1909 / 114 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 15 May 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach: eber die Notwendigkeit der baldigen Herbeiführung des Nogat- abs{lusses besteht bei der Staatsregierung nah wie vor keinerlei Zweifel. Es wird anerkannt, daß es sih um ein dringlihes Werk handelt, wenngleich die Dringlichkeit gemildert ist dur das umfassende Regulierungswerk an der unteren Weichsel, welches bereits durchgeführt ist, gemildert ift auch dadur, daß der Eisbrecherdienst auf der Weichsel, wie es sich in diesem schweren Eisjahr erwiesen hat, im großen und ganzen ausgezeichnet funktioniert und! zur Herabminderung der Gefahren beigetragen hat. Aber troy des weitgehenden Entgegen- ——ommens det Staat Sg mig trot-—ber— eifrigee-Bemühungere beze Zentralinftanz und der Provinzialbehörden, insbesondere des Herrn Oberpräsidenten, obgleich die Staatsregierung bereit ist, ganz um- fassende Geldopfer zu bringen, fast */s der gesamten Kosten zu über- nehmen, ist es bisher niht gelungen, mit den Deichverbänden einig zu werden.

Der Danziger Deichverband verlangt Entschädigungen, die mehr als das Doppelte dessen betragen, was der Kostenanshlag an Entschädigungen für ihn vorgesehen hat. Der Marienburger Deich- verband verlangt ebenso erheblich größere Entschädigungen, als vor- gesehen sind, für die gesteigerten Gefahren, die ihm an den Weichsel- deichen erwachsen. Er is zwar bereit, den vorgesehznen Kostenbeitrag zu leisten, lehnt aber grundsäßlih die Uebernahme der Bauherrnrolle ab. Der Elbinger Deichverband ist niht bereit, den ihm zugemuteten Kosten- beitrag zu übernehmen, und knüpft an die Uebernahme der Baußerrn-

, rolle eine Reihe von Bedingungen.

Jch glaube niht in Ausficht stellen zu können, daß wir bei weiteren Verhandlungen von der Bedingung der Uebernahme der Bau- berrnrolle durch die Deichverbände abgeben werden. Ich sehe heute davon ab, in weitergehende Erörterungen über diese Frage etnzutreten ; ih halte es für verfrüht. Wie die Situation jeßt liegt, muß die Staatsregierung zu ihrem lebhaften Bedauern darauf verzihten, in diesem Jahre dem hohen Hause noh eine Vorlage zu mahen. Es werden weitere Verhandlungen unter den Ressorts erforderlich. Jch kann aber meinerseits nur wiederholen, daß wir unsererseits dringend bemüht find, die Sache zu einem baldigen befriedigenden Abschlusse zu bringen, und daß ich hoffe, wir werden dem hohen Hause im nächsten Fahre eine Vorlage machen können.

Abg. Dr. von Campe (nl.): Es ift Klage darüber geführt worden, daß die Kostenanshläge seitens der Bauverwaltung nicht genau genug aufgestellt werden, und daß die Lose, in welchen die Arbeiten vergeben werden, immer noch nit klein genug sind. Z. B. ift es bei Bahnhofsbauten niht nötig, sämtlihe Zimmerarbeiten in einem Los zu vergeben. Es sollten. statt der größeren Unternehmer mehr Handwerker beschäftigt wecden. Die Arbeiten müssen vorher genau festgestellt werden, damit die Handwerker ihre Voransc{läge richtig bemessen können; die Arbeiter sind nachher bei etwaigen Ver- rechnungen meist wentger s{uld als die Unklarheit der Sub- missionsbedingungen. Der darauf bezüglihe neue Erlaß muß im einzelnen genau durchgeführt werden, wenn er wirklih erreichen soll, was er will.

Abg. Win ckler (kons.): Auf meinen Antrag wurde im vorigen Jahre eine neue Wegeordnung für die Provinz Sachsen gemaht, wo- dur die Wegepflichten von Staat und Gemeinden genauer präzisiert wurden. Es wurde damals erklärt, daß dieselben Wegebauve1pflih- tungen wie der Staat auch das Reich haben solle; von der Aufnahme einer solhen Bestimmung in das Geseß wurde aber abgesehen, und es wurde nun eine Refolution in diefer Richtung beschlossen. Diese Resolution ift inzwischen dem Reichskanzler zur Berücksichtigung mit- geteilt worden. Ich bitte den Herrn Minister um Auskunft, was der Herr Reichskanzler auf diese Mitteilung geantwortet hat.

Unterstaatsfekretär Dr. Freiherr vonCoelsvon der Brügghen:

Die sähsishen Behörden haben uns mitgeteilt, daß Uebernahme reihs- fiskfalisher Wegebaupflihten auf die Gemeinden in der Provinz ohne Entschädigung niht stattgefunden habe. Dadurch ist die Sache für Sachsen gegenstandslos geworden. _ Abg. Dr. Wagner- Breslau (freikons.) bespriht das von privater Seite, von Major von Donath aufgestellte Staubeckenprojekt zur Be- seitigung der Hochwassergefahren an der oberen Oder, wodurch ein großer fkünstliher See zur Aufnahme des Hochwassers hergestellt w:rden folle. Das Projekt würde noch 32 Mill. Mark Kosten ver- ursahen, es würden aber dadurch nit nur alle übrigen Stauanlagen überflüssig, sondern auch noch bedeutende Wasserkräste für Elektrizität und dergl. gewonnen werden. Eine Versammlung der s{lesischen Gesellshaft für vaterländishe Kultur und des Schiffahrtvereins hat sich mit der Sache befaßt; da haben sich aber Sach- verständige, mit Ausnahme des Oderstrombaudirektors, niht geäußert. Von dem Oderstrombaudirektor kann man wohl aber kaum ein ganz unpartetishes Urteil verlangen, da_ er ja selbst ein Regulierungs- projekt ausgearbeitet hat. In Schlesien wünsht man, daß das Vderstromregulierungsprojekt nochmals durch etne unpartetishe Instanz geprüft werden möge, sei es durch das Ministerium, sei es durch eine Sachverständigenkommission.

Geheimer Oberbaurat Germelmann: Der Oberpräsident ist auf- gefordert, \sich zu dem Donathschen Projekt zu äußern. Ih kann den Abg. Wagner beruhigen, wenn er befürchtet, daß ein solhes Projekt dur eine rein persönlihe Prüfung erledigt werden könne. Dieses Projekt wind in der Zentralinftanz und auch im Landwirtschaftlichen BVinisterium eingehend geprüft werden. Heute kann ih mich zu dieser Frage allerdings noch nit äußern.

: Abg. Prinz zu Löwenstein (kons.): Ih bitte den Minister, das Vorschleusereht auf den märkischen Wasserstraßen ganz aus der Welt zu hafen, um die Interessen der kleinen Schiffer, die dadur bedroht sind, wahrzunehmen. Dieses Vorschleusereht steht neben den Schiffen der Köni„lihen Hofhaltung und der Staatsverwaltung und den Personendampfern auch den Schleppdampfern mit ihren Anhängen zu, wenn fie aus größerer Entfernung als 30 km herkommen. Ueber diese Bestimmung, die im Vorteil der großen Schiffs- gesellshaften liegt, beshweren sich die kleinen Schiffer. Vor den Schleusen fammeln sich große Mengen von Schiffen dieser Gesellshaften, und die kleinen Schiffer müssen mit ihren Kähnen warten. Der Kaufmann vertraut natürlih seine Waren lieber den Schiffen an, welche ohne Aufenthalt durchfahren können, als den k’einen Schiffern, die überall vor den Schleusen Aufenthalt haben. Dadurh werden dte leßteren in {chwerer Weise geshädigt. Deshalb sollte das Vorschleuserecht, soweit es niht für die Schiffe des Hofes, des Staates und für die Personendampfer gilt, ganz beseitigt werden. Die Spandauer Transportgesellshaft hat 100 Schiffe gebaut , die selbst Motoren haben und wie Dampfer fahren können. Diese Motorfrahtshiffe werden also wie Dampfer behandelt nah der Bestimmung, daß Motorboote wie Damvfer behandelt werden sollen. Diese Motorfrachtshiffe, ganz große Kähne, sind aber mit den kleinen, leihten Motorbooten in keiner Weise zu vergleichen ; fie dürften also kein Vorschleuserecht genießen. Wir werden dauernd für die fleinen selbstfahrenden Schiffer eintreten und hoffen,

paß die Negierung ihre Lage so gestaltet, daß sie ohne Sorge sein nen.

Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Die Frage des Vorschleusenrechts der Motor- fahrzeuge hat die Königliche Staatsregierung in letzter Zeit sehr ein- gehend beshäftigt. Ich darf gleih bemerken, [dafß, soweit es sich um \{chiffahrtspolizeilihe Anordnungen und Maßnahmen handelt, an erster

Die Frage des Vorschleusenrehts der Motorfahrzeuge ist aber dur eine Mehr¡abl von Ressorts behandelt worden. Anlaß zur Erörterung dieser Frage war, daß sih für den Verkehr zwischen Zehdenick und Berlin eine Ziegeltranspoctgesellshaft gebildet hatte; es ist ja be- kannt, daß zwishen Zehdenick und Berlin ein sehr umfang- reicher Transport von Ziegeln stattfindet. Diese Gesell- haft trat in Konkurrenz mit den Lastkahnschiffern. Ur- sprünglich hatte man der Eesellshaft das Vorschleusenrecht ohne jeden Vorbehalt für ihre Kähne wie für andere Motorschiffe eingeräumt. Hiergegen lief eine Beschwerde der Lastkahnschiffer ein.

berehtigt sei, und nahm der Ziegeltransportgesellshaft das Vor- \{leusenrecht. Die Folge war etne sehr lebhafte Beshwerde der Ziegeltransportgesellschaft.

Der Verkehr der Lastkahnschiffer vollzieht fich in der denkbar primitivsten Weise. Hter in Berlin angekommen, entlädt der Schiffer selber mit seiner Frau ohne irgend welche mehanische Einrichtung, Es vergehen sehr viele Tage mit der Ausladung; für die Liegegelder fommt der Empfänger auf. Die Ziegeltransportgesellschaft hatte die Sathe so angefaßt, daß sie niht nur den Ziegeltransport übernahm und durch die Motorkähne bes{leuntiute, sondern sie organisierte auh das Lösch- und Ladegeschäft. Selbstverständlih war das für die Last- kahnschiffer sehr {chmerzlih.

Es ist nun nach einer sehr ausgiebigen und, wie ich glaube, sehr sachverständigen Erörterung die Auffassung dahin gegangen, daß nach der bestehenden Schiffahrtspolizetordnung den Kähnen der Gesellschaft das Vorschleusenreht nicht vorenthalten werden könne, daß jedoch eine anderweite Regelung des Vorschleusenrechts zugunsten der Lasikahn\shiffer erforderli sei, und daß eine Erhöhung der für die Fnansyruhnahme des Vorschleusenrech@ts zu zahlenden Gebühren in Betracht zu ziehen sei. Es ist auch inzwishen eine anderweite Regelung des Vorschleusenrechts durchgeführt worden; es ist bestimmt worden, daß, während bisher zwishen zwei Motorkähnen immer ein Lastkahn die Schleuse zu passieren hatte, demnächst zwei Lastkähne nah jedem Motorschiff die Schleuse passieren sollen. Ueber die Gebührenfrage \{chweben zurzeit noch die Verhandlungen.

Es kann nun bet einer voruxrteilsfreien Prüfung der Saße nicht in Abrede gestellt werden, daß die Einführung der Motorkähne einen ganz erheblihen technischen Fortshritt bedeutet und natürlih zum großen Nuyen des Güterumlaufs sich vollzieht. Der Umfang des Transports der Motorkähne ist indessen bisher nit sehr erheblich ge- wesen; man hat auch, soviel mir bekannt ist, bisher über die finanziellen Ergebnisse dieses Betriebes noch keine ziffernmäßigen Unterlagen. Es steht nur soviel feft, daß die Motorkähne nur in beshränktem Maße das Vorshleusenrecht in Anspruß nehmen. Es liegt mir hier die Statistik für die Zeit etres halben Jahres vor. Aus dieser ergibt sid, daß von 1256 Motorkähnen nur 216 gleich rund 17 9/ das Borschleusenrecht in Anspruch genommen haben. Auch ist die Ein, stellung von Motorkähnen für die Unterhaltung der Wasserstraßen von ausgesprohenem Vorteil, sowohl für die Böshungen wie für die Sohle; aber diese Frage würde niht entscheidend fein.

Bei der Ecörterung der ganzen Angelegenheit ist zu berück- sichtigen, daß in sehr weitgehender Weise den Wünschen der Lastkahn- hier entsprochen sein wird, wenn wir die Doppelshleusen ausgebaut und ferner Nachtbetrieb eingeführt haben werden. Der Nachtbetrieb ift vielfa bereits eingeführt; der Auëbau der Doppelschleusen ist auf einer ganzen Reihe von Wasserstraßen im Gange.

Œs3 wird aber ohne weiteres anerkannt, daß die Lastkahn- {iffer und deren Interessen unter allen Umständen Berük- sichtigung verdienen. (Sehr richtig!. rechts.) E muß er- wogen werden, wie thnen geholfen werden kann. Man wird den Zusammenschluß mehrerer zur Beschaffung von Kähnen zu fördern haben; man wird unter Umständen mit der Zentralgenossenschaftskasse nachhelfen können. Aber die Ausführungen des Herrn Abg. Prinzen Löwenstein sind mir do fo bemerkenswert gewesen, daß ih glaube, es wird ih empfehlen, noch nah dieser oder jener Richtung hin in eine erneute Untersuhung einzutreten (Brav! rechts), gerade im Interesse der Lastkahnschiffer, deren Gewerbe ja keinesfalls ein besonders einträg- liches ist. (Bravo! rets.)

Abg. Vinslage (Zentr.) beklagt fih darüber, daß man zur Anlage einer Sperre im Diemelthal bei Helminghausen einem Grundbesitzer einen Steinbruch im Wege der Enteignung nehmen wolle. Der Steinbruch liege gar niht im Sperrgebtet, die Enteignung set deshalb ungerechtfertigt, und er bitte den Minister, für eine gütlihe Einigung mit dem Besitzer Sorge zu tragen.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß eine Entscheidung nicht getroffen werden würde, ehe nicht mit den beteiligten Grund- eigentümern eine Einigung versuht worden set.

Die Debatte wird geschlossen.

Abg. Fun ck (fr. Volksp.) bedauert, durch den Schluß verhindert zu sein, über das Verhältnis zwischen der Bauverwaltung und der Stadt Frankfurt in der Angelegenheit der alten Mainbrücke zu

sprechen. j :

Abg. von dem Knesebeck (freikons.) bedauert, daß er infolge des S{lusses die Bauverwaltung nicht um eine Auskunft über die Be- schaffung von Spülbaggern und Eisbrehern zur Bekämpfung der Hochwassergefahren bitten könne.

Der Etat der Bauverwaltung wird genehmigt, desgleichen ohne Debatte die Etats der Preußischen Zentralgenossenscha#ts- kasse, der direkten Steuern, der Zölle und indirekten Steuern, der Lotterieverwaltung, der Seehandlung, Münzverwaltung, Staatsshuldenverwaltung, Allgemeinen Finanzverwaltung und des Finanzministeriums.

Beim Etat der Justizverwaltung kommt

Abg. Krauses- Waldenburg (freikons.) auf die Klagen zurück, die bereits bei früheren Gelegenheiten von verschiedenen Seiten darüber geäußert worden sind, daß die Justizverroaltung den landwirtschaftlichen Betrieben zu wenig Strafgefangene zur Verfügung stelle, aber dafür das freie Handwerk durch die Konkurrenz der Gefangenen s{ädige. Der Redner weist im besonderen auf einen Fall im Kreise Reichenbach hin, wo der Landwirtschaft weniger als bisher Strafgefangene zur Verfügung gestellt worden seten. :

Abg. Dr. Scchepp (fr. Volksp.) möchte dem Minister die Verfügung in Erinnerung rufen, daß bei der Vernehmung von Kindern vor Gericht die Lehrer der Kinder als Zeugen zugezogen werden sollen. Leider werde diese Verfügung oft außer aht gelassen, wenn es sih um die Vernehmung von schwachbegabten Kindern handele.

Abg. Dr. Keil (nl.) dankt dafür, daß die Auflassungsformulare jeßt wieder eine Form hätten, die dem Publikum genehmer sei. Er bittet um den Neubau des Justtzgebäudes in Weißenfels. Zuletzt beklagt der Redner, daß bei der Einrichtung der sogenannten Nur- Notarxiate junge, unerfahrene Assessoren bestellt und alte, erfahrene Rechtsanwälte übergangen würden.

Abg. Leinert (Soz.): Es ist eine eigenartige Freude, unter der

_Vyr. Reojerunogpräsident jn Potsdozn_ galgubte. dab diese Besbwertg. !

ift festgestellt, daß dieser den Streit mit dem Niedergeshossenen be- gonnen hat, nachdem er sih an dessen Eigentum vergriffen hat. Das Interefsanteste ist, daß der Staatsanwalt thn hinstellte als einen guterzogenen, anständigen Mann, und deshalb selbst die An- nahme mildernder Umstände beantragte. Einen Arbeiter hätte man anders charakterisiert. Niht nur Arbeiter haben die verhängte Strafe von vier Monaten als eine außerordentlih milde angesehen, sondern selbst die freikonservative „Post“ hat gesagt, das Urteil sei ein so mildes, daß man die seitens des Angeklagten etnge- legte Revision nicht verstehen könne. Der von mir er- hobene Vorwurf der Klassenjustiz wird auch dadur bekräftigt, daß die Gerichte bei ihren Urteilen über Uebertretungen der sozialen Geseße ein außerordentli geringes . soziales Verständnis

dieser Geseße dar. Auch im legten Moltke-Harden-Prozeß haben wir es sh wieder abspielen sehen, daß der Fürst Eulenburg kurz vor der Verhandlung {wer krank wurde, nachher hat man aber nichts mehr davon gehört. Im Volke ist man der Meinung, daß einen folchen Mann von folher Herkunft mit solhen Briefen und Be- ziehungen selbst die Justiz s{hont.

Abg. Dinslage (Zentr.) spriht namens der Handwerkerkammer in Arnsberg ebenfalls Klagen darüber aus. daß die dortige Gefängnis- dige durch die Konkurrenz der Gefangenenarbeit das Handwerk

ädige. 1

Abg. Heine (nl.) bittet um mildere Anwenduyg der Bestimmung, wona bei Holzauktionen die Bieter, welhe Vereinbarungen unter- einander träfen, mit Gefängnis bestraft werden könnten.

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Der Herr Abg. Krause hat angeregt, daß die Gefangenenarbeit auf dem Lande größere Ausdehnung finden möge, namentlich dort, wo besondere Wünsche, die in dieser Nichtung laut geworden seien, keine Erfüllung gefunden hätten. Ih habe wiederholt betont, daß die Justizverwaltung der Außenarbeit der Gefangenen auf dem Lande durchaus sympathisch gegenübersteht. Es ift auch {hon vielfach dahin Anordnung getroffen, daß Gefangene auf dem Lande beschäftigt werden sollen. Von dem Speztialfall oder den Fällen, die der Herr Abg. Krause erwähnt hat, ift mir nichts näheres bekannt. Ih möchte anheim geben, daß diejenigen, welche \pezielle Wünsche vorzubringen haben, im Inftanzenwege damit vorgehen wollen, dami! ihnen, soweit es angeht, entgegengekommen werden kann.

Dem Herrn Abg. Dr. Keil möchte ih bemerken, daß die Justiz- verwaltung die Pflicht hat, dafür zu sorgen, daß dem Publikum zu jeder Zeit und auch an den Stunden des Tages, in welchen die Nechtsanwälte fast regelmäßig auf dem FSericht beschäftigt zu sein pflegen, ein Notar zur Verfügung steht. Denn es gibt Fälle, in denen es s{merzlich empfunden wird, wenn derjenige, welcher auf- gesuht wird, um notariellen Beistand zu leisten, nihcht zu Hause ge- troffen wird. Es betrifft das namentlih die großen Städte; dort sind in der leßten Zeit mehrere sog. Nur-Notarstellen errihtet worden Wenn nun der Herr Abgeordnete bemerkt, dies sei deshalb mißlich, weil an Stelle der erfahrenen Rechtsanwälte, die gleichzeitig Notare seien, hier junge, unerfahrene Affssessoren Verwendung fänden, \o ift das dahin einzuschränken, daß Affsessoren nur in ganz vereinzelten Fällen, in der Regel aber Anwälte, die bereits eine Zeit lang in der Praxis gestanden hatten und sih dann um folGe Stellen beworben hatten, ernannt worden sind. Also eine begründete Befürchtung, daf die Notare, die nicht gleichzeitig Rechtsanwälte sind, den Anforderungen nicht genügen könnten, besteht, wie ih glaube, nicht.

Der Herr Abg. Heine ist auf die Vorschrift des § 270 det alten Strafgeseßbuhs zurückgekommen. Ich habe meinen Stand- punkt zu diesen Bestimmungen nicht verändert. Jch) habe dat au bereits im vorigen Jahre hier gesagt mit dem Hinwelts darauf, daß wir nunmehr abwarten müßten, wie die allgemeine Strafgeseßgebung \ich zu der Frage stellen werde. Als zum ersten Male wie der Herr Abgeordnete bemerkte, vor drei Fahren hiervon die Rede war, lag eine Revision des Strafgesetz- buches noch in weiter Ferne. Jet aber sind die Arbeiten in vollem Gange, und es würde doch fehr bedenklich. sein, in Preußen mit einer Gesetzgebung in bezug auf den § 270 des alten Skrafgeseßbuches vor- zugehen, während wir noch nicht wifsen, ob niht das Reichsrecht sie regeln will. Also ih bedauere, dem Herrn Abgeordneten nur sagen zu können, daß ich zu weiteren Entschließungen erst werde gelangen fönnen, wenn ich übersehen kann, wie die Sade sich im Reich ent- widckeln wird.

Der Herr Abg. Leinert hat die Gerichte getadelt, weil die Urteile seinem und seiner politischen Freunde Empfinden niht entsprächen. Ja, meine Herren, ih kann darauf weiter nihts sagen, als daß die Gerichte selbständig sind, und wenn fie so entschieden haben, so haben sie es eben für recht befunden. Damit werden die Herren sich ab- finden müssen; denn die Gerichte des Staats sind dazu berufen, die Streitigkeiten zu {lichten, und dem muß \sich jeder fügen, mag ihm der Spruch angenehm sein oder nit.

Es ift gesagt worden, ich könnte wenigstens auf die Staats- anwälte einwirken, daß fie solhe Anträge stellten, wie sie nah der Meinung des Herrn Abgeordneten der Gerechtigkeit entsprächen. Daf derartige Anordnungen getroffen werden können, ift allgemein bekannt- Daß die Anordnung, die der Herr Abgeordnete aus dem Jahre 1890 erwähnte, nicht seinem Sinne entspricht, ist ja möglich. Mir ist sie nicht gegenwärtig; jedenfalls würde sie aus einer Zeit stammen, für die ih nicht einzutreten hätte.

Dann hat der Herr Abg. Leinert auf den Prozeß Igel verwiesen. Fh habe mih soglei erkundigt, wie es damit stände, und es is mir gesagt worden, die Sahe wäre noch nit rechtskräftig, Damit ist mir unmögli, mih darauf einzulassen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Es widerspriht, da die Sahe noch „nicht rechtskräftig ift, einem wichtigen Grundsaß wenigstens, was die Justizverwaltung anlangt darüber in Erörterungen zu treten. Ste ist noch nicht rechtskräftig entshieden (Widerspruh bei den Sozialdemokraten), wenn sie es wäre, würde auch wohl nichts anderes herauskommen beî der Erklärung, die ich Ihnen abzugeben haben würde,

Endlich hat der Herr Abg. Leinert auf den Prozeß gegen den Fürsten Eulenburg hingewiesen und gemeint, daß dieser zu milde behandelt worden wäre. Nun, meine Herren, der Herr Abgeordnete weiß vielleiht niht, daß gegen den Fürsten Eulenburg nohch ein Haft- befehl besteht, und daß er nur kraft geseßliher Berehtigung vom Gericht nit in Haft genommen, sondern gegen Kaution auf fretem Fuß belassen worden ist. Der Herr Abgeordnete weiß vielleiht au niht, daß der ursprüngliche Haftbefehl vollstreckt war und daß der Fürst Eulenburg hon lange Zeit unter dem Haftbefehl gestanden hat. Der Herr Abgeordnete weiß wohl auch nihcht und das kann ih ihm mitteilen, obwohl der Prozeß noch {webt —, daß zwei ärztlihe Instanzen fich über den

Stelle das Ressort des Herrn: Handelsministers in Betracht kommt.

preußischen Justiz zu leben. Ich erinnere an den Fall von Igel. Es

Gesundheitszustand des Fürsten Eulenburg dahin ausgesprochen

f E R Se E

T EZRI L ZA, HALEFENS

Grrraten;—--Die-EetAie teller O Pi “Âne -bebavctte Bebantlang M U „Wen s L E Der Etat der Justizverwaltung wird bewilligt.

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haben, daß eine gerihilihe Verhandlung vor dem Schwurgericht mit ihm jeßt nit mögli sei. Um ganz siher zu gehen, ist nachher auch noch ein Gutachten eingeholt worden von der höchsten medizinischen Fnstanz, die wir in Preußen haben. Wie das Gutackten ausgefallen ist, weiß ih noch nicht. Unter allen Umständen aber handelt es ih au hier um eine Untersuchung, in der die Gerichte zu entscheiden haben, und wte die Entscheidung ausfallen. mag, das kann ih nit wissen.

Abg. Ramdohr (frkons.) bittet um den baldigen Neubau des Amtsgerichts in Priywalk. Jeßt würden die Justizgeschäfte im Rathausez exlediat, was, zu arofey UnzuträaUPkeitey, führe.

Es folgt der Etat des Ministeriums der geist- lihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Abg. Dr. Heß (Zentr.): Der Abg. Maurer hat sonderbare Angriffe gegen mich_ gerihtet aus Anlaß meiner Bemerkung über das Gym- nasium in Essen bei der zweiten Lesung. Ich habe daraus den Vor- wurf einer gewissen Leichtfertigkeit und auch einer gewissen Un- ehrlichfeit entnehmen müssen. Gr meinte, ich hätte den Fall Essen aufgebausht, und meine Gründe, die ih anführte, seien dürftig gewesen. Wir werden die Erklärung der Regterung darüber abwarten. Jch als Abzeordneter habe jedenfalls die Pflicht, solche markanten Fälle, die in dtr Presse erörtert sind, auch hier im Hause vorzubtingen. Den Vorwurf der Unehrlichkeit, den ich aus den Worten des Abg. Maurer für mi _heraushören mußte, entnahm tich aus der Bemerkung, daß ih wissen müßte, daß der Direktor Dr. Biese in Essen die Sache in der Presse hinreihend aufgeklärt habe. Dieser Artikel, dessen Unterschlagung mir der Abg. Maurer vorwirft, stand im „Rheinish-Westfälishen Anzeiger", einem Ableger der „Rheinisch - Westfälisden Zeitung", und er brachte dieselben An- griffe gegen den Direktor, die ih erheben mußte. Diese Angriffe sind also zuerst durch die nationalliberale Presse gegangen. G3 heißt in dem Artikel, daß der Direktor Biese eine Erwiderung auf die Preßangriffe abgelehnt habe, daß er aber dem Ver- fasser des Artikels die Auskunft gegeben habe, daß die verschiedene Einreihung der besser situterten Schüler und der anderen in die beiden Coeten einem Wunsche der Eltern aus den besseren Kreisen entsprehe, daß thre Söhne mit ihren Kameraden aus der Vorschule weiter zusammenblieben. Der Direktor gibt also die Tatsace zu, und er sagt weiter, daß er damit einen Versuch habe machen wollen. So sieht also die „hin- reichende Erklärung des Direktors“ auê. Der Abg. Maurer hat mir einen {weren Vorwurf daraus gemacht, daß ich diesen Artikel hier nicht verlesen habe, und man hätte daher meinen können, daß diefer Artikel für mich belastend sein müsse. Tatsächlich verhält ih die Sache aber gerade umgekehrt, der Artikel ist gerade für den Direktor belastend. Ih muß mi in der Oeffentlichkeit gegen diese Kampfes- weise des Abg. Maurer verwahren. JHh frage nun die Negierung, ob und welhe Auskunft sie uns über die Untersuchung in Essen geben kann.

Unterstaatssekretär Dr. Wever : In Grfüllung meiner Zusag? bei der zweiten Lesung ist ein Kommissar in Essen gewesen. Schon das Provinzials{ulkollegtum, bewogen durch Mitteilungen aus Essen, hatte d veranlaßt gesehen, im Anfang dieses Jahres die Anstalt einer eingehendea Revision zu unterziehen. Dabei war auch die Art und Weise der Zuteilung der Schüler zu den einzelnen Coeten A und B geprüft worden, und es war umgehend eine Aenderung des biéherigen Verfahrens veranlaßt worden. Ich lege Wert darauf, festzustellen, daß das Provinzialschvlkollegium, sobald es von den Mißständen Kenntnis erhielt, sogleih in die Revision ter Anftalt eingetreten is und sofort Remedur geschaffen hat. Das - ift am 15. Januar geschehen; es sind Anordnungen des Provinztal- \{ulkollegiums ergangen, die mit dem Beginn des neuen Schuljahres im April durchgeführt wurden und ein durchaus angemessenes und rein objektives Verfahren bei der Einshulung der Schüler gewährleisten. Der Ministerialkommissar hatte bei der Prüfung im wesentlihen nur diesen Anordnungen zuzustimmen. Für die Zukunft ist durch das Eingreifen des Prov:nzialshulkollegiums für die Einschulung der Schüler Ordnung geschaffen worden. Bezüglih der Vergangenheit ift folgendes festzustellen: Das Königlihe Gymnasiaum in Essen ist eine Doppelanstalt mit Parallelklassen A und B für alle Klassen. Aufgabe des Direktors ist es, die Shüler, insbesondere die neu- eintretenden, in der Sexta in zweckentsprehender Weise auf die beiten Klassen zu verteilen. Das führt manchmal zu Schwierig- felten. Es kann nicht bestritten werden, daß Eltern, deren Kinder bisher gemeinsam Unterricht in anderen Schulen genossen hatten, den Wunsch haben, daß auch în tem Gymnasium thre Kinder wie bisher in denselben Klassen gemeinsam unterrichtet werden. Da das rihtige Maß zu finden zwishen den Wünschen der Eltern und den Bedürfnissen der Schule, is Aufgabe und Pflicht des Direktors. Nun besteht in Essen elne Vorschule, die niht mit dem Gymnasium verbunden und nicht dem Direktor des Gymnasiums unterstellt ist, die aber Shüler in das Gymnasium entsendet. Der Direktor pflegte nun , die dort gemeinsam unterrihteien Schüler zusammenzuloassen und entweder vollzählig oder zum größten Teil derselben Abteilung der Sexta zuzuweisen. Er gab ferner den Wünschen anderer Eltern, welche gleihfalls ihre Kinder in dieser Sexta A haben wollten, in weitgehender, in viel zu weitgehender Weise na, und so ist tatsählich eine verschiedene Behandlung und eire Verschiedenheit nach der sozialen Stellung der Eltern

einen vielleicht etwas härter, in der anderen etwas wentger zum Aus- druck kam, sih aber im ganzen nicht in Abrede stellen läßt. Das hat in weiten Kreisen lebhafte Unzufriedenheit erregt, nicht nur in den Kreisen der Stadt, sondern auch in den Kreisen des eigenen Lehrerkollegiums, und hiernoch is dem Direktor der {were Borwurf zu machen, taß er die soziale Scheidung der Schüler, wenn auhch nit mit bewußter Absicht herbeigeführt, so doch durch feine Schuld tatsäblih hat geschehen lassen, und daß er die üblen Folgen seiner Nachgiebigkeit und die Mißstimmung in den Elternkreisen und im Kreise des Lehrerkollegtums der Anstalt nicht bemerkt und nicht gewürdigt hat. Daß ein Direktor auf Wünsche von Eltern eingeht, ist gewiß zu billigen, aber es darf nicht geschehen zum Schaden der Schule und der Erziehung der Schüler. Etne wesentlihe Aufgabe der Schule is es, unter ihren Zöglingen Gemeinsinn und Kameradschaft zu pflegen und das Gefühl fin ihnen zu weder, daß sie nah keinem anderen Maßstab als nah ibrer eigenen Tüchtigkeit bewertet werden. Die Unterrihtsverwaltung wird dafür sorgen, daß rein nah diesen Grundsäßen verfahren wird, und daß Fehler, wie sie in Essen vorgekommen sind, wiederholen.

Abg. Dr. S chroed er-Cassel (nl.) ommt auf den het der zweiten Lesuna bereits berührten Fall des Lehrers Brandau in Caffel zurüd. Der Lehrer Brandau habe in einer Unterhaltung über die Stich-

wahlen zum Reichstage im Kreise Eschwege 1907 sich dahin geäußert, |

daß bei der Stichwahl zwischen einem Antisemiten und einem Sojtal-

demokraten einem freifinnigen Wähler die Wahl sehr {wer sei, und | daß dieser wohl für den Sozialdemokraten stimmen müússe. Dafür sei | der Lehrer Brandau zu 60 4 Disziplinarstrafe verurteilt worden wegen

obwohl er noch nicht einmal ge-

„Hinnetigung zur Sozialdemokratie“, n | i Mit derselben Begründung

sagt habe, daß er selbst das tun würde. | sei der Lehrer Kimpel bestraft worden, weil er eine mit dem Sozialdemokraten Dr. Quarck zusammen abgehalten, und weil er als Vorsitzender der Versammlung nicht einem OViskussions- redner seine Mißbilligung über dessen politische Ansicht aus- gesprohen habe. Die Strafe fei die höchste zulässige Disziplinar- strafe von 90 4 gewesen. Diese Bestrafung lasse sh rechtlich niht aufrecht erhalten.

seine Mißbilligung über dessen politische Anschauung hätte äußern wollen, Der Beweis der Hinneigung zur Sozialdemokratie sei

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durhaus nicht erbraht worden. Er bedauere, daß derartige Paß” regelungen von liberalen Männern aus politishen Gründen überhaupt möglich seten. Diese Pei häuften sih in der leßten at in einer Weise, daß dagegen entschieden Front gemaht werden müsse.

Ministerial direktor D. Schwarhkopff: Die Unterrichts- verwaltuny denkt gar niht daran, einen Lehrer wegen freisinniger oder liberaler Gesinnung zu maßregeln oder zu verfolgen, aber sie muß mit großer Vorsicht vorgehen, wenn h Lehrer mit der Sozialdemokratie in Verbindung seßen, weil es sür einen preußishen Beamten unzulässig ist, für diese Partei einzutreten. In dem Falle Brandau befindet sich der Abg. Schroeder in einer Differenz mit den mir vorliegenden Akten. Nach diesen Akten ging bei der Regierung in Cassel eine Mitteilung ein, daß der Lehrer

_Brandau-—in«_elner Versammlung sich dafür gusgesyrochen habe, daß ar gge uro:

man im Falle einer Stihwahl den Sozialdemokraten die Slim” geben solle. Amtlih vernommen, erklärte der Lehrer Brandau selbst, er habe zunächst gesagt, er wisse nicht, welhe Parole er ausgeben werde. Auf einen Zwi\chenruf habe er dann hinzugefügt, daß er einem Antisemiten die Stimme nicht geben würde. Bei der weiteren Vernehmung hatten drei Zeugen gehört, daß der Lehrer Brandau ih für die Wahl des Sozialdemokraten, drei andere Zeugen aber, daß er sich für Stimmenthaltung ausgesprohen habe. Bet diesen widersprehenden Aussagen hat ih die Negierung auf seine eigenen Angaben geftüßt und Bestrafung eintreten lassen, weil seine Aeußerungen nur dahin zu deuten waren, daß unter den gegenwärtigen Umständen die Wahl etnes Sozialdemokraten als das kleinere Uebel angesehen werden nküsse. Bezüglich des Falles Kimpel ist zu bemerken, daß er in einer Wahlversammlung etne Rede des Pfarrers Lehmann vorgelesen und als Glanzleistung bezeichnet hat, in der dieser sich für ein Zusammengehen mit der Sozialdemokratie aus- gesprochen hat, und daß er kein Wort davon gesagt hat, daß man nicht mit den Sozialdemokraten zusammengehen solle. Das EGatscheidende war aber das Zusammergehen mit dem sozialdemokrcatishen Führer in der Protestversammlung gegen das Schulunterhaltungsgeseß in Wies3- baden. Es war an allen Anschlagsäulen die Einladung, in der vier sozialdemokratishe Referenten angegeben waren, angeschlagen, und da will nun der Lehrer Kimpel niht gewußt haben, daß er mit Sozialdemokraten zusammen operierte. Das i} ein Verfahren, das für einen preußischen Beamten unzulässig ist. Deshalb hat der Minister die Strafe aufrecht erhalten müssen.

Abg. Eickhoff (fr. Volksy.): Die Darlegungen des Unterstaats- sekretärs bezüglih des Essener Falles haben unsere Vermutungen be- stätigt, wenngleih auch er die Verhältnisse möglichst mild darzustellen versuht hat. Ich freue mi aber, daß die Unterrichtsverwaltung bereits diejenigen Schritte ergriffen hat, die nôtig sind, um das er- shütterte Veitrauen der CGssener Bürger wiederherzustellen. Als Freund würde ih dem Direktor des Gymnasiums raten, möglichst bald seinen Abschied zu nehmen. Für uns ist die Sache mit den Erklärungen des Unterstaatssekretärs erletigt. Sodann bedauere ih lebhaft die Erklärungen, die der Herr Ministerialdirektor Schwarhkopff aufs neue hier abgegeben hat; er sollte fich doch erinnern, daß diese Versammlung in Zeiten der großen Erregung über das Schul- unterhaltungsgeset berufen worden it. Herr Brandau hat sih au?- drücklich als Gegner der Sozialdemokratie bekannk. Wenn Herr Brandau den Antifemitismus noch niedriger einschäßt, als die Soztaldemokratie, so kann man diesen Standpunkt doch einiger- maßen verstehen. Die Regierung hätte weder in dem Falle Brandau noch in dem Falle Kimpel eingreifen sollen, und wenn der Ministerial- direktor die Erklärung abgegeben hat, kein Lehrer solle wegen frei- sinniger oder liberaler Gesinnung gemoßregelt werden, so möchte ih dringend bitten, nach diesen Worten auch zu handeln. Bezüglich des zahnärztlihen Instituts in Berlin bin ih vielleicht etwas einseitig unterrihtet gewesen; nahdem ih genau über den Fall unterrihtet worden bin, gebe ich zu, daß Herr Williger an dieser Stelle durhaus der rihtige Mann ist. Er ist mir als ganz aus- gezeihneter Chirurg von medizinishen Autoritäten bezeichnet worden.

Abg. Brütt (frelkons.): Wir stimmen vollständig damit überein, was der Herr Ministerialdirektor über die Maßregelung der Lehrer Brandau und Kimpel hier ausgeführt hat. Sodann möchte ih die Unterrihtsverwaltung bitten, soweit es in ihren Kräften steht, dahin zu wirken, daß die Privatdozenten nur dann zu Professoren ernannt werden, wenn sie durch hervorragende wissenschaftlißhe oder Dozenten leistungen {ih dieser Auszeihnung würdig erweisen.

Geheimer Oberregierungsrat Dr. Elster erwidert, daß die Unter- richtéverwaltung hon seit Jahren den Grundsay befolgt und au weiter an ihm festhalten wird, nur denjenigen Privatdozenten den Titel Professor zu verleihen, die \sich dur besondere ‘wissenschaftliche oder Dozentenleiskungen autgezeihnet haben.

Darauf wird gegen 41/5 Uhr die weitere Beratung des Etats auf Sonnabend 11 Uhr vertagt (außerdem zweite Beratung des Köhlbrandvertrages mit Hamburg und zweite Beratung der Eisenbahnvorlage).

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs®- maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

und | Swhüler in den beiden Parallelklassen A und B eîngetreten, die in der

| Kalkutta),

| Präsidentschaft sich nicht |

NVersammlung |

Es wäre ganz unzulässig gewesen, wenn Herr | Kimpel als Vorsttender einer politischen Versammlung einem Redner |

(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitéamts“" Nr. 19 vom 12, Mai 1909.)

Pet.

Portugal. Auf der Insel Terceira sind im Februar 21 Personen an der Pest erkrankt (und 7 gestorben), im März 4 (3); seit dem 11. März ijt kein neuer Pestfall mehr gemeldet, die Isolier- frankenbäuser zu Angra und Praia da Viktoria wurden Ende März ges{lossen. / :

Aegypten. Vom 24. bis 30, April wurden 10 Erkrankungen (und 6 Todesfälle) an der Pest festgestellt, davon 6 (3) în Etsa der Provinz Fayum, 2 (1) in Senures derselten Provinz und 2 (2) in

British-Ostindien. Während der beiden Wochen vom 91. März bis 3. April wurden in ganz Indien 6059 + 5722 Gr- krankungen und 5035 + 4684 Todesfälle an der Pest angezeigt. Von den 9719 Todesfällen kamen 2023 auf die Präsidentschaft Bombay (darunter 919 auf die Stadt Bombay und 200 au} Karachi), ferner 3343 auf das Punjab gebiet, 2161 auf die Ver- einigten Provinzen, 757 auf Bengalen (darunter 155 auf 560 auf Rajputana, 389 auf Burma, 342 auf die Zentcalprovinzen, 63 auf ten Staat Mysore, 45 auf die Madras, 31 auf Zentralindien, 4 auf Hyderabad und 1 auf Kaschmir. j

Hongkong. Vom 7. bis 20. März find in der Kolonie 5 Chiîs nesen an der Pest erkrankt und 6 gestorben,

Pest und Cholera. British-Ostindien. In Kalkutta starben vom 28. März bis 3. April 94 Personen an der Pest und 129 an der Cholera. Gholera.

Rußland. In der Stadt St. F urs wurden in der Zeit vom 25. Aprik bis 1. Mai 8 Choleraerkrankungen und 2 Todes-

fälle gemeldet. Gelbfieber. Es gelangten zur Anzeige auf der Insel Bar bados vom

| Mallawi der Provinz Assiut.

| 28. März bis 3. April 3 Erkrankungen und 2 Todesfälle, in Para

1. Dezember bis

vom 7. bis 20. März. 9, in Pernambuco vom L : x 27, März

15. Februar 1 und in Guayaquil vom 14. bis 28 Todesfälle. Pocken.

Deutsches Reich. In der Woche vom 2, bis 8. Mai sind 5 Erkrankungen ausländischer Arbeiter gemeldet worden, und zwar je 1 in Gnieschau (Kreis Dirschau, Reg.-Bez. Danzig) und in Züssow

i (J Krifis Greifswald, Reg.-Bez. Stralsund), 2 in Kraase und 1 in lein-Niendorf (Mecklenburg-Sxhweri).

Für die Vorwoche wurde nachträglich 1 Erkrankung (russische Scnitterin) in Klein-Kubbelkow (Kreis Nügen, Reg.-Bez. Stral- sund) angezeigt.

Oesterreich. Vom 25. April bis 1. Mai je 1 Erkrankung in dem Bezirk Freudenthal (Schlesien) und dem Bezirk Neuhaus (Böhmen). /

Norwegen. Gegen Ende April galten in Herl s (Bezirk Süd- Bergenshus) die Pocken amilih als etloschën.

Hongkong. Vom 7. bis 20. März 5 Erkrankungen (und 4 Todesfälle), davon 4 in der Stadt Viktoria.

Fledckfieber.

1 Erkrankung inLaurahütte-Siemianowiß. (Landkreis Kattowitz, Reg.-Bez. Oppeln) zur Anzetge. Für die Vorwoche wurde nahträglich 1 Fall in Lichtenhain (Kreis Saalfeld, Sachsen-Meiningen) gemeldet. Oesterreich. Vom 25. April bis 1. Mai în Galizien 111, in der Stadt Czernowiß (Bukowina) 3 E:krankungen.

J Genikstarre. Preußen. In der Woche vom 25. April bis 1. Mai sind 52 Erkrankungen (und 24 Todesfälle) angejetgt worden in folgenden Regierungsbezirken (und Kreisen]: Landespolizetbezirk Berlin 2 [Berlin]), Arnsberg 14 (7) (Altena 10 (5), Bochum Stadt, Gelsenkirhen Land je 1, Herne, Siegen je 1 (1)), Breslau 3 (1) [Namslau 2 (1), Waldenburg 1), Koblenz 1 (1) [Neuwted], Cöln 2 (1) [Bonn Stadt 1, Cöln Stadt 1 (1)), Düssel- dorf 14 (5) [Duisburg 2, Essen Stadt 5 (1), Essen Land 4 (2), Gladbah Stadt (1), Gladbach Land, Rheydt je 1, Ruhrort Land 1 (1)}, Königsberg 1 (1), [Wehlau}, Köslin (1) [Dramburg], Lüneburg 2 (1), [Lüneburg Stadt 1 (1), Uelzen 1], Minden 1 (1), [Bielefeld Stadt (1), Wiedenbrück 1], Münster 3 (2) [Recklinghausen Stadt (1), Recklinghausen Land 3, Stein- furt (1), Oppeln 1 (1) [Kattowiß Land), Posen 1 (1) [Krotoshin}, Potsdam 1 [Niederbarnim], Stade 1 (1) [Keh- Unge Stettin 1 [Stettin], Wiesbaden 4 [Frankfurt a. M.

tadt].

Schweiz. Vom 18. bis 24. April 5 Erkrankungen, davon 3 in Lausanne, je 1 in einer anderen Ortschaft des Kantons Waadt und im Kanton Bern.

Verschiedene Krankheiten.

Pocken: Moskau 13, St. Petersburg 2, Kalkutta (28. März bis 3. April) 281 Todesfälle; Nymwegen tin Gelderland (28. Apcil bis 4. Mai) 1, Odessa 6, Paris 3, St. Petersburg 13 Erkrankungen; BVarizellen: New York 119, Wien 42 Erkrankungen; Fleck- fieber: Moskau 12, Odessa 1 Todesfälle; Odessa 13, St. Peters- burg 5 Erkrankungen; Rückfallftieber: Moskau 2, Odessa 8, St. Petersburg 1 Todesfälle; Odessa 86, St. Petersburg 70 Erkrankungen ; Genidckstarre: Dublin (25. April bis 1. Mai) 1, Glasgow, London je 2, New Vork 8 Todesfälle; Kopenhagen 1, New Vork 8, Wien 1 Eikrarkungen; Tollwut: Budapest 1 Er- kfrankung; Milzbrand: Berlin 1 Erkrankung; Influenza: Berlin 5, Braunschweig 3, Halle 2, Amsterdam 7, Budapest, Kopenhagen je 1, London 32, Moskau 8, New York 24, Paris 7, St. Peters- burg 8, Rom 10, Stcckholm 2, Wien 1 Todesfälle; Kopenhagen 120, Odessa 33 Erkrankungen; Körnerkrankheit: Reg.-Bez. Allenstein 143 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Keuchhusten in Glasgow Erkrankungen wurden an- gezeigt in Budapest 25, Kopenhagen 28, New York 42, Wien 80; desgl. an Typhus (Dur{schnitt aller deutshen Berichteorte 1895/1904: 0,46 9/0): in Erfurt Erkrankungen wurden gemeldet in Paris 66, St. Petersburg 27; ferner kamen Grkankungen zur An- zeige an Scharlah im Landespolizeibezirk Berlin 190 (Stadt Berlin 114), im NReg.-Bez. Arnsberg 174, in Nürnberg 46, Hamburg 95, Budapest 64, Edinburg 29, Kopenhagen 36, London (Kranken- bäuser) 305, New Vork 353, Odessa 39, Paris 238, St. Petersburg 75, Prag 33, Stockholm 30, Wien 145; desgl. an Masern und RNöteln im Neg.-Bez. Posen 248, in Nürnberg 70, Budapest 128, Chrisliania 24, Kopenhagen 200, New York 953, Paris 277, St. Petersburg 136, Prag 60, Wien 354; desgl. an Diphtherie und Krupp im Landespoltzeibezirk Berlin 117 (Stadt Berlin 87), im Reg.-Bez. Düsseldorf 103, in Hamburg 28, Christiania 37, Kopen- hagen 30, London (Krankenhäufer) 117, New Yo:k 309, Paris 57, St. Petersburg 62, Stockholm 22, Wien 74.

Belgien.

Die belgishe Regierung hat die zur Verhütung der Ein- s{leppung der Beulenpest aus Venezuela angeordneten O uarantänemafregeln wieder aufgehoben. (Vergl. ,R.-Anz.*“ vom 13. Februar d. I., Nr. 38.)

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie “.) Fndustriebegünstigungen in Rumänien.

Der rumänische Ministerrat hat auf Grund des Industrie- begünstigungsgeseßes nah dem Rumänischen Staatsanzeiger vom 14 /27. April d. J. (Nr. 11) die folgenden Vergünstigungen gewährt:

Der Fabrik für Herstellung flüssiger Kohlensäure Leon Chica Dumbiäveni, Bezirk Botogsani, die zollfreie Einfuhr für 1000 Stablzylinder; davon 500 mit einem Fassungévermögen von 20 kg, 500 mit einem folhen von 10 kg ein für allemal auf ein Jahr. 1 ;

Oer in der Gemeinde Cuza-Vodä, Bezirk Constanßa, von Japy, Weillard, Herzog & Co. zu gründenden Fabrik für Herstellung von Schrauben, Bolzen und anderen Gegenständen aller Art aus Eisen oder anderen Metallen ist die zollfreie Ginfubhr für Maschinen, Maschinenteile und Zubehör- ü de auf 15 Jahre und die zollfreie Einfuhr für die zur ersten Einrichtung notwendigen Maschinen ein für allemal und nur auf ein Jahr gewährt worden.

Auf Grund des Industriebegünstigungsgescßes find nah dem Rumärishen Staatsanzeiger vom 15./28. April d. J. (Nr. 12) fernér die nachfolgenden Industriebegünstigungen gewährt:

Der Fabrik zur Herftellung von Lacken, Delen, Farben und chemischen Farben Karl Zimmer u. Co. in Bukarest die zollfreie Einfuhr für Maschinen, Maschinenteile und Zubehörstücke auf die Dauer von 15 Jahren.

Der Zellulosefabrik A.-G. in Braila die zur ersten Ein- richtung notwendigen Materialien, und zwar: 10000 kg

aserisoliermaterial für die großen Kochkefselanlagen, 20 000 kg

Ssoltermaterial für auf eine sehr hohe Temperatur (bis zu 400° C.)

erbitzte Dämpfe, 15000 kg imprägnierte, den Säuren widerste hende

Mose für das Verdichten der Ausfütterung der Säuretürme und zum

Verlegen zwischen die doppelten Bretterlagen, 30000 kg Iosolier-

material aus Kork, Kieselgur, Asbest usw. în Platten, Stücken und

pulverisiertem Zustand ein für allemal und nur auf ein Jahr.

Dem von der Aktiengefellshaft für die Waldauskeutung und Dampfsägefabrik vorm. P. u. C. Goeß zu Galaÿ in dem Weiler Nehoiu, Gemeinde Paltini gci, Bezirk Buzäu, zu gründenden Säge- werk die zollfreie Einfuhr für Maschinen, Maschinenteile und Zubehörstücke auf 15 Jahre, die zollfreie Ginfuhr für die zur ersten Einrihtung benötigten Maschinen, 25 Gatter verschiedener Größen, Zirkularsägen, Sägemaschinen, Gisenbahnbau- material, 260 Paar Stahlräder für 130 Wagonetts ein für allemal und nur auf ein Jahr.

Die vorgedachten BekanntmaGungen der Nr. 11

während

und 12 des Bukarester Staatsanzeigers liegen der nächsten zwei Wochen im Bureau der „Nah-

eutsche Reich Inder -Woche—vom—2;, big-8.—Mat-kam————————+