1909 / 127 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 02 Jun 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Niederlande.

Die Tagung des Jnternationalen Kolonialinstituts

ist: gestern im Haag durch den Prinzen Heinrich der Niederlande, der persönlich bei den Betaiuncen den Vorsid führen wird, eröffnet worden. Wie das „W. T. B.“ be- rihtet, begrüßte der holländishe Kolonialminister, die Mit- glieder des Jnstituts. Vor Eintritt in die Tages- ordnung wurden der im lehten Jahre verstorbenen E Elisabeth zu Mecklenburg und dem früheren

eneralgouverneur von Holländish-Jndien Pynacker-Hordick Nachrufe gewidmet. Den ersten Gegenstand der Beratung bildete das Unterrihtswesen für Eingeborene in den Kolonien. Den Bericht erstattete Abendanon, der frühere Chef des Unterrihtswesens in Jndien. Jm Laufe der Debatte sprachen der Herzog Johann Albrecht zu Medlenburg und der Staatssekretär Dernburg

über die Heranziehung von Eingeborenen zur Lehrtätig-

keit, der englishe Delegierte über die Erfahrungen in Jndien, zwei belgishe Vertreter über die Einrichtungen im Congostaat, Professor Köbner- Berlin über die Aufgaben des europäischen Unterrichtswesens in den Ländern mit einer eigenen alten Kultur, insbesondere über die deutsh-cchinesishen Schulen, und der französische Delegierte über die grundsäßlichen Ziele der europäischen Kolonialshulen, namentlich im Ver- hältnis zum Jslam.

Belgien.

Jn der Deputiertenkammer wurde gestern von sozialistisher Seite eine durh Bilderverkäufe des Königs Leopold hervorgerufene Anfrage an die Regierung gerichtet, was sie zu tun gedenke, um den Verkauf von Kunst- werken nah dem Auslande zu verhindern.

Nah dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Unterrichts- minister Descamps, daß die Zeitungsnachrihten übertrieben seien, und es nicht an ängig set, Privatbesiß mit Nationalbesig zu ver- wechseln. Ein Gese in dieser Richtung würde wenig nüßen; wichtiger wäre eine höhere Staatssubvention für die Kunst.

Türkei.

Die Pforte hat der Deputiertenkammer einen Gefey- entwurf über die Errichtung von Unterstaatssekretär- R zugehen lassen, die durh Abgeordnete beseßt werden ollen.

___— Dei der weiteren Beratung des Pensionsgeseßes für entlassene Beamte ist, einer Meldung des „W. T. B.“ age, zwischen der Kammer und dem Senat bezüglich der Höchstgrenze der festzusezenden Pensionen ein neuer Konflikt ausgebrochen. Nach lebhafter Debatte, in der heftige Angriffe gegen den Senat gerihtet wurden, hat die Kammer ein- stimmig beschlossen, an dem ursprünglihen Beschluß festzu- Len und den Geseßeniwurf an den Senat zurückgehen zu assen.

Wie das „W. T. B.“ meldet ist die Ruhe und Ordnung im Wilajet Konia wieder hergestellt und das geraubte Eigentum teilweise zurükerstattet worden.

Bulgarien.

Die bulgarische Note, betreffend die Orient- Len ist gestern an- die Pforte abgegangen. Die fehr maßvoll gehaltene Note protestiert nah einer Meldung des „W. T. B.“ gegen eine Verzögerung des an Bulgarien zu ertcilenden Absolutoriums seitens der Orientbahnen, eine Ver= ögerung, die durch dié noch nicht erreihte Verständigung der Dürkei mit den Orientbahnen verursackt worden sei. Die Note teilt weiter mit, die bulgarishe Regierung habe die russishe Regierung n die Jnkraftsegung des russisch- türkishen Abkommens folange aufzuhalten, bis die Verständi- gung zwischen der Pforte und den Ortentbahnen zustande ge- fommmen ei.

Amerika.

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat die Verordnung zum Einwanderungsgeseß, die die Zoll- einnehmer ermächtigt, Dampfergesellschaften, die verbotene Ein- wanderer ans Land bringen, Geldstrafen aufzuerlegen und diese einzuziehen, „W. T. B.“ zufolge, für verfassungsmäßig erklärt.

Die Botschaft des Präsidenten der Republik Chile zu der gestrigen Eröffnung des Kongresses konstatiert nach einer Meldung des „W. T. B.“ die Herzlichkeit der Be- iehungen zwishen Chile und den übrigen südamerikanischen

epubliken, abgesehen von einigen Meinungsverschiedenheiten mit Peru, die den Frieden nicht stôóren würden, und erinnert an den Schiedsgerichtsvertrag mit den Vereinigten Staaten. Die Einnahmen im Jahre 1908 betrugen 72 448 000 und die Ausgaben 39 Millionen Goldpesos. Das für dieses Jahr ge- nehmigte Budget balanciert in Einnahmen und Ausgaben mit 67 Millionen Goldpesos. Die auswärtige Schuld ist um 345 000 Pfund Sterling vermindert worden. Die Regierung wird dem Kongreß den Verkauf der Salpeterwerke vorschlagen, die dem Fiskus gehören.

Afien.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen- agentur“ hat der türkishe Konsul in Täbris den dortigen Be- hörden ogen erklärt, daß Sattarkhan und Bagirkhan mit ihren bewaffneten Fidais, was ihre Persönlichkeiten und ihr Vermögen anlange, sih unter dem Schuße der türkischen Regierung befinden.

Nr. 22 des „Zentralblatts für das Deutsche Reih“, herausgegeben im Neichsamt des Innern, vom 28, Mat hat folgenden Inhalt: 1) Konsulztwesen: Ernennung; Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandshandlungen; Todesfall, 2) Zoll- und Steuerwesen: Personalveränderung bet den Stationtkontrolleuren. 3) Polizei- wesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichgebtet.

Nr, 43 des „Zentralblatis der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlihßen Arbeiten, vom 29, Mai 1909 hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienstnachrichten. Nichtamtlih:s8: Der Neubau der Charlottenburger Brücke. Ueber Stroh- und Nohrdächer. Eduard Scholkmann f. Ver- mishtes: Auszeihnung. Wettbewerb um Entwürfe für die Be- bauung des städtishen Grundstücks am Münsterplaß Nr. 7 in Aachen. Pcetóbewerbuna um P.äne für einen neuen Marktplaß in Herne. Motkauer Ringbahn. BZ3cherschau.

Zurzeit wir

‘E atiftick und Volkswirtschaft.

ise Mitteilungen aus Düsseldorf.

Nad tatistishen Monatsberichten der Stadt Düsseldorf“ hat sich deren Einwohnerzahl im April 1909 von etwas mehr als 287 000 auf rund 289 000 vermehrt; der Zuzug war stark, wenn auch etwas {n er als im vorjährigen April. Noch weit \{chwächer ader war der We jus, fodaÿß der Wanderungsgewinn im April mit 1454 Köpfen (gegen 1175 im April des Vorjahres) eine seit langer Zeit nit dagewesene Höhe erreiht hat. Der Geburtenüber- \chuß war freilich etwas fleiner als im vorigen April, da die Lebendgeburten mit 30,7 (im April 1908 31,3) aufs Jahr und aufs Tausend berechnet elwas seltener und die Sterbefälle mit 14,8 (14,1) °/0 etwas Mubaee waren. Geheiratet wurde dafür im De InnEenen Monât etwas lebhafter: 205 (183) Gheshließungen, Leih 8,7 (8,0) 9/0. Die vermehrte Mortalität, besonders an nfektions- und Lungenkrankheiten, is der ungünstigen Witterung zu- zushreiben; unler anderem starben an Masern 14 (1), an Diphtherie Ÿ 4 an Tuberkulose 53 (38), an Lungenentzündurng 49 (28) ersonen.

Die hon im Monat März beobachtete Zunahme des Be- \chäftigungsgrades des Düsseldorfer Gewerbes hat sich im April, wenn auch im wesentlihen nur in den Saisongewdörben, fortge|eut, und die Zahl der erwerbstätigen versiherungspflihtigen Mitglieder der Zwangskrankenkassen war am Ende des Monats April mit 71 291 um 2618 “f als im Monat zuvor und um 1224 höher als im

Zahps tvor, Der Zugang an Béschäftigten betrug im Monat April bet dem eeres d den verwandten Branchen 1089, bei der Eisens und Metallindustrie*426; der Arbeiterbestand in der Maschinenindustrie dagegen verminderte fich um 57 und war am Ende des Mons um 690 niedriger als um die gleihe Zeit des Vorjahres, au die Eisen- und Metallindustrie hat den Stand vom Vorjahre noch nit erreicht. Bei der allgemeinen Arbettsnahweisstelle meldeten sh 3343 (im April 1908 3498) männliche Personen, wovon 1477 (956) eine Stelle fanden, d. h. 44 %/% gegen 51 % im Vormonat und 52 9%. im April vorigen Jahres. In den Ergeben der Arbeitsnahweisstelle piegelte fich die kaum gehobene Lao‘ zt} {weren Industrie wieder ; zum Beispiel standen in den Be... "uten der Metallverarbeitung 393 Arbeitsuhenden nur 135 offene Cen und in der Maschinen- industrie 385 Arbeitsuhenden nur 66. offéne Stellen gegenüber.

Der Eisenbahngüterverkehr im Monat April umfaßte im Empfang 221 074 (212 075) Lonnen und damit etwas weniger, im Versand 140 668 (139 874) Tonnen, d. h. etwas mehr als im März. Beim städtischen Rheinhafen wurden 79 264 (72 297) Tonnen zugeführt und 18 327 (10 977) Tonnen abgeführt, so®ß der Gesamt- verkehr 97 591 Tonnen gegen 83274 Tonnen im Vorjahre und 82 660 Tonnen im Vormonat umfaßte.

Die städcktishe Sparkasse hat für den Monat April eine Ver- mehrung der Zahl der Sparkassenbücher (Ueberschuß des Zugangs über den Abgang) um 205 (gegen nur 77 für den gleihen Monat des Vor- jahrs) und einen Uebershuß der erfolgten Einlagen über die Rück- zahlungen im Betrage von 62607 4 zu verzeihnen, während |ch für denselben Monat des Vorjahrs ein Ueberf{uß der Rückzahlungen in Höhe yon 438 384 46 ergab, die städtishe Sammelkasse an Ein- legern elnen Mehräbgang von 28 (gegen einen \solchen von 112 im April vorigen Jahres), an Einlagen aber einen Mehrzugang von 21 497 „6 (gegen etnen folchen von 18299 „46 im Vorjahre). Bet der städtischen Leihanstalt sank die Zahl der verpfändelen Wert- gegenstände im April zum ersten Male seit langer Zeit, von 74 977 auf 72363, die Summe dev darauf gewährten Darlehen von 614071 auf 603798 . Bei der städtishen Hypothekenver- waltung wurden im April 37 (17) Darlehen beantragt, 11 (16) bewilligt und insgesamt 354 000: (132 000) „4 an 10 (6) Darlehns- fucher ausgezahlt.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gesellen zur Bei- legung des Ausftandes im Berliner Bauklempnergewerbe sind, wie die „Voff. Ztg.“ witteilt, an der Weigerung der Ausständigen, die Zulässigkeit von! Alkzrdarbeiten im Tarif anzuerkennen, gescheitert: in den meisten Betrieben nach Akkord gearbeitet. Aus Prag wird dem .W. T. B.“ gemeldet, daß der Ausstand der Arbeiter auf den Shähhten des Westböhmishen Bergbau- Aktien-Vereins vollständig beendet ist. (Val. Nr. 124 d. Bl.)

In Philadelphia ist, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphiert wird, der Straßenbahnverkehr wegen des Ausftands von mehr als 3500 Wagenführern und Schaffnern eingestellt. Der Zentral- atbeiterbund beshloß, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, den General- streik für Donnerstag, sofern der Straßenbahnstreik dann niht vorüber ist. Vielfah wurde die Nuhe geftôört und hundert Verhaftungen vor- genommen. (Val. Nr. 126 d. Bl.)

(Weitere „Statistische Nachrichten“ \. i. d. Ersten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

Die Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik wird in diesem Jahre in Wien, und zwar in der Zeit vom 27. bis 29. September, stattfinden. Auf der Tagesordnung stehen folgende Gegenstände: Gedächtnisrede des Professors F. G. Knapp zum 100. Geburtstag von Georz Hanfsen; die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinden und die Produktivität der Volkswirtschaft. Ueber die prinziptelle Bedeutung der öffent- lichen, speziell der Gemeindeunternehmungen gegenüber den privaten wird Professor C. I. Fuchs (Tübingen) referieren, über die soztal- politishe Bedeutung der Gemetindeunternehmungen Dr. Mombert (Freiburg i. Br.) und über die finanzpolti1ishe Bedeutung dieser Unter- nehmungen Oberbürgermeister Kußer (Fürth). Das Referat über das Wesen der volkswirts{aftlihen Produktivität und die Möglichkeit ihrer Pessung wird Professor Dr. von Philippovich (Wien) erstatten, über den Einfluß des technischen Fortshrittes auf die Produktivität wird Professor Kammerer (Charlottenburg) und über die Messung der Veränderungen des Geldwerts im Aua mange mit der Produktivitätsfrage Pro- fessor Dr. von Wieser (Wien) referieren. Für diese Versammlung gibt sih in Wien in allen maßgebenden Kreisen ein lebhaftes Interesse kund, was schon daraus hervorgeht, daß der Bürgermeister von Wien, mehrere ehemalige Minister, Geheime Räte, Funktionäre der Zentral- stellen und der autonowen Behörden, Hohschulprofessoren und Ver- treter der wirtschaftlichen Korporationen si bereit erklärt baben, dem Ortsaus\chuß beizutreten. Dieser -“Aus\{Guß plant nebst Aut flügen auch mehrere interessante Besichtigungen, namentlich der wirtschaft- lihen Unternehmurgen der Geweinde Wien und des Landes Nieder- ôsterreich. Näheres über die Generalversammlung ist in der Ge- \{chäftsstelle des Vereins, Wien, 1, Eschenbachgasse 11, zu erfahren, wo auch Anmeldungen entgegengenommen werden.

Kunst und Wissenschaft. Alte Geschichte "a Prähistorie.

Die leßten Jahrzehnte haben, dank der hogestleigerten Forschertätig- keit aller Kulturnationen, bie Grenzen unseres Wissens über die Urgeschichte des Menschengeshlechts um ein sehr Bedeutendes in der Vergangenheit zurückgeschoben. Sich dessen bewußt zu werden, ist von höhitem und allgemeinstem Interesse. Ein auf diesem Gebiete führender Gelehrter,

rofessor Dr. Eduard Meyer- Berlin hat in einer der letiten Ver- ammlungen der Berliner Eesellshaft für Anthropologie Rechenschaft von diesen Erfolgen abgelegt. Es ift dem „D. N. A.* darüber das nachstehende, den wesentlichen Inhalt des Vortrages wiedergebende Referat zu Verfügung gestellt worden, wie es im zweiten Heft der Zeitschrift für Ethnologie enthalten ift:

Das Thema lautete: Alte Ge schichte und Prähistorie. Einführend hatte der Vorsißende bei Beginn der Sißung auf den soeben ershienenen ersten Band der Neuauslage der „Geschichte des

Altertums" von Professor Dr. Eduard Meyer hingewtesen. Dieser

habe bereitwillig der Bitte entsprochen, zur Kennzeihnung seiner | dem Werk zum Ausdruck gebrahten Geschichtsauffassung in groß, Zügen die Beztehungen zwischen ältester Geshihte und Prähisty darzulegen, wie sie sich als Früchte der Forshung auf verschieden Gebteten eren 8 j Aa

och vor einem Menschenalter waren die Beztehung zwischen Historie und Prähistorie außerordentlich gering; e ul kaum mögli, eine Verbindung zwischen beiden her; ustellen. Zeugnji ‘des menschlichen Lebens aus vorges{ihtlicher Vergangenheit rourden \ immer steigender Menge und Mannigfaltigkeit aufgefunden ; aber { sprachen noch allzuwenig vom Geschehenen, um diese Gebiete für j Bereich der Geschichte zu erobern. In den leßten dreißig Jahren ah find die Schranken zwischen Historie und Prähistorie gefallen. 9 älteren Epochen, die paläolithische und vollends die eolithishe EntwieälyW entziehen si allerdin; 8 noh faft völlig einer ges{chichtlich greifbaren (i kenntnis; aber vom Beginn der neolithifhen Zeit ab ist es in weile/l Umfange gelungen, die Zeitfolgen und Zeitshichten der prähistorisd Funde genauer zu bestimmen und die einzelnen Gruppen in ihrer indi duellen Eigenart greifbar zu erkennen. Dadurch aber, daß {ie ali Zeugvnifse bestimmter, sich gegen andere abfondernder Menschengrupp zu uns reden, die si in Zeit und Naum fassen ugen und damit f gleih die Frage nah dem Volkstum und dem geistigen Leben derselb! aufwerfen, ist das geshichtliche Problem geftellt, die Aufgabe, diess Zeugniffe ehemaliger mens{hliher Kultur in Verbindung ju seßen mi der Kunde, die wir geshichtliher Ueberlieferung verdanken. Wie wei es gelingen wird, diese Aufgabe zu löfen, ist Sache der Zukunft. Da leßte Jahrzehnt hat, dank einerseits den grundlegenden Arbeite namentli der ffkandinavishen Forscher, andererseits der gewaltige Entwicksung und der gleichzeitigen Vertiefung der Geschichte des Al'er, tums, die enge Verbindung zwischen deu: beiden Gebieten so intensiy gestaltet, daß gehofft werden darf, abermals nah einem Menfchen| alter werde unsere Erkenntnis der Vergangenheit unseres Geschledt ncch um ein Gewaltiges weiter gewahsen sein. Von den Auf, klärungen, welche die Geschichte des Altertums für die „Vrähistoris{hen Probleme geben kann, beabsichtigt der Vortragende, in Anlehnung q die tin setnem soeben ershienenen Geschihtswer? enthaltenen Dar legungen, einen kurzen Ueberblick zu geben. _

Wenn es fih um die Kulturentwicklung der Völker des Altertumt handelt, fo nimmt selbstverständlih Aegypten die erste Stelle ein,l Das leßte Jahrzent hat die Erkenntnis ägyptischen Altertums n allen Nichtungen in reihster Fülle gefördert, sowohl dur die Erf {ließung zahlreiher neuer Monumente gerade der ältesten Epothen, wie dur die intensiven Fortschritte der ägyptologishen Forschung, Von besonderer Bedeutung ist, daß die ägyptishe Chronologie, folange ein fast als hoffnungelos betrahtetes Gebiet, gegen wärtig in den Grundzügen als gesichert gelten kann. Ling

eit mußte die Epoche des „Neuen Neis“, die mit de

e7treibung des Hyksos (um 1575 v. GShr.) beginnt, als di Grenze sicheren Wissens gelten. Jett sind wir vtel weiter gelangt. Die große Epoche der zwölften Dynastie des Mittleren Reis —, dessen Zustände lebendig vor uns stehen, ist dur astronomische Daten auf 2000 bis: 1785 v. Chr. feftgeseßt, mit einem Spielraum von vier Jahren. Jen seits des Jahres 2000 fehlt uns für die Zeit der neunten und zehnten Dynastie eine genauere Angabe; als Zeitraum \ind hier rund 200 Iahr anzusezen. Die Zeit der Pyramidenerbauer (dritte bis sechste Dynastie Altes Reich —), die wir im einzelnen genau kennen, hat dana um 2900 begonnen, fällt also in die erste Hälfte des dritten Jahrtausend?, Damals hat Aegypten seine erste Kulturhöbe erreiht. Jenseits dieser Zeit war es noch vor 15 Jahren sehr \{chwierig, fih zu orten teren, Das ist anders geworden. Wir wissen heute, daß tem „Alten Reich“ das Reich der Könige aus Thinîs, der Thiniten, die erste und zweite Dynastie, voranging, und daß der Begründer dieses ältesten Einheits\staats König Menes, dessen großes Ziegelgrab in Ober ägypten erhalten ist, um 3300 v. Chr. zwishen 3400 und 3200 gelebt hat. Von da ab besiten wir eine feste e der Könige Aegyptens und seiner Staatseinrihtungen. Dcch auch in die Zeiten vor Menes haben wir Einblick gewonnen, hier wesent lih durch Grabfunde, die uns deutlich die Entwicklung der materiellen Kultur des Niltals, der Technik von Ton und Stein, der Ausbildung der ögyptischen Zeichnung und Malerei und die Vorstufen 2 Aufbnge der Htieroglyphenschrift vor Augen führen. Durch die

leberlieferung und die späteren staatlichen Einri Ln wissen wir, daß vor dem Einheitsstaat des Menes zwei Reiche, die Reiche „der Horusverehrer* bestanden haben, das eine in Oberägypten, das andere im Nildelta; auf diese „Horusverehrer“ gehen die grundlegenden Anfänge der späteren Entwicklung der ägytischen Inftitutionen zurück, wie fie zum Teil bis in die Nömerzeit bestanden haben. Vor ibnen lagen noch andere ftaatlihe Bildungen, namentlich ein unterägyptish Reich, mit dem Schwerpunkte in Heliopolis und dem Gebiet von Memphis; und dies Reich hat den äpyptishen Kalender geschaffen, der am 19. Juli 4241 v. Chr. eingeführt is. Diese Feslftellung be: F ruht auf folgenden Tatsachen: das ägyptishe Jahr ist ein. WandeljahrF von 365 Tagen, dessen Neujahrstag der Tag sein soll, an dem unter der Breite von Memphis der Sirius in der Morgendämmerung auf-| geht, d. i. der 19. Juli des jultarishen Kalenders, zugleich der Tag de! Beginns der Nilshwelle. Nun en!fernt fih jedo, wegen der alljährli um einen Vierteltag abweihenden Ungenauigkeit des Kalenders, der Neuf jahrstag alle vier Jahre vom Tage des Siriusaufgangs um einen Tag und trifft erst nah 1460 Jahren wieder auf den richtigen Taq. Da unzweifelhaft bei Einführung des Kalenders der Neujahréta;f mit dem 19. Juli (julianisch) zusammengefallen sein muß, können al! Epochen der Einführung des Kalenders nur Jahre in Betra! kommen, in denen dies ter Fall ift, d. i. 2781 und 4241 v. Chr. im Jahre 2781 aber bestond der Kalender längst. Somit bleibt nuf 4241 als Jahr der Einführung übrig. Daß er im Gebiet} von Memphis entstanden if, geht daraas hervor, daß nur bier det Siriusaufgang auf den 19. Juli (julianisch) fiel. So sind wir bis ins leßte Viertel des fünften Jahrtausends gelangt; und bis in ja über diese Zeit reihen die ältesten Schichten der (Grabfunde im Niltal auch nach den Fundtatsachen und der Folge der Kultursihten ¿weifellos hinauf. Die vor Menes liegende Kulturentwicklung zeigt den allmählihen Uebergang von der Steinzeit zur Metallzeit; man begann Kupfer und Gold zu verarbeiten, während das mahge cene Material der Stein blieb, den man, wie bekannt, in einer in dieser Höhe sonst nirgends F erreichten Vollendung zu verarbeiten verstand. Daneben hat sich di: F Keramik zu reiher Fülle entwickelt; fie zeigt in rascher Folge eine Fortentwicklung von der primitivsten Technik zu mannigfaher Deko F ration, zunächst geometrish, dann mit Darstellungen aus der Pflanzen- F und Tierwelt und dem menshlichen Leben, in denen bereits die Vor stufen des späteren ägyptischen Stils erkennbar find. Je weiter zurúdck,| um so unsi§erer wird die Abschäzung der Zeit; aber als Gesamt-? ergebnis [äßt sich mit Sicherheit ausspre(en, daß Aegypten die führende! Stellung in der Kul!urentwi@lung bis zur Griechenzeit innegehabt hat und immer der Entwicklung anderer Gebiete um Jahrhunderte vorau8gegangen ist. Auch in älteren Zeiten ist Aeç ypten keineswegs von der übrigen Welt abgeschlossen gewesen. Durch die Darstellungen ägyptisher Denk mäler lernen wir seit Menes auch die Nachbarvsölker kennen : Nubier, Lybier und Semiten, charakteristich untershteden dur@ äußert Bildung, Kleidung, Haartraht usw.; wir sehen, wie diesen Völkern die materielle Kultur von Aegypten zugeführt worden i. In Syrien und Palästina reihen die ältesten datierten Funde, die noch eine sehr primitive Kultur zeigen, bis jeßt nicht über die Mitte des dritten Jahrtausends hinaus; aus den ägyptischen Quellen kennen wir dle enge Verbindung mit dem Niltale, wie denn die Pharaonen det Alten Neichs zur Gewinnung des kostbaren Zedernholzes des Libanon Flotten nach Phönikien, speziell nah Byblos, gesandt haben.

Das alte Babylonten ist in der Gegenwart sehr modern und der Tummelplay vieler vager Hypothesen geworden, welche die wissen \haftliche Erkenntnis weit mehr verwirrt als gefördert haben. Aller dings ift auch hier unsere Kenntnis gerade für die älteste Zeit in den lehten F ganz wesentlich vermehrt und verlieft worden; aber dabei hat sich nur um fo deutlicher gezeigt, daß das Land at unteren Euphrat und Tigris die Kulturhöhe Aegyptens niemals erreiht hat und zeitlih feine Kultur keineswegs so hoh hinaufrag! wie diese. Was die arhäologishen Funde angeht, \o war

e E

| Bub lonien ‘’ daburid im Nathteil aegen Aegypten, daß ihm

die Steine fehlen in alten Zeiten siad sie ein höchst kostbares Material, und wie anderswo Metallklumpen, so werden hier unbehauene Steine den Göttern geweiht, die dann gelegentlich von späteren Königen verarbeitet worden sind. Die Kultur Babylontens ist bekannt- lih das Produkt zweier voa Grund aus verschiedener Völker, der Sumerer und der Semiten. Vor der ersten Dynastie in Babel, die um 2060 auf den Thron kam (ihr gehört der König Chammurabt an, um 1958—1916), durch die das semitische VBolkselement definitiv die Vork errschast gewinnt, haite um etwa 2300 das Reth von Sumer und Akkad bestanden, und vor diesem etwa um 2500 das semitishe Reich des Sargon und Naramsin. Vor demselben liegt wenigstens im Süden des Landes eine rein sumerishe Epoche, deren far primitive, langsam sih etwas weiter durhbildende Kultur uns vor allem durch die Funde von Tello b.kainnt is. Die älteften hier gefundenen Denkmäler, rohe Skulpturen und Tontafeln mit Schrift, mögen bis etwa 9900 v. Chr. hinaufreichen, also bis in eine Zeit, da Aegypten fich längst eines geordneten Staats und einer hohen Kultur erfreute. Bis in die erften Anfänge der Schrift und darüber hinaus, wie in Aegypten, haben uns die Funde bis jeßt noch nicht ge}ührt; es ist zu erwarten, daß wir noch weitere Aufschlüsse empfangen werdea. Auf den Höhepunkten, wie unter Naramsin und dann wieder unter Chammurabt, dem sechsten König der ersten Dynastie von Babel (1950), tritt uns ohne Zweifel Babylonien mit einer hoh entwickelten und in sich abzeschlofsenen Kultur entgegen. Aber dann folgt ein Jahrtausend vollen Verfalls und erst unter den Chaldäern gelangt es, wesentli beeinflußt dur) die inzwishen in Assyrien eingetretene Entwicklung, zu èiner neuen

Kulturblüte.

Mesopotamiens “und der östlichen Nachbarländer (Susiana), die unter dem Einfluß Bak yloniens eine parallele Eatwickluny genommen

aben. 9 Wichtiger, in Anbetracht der ganz neuen Aufschlüsse, tie über sie gewonnen worden sind, erscheinen die Nordyölker. in den Gebieten nördlich von der Kette des Taurusgebirges. Daß wir es hier mit einem besonderen anthropologishen Typus zu tun haben, der sh in Syrien und Affyrien wit dem \emitishen, aus Arabien stammenden vermischt, hat bekanntlich Professor von Lushan nachzuweisen gesucht. Immer deutlicher tritt ‘hervor, wie alt diese Verbindung der semitishen Welt mit den WVolksstämmen des Nordens ift, namentlich auch auf religissem Gebiet. Auch zu den Be- wohnern des Euphrat- und Tigrisgebietes reihen diese Wesel- beziehungen hinüber. Im einzelnen freilich bleibt hier noch vieles anz dunkel; es steht dahin, ob die Mitani und Chetiter als Siinnesberwardle der nördlihen Stämme am Kaukasus und Pontus zu betrahten sind. Greifbar treten sie uns zuerst um 1760 entgegen, wo eine babylonische Chronik von einem Eindringen der Chetiter in Babylonien berichtet. Es ist nicht unmöglih, daß damit der in dieselbe Zeit fallende Einfall der Hyksos in Aegypten zusammen- hängt. Ganz neues Material über die Chetiter haben die Entdeckungen Professor Hugo Wincklers ia Boghazkiö! gebracht, die gezeigt haben, daß hier die Hauptstadt des großen Chetiterreihes lag, das uns im 14. und 13. Jahrhundert in den ägyptishen Nachrichten als Herrscher über Kleinasien und Nordfyrien entgegentritt. Von der fortschreitenden Entzifferung der zahlreichen großen Tafeln mit Keilschrift, die er hier entdeckt hat, dürfen wir er- warten, daß die Ethnographie Vorderafiens in wentg Jahren çcanz wesentli geklärt sein wird. Die Kultur der chetitishen Denkmäler dieser Zeit enthält manche selbständige Elemente, ist aber daneben aufs stärksle sowohl von Agypten wie von Babylonien aus beeinflußt.

Weiter im Westen tritt uns in erster Linie Troja entgegen; und hier zeigt ih bekanntlich eine Kultur, deren Entwticklung in engen Be- ziehungen zu der gleichzeitigen Entwoicklung Europas steht. Die älteste Ansiedlung von Troja reiht etwa bis zum Jahre 3000 hinauf. Die trojanishen Funde erfordern hier keine weitere Besprehung; wohl aber muß tarauf hingewiesen werden, daß über die Ethnographie des ältesten Kleinafiens vielfach Vorstellungen herrshen und auch bet Deutung dieser Funde vielfach verwertet werden, die sih als unhaltbar erwiesen haben. Jndogermanen hat es in der älteren Zeit, bis tief ins zweite JFahrtausend hinein, in Kleinasien niht gegeben. Wobl mögen indogermanische Stimme von Thrakien aus etwa vom 15, Jahrhundert ab oder noch früher über die Meerengen gegangen sein; aber ihre weitere Ausbreitung, vor allem die Festseßung des großen, aus Thrakien ge- kommenen Volksstammes der Phryger im Zentrum der Halbinsel hat erst ytel später stattgefunden, offenbar im Zusammenhang mit der großen Völkerwanderung zu Anfang des. 12. Jahrhunderts, der das chetitishe Reich erlegen ist und die ihre Wellen bis an die Grenzen Aegyptens erstreckte und die Philister nah Palästina fübrte. In älterer Zeit haben die Phryger bekanntlich im wes!lihen Thraklien gesessen, und ebenso finden wir die Myser bei Homer im Donaugebiet, wo ihr Name in rômischer Zeit in dem Namen Moesia wieder auftauht. Von FIndo- germanen darf also bei den Funden von Troja und ebenso bei den eng verwandten der ältesten Tumuli Phrygiens sowie der ältesten z¿yprishen Kultur niht geredet werden; diese gehören vielmehr der älteren, in Kleinasien autochthonen Bevölkerung an, der die Karer und ihre Verwandten und wobl auch die Chetiter und Mitani an- zurechnen sind. Mit Indogermanea in Kleinasien dürfen wir nicht vor dem lezten Viertel des zweiten Jahrtausends operieren.

Von der Kulturentwicklung des Aegäishen Meeres und speziell Kcetas haben uns die Ausgrabungen der letzten Jahre ein lebendiges Bild gegeben: wir haben Kunde erhalten von einer Entwicklung von Jahr- tausenden, von der wir ohne die Arbeit des Spatens keine Ahnung haben würden. Die Funde ergaben zugleih eine relative Chrono- logie, die sich durch ihre engen Beziehungen zu Aegypten in eine absolute umsez?zn läßt. Betanntlich hat Evans die kretischen Schichten vom Ende der neolithishen Zeit an in dret Haupt- perioden zerlegt, die er als Early Minoan, Middle Minoan und Late Minoan bezeihnet und deren jede er wieder in drei Unter- abteilungen zerlegt. Jm einzelnen mag hier, namentli in der älteren Z'it, noch manches problematish sein; aber die Hauptmomente stehen fest. Die Ee, Epoche ift identisch mit der früh- mykcnishen (1600— 1400), die hon lange dur die äcyptishen Funde als gleichzeitig mit der 18. Dynastie festgelegt war. Jhr voran geht die ,mittelminoishe* Periode mit den Trümmern der älteren Paläste und den ihnen zugehörigen Geräten. Die ältere Schicht, Middle Minoan I], ist charafkterisiert dur die sogenannten Kamaresyasen mit ihrer hochmodern anmutenden slilisierten Bemalung; sie wird durch stets \i{ch mehrende Funde aus Aegypten als gleidzeitig mit der 12. ägyptishen Dynastie (2000 bis 1800) erwtesen. Auf sie folgt, etwa in der Hyksoszeit, der naturalistishe Stil des Middle Minoan II1. mit setner realistishen Dekoration der Gefäße und den prächtigen Fayencetnkrustationen der Wände sowie den s{langenbändigenden Frauengestalten in threm raffinterten Kostüm. Unter den mittelminoishen Schichten liegt das Early Minoan mit den ältesten Bauten und Gräbern, datiert durch zahl- S E in Form von Zylindern und Prismen, und vor allem

ur die

Dynastie, um 2500 y. Chr., aufkamen. Darunktèr liegt in dem Hügel

vo1 Kuossos ein! neolithishe Schiht von n'cht wenizer als 64 m, die | bis jegt nur oberflählich erforscht ist; sie ragt also jedenfalls weit | {on lassen sich Be- ztehung:n zu der ältesten Entwicklung Aegyptens in den Tonscherben | erlennen. Parallel der Kretas geht die Entwiklung der anderen | Inseln des Aegäishen Meeres. Sehr verwickelt ist die Frage nah

ins yterte Jahrtausend hinauf. Auch hter

den ethnographishen Verhältnissen Kretas, nach den Trägern der einzelnen sh hier ablösenden Kulturshihten. Es ist zu beachten, daß die ganze Westhälste dir Insel, die nah Homer von dem Volksstamm der Kydonen bewohnt war, alte Ueberreste bis jeßt nit e! geben hat, sondern der SckEwerpunkt durchaus im Osten, bis zur Mitte hin, liegt. Hier im Osten hat sich die urgriehishe Bevölke- rung in den Eteokretern lange !erhalten. Ste sind siher identisch mit den Kefti, wie die Träger der kretishen Kultur bei den Aegyptern Ließen, und vielleiht verwandt mit den Lykiern. Ob aber in den älteren Schichten die Bevölkerung gewechselt hat, ob die Eteokreter von anderswo her eingewandert sind, läßt sich nit entsh:iden ; hier, twie so oft, reiht die Möglichkeit, bestimmte Kulturen anschaulich zu

Diese spätere Entwicklung kommt hier für uns niht in Betracht und ebensowenig die sonsti&n Reiche und Volks\tämme

- Bürgers Schwiegermutker.

tegel in Knopfform, wte sie in Aegypten seit der sechsten |

faffen, für die Lösung. der ethnoaraphischen Fragen doch keine9wegs aus. Wie umstritten die Frage i}, wann die Griechen nah Kreta gekommen sind und ob die Burgen, Paläste und Kuppelgräber der mykenishen Zeit auf dem Festlande vorgriehisch oder griechis{ (achäisch) sind, ist bekannt. Einen Anhalt gibt, daß die altkretischen Städte im Gegensatz zu dèn festländisGen stets unbefestigt sind, daß die Anlage der Paläste eine andere ist, daß die auf Kreta entwidckelte Bilderschrift, wie wir mit Sicherheit sagen können, dem Festlande un- bekannt ist. Das alles deutet auf Verschiedenheit der Bevölkerung hin, Dazu kommt von anderer Seite her die Tatsache, daß die Griechen selbst sich durchweg als Aulochthonen in ihrem Lande betraten und von der Ein- wanderung ihrer Vorfahren aus weitentfernten Gebieten, die de einmal stattgefunden baben muß, keinerlet Grinnerung bewahren, im Gegensaß ¿. B. zu den Israeliten oder zu der jüngeren Schicht der griechischen Bevölkerung, den Doriern. Auch von einer vorgriehischen (klein- astatishen) Urbevölkerung, die doch in zahlreichen geographisden Namen teutlihe Spuren erhalten hat, haben sie keinerlei Kunde, abgesehen von einigen Notizen über Karer und Leleger im Peloponnes und Mittel- ariehenland; denn was die spätere Zeit von einer angeblichen pelaskischen Urbevölkerung zu berihien weiß, find durchweg ganz sekundäre Kombinationen, die auf rein literariscGem Wege entstanden find, und geschihiliche Erinnerungen nirgends enthalten. Das alles zeigt, daß wir das Vordringen der älteren Schit der griehischen Stämme (der Achäer) in den südlihen Ausläufer der Balkanhalbinsel in recht frühe Zeit, spätestens etwa in die erste Hälfte des zweiten Jahrtau|ends, seßen müssen; zur Zeit der Blüte der mykenishen Kultur auf dem Festlande, der die Ruinen von Mykene, Tiryns usw. angehören, müssen sie also hon im Lande gewesen sein. Von hier aus haben sie sch dann auf die Inseln ausgebreitet und die ältere, vorgriechisGe Bevölkerung hier unterjocht cder verdrängt. Etwa im zwölften Jahrhundert folgt dann ein neuer Schub nah- dringender griehischer Stämme, der Nordostgriehen (Dorier, Thefsaler usw.). Diese große Bewegung hängt wahrscheinlich mit der gleichzeitigen großen Völkerwanderung zusammen, welche indo- germanishe Völker nah Kleinasien geführt hat. Sie mag dur ein Bordringen der thrakishen Stämme vom Donaugebiet her ver- anlaßt sein. : Aaiecbauvi tritt in der Balkanhalbinsel eine Shichtung der indo- ermanischen Stämme anschaulih hervor. Die Griehen find in den uliérfien Süden gedrängt, und zwar in zwei Schichten, die ältèren griehischen Stämme (Achäer) und die Nordoftgriehen (Dorier). Hinter ihnen drängen von Nordosten her die Illyrier (und die Cpiroten) vor, während im Osten des Rumpfes, vom Donaugebiet aus, die Thraker sich au9gebreitet haben. (Schluß folgt.)

Preisausschreiben für eine Heimatgeshihte. Der Verein für Geschichte und Altertümer der Herzogtümer Bremen und Verden und es Landes Hadeln sowie der Heimatbund der Männer vom Morgenftern erlafsen ein Preisausshreiben für die beste Heimat- geshihte. Es werden zwei Preise ausgeseßt. Um nicht mit dem Arbeitsgebiet anderer Vereine zusammenzustoßen, ist der Bezirk, aus dem die Heimatgeshihte entstammen soll, auf den jeßigen Negierungsbezirk Stade sowie das Amt Ritebüttel beschränkt. Neben der allgemeinen politishen, kirchlichen und kulturellen Geschichte wird eine topographishe Darstellung über Lage, Bodenbeschaffenheit, Stedlungs8form usw. gewünscht, und es follen die rechtlichen, wirtshaftlihen und sozialen Verhältnisse und die zum Gebiet der Völkerkunde gehörenden Stoffe, wie Sitten und Bräuche, Glauben und Sage, berücksihtigt werden. Die Arbeiten find bis 1. März 1911 an den Senator Holtermann zu Stade oder an den Direktor Dr. von der Osten zu Oiterndorf einzusenden. Der erste Preis beträgt 250, der zweite 150 G. Das Preisrichteramt haben Professor Bartsch, Senior von Staden zu Stade, Direktor Dr. von der Osten zu Otterndorf, Rektor Tecklenburg zu Göttingen und Oberlehrer Dr. Rüther zu Hamburg übernommen.

In Lübeck wurde gestern, „W. T. B.* zufolge, der Deutsche Geographentag unter großer Teilnahme deutsher Gelehrter mit Hr ado Begtüßungen und mehreren wissenschaftlichen Vorträgen eröffnet.

Literatur.

Das ¡weile Maiheft des „Grenzboten“ (Verlag voa Fr. W. Grunow in Leipzig; vierteljährlih 6 4) hat folgenden In- halt: Rückblicke und Ausblicke auf die Entwicklung Deutsch-Ost- afrikas. Von Rudolf Wagner; Die Berufs-- und Betrtebszählurg vom 12. Juni 1907. Von Geh. Regierungsrat Dr. Seidel; Der Nastatter Gesandtenmord am 28. April 1799; Die deutshe Shafke- speareüberseßung. Von Profefsor Dr. A. Schhröer. 2; Eiser.konstruktion und Eisenstil. Von Karl Oehring; Schuld? Von Ilse Leskien; Maßgeblihes und Unmaßgeblibes: Reichsspiegel (Kaiser und Reichs- kanzler. Die Vertagung des Reichstags. Die Jdee eines Mantel- aesetes zur Reichsfinanzreform. Neue Vorschläge der Konservativen. Die preußishen Besoldungsvorlagen. Die Beilegung des. Zwischen- falls von Casfablarca. Gespensterseheret in England). Aus dem Wirtschaftsleben (Prozeß Friedberg. Verleitung zur Spekulation). Ein Militärreformer.

Das Juniheft der „Deutshen Rundschau" bringt die Fortsetzung des historishen Volksromans von Enrica von Handel- Mazzeiti „Die arme Margaret“ urd ein Kindergeschihtlein des jungen SHweizer Dichters J. Neinhart „Besuh im Himmel“. Von den wissenschaftlichen Beiträgen seien hervorgehoben die beiden Efsays von Alfred Gerke „Homer und seine Zeit* und von Lady Blennerhassett „Ludroig XIT. und Madame de Maintenon“. Nach bisher unbekanntem Material entwirft Hanny Brentano ein Bild von des frühverstorbenen Dichters Cronegk Liebe zu Estrithe, der späteren Frau Hahn, G. A. Weitere Berichte über ihre „Bootfahrt auf der Werra und Weser“ gibt Marie von Bunsen und führt uns ein werig gekanntes, L[ieblihes Stück deulsher Erde vor Augen. SLeior Carl Krebs bespriht das Musikleben Berlins in der leßten

aison. Die Aufsäße von Professor Eugen Kühnemann über den | ‘arlinage: ep der Harvard-Universität Charles Eliot und von dem

rafen Vay von Vaya über das Indische Reich finden ihren Abs{hluß. Es folgt eine zusammenhängende Darstellung der türkishen Revolution und Besprechungen der neuesten Literatur.

Bauwesen,

Der Wettbewerb um Entwürfe für einen neuen Marktplat in Herne stellt eine Aufgabe, die in gleicher Weise den Arc(hitékien und S:ädtebauer anziehen dürfte. Die im wests fälischen Koblenbeztik liegende Stadt Herne mit zurzeit rund 60 000 Ein- wohnern hat bei ihrer \{nellen En1wicklung bisher keine Gelegenheit zur Schaffung eines selbständigen Städtebildes gehabt. Das soll jeßt vahgeholt werden dur Austeilung eines im Mittelpunkte der Stadt gelegenen, 9 ha großen unbebauten Geländes, von dem 7000 qm für die Anlage etnes Marktplates in Aussicht genommen wird. Verlangt wird ein Lageplan im Maßstabe 1:1000 mit dem Fluchtlinten- entwurf für das ganze städtishe Gelände, in dem die Lage des zu errihtenden Nathauses anzugeben ist. Der Lageplan des Markt- plapee ist im Maßstabe 1 : 200 zu zeihnen und in ihm der Erd- geshoßgrundriß des Rathauses darzustellen. Die an den übrigen Play- wandungen angenommenen Gebäude sind, soweit es zur Erläuterung der geforderten Schaubilder der gesamten Plaßanlage nötig ift, eben- falls im Erdges{hoßarundriß anzugeben. Ein Teil der Ansicht des Rathauses ist im Maßstabe 1 : 50 darzustellen. Den Wettbewerbs- unterlagen ist ein Fluchtlinienentwurf des Geheimen und Oberbaurats ODr.-Ing. Stübben beigegeben, der der Bearbeitung zugrur de gelegt werden kann. Die Nachweisung des Raumbeda:rfs für den vier-

eshossigen Rathausneubau, dessen Bausumme 700 000 46 nit über- Mleriion darf, fordert rund 4740 qm nuybare Fläche.

Land- und Forstwirtschaft.

Saatenstand in Serbien.

Der Kaiserliche Konsul in Belgrad berichtet unterm 20. v. M.- Die große und früh eingetretene Hiße im Monate Mai drohte eine Zeit lang auf die bis dahin vorzüglih überwinterten und gut ent- wickelten Getreidesaaten ungünstig einzuwirken, iadem es an der erforderlihen Feuchtigkeit für das Gedeihen der Wintersaaten und für die Feldbeackerung fehlte. Inzwischen trat mehrmals ein heftiger Wettersturz ein, der Abküblung und Regen, in man: n Gegenden fogar

rost, Neif und Schnee brate. Dadurh ist bei den verschiedenen

aaten ein Stillstand eingetreten, und manche Felder mußten infolge der Vernichtung ‘der Kulturen von neuem angebaut werden. Die neuerdings eingetretene heiße Witterung Deren indefsen zu besseren Erwartungen. Die meisten Mais felder sind erst nah den ausgtiebigen Regentagen Anfang Mai fertig bestellt worden, und diese haben infolge der hinreichenden Feuchtigkeit des Erdreihs und der thnen niht \{chäd- lichen großen Wärme alle Vorbedingungen zum s{chnellen Wachstum.

Am meisten haben unter der Frostwitterung die Obst- und Weingärten gelitten, deren ohnehin kleiner Blütenstand in vielen Gegenden sehr stark heimgesuht worden ist, sodaß man allgemein auf

* ein \{lechtes Obstiaht rehüen muß, namentlich bei den Pflaumen,

die auch noch unter den Nachwehen zu leiden haben, die von der roßen vorjährigen Regennot herrühren. Weniger empfindlih E die Hacksrüchte und die kaum hervorgesprofsenen Maiskulturen gelitten.

Zuckerrübenanbau in den Hauptproduktionsländern Europas. / Nach einer în der Zeit vom 5. bis 15. Mat d. I. gehaltenen Vmfrage der Internationalen Vereinigung für Zuckerstatistik {äßt man den diesjährigen Rübenbau in den hauptfsächlihsten Ländern Europas, wie folgt : Anbaufläche

Gegen 1908 1909 + mehr Hektar

1908/00 1800! 10 * in Betrieb E

gewesene kommende weniger

Deutschland: Ostsu.Westpreußen 19 18 Brandenburg. . 11 11 Pommern. . . 11 11 A ut BO 20 Shlesien. . . 50 50 Provinz Sachsen 103 103 Hannover und

Schleswig- Hol- n C6 Westfalen. . . Hessen -Nafsau . Rheinland Bayern Sachsen . . Württemberg . Baden und Elsaß

Lothringen . Qt ¿e (0 Mecklenburg . Thüringen . Braunschweig Anhalt. .

Summe. . 3958 357

Oesterreichß. Ungarn. 204 202 Frankrei .. «21 250 MuRlauh. «+« BeC ML P 2% L 81

L E 27 48 450 55 790

n E 21 31 919 33 535 Mea p G 7 15000 15 600

In Deutschland haben 3 Fabriken die Umfrage nicht beant- wortet; diese sind aber mit ges{äßter Anbauflähe in dem Gesamt- resultat berücksihtigt. Die Zuckerfabriken Dirshau (Ceres) und Sandersleben haben den Betrieb eingestellt; Zuckerfabrik Nordstemmen arbeitet in dieser Kampagne wieder.

Der Gesamtmehranbau der der Internationalen Vereinigung angehörenden Länder beträgt 2,79 9/0.

Nach von unterrihteter Seite zugegangenen Schäßzungen beträgt

der Anbau in Mehr oder weniger 9% 22,2

24 664 17 318 24 725 51 538 63 726 112 602

23 922 18 171 25 083 51 590 61 381 106 442

38 745 4477 2103

18 591 4 930 4795 3410

2 650

5 555 17 894 7 150 23 919 20 389 149 172

319 122 230 550 567 860

63 100

38 052 4 358 2010

16 321 4 129 4 488 2 995

2182

4 798 18 502

6 250 30 23 329 22 19 892

433 851 330 322 214 780

556 210 57 050

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1908/09 45 000

1909/10

Jtalien 35 000

Mumänien «¿+9018 14 400 + 59,7 Spanien (Rübe) . 25 000 17 000 832,0.

(Nach einer Mitteilung des Vereins der deutshen Zuckerindustrie, Abteilung der Rohzuckerfabriken.)

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

IX. deutshe ärztlihe Studienreise.

Die diesjährige IX. deutsche ärztlite Studienreise beginnt am 3. September d. & im Anschluß an den Internationalen medizinishen Kongreß in Budapest

und endet am 20. September in Hamburg. Besucht werden Pystian, Trenczin-Tepliß, Siofok, Balaton-Fuered am Plattensee, Abbazia, Venedig, Genua, von wo aus mit dem fahrplanmäßigen Doppel- \{hraubenreichspostdampfer des NorddeutsGen Uoyd „Prinz Ludwig“ die Nückreise nah Hamburg über Algier, Gibraltar, Southampton, Antwerpen angetreten wird. Anfragen find zu richten an das „Deutsche Zentralkomitee für ärztlihe Studienreisen* z. Hd. des Generalsekretärs Dr. A. Oliven, Berlin NW. 6, Luisenplaz 2—4.

Theater und Musik,

Deutsches Theater.

Im Deutschen Theater wurde die Sommerspielzeit unter der Direktion der Herren Held und Runge mit der Komödie „Die chide Auguste“ von Gustaf af Geijerstam eröffnet. Der ame des unlängst verstorbenen \{wedischen Dichters ließ ein literarishe8, ein feinpsychotogisches Stück erwarten; dem ist aber niht so. Mit recht unbekümmerter Technik und den naiven Ausdrucks- mitteln, die man sich allenfals in Posse und Schwank gefallen läßt, wird hier die D aufgerollt, wird an dem abshreckenden Beispiel eines verlogenen Diensimädhens gezeigt, daß die wvertrauensseligen err- \{aften immer den kürzeren ziehen; zuleßt \s{leudert das Garten Dienstmädchen seiner Herrshaft ncch eine Art Anklage ins Gesicht, in der die doppelte Moral des dienenden Standes gegenüber der Gesellschaft in recht zweifelhafter Weise verteidigt wird. Das beste, was das Stü zu bieten hat, ist eine Art Spißbubenhumor, der in mancher Szene recht belustigend wirkt, aber nit hinreiht, um die Behandlung des Stoffes in drei langen Akten zu rechtfertigen.. Da hat s|ch unser vielgeschmähter Benedix in seinen „Dienslboten“ erheblich kürzer und im ganzen au E er gefaßt, und auf die Sprache der Küche verstand er si auch besser als Geijerstam mit seinen Ln gebildet redenden, fogar es zitierenden Gestalten. Gespielt wurde das Stück von Fräulein Adele Hartwig

*) Hinsichtlich Deutschlands nah der Novemberumfrage.