1888 / 313 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Dec 1888 18:00:01 GMT) scan diff

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ari Ferie Se n: R ven E A s E e R N Es E

nit abbängig von diesen Zollsäßen. Der Niedergang der Hand- weberei ist ein ganz durchaus gegebener und unabwendbarer Prozeß, den wir vtelleiht, aber auch nur vielleiht durch künstlihe Mittel hin- balten können, den abzuwenden aber außerhalb unserer Macht liegt. Meine Herren, der gefährlihste Feind der Handweberrei ift die Maschine. Je vollendeter die Leistungen der Maschinenweberei \ind, um fo weniger ist die Handweberei in der Lage, mit der Maschinen- weberei konkurriren zu können. Ic erlaube mir zur Bestätigung meines Urtbeil darüber, daß tiefe Zollermäßigung keinen \{ädlichen Einfluß auf die Lage der Handwekerei äußern wird, im Gegentheil, daß fie vielleiht sogar als eige nüßlihe Maßregel angesehen werden kann, binzuweisen auf den JIahreébericbt der Handelskammer zu Krefeld für das Jahr 1887, einer Stelle, der man ebensowenig Sachkunde als Herz für die Verbältnisse des Handelskammerbezirks wird absprechen können. In diefem Bericht, der sh ansóließt an gleichartige Aeußerungen der Damn in Elberfeld und frübere Aeußerungen der Handels- ammer in Krefeld, ist Folgendes gesagt: Schon in unserer vorigen Berichterstattung äußerten wir, daß der plôßlibe Aufschwung, den die Handweberei nah dem bösen Winter von 1885/86 genommen hatte, für diefelbe kein Glück gewesen sei. Heute können wir sagen, er war hof bedauernêwerth für dieselbe, er hat den Prozeß des Uebergangs von der Handweberei zur mechanischen nur aufgehaltey», ohne sie verhindern zu können, Hunderte von Hand- webern, Liz längft zu anderen Berufszweigen übergegangen wären, find run zum zweiten Mal und \{limmer wie das erste Mal ins Elend gestürzt worden.

Aus diescr Aeußerung eines berufenen Organs ergiebt si zunächst, daß das Argument, es müsse im Interesse der Handweberei auf der Beibebaltung des böberen Zellsatzes bestanden werden, nit verwertkbar ist. Ih wüns§e von ganzem Herzen, daß der Prozcß des voll- ständigen Ueberganges von der Handweberci zur Maichinenweberei sich möglichst |@cnend für die Betbeiligten vollzieht. I begrüße mit großer Freude alle diejenigen wohlthätigen und menscecnfreundlichen UÜnter- nehmungen, welche die Arbeitgeberkreise am Niederrhein auf das Ziel bin gerihtet haben, diesen Uebergang schonend zu vermitteln, und die Regierung wird nicht unterlassen, diese Bestrebungen mit ibren Inter- essen zu begleitcn und, soweit fie dazu im Stande ist, u fördern. Hier auf dem uns bescäftigenden Gebiete kann sie sich um o weniger entschließen, dem Wunshh des Herrn Vorredners nachzugeben, als, wie gesagt, ein solches Nachgeben verknüpft sein würde mit einem Nich tzustandekommen des Handelsvertrages, wie er Ihnen vorgelegt ist.

Ich kann aber auch diejenigen Kreise, wel&e noch im Zweifel darüber fein sollten, ob wirklih die Nattheile nit doch die Vortheile der Handelsvertragêverabredungen übersteigen, mit einigen Worten berubigen. Ich richte diese Beruhigung zunächst an die Seiden- industrie speziel. Sie wiffen, daß gleichzeitig mit den Verhandlungen in Berlin, zwischen der Shweiz und dem Deutschen Reich, Verkand- lungen in Wien zwischen der österreih-ungarishen Regierung und der Schweiz auf Abänderung des Handelévertrages, den diese beiden Staaten miteinander geschlofen baben, gepflogen worden find. Diese Handelévertragsverbandlungen, deren einzelne Verabredungen auch uns vermöge der Meistbegünstigungëklausel zu Gute gekommen, sind unter Anderem auch darauf gerihtet, ‘daß die ôsterrcihi}hen Seidenzölle ebenfalls berabgesett worden sind, und wir profitiren von dieser Herab- seßung, insbesondere unsere Seidenindustrie profitirt von dieser Herak- seßung in nit unerbeblihem Maße. Sie werden mir darin Ret geben, wenn ih Ihnen sage, daß der Exrportwerth derjenigen Waaren, welche von der deutschen Seidenindustrie nad Oesterreich eingeführt worden, 9 700 000 Gulden beträgt; also die österreiwische Herab-

seßung der Seidenzölle können Sie gewissermaßan als ein Kompensations- objekt ansehen für den etwaigen Nacbtheil, den unsere Seidenindustrie

Sie dürfen aber dabei au weiter nicht aufer Act lassen, daß dieser Sat, auf den wir jet wiederum zurückgehen wollen, und der bis entwickelt habe, gegolten hat, ein um deéwillen angemessener ist, weil er genügt, um der Induftrie ihre Ervortfähigkeit zu erhalten. aus dem vorliegenden Vertrage seben, ebenfalls in gewissem Umfang den Seidenzoll berabgeseßt hat. Es ist der Zoll für ermäßigt, und auch diese Ermäßigung kommt unserer Seidenindustrie zu gute, denn schon jeßt beträgt der Exportwerth derjenigen Waaren, 1 700 000 Francs. :

Meine Herren, ich babe {on vorhin darauf hingewiesen, daß, dann der Vertrag binfällig ist. Welche Vortheile uns dann ent- gehen würden, das werde 1G JIbnen noch mit einigen Worten nad-

Die Sade steht so: Nehmen wir jeßt den Vertrag nicht an, so wird die Séwei

g mit der Frist von einem Iabre. Wir würden also im Laufe des nâtsten Jahres entwcder in reue Unterhandlungen mit der Schweiz eintreten muten oder wir würden einem vertragslosen Zustand entgegen- geben. Wählt man den erstercn “Weg und das wäre ja unzweifel- haft das Vernünftigere —, so würde die Schweiz ibre Forderung wiederholen; wir würden bei decn Verbandlungen ganz auf dem- selben Standvunkt stehen, auf dem wir in diesem Augenblick zei&nen und wir wären vor die Frage gestellt: wollen wir den Ver- trag odér wollen wir den alten Seidenzoll behalten? Wählen wir gegen, so entgchen uns alle die Vortheile, welche aus den Ver- abredungen mit der Schweiz für die deutsche Industrie erwachsen, und zwischen Desterrcih-Ungarn u-d der Schweiz vereinbart worden ist, binzufügen: au für die deutsche Landwirtbshaîït erwabsen werden. Es ein Vertragsverbältniß zwischen Deutschland und der Shweiz mit sich brirgt, dieien österreihisch-ungarisch-\{weizerishen Vertrag außer Acht Konzessionen gemacht, welche für uns recht werthvoll sind.

Gs ist beisvieléweise und ih berühre damit die land- Vertrage von 2,50 Francs auf 2 Francs herabgeseßt und es sind eine ganze Rehe Val a4 auf dem Gebiete der Viehzölle biéher 25 Francs bezahlt baben, 15 Francs, Kübe und Rinder, welche bither 20 Francs zu zahlen haben, 12 Francs, und S{hweine,

_Wenn ich nun die Gefammtvortheile welche die Fortsezung urfercs Vertragsverhältnisses mit der Schweiz im Gefolge hat, Zahlen verweisen, die sich aus unserer Statistik ergeben. Die Dollermäßigungen des sckchweizerishen Tarifs haben für Deutsch- Werth der Waaren, denen die Zollbegünstigung zu Gute kommt von 10,4 Millionen; die Zollermäßigungen auf Grund aus dem Vertrage zwischen der Schweiz und Frankreich, kommen einem Importwertbe von 70 Millionen zu Gute, aus dem Tarif- von 1s Millionen, und wenn ih nun hinzurehne den Werth der Bindung bestehender Schweizer Zölle durch den jeßt vorliegenden O

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aus der Herabseßung der deutshen Seidauzölle erfährt. zum Jahre 1885 mit den Folgen, die ih Ihren vorhin zahlenmäßig

Es fommt weiter hinzu, daß auch die Schweiz, wie Sie seidene und balkseidene Kleidungsftüde von 200 auf 150 Francs welce in diesen Artikeln nah der Schweiz autgeführt werden, wenn Sie eine Position, hier also fveziell die Pof. 30b 1, ablebnen, zuweisen rersuchen.

chweiz den bestehenden Vertrag kündigen das ist

zulässig mit der F quf Herabsetzung des Seidenzols von 800 auf 600 Mark stehen. Man würde uns die Sache als conditio sine qua non be- den leßtercn Weg, steuern wir also einem vertraglosen Zustand ent- ih darf au gleich mit Beziehung auf den Handelsvertrag, welcher ist ganz unmögli, bei Abmessung der Vortheile und Nacbtheile, die zu lassen, In dem Vertrage hat nämlih Oesterreih der S{wei; wirthscaftli@en Interesscn der Meblzoll in dem s{weizerischen zugestanden. Es zahlen in Zukunft Ochsen und Stiere, welche welche bisher 8 Francs bezahlt haben, 5 Francs. zisfermäßig Ibnen vorführen will, so kann ih Sie auf folgende land einen Werth —- das is der Importwerth, also der der Meistbeaünstigungsklausel, wie sie für Deutshland nugbar werden vertrage zwishen Oefterreih-Ungarn und der Schweiz einem solchen so beziffert sich hier das Interefte auf 15,6 Millionen. Sie seben dana

daß in Bezug auf die deutshen Exporte eine Werthsumme von 114 Mil- lioren getroffen wird, welche die Vortheile nicht unseres Vertrages allein genießen, aber die Vortheile der Fortseßung des vertragsmäßigen Zustandes mit der Schweiz.

, _Betrachte ich nun die Vortheile der Schweiz, so ergiebt \ich gleibfalls an der Hand unserer Statistik, daß die Zollermäßigungen des deutsben Tarifs auf Grund des vorlicgenden Vertrages \ich bazieben auf einen Importwerth von 13 Millionen, daß die Zollermäßigungen

auf Grund der Meistbegünstigungésklauscl, wele der Sbweiz zu Gute kommen auf Grund der Tarifverträge Deutschlands mit Italien, Spanien und Griechenland, auf 0,3 Millionen sich belaufen, und daß: die Bindung bestehender deutsher Zölle durch den Vertrag \sih auf einen Mer von 18,6 Millionen bezieht, in Summa auf 31,9 Mil- ionen.

Meine Herren, ih übergehe bei dieser BVerehnung ganz den Veredlungsverkehr, einen Verkehr, der in der That, namentli für unsere süddeutshen Bundesstaaten, von ganz erheblihem Inter- esse ist. Es fönnen darüber ziffernmäßige Daten nicht gegeben werden; es läßt sich schwer eine einigermaßen sichere Zahl nennen. Aber die Aeußerungen der süddeutschen Bundesregierungen gehen übereinstimmend dahin, daß sie auf die Aufrechterhaltung diefes Verkebrs cinen ganz besonderen Werth legen. : 5

Meine Herren! Ich komme jeßt noch mit ein paar Worten auf das Desiderium des Hrn. Abg. Lucius. Es ift ribtig, daß schon seit langer Zeit in Deutsbland sich unter den Gemüsezübtern und Obstbauern eine gewisse Agitation auf Einführung von Obsft- und Gemüsczöllen bemerkbar gemacht hat. Die Regierung hat FTeineëwegs die Hände in den Schoß gelegt; sie ift der Frage näher gte, ob sich die Einführung folcher Zölle erfcrderlich mae, beziebungêweise cmpfeble. Die angestellte Enquete hat aber das Ergebniß geliefert, daß man die Cinführung eines Gemüsezolles nit für angezeigt hat erachten können. Es liegt mir bier eine Aeußerung der Königli® pvreufischen Regierung über dieïe Angelegenbeit, welche mit großer Sorgfalt namexntlich die Bebörden und Vereine in denjenigen Distrikten, in denen hauptsächlich der Gemüsebau und die Obstzucht betrieben wird, gehört hat und welche auf Grund einer tabellarishen Zusammenstellung der ihr zugekommenen Aeußerungen zu folgendem Ergebniß gelangt ist:

Bebörden, Vereine und einzelne Interessenten, welche zur Sae gehört worden sind, haben fsich in überwiegender Mehrheit dahin geäußert, daß ein Rückgang des gärtnerishen Gewerbes niht wahr- nehmbar sei, daß vielmehr ein erbebliher Aufschwung desselben anerkannt werden müsse. Es feblt zwar niht anStimmen, heißt es dann weiter, welche die entgegen- geseßte Meinung vertreten, und es wird au angeführt, daß nit alle Gärtnereicn si einer glei günstigen Lage zu erfreuen baben; allein es wird doch au zugegeben, daß der Rückaana einzelner gärtneriscer Unternehmungen in wesentli anderen Verbältniffen als in der Kon- kurrenz des Auslandes seinen Grund bat. Dabei wird dann des Näkeren aus den Aeußerungen der Sachverständigen ausgeführt, daß dazu namentli der Umftand gehört, daß, wäbrend in früberer Zeit der Gemüsebau hauptsählich Sache kleiner Betriece gewesen ist, jetzt auch große Güter und Großbetriebe dazu übergeben, den Gemüscbau zu treiben. Es wird weiter bemerkt, daß es vielfach an einer ratio- nellen Behandlung des Gemüse- und namentlich des Obstbaues bei uns noch feblt, daß der Gemüsebau vielfah auf nit dazu geeignetem Lande betrieben wird, und fo wird eine Reibe von Umständen geltend gemacht, denen nach dem eigenen Urtheil der gehörten Personen und nach dem Urtheil der Königlih preußischen Staatsregierung die Schuld an dem Umftand beizumessen ift, daß die Gärtnerei nit in dem Maße florirt, wie das zu wünschen wäre.

Endlich kommt die Königlich preußishe Regierung zu dem Schluß, daß es gar nicht im Interesse der Förderung des inländisen Obst- baues liege, Zölle auf ausländishes Obst einzuführen, indem sie dabei die Befürchtung ausfpriht, daß die wünsbenëwerthe Entwicklung unserer Obstzucht, für die ja auch von Seiten des Staates alles Mög- lihe geschieht, eher dur folche Zölle zurückgehalten als gefördert werden wird.

Nun, meine Herren, bin ih am S6{lusse meiner nah meinen Wünschen zu lang gewordenen Auseinandersezung. Die Sache liegt wie gesagt cinfach fo: wollen Sie den alten Seidenzoll belaffen, dann müssen Sie ten Vertrag ablehnen und müssen sih dann der Gefahr auéscßen, daß wir einem vertragslosen Zustande mit der S{hweiz entgegengeben. Diese Gefahr werden Sie meiner Ueberzeugung nah schwerlich überneßmen wollen und übernehmen können. Mit der Schweiz sich in einem vertrag3mäßigen Zustande zu befinden, ist ungeachtet des geringen geograpbishen Umfanges des Landes von ganz außerordentlißem Werth. Die bisherigen Handelskezichungen haben fih zu intimen und gedeihlichen gestaltet. Wir müßen es vermeiden und, meine Herren, ih bitte Sie, vermeiden Sie es —, diese Handels- bezichungen zu stören; Sie wissen nicht, was darauf folgt und ob der Nachtbeil nicht bei weitem größer ift als wie der meiner Ueberzeugung nah imaginäre Vortheil, den Sie durch Beibehaltung des Seiden- jolles auf 800 Mark gewinnen.

_ Abg. Broemel: Die Lage der verbündeten Regierungen sei keine angenehme, nachdem von der großen Mehrheit des Hauses ein entschiedener Widerspruch gegen einzelne Bestim- mungen des Vertrages sich erhoben habe. Die Situation würde geradezu mißlich werden, wenn der Regierung dazu von freihändlerisher Seite ein volles Lob zu Theil würde; denn ost genug sei den Freisinnigen entgegengehalten worden, daß nichts die Regierung in ihren Schritten bedenkliher mache, als eine Zustimmung von freisinniger Seite. Seine Freunde seien mit ihm entschlossen, für den Vertrag zu stimmen, weil sie nihts Besseres erhalten könnten ; sie seien aber vollkommen davon dur- drungen, daßer große Mängel enthalte, und wenn die verbündeten Regierungen immer in solchem Falle, wo rechts und links un- erfüllbare Forderungen gestellt würden, Werth darauf legten, einen goldenen Mittelweg zu wandeln, so freue er sih, in diejem Falle mitzuhelfen, ihnen diese Mittelstraße zu bahnen. Auf eine Kommissionsberathung bitte er das Haus zu ver- zihten. Ein internationaler Vertrag wie dieser müsßse in an- derer Weise behandelt werden als irgend eine Vorlage des Bundesraths; da müsse man sich entschließen, ihn in seiner Gesammtheit anzunehmen oder abzulehnen. Da der Vertrag am 1. Januar 1889 in Kraft treten müsse, so müßte die Kommis- sion mit beispielloser Eile arbeiten, um die Sahe noch vor den Ferien abermals vor das Haus zu bringen. Wer aber wolle die Verantwortlihkeit übernehmen, den Termin ver- streihen zu lassen, nur weil bei einzelnen Positionen eine ge- nauere Berathung angestellt werden solle? Es sei auch nit gerechtfertigt, für die Beurtheilung eines solhen Vertrages eine einzelne Position als maßgebend anzusehen; man müsse die Vortheile und Nachtheile gegen einander abwägen und das Facit ziehen. Nun werde doch von keiner Seite bestritten werden, daß der Vertrag vielen Zweigen unserer Jndustrie für eine Reihe von Jahren ein werthvolles Absatgebiet sihere durch Aer mla, die der Vertrag selbst enthalte, wie durch die in dem Vertrage der Schweiz mit Oesterreich eingeführten Herabsegungen. Er halte es indessen nit für richtig, die von beiden Seiten gemachten Konzessionen hier abzuwägen, sondern sei befriedigt, daß der Vertrag neben der Meistbegünstigung eine Reihe von Konventionaltarifen ent- halte, und hätte nur den Wun}, daß die Konventionaltarife auf beiden Seiten etwas größer ausgefallen wären. Wenn übrigens die Zollherabsezungen auch an sih niht unbedeutend seien, so seien die Verhältnisse doch für die Exportindustrie niht entfernt so günstig wie vor Einführung der Schußz- zölle. Wer nah unseren Zollerhöhungen sih in den Ge- werbskreisen der Schweiz umgesehen, werde erfahren haben, welche tiefe Erbitterung sich in Folge derselben dort erhoben habe. Und was habe andererseits das Schußzollsystem bei Vertrags- abshließungen genügt. Der \{hweizerishe Zoll auf deutsche Waaren betrage au nach den jezigen Ermäßigungen immer noch das i Vierfache, Achtfache der schweizer Zölle vor 1879. Die Darstellung des Staatssekretärs von Boetticher,

daß die Erhöhung des Zolls auf Seidenwaaren in dritter Lesung vom Reichstage be‘chlossen worden sei, während die verbündeten Regierungen eigentlih sh ab- lehnend verhalten hätten, sei niht ganz rihtig. Allerdings sei das Drängen auf Erhöhung des Zolls vorzugsweise aus der Mitte des Hauses hervorgegangen, aber die Vertreter der * verbündeten Regierungen hätten hier eine wohlwollende Stellung dazu eingenommen. Ganz bereitwillig habe der Bundesrath damals die beschlossene Erhöhung sich gefallen elassen. Der Staatssekretär finde sodann jeßt, daß eine Industrie, welche ihre Ausfuhr jo stark steigere, dos Schutzolls nicht mehr bedürfe. Die Freisinnigen hätten früher nur eine solche Anschauung aussprechen sollen. Die Forderung der admission temporaire werde von der Regierung auf die Dauer nicht zu- rüdckgewiesen werden können. Er untershäße den Werth des Vertrages nicht, aber auch die verbündeten Regierungen würden niht bestreiten, daß Oesterreih einen Vertrag von ganz anderem Umfang zu Stande gebracht habe als die deutsche Reichsregierung, daß Oesterreich ganz anders in der Lage gewesen sei, feste gesiherte Absaßverhältnisse auf dem shweizer Markte sich zu verschaffen. Aus der Begründung sei zu er- sehen, daß die Schweiz die Absicht gehabt habe, den Vertrag zu kündigen, wenn nicht die deutshe Regierung bereit wäre, dem schweizer Export bessere Absazverhältnisse auf dem deutschen Markte zu gewähren; die deutshe Regierung habe einen Theil dieser Forderungen abgelehnt. Es sei dar- aus deutlih erkennbar, daß der ‘aktive leitende Theil der Verhandlungen die Schweiz gewesen sei: die Schweiz habe Forderungen gestellt, die deutshe Regierung habe in der Hauptsache sich ihnen anbequemen müssen. Wie komme es denn, daß ein politisch und wirthschaftlih so starker, fast über- mächtiger Staat wie das Deutsche Reich von der politish und wirthschaftliÞh kleinen Schweiz in solhen Fragen eine conditio sine qua non sich stellen lassen müsse? Das liege daran, day die deutshe Regierung bei Abschluß der Handelsverträge niht den klaren Willen habe, durch weit gehende Konzessionen ihrerseits größere Konzessionen zu er- langen. So sei es uns auch bei den Verträgen mit Spanien, Jtalien und Griechenland ergangen. Wer bei dem Abschluß solher Verträge ein klares Ziel, Erleichterung des Verkehrs, verfolge, habe von vornherein einen großen Vortheil über den anderen Kontrahenten. Es sollte das eine dring- lihe Mahnung für die Reichsregierung sein, auf dem handels- politishen Gebiet die Herstellung der Verträge niht immer einseitig den anderen Staaten zu überlassen, sondern ihrer- seits den Abs{luß solcher Veriräge selbjtändig in die Hand zu nehmen; die Mahnung sei um so dringlicher, da 1892 die wichtigsten Konventionaltarife in dem europäischen Handels- vertrag überhaupt abliefen.

Staatssekretär von Boetticher:

Meine Herren! Nur ein paar Worte. Es hätte mi gewundert, wenn die Zufriedenkeit des Herrn Vorredners mit den Vertrags- stipulationen, die Ihnen vorlicgen und denen er ja selbst zustimmt, eine ganz ungetrübte gewesen wäre, und ih bin deéhalb garnicht erstaunt gewesen, daß er es am S6lusse seiner Betrachtung doh noch neben dec Mabrung, die er für die zukünftige Hantelspolitifk ertheilt kat, auch nit an einer Parallele zwischen dem Verbalten unserer Regierung und dem Verbalten der österreichish-ungariswen und der s&weizerishen bat feblen laffen. Meine Herren, es ift das ja ganz deuts. In der bekannten Gescichte der Postillone schläazt Jeder den Juden des Andern, bei uns aber schlägt Jeder feine ee Regierung, und ich würde mit garnicht wundern, wenn bei der Verhandlung des \chweizerisch - österreichi ch- ungarischen Vertrages in Wien ebenfalls dieselbe Bemerkung gemacht wird, die deute Negierung bätte mebr erreiht und die deutsche Regierung bâtte vorsihtiger operirt, als die eigene. Nun, weine Herren, wird cs mir nit s{chwer, diese Bemerkung auf ihren wabren Werth zurückzuführen. Der Herr Vorredner vergißt, in welcher Rolle fi zwei Kontrahenten ein:s Handeltvertirages befinden. Er sagt, wie ist es mögli, daß tas übermättige Deutsche Reich si eine conditio sine qua non ftellen lassen kann. Ja, meine Herren, eine conditio sine qua non fann fi aub der s{chwächste Mersch er- lauben, wenn er eben das, was man von ibm verlangt, nit anders geben will und nit anders geben karn, als unter der Bedingung, deren (Erfüllung er begehrt. Was das mit ter Matt des Staates zu thun kat, verstehe ih nicht, und ich fann dem Herrn Vorredner überdies eine ganze Reihe von Positionen bezeichnen, in denen auc wir unsere Forderungen zur conditio sine qua non gemacht baben. Er stellt si die Sawe vor, als ob wir dagesefsen und nur angebört hätten, was die Schweiz verlangt, demnächst aber uns aufs beste bemuükft hätten, den Forderungen der Schweiz entgegenzufkommen. Nein, Herr Abgeordneter, so ist die Sache nit verlaufen. Siz bat vielmehr den Verlauf genommen, daß die S&weiz, niht zu- frieden mit dem bisherigen Handelsvertrage, eine Revision die- ses Handelêvertrages verlangte, und daß diese Gelegenheit von der deutihen Regierung benußt ist, nun au prüfen zu laffen, welhe Mängel der tisrerige Handelsvertrag für uns hat, uxrd welche Anträge im JIateresse unserer Industrie bei erneuerten Verbandlungen zu itellen sein möten. Die gegenseitigen Desiderien find zur B.rhandlung gebraGt, bei verschiedenen Forderungen haven beide Kontraherten erklärt, daß sie obne Erfüllung derselben einen neuen Vertrag nit abf&ließen können, und fo ist dieser Vertrag zu Stande gekommen.

Daß die österreichishe Regierung mehr erreiht bat, das liegt ganz einfach daran , daß es sich in Oesterreih darum kandelte, einen vollständig neuen Handelsvertrag abzuschließen. Der österreihisch-sckwei- zerische Handelsvertrag war abgelaufen, es war tabula rasa vorhanden, man fonnte ganz von Neuem verhandeln. So lag die Sache kei uns nit, wir waren mit der SHweiz einig dabin, daß wir haupt'ächlich den gegenwärtig geltenden Handelsvertrag aufrecht erbalten wollten.

I weise deshalb die Parallele des Herrn Vorredners zurück, und weise namentli an der Hand eines guten Gawissens den Vor- wurf ¿urüdck, als ob wir nickcht Alles gethan kätten, um für die deutsche A die vertraglihen Festseßungen so nuzbar als mögli zu gestalten.

Was die Winke, die der Herr Vorredner für die Zukunft ge- geben bat, anlangt, fo babe ich ihm darauf rur Folgendes zu erwidern. Wenn wir cs im Interesse unserer Industrie finden, Tarifverträge anzustreben, so werden wir au die Initiative zu ergreifen suchen, wir werden aber nicht um des Prinzips willen, um des Dogmas willen dazu übergeben, Tarifverträge zu machen, die wir entweder nit im Interesse unserer Industrie erahten, oder für die wir nicht eine âquivalente Konzession von der anderen Seite erreichen können. Wir treiben weder Scutzzoll- noch Freihandelspolitik, sondern wir treiben nationale Handelspolitik, d. b. eine Handelspolitik, die darauf gerichtet ist, die Bedürfnisse des Landes zu erforshen und diese Be- dürfnisse auch demnächst zum vertragsmäßigen Ausdruck zu bringen.

_ Abg. Websky: Er spreche niht im Namen seiner Frak- tion, sondern für sich persönlih. Es sei außerordentlich hart, wenn der Reichstag schon drei Jahre, nahdem einer Industrie ein Schußzoll gewährt worden sei, von i ves Nothwendigkeit er sih doch überzeugt habe, in die Zwangslage verseßt werde, ifi ohne Weiteres aufzuheben, wenn nicht andere aroße

theile für die Gesammtheit eintreten sollten. Die Seiden- industrie wehre sich gegen diesen Vertrag niht nur mit Rücksicht auf den \{hweizerishen Zoll, sondern auch auf den Verkehr mit den meistbegünstigten Ländern, mit Jtalien,

Oesterreih, Frankreih, welhe Länder in hohem Grade E seien. iht bloß Krefeld und Elberfeld, sondern auch das südlihe Baden und Elsaß-Lothringen seien hierdurch in Mitleidenschaft gezogen. Dieselben Bedenken egen den Vertrag mwalteten Seitens der Taschenuhren- ndustrie und der sähsishen Jundustrie der Stickerei ob. Und diese Kreise wüßten noch niht einmal, daß ihnen eine Herabsezung der Schutzölle drohe. Da fönne man den furzen Aufshub durch eine Kommissions- berathung niht zurückweisen. Dadurh werde der Gegenstand niht für dieses Jahr ganz zurückgestellt, die Kommission könne in zwei Tagen fertig sein und die Verhandlung im Plenum bis zum Sonnabend erledigt werden. Er könne si nit denken, daß die kleine Schweiz, der in dem Vertrage große Vortheile gewährt seien, chließlich eine conditio sine qua non gestellt habe. Wenn der Reichstag den Vertrag nicht genehmigte, würde sich wohl darin etwas ändern. So ganz aussihtslos würde also eine Kommissionsberathung nit sein.

Abg. Hulßs{: Für die Mehrzahl seiner Freunde liege die Frage so, daß man mit gebundenen Händen vor der Alter- native stehe, entweder anzunehmen oder abzulehnen. Die Ver- antwortung für die Ablehnung könnten die Konservativen niht übernehmen. Es sei ja zu beklagen, wenn nicht alle Wünsche der Jndustrie in diesem Vertrage erfüllt seien. Auch sein engeres Vaterland sei davon betroffen, namentlich die Sticerei im sächsischen Erzgebirge. Aber man müsse si bescheiden, daß niht mehr zu erreihen gewesen sei, die verbündeten Re- gierungen hätten ficherliÞch die Wünsche der Industrie bei den Vertragsverhandlungen auf das Wärmste vertreten. Man müsse sih mit der Hoffnung trösten, daß eine spätere Wieder- aufnahme der Verhandlungen diese Wünshe noch besfriedige. Man danke der Regierung für diesen Vertrag, dem seine Partei im Allgemeinen zustimme. Auch eine möglichst rasche Erledigung sei geboten, denn die Nachtheile einer vertrags- losen Zeit seien für den Gesammthandel weit größere, als die Nachtheile dieses Vertrages für einzelne JFndustriekreise. Unsere Industrie sei so thatkräftig und energisch, daß sie die Ver- hältnisse benußen und aus jedem Vertrag Vortheile ziehen werde. Das Interesse unserer Jndustrie erfordere möglichst auêgiebige Tarifverträge. Der jezige Vertrag bedeute immer- hin einen Fortschritt gegenüber dem im vorigen Jahre dem Hause vorgelegten. Unsere Jndustrie würde sich auf die Dauer auch an einen s{lechten Vertrag gewöhnen, wenn er nur stabil jei, am s{hlimmsten sei aber die ewige Unsicherheit einer vertragslosen Zeit. Die Mehrheit seiner Freunde be- grüße also den Vertrag mit Freuden und würde ihn sofort in zweiter Lesung annehmen.

Abg. Dr. Windthorst: Die Behauptung, daß ih unsere Jndustrie auch auf einen {lechten Vertrag ecinrihten fönnte, wenn er nur siabil wäre, sei in ihrer Allgemeinheit niht auf- recht zu ‘erhalten, aber immerhin könne ein s{chlechter Tarif durch die Dauer erträglih werden. Man habe bei dem Tarif von 1885 alle verschiedenen Jnteressen gegen einander abge- wogen in der Meinung, daß dieser Tarif dauernd sein würde, statt dessen finde aber eine stete Abbröckeclung auf Grund dieser Verträge statt, die ja nicht vermieden werden könnten, die aber shließlich die Mitwirkung des Hauses bei der Festseßung der Tarife illusorisch machten. Hier seien eine ganze Reihe von Tarifpositionen aufgegeben worden. Er begreife, daß der Abg. Broemel und seine Freunde diesen Vertrag mit Enttusiasmus begrüßten. Dieser Vertrag führe direkt zum Freihandel zurü. Die Zahlen des Staatssekretärs vermöge er hier niht im Einzelnen zu prüfen, ihm fomme es aber auf eine Prüfung an, und die müßse in einer Kommission erfolgen. Die Zahlen allein könnten ihn vielleiht von seinen Sfkrupeln befreien. Entscheidend sei hierbei die Frage des Seidenzolls, weil davon ein großer Theil unserer Jndustrie abhänge; Südbaden und der ganze Niederrhein seien daran betheiligt. Wer die Noth am Niederrhein in Folge der wechselnden Seidenzölle gesehen habe, werde sich bewußt sein, daß diese Fnvuftrie nicht von Neuem in Gefahr gebracht werden dürfe. Er wolle den Ruin dieser

Jndustrie niht auf dem Gewissen haben, oder es müße ! | (dem Redner) unbegreiflich. | lihe Handelskammern, daß niht durch ein Abschließzungs- | Tystem, nit durch einen ewigen Zollkrieg, sondern dur ein

ihm die absolute Nothwendigkeit dieser Maßregel bewiesen werden. Durch die Zölle auf Baumwollengarne sei die niederrheinisce Seidenindustrie gezwungen worden, sich auf die Ganzseidenweberci zu werfen,

N

Alles wieder ruinirt werden! Die Sorgsamkeit der Regierung wolle er nicht bemängeln, aber die Regierung habe zu seinem | Bedauern gar keine Ursache gehabt, die Shäden für unsere | Seidenindustrie in die Wagschale zu werfen, da sie diese ! Er sei auch ein Freund der ; 2 d | Regierung hätte, würde er das Auftreten einer Opposition

Schäden eben nicht annehme. Landwirthschaft, und diese komme auhch in Frage, wenn ihre Abnehmer verarmten dustrie vernichtet werde. erwägen, ob man nicht eine Aenderung könne. Sei nihts Anderes zu erreichen, so würden die Be-

theiligten wenigstens die Ueberzeugung haben, daß die Sache in Ruhe überlegt, niht übers Knie gebrochen sei. Es sei eine |

ganz kuriose Methode, daß man das Haus in die Lage bringe,

in zweimal 24 Stunden Ja oder Nein zu sagen. Wenn die ; Positionen der Seidenindustrie niht geändert würden, sage er |

Nein. Bei beiderseitigem guten Willen werde sich die Verlän-

1 L und habe die | kostbarsten Einrichtungen dafür getroffen, und nun solle das |

dadurh, daß die Jn- j Es zieme sich, in Ruhe zu ; herbeiführen !

gerung a einstweiligen Zustandes auf ein paar Monate er- | rei en.

Abg. Dr. Buhl : Der Vorredner bemängele es, daß der | Generaltarif allmählih abgebrödelt werde. Damit schließe er | die Möglichkeit aus, überhaupt Handelsverträge abzuschließen, ! denn die Voraussezung sei dabei, daß für die Konzessionen | von der anderen Seite au von Deutschland Konzessionen gemacht würden. Wenn man am Normaltarif nihts ändern wollte, würden viel gewaltigere Jnteressen auf dem Spiel stehen. Das System der Handelsverträge könne man nit verlassen, da es für unsere gesammte FJndustrie von der aller- größten Bedeutung sei und unsere Export - Jn- dustrie lebensfähig erhalte. Die Unsicherheit, ob und inwiefern ein Handelsvertrag mit * der Schweiz wieder zu Stande kommen werde, habe auch in den ihm nahe- stehenden Kreisen große Erregung hervorgerufen. Auf Grund des Vertrags würden sih die Verhältnisse zwishen Deutsch- [land und der Schweiz weiter entwideln. Es sei vom Vor- redner anerkannt, daß für die Jndustrie die unfiheren Zustände aanz besonders verhängnißvoll seien. Eine Vertagung des Beschlusses, d. h. ein Nichtzustandekommen des Ver- trags, werde durch die Ungewißheit die Jndustrie mehr schädigen, als es der Vertrag s{limmîstenfalls t1hun könnte. Es sei Uebung des Hauses, falls von einer größeren Anzahl von Mitgliedern Kommissionsberathung ge- wünscht werde, diese auch eintreten zu lassen, falls nicht gerade besondere Gründe dagegen sprächen. Diese Gründe lägen aber hier vor in der Geschäftslage des Reichstages. Der Vertrag müsse bis zum 1. Januar genehmigt sein, und es sei ein offenes Geheimniß, daß der Reichstag nur noch in dieser Woche Sizungen halten werde. Der Vertrag dürfte niht zu Stande kommen, jelbs wenn eine dahin zielende Absicht in der Kommission niht bestehe. Die einshlägigen Petitionen seien bereits in der Petitionskommission eingehend geprüft worden, und das Refultat dieser Prüfung werde noch heut nach der zweiten Lesung mitgetheilt werden. Die Jnteressenten würden in diefen sie berührenden Fragen jedenfalls gehört werden.

Abg. Grad wünscht, daß der Cegenstand in einer Kom- mission geprüft werde. Die Schweiz habe si auch über den bisherigen Vertrag nicht zu beklagen, denn die Einfuhr und Ausfuhr deckten ih fast. Jn der leßten Zeit hätten sich die Zustände für die Shweiz noch gebessert, was in noch höherem Maße eintreten werde dur die Herabsezung des Seidenzolls von 800 auf 600 (# Mit dem Abg. Trimborn bedauert Nedner die Lage der Handweberei am Rhein, die vorzugs- weise durch die Konkurrenz der Lokomobile herbeigeführt fei. «Fn Petitionen aus dem Elsaß werde ferner gegen die Herab- jeßung des Uhrenzolls geeifert, und zwar mit vielem Grund. Au hier dürfte die Kommissionsberathung am Plage sein.

Abg. Bamberger: Er würde die Debatte in diesem ersten Stadium nicht verlängern, wenn er niht davon durhdrungen wäre, daß hier das Schicksal der Vorlage entschieden werde. Die Entscheidung, ob Kommission oder nicht, sei durhaus präjudiziell. Nur derjenige könne den Vertrag an eine Kom- mission verweisen, welcher entshlossen sei, oder, um keinem Kollegen zu nahe zu treten, bis diht an die Entschlossenheit heran geneigt sei, ihn niht zu bewilligen. Er müße deshalb auf das Entschiedenste bitten, bei der enormen Wihhtigkeit des Vertrages für die ganze deutshe Handelspolitik und das Wohl und Wehe der deutshen FJndustrie und des Handels, nicht leihten Herzens heute mit der Verweisung an die Kommission einen Schritt zu thun, dessen Konsequenzen unabsehbar seien. Der Abg. Broemel habe bereits auéeinandergeseßt, daß die Freisinnigen, obwohl niht in allen Punkten mit den Stipulationen des Vertrags einverstanden, ihn doch für eine Sicherung von Vortheilen für das Deutsche Reich hielten. Die Handelspolitik, zu der ih auch der Abg. Buhl heute erklärt habe, sei nie von

der Regierung verlassen worden, und der Sturmlauf der genannten Handelskammer gegen diesen mit so viel Mühe zu Stande gekommenen Vertrag sei ihm Sonst glaubten fasi sämmt-

Handelsvertragssystem der Weg zum Heil der Jndustrie ge- funden werden könne, gleihviel ob man auf freihändlerishem oder s{ugzzöllnerishem Boden stehe. Auch Hr. Windthorst habe früher diese Ansicht vertreten. Jn allen parlamentarischen Schuztzzollkämpfen habe es immer geheißen: wir wollen ja gern Konzessionen machen, wenn man uns auch Konzessionen macht. Wenn man eine irgendwie des Freihandels verdächtige

begreifen, die von dem Verdacht getragen werde, es sei nicht Alles geschehen. Aber die Tendenzen der Regierung seien do wirklich genau bekannt; man wisse, sie sei so in der Wolle ichutzöllnerisch gefärbt, wie man es nur sein könne, und wenn diese Regierung nah jahrelangen Verhandlungen endlich dazu komme, halb wider Willen einen Vertrag abzuschließen, so werde es selbst einem Gegner derselben, geshweige einem treuen Anhänger derselben niht shwierig werden, zu glauben, daß alles Menschenmögliche geschehen sei, und seine Partei zu einem Resultat nicht gelange. Sie müsse eben das do ut des

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zur Anwendung bringen. Wenn man einen Handelsvertrag nur so abschließen wolle, daß gar keine Klage sih dagegen erhebe, so werde man nie zum Abschluß eines fsolhen Ver- trags gelangen. Um so mehr wundere er si, daß heute Hr. Grad gegen den Antrag gesprochen habe, der noch 1885 ganz der Meinung gewesen, die er (Redner) eben zum Aus- druck gebracht habe. Das sei die äußerste Grenze, bis wohin die entshlofsensten S{utzöllner früher vorgingen : Material zu haben zum Feilshen, um Konzessionen zu erlangen. Nun wolle man diese- Tarifkonzessionen nicht machen, weil erst vor drei Jahren dieser Zoll erhöht worden sei. Ja, wenn der Zoll seit 30 Jahren bestanden hätte, wäre man doch ganz gewiß mit einem Nein gekommen und hätte gesagt, die Jnduftrie, die seit 30 Fahren an einen solchen Zoll gewöhnt sei, die wolle man jes8t in Gefahr bringen, diese alten festen Etablissements mit ihren organi!chen Einrichtungen wolle man opfern irgend welchem and:ren Jnteresse der deutschen Jndustrie. Das sei doch unerclaubt! Solche Argumentation könne er begreifen; aber wenn doch irgend «jemand wehe gethan werden solle und er wolle nicht leugnen, daß ein gewisser Schaden gestiftet werde —, dann sei es eigentlih die Folge dieses Shutßzolltarifs, daß ec eine künstliche Produktion hbervorrufe, die unter Umständen wieder einmal zurückgehen müße. Wenn man einen solhen Punkt heraussuhe, so fei es viel besser, man suche einen, der jung sei und sich noÿ nicht fesigeseßt habe, um tief in die ganze Organisation, in die Jnduftrie ein- zugreifen. Eine Produktion zu ermuntern, sie zu erhalten dur Schußzöllo, fei ja die allgemeine Ansicht der SchußzzöUner, aber eine Jndustrie ert darauf zu gründen, daß ihr erst ein Zoll gewährt werde, sie aufzuführen bhintec einer Shußmauer von Zoll, das sei die gewagteste® Konsequenz, die man aus dem Scußzzolliystem ziehen könne. Wer habe denn Fe:nand entschädigt, als 1878, 1879, 1885 mit einem Male das ganze Sysiem des deutschen Zollwesens auf andere Füße a-stellt worden sei. Und bier fomme mit einem Male diefe Frage bei der Herabsezung des Zolles um 200 bei einem so enorm theuren Artikel. Das sei das große Geschrei gar nicht werth. Davon könne die Jndustrie weder leven noch sterben. Erwäge man doch die Erfahrungen anderer Länder mit einem solchen Zollkrieg, man habe es zwishen Rumänien und Oesterreich erlebt, und erlebe es jest an dem Zustand zwischen Frankreih und Jtalien: eine Noth, wo Jeder zuletzt

auch in seinem point d’honneur enaagirt fei, nit nachgeben zu fönnen, wo eder im Stillen seufze über das maßlofe Unheil durch die Verwirrung in dem harinäckigen Zollfrieg. Wenn zwei Länder sih auf diese Weise entzweiten, sei immer ein lachender Erbe da, ein tertius gaudens, der erbe zum Schaden derer, die sich entzweit hätten. Deutsch- land habe Vortheile genossen und ziehe noch beständig Vortheil, und je wuhtiger sich Frankreich und Jtalien be- kriegten, um fo arößer sei unser Vortheil. Unsere Jndustrie freue sih dieser Verwirrung, und kämen wir mit der Schweiz in diese Lage, würden namentlih Oesterreich mit seinem so weit gehenden Bündniß mit der Schweiz und Frankreich, das nur darauf lauere, uns etwas zu entreißen, fich über die Maßen freuen, daß wir durch unsere Verhandlungen ihnen die Wege geebnet hätten. Und seien einmal die Bahnen des Handels geändert, dann würden die alten verlorenen Wege nicht fo \chnell wiedergefunden. Darum weg mit dem Vor!hlag, mit diesem Vertrag noch zu zaudern und ihn in eine Kommission zu verweisen. Nehme man ihn an und die ganze deutsche Industrie, der ganze deutsche Handel werde dafür danfbar sein !

Damit {ließt die erste Berathung. Der Antrag auf tommissarishe Berathung wird gegen die Stimmen des Centrums und der Nationailiberalen Websky, von Fischer, Engler und des Elsäfsers Grad abgelehnt.

Bei der zweiten Berathung werden die einzelnen Artikel des Vertrags angenommen, nachdem der Abg. Krafft das Bedauern der Gipsinteressent:n zum Ausdruck gebracht, die gehofft hätten, daß der nur auf s{weizerish:r, niht auf

| deutscher Seite erhobene Gipszoll in Wegfall kommen wü:de. | Er hoffe, daß auf den Wunsh der Jateressenten bei Wieder-

aufnahme der Verhandlungen noch zurückzekommen werde. Namens der Petitions: Kommission berihtet darauf Abg. Siegle über die zu dem Vertrag, namentlich auch aus Krefeld,

{ eingegangenen Petitionen, und beantragt, dieselben durch die

gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklären Abg. Trimborn : Es sei betont worden, d

oll seine Rechtfertigung habe, weil in der llen die Weberlöhne fast hatb so ho seien i U züglich der Vorhaltung über die Ansicht der Krefelder H kammer, daß der Uebergang von der Halbseide zur Sei Handweberei niht zum Vortheil gereiht habe, bemerke cer, ì heut in ganz Krefeld nur eine einzige Stimme herrsche: „V werfung der betreffenden Zollposition des Zusaßvertrazs“ Früher seien die Jnteressenten in Krefeld uneinig gewesen, weil die freihändlerisch angehauhte Handelskammer si jeder hatten 100 d wider]eßt habe. Von den 150 Fnterefsenten

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ätten 100 der Zollerhöhung widerstredt, die sich heute eben- alls bekehrt hätten.

Das Haus vertagt fich um 41/, Uhr. Mittwoch 1 Uhr.

Nächste Sizung

1. Steckbriefe und Untersuhungs-Sachen.

2. Zwangsvollstreckungen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl. 3. Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen 2c. j

4. Verloofung, Zinszablung 2c. von öffentlichen Papieren.

Deffentlicher Anzeiger.

. Kommandit-Gesfellschaften auf Aktien u. Aktien-Gesells&. ). Berufs-Genofsenschaften.

. Woten-Ausweise der deutschen Zettelbanken.

. Verschiedene Bekanntmachungen.

i 1) Steekbriefe und Untersuchungs - Sachen.

[47198] Steltness-Grledigung- Der gegen den Arbeiter Gustav Lehmann wegen

Kretschmer, geboren am 26. Januar 1864 zu Stecklin, - : j

A Ls en, wegen A der Wehr- | tober 1861 zu Ravenstein, Kreis Saatzig, zuleßt in

pflibt Verge

des Strafgeseßbuhes erlaffen ist, zurückgenommen. Verlin, den 8

en gegen §. 140 Absaß 1 Nr. 1 | Arnswalde,

Dezemker 1888.

einfachen Diebstahls nach mehrmaliger Vorbestrafung | Staatsanwaltschaft bei dem Königlichen Landgericht I. | leßt in Arnswalde,

wegen Diebftahls in den Akten Litt. L. Nr. 162 de 1878 1V. unterm 16. August 1878 vom früheren

[47197 Königlichen Stadtgeriht Berlin, Abtbeilung für Offene Strafvollftreckungs-Requifition. Die nach(benannten Personen : 1) August Hermann Wendt, geboren am 12. Ok- tober 1864 zu Schöneberg, Kreis Saatig, zuleßt in

Untersuchungssachen, Deputation 1V. für Verbrehen und Vergehen, erlassene Steckbrief wird als erledigt zurückgenommen.

Verlin, den 3 Dezember 1888. : Staatsanwaltschaft bei dem Königlichen Landgericht I.

[47199]

In der Strafsahe wider Teihmaun und Ge- nofsen J. IV a. 234. 88 wird das vom 18, No- vember 1888 datirte öôffentlihe Strafvollstreckungs- | ‘Arnswalde, ersuchen, soweit es gegen dea Konditor Franz Gustav

Arnswalde,

Anm ans. j

Dis Martini, geboren am 2. Oktober 1866 zu | 11. Februar 1863 zu Zachan, Kreis Saaßtig, zuleßt

otédam, und den Hausdiener Karl Friedrih Paul | in Arnêwalde,

4) Carl Friedri Wilhelm Howe, geboren am | M! 55/ Landsberg a. W., den 27. November 1888, Der Erfte Staatsanwalt.

Stolzenfelde, Kreis Ärn8walde,

Gerzlow, Kreis Soldin,

atig, zuleßt in | fängniß verurtheilt worden. ersacht.

6) August Friedri Wilbelm Succow, geboren icdrid am 1. Januar 1861 zu Klempin, Kreis Saaßig, zu- | 19. April 1866, leßter Wohnort Senkendorf,

7) Ferdinand Schwandt, geboren am 5. November Frie 1866 zu Stolzenhagen, Kreis Saaßig, zuleßt in | Krüger, geboren dea 27. September 1866, leßter

8) Gmil Franz; Robert Kühn, geboren am 12. L Auguft 1863 zu Ravenstein, Kreis Saaßig, zuleßt in | nuar 1866, leßter Wohnort Ponnsdorf, Kreis Lucau,

ftober 1888 wegen Vergehens gegen § 1401 St.-G.-B. jeder zu einer Geldstrafe von Cinhundert- | 1867, leßter Wohnort Dobrilugk,

5) August Friedri Ladwig, geboren am 17. Ok- | [39083]

1) Der Weber Friedrib David Walter, acboren am 17. Dezember 1865, leßter Wohnort Luckau, 2) Friedrich Wilhelm Moritz, geboren den

Kreis Luckdau, j : 3) der Nagelsch{mied Friedrih Wilbelm August

Woknort Dobrilugk, 4) Carl Traugott Noack geboren den 15. Ja-

5) Schuhmater Carl Hermann Ranchfuß, ge-

sind dur vollstreckbares Urtheil der Straffammer | boren den 2. August 1866, leßter Wohnort Do-

2) Carl Wilhelm Bugtzin, geboren am 20. No- | des U Landgerichts zu Landsberg a. W.

vember 1859 zu Gabbert, Kreis Saazig, zuleßt in | vom 29.

Schönfeld, Kreis Arnswalde, 1 3) Carl Gottlieb Fredrich, geboren am 14. Mai | ahtzig Mark, im Unvermögenefalle zu 30 Tagen Ge-

1861 zu Ziegenhagen, Kreis Sa

briluafk, 6) Emil Paul Konze, aeboren den 20. September

ck=

7) S@uhmawer Auauft Moriy Taunneberger,

Es wird um Voll- } geboren den 1. August 1867, leßter Wohnort g rv Ma: Strafe und Nachricht zu dzn Akten | Finsterwalde,

8) Arbeiter Friedrih Auaust Rulla, geboren | den 16. April 1865, leßter Wohnort Gosda, Kreis | Spremberg,