1909 / 144 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Jun 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Dem Landrat Freiherrn Laur von Münchhofen ist die kommissarishe Verwaltung des Landratsamts im Land- kreise Hanau, Regierungsbezirk Cassel, übertragen, der Re- ierungsassessor Dr. S Bmieding, zurzeit beurlaubt, ist dem

andrat des Kreises Ostprigniß zur Hilfeleistung in den land- xätlichen Geschäften zugeteilt worden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M.S. „Loreley“ in Therapia eingetroffen. | :

S. M. S. „Leipzig“ ist vorgestern in Manila ange- Tommen und geht morgen nah Tfsingtau in See. :

. M. S. „Cormoran“ ist vorgestern von Mersina

nach Alexandrette abgegangen.

S. M. S. „Zltis ist gestern von Pagoda Anchorage nach Amoy in See gegangen.

S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ geht heute von Wuchow nach Varning.

Wildpark, 22. Juni. Jhre Majestät die Kaiserin und Königin ist, „W. T. B.“ zufolge, gestern abend von Fe in Wildpark eingetroffen und hat sich nah dem

euen Palais begeben.

Oesterreich-Ungarn,

Das óösterreihische Abgeordnetenhaus seßte in der gestrigen Sißung die Spezialdebatte über das Budget fort. Wie das „W. T. B.“ berichtet, dankte der Handelsminiftér Dr. Weiskirhner für die seinem Ressort gezollte Anerkennung und betonte den guten Willen des Handelsministeriums, allen Aufgaben und Forderungen tunlichst zu entsprechen, wobei jedoch budgetäre Nücksichten nicht außer aht gelassen werden dürftèn. Der Minister kündigte eine Meihe soztalpolitisher Vorlagen für die Herbstsession an sowte eine Dienstpragmatik für die Beamtenschaft und verwies darauf, daß vérshiedene, die Interessen des Gewerbestandes fördernde Vor- lagen gegenwärtig dèn Reichsgewerbebetrat beschäftigten. Der Minister trat ferner für \{chnellste parlamentaris@e Erledigung des rumänischen Handelvertrages und des handelspolitishen Ermächtigungsgesetzes ein und trat der Agitation der Agrarier gegen die Handelverträge ent- egen. Er hob dabei hervor, daß, während der Führer der grarier Hohenblum im Jahre 1903 die Sperrung der ser- bischen Grenze nur aus veterinärpolizeilichen Gründen verlangte, in den Geseßentwürfen der Negierung festgesetzt: sei, daß mit den Balkanstaaten nur dann Handelsverträge ge|hlossen werden dürften, wenn eine Einfuhr lebenden Viehs überhaupt nicht stattfände. Die Negterung erfülle also jeßt mehr, als was damals begehrt worden sei. Der Minister betonte, daß der Abs{luß von Handelsverträgen nicht nur im Jnkerefse der Industrie und Hunderttausender von Arbeitern liege, sondern einer Forderung des gesamten Staatslebens und der Forderung entsprehe, daß Oesterreich am Weltmarkte teilnehmen Tonne: Der Ackerbauminister Braf hob heroor, daß 60% des Ackerbaubudgets aus Subyventionterungen beständen. um der Landwirt- {aft industrielle und kommerzielle Vorteile zukommen zu lafsen. Dies sei jedoch nur ein Durchgangsstadium, das. überwunden werden müsse. Der Arbeitsminister Nitt sicherte die Schaffung eines ent- \sprechenten Verhältnisses zwtshen Technikern und Juristen im Staats- dienste zu und versicherte, daß die Regierung dem gewerblichen Unter- richt die größte Aufmerksamkeit zureaden und die eifrige Pflege des Fremdenverkehrs sih angelegen sein lassen werde.

Großbritannien und Jrland.

Das Unterhaus ‘hat gestern mit den Verhandlungen Über die einzelnen Bestimmungen des neuen Finanzgeseßes begonnen. Das Gese besteht aus 74 Artikeln. Die Re- gierung hat, „W. D. B.“ zufolge, für die Erledigung der Verhandlungen keine bestimmte Frist festgeseßt. Die ersten sechs Artikel handeln von den neuen Grundsteuern und N zu den heftigsten parlamentarischen Kämpfen Anlaß geben.

In Beantwortung mehrerer Anfragen über den Wood- burn-Zwischenfall wiederholte der Parlaments-Untersekretär im Auswärtigen Amt Mc Kinnon Wood die bereits be- kannten Zatsachen und fügte hinzu, er könne vor Empfang des amtlichen, russishen Berichts und der Darstellung des Schiffs- Tapitäns weitere Angaben nicht machen.

Frankreich.

Ueber die vom Finanzminister Ca illaux geplanten neuen Steuern werden vom „W. T. B.“ noch folgende Einzelheiten mitgeteilt:

Die neken der bereits bestehenden Erbanfallfteuer einzuführende besondere Ste uergebühr auf das reine Erbschaf1s3aktivum beträgt bei Erbschaften bis 10 000 Fr. 1/500 9%, von 10 - 50 000 Fr. 2/10 9/0 und steigt sodann bei Erbschaften von über 50 000 Fr. bis 50 000 000 Fr. von /100 bis 2 9/9. Ueberdies wird u. a. beartragt eine Stempelsteuer: von 5 Cents für Quittungen über 10 Francs steigend bis zu 2 Franc3, eine Verbrauchssteuer auf alle Essenzen für Automoöbilwagen von 5 Francs für das Hekto- liter, eine Erhöhung der Plakatsteuer, eine Stempelsteuer auf franzôöfis{che Kolonialanleihen und / eine ‘staatliche Hundesteuer mit einer Skala yon 1,50 Francs bis 28 Francs.

Fn der Deputiertenkammer richtete gestern der radikale Deputierte Berteaux aus Anlaß der vorgestrigen Ruhestörungen auf dem Rennplay von Auteuil an den Arbeitsminister Viviani eine Anfrage, in der er das Syndikat der Stallburshen in Schuß nahm und darüber Klage führte, daß die zumeist englischen Trainer Stallburschen entlassen hätten, bloß weil diese dem Syndikat beigetreten seien. Viviani“ versprach die Vermittlung der Regierung fe der Vereinigung der Rennstallbesizer und dem Stall-

urschensyndikat. Darauf seßte die Kammer die Beratung des Zolltarifs fort. Nußland.

Der Reichsrat hat, „W. T. B.“ qufolge, in seiner estrigen Sißzung den Etat ha 1909 ‘in Einnahme und usgabe und die Vorlage, betreffend Abänderung des

neun westlichen n der von der Reichsduma festgeseßten

Reichsratsw ahgesepes in den

Gouvernements, Fassung angenommen. Spanien,

Die Königin Victoria Eugenia ist einer Depesche des „W. T. B.“ zufolge heute früh 6 Uhr 25 Minuten auf Schloß La Granja von einer Tochter entbunden worden.

Türkei, Die Deputiertenkammer verhandelte gestern, wie das „W. T. B.“ meldet, wieder über die Weitererhebung der Militärsteuer für Christen, ohne zu einer Beschluß:

fassung zu kommen, und nahm eine dringende Jnter- pellation an den Minister des Jnnérn über die Lage in Albanien an.

_— Der General D\chawid, Kommandant der 18. Nizam- division, ist nah Mitrowißza zurückgekehrt. Jn Djakoba hat er nur zwei Bataillone Fußtruppen und eine Batterie Artillerie uri Cg an was als Beweis dafür angesehen wird, daß die Ruhe im Gebiete von Djakoba gesichert ist.

L Montenegro. folge b ie Skupschtina ist „W. T. B.“ zufolge heute nah Beendigung ihrer Arbeiten durch fürstlihen Ukas geschlossen

worden. Afrika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Fes ist Mulay Mohammed, ein Bruder des Sultans, gestorben. Mulay Hafid hatte ihn für den Aufstand der Stämme zu Gunsten des Roghis verantwortlih gemacht.

Der Roghi seßt die Verwüstungen in der Umgegend von Fes fort. Ould Mohammed Chergui ist in Fes eingetroffen, sofort vom Sultan empfangen worden und gleich wieder abgegangen, um den S mit einem Tabor (Bataillon) Neger und vier Tabors der von den Beni-Mter gestellten Mahalla zu bekämpfen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sißzung des Reichstags befindet sih in der Erstèn And Zweiten Beilage.

Statistik und Volkswirtschaft.

“_ Zur Arbeiterbewegung.

Die Bauklempner in Berlin, die hon seit zwölf Wochen im Ausftand stehen, haben gestern in einer. Versammlung in den Andreasfestsälen dea vom Einigungsamt des Berliner Gewerbegerichts gefällten Schiedsspruh mib 248 gegen: 48 Stimmen abgelehnt. Eine darauf folgende allgemeinë* Klempnerversammlung beschloß der „Voss. Ztg.“ zufolge ebenfalls die Ablehnung des Schiedsspruchs. Der Streik wird also fortgeseßt.

Infolge der Bauarbeiteraus\perrung in Hamburg (vergl. Nr. 141 d. Bl.) find jeßt insgesamt 12375 Bauarbeiter entlassen. Dazu kommen noch etwa 3500 Arbeiter verwandter Branchen, die infolge von Arbeitsmangel, der dur das Stilliegen der Bautätigkeit verursacht wurde, felern müssen. DieBaumaterialienhändler haben sich ver- Is solange die Aussperrung dauert, kein Material na Hamburg zu Liefern. ‘7 er Ausstand der Sktraßenbahner in St. Petersburg ist beendet. Die Führer des Ausstandes wurden ausgewiesen, der Rest hat sich der Verwaltung unterworfen.

(Weitere „Statistishe Nahrichten“ \. i, d. Zweiten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In dex Junlisizung der VorderasiatischenGesell schaft behandelte der Protellor, De Marti Hartmann ein Thema, dag allsettigen Interesses sicher seinþarf, li die Frage, wie ursprüng- lih der Stab pu seiner Vi&lKetttgen Bedeutung im Leben des Menschen gelangt ist? Der Rebner, als ein erster Kenner der \arabischen Sprache und Kulturwelt- bekannt: und anerkannt, knüpfte seine Betrachtungen an eine arabishe Ueberlieferung an. Ift es doh seit lange sein Bestreben, nachzuweisen, welche Bedeutung eine weitausblickende Orientalistik besißt, die Ethnologie und Soziologie in ihr Bereich zieht. Ja diesem Sinne wirkt Professor Hzrimann, bisher unter den Fachgenofsen in seiner lieferen Erfassung der Auf- gaben setner Spezialwissenschaft vielleißt niht genügend verstanden, stets ebenso anregend als überzeugend in seinen Mitteilungen. Den gleichen Eindruck riéf bei den Hörern | auch feine Behandlung des oben ge- nannten Themas hervor: „Der Erste, der beim Reden vor dem Volke einen Stab truz, war Quß Ibn Sä‘ ida“, begann der Vortragende, und war mit diefen Worten sogleich tnmitten einer von arabischen Autoren wiederholt erwähnten Sage, in deren Mittelpunkt ein weiser Häuptling aus arauer Vorzeit steht. An diesen angebli ersten Stah von nicht zufälliger Bedeutung mußte Professor Hartmann denken, als er kürzlich in Côln das Rautenstrauch-Joest-Museum besuhte und in den vorzügli geordneten Abteilungen Australien, Neuguinea und Südsee zahlreihe Exemplare des „Häuptlingsstabes“ sah. Gibt es hier Beziehungen, zwischen Südsee und Arabien? zwischen Häuptlings- stab und Rednerstab? Die Versuhung liegt nahe, auh hier ih des sogenannten „Völkergedankens* zu erinnern, der Ansicht, daß es gewisse Dinge gibt, auf die gewissermaßen als eine Naturs notwendigkeit die Menschen von selbs kommen, kommen müssen. Aber man wird gegebenenfalls den „WVölkergedanken“ in seiner all- gemeinen Anwendung doch ablehnen müssen, wenn Beziehungen der angedeuteten Art zwar niht zur Südsee, aber nach anderer Seite gerade beim Stabe nahweisbar sind, wonach der Rednerstab der Araber im zweifellosen Zusammenhang steht mit dem Stabe, der seit den ältesten Zeiten în der gesamten Mittelmeerwelt als Zeichen des Herrschèrs oder doch eines mit einer gewissen Machtvollkommenheit ausgestatteten Mannes galt. Es ist in diesem Punkte zu erinnern an das hohé Altertum jener Art von Herrscherstab, die in den Kulturstaaten noch heute als „Zepter“ weiterbesteht, und an den kaum weniger alten und allgemeinen Heroldstab. Aegyptische Bilder lassen keinen Zweifel, daß folhe Anwendungen ‘und Be- deutungen des Stabes uralt sind. Auh der Feldherrnstab gehört in diese Gruppe, und es ersheint nur als eine Entlehnung mit glei{artiger Absicht der Beklundung eines Amtes, eiver Machtvollkommenheit, wenn bei uns und anderwärts dem Dorfs \hulzen ein Stab beigegeben ist, aber au dem Ausrufer als Zeichen seiner Beglaubigung, ja in England dem Lokomotivführer, der nah beendeter Fahrt den Stab zurüdliefert. Ueber ‘den Ursprung des Häuptlingsstabes bei - den: Eingeborenen des Stillen Ozeans äußerte der Direktor des vorgenannten Museums, Herr Foy, die Ansicht, er sei der Ueberrest des „Seelenholzes“, das bei den Völkern der östlihen Inselwelt noch allgemein in, Gebrauch is und. als Vertreter der Person gilt. Jst diese Erkläruyrg richtig, wie dem Vortragenden nah neueren Forshungen über die Seelenkulte in jenen fernen Ge- bieten wahrscheinli dünkt, so hätte dieser „Häuptlingsstäb" dekr östlihén Welt allerdings kaum Zufammenhang mit dem so vielfach und verschieden Anwendung findenden „Herrscherstab“ und „Nednér- stab“: der westlihen Welt; denn die Meliquien Vorderasiens" und der Mittelmeerländer haben, soweit wir zurücksechen können, niemals den Charakter des Animicmus gehabt. „Doch glaubt. der Redner folgende Erwägungen anstellen zu müssenz s dünkt ihm eine durhaus unzulä! sige Beschränkung der volkskundlichen Forshung, die Ursprünge der Lebensers(einungen aus\chließlich in religiösen Vor- stellungen suchen zu follen; denn in kaum geringerem Maße if außer- dem die méenshliche Gesellschaft allezeit auch von dem Geschlechts- triebe, dem Erwerbstriebe ‘und dem Sprehh- und Mitteilungstriebe beherrscht worden. Aus. “dem ersteren entwickelte sich Familie und Sippe, aus dem zweiten die Arbeitsgemeinshaft und Arbeits- einteilung, der dritte birgt den ersten Gedanken einer ums- fassenden Gemeinschaft zu Schuß und Truß, in der alle vier Trieébrihtungen begegnen. Es erscheint daher durchaus denkbar, daß der Stab als Häuptlingsstab der ösilihen Znselwelt zwar aus der religiösen Vorstellung entstanden ift, in den westlihen Ländern

¡ deutung bei den vershiedenen Gemeinwesen !

dagegen als-Herrsherstab 2c. Emblem für die anderen Triebrihtungen wurde. Aber keineswegs immer der gleihe und mit der gleichen Be- Dann wird man un- bedingt bei einigen Gemeinwesen in dem Stab des Herrschers den Stab des Hirten sehen dürfen. Der Herrscher als Hirte ist cine be- liebte Vorstellung, bezeihnei doch das ga niGe Wort für Untertanen ra‘ijo diese wörtlich als „Herde*. Diese Vorstellung ist natürlich besonders den Völkern geläufig, bei denen das Hirtenamt eine be- sondere Nolle pelt, also bei den Nomaden. Anders war die Bes \timmung des Stabes bei den seßhaften Gruppen, wo der Stab zu- gleih Z-ichen des -Nichters als dessen Exekutivorgan war.

Dás alles im einzelnen zu begründen wird Sache der Forshun sein, Der Redner wünscht nur, das Problem zu formulieren un seine Haupiseiten {arf ‘“ herauszustellen. In der Behandlung der

Hige wäre daran festzuhalten, daß sie nicht in mechanisher Weise etrieben werden darf. Wenn man auch hierfür den „Völkergedanken“ der selbständigen gleiha:tigen Entwicklung, wo immer Menschen bei- einander wohnten, ablehnt, so wird man doch zugeben müssen, daß beim Vorhandensein gleihen Bedürfnisses auh hier die technishe Ent- wicklung ähnlich gewesen sein kann, ohne daß eine Beeinflussung zur Erklärung der Aehnlichkeit anzunehmen ist. In keinem Falle also darf allgemein geschlossen werden, daß der Stab, nah- dem er in einem beschränkten Geblet zuerst dem Herrscher oder Redner als Emblem beigegeben worden war, später von hier aus in alle Gebiete übertragen worden set, wo wir ihn in der gleihen Anwendung finden. Die sich gegen manhe niht mehr haltbare Ueberlieferungen der Gelehrtenwelt durchseßende Gthnologie, der wir die Rettung so vieler Zeugnisse der Menschheiteentwicklung von z. Z. noch auf niederer Stufe stehenden Völkern, ehe jene ganz verloren gingen, verdanken, wird sicher au über die hier behandelte Frage noch weiteres Licht verbreiten. Zugestanden set übrigens, daß bis in den Malatishen Archipel hinein sich Erzeugnisse finden, deren Ursprung auf Polynesien zurückführbar ist, was der Tatsache natürlich keinen Eintrag tut, daß auch die Gebiete der westlihen Kultur ihnen allein Ursprüngliches besißen. Wenn die ältesten Zeugnisse westlicher Kultur zuweilen den Gedanken nahe legen : hier muß wohl noch ein älteres, einfacheres Urmotiv vorhanden gewesen sein, weil wir solhe einfache Motive bei Bevölkerungen finden, die heute noch auf einer niedrigen Stufe ber Entwicklung stehen, so ist damit doch nicht gesagt, daß bodenständige Urmotive nicht auh im Westen vorhanden waren und daß wir uns in Polynesien nah den Urmotiven umzusehen haben, aus denen sih unsere eiwas verfeinerten Erzeugnisse entwickelt haben. Nichts wäre in der Tat unzutreffender, und auch hierfür gilt das Wort: Ex silentio non concluditur!

In dér \ich an den Vortrag knüpfenden, sehr angeregten Aus- sprache wurde u. a. darauf hingewiesen, daß der Stab ja das einfachste aller Werkzeuge oder Waffen sei, zur Verstärkung des Armes scwohl als zu dessen Verlängerung für den Gebrauch des aufret schreiten den Wanderers. So etnfah sei diese Erfindung, daß sie die einzige sei, die au die Menschenaffen gemacht, da der Gebrau von Holz- knüppeln dur sie häufig beoba@tet worden ist, wo Naœabmung des Meyvschen ausgeschlc}sen war. Daß ein soles Werkzeug auch schnell zu Würdigung und Geltung neben der praktishen Anwendung ges langte, sei daher gar nicht zu verwundern, ebensowénig wte die Aus- statturg vieler Gotiheiten, wie u. a. Hermes, wit dem Stabe. Von Professor von Lushan wurden interessante Erklärungen zu den vom Bortragenden erwähnten „Seelenhölzern“ gegeben, die auf einer merk- würdigen Unkenntnis wilder Völker über manche natürlichen Vorgänge beruhen, und einige Beispiele übereinstimmender Motive-in West und Ost angeführt, die unmögli als , Völkergedanken“ anzusprechen sind, wie die Aehnlichkeit. des von einem Adler enilführten Garymed mit Bildern indisGer und malalisher Kunst, in denen menshlihe Figuren von großen - Vögeln getragen werden. Gegen die yon Dr. Hcffmann - Kutshké ausgesprochene Ver- mutung, daß die sichelartige Verzierung des Hermesstabes Herines als Mondgott kennzeichne, wandte sich Professor Hartmann, der niht glaubt, daß hier und in einem zwetten vort Vorrednèr angesühtten Falle Darstellungen von Himmelsérscheinungen beäbsi{tigt seien. Der

egenstand veranlaßte die weitere Frage, wie dêèr Mens zur Er- findung der Sichel gekommen sei, die man doch sihér nit als éine Nachahmung der Mondsichel ansprechen dürfe. Professor von Luschan gab hierfür die etnleuchtende Erklärung, daß für den Zweck des Gras- oder Getreideshneidens gar kein praktisheres, geringe Kraft er- forderndes Instrument denkbar sei als die Sichel, die man in Ge- danken mit der Anwendung eines langen Messers zu gleichem Zweck vergleihhen möge, um dieser Ansicht recht zu gebén. Dr. Hoffmann- Kutshke brahte zum Schluß noch interessante Mit- teilungen bezüglih der jüngst in der Gesellshaft besprohenen großen Felseninshrift des Darius, von der er eine neue Uebersezung heravsgegeben hat. Es war auf Grund einer früher mißyverstandenen Stelle der Inschrift die Véeinung entstanden, daß die von Le erzählte Geschichte des falsden Smerdis auf Firtum beruhe und Darius nit der Familie des Cyrus angehöìt, fondern die Herrschaft über das Perserreih usurpiert habe. Diese Meinung hielt vor genauer Interpretation der Inschrift niht \tand, Die Tatsae der Ver- wandtschast des Darius mit Cyrus und damit die Chrlichkeit des Darius sind gerettet.

Holz und Mensch. Auf einen interessanten sprachlihen und psyhologishen Zusammenhang, der si in den meisten Sprachen und fo au im Deutschen an vielen Beispielen feststellen läßt, macht im ersten F der neuen Zeitschrift „Wörter und Sachen“ (Heidelberg, Karl Winters Verlag) der békannte Prähistoriker Rudolf Muh (Wien) aufmerksam, nämli äuf die Tatsache, daß in all diesen Sprachen sehr vielfachß Namen, die ein irgendwie geformtes Stück Holz be- zeichnen, auf Menschen übertragen worden find, und ih so eine große Anzahl sonst unverständliher Bezeichnungen unschwer erklären läßt. Zugrunde - liegt hier zweifellos die Erfahrung, der {on Goethe mit den Worten: „Kleid! eine Säule, Sleht wie ein Fräule*" Ausdruck hegeben hat die Aehnlichkeit von Hölzern mit der Grundform menschlicher Gestalten hat zur Béseelung und Vér- mens{chlichung des Holzes Anlaß gegeben, wie ja auh die ältesten Götterbilder sier nur behauene Pflôcke gewesen sind. Im Deutschen braucht man nur an _ einen „groben Kloß“, eiaen „Flegel*, einén „Dengel" oder eine „Stange" zu denken, um alsbald Beispiele dieser Uebertragung zu finden, in denen die Bildlichkeit tes Sprachcebrauchs noÿ deutlich zutage tritt; aber au in heute verborgener Weise liegt der gleihe Ursprung wohl manchen Bezeichnungen für menslide Wesen ¡ugrunde. So hat man j. B. nah Muh gar keinen Grund, das Wort „Knabe“ im allgemeinen Sinne von hessi\ch Knabe gleih Stift oder ay zu trennen, das seinerseits mit Knebel zusammenhängt; denn

orte für Knabe oder Mädchen mit ganz dex gleichen Grunds- bedeutung finden \sich in den verschiedensten Shrahen, und auG bei uns wird ja der jüngste Lehrling im Geschäft gern der „Stift* oder „Stôpsel* genannt. Ebenso ilt möglicherweise der „Knecht“ dieses Ursprungs, wenn nämlich \chweizerisch Kneit=— Rebenshößling auf die älteste Bedeutung hinweist; jedenfalls muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden, daß wir das Wort Knecht nicht selten auf hölzerne Vorrichtungen anwenden, die etwas halten oder tragen und so den Diener erseßen. So wird wohl au der „Kegel“ = , unehelices Kind" kaum vom hölzernen Kegel zu trennen fein; das Wort is vermutlich ursprünglich eine allgemeine gering» \chäßige Bezeichnung für uneheliche “Kinder gewesen und dann naheliegend genug auf unehelihe Kinder beshränkt worden. Auch „Geißel“ = Peitsche und Geißel = Bürgsckaftsgefangener sind wohl ebenso als das gleihe Wort zu deuten; als Geiseln wurden eben, wie au ‘aus bestimmten Zeugnissen hervorgeht, in erster Linie Kinder gewählt, die man wegen der Schlankheit und Zartheit ihrer Gestalt au der Name Gisela dürfte hierher gehören mit Geißelruten verglih), Sicherllch liegt ganz die gleihe Vorstellung auch solchen deutshen Mädhennamen wie Hildegard, Jrmingart zugrunde, in denen egart* gar nihts anderes als „Gerte“ ist und in ähnlicher Weise „Mädchen“ oder „Jungfcau* bedeutet, wie das entspre@ende [ateinishe Wort shon längst als „Gerte“ gedeutet ist.

Wle ,W. T.-B,.“ aus Kopenhagen meltet, ist dort der Professor ; Zoologte Rudolf Bergh, Mitglied der Leopoldinischen Akademie t V Wtener Zoologis{ch-Botanischen Gesellschaft, gestorben.

ind der Technik.

Qu Cros, Mitglied des Unterhauses und Sekretär des parla- ntarisen Luflherteidigungskomitees, roiderspriht in einem Londoner n rjenblatte Ausführungen der „Morning Post“, die behauptet hatte, ß für das Luftverteidigungswesen in England bisher nihts u worden sei. Im Anschluß an die Versuche im Auslande und vor f englischen Armee- und Marinesachverständigen sei bereits angeordnet N Ten daß noch vor Schluß der parlamentarishen Session ein Ver- "% gemacht werden soll, von Paris nah London in einem Luftschiffe fahren, das das größte und stärkste aller bisher gebauten Luft\chiffe in werde. Es werde ein Fassungsvermögen von 227 500 Kubikfuß, A zwei Motoren von je 220 Pferdestärken haben, 29 jussagiere aufnehmen können, eine Stundengeshwindigkeit von p bis 40 englishen Meilen entwickeln und einen Benzin- urat für etne Fahrt von siebenhundert englischen Meilen itführen können. Das Komitee habe sich für England as Vorkaufsrecht gesichert. Das Luftschiff müsse infolge des Fehlens iner passenden Landungshalle in England sofort nah Paris zurück- hren. Der Kriegsminister Haldane hat der „Morning Posi“ mit- teilt, daß ihre Luftschiff\vende vom Kriegsministerium mit Dank ingenomtnen worden sei. Die Sammlungen zum Ankauf des Luft- hiffes haben bereits 2693 Pfund Sterling ergeben.

Land- und Forftwirtschaft.

Saatenstand in Oesterreich um die Mitte des Monats Juni.

Der Witterungéverlauf im Mai zeigte vorwiegend trockenen harakter. Die Anfang Mai eingetretenen Frühfröste mit Reifbildung haben si in den Alpen- und Sudetenländern bis zur dritten Mais- Mefade erstreckt und \{chädigenden Einfluß hauptsächlich auf Futter- jflanzen, Obst- und Weinkulturen ausgeübt. Selbst in den Süd- indern machte si Kühle mit heftigen Nordwinden in der erften lfte Mai bemerkbar, während in Ostmähren, Schlesien und in den Marparthenländern unbeständiges, rauhes Wetter den Hackfruchtbau n mehr verzözerte. Erst die zweite Monatshälfte brachte onnige Tage bei steigenden Temperaturen und lebhaften Winden, edo au noch einige kühle Nähte, bis gegen Ende Mai die Wärme u hohsommerliher Hiße sich steigerte, sodaß in den Südländern

owie in den Gebtrgslagen der Alpen- und Sudetenländer {hon fühl- |

are Trockenheit eintrat. Einzelne kleine Gerwoitterregen im zweiten Monatsdrittel vermochten die durch die Wärme angeregte Vegetation ur zu erfris&en und waren infolge der stets wiederkehrenden Winde von keiner na@haltigen Wirkung. Zum Glück stellten fh in der

Weten Matdekade in den Alpen- und Sudetenländern die langersehnten

Niedershläge ein, welhe eine wesentlihe Förderung des gesamten flanienwach?tums zur Folge hatten. Anfang Juni fielen in allen Ländern starke Gewitterregen, wodurch der Boden wieder gründlich turhfeuchtet und ein Ausgleih im bisherigen Nückstande aller Kulturen geschaffen wurde. Die mitunter. von Hagelschlag und Wolkenbrüchen begleiteten Gewitter haben an manchen Orten verderblich gewirkt, indem Wintergetreide stribweise verhagelt oder gelage!t wurde und hier und da Wein- und Obstkulturen gleichfalls durch Hagelshlag

litten. Ferner sind hin und wteder Felder und Wiesen an Abhängen !

und Flußntederungen durch Abs(wemmung beziehungsweise Ver- shlammung: beschädigt worden, j

Die Wintersaaten, die zuerst durch Frühfröste und durch Nässe und sodann wieder durch Trockenheit in der Entwicklung ge- jemmt waren, haben ih unter dem Einflusse der späteren warmen und feuhten Witterung verhältnismäßig sehr gut erholt, und zeigen die Frühsaaten käftiges Wachstum. Uepypiage Saaten weisen bereits

gerung auf, die jedo vorwiegend durch Sthlagregen verursacht sein

dürfte. Hingegen machten die ohnedies s{ütteren und |[{chwachen Spätsaaten, besonders in höheren Lagen und auf leichten Böden, wenig Fortschritte und find sehr kurz und dünn im Halm geblieben.

Winterroggen ist in den Südländern, tin wärmeren Lagen der Aly:nländer, ferner in den Niederung-n von Südböhmen und Süd- mähren bereits verblüht und teht sonst, mit Ausnahme von höheren Gebirgslagen, nunmebr in voller Blüte. Frühe Roggensaaten stehen in nicht zu trcckenen Lagen sehr {sn und berehtigen zur Hoffnung auf eine gute Ernte, während in höheren Lagen und auf leiten Böden die Frühsaaten zwar gut bistockt, aber kurzhalmig sind. Spät- saaten sind in sonnigen Lagen und auf ärmeren Böden besonders \{ütter, \chwach bestockt und verunkrautet und lassen bloß auf eine s{chwach- mitilere Ernte \{ließen. Im Durchschnitt ist der Stand dec Früh- saaten fast durchwegs „ziemlih gut“ bis „gut“, in Krain und in den Südländern sowie in einigen Gegenden Nord- und Oftböhmens „mittel“ bis „ziemlich gut“. Der Stand der Spätsaaten ift „mittel“ und „schwachmittel" und in den Südländern „s{lecht“. Nur in besseren Lagen und auf kräftigeren Böden findet man „ziemli gut“ stehende Spätsaten. Im großen und ganzen kann auf eine gut mittlere Kornernte gerechnet werden. |

Winterweizen zeigt überall einen \{chwäheren Stand als Roggen, weil ersterer dur die ungünstigen Witterungseinflüsse in höherem Grade benachteiligt wurde. Im übrigen gilt das bei Roggen Gesagte auch für Weizen. Die Frühsaatcn und teilweise au die in feuhten Lagen und auf kräftigen Böden stehenden Spätsaaten sind «tnittel“ bis „ziemlich gut". Im Küstenlande woird der Siand der Frübsaaten allgemein als „mittel“, hingegen in Steiermark, Tirol, Dalmatien, Schlesien und Ostgalizien ¿um Teil auh als „gut“ klassifiziert. Spätsaaten auf leihteren Böden und in Gebirgslagen werden in allen Ländern zumeist. als „\{wach- mittel" und in den Südländern geradezu als „\chlecht“ bezzihnet. Im allgemeinen dürfte sona eine kaum mittlere Weizenernte zu ge- wärtigen sein.

Raps i} zufolge Œlechter Ueberwinterung und ungünstiger Frübj1hrswitterung in der Spliysälung noch sehr zurück und zum größten Teile eingeackert worden. Derselbe kam in den Sudeten- und Karpathenländern sehr verspätet in Blüte, wurde vom Glanzkäfer ge- \hüdigt, steht sehe \{chütter und {wäh und erwartet man kaum ein Viertel bis ein Drittel einer Normalernte.

/ Für die Sommersaaten (Weizen und Roggen), deren Ent- wicklung gegen andere Jahre infolge verspäteten Anbaues, Frühfröste und Trockenheit noch wenig Fortschritte machen konnte, kamen die wartnen Gewitterregen Ende Mai und Anfang Juni noch zu rechter elt, um dieselben wieder vorwärtszubringen. Der Stand ist je nah Anbauzeit, Lage Und Bodenverhältnissen sehr verschieden und \{wankt iwishen „mittel“ bis „sehr gut“. Jn den Gebirgelagen der Sudetenländer und în einigen Gegenden der Ka1pathenländer sind spät oder naß unter- gebrahte Saaten, deren Auflaufen einerseits wegen mangelnder Wärme, andererseits wegen verkrüsteten Bodens sehr langsam erfolgte, noch Ywah eniwickelt und {ütter. „Gut“, mitunter auch „sehr gut“ tehen die Sommersaaten in Oberösterrei, Salzburg, ferner in Süd- Und Westböhmen, in -Mittel- und Südmähren und teilweise in der Bukowina; «mittel* bis „ziemlich gut“ in Südtirol und in den Süd- ¿ndern und „ztemlich gut“ bis ¿gut in allen übrigen Ländern, be- Hehungweise Landesteilen, Die Aussichten auf die diesjährige

ommergetreideernte sind \ohin ¡temlich gut.

Gerste hat anfangs zeitweise sowohl unter Nässe und Kälte als auch unt-r Trokenheit/ gelitten, wodur besonders die noch schwahen 1 shütteren Spätsaaten in rauberen Lagen der Alpen- und Sudeten- ünder gelbfpitzig geworden sind. Dur dite folgende feuchbtwarme di terung wurde dieser Schäden teilweise wieder ausgeglichen und Bi Bestockung gefördert. Frühsaaten gedeihen auf besseren

öden in günstigen Lagen prächtig und sind fast durchgehends ut , dagegen Spätsaaten in höheren Lagen und auf leichten Feoden nur „mittelmäßtg“. Ueber Verunkrautung wird fast von

erall, über Schädigung durch Drahtwürmer insbesondere aus den udeter« und Karpathenländern berihtet, Jm allgemeinen kann der

Stand der wahrscheinl|ch kurz bleibenden Saaten, “on man in Nieder- und Obexrösterreih, Salzburg, Ober- und Mittelsteiermark, ferner in Mittel» und Westböhmen, in West- und Südmähren und in der Bukowina als „ziemlich gut* bis „gut“ \{äßt, in allen übrigen Län- dern, bezw. Gegenden als „mittel*“ bis „ziemlich gut“ bezeichnet

en Es ist somit Hoffnung auf eine ziemlich gute Gerstenernte vorhanden.

Bei Hafer, der sich in der legten Zeit sehr gebessert hat, sind die Folgen des Regenmangels viel fichtbarer zutage getreten ols die der Kälte, und zwar in besonderem Maße in trockenen und höheren Lagen bei Spätsaaten in dea Alpen- und Sudeterländern sowie in einigen Gegenden Ost- und Nordböhmens, Ostmährens und der Karpathenländer. Man rechnet bei den Spätsaaten, welche auf ge- rivgeren Böden witunter {ütter und sehr kurz stehen und nebstbet auch vielfach verunkrautet sind, selbt bei fernerer günstiger Witterung nur auf einen „kaum mittleren* Ertrag. Die vollkommen erholten Frühsaatea stehen fast ausnahmsweise „ziemlih gut* bis „gut“, in feuhten Lagen „gut“" bis „sehr gut", doch beeinträchtigen \tellenweises Auftreten von Drahtwürmern und Engerlingen sowie das \tets #ch vermehrende Unkraut ein volles Wachstum. Der durch\schnittlihe Stand wird in den Südländern * als „miitel“, forst allgemein als „mittel“ bis „gut* taxiert. Die Haferernte dürfte mithin einen ziemli guten Ertrag bringen.

Der Anbau von Mais is in Mittelsteiermark Kärnten, und in Tirol, desgleichen in Ostgalizien und in der Bukowina erst in der zweiten Maihälfte beendet worden. Jn Ostgalizien und in der Bukowina mußte der wegen geringer .Keimfähigkeit des Samens hier und da lückenhaft aufgegangene Mais eingeackert und nochmals an- gebaut werden. Derselbe widerstand der Trockkenheit verhältnismäßig ziemli gut, ist jedoch in den Südländern auf mageren Böden infolge der Dürre zurückgeblteben, ebenso dér \pät gebaute Mais in den Alpen- ländern. Genügende Fruchte und entsprehende Wärme der leßten Zeit ermöglihten demselben, das Versäumte nahzuholen. In Nieder- österrei, Untersteiermark, Krain und in Südmähren ist die erste Hake vorüber, sonst noch im Zuge-und in Ostgalizien und in der Bukowina mit derselben erst begonnen worden. Der Stand ift durchaus gut.

Der Anbau von Kartoffeln versvätete sich durch Witterungs- ungunst ungemein und zog ih in den Gebirgsgegenden der Sudeten- länder bis En“e Mai und in den Karpathenländern bis Anfang Juni hinaus. In Ostmäbren, Schlesien und in den Karpathenländern sind infolge Näfse viele Saatknollen in den Niederungen verfault und mußte deshalb nahgebaut werden. Auch fonst haben die gegen Ende April gelegten Kartoffeln mangels genügender Wärme sehr lange zum Austreiben gebraucht und sind stellenweise lückenhaft aus der Erde gekommen. Früh gebaute Kartoffeln sind gut aufe gegangen, zeigen üppiges, gesundes Kraut und vetsprehen normale Entwicklung. Dieselben werden in den Südländern, wo sie zur Blüte gelangen, behäufelt, in Tteflagen von Niederösterreich, Untersteiermark und Krain sowte in den wärmeren“ Lagen Süd- böhmens und Südmährens das zweite Mal behackt. Mit der ersten Hacke konnte îin Schlesien, Galizien und in der Bukowina erst bei zeitig gelegten Kartoffeln in trockenen Lagen begonnen werden, während diese Kulturarbeit sonst überall im vollen Zuge oder bereits abgeschlossen ist. Die früh bestellten Zuckerrüben- saaten sind gut und volllommen aufgeganaen und haben ich bei zunehmender Wärme und hinzugekommener Feuchtigs keit sehr gut entwidelt. Das Vereinzeln ist in Nieder- ôfterreih, Böhmen und Mähren in vollem Gange, in Südmähren bereits vollendet und wird hier schon die zweite Hake vorgenommen; dagegen ist in S(hlesien und in dea Karpathenländern bet der sebr verzögerten Saat, infolge Verkrustung des Bodens, an vielen Orten ein l[ückenhaftes Auflausen erfolgt, so daß bis zu 10% der Saat erneuert werden mußten. Man ift daher in den leßtgenannten Ländern mit der ersten Hake noch be- \{chäftigt oder erst fertig geworden. Spät bestellte Nübensaaten in Niederösterreih, Nordböhmen, Mähren und Schlesien haben viel durch Erdflöhe und hierauf durch NRüsselläfer und Drahtwoürmer geliiten, welhe Schädigungen vielfa}h Nachbau verursahten. Weitere JFnsektenshäden sind auß noch durch Moßknopfkäfer und Tausendfuß in Mittelböhmen sowie durch Aaskäferlarven tn Südmähren - erfolgt. Wegen rashen Nahwuchses des Unkrauts muß das Haken bald wieder- holt werden. Der Stand der Rübensaaten wird in Niederösterreich, Böhmen und Mähren als „mittel® bis „gut" und in Schlesien als „mittel“ bis „ziemlich gut“ angegeben.

Der Hopfen zetat normale Entwicklung und hat das Wachstum der meist gesunden Pflanzen infolge Wärme und Ntederschlägen be- fonders in den fcüh geshnittenen Anlagen große Fortschritte gemacht,

| sodaß der Hopfen in den Anbaugebieten von Oberösterreih, Unter-

steiermark und Böhmen {on halbe Stangen- beziehungsweise Draht- höhe erreiht hat. In spät geshnittenen Gärten wird über das \chädigende Auftreten des Erdflobs sehr geklagt, infolgedessen viele Gärten noch fast kabl find, doch beginnen \ich die Pflanzen zu erholen.

Klee, welher Anfang Mat ausgiebige Feuchtigkeit erhielt, konnte dieselbe nur wenig ausnüßen, da Kälte und hierauf Trockenheit die weitere Entwicklung bemmten. Auch die zunehmende Wärme hatte nit überall den gewünschten Erfolg, da hierdurch in trockenen Lagen der noch s{hültere und kurze Rotklee, zum Teile au die Luzerne, zu rasher Blütenbildung getrieben wurden und somit keine be- friedigenden Erträge mehr erwarten ließen. Nur in feutßteren Lagen und auf kräftigen Böden erhielt sch Rotklee noch „ziemlich gut“ bis „gut“, Wogegen die kümmerliW aus- sehenden Esparsetteschläge in Böhmen einen „fast s{hlechten“ Schnitt ergeben. Die reihlihen Niederschläge Ende Mai und Anfang Junt verursachten zwar eine Vermehrung der Erntequantität für die viel- fah hinausgeshobene Kleeheumahd, jedoch auf Kosten der Futter- qualität. Die Heumahd von Luzerne und Rotklee ergab în den Südländern einen „mittleren" bis „ziemlich guten* Ertrag, in trockdenen Lagen auf leihten Böden aber kaum ein Drittel einer Durtschnittsernte. In den Alpenländern hat der Anfañg Juni teilweise im Zuge befindlihe Schnitt in Tief- und Mittellagen von Luzerne einen , fast guten®*, der von Notklee einen „mittleren“ bis „ziemlich guten“ Ettrag gegeben. Infolge der sihtli@en Besserung der Kleeshläge in leßter Zeit erwartet man in den Sudetenkändern von Luzerne und Nokklee in höheren Lagen und auf leichteren Böden einen „mittleren“, im übrigen cinen „ziemlih guten“ bis „guten® Ertrag. Das gleiche gilt für die Karpathen- länder, in welchen aber mit Rücksiht auf die umfangreichen Aus- winterungen, namentlich in Tieflogen, die s{ütteren Kleebestände nur eine „\{chwach mittlere" Gesamternte in Aussicht. stellen.

Die Vegetation auf Wiesen ist infolge der Kälte und Trocken- heit im Mai wenig vorgeschritten und ging auf Hang- und Bergwiesen an Sonnseiten eher zurück. Die Grasnarke blieb kurz und bei den zumeist {wach vertretenen Untergräsern au s{chütter. Zudem zeigten jolhe Wiesen in den Alpen- und Sudetenländern, besonders aber in den Südländern, noch die Folgen der vorjährigen Dürre in Form von Kahlstellen. In Ansehung dieser konnten auch die {ließlich eingetretenen Niederschläge niht mehr von Nutzen sein, da einerseits die Heumahd bereits begonnen hatte, andererseits infolge hoher Wärmegrade die Gräser {on verblüht waren. Ueberdies haben |ch im Küsten- lande Wanderheuschrecken in noch yviel größerem Maße gezeigt als im Bozjahre und die Wiesen manchenorts kahl gefressen, so daß viele gar nicht gemäht werden. Der Heuertrag stellt sich demnach im ganzen als „\chwach mittel“ heraus. Jn den Alpen-, Sudeten- und Kar-

athenländern hat die Heumahd nur in besseren en hie und da begonnéèn; und ist namentlihch in Gebirgslagen niht abzusehen, wann die kurz und s{ütter bestandenen Wiesen, deren Gräser {hon in Blüte stehen, zum Schniit taugen werden. Ein längeres Zuwarten kann ¿war die Futterquantität vermehren, gleichzeitig aber deren Qualität nur bedeutend vershlechtern. Jn den höheren Lagen der Alpen- und Sudetenländer rehnet man mit einem Ausfall von 30 bîs 40%, Auf Tal-, beziehurg3wetse Niederungs-, j2edoch nicht nassen Wiesen, welche eine gut bestodte, schr {dne Grasnarbe aufweisen, ist die Rene in den Alperländern im Zuge, in den Sudeten- und

arpathenländern begonnen und ergibt fast übz:rall etnen „guten“ ersten Schnitt. Die Heuernte dürfte sona im großen und

ganzen „mktlel" bis „ziemlich gut“ autfallen, falls dieselbe nit tur s{chlechtes Wetter verdorben wird.

Der Weinstock hat dur Maifröste, beziehungsweise „reife keine erhebliden Schäden erlitten und sind solhe hauptfächlich nur in niederen Lagen vorgekommen, so tin Niederösterreich, Unter- steterma:k und Sübtirol, ferner in den Weinbaugebieten pon Böhmen und Mährèn. Die Neben haben sih bei dem wartiiten, sonnigen Welter in der zweiten Hälfte Mat fehr gut entwidelt, zeigen üppige' Belaubúng und reihlihen Traubenansay. Zutweist sehr reichlih ist der Traubenansaß in jungen Anlagen und erscheint in Niederöfsterreih, Untersteiermark, Krain und Südtirol an gesunden Reben „sehr gut“, fast noch besser als im Vorjahre. Die Traubenansäge stehen in voller Blüte. Im Küstenlande und in Dalmatien, wo der Traubenansatz gletichfalls weit ae als voriges Jahr isl, nahm die Blüte einen guten Verlauf und wurde in een Lindern bereits das zweite Besprizen vorgenommen, während in den andéren Weinbauländetrn das Jäthauen zu- meist beendet is und das erste Bespriß-n dur{geführt wird. Von Shätlingen sind in Südtirol stellenweise roter Breâner und der Heuwurm und in Dalmatien bier und ba Oidium und der Sauer- wurm aufgetreten. Nach dem Traubenansatze zu schließen kann in den Südländern wieder eine „sehr gute“, in Ntiederösterreih, Unter- steiermark und Krain eine „gute“ und in Südtirol eine „ziemlich gute“ Lese erwartet werden.

Die Obstbäume, welche bis auf Apfelbäume fast überall reih- lie Blüten zeigten, weisen kêine entsprehenden Fruhtansätze auf, da stellenweise sowohl zahlreih si einstellende Insekten, beziehungsweise Raupen, als auch Maifrößte währeyd der Blütezeit \{ädigend ein- wirkten. Am meisten {find durch Fröfte von den frühblühenden Steinobstsorten Zwetschken und von Kernobst die ohnedies \{chwach verblühten Aepfel in Tieflagen betroffen worden; dazu kam nech der Abfall von unausgebildeter Fruht infolge Trockenheit in den Alpen- und Südländern. Der Fruchtansay erscheint bet Kirshen „gut“ bis „sehr gut“, bei Zwetshken „ziemlih gut“ bis „gut (in den Karpathenländern teilweise nur „mittel“) und bet Bixnen fast ausnahms!os „gut“, in den nôrdlihen Alperländern fogar „sehr gut“. Aepfel lassen nur in den Südländern einen mittleren Ertrag gewärtigen und sind heuer fast gänilich mißraten. Im Küstenlande ist die Kirschenpflücke bereits vorüber und hat in Görzs Gradiska einen „sehr guten“, in JIstrien einen „guten“ Ectrag ge- geben. Nüsse werden wahrscheinlich nur „\{chwach mittel“ und „mittel- mäßig“ geraten. Oliven stehen in Fstrien und Dalmatien in voller Blüte und zeigen bereits {önen Ansaz. (Wiener Zeitung.)

Saatenstand in Ungarn.

Nach dem amilichen Saatenstandsberiht des ungarischen Adlers bauministeriums nach dem Stande vom 15. Juni wird der voraus- sihtlihe Ertrag von Weizen auf 33.43, von Roggen auf 11,27, von Gerste auf 14,29 und von Hafer auf 12,36 gegen 41,42, 12,19, 12,26 und 10,18 Millionen Meterientner im Vorjahre geschäßt.

Die erste Hälfte des Junimonats brate wechselvolles, zumeist mit au®egiebigen RNegengüfsen gemengtes mildes Weiter, während später die Witterung kühl und windig war, deren Wirkung sich in der Land- wirtschaft vershiedenartig offenbarte. In manchen Landesgegenden waren ausgiebige Niederschläge segenbringend, während anderswo Hagelwetter, Plaßregen und andauernde Stürme die Aussichten vers \chlechterten. Einzelne Gegenden; namentlich unmittelbar an der Theiß entlang, fernec an der Mündung der Temes in die Donau, bedürfen noch immer des Regens, roeil diese Gegenden von aus- giebigem Regenwetter vershont blieben, wodurch sich daselbst Klagen nah vermehrten ausgiebigen Regengüssen einftellten. Dies sind be- fonders die südlihen Gegenden des Alfölds, die Komitate jenseits des Königssteiges und die nordwestlichen sowte östlichen Lande3gegenden. Weniger geregnet hat es in der Gegend zwischen Donau und Theiß und dem rechtsseitigen Donauufer. Auf letzteren Gebieten war der Regen derart mangelhaft, daß weitere Nieder- {läge dringend erwünsht find. Wie bereits öfter betont, i die Witterung im Lande anormal und überhaupt mangelt es ibr an Beständigkeit. Infolge kühler und windiger Witterung ist die Vegetation nicht befriedigend, auch Sommerfaaten entwickeln \ih langsam und sind mit Unkraut überwuchert, sodaß die Feld- arbeiten mehr Aufwand erheischen als in normalen Jahren. Wiewohl die Witterung seit einer Woche kühler als normal ift, so verbesserten do au3giebige Negengüsse den landwirtshaftlihen Anbau. Es ist zu erhoffen, daß etne günstige Witterung au weitere Besserung mit sich bringen wird. Sehr \{chöôn besserten sch Sommersaaten, weniger jedoech Wintersaaten, besonders Weizen, dessen Stand im Landesdurchshnitt entschieden unter dem normalen ist. Jn einzelnen Gegenden des Landes, namentlich in den südlihzn Gegenden tes rechtsseitigen Donauufers und in einzelnen Teilen der Komitate jenseits des Könitgsteiges, steht Weizensaat befriedigend und sind die Ernte- aussichten daselbst günstig. Diese guten Ausfichten werden jedoch von Klagen aus vielen Gegenden, insbesondere aber aus dem südlichen Teile des Landes über aufgetretenen Blätterrofi wettgemaht, wie auh dur jenen Umstand, daß kräftigere Saaten infolge der Stürme und Regen- güsse fi legten. Auch Brand ist aufgetreten, doch kommen diesfällige Berichte nur \poradisch vor und dürften au fo bleiben. Wiater- weizen ist in einem bedeutenden Teile des Landes so niedrig, fl-cktig et [Nes daß die erwartbharen Ertragsausfichten sich kaum bessern

onnten.

Man muß nunmehr damit renen, daß die heurigen Weizen- ertrags8aussihten gegenüber dem Vorjahre niht ungünstiger sein werden; niht nur wegen des ungünstigen Eatwicklungs3zustandes sondezn auch wegen der ungünstigen Anbauarbeiten im Herbste und wegen der durch den langanhaltenden Winter verursahten Kalami- täten, was die landwirtschaftlihen Neferenten dadurch bewiesen, s nah ihren Berichten annähernd eine halbe Million Katastraljo Weizenanbauflähe ausgeackert werden mußte. Winterroggen, Gerste und Raps litten in vielen Gebieten infolge der Ausackerung, aber bei weitem niht so schr wie Weizen, welhem die abnormale Witterung fehr schadete. Winterroggen hat das Jahr mit weniger Schaden durchgekämpft, obzwar au hier vieles zu wünschen übrig bleibt, weil sehr viel \|@ütterer, fleckiger und teilweise niedriger Roggen vorhanden is. Troßdem find die an Roggen geknüpften Hoffnungen niht nur betreffs des Kornes, sondern auh betreffs des Strohes verheißender. Roggen, der ftellenweise hon zu reifen beginnt, verspriht einen Mittelertrag, während Weizen, welcher erst jeßt in der Kornentwicklung begriffen ist, kaum einen gewöhnlichen Wièittelertrag bieten wird. Wintergerste beginnt gleichfalls zu reifen und verspricht einen Kleinmittel- und Mittelertrag. Der übrig ge- bliebene und nicht- ausgeackerte Naps verspriht einen Mittelertrag. Von Sommersaaten schreiten Gerste und Hafer sehr gut vorwärts. Kleine Ausnahmen gibt es au hier und kann dasselbe von den übrigen Frühjahrssaaten, besonders von Hackfrühien gesagt werden. Der Weinstock i| in Blüte, doch das kühle, regnerische Wetter ist niht zu seinem Vorteile. Die Aussichten des Obstertrages sind s{chwach mittel, (Ung. Tel.-Kor.-Bur.)

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- mastregeln.

Schweden.

Das Königlih \{chwedische Kommerzkol'ezium hat laut Bekannt- waeung vom 12. d. M. die Azoreninseln für pestverseucht erklärt.

Breslau, 22. Juni. (W. T. B.) Wie die „S&lesishe Zeitung“ aus Altwasser erfährt, war die Zahl der amtlih gemeldeten Typhusfälle bis gestern nahmittag bereits auf 343 angewawlhsen.

St. Petersburg, 21. Junk, (W. T. B.) “Seit geftern sind 40 neue C holeraerkrankungen und 19 Todesfälle zu verzeichnen.