1909 / 134 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Jun 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Fn den Sitzungen leitet ex die Verhandlungen mit vollem Stiimm-

recht und sorgt für die Protokollführung. Artikel VI. :

Die Kommission ist berechtigt, die Ministerien um \{riftliche oder mündlihe Auskunft über bestimmte Fragen, um zgzeitweilige Ueberlassung der Amtsakten sowie überhaupt um Beschaffung und Ueberweisung aller für ihre Tätigkeit als erforderlich eradteten Unter- lagen und Vorarbeiten zu ersuchen.

Der Präsident und der Vizepräsident des Staatsministeriums sowie die Refsortminister sind befugt, ih in Angelegenheiten ihres Geschäftsbereihs in den Sihungen der Ausschüsse durch Ministerial- kommissare mit beratender Stimme verireten zu lassen, auch ihr etwa von den Beschlüssen des Aus\{husses abweihendes Votum schriftlich zu den Akten der Kommission zu bringen, die es bei ihrer Bericht- erstattung an den König mit vorzulegen hat. G pri

Von der Anberaumung jeder Ausublipung hat der Vorsitzende die Staatsminister, in deren Geschäftsbereih die Gegenstände der Be- ratung eingreifen, zugleich mit der Einladung der Mitglieder des Ausschufses unter Mitteilung der Beratungsgegenstände in Kenntnis

zu seyen. Artikel VII. / fa Tus übrigen regelt die Kommission ihren Geschäftsgang selb- ndig.

Nachweisung der Mitglieder der Fmmediatkommission zur Vorbereitung der Verwaltungsreform.

Staatsminister Graf Botho zu Eulenburg zu Berlin, or ‘vai Oberpräsident Graf von Zedliß-Trüßschler

zu Breslau,

Präsident des Oberverwaltungegeribts, Wirklicher Geheimer Nat Dr. von Bitter zu Charlottenburg,

Oberpräsident Dr. Freiherr von Schorlemer zu Koblenz,

Oberbürgermeister Dr. Adickes zu Frankfurt a. M,

Landrat a. D., Vorsigender der Landwirtschaftskammer der Provinz Ostpreußen von Batockt zu Bledau,

Landrat von Bockelberg zu Zielenzig,

Geheimer Justizrat, Rehtsanwalt und Notar, Oscar Cassel zu Berlin,

Bankier Ludwig Delbcück zu Berlin,

Königlicher Amtsrat und Rittergutübesißer

Barby,

Studiendirektor der Handelshcchs{chule, Professor Dr. jur. et phil. E dert zu Côln, f

Legationsrat a. D. Krupp von Bohlen und Halbach zu Villa Hügel bei Essen,

Oberbürgermeister Dr. Lenhe zu Magdeburg,

Kammergerichtêrat Eugen Schiffer zu Berlin,

Landesrat, Geheimer Regierungsrat Adolf Schmedding zu Münster i. Westfalen,

ordentlicer Professor der Staatswissenschaften Dr. Gustav

von Schmoller zu Berlin,

Regierungspräsident Schreiber zu Düsseldorf,

Seehandlungspräsident a. D. Freiherr von Zedliy und Neukirch zu Berlin.

Stadtverordneter

von Diegye auf

Finanzministerium.

Die Rentmei sterstelle bei der Königlichen Kreiskasse in Burgsteinfurt, Regierungsbezirk Münster, ist zu beseßen.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Der bisherige Regierungsbaumeister, Professor Franz Seeck isst vom 1. April d. J. ab zum ordentlichen Lehrer an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin ernannt worden.

Dem Dozenten an der Technischen Hochschule in Danzig Dr. M NNS Krüger is das Prädikat Professor beigelegt worden.

Personalveränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Beamte der Militärverwaltung.

Durch Allerhöchsten Abschied. 27, Mai. Haase, Ge- heimer Kriegsrat, Intend. Rat von der &ntend. des 1X. Armeekorps, auf seinen Antrag mit Persion in den Ruhestand verseßt.

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 22. Mai. Versetzt: die Kaserneninsyektoren Reiter in Hohensalza nah Brom- berg als Kontrolleführer, Will in Posen nah Königsberg i. Pr.

94, Mai. Stamm, Proviantamisdirektor in Saar rüden, auf seinen Antrag zum 1. Jult 1909 mit Pension in den Ruhestand

verseßt. ley M ai. See ck (IlI Berlin), Dr. Wollenweber (Düssel- dors), Dr. Rüping (Soest), Spangenberg (I Bochum), Dr. Menzel (IT Hamburg), Rodrian (Lörrach), Arendt (Danzig), Kühn (1 Varmstadt), Dr. Lindt (Wiesbaden), Schmull (Siegen), Oberapotheker des Beurlaubtenstandes, der Abschied bewilligt. 98. Mai. Zuhtz, Rechnungsrat, Rendant der Peilitärpensions-

kasse, auf seinen Antrag mit Pension in den Ruheftand verseßt.

Königlich Bayerische Armee.

München, 6. Juni. Im Namen Seiner Majestät des Königs. Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold, des Königreihs Bayern Berweles, haben Sich unterm 5. d. M. Allerhö #st bewogen gefunden,

ende Personalveränderungen Allergnädigst zu verfügen: den Major z. D. Frhrn. v. Junker u. Bigato von der Stellung als Bezirksoffizier beim Bezirkskommando 11 München zu entheben unter Erteilung der Erlaubnis zum Tragen der Uniform des 21. Inf. Regts. mit den bestimmungsmäß. Abzeichen; dem Major a. D. Hecht die Grlaubnis zum Tragen der Uniform des 2. Feldart. Regts. Horn mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen zu erteilen; den Hauptm. a. D. Schuh zur Disp. zu stellen; den Oberlt. Filhner des 1. Inf. Regts. König, kommandiert zur trigonometrishen Ab- teilung der Königl. preuß. Landesaufnahme, vom 1. Juli d. I. ab auf die Dauer cines Jahres zum Königl. preuß. Großen Generalstabe zu kommandieren; den Fähnr. Schiller des 3. Feldart. Regts. Prinz Leopold zur Res. zu beurlauben; zu ernennen: zum Abteil. Kom- mandeur im 9. Feldart. Regt. den Obersilt. Harlander der Feld- zeugmeisterei unter Erthebung yom Kommando zur Königl. preuß. Art. Prüfungslommission und von der Stellung als außer- etatmäß. militärishes Mitglied des bayer. Senats beim Reichs- militärgericht, zum Bats. Kommandeur im 1. Fußart. Regt. vakant Bothmer den Major Rosenberger, bisher ver- wendet im Reichsdienst als Art. Offizter vom Plaß in Ulm, zum Bejirksoffizier beim Bezirkskommando 11 München den Major j. D. Riederer; zu versezen: den Major Merlack, Abteil. Kommandeur im 9. Feldart. Regt., zur Feldzeugmeifteret unter Kommandterung zur Königl. preuß. Art. Prüfungskommission und unter Bestimmung als außeretatmäß. militärisches Mitglied des bayer. Senats beim Reichsmilitärgeriht, den Oberlt. Ludwig Ferdinand zum 5. Inf. Regt. Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, den Fähnr. Oshmann vom 9. Inf. Regt. Großherzog Ernst Ludwig von Hessen zum 2. Trainbat.

‘von Baden

Robe vom 18. Inf. Reat. Prinz |

München, 6. Juni. Kriegsfninisterium. Im Naftten Seiner Majestät des Königs. Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser, haben unterm 5. d. M, den Musikmeister Kirmse des 8. Inf. Regts. Großherzog Friedrich IL zum Obermusikmeister Allergnädigst zu befördern geruht.

München, 6. Juni. Kriegsministerium. Oberlt. Sch{lichtegroll des 5. Inf. Negts. Großherzog Ernst Ludwig von geen wird vom 1. Juli d. J. ah auf die Dauer eines Jahres zum

rieg8arhiy kommandiert.

_ Münqhen, 4. Juni. Genecralstabsarzt der Armee. Der einjäbrig - freinillize Arzt Daubert des 1. Chey. Regts. Kaiser Nikolaus von Rußland wird“ zum Unterarzt im 11. Inf. Negt. von der Tann ernannt und mit der Wahrnehmung einer offenen Assist. Arztstelle beauftragt.

Nihlamfliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 10. Juni.

Der französishe Botschafter Jules Cambon isst nah Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Botschaft wieder übernommen.

Potsdam, 10. Juni. Séine Majestät der Kaiser und König traf, „W. T. B.“ zufolge, heute früh von

Kiel auf der Station Dallgow-Döberiß M besichtigte das ei

Regiment der Gardes du Corps und das Leibgardehusaren- regiment und begab Sich sodann nah dem Neuen Palais.

Oesterreich-Uugaru.

Der Budgetausscchuß des österreichischen A b- geordnetenhauses hat in der gestrigen Sihung die Be- ratung des Budgets beendet und dieses unverändert an- genommen. Der Titel Dispositionsfonds gelangte mit 25 gegen 20 Stimmen zur Annahme. |

Im Laufe der Debatte erklärte der Ministerpräsident Freiherr von Bienerth, der si die Darlegung der politischen Stellung der Regierung für die hoffentlih bald beginnende Budgetdebatte im Plenum vorbehtelt, „W. T. B.“ zufolge, er könne der Votierung des Dispositionsfonds keine höhere Bedeutung beilegen als jedem anderen Budgetposten für Berwaltungsautlagen. Die Ab- iht der Regierung sei, die Ges@äfte im Sinne nationaler Unbefangenheit, politischer Unvoreingenommenheit und treuer Fürsorge für die wirtschafilihen Interessen der Bevöl- kerung zu führen. Ob und wieweit ihr dies gelinge, könne er selbst allerdings nit entscheiden. Wünschenswert sei, daß man baldigst zum Abschlusse der Handelsverträge mit den Balkanstaaten gelange. Speziell hinsihtli*G Montenegros sei ein Uebereinkommen mit Deutschland notwendig, da es sih bezüglih des Imports von Bieh und Fleis nah den Bocche di Cattaro um Cxemption dieses Gebietes aus dem Veterinär- übereinkommen mit Deutschland handle. Dieser Umstand sowie die politisGen Komplikationen der leßten Zeit hätten bisher nicht über- wundene Schwierigkeiten geboten, doh hoffe der Ministerpräsident, daß auch diese Angelegenheit in absehbarer Zeit eine befriedigende G A finden werde. Der Ministerpräsident bezeichnete s{ließlich die von Silinger (katholish-nationaler Tschehe) gegen den Minister Schreiner erhobenen Argriffe als unbegründet. Silinger imputierte dem Minister einen Eirfluß und eine Wirkun s\phäre, die die eigent- lihe Tätigkeit des ganzen Ministeriums argenslandolos ma@Gen würde.

Ein Resolutionsantrag Conci über die Aufhebung der Institution der Landsmannminister wurde mit 24 gegen 10 Stimmen abgelehnt, dagegen ein Eventualantrag Conci, betreffend die geseßlihe Regelung des Wirkungskreises der Landsmannminister, angenommen. i

Ueber seine vorgestrige Audienz beim König hat Kossuth gestern dem Exekutivkomitee der Unabhängigkeits- partei Bericht erstattet. Wie das „W. D. B,“ berichtet, teilte der Minister mit, daß der König es abgelehnt habe, ein Kabinett ausschließlich aus Mitgliedern der Ünabhängigkeitspariei zu ernennen. Der König habe den Wunsch ausgedrüdckt, daß die fkoalierten Parteien ihre Verpflichtung bezüglih der Durchführung der Wahlreform üm Sinne des Paktums erfüllen. Graf Apponyi erklärte angesihts der shweren Lage ein weiteres Zusammenwirken der fkoalierten Parteien für wünschenswert. Die Abgg. Ju sth und Hollo erklärten dagegen, daß man die Forderung einer selbständigen Bank nicht fallen lassen könne. Auch sei ein Zusammenwirken der Unabhängigkeitspartei mit der auf der 67 er Basis stehenden Verfassungspartei und der Volkspartei weiterhin unmöglich. e wird die Sißung des Exekutivkomitees fortgeseßt. Die Regierungskrise ist durch die \chroffe Stellungnahme der Un- abhängigkeitspartei verschärft.

Großbritannien und JFrland.

Wie das „Reutershe Bureau“ erfährt, finden in der Kretafrage zwischen den Mächten Verhandlungen statt, um die im vorigen Jahre, vor Einführung der türkishen Ver- fassung, über die Rückberufung der fremden Truppen und die darauffolgende Entsendung eines Kriegsschisfes zum Schuße der türkishen Flagge getroffene Entscheidung führen. Gerüchte von damit zusammenhängenden Ver- handlungen türkenfreundlicher oder griechenfreundlicher Tendenz sind unbegründet, denn die Zurückziehung der Truppen erfolgt, ohne den Ansprüchen irgend einer der in den kretischen Gewässern interessierten Parteien zu präjudizieren. l

Jn der gestrigen Sihung des Pressekongresses führte Balfour nah einer Meldung des „W. T. B.“ in einer Ansprache aus:

Das Schickfsal Englands hänge von der Ueberlegenheit seiner Flotte ab. Diese Ueberlegenheit e in den heimischen Seraliera zutage treten, denn das Geschick-. von ustcalien, Canada, Südafrika und Indien werde nicht im Stillen oder Indischen Ozean entschieden werden, sondern in den heimischen Gewässern. Wer \sich bemühe, den Geist der Zeit zu verstehen, werde den gewihtigen Worten Lord Roseberys und Greys zustimmen und anerkennen, daß man über die Berteidigung des Reichs nicht ohne eine gewisse Aengsilichkeit

sprechen könne. Der Kriegsminister Haldane, der darauf das Wort er-

griff, sagte :

Wenn das Reich einig geworden sel, so wäre es das dur die einheitlihe Entwicklung des Reichsgedankens geworden. Wenn das Reich in den nächsten 20 Jahren erfolgreich weiterarbeiten könne, so werde es dann über eine Anhäufung von Hilfsmitieln verfügen, die es zu elner furchtbaren Macht machen müßten. Er lege besonderen Iah- druck auf die wahse-de Wicktigkeit einer schnellen Mobilmachung. Es sei Aufgabe des Reichs, in allen seinen Gebieten einz starke Landes- verteidigung zu shafen, von der man im Falle der Not auch einen Gebrauch machen kônne, der über den Schuß der engeren Heimat hinausginge. j

durhzu- |

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Der Erste Lord der Admiralität Me. Kenna hat gestern in London eine Rede gehalten, in der er, obiger Quelle

zufolge, ausführte:

: ngland veistehe urter der Herrschaft zur See die Macht, die Holhstraßen des Seeverkehrs ofen zu halten. Es sehe die Freihallung dieser Streßen als elne seiner ersten dur seine Stellung ihm auf- erlegten Pflichten an. Es dünfe vor den dur diese Pflicht heryor- gerufenen {weren Lasten nicht zurückschrecken. Welhe Notion habe das gleiche, historisce und dur die Tatsachen der Gegenwart bes gründete Kecht und die gleiche Pflicht, die Seepoltzei auszuüben ? Vie Mission Englands müsse eine friedliche sein. Möge seine Flotte im Vergleich zu den anderen so groß wie nur möglich sein, was es im äußersten Falle mit ihr erreichen könne, würde eine Schädigung des Handels der anderen Nationen sein, und es wisse nur zu gut, daß dies eine Benachteiligung des eigenen Handels bedeuten würde, da es von dem überseeishen Handel jo völlig abhängig sei, wie keine andere Nation in der Welt. Wenn jemand an der N des englishen Anspruchs zweifle, so möge er auf eine Gelegenheit hins weisen, bei der England seine Flottermacht mißbraucht hätte. In

der ganzen Vergangenheit fei sie ein Werkjeug des Friedens gewesen. Er vertraue, daß, so lange England seiner Aufgabe gewachsen sei, es nie das Recht aufgeben werde, der See zu s{chühen.

die Freiheit und Unabhängigkeit auf

Frankreich.

Der Justizminister hat das Vermögen der Kirche zu Stins- les - Tressins, Departement Pas de Calais, nah einer Meldung des „W. T. B.“ der katholischen Kultus- vereinigung überwiesen, die sih troß dem vor kurzem er- lassenen ausdrücklihen Verbot des Papstes gebildet hatte. Die fatholishen Blätter erheben scharfen Einspruch gegen die Ent- scheidung des Justizministers, weil sie angeblih mit dem Trennungsgesez in Widerspruch stehe.

Rußland.

Die Reichsduma hat gestern, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, nah vierzehnstündiger lebhafter Debatte die von 39 oppositioncllen Abgeordneten an die Minister des Jnnern und der Justiz eingebrachte Interpellation, betreffend die Tätigkeit des Verbandes des russischen Volkes, mit 131 gegen 87 Stimmen angenommen.

Der Ausschuß des Reichsrates hat den Geseß- entwurf, betreffend Abänderung des Wahlrechts in den neun westlihen Gouvernements, abgelehnt.

Ftalien.

Der Minister des Aeußern Tittoni hat, „W. o s O gestern vormittag die türkische Gesandtschaft zur Notifizierung der Thronbesteigung des Sultans empfangen. Die ission wird heute vom König in feierliher Audienz empfangen werden.

Spanien.

Der König Alfons hat, dem „W. T. B.“ zufolge, ein Dekret unterzeichnet, durch das dec Konteradmiral Spottorno vom Marineministerium und der Konteradmiral Estran, Chef des Admiralstabes, die ein Gutachten abgegeben hatten, das sih gegen die Uebertragung des Baues des neuen Ge- shwaders an die Spanische Schiffsbaugesellshafi aussprach, von ihren Posten enthoben werden.

Türkei. Dem gestrigen Ministerrat ist ein korrigierter Vertrags-

entwurf für das Arrangement zwischen der Pforte und

der Orientbahn vorgelegt worden. Die Unterzeichnung er- folgt erst nah Genehmigung soitens des Verwaltungsrats der Orientbahn und des Parlaments. Wie das „W. D. D. meldet, enthält der korrigierte Vertragsentwurf die Klausel, daß die Orientbahn bis zum Jahresabshluß eine ottomanische Gesellshaft werden muß. Das Kabinett betrahtet diese Be- stimmung als eine besondere Errungenschaft und als eine Ge- nugtuung gegenüber der öffentlichen Meinung und glaubt, daß sie au die Annahme dur das Parlament erleichtern werde. Jn einer Note des Großwesirs wird der Kammer angezeigt, daß die Christen die Zahlung der Militär- steuer verweigern und die Airahige des Gesehentwurfs, betreffend die Ableistung des Militärdienstes, drins gend verlangen. Die Kammer hat obiger Quelle zufolge beschlossen, daß die Erhebung der Steuer bis zur Annahme dieses E die in 14 Tagen möglich sei, aufgehoben werden müsse. ) Asien.

Infolge der von dem Gouverneur von Maragha Schud-

[d auddowleh getroffenen energishen Maßregeln | aben, wie as „W. T. B.“ meldet, die Kurden, die Soudjbulak und Mianah belagerten, den Rückzu g angetreten.

Dem „Osmanischen Lloyd“ zufolge haben Sattar Khan und andere persische Nationalisten an das türkishe Parlament ein Telegramm gesandt, in dem sie gegen das gesehwidrige Vorgehen der Russen pro- testieren und ihre Fluht ins türkische Konsulat anzeigen. Sie bitten das türkishe Parlament, die Hoffnung der ganzen mohammedanischen Welt, das für die Freiheit so viele Opfer gebraht habe, namens des Zslam um Hilfe.

Afrika.

Eine spanishe Truppenabteilung, die aus Ceuta ausgerückt war, um bei den Quellen am Fuße des Affen- berges Wasserleitungsarbeiten vorzunehmen , ist nah einer Meldung der „Agence. Havas“ eine Stunde weit ohne Zwischenfall in das Junere vorgerückt und von der Be- völkerung gut aufgenommen worden. Die Notabeln der Andjeras erklären, sie würden eing Besezung durch die Spanier der Negierung Raisulis vorziehen.

Nach einer Depesche des Generalgouverneurs von Französish-Westafrika wurde in Mauretanien in der Nähe von Mudjeria eine unter Führung eines Hauptmanns stehende Truppenabteilung von Mauren angegriffen. Auf Seiten der Mauren fielen zehn, auf Seiten der ranzosen drei Mann. Die Angreifer wurden in die Flucht geschlagen.

Koloniales.

Die Deutsche Kolonialgesellschaft trat am 9. Juni in Oresden zu ihrer diesjährigen Tagung zusammen. Wie eW. T. B. berichtet, wohnien der S'tung Seine Majestät der König und dle Spitzen der \ächsischen Staals- sowie der städtischen Behörden bei. Jn seiner Eröffnungörede hob der Präsident der Kolontalgesell schaf, Seine Hoheit der Herzog Johann Albrecht zu Me Flenvur e Regent tes Herzogtums Braunschweia, hervor, daß in den Ab- teilungen der Gesellschaft ein reges Leben herrshe und der foloniale Gedanke im deutshen Volke immer mehr um greife. Der Redner gedachte sodann der Enthüllung des Wissmann-

denkinals in Daresfalam und anderer Vorgänge in den deutschen Kolonien und kieß alle erschienenen Gäste auf das berzlichste will- kommen. Nachdim hierauf die Vo:sißende des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, reifrau von Richthofen, die Versamm- lung begrüßt hatte, wurde in d e Tagesordnung eingetreten. Aus dem Fahresberiht!für 1908 ist u. a. hervorzuheben, daß die Mitgliederzahl im Berichtsjahre von 36 956 auf 38 509 gestiegen ist, während die Zahl der Abteilungen sich um 13 erhöht hat. Die Vecsammlung sandte an Seine Majestät den Kaiser folgendes Telegramm ab:

„Eure Majestät bittet die Kolontalgesell|@aft, welhe am heutigen Tage in Sachsens Hauptstadt in Gegenwart Seiner Majestät des Königs in ihrer Hauptversammlung vereinigt ist, thren ehrfurcht8vollen Huldigungsgruß darbringen zu dürfen. Wollen Eure Majestät zu-

leich die Versicherung in Gnaden entgegennehmen, daß die Deutsche olontalgesellshaft, wie bisher, so auc in ukunft ihre ganze Kraft dafür einseßen wird, um zu des Reiches Macht unh Ehre die Er- fenntnis von der Notwendigkeit deutshen Kolonialbesigzes in die weitesten Kreise des deutshen Volkes hineinzutragen. Eurer Majestät treu gehorsamste Kolonialgesell schaft.“

Sodann beschloß die Versammlung mit allen gegen drei Stimmen, an den Reichskanzler eine Eingabe zu richten, wona sie es für \{ch{ädlich hält, die Pflanzungserzeugnisse unserer Kolonien mit Ausfuhr- zôllen zu belegen, weil 1) dadur die Rentabilität der Pflanzungen in Frage gestellt oder unter Umständen unmöglich gemacht wird, und weil wir 2) uns dadurch die Roherzeugnisse für unsere heimische Industrie in unwirtshaftlicher und handelspolitisch falscher Weise verteuern. Unter feinen Umständen dürften solhe Ausfuhrzölle eingeführt werden ohne Anhörung der betreffenden Gouvernementsräte und der heimischen inter- essierten, geseßlich berufenen Vertretungen. Darauf folgte die Be- ratung über den Antrag der Abteilung Berlin, die Eingeborenen nit zum Eide zuzulassen, sondern es bri den bisherigen Zuständen zu be- lassen. Nach lebhafter Debatte wurde der Antrag einstimmig an- genommen. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde u. a. ein von dem Herzog Johann Albrecht warm befürworteter Antrag der Ab- teilung Königsberg auf Errihtung von Professuren für sinologische Studien angenommen. Alsdann rourde zum Ort derx nächstjährigen Tagung Stuttgart gewählt.

Nr. 45 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 5. Juni 1909 hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dieustnachrichten. Nichtamtliches: Der Einfluß großer Autoomnibusse auf Chausseen. Das neue Amtsgericht und Gefängnis in Kottbus. Vermischtes: Wettbewerb für Möbelgruppen, Wettbewerb, betreffend Bebauungs- plan Danzig-Schellmühl. Verwendung von Kiefecnholz zu Fenster- \prossen und Wasserschenkeln. Bücherschau.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die streikenden Stemmer der Firma Borsig in Tegel, die vorgestern die Wiederaufnahme der Arbeit abgelehnt hatten (vergl. Nr. 133 d. Bl.), waren gestern vormittag nochmals versammelt, um zu den neuen Zugeständnissen Stellung zu nehmen. Wie die „Voss. Ztg." mitteilt, beschlossen sie mit 33 gegen 14 Stimmen, den Aus- an zu beenden. Die Arbeit sollte heute wieder aufgenommen werden.

Auf dem Berliner Gewerbegeriht begannen am Dienstag die Einigungsverhandlungen in dem {on mehrere Monate andauernden Ausstand der Bauklempner. Derselben Quelle zufolge konnte noch keine Einigung erzielt werden. Ueber den Verlauf des Streiks sei erinnernd mitgeteilt, daß die Arbeitgeber im Klempnergewerbe am 1. April eine Aussperrung vorgenommen hatten, weil in ver- schiedenen Betrieben infolge Nichterneuerung des Vertrages ein Streik ausbrach. Wie der Vertreter der Klempner bei den Einigungsverhandlungen betonte, haben im Laufe der Zeit 126 Firmen den neuen Tarif, der von den Arbeitnehmern aufgestellt ist, anerkannt. Die Richtigkeit dieser Angaben wurde von dem Vertreter der Arbeitgeber bestritten. Von den der Vereinigung der Arbeitgeber angehörenden großen Firmen hätten nur 4 den Tarif der Arbeitnehmer angenommen. Nach setner Schäßung würden nur höchstens 200 Gesellen zu den neuen Bedingungen arbeiten, also nur 10 v. H. der überhaupt im Berufe tätigen Klempner. Da ein Ausgleih troy der wiederholten Versuche des Vorsißenden von Schulz nicht gefunden werden konnte, so mußten die Verhandlungen abgebrochen werden. T

Ueber den gestern kurz gemeldeten Ausstand der Arbeiter der städtishen Müllabfuhr in Kiel wird der „Köln. Ztg.“ noch mitgeteilt, daß die Abfuhrarbeiter die höchsten Löhne unter den städtishen Arbeitern beziehen. Die Stadtverwaltung ist auf einen Ausstand vorbereitet. Es treffen Ersaßleute aus Hamburg ein, und die Abfuhr wird \chon heute wteder aufgenommen. Städtische Polizeibeamte werden die Abfuhrwagen begleiten und die Arbeits- willigen \chüßen, da die Fimerabfuhr im gesundheitspolizeilichen Interesse liegt.

In Verfolg eines vor einigen Tagen in zwei Steinbrüchen bei Ecauss ines ausgebrohenen Streiks haben, wie W. D, D. aus Brüssel meldet, gestern alle nee yon Ecaussines und Umgebung einige tausend Arbeiter ausge perrt.

In Marseille haben die eingeschriebenen Seeleute be- \{lofsen, den Marineminister zu bitten, einen obersten Schiffahrtsrat zusammenzuberufen, dem das Schiedsrichteramt übertragen werden und dessen Entscheidung sofort dur eine ministerielle Verordnung be- stätigt werden soll. (Vergl. Nr. 131 d. Bl.)

Wohlfahrtspflege.

Die unter dem Protektorat Seiner Majestät des Kaisers und Königs stehende König MWilhelm-Stiftung für er- wahsene Beamtentöchter, die am l. November 1881 ins Leben getreten ist, verfolgt den Zweck, die Wohlfahrt der erwahsenen Töchter aller derjenigen verstorbenen preußischen Staatsbeamten zu heben, die im Bereiche der Zivilverwaltung eine höhere oder cine mittlere Stelle bekleidet haben. Zur leßteren Gattung werden auch Förster, sowie Steuer- und Grenz- aufseher gerechnet. Die Stiftung suht ihr Ziel auf doppeltem Wege zu erreichen, indem fie an unverheiratet gebliebene, mindestens 17 Jahre alte Töchter solcher Beamten weder einmalige und laufende Unterstützungen zur Verbesserung der wirtshaftlihen Lage oder Stipendien zur Ausbildung in einem wissenschaftlichen, künstlerishen oder tehnischen Fache gewährt. Im Rechnungsjahr 1907 wurden 52 637 A als Unterstüßungen und 8550 #4 als Stipendien, ¡usammen also 61 187 4 verteill; davon gelangten 9/9 nah Berlin und 91% in die Pro- vinzen, Töchter von höheren Beamten erhielten 32 %/ und Töchter von mittleren Beamten 68 9/0, Der Siß der Stiftung ist în Berlin. Die Verwaltung führt ein aus drei Mitgliedern bestehendes Kura - torium, das von Seiner Majestät ernannt wird. Ihm sind zwei stellvertretende Mitglieder beigeordnet, deren Berufung durh den Minister des Janern erfolgt. Dem Kuratorium steht in jeder Provinz, und zwar am Orte des Okerpräsidiums, eine Provinzialkommission zur Seite, deren Organe sich als Ver- trauensmänner über die ganze Provinz verteilen. Die Anforderungen an die Stiftung sind in stetem Wachsen begriffen und Fônnen aus den zurzeit vorhandenen Mitteln nur in unzureihendem Maße befriedigt werden. Die Vermehrung dieser Mittel, insbesondere der Jahres- heiträge, ist deshalb dringend notwendig, und es wäre sehr erwünscht, wenn die hon jetzt bei einer Anzahl von Behörden bestehende Ein- ung, daß jeder höhere Beamte 3 H und en mittlere Beamte 1 4 jährlichen Beitrag zahlt, zahlreihe Nachahmung fände.

ent-

Kunst und Wissenschaft.

Daß; bei der Benußung vielgelesener, durch viele Hände ge- gangener Bücher die Gefahr der Verbreitung ansteckender Krankheiten besteht, i dur sorgfältige Versuche festgestellt worden. Ueber die Fnfektionsgefahr durch Bücher und ihre Beseitigung hat im letzten Heft des „Zentralblatts für Bibliothek¿wesen“ der Vor- steher der Bücherei der Kaiser Wilhelm-Akademie in Berlin, Pro- fessor Dr. med. Hiller, interessante und beahtenswerte Mitteilungen gemacht. Als dur Bücher übertragbar kommen in erster Linte in Betracht die Tuberkulose, sodann die Diphtherilis, Sharlah, Masern und Pon. Aber auch die Gefahr der Uebertragung von Gesclechttkrankheiten Gonorzhöôe, Syphilis) is nach Hiller niht ausgeschlossen, wiewohl

älle hiervon noch nit mitgeteilt sind. Bei den akuten Infektions- franfkheiten haben Du Cazal und Catrin nah den Mitteilungen der „Annales de l’Institut Pasteur“ die Uebertragbarkeit durch Bücher fest- gestellt, weitere Versuche von A. Krauß haben diesen Befund bestätigt, ebenso hat J. Mitulescu im Berliner Institut für Fnfektionskrankheiten unter Robert Kochs Leitung von 97 benußten Büchern (Romanen, Novellen, Zeitschriften), die das Kuratorium der Berliner Volks- bibliotheken und Lesehallen dem Institut zur Untersuchung übergeben hatte, dur Ueberimpfung von f chmußigen Papterstückchen oder wäfsserigen Auszügen solcher auf Meerschweinhen in der großen Mehrzahl der Bücher Bazillen der Tuberkulose, des malignen Dedems und der Septichämie aufgefunden. Die Bestände der Leihbibliotheken mit Unterhaltungslektüre und der Volksbibliotheken sind naturgemäß vor- zug8weise der Gefahr der Infektion ausgeseßt; bet den stark benußten Büchern solher Sammlungen ist daher Vorsicht durhaus am Playe. Sie sollten bet dem Uebergang von einer Hand in die andere stets mit einem reinen Umschlag versehen werden, und der Leser follte nah jedesmaligem Gebrauh des Buches \ich mit Seife die Hände waschen. In gut geleiteten Volksbibliotheken werden auch bereits dem Leser die Bücher in einem jauberen Umschlag eingehändigt. In den wisseoshaftlihen Bibliotheken ist die Gefahr der Uebertragung von Krankheiten im allgemeinen niht schr groß. Vorsicht ist aber au hier geboten bei tuberkulösen bezw. lungenkranken Benuyern und bei Familien, in denen ansteckende Krankheiten herrs{en. Hiller fordert, daß in diesen Fällen die Benuyer vor der Rückgabe zur Dess infektion der Bücher verpflichtet werden find die Benußungsordnungen einen entsprehenden Paragraphen enthalten sollten. Die in den Anti- quariat?buhhandel gelangenden Bücher rühren in der Regel aus Nach- lässen Verstorbener her. Ste werden aufgekauft fast immer ohne Rücksicht darauf, an welcher Krankheit der Besiger gestorben ist, Gin Glüd hierbei ist es, daß fast alle parasitären Krankheitserreger, die wir bis jeßt kennen, eine begrenzte Lebensdauer haben und in ange- trocknetem Zustande in drei Wochen bis zu fünf Monaten absterben. Bücher, die etwa ein halbes Jahr unbenußt geblieben find, kann man daber im allgemeinen als keimfrei und ungefährlich betraten. Die- selbe Ansteckungsgefahr wie dur viel benußte Bücher droht natürli auch durch die Dienstbücher und Akten von Behörden. Hiller teilt hierüber zwei in der medizinishen Literatur besprochene Fälle mit. Fn Lansing, der Hauptstadt des nordamerikanischen Bundesf\taates Michigan, orben kurz hintereinander die 20 Angestellten eines Bureaus an Lungentuberkulose. Die bakteriologische Untersuchung der viel ge- brauchten Akten dieses Bureaus erwi:s das Vorhandensein von lebenden Tuberkelbazillen, die durch einen an Schwoindsuht leidenden Angestellten auf die Bücher und Akten gelangt waren. Ein ähnlicher Fall foll sich in einem Petersburger Staatsamte zugetragen haben ; au hier konnten durch eine Untersuung lebende Bazillen auf dem Aktenmaterial festgestellt werden. Schließlich is auch die Uebertragung ansteckender Krankheiten durch Briefe in einer Reihe von Fällen na- gewiesen worden. Am häufigsten ist die Ansteckung bei Scharlach be- obachtet worden, sodann bei P und Masern. In Südamerika ist au die Vershleppung des Gelben Fiebers dur Briefe festgestellt worden, und die bei der großen Choleraepidemie in Hamburg |pora- disch im Deutschen Reich aufgetretenen Choleraerkrankungen sollen gleih- falls dur Briefe verursacht gewesen sein, An ein Desinfektionsmittel für Bücher sind nun zwei Anforderungen zu stellen: zunächst muß es die Krankheitskeime sicher abtöten und sodann das Buh, Druck und Pater, unbeschädigt lassen. Nah Hiller sind zwei Verfahren als rauchbar befunden, nämli die Des infektión mit feuhter heißer Luft von 80° und 6090/6 relat. Feuchtigkeit und die Desinfektion mit unter Vakuum strômenden Formaldehyd-Wasser- dämpfen von niedriger Temperatur. Das erstere ist das einfachere und billigere und kommt für Bibliotheken zunächst in Betracht. Der Apparat zur gleihzeitigen Desinfektion von sechs bis zehn Büchern stelt sh bei einer Berliner Firma auf 1245 M, für vier bis sechs Bücher auf 990 #4. In England und Amerika ist die obligatorische Bücherdesinfektion bei anste@enden Krankheiten bereits vielerorts angeordnet, und die Bibliothekg- verwaltungen werden von den bei der Polizei eingegangenen Meldungen über ansteckende Krankheiten in Kenntnis gelegt. In Wien sind durh amtliche Verfügung vom 12. Mai 1903 die ezirksärzte gehalten, die bei den Desinfcktionen der Wohnungen vorgefundenen Bücher mit zu desinfizieren, sofern sie niht vernichtet werden sollen. Das Kuratorium der Berliner Volksbibliotheken und Lesehallen hat dafür gestimmt, die stärker beschmußten Exemplare der Bücher zu verbrennen. Bti einer Bolksbibliotkek, die fast nur über moderne und leiht erseßbare Literatur verfügt, und für die das Neueste gerade das Beste ist, läßt I 2) gegen ein solches Verfahren nichts einwenden, für eine wissenschaftliche Bibliothek wird es nur in einzelnen Fällen anwendbar sein. Hier ist es Pflicht des verantwortlichen Leiters, die Bücherbeslände möglihst vor dem raschen Untergange zu bewahren. Es muß einmal offen aus- gesprochen werden, daß heute in Deuts{land von manchen Bibliotheken gegen diese Pflicht sehr gesündigt wird. Eine Sammelwut und die Su&t, mit möglihst hohen Benußungsziffern in der Statistik glänzen zu können, haben heute vielfa den Blick dafür getrübt, daß es eine der vornehmsten Aufgaben des Bibliothekars ist, die Geisteshäße zu bevor und in einigermaßen anständigem Zustande auf die Nachwelt zu bringen.

Der Verwaltungsaus\{huß des Germanischen Museums in Nürnberg hat den Konservator und Bibliothekar Dr. Theodor Hampe zum Zweiten Direktor der Arstalt gewählt. Dr. Hampe ift 1866 in Bremen geboren, studterte in ari und Bonn deutsche Sprache und Literatur sowie Geschichte und wan te ih im Verlaufe seiner späteren Studien hauptsählich der deutschen Kulturgeschichte zu. 1893 trat er als Assistent in den Dienst des Germarischen Museums, 1898 wurde er zum Konservator ernannt , gleichzeitig wurde ihm die Verwaltung der Bibliothek übertragen. Dr. Hampe wird, wie die „Münch. N. N.“ mitteilen, auch ferner im Hauptamt die Verwaltung der Bibliothek beibehalten.

Ucher einen kostbaren Fund in der Linzer Studiens bibliothek? berihtet deren Vorstand, Professor Dr. Schiffmann, in der „Linzer Zeitung": Die vielen wertvollen Funde, die ich während meiner bisherigen Amtswirksamkeit an der hiesigen Studienbibliothek gemacht habe, überragt an Dg die Entdeckung von zwei Blättern der von Fust und Shöffer in Mainz im Jahre 1462 gedruckten lateinishen Bibel. Ste hatten als Deckel- bekleidung eines 1522 bei Ad. Petri in Basel gedruckten Buches (Tafel der Kaiser und Könige) gedient und wurden von mir im Mat d. I. gefunden und abgelöst. Zur Beleuchtung thres Wertes mögen ein paar Bemerkungen gestattet sein: Nachdem Gutenberg im Fahre 1455 den Prozeß mit seinem Mitarbeiter Fust verloren und diesem sein ganzes Druckmatertal hatte abtreten müssen, verband \ich Fust mit dem sehr tüchtigen Peter Shöffer, und beide druckten dann gemeinsam mit Gutenbergs Materialien und Pressen das be- rühmte Psalterium vom Zahre 1457, das erste datierte Druckwerk der Welt, und fünf Jahre später, am 14. August 1462, vollendeten Fust und Schöffer den Druck der ersten vollständig datierten Bibel, zwei Bände in Großfolio, die wegen dieses Umstandes, mehr aber noch

wegeneihrer hervorragenden iypographischen Schön&beit, unter allen ge- drudckten Bibeln den höhsten Rang einnimmt. Kurz nach Vollendung dieses Prachtwerkes, in der Naht vom 27. auf den 28. Oktober 1462, wurde die Stadt Mainz ‘von feindlichen Scaren in Brand gesteckt und die Drukoffizin zerstört. Fust überlebte die Katastrophe nur vier Fahre. Seine zahlreichen Gehilfen zerstreuten si in alle Winde und trugen so, fbgleih sie eidlih zur Geheimhaltung des Kunstgeheimnisses verpflihtet waren, die Kunst der Buchdrukerei in nahe und ferne Länber. Dieser ersten datierten lateinishen Bibel Fusts und Shöffers also ge- hören die von mir entdeckten zwei Blätter an, die aus einem Exemplare auf Pergament stammen und Teile der Paulinischen Briefe enthalten. Von ihrem materiellen Werte gibt die Tatsache eine Vorstellung, daß größere Bru(stücke aus dieser Bibel, wenn sie überhaupt im Handel auftauhen, um 2000 46 ausgeboten werden. Die wenigen vollständigen Exemplare, die noch erhalten sind, mußten um enorme Beträge er- worben werden. Schon_ im Jahre 1823 galt ein {önes Exemplar auf der Perry-Auktion 4300 4, im Jahre 1873 aber wfurde das Perkins-Cxemplar für 15600 4 verkauft, und aht Jahre später wurde das Sunderland-Exemplar, au auf Pergament, für 32 000 4 versteigert. Es handelt sich also um eine Seltenheit ersten Ranges, von der, wenn auch nux Bruchstücke zu besißen die Studtienbibliothek nunmehr fo glüdcklich ist. “ée

Der Worpsroeder Landschaftsmaler Friy Overbeck ift, „W T. B.“ zufolge, noch niht ganz vierzi [t, v tern in Brôcken bei Vegesack gestorben. L Ma S A E

Bauwesen.

Gin Wettbewerb um Entwürfe für ein Denkmal Großherzog Friedrichs I. in Karlsruhe wird unter den im R Baden ansässigen und den aus Baden stammenden Künstlern bis zum 15. Dezember 1909 ausgeschrieben. Drei Preise von 5000, 3009 und 2000 A sind ausgesetzt. Das Preisgericht Sli aus den Herren Professor Adolf Brütt îin Weimar, Baurat Julius Gräbn& in Dresden, Professor Adolf von Hildebrand in München, Professor Wilhelm Kreis in Düsseldorf, Profcssor Louis Tuaillon in Berlin. Dur Einreichung eines Entwurfs verpflichtet sich der Ver- fasser, die Ausführung des Entwurfs zu der im Voranschlag fests geseßten Kostensumme zu übernehmen, falls ihm längstens bis 15. März 1910 der Auftrag dazu recht3wirksam erteilt wird. Genaue Pläne des für das Denkmal in Aussicht genommenen Teils des Friedrihsplaßes find vom städtischen Tiefbauamt in Karlsruhe zu beziehen.

Land- und Forstwirtschaft.

Zur Hebung der Landeskultur sind im Re(nungsjahre 1908 an Gemeinden uud öffentliche Anstalten, Privatgrundbesizer und Wegebau- verwaltungen aus den Staatsforsten an Holzpflanzen zum Selbst- kostenpreise abgegeben worden:

Laubholz Nadelholz

Hunderte

e {n der Provinz Zusammen

Ostpreußen Westpreußen Brandenburg Pommern Posen Schlesien

1 102| 22 233| 94 4595| 11 382| 29 243| 34 1595| 21 296| 59

28| 49

1192/26 484| 84

1457| 06 399| 13

6 430| 40

24 158| 16 11 507) 59 11 500) 43 4757| 99 6855| 61 13 922| 16 7 437| 99 241| 30 53 480) 71 1574| 48 21 463| 97 5 416) 34

162 316] 73

25 260| 38 11 741/53 11 955| b4 5 140| 24 7 098| 95 14 077| 37 7 734/58 269| 75 54 672| 97 2 059| 32 22 921| 03 5 815| 47

168 747| 13,

Hannover Westfalen Hessen-Nafsau Rheinprovinz

Zusammen . .

Verkehrsanfstalten.

Gestern vormittag ist in Essen a. d. Nuhr die Hauptversammlung der europäischen Fahrplankonferenz eröffnet worden. Außer dem preußischen Eisenbahnministerium und dem Reichseisenbahnamt sind, ,W. T. B.* zufolge, offiziel Bayern, Oesterreih-Ungarn, Holland, Frankreich und Italien vertreten. Ferner sind 180 Mit- glieder von Eisenbahndirektionen sämtlicher Staaten Europas an- wesend. Der Eisenbahndirektionspräsident Lehmann -Essen begrüßte den Kongreß im Namen des Eisenbahnministeriums und der Eisen- bahndirektion Essen. In Vertretung der Stadt Essen war der Ober- büraermeister Geheimrat Holle anwesend. Als Vrt der am 8. und 9, Dezember stattfindenden europäishen Fahrplankonferenz wurde ein- stimmig Straßburg gewählt.

Der Herausgeber des „Berliner Lokalanzeigers“ Herr August

S cherl hat kürzli eine mit zahlreichen Karten, Plänen und fonstigen Abbildungen Ege ane Denkschrift der Oeffentlichkeit übergeben, in der er Vorschläge zur Verbesserung des Verkehrswesens mat. Eine Anzahl von Fa(leuten hat ihn bei der genauen Durh- arbeitung seiner Jdeen unterstüßt und, wie in der Denkschrift erklärt wird, auch ein brauchbares Schnelibahnfahrzeug konstrutert, das, mit einem Kreiselapparat versehen, cin einschienig laufendes Beförderungs8mittel bei einer Stundengeschwindigkeit von200 kw bieten foll. Der Verfasser der Denkschrift vertritt die Ansicht, daß die gegenwärtig bestehenden Bahnen, trogaller unbestreitbaren Verdienste des heutigen Bahnsystems, den immer steigenden Ansprüchen niht mehr gewachsen seien. Der Güterverkehr könne neben dem Personenverkehr niht mehr genügend bewältigt werden und dieser erreihe bei niht genügender Zugfolge nicht die ge- wünschte Schnelligkeit der Fahrt. Er \{chlägt deshalb vor, die heutigen Bahnanlagen dem Güterverkehr allein zu überlassen und für den R besondere Schnellbahnen anzulegen. Betriebsmittel olle der oben erwähnte einshienig laufende elektrishe Schnellbahn-

wagen werden. Auf freiem Gelände solle dieser, zu einem Dreiwagen- zug zusammengestellt, auf einem hohen Betondamm laufen. In den Groß- \städterwill Herr Scherl ein sogenanntes Radialperiphertesystem an ewandt sehen. Ringbahnen sollen die Großstädte umlaufen und Radtalbahnen, die vom Mittelpunkt der Stadt strahlenförmig ausgehen, jene unkter- \{hneiden. Diese Bahnen im Weichbilde der Städte sollen aber nit, wie heute die Stadtbahnen, dem Zuge der Straßen folgen, fondern gradlinig hoch über die Häuser fort auf besonderen Viadukten geführt werden. Durch die Häuser sollen kräftige Betonpfeiler geführt werden, die dann die Gisenkonstruktion der Viadukte tragen. Bet Kreuzungen der Ring- und Strahlenbahnen, die in vershiedenem Niveau liegen, sollen die Reisenden durch Fahrstühle von Wagen zu Wagen be- fördert werden. Die Zentralbahnhöfe der Großstädte denkt 19 der E der Denkschrift als gewaltige Rundbauten, n deren Kuppel die s\trahlenartig einmündenden Fernbahnen einmünden. Die Verkehrszentralen olle durch ein wELRRABZE Net soler Schnellbahnen mit einander verbunden weiden, während ein System von Zubringeneßen, die kleinen Städte und das flache Land umspannend, diese Fernbahnen speist. Ein ¡weites Kapitel der Denkschrift ist der technischen Dur{führbarkeit dieses Systems ge- widmet; es enthält nähere Angaben über das Einschienensystem und über den erwähnten Schnellbahnwagen mit Kreisel sowie über den Ausbau der Strecke, ihre Sicherung und die Bahnhöfe. In einem weiteren Abschnitt i} die Frage des Betriebes behandelt, während das dritte Kapitel wirishaftlihe und soziale Ausblicke enthält. Die Fragen der Finanzierung und der Rentabilität werden dabei nur ganz

kurz geftreift,