1909 / 56 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Mar 1909 18:00:01 GMT) scan diff

wir hier die bestehende fteuerliche Ungerechtigkeit beseitigen; die Ein- bringung eines Au tiages im Sinne der weiteren Forderung behalten wir uns vor. La wir damit alle Gewerbetreibenden, nicht bloß die Filialinhaber treffen, wird zwar behauptet, aber das muß sih ver- meiden lassen. Ih bitte, den Antrag der Kommission für Handel und Gewerbe zu überweisen.

Geheimer Oberfinanzrat Dr. Str u Þ: Zu demvorliegenden Jnitiatiy- antrag hat die Negierung noch nicht Stellung genommen; ih beschränke mi auf eine Darstellung der heutigen Sachlage. Es ist nit richtig, daß die beiden bestebenden E notwendig zu einer Begünstigung der Filialen führen müßten. Das Gewerbesteuergesetz is auf dem Grund- jag der einheitlihen Besteuerung aufgebaut; die Besteuerung erfolgt nach dem Maßstabe des Ertrages. Es liegt auf der Hand, daß es für den Gesamtsteuersaß ohne Einfluß ift, wo der Ertrag erzielt wird. Anders liegt es bei der Zerlegung des Ertrages rücksihtlih der Kom- munalbesteuerung. Da kann der Gewerbetreibende allerdings ein Interesse daran haben, D nach der Höhe der Gewerbesteuer L dem einzelnen Orte den Eitrag einer Filiale höher oder niedriger erscheinen zu lassen. Aber diese Maßnahmen oder Angaben des Gewerbetreibenden \ind für die Heranziehung selbst keineswegs maß- gebend. Die Zerlegung des Steuersaßes vollzieht sich keines- wegs allein durch Vechandlung der Steuerbehörde mit dem Steuerpflichtigen, sondern nah den Entscheidungen des Ober- verwaltungsgerihts muß auch der betreffenden Gemeinde Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben werden. Das Oberverwaltungsgericht hat übrigens nur ausgesprochen, daß besondere Gewerbesteuern unzulässig seien, sofern sie nur Filialen träfen, niht etwa, daß besondere Gewerbesteuern überhaupt, die auch Filialen treffen, nit gestattet sind. Die Gemeinden haben es aljo noch heute in der Hand, dur befondere Gewerbesteuern den Verdacht, als ob es si{ch bloß um

ilialen handeln soll, auszushließen. Die Gewerbesteuer ist eine

ealsteuer, deshalb muß nach Merkmalen eurteilt werden. Jh habe den Eindruck, als verstehe man vielfa draußen unter einer „gleihmäßigen" Besteuerung der Filialen eine derartige Besteuerung, daß dem auswärtigen Gewerbetreibenden die Lust zur Errichtung einer Filiale vergehen müßte. Das würde etwa der Stimmung entsprehen, welche die Warenhaussteuer hervorgerufen hat. Eine solhe Sondergewerbesteuer für Filialen hat man bei der Beratung des Warenhaussteuergesetzes als \{chlechthin unzulässi bezeihnet. Bei unserem Eclasse sind wir davon aus egangen, daß die Vorausseßungen für eine solhe Form der Steuer nicht gegeben sind. Auf einem anderen Blatt ftebt eine etwaige Abänderung des Kom- munalabgabengeseßes in der Richtung, daß die Steuer nah einem andéren Maßstab als dem des Ertrages erhoben wird. Diese Frage könnte wobl erwogen werden. Au die Frage der Behandlung des Einkommens kann hier nit allein für die Gewerbetreibenden heraus- gegriffen ünd für sih behandelt werden. Diese Fragen sind alle einer erneuten Erwägung wert; es kann aber nicht lediglih die Filialen- frage davon los8gelö\t werden; die eventuelle Neuregelung muß durchaus einheitlich erfolgen, da sie auch auf den Grundbesig usw. übergreift, Mit der Verwertung der Zahlen, die der Antragsteller einander gegenübergestellt hat, soll man doch recht vorsihtig sein.

Abg. Fleuster e erklärt, daß das Zentrum auf demselben Boden wie der Antragsteller stehe und im großen und ganzen mit dem Antrage einverstanden sei. Es gehe niht an, daß in manchen Gemeinden eine Filiale nur einen Ertrag von etwa 400 Æ abwerfe und dann gar niht zur Gewerbesteuer erangezogen werden fönne. Dadurh wärden die übrigen Gewerbetreibenden des Ortes erheblich benahteiligt. Mit Kommissionsberatung ist der Redner einverstanden.

Abg. Heine (nl.) sprickt sih in gleihem Sinne aus und betont, daß der soziale Gesichtspunkt nit zu vergessen fei; die ilialbetriebe feien niht so wertvoll wte die selbständigen Betriebe. ur die ge- rehte Heranziehung der Filialen würde den selbständigen Betrieben die Konkurrenz nicht so erschwert.

L p L ae) Abg. Eckert (freikonf.) erklärt, daß auch seine Freunde dem Antrage

\ympathisch gegenüber s\tänden. Bedauerlicherweise habe noch fein MNedner gegen den Antrag gesprohen, wahrscheinli werde das aber der Abg. Rosenow tun. Es bestehe nit die Absicht, eine Ausnahme- feuer für die Filialen zu hafen. Aber ebenso wie bet den Warenhäusern müsse für ausgleihende Gerechtigkeit geforgt werden.

Abg. Nosenow (fr. Volkep.): Wenn mein Vorredner meint, daß ih gegen den Antrag sprechen werde, so muß ich ihm eine Ent- täushung bereiten ; wir find immer für ausgleihende Gerechtigkeit eingetreten. Die Frage ist nur die, wo bier die ausgleihende Ge- rehtigkeit zu suchen ist. Der Abg. Heine hat den Kern der Frage ja verraten. Also das ist die Frage : Wie kann man den kleinen Gewerbe- treibenden die Konkurrenz vom Halse {hafen ? Eg ist die alte große Streitfrage, die die beteiligten Kreise seit Jahrzehnten beshäftigt, die zur Warenhausfteuer, zur Forderung der besonderen Staffelsteuer für Großmühlen usw. geführt hat. Das Oberverwaltungsgeriht hat es den Gemeinden unmöglich gemacht, besondere Gewerbesteuern für Filialen einzuführen. In der Kommission müssen wir untersuchen, ob und wie die hier widerstreitenden Interessen vereinigt werden können. Im Interesse einer wirklichen ausgleihenden Gerechtigkeit werden wir an der Lösung der Frage mitarbeiten.

Abg. Dr. Bell (Zentr.) : Die steuerlihe Gesetzgebung ist nicht dazu angetan, den kleinen Gewerbetreibenden die Konkurrenz vom Leibe zu halten ; darin hat der Vorredner recht. Aber das O der Anträge eht auch gar niht auf Fernhaltung der Konkurrenz, sondern auf Be- Tibfenao von Ungerechtigkeiten, und wenn damit gleichzeitig den kleinen Gewerbetreibenden aufgeholfen wird, so ist das kein Unglück. Wo ein Wille ift, ist auch ein Weg. Die Unterstützung der Staatsregierung wird uns bei unseren Bemühungen hoffentlih sicher sein. Durch die vorhandenen Unstimmigkeiten werden nicht nur die kleinen Gewerbetreiben- den geschädigt, sondern au die Kommunen haben darunter zu [eiden. Die besten Geschäftsstraßen werden von den großen Geshäftshäusern mit ihren Filialen in Anspruch genommen; sie sind in viel günstigerer Lage und können diese Geschäftshäuser als Eigentum erwerben. Der kleine Geschäftsmann muß deshalb in ungünstigerer Lage, unter ungünstigeren Bedingungen arbeiten. Das hat Nachteil au für die Kommune wegen der Steuerfähigkeit. Daher kommt es, daß aus den früheren

roßen Geschäftshäusern jeßt viel weniger Steuern erzielt werden als

Faber Angesichts der Schädigung der kleinen Gewerbetreibenden und der Steuern muß die Filialbesteuerung geändert werden, um dem Grundsay der ausgleihenden Gerechtigkeit agered: zu werden. Hoffen wir, daß wir eine Lösung finden, die dem littelstand nügt!

Abg. Westermann (nl.): Der Antrag will eine steuerliche Be- vorzugung beseitigen, es muß ein rihtiger Weg gefunden werden. Die

iltalen haben auf dem Lande außerordentlich zugenommen. Ein affeegeschäft z. B., das auf dem Lande 300 Filialen hat, hat ein Ginkommen von 38 000 4, wenn die Einnahmen aller Filialen usammengerechnet werden; tatsählich wird die Kommunalsteuer der Ba aber nur von einem fingierten Einkommen von 8400 4 erhoben.

Der Antrag wird der Kommission für Handel und Gewerbe überwiesen.

Es folgt die Beratung des Antrages der Abgg. Hammer (kons.) u. Gen., die Regierung zu ersuchen, tunlich bald einen Geseßentwurf vorzulegen, durch welchen eine aus- reichende Vertretung des kleinen Kaufmanns- standes Ee wird, und zwar in der Weise, daß bei den Handelskammern mit einzelnen vom Minister für ges und Gewerbe zu bestimmenden Ausnahmen ein

leinhandelsausschuß gebildet wird „von Personen, deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Klein- rers Bt gent, und solhen Kaufleuten, die s den estimmungen des Handelskammergesezes oder durch die Wahlordnungen der einzelnen Handelskammern vom Wahl-

ret zu leyteren ausgeshlossen sind. - Dammer (kons.): Ich bin mit dem Verlauf der vorher- fespuden batte sehr zufrieden. Nach der leßten Berufszählung wir 1895 500 werbebetriebe, von denen 1280 150 feine

eigentliche geseßlidpe Marieetung haben. Allerdings haben jeßt einzelne andelskammern den Zen}us, der zur Wahl berechtigt, herunterge eßt. m Ministerium besteht ONES die Ansicht, daß das, was mein Sus will, fich auch auf dem Wege der Verfügungen erreichen ließe. Dem im Jahre 1907 von dem Abg. Trimborn eingebrahten Antra bezüglich der Detaillistenkammern standen wir zwar \ympathis geventter, wir hielten aber nicht mit unseren Bedenken zurü, daß die usführung des Antrages auf große Schwierigkeiten stoßen würde. Da der Abg. Trimborn mein hoher Vorsißender in der Kom- mission für ndel und Gewerbe ist, so halte ih meinen Antrag einfach für eine praktische Arbeit, die ich für meinen Vorsißenden gemaht habe. Sollten die entsheidenden Faktoren sich direkt gegen die Ausführung meines Antrages a lehnend verhalten, so muß irgend ein anderer Weg gesuht werden, um diesen rund 1,3 Million Gewerbetreibenden eine geseßliche Ver- tretung zu schaffen; sie könnten dann eventuell den Handwerk skammern angegliedert werden, diese würden sie wahrscheinli mit Freuden aufnehmen. Es war arr ngis meine Absicht, au die Handlungs- ehilfen in diesen Kleinhande LONGuA htneinzunehmen; diese haben si aber dagegen ausgesprochen. as Wakhlverfahren muß mit üdsiht auf die Behörden und auf die Kosten einfa gestaltet werden. Wenn es sih hier um 1,3 Million Arbeiter handelte, so hätten sie {on längst eine Vertretung; für die Arbeitgeber ist es ja außer- ordentlih s{chwer, Gesetze zu maten. ch würde mich außerordentli freuen, wenn der Minister diesem Antrage gegenüber keine ab- [lehnende Haltung einnehmen würde. Ich glaube, daß der Antrag von keiner Seite direkt verworfen werden kann, es handelt fich nur darum, daß der Herr Minister vielleiht glaubt, er könne das allein durch Verfügungen erreichen; das ist aber meiner Ansicht nah unmögli.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrü:

Es entspriht dem Brau und den Vorschriften der Verfassung, daß die Königliche Staatsregierung zu Initiativanträgen des Hauses keine Stellung nimmt. Noch viel weniger kann es ein einzelner Minister. Jch bin also nicht in der Lage, über die Stellung der Königlichen Staatsregierung zu den Anträgen des Herrn Abg. Hammer mich hier irgendwie zu äußern. Jch glaube aber, es wird die Debatte fördern, wenn ich über den augenblicklihen Stand der Verhältniffe, über die Nehtslage und thre Konsequenzen, über die Entwicklung, die die Dinge dana genommen haben, hier einen kurzen Aufschluß gebe. Nur fo, meine Herren, bitte ih, meine Ausführungen aufzufassen ; ih sage ledigli meine persönliche Meinung.

Meine Herren, ih halte es für berehtigt, wenn die große Schar der Kleinhandeltreibenden, die vielleicht weniger von der Hohkonjunkt ur der leßten Jahre gehabt haben als irgend ein anderer, die auch sonst mit mancherlei wirts{haftlihen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, den Wunsch nah einer Vertretung haben, die ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Anschauungen und Forderungen auszusprehen und an die zus- ständigen Stellen des Staates zu bringen. Ein Bedürfnis na einer derartigen Vertretung wird der Natur der Dinge nah am stärksten in den großen Städten auftreten in denen die Bedeutung des Groß- handels überwiegt.

Es ift unter diesen Umständen erflärlih, daß es gerade Hamburg und Bremen gewesen sind, die zuerst den Versuch gemaht haben, diese Frage praktis zu lösen, beide niht ohne Zweifel über den etwaigen Erfolg und beide heute noch zweifelhaft darüber, ob sie das voll erreihen werden, was von den Interessenten gewünscht wurde. (Sehr rihtig!) Man hat in Hamburg Detaillistenkammern, wenn ih mich dieses Ausdrucks bedienen darf, eingerihtet; aber man hat, weil man die Shwierigkeiten und die Konsequenzen einer Zwangsorganis ation sheute, sih darauf beschränkt, den Eintritt in die Detaillistenkammer in das freie Ermessen des Einzelnen zu stellen (aha! rechts), und das hat naturgemäß dahin geführt, daß in kurzer Zeit die Zahl der Wahlberechtigten stetig geringer geworden ist, und die Zeit wird es erst lehren, ob auf diesem Wege die Auf- gabe überhaupt zu lösen sein wird oder niht. Die Hamburger Kammer selbst sagt in einem Berichte, sie warne davor, das, was man unter ganz besonderen. Verhältnissen in Hamburg getan und ver- suht habe, ohne weiteres auf andere Verhältnisse zu übertragen. (Sehr richtig! rechts. Abg. Dr. von Lis¡t: Hört, hört !)

Nun, meine Herren, kommt aber noch ein weiteres hinzu. Wenn es sih lediglich darum handelt, eine freie Organisation der Klein- handeltreibenden zu \chaffen, so bietet dazu der § 81 der Gewerbe- ordnung die Grundlage. Es ift an ih nah der Gewerbeordnung zu- lässig, daß sich zu einer freien Innung au andere Gewerbetreibende als Handwerker zusammentun, und eine solhe Kleinhandelsinnung würde also alle diejenigen Rehte haben, die sh aus dem § 81 und folgende für die Innungen ergeben. Wer also geneigt ist, auf dem Wege des freiwilligen Beitritts die Frage der Detaillistenkammern zu regeln, der ift jederzeit in der Lage, das auf Grund des § 81 der Gewerbeordnung zu tun, und ih follte meinen, daß die ehrenhafte und altehrwürdige Bezelhnung der Innung den Kleinhandeltreibenden nit hindern dürfte, diesen Weg zu beschreiten. (Zuruf rets.) Ja, dann kann ih ihnen nit helfen, Herr Hammer! (Heiterkeit.)

Aber, meine Herren, wie ist es in Bremen gelaufen? Man hat in Bremen den Versu gemat§t, die Detaillistenkammer als Zwangs- organisation zu schaffen, und hat den Kreis der zu organisierenden Personen ähnlih gefaßt, wie es Herr Hammer in seinem Antrage getan hat, und man is auch hier auf außerordentliche Schwierigkeiten gestoßen, weil die Begriffe, die hier in Frage kommen, außerordentlich flüssig sind, und weil man naturgemäß die Schwierigkeit nit hat umsciffen können, die sih daraus ergibt, daß man neben Handwerk3- kammern, neben Handelskammern nun noch eine Detaillistenkammer schafft, alle drei als Zwangsorganisationen, denen eventuell dann der unglücklihe Handwerker auch noch anzugehören verpflichtet ift, eine Einrichtung, die dahin führt, daß der Kampf nit um die Seele, aber um die Steuer des Einzelnen niht mehr von zwei, sondern von drei Organisationen geführt wird.

Meine Herren, ich habe mich über diese Frage deswegen so ein- gehend geäußert, weil ja dieselben Schwierigkeiten, die sich hier er- geben haben, sih in gewissen Grenzen auch ergeben, wenn man den Anträgen des Herrn Abg. Hammer folgt. Au hier wird man, wenn man einen Detaillistenaus\{chuß bei der Kammer einrihtet ein Gedanke, den ih unter allen Umständen, wie ih wiederholt betone, der selbständigen Organisation vorziehen würde —, bei Schaffung einer Zwangsorganisation auf die Schwierigkeiten stoßen, die sich in Bremen ergeben haben. Wenn der Herr Abg, Hammer meint, daß die Schwierigkeit dadurch ausgeglichen ift, daß er die Wahlberechtigung auf die Veranlagung zur Gewerbesteuer resp. die Zugehörigkeit zu den beiden untersten Gewerbesteuerklassen beschränkt, so muß ih bemerken daß au dieser Versu, und zwar in Bayern, bereits gemacht worden ift, und man da fo sehr vor den Schwierigkeiten, einen solchen großen Wahlkörper zu schaffen, zurückgeschreckt ift, daß man die Wahlberehtigung beschränkt hat auf diejenigen Kleingewerbe-

treibenden, die am Sigze der Handelskammer wohnen. q meiner Ansiht nah eine für unsere Verhältnisse höch| z, und mit der allgemeinen Gerechtigkeit unvereinbare Konsequen, rihtig! links.) Sie ersehen aus alledem, daß die Frage so nit zu [ôsen ift. (Sehr richtig! links.)

Ich frage nun: was kann denn etwa ohne etae q Regelung auf Grund des bestehenden Rechts erreidt Es ist ohne weiteres anzuerkenaen, daß, obwohl gese Handelskammern die Interessen des gesamten Handel; auch des Kleinhandels, zu vertreten haben, in einer Anzahl von Handelskammern der Kleinhandel nit in hiureh, Maße zum Wort kommt. (Sehr richtig! rechts) Das liegt y Art des Wahlrechts, es liegt daran, daß man die Wahlbere4 an einen Zensus geknüpft hat, und daß man zum Teil nog , gegangen ist und ein Klafsenwahlsystem etngerihtet hat. Ii aber demgegenüber feststellen, daß das, was ih eben als möglij in einzelnen Fällen bestehend hingestellt habe, lange niht di, bildet. Der Herr Abg. Hammer hat ja selbst gesagt, daß es Handelsfzy gibt, in denen Detaillistenaus\chü}se zur Befriedigung der Bez arbeiten. Jch möhte nur feststellen, daß die Zahl der Dety der III. und IV. Gewerbesteuerklasse unter den Handels), mitgliedern im Jahre 1908 betragen hat: 50 9% und bark 3 Handelskammern, also eine viel stärkere Vertretung, als e Abg. Hammer für seine Ausshüfse wünscht, denn 2er für die Minderkaufleute eine Anzahl von Sigen die ein Drittel der Mitglieder der Handelskammer ; während in den drei Handelskammern, die ih genaunt | über 50 % der Mitglieder diesen Gewerbesteuerklafsen hôren. In 6 Handelskammern beträgt die Beteiligung der Detail 33F 9/6 und darüber, in 11 Handelskammern 25 9% und darübe 13 Handelskammern 20 9/6 und darüber, in 7 Handelskammern | und darüber, in 9 Handelskammern 10% und darüber und h übrigen 33 Handelskammern allerdings unter 1009/6.

Nun fragt es sih: ist das ein immanenter Fehler des G liegt es in dem ganzen Aufbau des Geseyes oder liegt es nur h Organisation, die sich die einzelne Handelskammer gegeben bat? liegt nicht am Gesetz, sondern es liegt an der Organisation, sich die einzelnen Handelskammern gegeben haben. Wenz Wahlreht an einen gewissen Zensus geknüpft is, wenn ma Klafsenwahlrecht einführt, kommt natürlih der Detaillift nit j gleihen Maße zum Worte wie bei allgemeinem gleihen Wabl

Wenn man auf Grund des allgemeinen und direkten rechts wählt, liegt die Sache {hon anders. Nun haben einzelne Handelskammern von selb ih babe die Ha kammern noch nicht angewiesen, wie Herr Hammer derartige Detailliftenaus\{chü}se einzurihten, sondern ich habe ¡unächst einmal zu informieren versuht, wie die Sathen bei einzelnen Handelskammern gehandhabt werden versucht, Detaillisten zu ihrem Rechte zu verhelfen, und ¿war einmal in Weise, daß sie einen besonderen Detaillistenaus\{huß gebildet b: der alle dem Detaillistenstande angehörigen Vollkaufleute, die glieder der Handelskammer sind, umfaßt. Sie haben diese Detaillis ausschüfse ferner in der Weise erweitert und ergänzt, daß fie aus Kreise der Vollkaufleute, die nit Handelskammermitglieder | und aus dem Kreise * derjenigen Voll- und Minderkaufla die überhaupt ein Wahlrecht zur Kammer nicht eine entsprehende, zum Teil große Anzabl von Mitgliedern koo haben. Sie sind auch den Weg gegangen, daß sie diese Koopta nicht selbs vorgenommen haben, sondern daß sie vorhandenen fn Vereinigungen von Detaillisten das Recht gegeben haben, eine 1 sprehende Anzahl von Mitgliedern in diesen Handelskammeraut! ¡u s{icken. Man hat sogar den Versuch gemaht, den Herr Hammer als Norm hbinstellen will : man hat die niht zum Ei in die Handelskammer berufenen Gewerbesteuerzahler der dritten M vierten Gewerbesteuerklasse in direkten Wahlen Vertreter in Detailliftenaus\{üfse schicken lasen. Dieses Experiment hat erheb Schwierigkeiten bei der Durhführung gehabt, und es erscheint mw haft, ob man nicht auch bier den Weg der indirekten Wabl schreiten wird. F

Nun, meine Herren, diese Ermittelungen sind nach meiner Ar\W

außerordentlih lehrreih, denn sie beweisen nach meiner Auffafsu daß man an sich in der Lage ift, nicht nur auf Grund

bestehenden Rechts die Ziele zu erreichen, die Herr Abg. Ham

erreiht sehen will, fondern sie zeigen auch, daß man

Grund des bestehenden Rechtes um die Schwierigkeiten herumkom kann, die sih unter allen Umsländen der Durthführung auch des

trages Hammer in der Praxis entgegenftellen können, wie der #

den ih vorhin im Auge hatte ih glaube, es war Koblenz

weist. Meine Herren, wir sind auf Grund des bestehenden Red in der Lage, einmal in den Handelskammern durh Statuten zusamm! ¡ufafsen alle Vollkaufleute, die den beiden untersten Gewerbeften klassen angehören und dementsprechend zum Eintritt in die Handä kammer berufen sind. Wir sind aber au in der Lage, die außer dieser Kategorie von Gewerbetreibenden stehenden Kleingewerbetreibent in diese Aus\hüsse hineinzubringen, sei es, daß man den Weg ! Kooptation wählt, sei es, daß man und das würde ih der gan Lage der Dinge nah für das ¿weckmäßigste halten im Wege | indirekten Wahlrechts Vertreter dieser Kategorie von Gewer! treibenden dadurch in die Ausschüsse hineinbringt, daß man | ja fast überall bestehenden freien Organisationen ein Wahlrecht (i Meine Herren, habe ih einen derartigen Avs\{huß konstruiert, dann! auch in der Lage, diesen Aus\{huß mit allen denjenigen Mad befugnifsen auszurüsten, die Herr Abg. Hammer wünscht, da bin ih in der Lage anzuordnen, in jedem einzelnen Falle: ih wüns daß hierüber der Detaillistenaus\{chuß gesondert gehört und mir ! Beschluß vorgelegt wird. Damit if mir nach meiner Ansicht

Garantie gegeben, daß der Detaillistenauschuß auch zu Wo!

kommt, daß er nicht vom Großhandel innerhalb der Kammer übt stimmt oder daß mir sein Votum gefärbt, verändert oder verkút vorgelegt wird, Jh bin au in der Lage, anzuordnen, daß, wenn d Detaillistenaus\chuß dies verlangt, sein Votum mir vollständig v gelegt wird. Kurzum, meine Herren, in bin der Auffassung, daß a die Wünsche, die Herr Abg. Hammer hat, erreiht werden können 4 Grund des bestehenden Gesegzes, allerdings, meine Herren, unter d Voraussezung, daß die Handelskammern bereit find, einer Anregu meinerseits, derartige Auoshüfse zu bilden, zu folgen. (Zuruf d Abg. Hammer.) Und, meine Herren, ih bin der Anficht, daß, w

man durch Gese den Handelskammern die Verpflichtung auferl

„es für sie

hat, die Interessen des gesamten Handelsstandes zu vertreten ein nobils offlcium if (sehr richtig! links), in der freigebigften Weise alle diejenigen Wünsche zu erfüllen, die die Kleinhaudelstreibenden hinsihtlich ihrer Vertretung haben. (Zuruf des Abg. Hammer.) Herr Hammer, Sie mögen es ja besser wissen als ih. (Heiterkeit. Widerspruch des Abg. Hammer.) Sie sagten, na, na! J konnte es nicht anders verstehen. (Heiterkeit.) Aber, Herr Hammer, selbst wenn das nun nicht der Fall sein sollte (Heiterkeit), wenn ih die Sache besser verstände, so liegt die Sache do so: Die Materie ist im Wege der Geseßgebung {wer zu lösen, weil die Ver- hältnisse an den einzelnen Orten sehr verschieden liegen. Jh weiß ganz genau, daß fich der Durhführung eines Gesetzes, wie es Herr Abg. Hammer wünscht, heute die größten Schwierigkeiten in den Weg stellen würden, und ich würde es deshalb für falsh halten, einen Geseßentwurf vorzulegen, so lange ich ohne einen folhen zum Ziele kommen kann. Wir machen in Preußen und in Deutschland viel zu viel Geseye. (Sehr richtig!) Die Kunst des Regierens ift, aus dem bestehenden Recht heraus das zu entwickdeln und den örtlihen Bedürfnissen anzupassen, was die wirtschaft- lihen Verhältniffe im Laufe der Zeit erfordern. (Bravo!) Meine Herren, Sie werden mir zugeben, daß ih unter Umständen von dem Herrn Abg. Hammer wobl eine gewisse Galgenfrist ver- langen kann. Nachdem ih die Sache jeßt übersehe und dur die Berichte der Handelskammern orientiert bin über das, was geschehen ift und was geschehen kann, werde ih eine entsprechende Anregung an die Handelskammern ergehen lassen —; Herr Abg. Hammer ist inso- fern von einer irrigen Voraussezung ausgegangen, als er annahm, daß diese Anregung hon ergangen wäre —. Wenn diese Anregung au keinem praktishen Ergebnis führt, wird es Zeit sein zu prüfen, ob wir die Angelegenheit durch Gesey regeln wollen. Dann werden wir wahrsheinlich auch besser als heute übersehen können, was in dieses Gese hineingeshrieben werden soll. Meiner Ansicht nah könnte verständiger Weise in dieses Gesey nicht mehr hineingeschrieben werden als eine generelle Vollmaht des Ministers, die Einrichtung von Detaillistenaus\hüfsen nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse anzu- ordnen. Die Bedingungen, die man event. in dieses Gesetz hinein- schreibt, würde ih heute niht den Mut haben zu formulieren, da ich die Angelegenheit niht genügend übersehe. Jh würde sie aber über- sehen können, wenn die Versuche, dur freiwilliges Verhandeln ¡um Ziele zu gelangen, gescheitert sind, resp. wenn an einzelnen Orten und ih bin fest überzeugt, daß das der Fall sein wird meine Ans- regung zu einem Ergebnisse geführt hat und diese praktischen Ergeb- nifse für eine geseßlihe Regelung der Sate die Grundlage abgeben.

Ich hoffe, meine Herren, Sie haben aus meinen Ausführungen entnommen, daß ich in der Tendenz mit dem Herrn Abg. Hammer vollfländig einig bin, daß cine ausreihende und zweckentsprehende Vertretung der kleinen Handeltreibenden geshafffen werden muß. Sie werden aus meinen Ausführungen auch entnommen haben, daß ih entshlossen bin, mit allen Mitteln darauf hinzu- wirken, daß wir das jegt geltende Recht für die Schaffung einer folhen Vertretung voll ausnußzen, und Ste werden aus meinen Ausführungen endlih die Bereitwilligkeit entnommen haben, eine geseßlihe Regelung dieser Angelegenheit dann in Erwägung zu ziehen, wenn ich wmich davon überzeugt habe, daß das geltende Necht mir die nôtige Handhabe zur Durchführung dieser Ziele niht gibt. (Bravo!)

Abg. Trimborn (Zenir.): Die Ausführungen des Ministers haben

ergeben, daß hier ein Gebiet vorliegt, auf dem Wandel geschaffen werden muß. Seitdem ih vor Jahren die erste Anregung zur Lösung dieser Frage gegeben habe, habe ih inzwischen doch die Ueberzeugung gewonnen, daß besondere Detaillistenkammern nit geeignet sind: es wird dabet bleiben müssen, daß in den Handelskammern die großen Kaufleute zu den kleinen gehôren und umgekehrt. Der Minister meinte, es wäre ein nobile officium der Handelskammer, dafür zu sorgen, daß auch die kleinen dandelsleute eine Vertretung hätten; ih bin aber der Meinung, daß ter eine klare geseßlihe Grundlage geschaffen werden muß. Ueber alle Einzelheiten werden wir uns in der Kommission verständigen können, denn vor allem muß festgestellt werden, wer wahlberehtigt sein soll zu diesen kleinen Handelsaus\ch{hüssen.

Abg. Heine (nl.) erkennt an, daß der Kleinhandel mit Recht den Wunsch nach einer besseren Vertretung habe, und {ließt sih dem Antrage auf Kommissionsberatung an.

Abg.Gckert (freikonf.): Die Handelskammern haben die Bestimmung, die Gesamtinteressen des Handelsgewerbes zu vertreten. Wir find daher mit dem Antrag einverstanden. Es sind ja bereits bei einigen Handelskammern Ausschüfse für die Interessen des Kleinhandels ge- bildet, aber diese üben nur beratende Funktionen aus, es ist kein vollkommenes Verfahren, es muß erweitert werden. Schwierig- keiten werden sich aber hauptsählich aus der Frage ergeben, wer denn wahlberehtigt sein foll. Bedauerlih is die große Teilnahmlosigkeit der betreffenden Kreise selbst; bei der Wahl in der dritten Abteilung ersheinen oft nur zwei oder drei Wahlberehtigte. Würden die Detaillisten ibr Wahlrecht besser wahrnehmen, so könnte es beute {on anders sein. Die Fabrikanten der ersten und zweiten Abteilung nehmen durchaus die Interessen der Kleinkaufleute wahr, oft in geradezu rührender Weise. Jch beantrage ebenfalls Kommissionsberatung.

bg. Rosenow (fr. Volksp.) : Ob die Bestrebungen der Inter- effsentenkreise, sih in Vertretungen zusammenzuschließen, nüßlich sind, lafse ih dahing-stellt. Jedenfalls muß man diese Bestrebungen be- rüdsihtigen. Dem Abg. Trimborn muß ich den Vorwurf machen, daß er sein früheres Kind ausgeseßt und verleugnet hat und jeßt ein neues Kind zur Welt gebracht hat. In Hamburg hat man mit den Kleinhandelskammern \ch{lechte Erfahrungen gemacht. Es wird sogar davor gewarnt. Meine Freunde werden in der Kommission fleißig mitarbeiten, um troh der etwas unbestimmten Wünsche den be- teiligten Kreisen zu helfen.

Abg. Diet rich - Thorn (fr. Volksp.) : Ich glaube nicht, daß die Handelskammern für eine Einrichtung im Sinne des Antrags Hammer zu haben sein werden. Auf die Einzelheiten will i hier niht näher eingehen, wir werden uns darüber ja in der Kommission weiter unter-

halten können. Abg. Thurm (fr. S GOED: Wozu follen wir noch eine zweite, eine Kleinhandelskammer errihten? Wir werden dadurch nur neue De hervorrufen. Jch glaube, der Kleinhandel wird sehr ut behandelt; in den Handelstagen wohnt ein Deputierter vom Klein- handel der Sigung bei. Wenn wir dem Antrage des Herrn Hammer zustimmen, belasten wir nur in unnötiger Weise die kleinen Inter- essenten, Die Handelskammer if sehr wohl in der La e, sich mit dem leinhandel so in Verbindung zu feten, daß dessen Wünsche in genügender Weise Berücksichtigung aben können. , Ab . Trimborn (Bente): en Vorwurf, daß ih mein Kind vernoläsfigt, ausgesett und verleugnet hätte, muß ih ganz ents{ieden jurLSwetsen. Ih habe vor zwei Jahren einen Antrag, betreffend le Vertretung des Kleinhandels, eingebraht. Nun ist es die Frage, ob das {on ein vollständiger natus oder ein nasciturus war. Ich will einmal annehmen, es handelte fich um einen natus ih habe den Jungen in die Welt gefeßt und gesagt: nun Lee hin und bereite dir dein Schicksal selber! er Junge hatte das Glüûck, einen F'qgevater in der Person des Abg. Hammer zu finden, der sich des Kindes sehr umsihtig angenommen hat.

Was ich dabei verbrohen haben soll, das sebe ih wirkli nit ein. Nun wendet. man ein, durch meinen neuen Antrag verleugnete ih mein erstes Kind. Dieser Antrag ist aber ein Eventualantrag für den Fall, daß der Antrag Hammer abgelehnt wird; damit wäre also eine Ver- leugnung des bisherigen Antrages in keiner Weise gegeben. Jm übrigen sollten wir uns hüten, hier im Parlamente uns so einen Meinungs- wechsel vorzuwerfen. JZch erinnere nur an den Apostel Paulus, der einst ein Saulus war; folhe Leute werden niemals ausfterben. JIch bitte also, nähftens meine parlamentarishen Kinder etwas rüdcksihts- voller zu behandeln.

Abg. Nosenow e: Volksp.): Der Abg. Trimborn gibt ja selbst zu, daß er sein Kind hat fallen lassen, indem er es einfach in die Welt hinaus- \{hickte in der Hoffnung, daß es vielleidt von selbs zu ihm zurück- kommen würde. Jch halte es für die Pflicht eines Vaters, sich um seine Kinder zu kümmern. Ih woüte mit meinen Ausführungen nur den Effekt erzielen, daß man mit solhen Anträgen in Zukunft etwas vorsichtiger ist. Der Abg. Trimborn hat offenbar eingesehen, daß es mit seinem Antrag nicht geht, und kommt deshalb nun mit

dem neuen Antrag. Abg. Trimborn (Zentr.): Jn einem find wir einig: Ih

habe zwei Kinder gezeugt; aber ih brauhe mit dem zweiten Kinde doch nicht das erste zu verleugnen. Das zweite Kind follte dem ersten die Wege ebnen, damit es blühe, wahs- und gedeihe; man kann nie genug Kinder haben.

Damit {ließt die Diskussion.

Im Schlußwort bemerkt

Abg. Hammer (kons.): Der Minister bat gesagt: Sie mögen das besser verstehen, L was Hammer, ich selbft habe aber den Zwischenruf niht gemacht. enn es nicht gelingen sollte, den von mir vor- geshlagenen Weg zu beschreiten, so werden wir doch nicht dem Vor- \chlag, die Detaillistenkammer wieder auszugraben, folgen. ‘s g

Der Antrag wird an die Kommission für Handel und Gewerbe verwiesen.

F Darauf geht das Haus zur Beratung des Etats der Handels - und Gewerbeoerwaltung über.

Bei den Einnahmen referiert der Berichterstatter Abg. von Brandenstein (kons.) über die Kommissionsverhand- lungen.

Zu den Einnahmen der Baugewerkschulen bemerkt

Abg. Felis ch (konf.): Für das gewerbliche Schulwesen haben andere Staaten früher viel mehr Mittel ausgegeben als Preußen ; namentli [e uns Oesterreich und Frankreih lange Jahre hindurch vor-

,

ildlich gewesen; aber alle diese Staaten baden wir in bezug auf das gewerblihe Unterrichtswesen jeßt erreiht, zum Teil sogar über- troffen. Die padsulen follen die notwendige Ergänzung des all- gemeinen Schulunterrihts sein, aber sie sollen auch dazu beitragen, das Gewerbe felbsst zu fördern, und in dieser Hinsiht haben sie auch Ideale zu erfüllen. Die Ausbildung der Fah\s{ul- [lehrer muß aber auf eine andere Grundlage gestellt werden, fie dürfen nit Berufslehrer, sondern müssen lehrende Fach- männer sein. Jh möchte den Minister um Auskunft bitten, ob nit das Uebergewiht der rein akademisken Lehrer einen ungünstigen Ginfluß auf die Schüler ausübt, die aus der Praxis kommen und in die Praxis zurückgehen. Das Baugewerbe ist das rößte industrielle Gewerbe in Deutschland, daher können wir in Srênfen mit nur 29 staatlihen Baugewerkshulen nicht auskommen; die Privatschulen kommen weniger in Betracht, da jede Privatshule ein Erwerbs- unternehmen ist. Auf den Baugewerksulen muß besonders die heimishe Bauweise im Vordergrund des Unterrihts ftehen und die künftigen Baugewerksmeister auch in der Innenarchitektur unterwiesen werden. Die Schüler müssen in den Sgulen \o vorgebildet werden, daß sie in ihrer späteren Praxis niht sündigen gegen den heiligen Geist ihrer Landschaft und des Volkes.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrü:

Meine Herren! Jch kann die Ausführungen des Herrn Abg. Felisch wohl verhältnismäßig kurz beantworten. Der Herr Abgeordnete hat zu meiner großen Freude anerkannt, daß die Entwicklung unserer Fahschulen eine gute ist, daß die Leiftungen dieser Schulen die der SgFulen in andern Ländern nicht nur erreiht, sondern zum Teil sogar überflügelt haben, und ich bin ihm für diese Anerkennung, die ja auch durch seine Schlußworte hindurhgegangen ift, außer- ordentlih dankbar.

Der Herr Abg. Felisch hat dann die Besorgnis ausgesprochen, daß bei der Qualität unserer Lehrer an den Baugewerks\{ulen eine gewisse Akademisierung der Schulen drohe und daß unsere Bau- gewerkss{üler durch diese Art des Unterrichts ungünstig beeinflußt werden könnten. Er hat hierüber eine Enquete gewünscht, aber ih glaube, soweit das nah Lage der Verhältnisse heute überhaupt möglih ift, diese Frage auch ohne Enquete beantworten zu können.

Unfer Baugewerks\{hulwesen ist, wie Herr Abg. Felish ja selbst weiß, jahrzehntelang in der Entwicklung gewesen. Wir find eigent- lih erst mit den neuen Lehrplänen zu einem gewissen Absch{luß ge- lommen. Wir haben die Lehrer aus den verschiedensten Berufen, wir haben akademish gebildete Lehrer des verschiedensten Studienganges übernommen, und wir kommen erst jeßt allmählih dabin, den Unter- riht zu vereinheitliGen. Nun wird es ¿¡weifellos rihtig sein, daß namentli die akademish vorgebildeten Lehrer bisher leiht dazu ge- kommen sind, die Art des Lernens an etner technishen Hochschule auf den Unterricht an den Baugewerkshulen zu übertragen. Daß das un- erwünscht ist und vermieden werden muß, darüber sind wir uns klar, und eins der wesentlichen Ziele der neuen Lehrpläne geht eben dahin, dur einen völlig andern Aufbau des Unterrichts, diese Neigung, zu akademish zu werden, zu unterbinden und eine mehr praktische, den Verhältnissen und den Anforderungen der Baugewerks\{üler an- gemessene Lehrweise einzuführen.

Ih möhte also dem Herrn Abg. Felish empfehlen, zunächst mal abzuwarten, wie sih die neuen Lehrpläne bewähren, wir werden uns ja darüber in den Sißungen des allgemeinen Beirats zum Landes gewerbeamt alle zwei Jahre äußern können, und ih werde nit unter- laffen, im gegebenen Moment auch in dem \hriftlihen Bericht des Landesgewerbeamtes hierüber Auekunft zu geben. Eine Umfrage würde ih mit Rücksiht auf die ganz ungleichmäßige Entwicklung der Sthulen, die ungleihmäßige Gestaltung unseres bisherigen Lehr- personals heute nicht für zweckmäßig und wenig erfolgversprehend halten.

Der Herr Abg. Felish hat dann wie immer bei dieser Gelegen- heit darüber geklagt, daß noch immer niht genug Baugewerkschulen beständen. Meine Herren, man wird dem Handelsministerium den Vorwurf nidt machen können, daß es bei Errichtung neuer Bau- gewerks{ulen ein langsames Tempo etageshlagen hat. Erst der jeyt [aufende Etat hat wieder eine oder zwei neue Schulen gebracht; es {weben augenblickich Verhandlungen über die Errichtung einer Schule in Halle. Jch habe mich mit dem Herrn Finanzminister überfsdiese Sule”(allerdings noch nicht geeinigt. Aber Sie werden verstehen, daß au ih bei dem flotten Tempo und der stetigen Entwicklung unserer Baugewerkshulen in einem Jahre, das uns so große finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat, meine Forderungen zurückgestellt habe

und warte, bis bessere Zeiten und etwas mehr Ellbogenfreiheit kommen

wird. Jh kann im allgemeinen nur feststellen, daß ih dem Herrn Finanzminifter zu großem Danke für die Freigebigkeit verpflihtet bin, mit der er den Etat meiner Verwaltung auch in diesem s{lechten Jahre 1909 ausgestattet hat. Der Herr Abg. Felisch hat dann die Frage angeschnitten, ob es nicht ¿weckmäßig sei, in den Vororten von Berlineine Baugewerkschule zu errihten. Die Frage beshäftigt mein Mini- sterium mindestens so lange, wie ich Minister bin. Wir haben mit ver- schiedenen Städten, Köpenick, Spandau, verhandelt; die Verhand- [ungen haben zu keinem Ergebnis geführt. Ich kann nicht mehr tun, als die Errihtung sol{her Schulen anregen und eine angemessene Beteiligung des Staates in Aussicht stellen. Das ift geschehen.

Herr Abg. Felish is dann zurüdckgekommen auf die Baugewerk- schule in Berlin und hat die Verftaatlihung dieser Schule angeregt. Meine Herren, Sie wissen, daß ih die Verstaatlihung dieser Schule niht erzwingen kann. Jh habe hon früher auszuführen die Ehre gehabt, daß die Verhandlungen mit dem Berliner Magifirat zu einem - Ergebnis nicht geführt haben.

Es ift dann, meine Herren, eine Reihe anderer Ausstellungen über die Berliner Shule gemacht worden, zunächst ist gefragt, ob die Errichtung einer fünften Klasse zu erwarten ist. Soweit meine Kenntnis reicht, liegt ein bezüglicher Bericht des Berliner Magistrats vor. Wie si der Neubau gestalten wird, weiß ih au heute noch nicht. Wir haben neulich in der Sitzung des Beirats davon ges sprochen; ein Bericht des Magistrats ift uns immer noch nit zugegangen. Bezüglich dieser Shule bin ih nur mit geringen Machtbefugnissen gegenüber der Selbstverwaltung der Stadt Berlin ausgestattet. Das einzige Mittel, das ich haben würde, würde eine Kündigung des staatlichen Beitrages sein, und diesen Weg zu beschreiten, habe ih nit für angezeigt erahtet. Ih würde es au für die ganze Gntwicklung der Beziehungen meines Ministeriums zum Magistrat von Berlin und für die Gntwidcklung des Baugewerkwesens in Berlin für fals halten, wenn ich zu einem so weitgehenden Mittel griffe. Der Herr Vorredner hat dann angeführt, die Baugewerkshule möchte sich nach Möglichkeit der heimischen Bauweise annehmen, und er hat die Forderung nach ¡wei Richtungen hin begründet. Meines Erachtens ih stehe darin mit Ihnen vollständig auf einem Standpunkt hat er mit recht beklagt, daß auf dem platten Lande die \{önen alten malerishen Formen verschwinden und kahle, unshöne Gehöfte erstehen, denen man ansieht, daß sie ohne jedes Kunstgefühl, lediglih unter dem Gesichts- punkte der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit, errichtet find. Er hat es ferner beklagt, daß sich namentlih in unseren kleinen Städten eine unschöne und nicht zu rechtfertigende Nachahmung der groß- städtishen Bauweise immer mehr breit mat. Der Herr Abgeordnete hat in beiden Punkten recht, und nicht nur ih, sondern au die anderen in Betraht kommenden Refsortminister haben zuleßt dur einen Nunderlaß im borigen Jahre die Aufmerksamkeit aller in Betracht fommenden Behörden auf diese Sade gelenkt. Ich habe die Bau- gewerkshule wiederholt darauf Hingewtesen, daß die Neugestaltung der Lehrpläne die Möglichkeit biete, das Interesse der Schüler für eine einfaße, den örtlien Verhältnifsen angemessene Bauweise, zu wecken. In neuerer Zeit find die Baugewerk- \{hulen hingewiesen auf die Werke des Herrn S{hulze-Naumburg, und ih habe meinerseits den Dr. Schwindrezheim mit Staatsmitteln ausgerüstet, der unsere nôördlihen Provinzen ih glaube, darunter Pommern bereist und über seine Reisen ein Buch herausgegeben Har; dieses Buch wird den sämtlichen Fortbildungës{hulen zum Teil auf Staatskosten zugestellt werden, zum Teil wird es den Schülern zur Anschaffung empfohlen werden, da es billig ift. Nah dieser Richtung hin ist das Notwendige geshehen. Man muß si auch hier vor einem Zuviel hüten; wir müssen uns hüten, daß wir uns hier nit ebenso übershlagen, wie wir es vor 25 Jahren getan haben: in einer über- triebenen, unzweckmäßigen Nachahmung der Renaifsance mit unzweck- mäßigem Material und an der unri{tigen Stelle. (Sehr rithtig ! rechts.)

Ih komme nun noch, dem Gedankengange des Herrn Felischch folgend, noch einmal auf die neuen Lehrpläne zurück. Herr Felisch vermißt in den neuen Lehrplänen die Betonung einzelner bestimmter Fragen. Er ist der Ansicht, daß dem Eisenbetonbau ein unzu- reichender Raum in den Lehrplänen eingeräumt werde. Ob das der Fall ift, wird die Zukunft lehren. Sie dürfen aber nit vergeffen, die Kunst bei der Aufstellung von Lehrplänen besteht nicht darin, daß man immer von neuem etwas einshaltet, was neben dem bisherigen Lehrstoff bewältigt werden muß, sondern daß man bestrebt ist, den Lehrstoff auf das zu beschränken, was die Schüler verdauen können, und daß man darauf Bedacht nimmt, daß derartige Neben- fragen und Nebenfähher niht in besonderen Unterrihtsftunden, sondern an der Hand des laufenden Unterrichts erledigt werden. Ich halte es für mögli, daß, wenn diese zwei Stunden Eisenbetonbau niht aus- reihen sollten, au diese Frage an anderer Stelle nebenher behandelt werden kann, umsomehr behandelt werden wird, je mehr der Eisen- betonbau unfere Konstruktionslehre beherrs{t.

Ebenso [liegt die Sache in anderen Fragen, die der Herr Abg. Felish einer besonderen Berücksichtigung empfohlen hat, beispielsweise die sozialpolitische Gesetzgebung. Wenn wir für alle diese Sachen besondere Unterrichtsstunden ansetzen, kommen die Hauptfächer jn kurz. Aug hier bin ih der Ansicht, daß man in der Lage ist, diese Dinge im Ans({luß an andere Unterrichtsfächer, beispielsweise an den Rehenunterriht zu erledigen, wie wir das schon in unseren höheren Squlen, in unseren Volkss{ulen tun.

Der Herr Abg. Felish hat dann au einmal wieder die Frage der zweitklassigen Lehrer angeshnitten. Zch glaube, mich eines weiteren Eingehens auf diese Frage enthalten zu können; sie ifft wiederholt erörtert, und das jeßige Arrangement entspricht meines Wissens einem Beschlusse dieses hoben Hauses. Jh bin also nit wohl in der Lage, jeßt noch wieder Abänderungen eintreten zu lassen. Die Bestimmungen der Besoldungsordnung allein schon enthalten ja für mich die Richtschnur für mein zukünftiges Handeln. IJch kann Herrn Felish nur das eine versprechen, daß, soweit ih dazu in dex Lage bin, alles geschehen wird, um den Unterrit vor einer Ak’ademi- fierung, vor einer Ueberspannung nah der gelehrten Seite hin fern- zuhalten und darauf zu halten, daß der Unterricht das lehrt, was ein praktisher Bauhandwerker braucht, und - daß der Unterricht diese Lehre in einer angemefsenen und zweckmäßigen Weise verabfolgt.

Abg. Feli ¿dankt dem Minister für die dommeude Sive (ens Jilban m D

Bei den Einnahmen aus der Nebendeschäfti ung dexr tehnishen Eichdeamten, 106690 #6, bn E