord des russishen Dampfers „Kostroma“ heute hier eingetroffen und nah Flor enz weitergereist.

Rumänien. Bukarest, 22. November. (W. T. B.) gum Präsidenten der Deputirtenkammer wurde Zascar Catargi gewählt.

__ Dänemark. Kopenhagen, 22. November. {W. T. B.) Die Prinzessin von Wales hat mit ihren Kindern heute Abend 61/, Uhr die Rückreise angetreten. Auf dem Bahnhof waren die Mitglieder des Königlichen Hauses sowie sämmt- lihe Minister, das diplomatische Corps und die Spitzen der Behörden zur Verabschiedung anwesend. :

Zeitungsstimmen.

Die „Weimarische Zeitung“ schreibt :

Die Thronrede ift ausgezeichnet durch eine ebenso warme und herzliche wie mannhafte Sprache und wird allüberall, im Reich wie jenseits der Grenzen den tiefsten und besten Eindruck machen. Was Kaiser Wilbelm über seine Auffaffung seiner Herrscherpflichten sagt, ist ganz getragen von dem Geist seiner beiden Vorgänger auf dem Kaiserthron, wie denn überhaupt die milde, aber do energische Indi- vidualität Wilhelm's I. und die edle friedlibe Weise Frigdrih's gleihmäßig zum Ausdruck gelangen in dieser Rede, die eine s{öône und hochbé¿deutsame Bestätigung des Regierungëprogramms des jungen Kaisers bildet. In dieser Beziehung sind , neben unmittelbar an den Reichstag -geribteten Worten vor allem drei Stellen berrorzuheben: zunächst die dankbare Erwähnung der Vertrauensbeweife, die dem Kaiser auf seinen Reisen durch das Reich entgegengebraht worden sind und in denen er mit Recht den Beweis von der festen Einwurzelung der im Reich verkörperten Einheit sieht. Ferner die Worte, in denen er sih über die sozialpolitishen Aufgaben ausspricht und einer s{hônen und großen Auffassung der Pflichten der Herrscher, Ÿ des Staats und der Gesellshaît Auédruck verleiht. Und endlih die Schlußworte, in denen er sich so nahdrücklich bekennt zu der Friedenspolitik, die sein Großvater und Vater zur Ribtscnur für ihre

errscertbätigfeit aufinternationalemGebiet genommen haben.Wenn noch irgendwo die geflissentlich genährten Unterstellungen bestehen, als sei der junge Herrscher ebrgeizig, strebe mehr nach den Lorbeerkronen des Krieges als nach den Palmen des Friedens angesichts dieser klaren, bestimmten Kundgebung ernster Friedensliebe im echten Geist des Christentbums müssen sie vershwinden wie die Nebel vor der Sonne. In Deutschland felbst ift wohl ein Zweifel überhaupt nicht in dieser Beziehung aufgekommen, wie dies im Auslande ge- \cheben ift. Dafür hat man in Deutschland aber Anlaß gehakt, forglib zu prüfen, ob nit etwa von außen ber eine Gefährdung des Friedens drohe. In dieser Beziehung kann die Thronrede natürlich nicht mit derselben Wärme und Zuversiht si äußern wie über die deutsbe Politik. Aber mit Befriedigung ist es zu begrüßen, daß dieselbe der Hoffnung auf Erhaltung des Friedens cinen be- stimmten Ausdruck giebt. Wie immer aker die Dinge si gestalten mögen die Thronrede ift eine (chône Bürgschaft für die Zukunft, und das deuts6e Volk beartwortet das volle Vertrauen, mit dem der junge Kaiser ihm in der Throrrede entgegenkommt, mit_ gleichem Ver- trauen in der Hingebung an das Vaterland, über dessen Sicherheit und Gedeihen ein thatkräftiger, tas Bcste in reiner Gesinnung er- ftrebender Kaiser wat, der sih Eins weiß mit den deutshen Vundes- fürsten und dem Volk.

Die „National-Zeitung“ sagt:

Seit einiger Zeit hatten eine Anzahl von Zeitungen es für rihhtig befunden, über die Gesammtlage Europas in einem besorgten Tone zu reden. Unmittelbar drohende Gefahren werden zwar nit in Aus- sicht gestellt das wäre nah den vorliegenden Tkatsachen zu un- wahrsceinlich gewesen aber die Kurst mit allgemeinen, an und für sih wenig sagenden Woiten einen dunkeln Schleier über die Zukunft zu werfen, ist so weit ausgebildet und verbreitet, das Rezept dazu auch in der That so einfa, daß es rit die geringste Müke mat, dieselle Lage, die man gestern noch rosenroth ers(einen ließ, bevte mit einem Mal in sensationellem Feuerglanz erstrablen zu lassen. Kcine neue Thatsache braucht dabei hinzugetreten zu sein. Es ist wie bei dem Elektriker im Tkeater, der je nah den Vedürfnissen des Stückes mit den verschiedenen Lichtfarben arbeitet, die ibm zu Gebote stehen, und dabei sier ist, auf ein sensitives Publikum den gewünschten Eindruck nit zu verfehlen. :

Es war indessen nicht einmal genug mit diesen rbetorischen Licht- effekten. Wie wenn es in einem Raum zu dunkeln anfängt, fih dann Ieict urkontrolirte und unkontrolirbare Stimmen erheben, die dur ibr Eelärm die nervenerregende Wirkung zu verstärken bestrebt sind, so gefellte fih zu den düsteren Betrachtungen mandter Zeitungen noh das positive Sensationsgerüht, wenn niht die bewußte Lüge. Die MPiillionen-Mark-Anleihen, die dem Reichstage für außerordentliche Rüstungen abverlangt werden sollten, schwirrten, zu vielen Hunderten angewahsen, durch einzelne Zeitungen. Wenn derartige Thatsachen im Hintergrund lagen, dann war ja auch das Motiv für jene düsteren Stimmungsbilder nur zu nake gelegt. Der Alarm war gerechtfertigt fo folgerte man Und was konnte nicht noch Alles nachkommen. Der erregten Einbildungskraft war keine Schranke mehr gezogen!

Nunmehr tritt die Thronrede zuglei mit dem Reishaushalts- Etat und der Marinedenkschrist an die Offentlichkeit, und nits, rein gar nichts von dem, was man die Welt glauben machen wollte, hat fih verwirkliht. In klaren festen Worten verkündet der Kaiser die Sriedenéhoffnungen, von denen er erfüllt ift, für deren Verwirklichung er auf die Hülfe von Bundesgenossen und Freunden bauen darf. Der Etat, soweit er sh übersehen läßt, zeigt ein günstiges Bild und die Tbrorrede bestätigt dies, Der Marine-Etat bewegt sch auch in seinen neuen Anforderungen in gewohnten Formen, die unter allen Umständen weit entfernt sind, irgend etwas Bedrohliches zu baben. Alles das, womit man das Publikum in der leßten Zeit graulen machen wollte, hat si als eitel Dunst erwiesen; wenn Jemand daran

eglaubt hat und dadurch in Handel und Wandel zu Schaden ge- ommen ist um so s{limmer für ibn. Damit ift die Sache au für jene Zeitungen fertig. :

__ „Gazetten sollen niht genirt werden“, hat Friedri der Große gesagt, und wir sind sicher die leßten, an diesem so staatsklugen und tiefsinnigen Ausspruch zu rücteln. Auch haben wir nit im mindesten die Absit, mit den Zeitungen zu \treiten, die aus irgend einem Grunde so schwarzsichtigen Anshauungen Raum geben und si durch [eihtfertige Berichterstatter falshe Thatsachen haben aufbinden lassen. Unsere Warnung richtet sich an das Publikum, das leider vielfa in einer Stimmung ift, in welber man auf das eigene Urtheil verzitet Und eine vermeinte höhere Weisheit, die aus diesem oder jenem Organ ertönen soll, mit einem gläubigen und fritiklofen Vertrauen aufnimmt, das cffenbar dazu hberauéfordert, cs zu mißbrauchen. Möchte man doch manchmal glauben, daß atsihtlih Spott mit dem Publikum getrieben wird. Sollten bei diefer Saclage nit die leßten Vorgänge zu einer dauernden Lehre dienen ? Sollte das Publikum nicht endlich si entschließer, den gewobnbeits- mäßigen Unglück8propheten die Beachtung zu versagen? Sokald die öffentlihe Meinung gelernt hat, sih an die Thatsachen zu halten, sobald es aufhört, sih durch dunkle tendenzióse Phrasen und un- beglaubigte Gerüchte hin- und hertreiken zu lassen, so wird cin Zustand ih ändern, der niht zu Ebren unseres Vaterlandes einzig in Deutschland berrs{t. Kein Land der Welt bat in der That diesem Zustand etwas Aebrlihes an die Seite zu seßen. Für den AugenbUck haben wir die klaren berubigenden Darlegungen der Tbron- „rede ; an diese wollen wir uns mit Vertrauen halten. Möge die all- gemeine Meinung darüber wachen, daß die durch die Thronrede gefeftete Zuversicht nit wieder leihtfertig gefährdet und geschädigt werden kann.

Die meisten Londoner Morgenblätter besprechen die Thronrede, mit welcher gestern Se. Majestät der Kaiser Wilhelm den Reichstag eröffnete, drücken die lebhafte Befriedi- gung über den freundlichen Hinweis auf England aus und heben den friedlichen Ton der Kaiserlihen Worte hervor. Der „St an- dard“ sagt, niemals vorher sei Europa so klar und kategorisch versichert worden, daß der einzige Zwed des Bündnisses der drei Mächte die Abwendung des Krieges sei. Nach dieser Versicherung von so erhabener Stelle müsse sich das Publikum jeden Argwohns oder Zweifels, den es bisher

ierüber gehegt haben Ge, entshlagen. Die Bemerkung r. Majestät des Kaisers, daß die Beziehungen Deutschlands zu allen fremden Mächten gegenwärtig friedliche seien, erscheine, gee mit seinen übrigen Worten, von nicht geringer Be- eutung.

Am Séluß eines Artikels des „Hamburgischen S Er [POARERREY über „Die Asrikanishe Frage“ elt es:

Wir sagten, es sei ein Glück für uns Deutsche, daß wir noh rechtzeitig von verschiedenen afrikanishen Landstrihen bätten Besig ergreifen können, um uns praktisch an der Erschließung dieses gewal- tigen Erdtheils zu betheiligen. Denn nachdem, um von Asien zu \chweigen, über die Zukunft des amerikanischen und des australishen Kon- tinents in der Hauptsache entschieden ift, ist es allein noch der dunkle Erdtheil, wo große koloniale und civilisatorishe Aufgaben, die das deutsche Volk so gut wie jcde andere Nation zu lösen vermag, in Angriff zu nehmen sind. Es is deshalb auh be- greins genug, daß heute ganz Europa mehr, als dies jemals rüber geshoh, sein Augenmerk auf Afrika richtet, dessen Inneres der europäishen Forschung länger als dasjenige eines anderen Erdtheils vershlofssen war, obgleich es sozusagen vor den Thoren Europas liegt. Dazu kommt, daß si die großartigste Erfindung der neueren Zeit, die Eisenbahn, ganz besonders zur Aufs{ließung so kompakter Gebiete eignet, wie sie sich vorzugsweise in dem afrikanischen Kontinent darstellen Ist auch bis jegt von dieser im bôchsten Grade civilifatorischen Erfindung nur erst ein geringer Ge- brau gemacht worden, fo lehrt doh die Erfahrung, daß, wenn erft mit diesem eminenten Verkehrsmittel der Anfang gemackt ist, es in geometrishen Proportionen zu wachsen pflegt. Hätten wir also noh etwas länger mit unserer Betheiligung an folonialen Unternehmungen warten wollen, so bâtte es leiht gesehen können, daß uns die leßte Thür auf diesem für eine große Nation so hohbedeutsamen Felde vers{chlofsen geblieben wäre. : S

Halten wir also vor Allem fest, was wir haben, und lassen wir uns nit fkleinmüthig darüber täushen, als wäre nit gerade in Afrika für den allseitigen deutschen Unternehmungsgeist, was Handel, Pflanzenkultur, Viehzubt und Bergbau betrifft, die. ausgedebnteste Gelegenheit gegeben. Lassen wir uns ferner nit einreden, als be- säßen wir kein Ges{ick, wit barbarishen Völkern umzugeben. Denn gerade das Gegentbeil ist der Fall. Hat man den Deutschen doch lange Zeit hindur den Vorwurf gemacht, daß sie fremden Eigen- thümlichkeiten nur zu sehr Rechnung zu tragen wüßten. Daran war freilich oft ein Mangel an Selbftgefühl Schuld, der si aus unserer zurückgedrängten politischen Machtfstellung erklären ließ, und es ift damit glüdliher Weise anders geworden. Aber troß unserer ge- steigerten Würde kann \sich doch noch immer keine andere Nation mit uns in der gere{ten Würdigung fremder Verhbältnifse vergleicen.

Es wird si wahrs{eirlich in nicht zu langer Zeit aufklären, weêhalb andere Völker auf der von ibnen in Besiy genommenen ostafrikanishen Küstenstrecke mit Güte auskommen zu können behaupten, während wir auf unserer Seite mit der Rebellion zu kämvfen haben. Jedenfalls ist Beides nitt geeignet, uns in der Ueberzeugung zu beirren, daß wir Deuts§e in erster Linie dazu geeignet sind, die ein- geborene Bevölkerung der s{chwarzen Etrdtheile nicht bloß nach Mög- likeit zu civilifiren, sondern überhaupt nur zu erhalten und vor dem Untergange zu bewabren, welches leßtere hier auch selbst für die Europäer im Gegensay zu Amerika und Australien eine Notbreendigkeit ist. Sind es doch namentli au deutshe Reisende, die immer wieder mit dem löb- listen Nahdruck auf die Verwüstung aufmerksam gemacht. baben, welhe die arabishen Sklavenbändler unter den Negern anrichten. Erkennen wir es deshalb an, daß Förft Biëmarck mit gewobntem Scarfblick au in dieser Frage das Richtige erkannt hat und mit gewohnter Thatkraft einzugreifen gewillt ist, und thun wir auch unsererseits das, was im nationalen Interesse :u thun unsere Pflicht ist, unter der Devise des alten Römers:

Tu ne cede malis, sed contra audentior ito!

Statistische Nachrichten.

Kopenhagen,. 14. November. Nah dem Bericht über das dânische Rettungswesen sind vom 1. April 1887 bis zum 31. März 1888 im Ganzen 86 S {iffe an den Küsten des König- reichs Danemark gestrandet, wovon 48 total verloren gingen und 38 später wieder flott wurden. Von den geftrandeten Schiffen waren 27 dänische, 17 deutshe, 16 norwegishe, 13 \{chwedishe, 6 englische, 4 russishe, 1 niederländishes, die Nationalität von zwei Schiffen blieb unbekannt. Von 30 Swiffen wurden die Besaßungen durch eigene Hülfe, von 27 dur private Hülfe, von 9 theils durch eigene und theils durch private Hülfe, von 2 theils durch eigene und theils durch die Hülfe der Rettungsapparate, von einem dur eigene und durch die Hülfe der Rettungéapparate und von 17 dur die aussch{ließlihe Hülfe der leßteren gerettet. Bei den Strandungen sind, soweit dies festzustellen war, 14 Perfonen umgekommen und 452 Personen gerettet worden, davon 144 dur die Rettungsapparate. Seit dem Jahre 1851 find E die Rettungsapparate im Ganzen 5030 Menschen gerettet worden.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage von J. J. Weber. Leip ig, ershien ein Band „Gedichte“ von Frida Schanz. Unter den zeitgenössischen Schriftstellerinnen bat auf dem Gebiet der Lyrik keine ich eine fo große Beliebtheit zu erwerben verstanden, wie Frida Schanz. Man kommt im Allgemeinen den lyrishen Erzeugnifsen aus weiblicher Feder mit einem gewissen Mißtrauen entgegen, welches nur zu oft gere{tfertigt ist; um so angcnebmer ist man überrascht, in der vorliegenden Gedichtsammlung einem Talent zu begegnen, welches weit über den Dur(schnitt herauéragt und sih dur eine gewisse Originalität au8zeinet, Die Dichterin_ bekundet in diesen lyrishen Produkten Tiefe tes Gemüths und Schärfe der Auffassung und Beobachtung, sie bat selbst empfunden, was sie schreibt, und weiß ihren Gedanken gefällige Geftalt zu geben. So bietet sie denn eine Reihe von sinnigen und zart empfundenen Liedern und läßt das, was ihr eigenes Herz bewegt hat, in dem des Lesers sywpatbish nacflingen. Besondere Anerkennung verdient die außer- ordentlihe Formgewandtheit ; es sind saubere graziôse Verse, die fich angenehm lesen. Den Verehrern und Verebrerinnen, teren sih Frida Schanz längst zu erfreuen hat, wird mit dieser Sammlung eine hoch- willkommene Gabe geboten, an der sie herzlihe Freude baben werden. Dem zierlihen Jnhalt entspricht die reizende Auéstattung, welche die Verlagshandlung dem hoh elegant hergestellten Bande, der dem Büchertish in jedem Salon zur Zierde gereicht, gegeben hat. Als Weibnactsgeschenk dürfte diese Gedihtssammlung in erster Linie zu empfehlen sein. (Pr. geb. 74) L

Aus B. Angerstein's Jugendschriftenverlag (Otto Drewiß' Na&f.) Berlin, Oranienburgerstraße 28, liegen uns folgende empfehlenswerthe illustrirte Jugend-Weihnachtsbücher (Pr. je 5 M) in sehr hübscher Ausstattung vor: :

Der Mär{hen-Wundergarten von E. Berger. Eine Sammlung, enthaltend die \{chönsten Märchen aus aller Welt von Andersen, Bestein, Brentano, Curtmann, Hedwig Dobm, Gebr. Grimm, Hackläuder, Rosalie Koch, Lausch, Leander, Löhr, Lucian, Misotakis, Musäus, Perrault, Graf Pocci, Robert Reinick, Suter- meister, Trojan, Wachenhusen, Wiedemann und Anderen. Mit Le Slnsagalionen nah Agquarellen von Marie Koh und

ilhouetten von Karl Fröhlich.

Ekkehard und die Chorknaben von St. Gallen. Histo- risde Erzählung aus dem 10. Jahrhundert für die deutsche Jugend von W. Lackowiß, mit Farbenoruckt-Illuftrationen und Aquarellen von Rudolf Rückel und Wilhelm Hoffmann. Vorliegendes Werkchen ist keine Bearbeitung der Sheffel'ihen Dichtung, es soll vielmehr der lernbegierigen Jugend ein möglihst anshaulihes Bild des deutschen Lebens und Treibens unter Konrad I. und den erften sähsishen Kaisern geben, ein Bild desErwachens und der Bethätigung deutscher Kraft. Dazu erschien außer dem Harzgau, der Heimath der sächsishen Kaiser, als

Mittelpunkt nichts geeigneter als das Kloster St. Gallen, da die entseglihe Hunnenplage vornehmlich auf den Ländern um den Bodensee berum schwer lastete. Daß der Verfasser bei dieser Gelegenheit die Knaben-Erlebnifse desselben Ekkehard Palatinus gewissermaßen als den rothen Faden durch das Ganze benußte, wird man verzeiblih finden; die Erzählung {ließt da, wo das Meisterwerk Scheffel's anbebt.

Der Rattenfänger von Hameln.* Historische Erzäblung für die deutsche Jugend von Adolf Franck, mit Illustrationen ia Farbendruck nach Aquarellen von Marie Koh. In seinem „Raiten- fänger von Hameln* versucht der Verfasser, der reiferen Jugend in poetisch ungezwungener Weise die Sage von einem neuen Gesichts- punkte aus zu fchildern. Dem sagenbaften Spielmann ist die mythishe Gestalt des ewigen Juden untergelegt worden, der in den deutschen Lokalsagen aller Orten, wenn au unter den verschiedensten Namen auftritt. In ihm verkörpcrt die Erzählung das Prinzip der Vergeltung auf Ecden, und die Hinwegführuug der Kinder erfolgt gemäß der biblishen Vorschrift: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Indeffen, nicht des Geldes wegen bringt er dieses alttestamentarishe Gesetz zur Vollstreckung, sondern das ethishe Motiv des Raheakts liegt in der ungerechten Aburtheilung seines Freundes, eines Jünglings, dessen sympathis{e ¡Erscheinung ein jedes Kinderherz fesseln wird. Das Wesen der Freundschaft, die Mildtbätigkeit und die Selbstbeherrs{ung finden in der Erzählung ihre berufenen Vertreter, wie denn anderer- seits die Treulosigkeit, die Selbstsuht und die Bercchnung, nach- dem sie, wie cinmal der Welt Lauf, zerstörend gewirkt, ihren Lobn im Augenblick des vermeintlihen Sieges finden. Die Handlung vollzieht sich nach dem Interregnum in Deuts{land auf nieder- sähsishem Boden, jedoch {ließt die Darstellung auch Rüdckblicke auf die großen Hobenstaufen Heinrih VI. und Friedri II. sowie auf die beiden leßten Kämpfer aus diesem Fürstengesble{t, Manfred und Konradin ein. Der durch die mittelhochdeutshen Dichter, namentlih durch Walter von der Vogelweide gepflegte deutsde Sinn stebt der Hinneigung der Kaiser zu Italien feindlib gegenüber, und das Raub- citterthum findet seine Meister in dem wieder zur Mat kommenden Kaiser und in den zum Bewußtsein ihrer Stärke gelangenden auf- blühenden Städten.

„l1001Nacht oder Die Erzählungen der StHeberasade®" von E. Berger, mit Farbendruck-JIlluitrationen von H. Kat ch. In fast allen anderen Ausgaben von 1001 Na@t finden sih ganze Erzählungen oder doch zablreihe Stellen, welche nitt nur in einer von den beutigen Pädagogen nit gebilligten Weise Liebesepisoden bringen, sondern auch die von der unsrigen vielfa abweichende Weltansbhauung der Orientalen unverändert in ciner Weise wiedergeben, die uns geradezu verlest, manchmal fogar unmoralish ersheinen muß. Alles derartige, troy der Reichbaltigkeit des Inhalts, auszumerzen, war ersihtlid des Herausgebers Bestreben. Die Verlagshandlung hat das Vuch mit farbensprübenden Bildern des bekannten Orientmalers H. Kat\ch verseben lassen.

Soeben erschien: „Die gerade Schrift bei gerader Körperbaltung. Anleitung, in kürzester Zeit zur deutlichsten und gewandtesten, der natürlihen Haltung des Körpers sowie den An- forderungen unserer Zeit ganz entsprehenden Handfcrift zu gelangen. Zur sichern Selbsterlernung sowie zum Gebrauhe in Schulen von Fabmännern eingerihtet. Erster (theoretisher) Theil. Zweiter (praktischer) Tbeil. Im Selbstverlage zu baben bei I. Kauff in Malmedy (Rbeinpreußen).* (Preis : Erster und zweiter Theil 2,40 6)

Soeben ist der Iahrgang 1888 der von L. Heilborn redigirten „Musikaliswben Jugendpost“ (Verlag von Carl Grüringer in Stuttgart, Preis ò 4) als stattlices, elegant gebundenes, für den Weih- nachtstisch der Jugend reht geeignetes Buch, erschienen. Entsprechend der Devise: „anregend, belehrend und unterbaltend*, ift in den unter- einander abweselnden biographischen Erzählungen und Charakter- bildern, inftruktiven Aufsägen, in den Erzählungen und Märten, Ge- sellshaftsspielen, Gedichten, Anekdoten, Rätbseln und Rebussen, in den melodiôsen Klaviecrfstücken, Liedern, Kompositioren für Violine sowie in den Illustrationen überall der richtige Ton ange“ lagen, der die Saiten des Kindergemüths trifft, bald in ernster Unter- weisung, bald in beiterem Geplauder. Frei von jeder Pedanterie, kindlih aber nit findisch gehalten, darf die „Musikalishe Iugendpost“ die Vorzüge eines musikpädagogishen Werks für \sich in Anspru nehmen; sie soll aber gleibzeitig allen fröhlichen Kindern ein fröhlicher Spielkamerad fein, den sie lieb gewinnen und dessen Umgang mit ihnen nur lauterste Freuden bringt und die geistigen wie moralischen Kräfte der musiktreibenden Jugend weckt und fördert. Wie die prosaischen und poetischen Beiträge zumeist von bedeutenden Musßik- pâdogogen und teliebten Jugendstriftstellern berrübren, so die Illustrationen von Meistern, wie Paul Thumann, C. Offterdinger, M. von Schwind, F. Flinzer, Woldemar Friedrih u. A. Die Ans- stattung der „MusikalisWen Jugendpost* ift geshmackvoll, der Einband \chmuck und feftli. :

Die am 24. d. M. ersheinende Nr. 2369 der „Illustrirten Zeitung“ enthält u. A. folgende Abbildungen: Aus der Inter- nationalen Jubiläums-Kunstautstelung in Münden. 3 Abbildungen. Die Kirche zum heiligen Kreuz in Berlin. Nah einer Zeihnung bon B. Mannfeld. Blafset's weinender Enzel in der Kathedrale ¿u Amiens. Die Entgleifung des russishen Hofzuges bei Borki auf der Kursk-Charkow-Asowshen Babn am 29. Oktober. Original- zeibnung von Nikolaus Tronin. Das am 30. Oktober enthüllte Heinri Marschner-Denkmal in Zittau. Nikolai von Prshewpalski, 7 am 2. November. Heinrich von Bamberger, f am 9. November. Das Lausiger Gebirge bei Zittau. Nab einer Zeichnung von F. W. Fröblih. Die Façade des Berliner Theaters in Berlin. Nah einer Zeichnung des Architekten. Die Kolonial- und die Sklaven- jagdgebiete von Central-Afrika. (Karte.) Leutende Meeresthiere 2c.

Gewerbe und Handel.

Die nächste Börsenversammlung zu Essen findet am 26. November 1888 im „Berliner Hof“ statt.

Frankfurt a. M., 22. November. (Getreidemarktberiht von Joseph Strauß.) Die starke Preiserniedrigung in Amerika, der si alle europäishen Märkte anslofsen, hat hier auf die Haltung von Weizen sehr deprimirend eingewirkt, indem nit allein Preise erbeblich abfielen, sondern auch die Kauflust fast vollständig ver- \chwand; ab Umgegend 19}i—} Æ, frei hier 20—192 , kurbessischer 20—} Æ, rufsishe Sorten 22—i K, Tendenz: Verkäufer. Roggen ermattete für Lokowaare auf Grund stärkerer Zufuhren und preiswerthen , russishen Angebots; wir fordern für beste rassische Sorten 16} H, biesiger 16}—+#, Tendenz flau. In Ger st e verlief das Geschäft rubig, auch baben die Preise eber etwas eingebüßt ; Wetterauer, Ried- und Franken-Gerste 16—} #, Saal- und ungarische 186—207 M, Tendenz träge. Für Hafer war diè Frage wéniger lebhaft, exquisite Qualitäten auêgenommen, welde noch ziemli Interesse fanden, bier indeß nit vorhanden sind, die Notiz 134—14 46, prima 145 Æ, hobfein 154 X, Tendenz fehlt. Raps ist nit umgegangen, zu \chäâtzen 29—314 ÆAÆ Mais (mired) erwies sih ziemli verratlässigt, 137/10 A Cours. Chilifalpeter und Thomasphosphatmebl auswärts aufgeregt, hier wurden Abschlüsse niht bekannt. In Mehl is wenig umgegangen, denn abgesehen von der berrschenden Lustlosigkeit bält auch die Jahreszeit von größeren Abschlüfssen zurück, nahdem Händler und Bäckereien fich für's Erste genügend versorgt haben. Roggenmehl 0/1 244 4, Null allein 26 Æ# lofo bier die feinste Marke (rheinishe Walzmühle) fäuflih. Ab Berlin Preise gedrückt, bei größeren Müblen finden Mindergebote geneigtes Ohr. Hiesiges Weizen- mehl Nr. 0 32—34 Æ, Nr. 1 293—312 4, Nr. 2 27—28 t, Nr. 3 263—27} M, Nr. 4 21¿—224 4, Nr. 5 184—194 Mil{brot- und Brotmehl im Verbande 58—60 #& Nord- deutshe und westfälishe Weizenmehle Nr. 00 28—29 #4 Hiesiges Roggenmehl Nr. 0 26—t# Æ, Nr. 0/1 24—t 4, Nr. 1 22—t 4, Nr. 2 18i—194 # Roggenkleie 1—5 t, i 44 #, Spelzspreu 2—2,50 4, Malzkeime 4,80 4 (Sämmtliche Artikel bei Abnahme von 200 Ctrn. an.) Rüböl im Detail 65