1889 / 26 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Jan 1889 18:00:01 GMT) scan diff

demnach hiermit heute begnügen, wenn nicht die Ausführungen des Abg. Bamberger die Frage vielfah verschoben und in ein UrGliges Licht gestellt hätten. Diese Ausführungen des Abg. Bamberger dürften niht unerwidert ins Land gehen. Derselbe habe heute einen gans anderen Ton angeschlagen, viel vorsichtiger und resignirter fich ausgedrückt als vor Jahren in seiner bekannten Rede über die Samoavorlage. Damals sei er mit einem Siegesbewußtsein aufgetreten, von dem heute nur wenig zu bemerken gewesen sei. Sein Thema laute, daß, die Kolo- nien für Deutschland zu erwerben und festzuhalten, unnüg und verderblich sei. Er habe si dabei durchaus sahlih ver- halten, aber im Widerspruh mit seinen früheren Aeußerungen doch einen anderen Standpunkt eingenommen. Er (Redner) finde es ja ganz rihtig, daß das Mitglied einer Minderheit, das einmal eine abweichende Ansicht habe, dieselbe festhalte und vertrete. Jener habe seine warnende Stimme erhoben, einige vorgetrommene Mißerfolge besprohen und damit sein Gewissen salvirt. Warum sei er aber in jenen so be- stimmten prophetishen Ton verfallen, als ob dur diese Vorlage all das Unheil, was jemals die Bourbonkn, Napoleon II1. oder die Republik über nee herauf- beshworen hätten, wie in geringerem Maße dasselbe in Jtalicn der Fall sei, nun au auf unsere Ti a hernieder- f ren müßte. Mit solchen Prophezeiungen jollte er doch vor- ihtiger sein. Er (Redner) erinnere a an jene Prophe- zeiungen, die er vor 10 Jahren ebenso bestimmt ausgesprochen, daß die Le von den verbündeten Regierungen vorgelegte und von der Mehrheit des Reichstages, welcher er (Redner) allerdings damals nicht angehört habe, angenommene Ein- s{hränkung der freihändlerishen Grundsäße das Verderben der deutschen Jundustrie und des deutschen Handels nothwendig mit sich führen müßte. (Abg. Bamberger: Das habe er nicht gesagt, es sei ja gar niht wahr! Rein ersunden!) Man habe in Deutschland au Krisen durchgemacht, aber unzweifelhaft sei seit einer Reihe von Jahren der Fortgang im Wohlstand und in Handel und Jndustrie ein ganz bedeutender unter der Wohlthat der Geseße troß der Geseße; ob troy oder in Folge der Gesetze, wolle er niht untersuhen. Wenn es noch zweifelhaft sein könnte, so sei durch den Reichskanzler heute ganz klar geworden, daß die erste koloniale Bewegung ganz ]pontan aus dem deutschen Volk hervorgegangen sei vor 10 Jahren. Erst nah und nah und zögernd hätten ‘die ver- bündeten Regierungen und der Reichskanzler diese starke Bewegung auf sich einwirken r Gewundert habe ihn, daß der Abg. Bamberger eine Autorität für sich anführte gegen die Kolonialbewegung in der Person des bekannten Großkaufmanns und früheren Reichstagsmitgliedes, des Konjuls H. H. Meier. Gewiß habe dieser wie mancher Andere in jenen Jahren große Bedenken gegen diese Politik gehabt. Wer sollte diese überhaupt niht haben, als der Krieg mit Frankreich noh nicht beendet, Deutschland noch nicht geeinigt und die innere Organisation noch nit durhgeführt gewesen und Deutschland keine Flotte gehabt habe, die seine Unternehmungen hätte unterstüßen Tönnen? In solchen L fühle sih eine Nation natürlih nit stark genug, fih in Unternehmungen außerha!b ihres Landes einzulassen. Jeyt sei Deutschlands Stellung gestärkt, die Autorität unseres Reichs niht nur dur eigene Kraft, sondern auch durch Verbindung mit anderen Mäckten, die für den Frieden einträten, gesichert. Die Marine sei wenigstens in bedeutenden Anfängen entwickelt, der Handel habe sich ausgebildet. Wenn eine solhe Nation ähnliche Unternehmungen versuche, wie alle anderen großen Nationen, die Portugiesen, die Spanier, Engländer, Niederländer und Franzosen in einer Zeit, wo sie sich zu einem starken Nationalwesen entwidckelt hätten, so sei das etwas Anderes. Durch diese Erwägungen erkläre sich auch die Stellung des Hrn. H. H. Meier. Oder habe der Abg. Bamberger ver- essen, daß, als vor aht Jahren die Kolonialbewegung zur Bildung von Vereinen gesührt habe, Hr. Meier der Erste gewesen sei, der, allerdings mit Vorsicht, in diese Bewegung eingetreten sei an der Spiße der Vereine? (Abg. Bamberger: Um fie davon zurückzuhalten.) Ob jener diese Absicht gehabt habe, wisse er nicht, jedenfalls sei es jenem nicht gelungen und er sci auch aus dieser Bewegung nicht geshieden. Hr. Bam- berger sei alle unsere Kolonien durchgegangen, habe aber nichts Erhebliches gegen dieselben vorbringen fönnen, bis auf Ost: Afrika. Da habe er Alles, was Seitens der Ostafrikanischen Gesellschast, ihrer Agenten und Beamten geschehen sei, als verfehlt, verderblich und gewaltthätig hingestellt, und er meine ferner, daß dieses Kolonialgebiet uns große Kosten gemacht habe. DieErfahrung zeige zur Genüge, daß durch neue Thatsachen solche Gebiete, die nit als werthvoll erschienen, auf einmal eine große Bedeutung gewinnen. (Abg. Bamberger: Lotterie!) Er denke niht, daß die Engländer sih auf Lotterien einließen. Jener möge sie fragen, ob sie es niht für erwünscht hielten, wenn sie auf jene Landschaft die Hand gelegt hätten, anstatt der Deutschen. Von Kamerun habe Jener allerdings anerkannt, daß es sih erst in der Entwickelung befände. Er (Redner) fönne ngügen, daß sih nit bloß der Handel, sondern auch der Plantagenbau daselbst sehr günstig entwidele. Bezüglich Neu- Guineas habe er sih sein Urtheil noch vorbehalten. Das ost- afrikanische Gebiet habe er als völlig hoffnungslos geschildert. Mit der Verwaltung und Leitung der Gesellschaft habe er nichts zu thun, besie auch keine Aktien. Er habe sich aber von Freunden, die der Sache näher ständen, sagen lassen, daß die Gesellschaft momentan troy der großen Schwierigkeiten und troßdem sie mehrere Wandlungen durhgemaht und nur kurze Erfahrung habe, jeßt nah diesen Unruhen, nachdem ein Theil der Plantagen zerstört sei, fich keineswegs in einer shlechten wirthschaftlichen Lage befinde. Von den disponiblen Geldern der Gesellschaft seien noch rund 500000 A vorhanden. Dazu kämen noch 25 Proz. des Aktienkapitals, sodaß in Summa S 1 080000 F zur Verfügung ständen. Das sei nicht , viel, aber ausreichend, um in bescheidenem Umfange Plan- tagenbau bei ruhigen Verhältnissen zu treiben. Der Vertrag mit dem Sultan sei für die Gesellschast sehr günstig, für die Ausübung ihres Zollrehts habe sie keine großen Auf- wendungen und Einrichtungen zu machen. Ueber die Ver- ne des Landes habe Hr. Hauptmann Wißmann hon sachgemäße Ausführungen gemaht. Jn der Prêsse des Abg. Bamberger werde das Land seit lange als e Fen: wie fruhtbar aber der 150 Meilen lange Küsten- rich sei, wisse man. Jn dem angrenzenden Bezirk von einigermaßen ähnlicher h poofen get in dem portugiesischen Eicfaue Qu habe nah der offiziellen Statistik 1885 die Einfuhr 61/, Millionen Mark, die Ausfuhr 4 800 000 M, in Summa also in einem Jahre 11 000 M be- tragen. Dazu außerdem die ‘Einnahmen der Zölle 1200000 Æ und andere Einnahmen 270000 # Weshalb solle bei solhen Verhältnissen in der Nachbarschaft unser

Gebiet, in dem sich eine Anzahl deutscher Gesellschaften eta- blirt und mit dem Sultan vortheilhafte Verträge abgeschlossen habe, keine Zukunft - haben? Außer der Ostafrikanischen Gesellschaft sei dort noch eine deutsche Plantagengesell schaft, die Deutsche Witu-Gesellschaft, und außerdem in Zanzibar eine Reihe deutscher Firmen. Die ganze Auffassung des Abg. Bamberger beruhe auf falschen Voraussezungen, als ob foloniale Unternehmungen für eine Nation nur dann von Werth sein könnten, wenn sie S in den ersten Jahren eine nachweisbare Rente hätten. Unter welchen Schwierigkeiten hätten nicht andere Nationen in fremden Ländern mit dem Klima und mit wilden -Völker- shasten zu kämpfen. gehabt! Aber niemals habe sid eine Nation von der Festhaltung ihrer Kolonien abschrecken lassen. Weshalb sollten die Deutschen ‘es thun, weshalb sollten sie niht fähig sein, wie andere Nationen, mit der Zeit Erfolge zu erzielen? Ein erheblicher Theil des Handels und des Eigenthums anderer Nationen beruhe auf deren Kolkonialbesißy. Jn England habe zwar eine Anzahl von freihändlerishen Doktrinären die Meinung ausgesprochen, daß für England die Aufgabe aller Kolonien das Beste sei, weil die Ausgaben erspart und der Handel mit anderen Län- dern troßdem weiter betrieben werden könnte. Aber ein eng- lishes Sprüchwort sage: „Die Waare folgt der Flagge.“ Jn England werde auf die Kolonien so großer Werth gelegt, daß solhe Ansichten nur vereinzelt aufgetaucht seien. Der Abg. Bamberger habe auch das ganze Verfahren der Ostafrikanischen Gesellschaft einer scharfen Kritik unterzogen. Schön sei es niht, über Landsleute, die mit so s{hwierigen Verhält- nissen jeßt gerade zu kämpfen hätten, fo absprechend zu ur- theilen, und dies sein Urtheil habe jener aus der Entfernung abgegeben, nicht auf Grund aktenmäßigen Materials. Gewiß seien Mißerfolge vorgekommen, auch Gewaltthätigkeit und der- gleichen, aber das fi nicht zu vermeiden bei Kolonien, bei einem neuen ungewohnten Unternehmen. Hätten die Engländer und Holländer in ihren Kolonien keine Fehler gemacht ? Gerade vor hundert Fahren habe der berühmte Prozeß gegen den Gouverneur der Ostindischen Gesellshaft, Warren A die ganze Welt erfüllt. (Wiederholte Zwischenrufe des Abg. Bamberger; Vize-Präsident Buhl ermahnt den Abg. Bamberger, den Redner nit so oft zu unterbrehen.) Allerdings werde auch in den Weißbüchern manches getadelt, aber z. B. die Flaggenhissung habe in Folge einer Verständigung zwischen dem General-Konsul und dem Sultan stattgefunden. Die Sache niüsse also niht für so gefährlih angejehen worden sein. Die Weißbücher bôten den Eindruck, daß mit großer Energie, Aufopferung und Krast die Offiziere und Beamten die Positionen behauptet hätten. Das ver- diene Anerkennung und nicht Tadel. Das könne nur ver- stimmen, am meisten in einem Augenblick wie jeßt, wo die Verhältnisse so s{hwierig und die Beamten bemüht seien, noch zwei Punkte festzuhalten. Der Abg. Bamberger fühle sh pan in der Minderheit und meine, daß der Reichs- tag sich durch ihn nicht abhalten lassen werde von der Bewilligung der Vorlage. Aber selbst in seiner eigenen Partei urtheile man niht so absprehend über die Kolonial- unternehmungen. Sehr angesehene Zeitungen seiner Partei hätten, wenn nicht vollkommene Zustimmung, so doch ein sehr entgegenkommendes oder wenigstens vorsichtiges Urtheil in den legten Tagen gefällt, namentlih Zeitungen aus großen Handelspläßen, wie Danzig' und Hannover, wo man den Sachen näher stehe und sie praktischer übersehe. Er glaube nicht, daß der Widerspruch, der hier im Reichstage von einem Dußzend- Personen erhoben werde, in der deutshen Nation auf große Zustimmung rechnen könne. Die deutshe Nation werde über diesen Widerspruch zur Tagesordnung übergehen, und durch ihre Haltung in kolonialen Fragen werde sich von der Partei des Abg. Bamberger auch der Theil der Nation abwenden, der noh zu ihr halte. Die Theilnahme Deutschlands an der Unterdrücckung der Sklavenjagden und des Sklavenhandels sei von großer Bedeutung. Mit einer bloßen Blokade, um die Einfuhr von Waffen und Munition und die Ausfuhr von Sklaven zu verhindern, sei nicht viel gethan, wenn dieselbe auch in Uebereinstimmung zwischen Deutschland, England u. \. w. erfolge. Es müßten vielmehr an verschiedenen Punkten der Küste und im Junnern feste Ausgangspunkte für die Aktion gewonnen werden. Von der Küste allein ließen \ich die entsezlichen Sklavenjagden nit verhindern. Es sei ein Glü, daß mehrere europäische Mächte an verschiedenen Stellen der Küste die Junitiative aa hätten, um weiter Ae fe Auch abgesehen von der Sklavenfrage müsse Deutschland sein Gebiet festhalten: nah den Ereignissen der leßten Tage sei Deutschlands Ehre * engagirt durch die Kämpfe unserer Schiffe. Dem Aba. Bamberger sei ja bekannt, daß. bei den ersten Erwerbungen der vier Landschaften Usagara u. s. w. in dem Kaiserlihen Schußbrief des Kaisers Wilhelm, gegengezeihnet von Bismark, Jener die Oberhoheit übernommen und den Gesellshaften Seinen Kaiserlihen Schuß zugesichert habe, obwohl damals der Reichskanzler wenig geneigt gewesen, auf die Kolonialpolitik einzugehen. Diese Gebiete könne man nicht ohne Weiteres preisgeben ; dieselben fielen ja auch unter die Bestimmung der Kongo-Akte, nah welcher die Signatar- mächte für Ajrika, soweit sie Souveränetätsréhte hätten oder Einfluß besäßen, sich verpflihten, die Gesittung in Afrika zu verbreiten und den Sklavenhandel zu unterdrücken. Dadurch sei Deutshland auch anderen Mächten gegenüber bedeutend engagirt. Es sei ge- wiß dankenswerth und werde auch Hrn. Bamberger beruhigt haben, daß der Reichskanzler heute wiederholt auf das Bestimmteste erklärt habe, es liege ihm fern, die E Nation durch diese Vorlage und are Folgen in irgend welche große afrikanishe Abenteuer zu stürzen, jedenfalls werde er si aber auf den Reichétag und die öffentlihe Meinung in Deutschland stüßen. Jener -habe mit Recht hervorgehoben, daß Deutschland sich auf die civilisatorishe Arbeit in umfassen- dem Maße niemals werde einlassen können, wenn es nit pari passu mit den anderen Mächten erfolge, besonders mit dem uns befreundeten England. Aehnlih wie die Blokade gemeinsam mit anderen Mächten ins Leben gerufen sei, werde au die Politik der deutschen Regierung die sein, dem Sklaven- handel entgegenzuwirken, dadurch allein auch unsere Gebiete zu sichern, dadurch das Land der Kultur zu erschließen und Deutschlands Gewinn an dieser Kultur zu erwerben in voller Uebereinstimmung mit den anderen Mächten. Wenn man das Vertrauen in die Politik unserer Reichsregierun habe, besonders in die Leitung unserer auswärtigen Politik, die mindestens ebenso vorsichtig und umsichtig wie entschlossen sei, dann werde man vor unmöglihen AÄbenteuern bewahrt werden. Blut und Opfer möge es kosten, die Kultur zu ver-

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breiten, den Besißstand zu fder und zu entwickeln, und A

dem Schuy des Deutschen s die Privatgesell ; dem Felde ‘ihrer Thätigkeit zu erhalten N v aften in habe er zur Regierung, daß hier die Nation nit den “d Schritt thun solle zu Abenteuern mit unabsehbaren Folgen. Abg. Bebel: Wenn, wie es die Vorlage verlange die zwei Millionen Mark dem Reichskanzler zur beliebigen "Ver: wendung überlassen würden, dann versprehe er si auth von einer Kommissionsberathung nihts mehr, wie es der A Windthorst thue. Wenn man sich auf eine Be eisterung

Kolonialpolitik im Volk berufe, so sei seiner eigenen

Kenntniß nah hiervon keine Spur vorhanden. Wenn vor 4 bis 5 Jahren eine solhe noch irgendwie bestanden, so stehe heute das deutsche Volk ih bis ans Herz hinan“ der Kolonialpolitik gegenüber. " Die Witerspung der Vorlage ¿eige einen deutlih wahrnehmbaren Widerspruch. Wenn im Eingange ausgeführt werde, daß die kolonialpolitishen Grundsäße von 1884/85 noch heute gälten so heiße es später, daß, da die Ostafrikanische Gesellschaft sih nit mehr in ihrem Besißthum erhalten und ihre Aufgaben erfüllen könne, das Reih für diese Zwecke eintreten müsse. Die Ostafrikanishe Gesellschaft sei doch nur ein kleiner Theil von Großkapitalisten, Bankiers und Kausleuten, die mit dem Jnteresse des deutschen Volkes an sih nichts zu thun hätten. Bei aller Kolonialpolitik sei doch immer Ausbeutung das höchste Gesey und is 5 könne seine Partei ihr nit zustimmen. Sogar in der Bearbeitung ostafrikanischer Ländereien werde sih für die dortigen Bewohner kein Vortheil ergeben. Die Sklaven befänden \sich dort nah einem Vortrage von Dr. Hans Meyer in Dresden in weit besserer Lage als unsere deutshen und europäischen Arbeiter; sie sollten wöchentlich sogar zwei Feiertage haben! Wenn die Deutschen eine solhe Forderung auf: stellen würden, dann wollte er niht den Sturm der Ent: rüstung sehen, -der darüber entstehen würde. Ferner sei die Arbeitszeit der Sklaven in Afrika durschnittlih eine ge ringere als die des deutschen Arbeiters. Die Geschichte aller Kolonialpolitik zeige, daß, sobald ein Europäer in ein fremdes Land komme, er eigene Sitten und Gebräuge einführe und so auch unsere Arbeitszeit womöglih noch weiter ausdehne. Sei der Arbeiter felb#| bei euro: päischen Unterthanen nur ein Werkzeug, ein Arbeitsmaterial, so gelte das noch in höherem Maße gegenüber einer Ve: völkerung, die als einer inferioren Rasse angehörend betrachtet werde. Diese Anschauung habe selbst bei der Ostafrikanischen Gesellshaft Plaß gegriffen. Es gebe heute keine Matt in Europa, die nicht mehr oder weniger mit der Unterdrückung von Empörungen in den Kolonien zu kämpfen habe. So seien kürzlih noch in der niederländishen Kammer

Verhandlungen über die Zustände in den niederländischen |

Kolonien gepflogen worden, welche zeigten, daß bei fei: gender Kultur in der unterdrückten Bevölkerung immer mehr die Ueberzeugung / von ihrer Ausbeutung Platz greife, Aucÿ zu den deutshen Unternehmern habe er kein Vertrauen, daß sie sih human zeigen würden. Das wesentlichste Koloni- sations- und Eroberungsmittel, die Einfuhr von Branntwein, jei darauf gerichtet, die widerspänstige Bevölkerung mürbe zu machen, fie durch den Genuß von Branntwein zu entnerven und zu korrumpiren. Darauf weise au die Mittheilung des Hrn. Hauptmann Wißmann hin von einer Gründung einer Branntweinbrennerei dur einen deutschen Unternehmer in Ost: Afrika. Wennes sich um Verbreitung europäischer Kultur und Ge sittung handeln solle und um ith t M der Sklavenjagden, so müßte man zuerst die Sklaverei selbst abschaffen. Hier aber hätten der Reichskanzler, sowie die Abgg. von Helldorff und Stöder erklärt, daß die Sklaverei, vorläufig noch nothwendig sei und daß man ohne Aufwendung enormer Mittel an eine Abschaffung derselben niht denken könne. Jn den Vereinigten Staaten aber sei doh die Sklaverei ohne jede Entschädigung an dieSklavenbesizer aufgehoben, einfa, weil die Nordstaaten mit den Sklaven verwendendenSüdstaaten nicht hätten konkurriren können. Die ‘Sklaverei sei in allen Zeiten die erste Form der Aus: beutung und der Unterdrückung des Menschen dur den Menschen; weitere Formen seien dann die Leibeigenschaft, die Hörigkeit und \{hließlich das noch bestehende Lohnsystem. Mit allen diesen Formen habe sich das L enun wohl ab- zufinden gewußt und das Lohnsystem gelte heute als das beste Gr Tia Zu den Voraussezungen für eine koloni- satorishe Thätigkeit in Oft - Afrika gehöre ebenfalls die Sklaverei, und daß diese Gesellschaft sich civilisatorishen Auf- gaben zuwenden werde, daran fei nicht zu denken. Wenn die Gesell: haft durch das Reich aufrecht erhalten werden solle, werde man aus einer Verlegenheit in die andere kommen. Hr. von Bennigsen erachte in großem Patriotismus die Opfer für ering, aber solchem Optimismus gebe sich nicht einmal die

eihsregierung hin, welhe fernere Auswendungen für nicht unmöglih halte. Der Reichstag {heine auch vor weiteren Forderungen nicht zurückschrecken zu wollen. Ein unglücklicherer Hinweis als auf die französische Kolonie Tongking könnte nicht gemacht werden. Die Partei, welche in Frankrei dieses Unternehmen unterstüßt habe, an threr Spiße Hr. Ferry, habe jede Popularität verloren. Daß auch das deutsde Volk in der hier gewünschten Kolonialpolitik Opposition machen werde, hoffe er; keinesfalls sollte man sih in Abenteuer einlassen, ohne daß eine ungeheure Mehrheit der Bevölkerung dafür sei. Wenn man erst einmal an den Fieberküsten Ost Afrikas festsize, dann werde, nahdem einmal so viel Gut und Blut aufgewendet sei, es als ein Gebot der nationalen Ehre erscheinen, immer neue Mittel, eine Verstärkung der Flotte, Aufstellung einer Kolonialtruppe u. \. w. zu bewilligen. Gegenüber dem Eifer des Reichstages für diese Vorlage sei die A EDrng des belgischen Politikers de Laveleye am Plate, der es als einen Anachronismus betrachte, heute noh Koionien zu gründen. Wie habe man sich in Deutschland schaden- froh gezeigt, als Frankreich in das Tongking- Abenteuer hinein- gegangen, und gesagt, je mehr Frankreich in Tongking engagir! jei, um so weniger könne es in Europa zu schaffen machen. ebt lege man es r als Hochverrath aus; wenn die Sozialdemokraten gegen diese Vorlage stimmten. Sie hätten zur preußischen Po- itik niht das Vertrauen, daß sie dur ihre Organe in Ost Afrika besondere Anstrengungen machen werde, eine Kolonisation

des Landes in wirklich humanem und wahrhaft christlichem

Sinn durchzuführen. Ein System, das Ausnahmegeseze be liebe, das 10000 Landeseinwohner rücsihtslos aus den Landesgrenzen vertreibe, das den einheimischen Arbeitern die nothwendig|te Schußgeseßgebung versage und jeden persönlichen E erbarmungslos niederzukämpfen suche, ein solches System flöße kein Vertrauen ein.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. v. Kardorff : Der Grund, weshalb der Abg. Bebel die Kolonialpolitik heftig bekämpfe, sei der, daß er \ih eine Stärkung Deutschlands davon versprehe. Die Konservativen wünschten eben diese Stärkung und deshalb unterstützten sie die Kolonialpolitik. Wenn der Abg. Bebel ausführe, jede Kolonisation sei eigentlich zu verwerfen, denn sie beruhe auf fselbstsühtigen FJnteressen und Ausbeutung des Schwächeren, jo übersehe er den ungeheuren Fortschritt, der auf dem ganzen Erdball durch die Kolonisirungen gemacht sei. Was wäre aus Amerika, Ostindien und Australien ohne europäishe Kolonisation geworden? Gewiß seien materielle Snteressen zuerst maßgebend gewesen, aber die idealen Ziele, nah denen die heutigen Missionare strebten, seien doch nicht zu verkennen. Wenn der Abg. Bebel die Sklavenjagden nur durch Aufhebung der Sklaverei überhaupt abschaffen wolle, so müsse er (Redner) ihn fragen, ob ihm denn die zwei Millionen Sklaven, die jährlih auf dem Sklaventransport zu Grunde gingen, mchts bedeuteten ? Wenn Hr. Bebel aus der Aeußerung des Hrn. Wißmann habe heraushören wollen, daß eine Branntweinbrennerei in Deutsch Ost-:Afrika gegründet sei, so habe er (Redner) Hrn. Wißmann dahin verstanden, daß diese Brennerei auf portugiesischem Gebiet gegründet sei. Die Östafrikanishe Ge- sellschaft habe im Jahre 1885 ein außerordentlihes Verbot der Spirituseinfuhr erlassen. Wenn Bebel die ostafrikanischen Gebiete für eine Besiedelung durch Weiße niht für geeignet halte, so bitte er ihn, die neuesten Schriften über Afrika zu lesen, in denen er finden werde, daß gerade das Gebiet des Kilimandsharo für Deutsche vollständig zuträglih sei. Seinen (des Redners) Hinweis auf Tongking habe der Abg. Bebel vollständig mißverstanden. Er (Redner) habe nur daran erinnert, was Frankreich für seine Kolonien ausgeben könne, nit, daß diese Ausgaben immer zweckmäßig gewesen, um zu zeigen, daß unsere e R und zukünf- tigen Opfer hinter jenen weit zurückständen. Wenn der Abg. Bebel sih auf Laveleye berufe, so weise er ihn auf die Ge- schihte der Kolonialpolitik aller Länder hin, welche zeige, daß diese nur dadurch reih geworden seien. Gerade die Arbeiter- klassen dürften sih von den Kolonien viel versprehen. Der Abg. Bamberger habe gemeint, Eile wäre bei der gegenwärtigen Vorlage nicht geboten, in Folge der weiten Entfernung. Daß es aber unter Umständen auf 24 Stunden ankommen könne, eige die Geschihte des Generals Gordon, zu dessen Ges

ie englische Armee 24 Stunden zu spät gekommen sei. Da es uns ebenso gehen würde, wie den Franzosen in Mexiko, sei hon deshalb niht wahrscheinlih, weil wir keine großen

Armeen, wie dies Frankreich damals gethan, aus\schickten. Seine Bemerkung über das Stück Abenteuerlust, das dem Deutschen inne- wohnen solle, halte er auch jeßt noch fest; sei denn Christoph Columbus seiner Zeit nih: auch als Abenteurer betrachtet wordén? Stecke denn in dem Abg. Bamberger nicht auch ein Stück Abenteuerlust? Es sei doc besser, die deutsche Abenteuer- lust in den Kolonien zur Geltung zu bringen, als im Deutschen Reich, wie es der Abg. Bamberger im Fahre 1848 gethan. Das Haus könnte und müßte die Vorlage mit gutem Gewissen annehmen, weil erstens wirklich eine Ehrensache für die deutsche Nation an ihr hänge, da es nicht eine Schädigung der deutschen Jnteressen und eine Beschimpfung der deutschen Flagge dulden könne; dann, weil es ih um einen werthvollen Besiß handele, den man erst durch diese Expedition ganz kennen zu lernen im Stande sei, und shließlich, weil die Anti-Sklavereibewegung für Afrika nur gelöst werden könne in unseren ostafrikanishen Küstengebieten. Er bitte, die Vor- lage mit Einstimmigkeit anzunehmen.

Abg. Simonis (Elsässer): Die Motive des vorliegenden Entwurfs hätten ihn mit großer Freude erfüllt, weil sie von einem Hineintragen der Civilisalion, des Kulturlebens und christliher Gesittung in ferne Länder sprähen. Die Mit- theilungen des Hrn. Hauptmann Wißmann habe er mit großem Interesse vernommen , “aber leider Ee Näheres über die Wirksamkeit der Missionare in Afrika. Die meisten Missionare seien hervorgegangen aus den elsässischen Seminaren und Missionsanstalten. Mit Unreht bezeihne man diese Missionen in Afrika als französische, sie seien von Elsässern gegründet und geleitet. Die Missionare predigten nicht allein die Wahrheiien des hristlichen Glaubens, sie brähten den Negern auch die Wohl- thaten der Civilisation. Er müsse da dem Reichskanzler wider- sprechen, der meine, die Civilisation könne nur von den Kolo- nisten verbreitet werden. Es habe si gezeigt, daß die Ansiedlung der Kolonisten vielfa ein Hinderniß der Civilisation gewesen sei. Die Neger hätten ihren Kindern gesagt, sie sollten sich vor den Weißen hüten, sie seien Menschenfresser. Habe er Hrn. Wiß- mann rect verstanden, so sage derselbe, man könne mit Nach- Ca und Schonung da nichts erreihen. Womit denn onst? Die Missionare hätten es verstanden, ganz neue Dörfer zu gründen, sie hätten Schulen, Fah- \shulen gegründet, Pflanzungen angelegt und dadurch den Negern Bewunderung abgenöthigt. Er könne die Regierung nur bitten, die Niederlassungen der Missionare zu schüßen und zu fördern. Möge sie ihnen in den neuen Nieder- lassungen dieselben Freiheiten geben, deren sie sih an anderen

läßen erfreuten. Um eins aber bitte er besonders: daß diese elsässischen Missionare niht verbannt blieben aus dem Reih und Elsaß, daß sie mit ihren Eltern und Vekwandten frei verkehren und nah Belieben nah Hause zurückehren könnten. So werde man der Christianisirung und Civili- sirung der deutschen Ansiedlungen am besten nügen.

, Abg. von Helldorff : Seine Partei werde der Vorlage zu- stimmen, obgleich sie sich sehr wohl bewußt sei, daß sie damit eine Entscheidung von viel größerer Tragweite treffe, als sie h in den zwei Millionen aus\prehe. Man müsse namentlich 0 handeln mit Rücksiht auf das Engagement unserer deutshen Flagge. Wenn “man es unterließe, das Prestige unserer Flagge zu - wahren, so würde das für die ganze Nation von unberehenbarem Nachtheil sein. Auch ohne Kommissionsberathung hätte die Sache erledigt werden können. Da dieselbe aber beliebt werde, bitte er jedenfalls

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 26.

Berlin, Montag, den 28, Januar

um möglichste Beschleunigung der Kommissionsarbeit. Nach dem, was hier gesagt worden und draußen vorbereitet sei, wäre jeder Tag, um den die Erledigung der Angelegenheit hinausgeschoben werde, verloren.

Hierauf wird die Diskussion geschlossen. /

Abg. Bamberger A Der Abg. von Bennigsen habe behauptet , daß er (Redner) bei der Berathung des Zoll- tarifgeseßes 1879 ausgesprohen habe, durch die Annahme des Tarifs werde der Untergang der deutshen Jndujitrie herbeigeführt werden. Er habe damals nur gesagt, daß der- selbe ihr zum Schaden gereichen werde, und dies sei der Fall gewesen. Hr. Wißmann habe von seiner (des Redners) Zag- haftigkeit und Unschlüssigkeit gesprohen. Wie Jener davon aus feiner Erfahrung etwas wissen könne, sei ihm unbekannt. Er werde ihm aber jedenfalls zugeben, daß er (Redner) hier im Reichstage die todesmuthigsten Reden halten könnte, ohne seine Person auch nur der geringsten Gefahr auszuseßen. Er habe \sih über die Schneidigkeit des Hrn. Wißmann kein Wort erlaubt, werde ihm aber frei halten, in seiner Eigenschaft als Volksvertreter zu unterscheiden, was richtige Zaghastigkeit und Unschlüssigkeit und was verfehlte Schneidigkeit - sei.

Abg. von Bennigsen: Er sei niht in der Lage, seinen Vorwurf gegen den Abg. Bamberger zurückzunehmen. Jn der Sißung vom 3. Mai 1879 habe derselbe wörtlih gesagt: „Das Unglück, den leßten Entschluß über den Tarif noch zu vertagen, ist lange nicht so groß als das Unglück der Zerstörung, die wir in dem ganzen Wohlstand der Jndustrie der deutschen Nation hervorrufen, wenn wir die Vorlage annehmen.“

Abg. Bamberger: Diese Bezugnahme habe einen Schein von Berechtigung. Dem Sinne und Zusammenhange nach sei die Zerstörung nur so gemeint gewesen, wie sie in Wirklichkeit eingetreten sei. d

Die Vorlage wird einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen, deren Wahl und Konstituirung sofort nah Schluß der Sigzung erfolgen wird. j

Schluß 5 Uhr. Nächste Sißzung Montag 3 Uhr.

Land- und Forstwirthschaft.

Verhandlungen des Landwirthschaftsraths von Elsaß - Lothringen, I. Session 1888 (Schluß aus Nr. 24 des Dei St.-A.*), Herbsttagung (Auszug aus dem offiziellen

ericht).

Die Hauptgegenstände der Diskussion in der zweiten Sigzung des Landwirtbschaftsraths, am 8. November, Vormittags, bildeten Wein-, Taback- und Hanfbau. Als Berichterstatter über die Lage des Weinbaues und Weinhandels beklagte das Mitglied Christian Oberlin, Gutsbesißer und Bürgermeister zu Bebelnheim, den in den leßten Jahren zahlenmäßig konstatirten Rüdgang der Produktion und suchte denselben aus der nachlässigen Behandjung und den großen, in der Kellerwirthschaft herrschenden Mißständen zu erklären. Unter- Staatssekretär von" Schraut trat Lieser Ansiht bei. Der- felbe erklärte: die Regierung ‘sei gern bereit, die Zweckmäßig- keit der Einrichtung 14 tägiger Kurse in der Kellerwirths\ s nah der Weinlese zy prüfen, und halte sich insbesondere auch der Mitwirkung der Kreis- und Bezirks3vereine ver- sichert. Leßtere dürften wohl aub damit vorgehen, unter Gewährung von Stipendien aus den ihnen überwiesenen Fonds tüchtige junge Leute in die Pfalz oder an die Mosel zu \s{chicken zum Studium der Kellerwirthschaften. Für die Landesproduktion sei es erwünscht, daß cin lebhafterer Handel in Elsaß-Lothringen organisirt würde, um ins- besondere auch den feineren Weinsorten ein weiteres Absaßtgebiet in Altdeutshland zu sichern. Nab einer anderen Richtung hin sei bereits ein erfreulicher und glücklicher Anfang mit der Verwendung der lothringishen Weine zur Champagnerfabrikation gemacht. Die Versammlung nahm s{ließlich nachstehende Resolution ein- stimmig an: „Der Landwirthschaftsrath ersuht die Regierung, die Frage zu prüfen, durch welche Einrichtungen auf die E einer besseren Kellerwirthschaft hingewirkt werden könnte, und empfiehlt die in dieser Beziehung gemachten Vorfhläge.* Zur Frage, betreffend die Bekämpfung der Reblaus, wurde einstimmig beschlossen: „Der Landwirthschaftsrath ersuht die Regierung, die Frage zu prüfen, in welher Weise am zweckmäßigsten und billigsten die ständige Beaufsichtigung und periodishe Untersuhung der Rebgelände auf Reblaus eingerihtet werden könnte.“ Dritter Be- rathungsgegenstand war ein Antrag des Präsidenten Barons Hugo Zorn von Bulach, der die Bebur des Tabadckbaues betraf. Der Antragsteller motivirte denselben unter Hinweis auf den Rückgang der Kultur des Tabaks. Der Krebsschaden liege darin, daß man den Samen nicht erneuere und mit Fäkalien dünge, wo- durch das Gewicht zwar zu- aber die Qualität abnchme. Unter- Staatssekretär von Schraut gab Namens der Regierung Erklärungen über die von der Tabackt-Manufaktur angestellten Versuche. Solche seien mit Maryland- und Connecticut-Samen durhgeführt worden, und würden, da sie als gelungen zu betrachten seien, noch weiter fortgeseßt. Das Wichtigste sei erg, daß die Fäkaliendüngung aufhöre. Er halte die Taback-Manufaktur in erster Linie für verpflihtet, nah Kräften beizutragen, daß eine bessere Qualität ins Land komme. Ministerial-Rath Keekinan äußerte: Die Taback-Manufäktur habe es stets als eine wirthschaftlihe Aufgabe angesehen, möglichst viel elsässishen Tabak zu verwenden und die Preise möglichst hoh zu stellen, und habe dies auch mit Hintanseßung ibres eigentlichen ge- shäftlihen Interesses erreicht. Aber der elsässishe Tabak sei in Folge der Fäfkaliendüngung gänzli entartet und zu Cigarren nit

eeignet. Die mehrerwähnten Versuche der Manufaktur mit über- ceishen Samen seien gelungen. Der Maryland wahse sehr {chöôn, bringe große Blätter und sei sehr blattreih. Als Cigarrentaback sei der Connecticut ins Auge gefaßt. Es seien wieder Samensendungen bestellt ; dieselben würden von der Manufaktur selbst gezogen und die Pflanzen sodann an zuverlässige Pflanzer hinausgegeben, mit denen ein Vertrag wegen Düngung und Behandlung sowie Scadloshaltung für das Mindergewicht vereinbart werde. Die Versammlung nahm f\{ließlich einstimmig folgende Resolution ant „Der Landwirthschaftsrath erklärt sich mit den in dem vorliegen- den Antrag gemachten Vorschlägen einverstanden und hält es für wünschenswerth, daß die Taback-Manufaktur mit unausgeseßtem Eifer

für die Hebung der Tabackultur im Lande thätig sei." Die einzelnen .

Vorschläge im Antrage lauten wie folgt: 1) Die Direktion der ae lihen Taback-Manufaktur möge sich in einigen tabackbauenden Ge: meinden mit gewissenhaften Pflanzern zur Anlegung kleinerer Versuchs- felder in Verbindung \eßen. 2) Die Taback-Manufaktur wird während mehrerer Jahre nah bestimmten Prinzipien diese Versuche leiten. 3) Den neu zu erprobenden Samen besorgt die Manufaktur; in jedem

rühjahr liefert sie für die Versuchsfelder die nöthigen Tabackpflanzen. 4 ie bestinmt die Düngung der Parzellen mit Stalldünger und Zugabe der passenden künstlihen Düngmittel.. 5) Der geerntete dachreife Tabak wird allein von der Manufaktur übernommen, be-

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1889,

handelt und auf Qualität und Quantität geprüft; der dafür zu zahlende Preis muß den Landwirth vollständig entshädigen; der In- haber des Versuchs\eldes darf in keinem Fall Verlust erleiden, 6) Wir müssen in der Zukunft suchen, in Elsaß-Lothringen solche Tabacke zu erzeugen, die dem jeßigen Verlangen entsprechen, die sih zur Cigarren- fabrikation eignen und zu gleicher Zeit aber auch Gewicht abgeben. 7) Die Tabacte aus Maryland und Connecticut \heinen sehr passend zu sein, um uns das Gewünshte zu liéfern. Diese Sorten Taback geben die Masse und doch ein feines Blatt mit wenigen Rippen und guter Brenn- barkeit. 8) Haben wir durch mehrjährige Versuche über das weitere Ver- fahren Aufschluß erhalten, so muß dann mit der Kultur dieser besseren Sortimente in größerem Umfange vorgegangen werden. 9) Die Tabad-Manufaktur wird jährlih in den verschiedenen Orten angeben, welche Quantität sie von dem neu erprobten Tabak brauchen kann. 10) Die Pflanzer werden aufgefordert, für die Anpflanzung sich mit der Manufaktur über die vorzuschreibenden Bedingungen zu cinigen. 11) Sollte der Fall eintreten, daß in einer Gemeinde mehr Anmel- dungen ftattfinden als das gewünschte Tabackquantum beträgt, so würde das Loos die Pflanzer bezeichnen, die für die Manufaktur zu pflanzen hätten. Sodann erfolgte noch mit allen gegen eine Stimme die Annahme eines von dem Mitgliede, Kaiserlihen Landstallmeister Louis Pasquay (Gutsbesißer zu Straßburg) gestellten Antrages: „Der Landwirth- shaftsrath ist der Anficht, daß es wünschenéwerth ist und im Interesse des Tabackpflanzers liegt, daß die Zölle auf ausländische Taba cke bedeutend erhöht werden.“ Zum 4. Punkt der Tages- ordnung: Hanfbau und Hanfbereitung, legte Baron ¿Bude Zorn von Bulah dar, daß die Lage dieses Zweiges ähnlih wie die des Tabaks sei: die Kultur habe beträchtlich abgenommen. Eine Reihe von Gemeinden längs des Rheins sei auf die Haynfkultur angewiesen, aber der ausländishe Hanf (italienischer und russischer) verdränge den elsässischen vom Markt, weil dieser eben nicht so sorgsam behandelt und gepfleat werde wie jener. Die Hanf- kultur und die Bereitung zu heben, sei der Antragsteller daher zu seinen Vorschlägen auf Unterstüßung der Gemeinden behufs Anschaffung von Hanfbrechmaschinen und Einrichtung von Hanfdörren gekommen. Wo keine Wasserkraft sei, sei jedenfalls der Betrieb leiht durb Miethe von Lokomobilecn einzurichten. Unter-Staatssekretär von Schraut erklärte Namens der Regierung, daß dieselbe in Anerkennung der Widhhtigkeit des Antrages in den Etat fürs nächste Jahr 5000 #4 eingestellt habe. Die Erörterung \chloß mit der einstimmigen Annahme des folgenden Beschlusses: „Der Landwirthschaftsrath ist mit den Vorschlägen des Antragstellers einverstanden und hält es für wünschenswerth, daß aus Landesmitteln Zuschüsse bewilligt werden als Beihülfe an Gemeinden zur Anschaffung von Hanfbreh- und Dörrmaschinen.

In der dritten (Nachmittags-) E. am 8. November, bildete den ersten Berathungégegenstand die Regierungsvorlage: Denk- chrift, betreffend die Ausführung von Meliorationen und Regulirung von Feldwegen. Der nah kurzer Debatte von der Versammlung einstimmig gefaßte Beschluß lautete: „Der Land- wirthschaftsrath spricht \sih dafür aus, daß in Elsaß-Lothringen die Neuanlage oder nothwendige Verlegung von Feldwegen, sowie die Aus- führung von Be- und Entwässerungen tur die Vervollständigung der be- stehenden, für diesen Zweck niht ausreichenden Gesetzgebung im Sinne der Regierungsvorlage angestrebt wird.“ Die în der Vorlage auf- gestellten Grundfäge find folgende : 1) Wo es zur Durchführung einer Unternehmung, welhe nah den Geseßen vom 21. Juni 1865, be- treffend die Syndikatgenofsenschaften, vom 11. Mai 1877, betreffend Abänderung der Gesetzgebung hinsihtlich des Wasserrechts, vom 14. April 1884, betreffend die Anlage und Unterhaltung von Feld- wegen, Gegenstand einer autorisirten Genossenschaft bilden kann, von überwiegendem Nutzen ift, kann eine Verlegung von Grundstücken selbst gegen den Willen einzelner Eigenthümer auf dzm Wege des Austausches stattfinden, wenn die Mehrheit der Betheiligten sih für das Unternehmen erklärt. 2) Die Mehrheit der Eigenthümer zur Genofsen- shaftsbildung soll nach den Bestimmungen des Gesehes vom 21. J 1865 bezw. 11. Mai 1877 berechnet werden. 3) Diejenige Fläche, welche für die Ausführung der unter Ziffer 1 bezeihneten Unter- nehmungen nothwendig ift, wird von den in die Neuregulirung ein- bezogenen Grundftückten nah dem Verhältnisse des Flächeninhalts unter Berücksichtigung des Bodenwerths der einzelnen Grundstücke in Abzug gebracht. 4) Jeder Eigenthümer hat sein Land möglichst wieder in der gleihen Lage, Fläche und Bodengüte und in gleihem Werth zurücßzuerhalten. 5) Die auf den abzutretenden Grund- stücken ruhenden Vorzugspfand- oder sonstigen dinglihen Rechte gehen auf die zum Ersaß zugewiesenen Grundstücke über. Ein von der Ackerbaugesellshaft des Unter-Elsaß eingebrachter Antrag gleichen Betreffs wurde als im Sinne der angenommenen Vorlage erledigt erklärt. Es folgte der Bericht des Landes-Thier- arztes Imlin über die zur Hebung der Rindviehzucht in Elsaß-Lothringen nöthigen Reformen. Als Ergebniß der Berathung wurden folgende Resolutionen gefaßt und Anträge angenommen: In Bezug auf die Zuchtstierhaltung: „Der Land- wirthschaftsrath ist der Ansiht, daß die Einführung eines geseßlichen Zwanges der Gemeinde - Zuchtstierhaltung zur Zeit niht durchführbar erscheint, ersucht dagegen die Regierung, darauf hinzuwirken, daß, soweit thunlich, eine geregelte Zuchtstierhaltung durch die Gemeinden auf freiwilligem Wege ein- geführt werde und daß die Kreis- und Bezirksvereine unausgeseßt in dieser Richtung thätig sein sollen ; insbesondere wird gegen die Ver-

ebung des Zuchtstieres an den Mindestbietenden vorzugehen sein.“ In Bezug auf die Stierkörung : ein Antrag auf Schaffung von Kreiskommissionen, denen der Kreis-Thierarzt als Mitglied anzugehören habe, ohne daß er jedoch den Vorsig zu führen hätte. In Bezug auf Stierankäufe: „Der Landwirth}chaftsrath spricht sih dafür aus, daß der Ankauf von Zuchtslieren im Auslande, insoweit Zu- schüsse aus öffentlibden Fonds in Crage kommen, nit wie bisher kreisweise, sondern nur dur die Bezirkskommissionen vor- genommen werden soll, und daß die angekauften Zuchtstiere in der Regel nur an solche Gemeinden abgegeben werden follen, welche eine geregelte Zuchtstierhaltung eingeführt haben.“ In Bezug auf Vieh- zuhtgenossenshaften: „Der Landwirthschaftsrath erkennt die Bildung von Viehzuchtgenossenshaften als nüßlich an und ersucht die Regierung, darauf hinzuwirken.* Die Berathung der Frage, betreffend Reform der Prämiirungen, führte zu keinem Resultat und die Beschluß- fassung wurde daher bis zur nächsten Frühjahrstagung verschoben. Bei dem nächsten Berathungsgegenstand: „Viehpachtverträge“ schilderte Bezirks-Präsident Freiherr von mmerstein den Krebs - schaden des sogenannten Einstellviehs. Die Versuhe und Bemühun- gen, dieser meist betrügerischen, jedenfalls aber der bäuerlichen

\chaft verderblihen Manipulation der meist israelitisGen Händler entgegenzuarbeiten, spielten bereits seit einer Reibe von Jahren, die geseßliche Abhülfe sei aber auf Schwierigkeiten gestoßen. Im Bezirkstage von Lothringen sei die Meinung zum Ausdruck kommen, dur cin Gesey die Gültigkeit der Viebpachtverträge an deren Oeffentlichkeit, d. i. Eintragung in ein bei der

bebôrde zu Jedermanns Einsicht aufliegendes Bu zu binden. Der Centralvorstand des Bezirksvereins überweise die gane E e Landwirtb\{aftsrath, damit Ermittelungen über das t in den drei Bezirken angestellt würden. Die Angelegenheit wurde auf

einstimmig angenommenen Antrag des sidenten der R zur Erwägung überwiesen.— Aus den übrigen Bera ständen seinod

hervorgehoben cin Antrag des Mülauen, a

ländliche Arbeiterfrage. Der Antrag g