1868 / 49 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 26. Februar. Se. Majestät der König arbeiteten heute Vormittag mit dem Geheimen Kabi- nets-Rath von Mühler und nahmen den Vortrag des Ministers von Mühler entgegen. /

Se. Königliche Hoheit der Kronprinz empfing gestern Vormittag den Landrath von Schrötter, nahm hierau mili- tairishe Meldungen entgegen und wohnte Abends dem Ballfeste im Königlichen Schlosse bei.

Die heutige (17.) Plenarsißzung des Herrenhauses wurde von dem Präsidenten Grafen Eberhard zu Stolberg- D Ae um 10% Uhr mit einigen geschäftlichen Mittheilun-

en eröffnet.

G Am Ministertische befanden sich der Handelsminister Graf von Igzenpliß, der Justizminister Dr. Leonhardt und mehrere Regierungskommissare. '

Der erste Gegenstand der Tagesordnung, in welche sofort eingetreten wird, betrifft den Bericht der Kommission für Handel und Gewerbe über den Geseß-Entwurf, die Aufhebung und Ab- lösung gewerblicher Berechtigungen in den durch die Gesege vom 90. September und 24. Dezember 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Landestheilen, mit Ausnahme der Vvor- mals Königlih bayerishen Enklave Kaulsdorf und des vor- mals hessen-bhomburgischen Oberamtes Meisenheim betreffend.

Der Geseßentwurf wird nah kurzer Debatte, an welcher si der Berichterstatter Graf York v. Wartenburg, und die Herren v. d. Knesebeck und v. Meding betheiligen, unverändert angenommen.

Eben so wurde der zweite Gegenstand der Tagesordnung: Bericht der Budget - Kommission , betreffend die allgemeine Rechnung Über den Staatshaushalt des Jahres 1864, dem Antrage der Kommission gemäß: dem Beschlusse des Abgeordnetenhauses, welcher lautet : »Die Entlastung der König- lien Staatsregierung in Bezug auf die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres 1864, so_ wie in Bezu auf die Verwaltung des Staatsschaßes für dasselbe Jahr aus- Tee seine Zustimmung zu ertheilen, ohne Diskussion erledigt.

Der dritte Gegenstand der Tagesordnung betrifft den münd-

* lichen Bericht der Eisenbahn-Kommission über den Gesehentwurf,

betreffend die Bewilligung einer bedingten Zinsgarantie für das Anlage-Kapital einer Eisenbahn von Posen nah Thorn . und Bromberg. Der Referent Graf Lehndorsf motivirte den An trag der Kommission, welcher dahin gcht:

»Das Herrenhaus wolle beschließen: dem Geseßentwurf in der Fassung, in welcher derselbe vom Abgeordnetenhause angenommen worden ist, die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen. «

Nachdem der Handelsminister Graf v. Jhenpliß den Ge- sezentwurf zur Annahme empfohlen, wird derselbe ebenfalls einstimmig und ohne jede weitere Diskussion angenommen.

Es folgt der vierte Gegenstand der Tages-Ordnung, die Schlußberathung über den Gesehentwurf, betreffend die Erhe- bung jährlicher Aversional-Beiträge in den von dem Zollverein ausgeshlossenen Gebietstheilen. Referent ist Dr, von Dües- berg, sein Antrag lautet:

»Das Herrenhaus wolle beschlicßen: dem vorbezeichneten Gescb- Entwurfe în der von dem Hause der Abgeordneten beschlossenen Fassung die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen. «

Nachdem Dr, v. Düesberg diesen Antrag befürwortet, wird derselbe ohne jede Debatte vom Hause genehmigt.

Der fünfte Gegenstand der Tagesordnung ist die Schluß- berathung über den Geseß-Entwurf, betreffend das Expropria- tions-Verfahren im Bezirk des Justiz-Senats zu Ehrenbreitstein. Referent ist Herr von Bernuth; sein Antrag lautet:

»Das Herrenhaus wolle beschließen: dem vorangeführten Geseß- Entwurf in der Fassung, in welcher derselbe aus der Beschlußnahme r Ea S hervorgegangen ist, die Zustimmung zu er-

eiten.«

Nachdem der Referent den Antrag befürwortet und der Handels-Minister sich gleichfalls für die Genehmigung des Ge- sezes ausgesprochen, wird dieselbe von dem Hause ertheilt.

Der sechste Gegenstand der Tagesordnung is die Schluß- berathung 1) über den mit der Pfännerschaftlichen Saline zu Halle a. d. S. am 7. Februar 1868 abgeschlossenen Vergleich, und 2) über den mit den Interessenten der Saline zu Lüneburg am 10. Dezember 1867 abgeschlossenen Vergleich.

Referent is Dr. Dernburg ; derselbe beantragt :

Das Herrenhaus wolle beschließen: 1) dem am 10. Dezember vorigen Jahres abgeschlossenen Vertrage mit den Interessenten der Saline zu Lüneburg die verfassungsmäßige Genehmigung zu ertheilen ; 2) dem am 7. d. Mts. mit der Pfännerschaftlichen Saline zu Halle a. d. Saale abgeschlossenen Vergleich die Genehmigung zu versagen; 3) die Staats - Regierung aufzufordern, eine Abfindung der Pfännerschaft zu Halle a. d. S. mittelst Kapitalzahlung in einem dem seither bezogenen Neingewinn derselben entsprechenden Verhält- nisse untcx Wahrung der Rechte und Jnteressen der Salzwürker-Vrüder-

haft anzubahnen; 4) die Staatsregierung zu crsuchen, baldmöglig für Begründung eines Jnterimistikums, zur Erhaltung der Pfänn schaft und der Salzwürker-Brüderschaft durch Fortbetrieb der Pfänny \chaftlichen Saline zu Halle Sorge zu tragen.

(Schluß des Blatte

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sißung des YAj geordnetenhauses wurde der Antrag der Kommission qy Streichung der Positionen 81 und 82 des Tarifs angenomm Ebenso der Antrag des Abgeordneten Dr. Bähr zur Position (Gesuche) in folgender Fassung:

»Is}t zu stempelpflichtigen Gesuchen der tarifmäßige Stempel yy 5 Sar. nicht gebraucht, so ist der fchlende Stempel bei Ertheilung è R l Strafe nachzuerheben.«

er H. Nummer dieses Blattes mitgetheilten Amendement des Abg ordneten Dr. Bähr genehmigt.

Weiter erhielt der Antrag der Abgeordneten Dr. Oetky und Gleim die Majorität des Hauses. Desgleichen die v dem Abgeordneten Pr. Bähr beantragte, die baldthunlids Revision der Stempelgeseßgebung betreffende Resolution. Na dem das Haus die einzelnen Paragraphen des Gesetzes nj diesen Abänderungs8vorschlägen gebilligt hatte, wurde schließli das Geseg im Ganzen angenommen.

Der Abgeordnete Windthorst (Meppen) hatte folgende J terpellation eingereiht: Es find Gerüchte verbreitet, daß die ß nigliche Staats-Regierung, entgegen der ursprünglichen Absid die Paris-Hamburger Eisenbahn zwischen Osnabrück und Yy men git dem direkten Wege durch die Provinz Hannover j führen, damit umgebe, dieselbe durch das Großherzoglich old burgische Territorium zu leiten. Hoffentlich e dieje Gerüd unbegründet. Jn den betreffenden andestheilen ff durch dieselben eine erhebliche Veunruhigung herbeigefüh und wird gewünscht, daß die Königliche Staatsregierung dur) die gegenwärtige Interpellation Gelegenheit erhalte, den gedah ten Gerüchten entgegenzutreten. Deshalb erlaube ich mir h Anfrage an die Königliche Staatsregierung zu stellen, ob un) inwiefern die bezeichneten Gerüchte begründet sind?

Nachdem der Abg. Windthorst diese Jnterpellation begründt hatte, erklärte der Handelsminister Graf von Jhenpliß, des die Regierung bi8her noch keine Entscheidung getroffen hah und daß alle Gerüchte voreilig und unbegründet seien.

Der Schluß der Sigung erfolgte um 3 Uhr 15 Minuten

Die heutige (57.) Pkenar-Sigung des Abgeordneten hauses wurde von dem Präsidenten von Forckenbte um 105 Uhr mit geschäftlichen Mittheilungen eröffnet. Ministertische befanden sich der Ca er Freiherr v0! der Heydt, der HandelL-Minister Graf von Jyhenplih der Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg, der Minis für landwirthschaftlihe Angelegenheiten von Selchow ul mehrere Regierungs-Kommissare,

Zunächst wurde folgende Jnterpellation des Abgeordne v. Kardorff, betreffend die Ausführung des mit dem Kön Georg V. abgeschlossenen Vertrages, verlesen:

ach den durch die Tagespresse veröffentlichten Nachrichten hi der König Georg V. unmittelbar nah der Genchmigung dd zwischen ihm und der Krone Preußen abges{lossenen Vertrages durl den preußischen Landtag einer Deputation seiner vormaligen hw noverschen Unterthanen eine Empfangsrede gehalten, in welcher di baldige Restauration des Welfenthrones, die baldige Wied aufrihtung eines freien unabhängigen Welfenreiches in Aus\d| gestellt wird. Gleichzeitig mit dieser Nachricht wird allgemein dur di öffentlichen Blätter verbreitet: vdaß die Zahl der Hannoverschen Deserteul welche bisher in der Schweiz den Versuch gemacht hatten, eine Hanno sche Legion zu formiren und von dort nach dem Elsaß gezogen waren eFolgemaßloser Agitationen, abenteuerlicher Versprechungen und reichlid! Löhnung in stetem Zuwachs begriffen sei.« Jch erlaube mir, an bi Königliche Staats-Regierung die Anfrage zu stellen: »ob die Kôönij liche Staats-Regierung bei jenen vorerwähnten provozirenden Acuß rungen und diesen den gegenwärtigen Rechtszustand in Frage stellt den Thatsachen, die Absicht hat, dem Könige Georg V. diejeni Vortheile zu gewähren, welche aus der, durch die Publication in Geseß-Sammlung erfolgenden Perfection des Vertrages sich erge würden« z

Der Finanzminister Freiherr v. d. Heydt erklärte sich sofortigen Beantwortung dieser Jnterpellation bereit. Nachdt der Interpellant dieselbe au8geführt hatte, gab der Final

Minister Freiherr v. d. Heydt Namens der Königlichen Staa! |

Regierung folgende Erklärung ab:

__ Meine Herren! Indem die Königliche Regierung mit de Könige Georg das Abkommen vom 29. September v. J. {loß, hat sie nicht glauben können, damit eine definitive V erkennung der Ergebnisse des Prager Friedens durch den K Georg erlangt zu haben, wohl aber war sie zu der Vora schung berechtigt, daß der König Georg mit seiner Unters des Abkommens mindestens die Verpflichtung einging, auf d! sezung dec Feindseligkeiten gegen den preußischen Staak zu M zichten. Es konnte unmöglich die Absicht der Kontrahenten se daß der preußische Staat dem Könige Georg die Mittel zu f

des Geseßes wourde mit dem in der gestrige

en Handlungen gegen Preußen zur Disposition stellte. Wenn lihen 9 bald nach dem Abschluß des Vertrages durch die Verstär- fung der von Hießing ausgehenden Agitationen die Vermuthung erechtfertigt wurde, daß der König Georg sih von jener Boraus- ehung loszusagen beabsichtige, so hat die Königliche Regierung ih doch dadurch nicht irre machen lassen in dem Bestreben, hufs der einstigen Verständigung mit dem Könige Georg oder mit dessen Erben, für das fragliche Abkommen und für die in demselben bedungenen Zahlungsmittel, durch ZJu- immung der beiden Häuser des Landtages eine ge- leblich feststehende Grundlage zu gewinnen. Dem unge- achtet find von Seiten des Königs Georg die Feindselig- keiten, soviel in seiner Macht stand, nicht eingestellï worden. Derselbe hat namentlich nichk unterlassen, aus preußischen Unter- thanen, welche durch seine Agenten angeworben und zum Theil zur Desertion veranlaßt wurden , Truppenkörper zu bilden, welche unter der augeranen Absicht, sie bei nächster günstiger Gelegenheit zu feindlichen Handlungen gegen Preußen behufs Losreißung einer Provinz des Staates zu verwenden, militai- risch organisirt, mitOffizieren und Unteroffizieren versehen, und für den künftigen Dienst gegen das eigene Vaterland militairisch ein- geübt wurden. Der dienstliche und der Geldverkehr zwischen diesen Truppentheilen und der bei dem König Georg in Hieting befin d- lihen Hofdienerschaft desselben ist amtlich festgestellt , und der König Georg persönlich hat in seinen öffentlichen und zur No- torietät gelangten Aeußerungen sich zu den Bestrebungen gegen den Preußischen Staat, welche dieiem Treiben zu Grunde liegen, bekannt und zur Fortsezung desselben aufgemuntert. Diesem Verfahren , soweit sie es vermag, ein Ziel zu seßen, eventuell demselben ihrerseits in keiner Weise Vorschub zu leisten, erkennt die Königliche Regierung als eine gebieterishe Pflicht welche ihr, e e des Landes und dem Frieden Europa's gegen- über, obliegt. :

In diesem Sinne hat sie bereits und schon vor den jüngsten Vorgängen in Hiegzing den Versuch gemacht, durch die Einwir- fung verwandter und befreundeter Höfe den König Georg zu demjenigen Verhalten zu vermögen , welches nah Treu und Glauben den Vorausseßungen entspräche, unter denen allein die Unterzeichnung des Vertrags vom 29. September möglich war.

Die zu diesem Zweck erbetenen Einwirkungen sind der Königlichen Regierung bereitwillig zugesagt worden, und glaubt dieselbe den betreffenden Höfen die Rücksicht schuldig zu- sein, daß sie das Ergebniß ihrer Bemühungen abwartet. Sollten auf diesem Wege die Bürgschaften , deren die Königliche Regie- rung nach den bisherigen Erfahrungen für das Verhalien des Königs Georg bedarf, nicht rechtzeitig gewonnen werden, so wird fsich die Königliche Regierung lediglich von den Pflichten leiten lassen, welche ihre Verantwort- lichkeit für die Sicherheit des Staatsgebictes und für die Ruhe der Bewohner derselben ihr auferlegt. Der Landtag wird obne Qweifel die Rücksichten würdigen, welche die König- liche Regierung abhalten, gegey den König Georg persönlich dasjenige Rechtsverfahren einzuleiten, welches nach den bestehen- den Landesgeseßen die Beschlagnahme seines Vermögens zur unmittelbaren Folge haben würde. Die Königliche Regierung wird es in diesem Falle vorziehen, den Weg der Geseügebung zu beschreiten, um das gesammte Vermögen des Königs Georg für die Kosten dèr Ueberwachung und der Abwehr, so wie aller Konsequenzen der staatsgefährlichen Unternehmungen diescs Fürsten und seiner Agenten haftbar zu machen. Wenn der dazu in Ausficht genommene Moment eintritt, fo lange der Landtag der Monarchie noch versammelt ist, so be- absichtigt die Königliche Regierung, demselben zu diejem Be- hufe die entsprechende Vorlage zu machen. Sollte der Schluß der jeßigen Session vor dem geeigneten Zeitpunkt eintreten, }0

iebî fich die Königliche Regierung der Hoffnung hin, daß dic nordnungen, welche sie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu treffen genöthigt scin wird, bei dem nächsten Zusammentritt des Landtages die Genehmigung desselben sinden

werden.

Hierauf trat das Haus in die Schlußberathung über den Entwurf cines Gesehes, betreffend die Schließung der öffentlichen Spielbanken zu Wiesbaden, Ems und Homburg.

Der Referent von Boetticher begründete den Antrag: -

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, dem Entwurfe die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen.

Der Referent Lesse motivirte dagegen den Antrag: j

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, dem Entourfe die verfassungsmäßige Zustimmung zu versagen.

An der Generaldiskussion betheiligten sih die Abgg. Lasker, |

v. Benda, Dr. Virchow und Frhr. v. Patow. | Der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, erklärte 10 gegen zwei, von den Abgg. Lasker und Kray gestellte mendements. Der Regierungskommissar, Geh. Regierungs-

Rath Wohlers, gab zu der Regierungsvorlage verschiedene Er- läuterungen.

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Bei der Spezial - Debatte sprachen die Abgeordneten Kra und Grumbrecht. Bei namentlicher Abstimmung wurde da Laskersche Amendement mit 169 gegen 152 Stimmen abgelehnt. Auch das Kraßsche Amendement wurde verworfen.

Ein Amendement des Abgeordneten Uhlendorff

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: in §. 1. des Geseß-Entwurfs statt 1872 1868 zu seßen. wurde mit 156 gegen 142 Stimmen abgelehnt. Es wurde jedoch namentliche Abstimmung beantragt, die beim Schlusse unseres Blattes begann.

_— Ueber die Zustände im Regierungsbezirk Königsberg

bringt die »Prov. Correspondenz« folgende Mittheilungen : __ Seit dem leßten Berichte ist die Lage in soweit eine s{hwie- rigere geworden, als nunmehr nicht nur bei den losen Leuten und dem größten Theile der Eigenkäthner , sondern auch schon bei cinem Theile der bäuerlihen Wirthe das Brotgetreide auf- gezehrt ist. Jn den Kreisen Labiau, Gerdauen und Rastenburg ist der Bedarf nicht mehr vorhanden und muß von außen zu- geführt werden. Bei den vorhandenen Communicationen hat dies aber, wie bereits früher berihtet, durchaus feine Schwierigkeit, \o lange die Geldmittel fließen. Nur in den Wassergegenden am kuri- hen Haffe und dea in dasselbe mündenden Strömen könnten in die- ser Beziehung Verlegenheiten entstehen, wenn nicht durch Anlage von Getreidedepots denselben vorgebeugt wäre. Ueberhaupt ist nunmehr das Hauptaugenmerk darauf gerichtet, an geeigneten Orten Verkaufs- stellen zu errichten und is} dies bereits mehrfach geschchen.

Andererseits ist die Lage dadurch eine bessere geworden , daß die Gelegenheit zur Arbeit vermehrt is, und daß die Arbeiter in Folge der längeren Tage und der leidlichen Witterung mehr verdienen als bisher. Zwar stellt der Frost dem allseitigen Angriff der Erdarbeiten an den Chausseen noch immer Schwierigkeiten entgegen, nament- lih in den flachen Gegenden mit s{werem Lehmboden : dem- unerachtet ist es beispielsweise möglich geworden - auf der Staats- straße von Friedland nach Allenburg schon in voriger Woche 340 Arbeiter mit Erdarbeiten zu beschäftigen und es sollen daselbst noch mehr Arbeiter angenommen werden. Auf verschiedenen Kreis- Chausseen (z. B. in den Kreisen Mohrungen, Pr. Holland, Wehlau) ist ein Gleiches der Fall. Es sind bereits eine Menge von Chausseen in Angriff genommen und werden auf A viele Menschen haupt- sächlih mit Steinschlagen beschäftigt. ei mehreren Chausseen is} die E im Gange, ohne daß der Steinschlag schon begon- nen hätte.

Die Vorbereitungen werden allerwärts dazu getroffen, daß, sobald der Frost abgeht, die Erdarbeiten auf den Chausseen überall mit Macht beginnen können. Inzwischen haben auch die Stände des Kreises Heiligenbeil nunmehr ein Chausseeneß von 6 Meilen beschlossen und es is hiermit die Bedingung des Ausbaues der Straße von Mehlsack nach Zinten auf Staatskosten erfüllt, welcher hoffentlich bald begonnen werden wird.

Die Witterung ist auch dié Ursache, daß die vielen eingeleiteten landwirthschaftlihen Meliorationen. noch nicht sämmtlich in Angriff genommen werden fonnten. Jnzwischen ist es gelungen, auch die Interessenten der Frauenburger Haffwiesen (5000 Morgen) zu einer Genossenschaft zu vereinigen; nachdem dies vor einigen Wochen bercits bezüglih der Wiesen von Balga Wolitta Kahlholz ge- schehen war. Auch die Bildung eines Verbandes zur Entwässerung der Drewenzwwiesen bei Plauten steht in naher Aussicht. Der Kreis Wehlau hat ein Darlchen von 25/000 Thaler erhalten, aus welchem an Grundbesißer Beträge zu Meliorationen dargeliehen werden E Dem Kreise Friedland sind zu gleichem Zwecke 10,000 Thaler zugesichert.

Viele einzelne Gutsbesißer haben Darlehne aus dem Meliora- tionsfonds erbeten und zum Theil schon erhalten. Wenn die Witte- rung es irgend gestattet , werden alle diese doppelt nüßlichen Unter- nehmungen eine Menge Menschen beschäftigen.

Im Hinblick auf die Regsamkeit , welche sih nunmehr in Bezug auf Chausscebauten und landwirthschaftliche Meliorationen gerade aus Anlaß des Nothstandes zu entfalten beginnt, 1äßt sich hoffen, daß die hwere Heimsuchung unserer Provinz den Keim einer großen Entwickelung birgt. / :

Anträge auf Bewilligung von Darlehnen gehen in großer Zahl ein. Viele find bereits von der Regierung genehmig:. Aus dem Kreise Rastenburg z. B. sind bis jeßt ctwa 250 Gesuche um circa 20,000 Thlr. eingegangen und genehmigt. Im Kreise Pr. Eylau sind bis jeßt 500 Anträge angemeldet, aus dem Kreise Gerdauen werden circa 1000 angekündigt. i H

Am traurigsten sind die Verhältnisse der kleinen Handwerker in den Städten. S

Die Preise des Roggens und der Kartoffeln haben sich nicht wesent- lich verändert ; doch hat der Roggen in den entlegeneren Kreisen etwas angezogen.

' Der Typhus i} noch immer ziemlich verbreitet , er bewahrt aber \einen Ver milden Charakter. Die Zahl der Sterbefälle ist gering. In Liebstadt, wo er am stärksten herrschte, haben ihn die vortrefflichen Anstalten des Johanniter - Ordens zum Stehen gebracht und man darf auf ein baldîges Erlöschen der Epidemie daselbst hoffen.

Da der Typhus in der Umgegend von Stallupönen sehr zu- nimmt, so ist, nach der Mittheilung des Johanniter-Ordens8-Wochen- blatts, von dem Johanniterritter v. Wernösdorff , neben den drei Lazarethen zu Mehlkehmen , Pillupönen und Stallupönen, in denen 82 Typhuskranke behandelt werden, in leßterem Orte noch ein viertes Lazareth mit circa 40 Betten etablirt und als Pflegerinnen in demselben zwei weitere Diakonissen aus A erbeten worden, die in

Stallupönen am 21. d. M. eingetroffen sin

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