Wenn Schleswig-Holstein zwar freiblieb von gleich {weren Schäden, wie sie andere Provinzen dur die elementaren Ereignisse des auch in dieser He so trüben Jahres 1888 erleiden mußten, so hatten doch auch bei uns die Landwirthe die Folgen der Unbilden der Witterung zu beklagen. Die Ernte ist fast durbgehends ungünstig ausgefallen und die Rückwirkung davon hat sich auch für andere Berufskreise nachtheilig fühlbar gemacht.
Im Uebrigen ist unser Wirthschaftéleben von ernsteren Er- \{ütterungen bewahrt und in znormaler Entwickelung geblieben. Einzelne Zweige desselben, so vor Allem Rhederei und Schiffbau, weisen sogar. einen hocherfreulichen Aufschwung nach, der längere Dauer zu verheißen \{eint. :
Auch der Wohlstand im Allgemeinen ift im Steigen begriffen, wie dies u. A. in der sehr beträhtlichen- Zunahme hervortritt, welche au im Laufe des leßten Jahres die Sparkafsen-Einlagen erfahren haben, die fich gegenwärtig auf die enorme Summe von 315 Millionen — 19 Millionen mehr als im Vorjahr — belaufen.
Mit der Vervollständigung des Eisenbahnnetzes der Provinz ist auch im Jahre 1888 weiter vorgegangen worden. Neue Schmalspur- bahnen wurden auf der Insel Sylt und in Schwansen eröffnet. Die Linien Wrist—Jtehoe und Flensburg— Niebüll gehen der Vollendung entgegen. Die Projekte der Linien Gremsmühlen—Lütjenburg und Kiel—Holtenau, sowie von Wilster bis zur westliten Mündung des Nord-Ostsee-Kanals befinden sich in der Bearbeitung. Auch das
rojéft für den Bahnbau von Oldesloe nah Hagenow gewinnt Aus- 1cht auf baldige Verwirklichung.
Die Gewerbekammer der Provinz hat auh im leßten Jahre eine rege Thâtigkeit entfaltet, auf Verlangen der Staatsbehörden ver- schiedene werthvolle Gutachten in wihtigen Fragen unseres Wirth- P s erstattet, in anderen Fällen dankenswerthe Anregung er-
gehen lassen. Die Arbeiten für die Einführung der neuen Kreis- und Provinzial- erdnung sind dem Abschlusse nahe gebraht. Die Behörden haben \ich dabei des bereiten Entgegenkommens der Vethciligten zu erfreuen gehabt, deren Wünsche in der großen Mehrzahl der Fälle Berüdk- sichtigung werden finden können. Mit der Einführung dieser Geseßze, sowie des neuen Landes- verwaltungs- und des A regte glaubt die Königliche Staatsregierung, gestüßt auf das einmüthige Gutachten sämmtlicher der Verwaltung unserer Provinz nahestehenden amtlichen Instanzen, sowie auf die Ansicht der gehörten Vertrauensmänner und frühere Erklärungen des Provinzial-Landtages selbst, im Interesse dauernder Sicherstellung einer gedeihlich wirkenden Administration eine veränderte Organisation der Bezirksbehörde unter Errichtung einer zweiten Regierung in Kiel verbinden zu müssen. Die dementsprehende Vorlage ist Ihnen zur gutachtlihen Aeußerung bereits zugegangen. Die Staatsregierung giebt sih der Hoffnung hin, daß der Plan, auf dessen Durchführung fe besonderen Werth legen muß, von Ihnen vom rein sachlichen Standpunkt aus geprüft und gut geheißen werden wird. An sonstigen geseßgeberishen Arbeiten wird Sie nur noch ein Gesetzentwurf bezüglih des Ansaßes der Zinsen von den im vor- maligen Stadtbuche von Altona protokollirten Hypotheken im Zwangs- vollstreckungsverfahren beschäftigen. Außerdem werden von Ihnen einige rein formelle Aenderungen der Bestimmungen über die Gewerbekammer zu beschließen sein, welche die Zugehörigkeit dieses provinziellen Instituts zu dem Ressort des Ober-Präsidenten auch nah dessen Loslösung von dem Präsidium der O in Folge des Cte sicher stellen sollen Endlich wird es sich in der gegenwärtigen Sißungsperiode noch um einige Veränderungen in der Klassifikation der Wege, sowie um eine Reihe von Wahlen handeln, während Sie Sich im Uebrigen nur mit dem Haushalt der Provinzialverwaltung zu beschäftigen haben werden, dessen Lage — Vank der unermüdlichen Thätigkeit Ihrer Verwaltungsorgane — au diesmal eine vollständig befriedigende ist. Mit dem Wunsche, daß es Ihnen auch in Jhrer gegenwärtigen Session getingen möge, Ihre Aufgaben in gedeihliher Weise zu lösen, erkläre ich nunmehr im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs den 22, Schleswig-Holsteinishen Provinzial- Landtag für eröffnet.
Der l ie BUA Klosterpropst Graf Deo, Þ i
begrüßte darauf die Versammlung und brachiè auf Se. Majestät den Kaiser und König ein dreimaliges Hoh aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.
Münster, 10. März. Heute Mittag 12 Uhr wurde der auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs ein- berufene Landtag der Provinz Westfalen im Sißungs- saale des hiesigen Ständehauses, nahdem zuvor die Mitglieder des Landtages dem im Dome und in der evangelischen Kirche ab- gehaltenen feierlihen Gottesdienst beigewohnt hatten, durch den Königlichen Kommissarius, Ober-Präsidenten der Provinz “r Aen, von Hagemeister, mittelst folgender Ansprache erofsmnel:
Hocgeehrte Herren! In dem Augenblick, in welchem Sie zu neuer Arbeit in diesen Räumen sich wieder versammeln, ziehen an unserem Auge vorüber die Ereignisse des EIReaG Jahres, welche unser Königliches Haus und unser Volk in tiefe Trauer versenkt haben.
Nah langer, thatenreiher, von wunderbaren Erfolgen gekrönter Regierung hat König Wilhelm, der erste Deutsche Kaiser, Sein ehrwürdiges Haupt zur ewigen Rube gesenkt vnd wenige Monate später mußten wir Seinen Sohn und Nawfolger auf dem Thron, den Kaiser Friedri, die Hoffnung unserer Zukunft, in der Vollkraft des Mannesalters ins Grab sinken sehen.
___ Diese verhängnißvollen Heimsuchungen haben unser Vaterland im innersten Leben erschüttert, sie haben aber au Zeugniß davon ge- e daß der Schmerz unseres Königshauses auch der Schmerz unseres olfes ist, je haben das Band der Liebe und Treue, ¡welches uns mit dem Hohenzollernhause vereint, noch enger und fester geknüpft.
Voll Hoffnung erheben wir unsern Blick zu dem obn und Enkel der Heimgegangenen,, unserem Kaiser und König Wilhelm 11., der klaren Auges Seine großen Aufgaben erfaßt und mit dem Pflichtgefühle eines Hohenzollern Seine ganze Kraft einseßt für Seinen Königlichen Beruf.
Das Vorbild unseres Königlichen Herrn vor Augen und im Ver- trauen auf Den, an dessen Segen Alles gelegen ist, gehen wir an unser Tagewerk.
In der age zona des Provinzial-Landtages bat eine ge- wichtige Veränderung sich vollzogen. Ihr seitheriger Vorsitzender, Erbmarschall Kammerherr Graf von Bodelshwingh-Plettenberg hat mit Rücksicht auf seine Gesundheit si genöthigt gesehen, auf seinen Sit im Provinzial-Landtage zu verzichten.
Dur die Gnade Sr. s ee wiederholt zum Landtags- Marscall ernannt, hat Herr von Bodelshwingh ein Jahrzehnt bin- durch die Verhandlungen der Provinzial-Landtage mit bober Umsicht geleitet, in dem ehemaligen provinzialständishen Ausshuß den Vorsiß atte und bei der Anwesenheit weiland Sr. Majestät des Kaisers
ilbelm I. in Münster untere Provin würdig vertreten. Auch Sie, geehrte Herren, haben na Einführung der neuen Provinzial-Ordnung dem Herrn Grafen von Bodelschwingh Ihre Anerkennung und Ihr Vertrauen bethätigt, indem Sie das er bis dahin durch die Gnade Sr. ibm durh Ihre Wahl übertrugen. em hodverdienten Manne von dieser Stelle aus den Dank der Königlichen Staats- regierung auszusprechen, ist mir eine werthe und ehrenvolle Pflicht.
Wenn ih auf die Lage der Provinz einen kurzen Blick werfen ak so habe i der Ueberschwemmungen zu gedenken, welche in aus- gedehnten Gegenden unjeres Vaterlandes große Verheerungen an- rihteten und, wenn auch. in eringerem Maße, au in Westfalen auf- traten. Der bewährte Wohltbätigkeitssinn der Westfalen hat au
Ehrenamt, zu welhem Majestät berufen war,
werden, während ein Theil der eingegangenen Gaben in Westfalen Verwendung fand.
Als einen hocherfreulichen Erfolg darf ih es bezeihnen, daß der roße Verband der Männer-Vereine vom Rothen Kreuz, eine chöôpfung Jhrer Majestät der Kaiserin Augusta, welhe das Ziel
verfolgt, im Falle eines Krieges den Verwundeten Hülfe zu bringen, in LLGeN ten aber Werke der Nächstenliebe zu fördern, auch in Westfalen eine gute Stätte gesunken hat. Im Anschluß an den Hauptverein sind in Westfalen ein Provinzialverein und in allen Kreisen Kreisvereine begründet, deren Wirksamkeit erer Provinz und dem gesammten Vaterlande zum Segen gereihen wird.
In Ihrer vorangegangenen Session haben Sie ns den Dortmund- Ems-Kanal einen namhaften Beitrag bewilligt, gleichzeitig aber an die Königliche Staatsregierung den Antrag gerihtet, den im Wege von
eihnungen nit beibringlihen Theil der Grunderwerbskosten auf die
taatékasse zu Übernehmen. Die Berechtigung dieses Antrags ift anerkannt worden sowohl von der Königlichen Staatéregierung als von den Häusern des Landtages, sie hat ihren Ausdruck gefunden in dem Kanalgeseße vom 6. Juni 1888, Wenn ih bei dem Schluß des 29. Provinzial-Landtages die Hoffnung aussprah, Jhr opfer- williges Vorgehen werde nicht ohne Einfluß bleiben auf die Ent- \hließungen der übrigen Betheiligten, so bin ih hierin nicht ge- täusht worden. Aus Westfalen sind rund 4 Millionen Mark an freiwilligen Beiträgen - bereit gestellt und ist auch der auf die Provinz Hannover entfallende Beitrag nach Ueberwin- dung mannigfacher M E nunmehr gesichert. Dem that- kräftigen Eintreten des westfälischen Provinzial-Landtages aber ist es zu danken, daß die Kanalfrage überhaupt wieder in Fluß gekommen, und daß wir hoffen dürfen, bald an die Ausführung des großen Werkes beranzutreten.
Das in voriger Session von Ihnen gutgeheißene Reglement ciner P der Amtsverbände und Landgemeinden für deren Beamte at die Genehmigung des Herrn Ministers erlangt und ist bereits in Wirksamkeit getreten.
Unter den Vorlagen steht im Vordergrunde die Errichtung eines Denkmals für weiland. Se. Majestät den Kaiser Wilhelm I. Gehen
auseinander, so dürfen wir do vertrauen, daß alle Sonderbestrebungen dem Ausspruch der berufenen Vertreter der Provinz sih willig unter- ordnen werden, auf daß wir mit vereinter Kraft daran gehen, dem Schöpfer der deutshen Einheit durch Herstellung eines würdigen Pia unsern unauslöschlichen Dank und unsere Verehrung zu e en. :
Die Königliche Staatsregierung wird Jhre gutachtlihe Aeußerung erfordern über den Entwurf eines Geseßes betreffend die Vereini- gung der Landgemeinden Wiegbold und Kirchspiel
rup.
Nachdem die Revision der mit Jhrer Zustimmung erlassenen Hengst-Körordnung bereits auf dem 29. Provinzial-Landtage als ein Vedürfniß erkannt worden, wird nunmehr ein abgeänderter Ent- wurf Jhrer Beschlußnahme unterbreitet werden.
Im Uebrigen werden Jhre Berathungen ih wesentli mit den kommunalen Angelegenheiten des Provinztalverbandes und mit der Wohlfahrtspflege zu beschäftigen haben.
Die Organisation der oberen Provinzialbeamten hat nach der neuen Provinzialordnung einen ceinheitlihen Abschluß erhalten durch das Amt des Landes-Direktors. Der vom 29, Provinzial-Landtage zum Landes-Direktor gewählte und Allerhöchsten Orts bestätigte Herr Geheime Ober-Regierungs-Rath Overweg hat am 20, Juli 1887 jein neues Amt übernommen. 4 Dank der umsihhtigen, nie ermüdenden Thätigkeit des Herrn Landes-Direktord ist es dem Provinzial-Ausschusse ohne Schwierigkeit gelungen, die kommunale Provinzialverwaltung in die von der neuen Bitte ung vorgezeihneten Bahnen überzuleiten.
n Entwurf eines Provinzialstatuts in Betreff der dem Landes- Direktor beigeordneten oberen (Provinzial-) Beamten wird Ihnen vor- gelegt werden, auch ist es nöthig geworden, einige Statuten und die Reglements verschiedener Verwaltungszweige nah Maßgabe der neuen Enns umzuarbeiten und Jhuen zur Genehmigung vor- zulegen. M | Der vorliegende Bericht des Provinzialaus\{Gusses und der Vor- unimas eus Haushalts werden Ihnen cinen klaren Einblick gewähren in die Ergebnisse und in die gegenwärtige Lage der kommunalen Provinzialverwaltung. Die Rücksihten der Sparsamkeit sind bei Aufstellung des Voranschlags nicht außer Acht gelassen worden, aber die steigenden Bedürfnisse verschiedener Verwaltungszweige, namentli die durhaus gebotene Erweiterung der Provinzial- Irren - Anstalte¿u lassen eine Steigerung der Provinzial- umlage unvermeidlih erscheinen. Dice Mehrtbelastung wird aber meines Erachtens ohne empfindlißen Bedruck getragen werden können, weil die neue Provinzialordnung einen der Leistungs- fähigkeit entsprehenden Vertbeilungsmaßstab darbietet.
Eine neue und hervorragende Aufgabe is in Folge der sozial- politishen Geseßgebung dem Provinzial-Ausshusse und den Kreis- Ausschüssen erwachsen durch die Zuweisung der landwirtbschaftlichen Unfallversiherung. Nacbdem die konstituirende Versammlung der Berufsgenossenschaft auf Grund des Landesgesctes vom 20, Mai 1887 am 30. Dezember 1887 beschlossen hat, die Zuständigkcit des Genossen- \chaftsvorstandes an den P Do, die der Sektionsvorstände an die Kreisausshüsse zu übertragen, beruht diese wihtige und um- fassende Angelegenheit nunmehr in den bewährten Händen der Organe der Selbstverwaltung.
Indem ih mich überzeugt halte, daß auch Ihre diesmaligen Be- rathungen unserer Provinz zum Heile gereihen werden, erkläe ih auf Allerhöchsten Befehl den 30. Provinzial-Landtag der Provinz Westfalen für eröffnet. H
Das älteste Mitglied der Versammlung, Ehrenamtmann Brüning aus Enniger, brahte am Schluß der Erwiderung ein dreifaches Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welches die Versammlung freudig einstimmte.
Vayern. München, 11. März. (W. T. B.) An- läßlich des morgigen Geburtstages Sr. Königlichen R des rinz-Regenten erhielt Fürst Fugger-
abenhausen den St. Hubertus-Orden, der Justiz: Verdienst-Orden vom heiligen Michael erster Klasse, sowie der außer- ordentliche Gesandte in Dresden, Freiherr von Niethammer, die zweite Klasse desselben Ordens. Dem Hof-Kapellmeister Levi wurde der Titel General-Direktor verliehen.
Sachsen. Dresden, 9. März. Wie das „Dresdner Leier d vernimmt, hat Se. Majestät der König für die
Minister Le von Leonrod den
eier des 800jährigenJubelfestes des Königshauses onntag, den 16. Juni dieses Jahres und die folgenden Tage bestimmt.
Vaden. Karlsruhe, 9. März. (Karlsr. Ztg.) Zum Gedächtniß des Todestages Sr. Majestät des in Gott ruhenden Kaisers Wilhelm I. e auf Allerhöchsten Befehl in der Schloßkirhe hier- L st heute Abend 6 Uhr eine gottesdienstlihe
eier unter les zahlreicher Betheiligung des Publikums aus den verschiedensten Ständen ftatt. Die gottes- dienstlihe Handlung wurde vom Hofprediger D. Helbing voll-
gen, welcher als Text für die ächtnißansprahe gewählt atte Hiob 1, 21: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn fei gelobet in igkeit“. Einen C ISeA Abschluß fand die Feier durch den vor Er- theilung des Segens gesungenen Chor: „Wer bis an das Ende
bei diesem Anlaß ih glänzend betbätigt: reihe Spenden konnten d Notbhleidenden der norddeutschen Ueber Äivenanaaduebiete ‘agefübet
beharrt, der wird selig“, ein Saz, der auf Niemanden besser An-
die Ansichten und Wünsche über die Wahl des Standorts auch weit .
Beginn des Gottesdienstes waren Se. Großherzogliche Hoheit der Prinz Wilhelm, hre Kaiserlihe Hoheit die Prinzessin Wilhelm, sowie Jhre Großherzogliche Hoheit die Prinzessin Marie in die Fürstliche Hofloge eingetreten.
___ Hessen. Darmstadt, 9. März. (v. W.) Se. König- lihe Hoheit der Großherzog wird, sicherem Vernehmen nah, mit Sr. Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzog und ner Großherzoglihen Hoheit der Prinzessin Jrene am
onnerstag,- den 14. März, Abends 81/, Uhr, von St. Peters- burg kommend, wieder in Darmstadt eintreffen.
Mecklenburg - Schwerin. Schwerin, 9. März. (Mecklb. Nachr.) ‘Aus Anlaß des heutigen ersten Jahres- tages des Heimganges Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm I. wurde heute Vormittag 10 Uhr im Palais der Frau Großherzogin-Mutter von dem Öber- Hofprediger Dr. Jahn eine Andacht gehalten, an welher Jhre Königliche Hoheit die 2 Großherzogin-Mutter, Jhre Königliche Hoheit die Frau Großherzogin Marie und Jhre Hoheit die Dernogen Elisabeth, sowie etwa 30 Personen der Hof- gesellschaft theilnahmen. Der Großherzogliche Schloßchor sang einige Choräle.
Sachsen - Coburg - Gotha. Coburg, 10. März.
W. T. B.) Die Herzogin von Edinburg ist mit ihren
rinzessinnen-Töchtern zu längerem Aufenthalt von Malta hier eingetroffen.
Schwarzburg - Sondershausen. Sondershausen, 9, März. Das „Regierungs- und Nachrichtsblatt“ schreibt in seiner heute ausgegebenen Nummer: „Kaiser Wilhelm's I. Todestag ist heute. Durch alle Gauen des Deuischen Reichs hallt wiederum der Gloden Klang, um zu einem Gedächtniß- gottesdienste zu laden alle Diejenigen, welche es nicht vergessen mögen, was der allmächtige Gott dur den selig Entschlafenen unserem Volk geschenkt hat. „Das Gedächtniß des Gerechten bleibet im Segen“. Und ein Volk, das seine Todten s das ehret si selbst. Darum begrüßen wir diese Feier, welche nicht eine Menschenvergötterung, sondern den Preis des gött- lichen Waltens zu ihrem Aae hat. — Nun mögen auch, wo Deutsche wohnen, die sihtbaren Zeichen solch unvergäng- lihen Gedächtnisses erstehen in Städten und auf Bergen! Wer bei uns rechten Dank im Herzen trägt und Liebe hegt zum theuren Vaterlande, der möge heute sein Scherflein spenden zur Errichtung des Denkmals für die spätesten Zeiten, das deutshe Soldaten auf unserm benach- barten Kyffhäuser erbauen wollen, zumal der Senior der POOUs des verewigten Kaisers, der Jubilar siebzigjähriger ienstzeit vom gestrigen Tage, General-Feldmarschall Graf Hellmuth von Moltke, selbst die Führung übernommen hat beim Aufruf zur Mitarbeit an diesem Werke !“
Höchster Anordnung gemäß findet heute, am Sterbetage Kaiser Wilhelm's 1, eine Gedächtnißfeier in der hiesigen Sct. Trinitatis-Kirche statt.
Das am 5. d. M. ausgegebene 5. Stück der Landes gese b- la mmlun g veröffentlicht eine neueKandidaten-Ordnung ür die Kandidaten der Theologie der evangelisch- lutherischen Landeskirche des Fürstenthums Schwarzburg - Sondershausen, vom 27. Februar. Dieselbe tritt am 1. April d. J. in Kraft. S Or vom 4, Oktober 1866 wird gleichzeitig auf- gehoben.
Bremen, 10. März. (W. T. B.) Der Senator Dr, Hermann Henrich Meier ist gestern Abend gestorben.
_ Elsaß-Lothringen. Straßburg, 8. März. (Lds.-Ztg. l Sale Aa Jn seiner gestrigen (12.) Plenarsißzung be- chäftigte sich der Lan desaus\{huß zunächst mit dem Ent- wurf eines Geseyes, betr. das Hebammenwesen. Der Abg. Grad befürwortete das Geseßy, indem er vorschlug, die zweite Lesung ohne Kommissionsberathung im Plenum vorzu- nehmen. Das Haus {loß sich, unter Ablehnung eines Antrages Gunzert auf Kommissionsberathung, diesem Antrage an; es wird also die zweite Lesung ohne Kommissionsberiht im Plenum stattfinden. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung, Allgemeine Rehnung über den Landeshaushalt ür 1884/85, wurde ohne Erörterung erledigt, indem das Plenum dem Antrage der Kommission auf Ertheilung der Entlastung beitrat. Hieran schloß ih die Berathung des Antrages Gunzert, über einige Milderungen von Bestimmungen des Licenzsteuergesezes. Das Haus lehnte, entsprehend dem Vorschlag der Kommission, den Antrag ab. Zu dem an die Kommission zurückverwiesenen Titel 3, Kap. 1 des außerordentlihen Etats: „Für eine normalspurige Bahn von Saarburg nah Alberschweiler und Vallerysthal 200000 #4“ s{hlug die Kommission vor, den eingeseßzten Betrag zu ges nehmigen und von der Leistung eines Beitrags des Bezicks Lothringen für die Zweiglinie nah Vallerysthal abzusehen, in Anbetracht des von der Glashüttengesellschaft für diese Zweig- linie bereitgestellten Beitrags. Das Haus {loß ih den Vor- {chlägen der Kommission an, worauf Hr. Abg. Jaunez Namens des Bezirks Lothringen dankte und die bestimmte Hoffnung aussprach, daß der Bezirkstag die fehlende Summe votiren werde.
In der heutigen Sizung wurde der Rest des Etats der Verwaltung des Jnnern ohne Debatte erledigt. Bei der zweiten Lesung des Finanzgeseßes trat das Haus ohne Diskussion den Vorschlägen der Kommission bei.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 9. März. (W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus seßte heute die Berathung des Budgets fort. Bei dem Kapitel „Dispositionsfonds“ warf Pichler der Regierung vor, daß dieselbe wohl die Zer- trümmerung der bäuerlichen Liegenschaften bekämpfe, dabei aber die Zertrümmerung des Staats besorge. Den Patriotismus eines so treuen Volkes wie des deuts\ch- ö sterreihishen sollte man niht aufs Spiel seßen. Der Minister-Präsident, Graf Taaffe, erklärte: er betrahte den Dispositionsfonds wie jeden anderen Posten im Budget, und trat entshieden der Be- hauptung entgegen, daß die Minister die größten Feinde der Konsolidirung des Staats seien; sie Men im Gegentheil Alles gethan, um die Konsolidirung herbeizuführen und das Terrain derartig vorzubereiten, daß alle Völker Oesterreichs sih wohl fühlten. Die Regierung stehe auf dem Standpunkt der Gleichberehtigung und habe den guten Willen, diese durh- zuführen; allein in der Politik sei es ähnlih wie im Privat- leben: zur Liebe und zur Versöhnung könne man Niemand
wendung finden könnte, als auf Kaiser Wilhelm 1. Bei
zwingen. Die Regierung sei jedoch unverzagt und hoffe die Ver-
z P Wer A fte fac L a - S E E and F s
söhnung, beziehungsweise die Verständigung zuwege zu bringen. Dem . Pichler antwortete der Minister: nicht die Regierung, sondern Andere versuchten die Zertrümmerung; aber Gottlob stehe der Staat so fest und der Patriotismus der Völker so E daß dies Niemand gelingen werde. Er vernehme freudig die Versicherung von dem Patriotismus der Deutsch-ODester- reicher, aber auch die übrigen Völker hätten ihr Blut für Kaiser und Reih vergossen und würden, wenn es noth thue, au künstig dasselbe vergießen. Die Rede des Minister- Präsidenten wurde vielfa dur Beifall unterbrochem. — Nach- dem Zallinger erklärt hatte, daßer gegen den Dis Mh fonds stimme, weil die Regierung kein Verständniß für die fonfessionelle Sbule habe, wurde der Dispositionsfonds mit 138 gegen 129 Stimmen in namentliher Abstimmung an- genommen.
Pest, 9. März. (W. T. B.) Das Unterhaus seßte heute die Debatte über das Wehrgesey fort. Zentkiralyi und Karl Eoetvoes sprachen gegen die §8. 24 und 25, wo- bei Eoetvoes sih eine Rüge des Präsidenten zuzog durch den Vorwurf, daß die Mitglieder des Kaiserlichen Hauses eine vorzugsweise militärishe Ausbildun p erhielten. Der Präsident wies dabei unter lebhaftem Beifall auf den hochseligen Kronprinzen Rudolph hin, als einen Beweis des Gegentheils. — Die Debatte wurde alsdann auf Montag vertagt. L
Der Kommunikationsaus\s{huß genehmigte den Gesebßentwurf über die Theiß-Regulirung mit zahl- reihen Aenderun gen, deref bemerkenswertheste die Streichung der Bestimmung wegen Haftung der Mitglieder der Theiß- thal-Gesellschasten für Anlehen derselben is. Die Minister von Tiszà und Baroß stimmten den Aenderungen zu, Ersterer mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß die Hastungs- bestimmung in den demnächst auf Grund des Uebereinkommens mit dem Bodenkredit-Fnstitut einzubringenden, alle Angelegen- heiten des Regulirungs- und Meliorationskredits des Theiß- thals organish regelnden Gesey entwurf vollinhaltlih auf- genommen werde.
Großbritannien und Jrland. London, 9. März. (W. T. B.) Dem „Reuter'shen Bureau“ wird aus Zanzi- bar, von gestern, gemeldet: Nach dort eingegangenen Post- nachrihten seien die Beziehungen zwischen den Eng- lish-Jndiern und den Eingeborenen in Kilwa und Lindi gespannt. Den Ersteren werde nicht gestattet, Pro- dukte, außer in geringen Quantitäten, zu verschisfen, und auch das sei ihnen nur On im Wege der Bestehung. Es herrsche weder Geseß noch Ordnung. Die Lage der Englisch- Jndier sei sehr prekär.
Frankreih. Paris, 9. März. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Ministerraths wurde beschlossen, den Gesetzentwurf Laffon's, betreffend die Verhinderung von Viel-Kandidaturen, zu unterstützen. :
Die gerihtlihen Vorerhebungen über die An- elegenheit der Patriotenliga sind noch nicht voll- sä ndig abgeschlossen. Das Aktenmaterial sowie der Antrag des General-Prokurators dürfte erst heute Abend dem Justiz-Minister übergeben werden; der Minister wird daher heute noch niht um die Ermächtigung zum gerihtlihen Einschreiten gegen diejenigen n, der Liga, welche der Kammer angehören, nachjuchen. Wie verlautet, hätten die durch die Untersuhung ermittelten Thatsachen ergeben, daß die Liga ihren A Zwel bei Seite gelassen habe, und daß mithin das Geseh“ auf sie Anwendung finden würde, nah welhem geheime Gesell- \shaften strafbar sind. i
Jn der heutigen Sipung der Deputirtenkammer richtete Pelletan eine Jnterpellation an die Regierung über das Dekret, durh welches dem Herzog von Aumale die Rückkehr nah Frankreih gestattet wird, und hob hervor, er würde nicht daran gedacht haben, hierauf zurück- zukommen, wenn es sih einfah um eine wohlwollende Maßregel hinsichtlich eines Mannes handelte, welcher den Wunsch geäußert hätte, seine Tage in Frankreich zu be- ließen. Da es ih aber augenscheinlih um einen politi: hen Akt handle, so würde das Land darin einen mit dem allgemeinen Stimmrecht nicht zu vereinbarenden Sqritt er- blickden. Er müsse also die Maßregel mißbilligen. Der Minister des Jnnern Constans erwiderte, das Kabinet habe eine ausnahmsweise und unnöthige Maßregel zurüd-
enommen; es sei Ehrensache der Republik, von einer
aßregel zurückzukommen, die keine Berechtigung mehr für ihr Fortbestehen hätte. Die“ früheren Regie- rungen seien ersuht worden, die Sache in Erwägung zu ziehen ; das gegenwärtige Kabinet habe unter seiner Verant- wortlihkeit eine Entscheidung getroffen, die es der Republik für würdig erahte. Das Betreten des Gebiets der Republik sei dem Herzog nicht als Prätendenten untersagt worden, sondern wegen eines unehrerbietigen Schreibens an das Staatsoberhaupt. Die Regierung sei der Ansicht, daß wegen dieses Vergehens die dreijährige Verbannung eine hinreichende Sühne sei und habe geglaubt, die Thore Frankreihs einem alten Soldaten wieder öffnen zu sollen, der e über Alles liebe und dessen Anwesenheit keine Gefahr biete. Es sehe darin nicht einen Akt der Politik, sondern einen Akt der Billigkeit und erwarte vertrauensvoll das Urtheil der Kammer. Andrieux \prach \ih zustimmend zu dem Dekret aus und äußerte, er wünsche, daß dies der Beginn einer liberalen Politik sein möge. Laffon (radikal) tadelte das Dekret als unklug und unpolitish. Sabatier (radikal) betonte, ein Ausnahmegeseß sei jeßt unnöthig, da die royalistische Partei abgedankt habe. Floquet erklärte, die Schritte, die Rück- berufung des Herzogs von Aumale zu erreichen, seien von dem nstitut de France ausgegangen. Er billige das Dekret.
chließlich wurde die von dem Ministerium verlangte ein- fahe Tagesordnung mit 316 gegen 147 Stimmen an- genommen. Milleraud (Jntransigent) stellte den Antrag auf eine Amnestie für Dengegen, die durch Arbeits- einstellungen, durch die Presse und Reden begangen seien, derselbe verlangte für seinen Antrag die Dringlithkeit und sofortige Berathung. Der Minister-Präsident Tir ard erklärte si mit der Dringlichkeit einverstanden, lehnte aber die so- fortige Berathung ab; die Regierung sei geneigt, Maßregeln der Milde im weiten Umfang eintreten zu lassen, müsse \ i aber gegen einen Amnestieantrag erklären. Die Dringlichkeit wurde darauf angenommen, dagegen die sofortige Berathung mit 345 gegen 153 Stimmen abgelehnt. : | li n parlamentarischen Kreisen verlautet, daß I N iche
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Senator Naquet wegen Theilnahme an geheimen Gesell- schaften eingeleitet werden solle.
— 11. März. (W. T. B.) Der Herzog von Aumale wird heute Abend in Paris eintreffen und morgen, dem Präsidenten Carnot seinen Dank abstatten. Na mittags wird der Herzog einer Sißung der „Académie française“, deren Mitglied derselbe ist, beiwohnen.
Jtalien. Rom, 9. März. (W. T. B.) Der König 4! nunmehr die Dekrete E durch welche die ntlassungsgesuhe der Minister Grimaldi (Finanzen), Por agi (Sue und Saracco (Arbeiten) angenommen, und an ihrer Stelle Seismit Doda zum Finanz-Minister, Giolitti zum Minister des E und der Senator Finali zum Minister der öffentlichen Arbeiten ernanut werden. Die neuen Minister werden heute Abend 7 Uhr den Eid in die Hände des Königs ablegen. Von den Mitgliedern des neuen Kabinets gehören der früheren Linken Crispi, Zanardelli, Miceli, Seismit Doda, Giolitti und Brin an, während Bertole, Finali und B Mitglieder des Centrums sind. — 9, März. (W. T. B.) Das amtliche Blatt ver- öffentliht das neue Kabinet in der gemeldeten bekannten usammenseßung. i 9 Die A letinfammut nimmt am 18, d. M. Sizungen wieder auf. i ; gi 9, März, Abends. (W. T. B.) Die „Riforma' spricht sih anerkennend über die neuen Minister aus und giebt dem Vertrauen Ausdruck, daß dieselben die finan- ziellen Schwierigkeiten zu überwinden wissen würden. Die allgemeine Politik sei auch fernerhin eine Politik der Freiheit im Verein mit der Ordnung im ale sowie einem würdigen, sruchtbaren Frieden nah Außen. — 10. März. (W. T. B.) Die neuen Minister werden nah dem heute stattfindenden Kabinetsrath die Geschäfte übernehmen. — Wie verlautet, würde die Depu- tirtenkammer nah ihrem Zusammentritt zunächst das abgeänderte Budget berathen und sih alsdann vertagen. _— 10. März. (W. T. B.) Der Ministerrath bes loß Qu S H S eines Ministeriums "5 ost und Telegraphen. thai E E [5 Sag P Bd bid iat ea “T B V R DET” “Schweiz. Bern, 10. März. (W. T. B.) Aus Bellinzona wird gemeldet: Da der t hatte, s-Statt-
ihre
halter von Lugano sich geweigert hatte, die von dem Bundes-Kommissar, Obersten Borel, veran De gebung eines ungeseßlih verhafteten Radikalen zu vollziehen, zog auf a des Kommissars das gestern nach Lugano entsendete j ürcher Halbbataillon vor die Prä- fektur und schickte sich an, dieselbe mit Gewalt zu beseßen. Hierauf erfolgte die verlangte Freilassung.
Niederlande. Haag, 11. März. (W. T. B.) Nach einer offiziellen Meldung war der König in den leßten Tagen weniger gezwungen, das Bett zu hüten, der Krankheitszustand aber troßdem nicht verändert.
Serbien. Belgrad, 9. März. (W. T. B.) Der König Milan richtete unmittelbar nah der Abdankung ein in schr warmen Worten abgefaßtes Telegramm an den Kaiser Franz Joseph, in welchem er seinen Gefühlen de3 Dankes für die ihm und Serbien stets bewiesene Freundschaft lebhaften Ausdruck gav und den Kaiser juglei bat, dem König Alexander 1. und Serbien au fernerhin die- selben wohlwollenden Gesinnungen zu bewahren. Die Ant- wort des Kaisers ertheilt dem König die erbetenen Zu- sicherungen für den neuen König und das Land in den herz- lichsten Ausdrücken. i 5 :
Die „Politische Correspondenz“ veröffentlicht den leyten Armeebtfeh! des Königs Milan, in welchem er um die Treue und Ergebenheit des Heeres für seinen Nachfolger und um Gehorsam gegenüber der Regentschaft bittet. — Der Minister Taushanovic hat ein Cirkular an die Präfekten versandt, in welchem er denselben die strengste Verfassungmäßigkeit und Unparteilichkeit einschärfst.
Schweden und Norwegen. Stocholm, 9. März. (W. T. B.) Jun. der hiesigen deutschen Kirche fand heute Abend eine Feier zum Gedächtniß Kaiser Wil elm'’sI. statt, welcher der Kronprinz, der B Gesandte, Dr. Busch, sowie die übrigen Mitalieder der Ge Ae, der Staats- Minister Baron Bildt, der Minister des eußern, Graf Ehrensvürd, sowie ein überaus zahlreiches Publikum bei- wohnten.
Zeitungsftimmen.
4 4 ; “ g. Jn einem „Sozialistengesey und gemeines Recht über- schriebenen Artikel der „Leipziger Zeitung“ heißt es: Der im Jahre 1890 eintretende Ablauf der Geltungsdauer des Sozialistengeseßes regt {on jeßt die Diékussion an: Was wird dann? Die seither von Zeit zu Zeit \sich wiederholende Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes, jedesmal nur auf eine kurze Spanne eit, die, wie Jedermann einsehen mußte, nicht ausreichen konnte, den Zora des Gesetzes erfüllen zu lafsen, trug derart den Stempel einer jedesmaligen Konzession an die Regierungen an sich, bot den destruk- tiven Parteien so häufigen und millkommenen Agitations\toff dar, daß im Interesse einer stetigen Entwicktelung unseres Staatslebens sowohl wie zur Erreichung der Intentionen des Geseßes eine festere Basis für die Stellungnahme der Staatsgewalt gegenüber den revolutionären Bestrebungen der Sozialdemokratie dringend nothwendig erscheint. Diese Basis ist von Anfang an auf vielen Seiten in einer entsprehenden Revision und Ergänzung des gemeinen Rechts erblickt worden. Im Jahre 1878, nah dem zweiten Attentat, trat noch eine Minderheit der Reichstagskommission für die Vorberathung des Sozialistengeseßes der C ebung überhaupt entgegen, erklärte {ich aber bereit, bei einer Revision und Ergänzung des ge- meinen Rechts in gewissem Umfange mitzuwirken ; und auh die Mehrheit der Kommission e der Ueberzeugung Ausdruck, daß „durch eine Revision und Ergänzung der bestehenden Geseyze die Mittel beschafft werden können und müssen, um auf dem Boden des für alle Bürger geltenden gemeinen Rechts Ausschreitungen der er- wähnten Art entgegenzuwirken und beziehungsweise unter das Stras- gejeß zu stellen.“ Diese Ueberzeugung ist bei jeder Verlängerung der Geltungsdauer des Sozialistengeseßes in Parlament und Presse von Neuem betont und insbesondere au von den Nationalliberalen mit einem gewissen Pathos vertreten worden. Die Reichstagsdebatten des vorigen Frühjahrs dürften noch genügend in Erinnerung N Wir geben nun gern zu, daß einem doktrinären Standpunkte diefe Ueberzeugung - etwas sehr Naheliegendes ift. Der B rif „Sonder- gese, Ausnahmegeseß* hat an sih für den liberalen Politiker etwas Peinliches. Die Eigenschaft als Sondergeseß ist au von der Sozial-
den. Und die historishe Entwickelung bietet allerdings mannig- fache Beispiele, M ene Rechtsgedanken, die zuerst in Sonderge)ezen
demokratie des Oesteren geaen die liberalen Parteien ausgespielt |
Aber es muß doch auffallen, daß jener Ueberzeugung seither nit praktisher Ausdruck zu geben versucht worden ift
In der That sind wir nah wie vor der Meinung, daß zu einer wirksamen Bekämpfung des sozialistishen und anarchistischhen Giftes das Soria f engelep auf absehbare Zeit niht zu entbehren ift.
Es bieten sh uns zwei Wege einer Reform dar: entweder Uebertragung der erprobten Dei engen des Sotalistengeletes in allem Wesentlichen in das gemeine Recht, d. h. Förmelung derselben nur derart, daß sie ihrer ausgesprohenen Spiye bloß gegen die Um- sturzbestrebungen der sozialistishen Parteien entkleidet, damit aber u. U. auf die Reformbestrebungen aller Parteien anwendbar gemaht werden. Oder s{härfere Gestaltung einzelner Bestimmungen des eltenden gemeinen Rechts, aber so daß die auf gesebliGem Boden fich bewegenden Reformbestrebungen nicht beengt und bedroht werden In den Jahren 1874 und 1876, als die fozialdemokratische Bewegung noch in der Entstehung begriffen war, wollten die ver- bündeten Regierungen den jeßt vorgeschlagenen Weg betreten, indem sie bei Erlaß des Grebgeleyes und der Strafgeseßbuchs-Novelle Strafvorschriften gegen die Verherrlihung des ngegoriaue und des Verbrechens, gegen die öffentlichen Angriffe auf die Institute der Ehe, der Familie , des Eigenthums sowie weitergehende Straf- vorschriften gegen Schmähungen und Verhöhnungen der Staats- einrihtungen und obrigkeitliher Anordnungen in Vorschlag brachten. Die Antwort des Parlaments war in beiden Fällen fast einstimmige Ablehnung dieses „Kautshukparagraphen.“ Db dieser Weg damals die sozialistishe Bewegung noch hätte eindämmen können, muß heute dahingestellt bleiben. Jedenfalls erstarkte die Bewegung in der frei- heitlichen Aera bis 1878 an Breite und Intensität derart, daß dann mit einigen Strafgeseßparagraphen nicht mehr auszukommen war, wie ja das Parlament selbst anerkannte. : :
Und in dieser Hinsiht hat auch die Zeit leer nichts geändert. Nicht als ob damit die Unwirksamkeit des Sozialistengeseßes erwiesen wäre; vielmehr hat dieses seinen Zweck, die wüste, in der Sprache maßlose, die Massen ebenso verrohende wie terrorisirende Agitation niederzubalten, seither erfüllt. Aber wenn schon die mächtige äußere Organisation der Ursturzpartei im Jahre 1878 zerstört worden ift, die unershöpflihe Findigkeit revolutionären Geistes hat auch unter dem Sozialistengeseße geheime Organisationen der Parteigenossen her- zustellen und zu erhalten gewußt, wie die mannigfahen Geheimbunds- prozesse der jüngsten Zeit erwiesen haben, Und das Bedürfniß der Sorialbämokratie, Vereinsbildungen für die Zwecke ihrer Agitation bereit zu haben, wird erwiesen durch die Benußung der Fachvereine zu sozialistisher Propaganda. Mit einer Aufhebung der jeßigen gegen die Benußung der Vereine und Versammlungen zu sozialistischen Umsturzbe\strebungen gerihteten Bestimmungen des Geseßes gegen die gemeingefährlihen Bestrebungen der Sozialdemokratie würde also zweifellos eine mähtige, seither aber niedergehaltene Be- wegung in Vereinen und Versammlungen losbrechen _ und die Sprache, die uns von 1878 her noch in den Ohren flingt, würde wieder aller Orten die Massen offen ver- rohen. Es würde dann zwar den tollsten Ausschreitungea und An- griffen auf unsere Staats- und Gesellshaftsordnung mit asen d lihen Bestrafungen geantwortet werden können, aber eben nur nach- träglich, wenn das Wort hinausgedrungen und das ver)prigte Gift längst in weiten Umkreisen gewirkt haben würde, und mit der Häufig- keit der so anzustrengenden Strafprozesse unter Darbietung neuen Agi- tations\toffes in der ôffentlihen Verkündung des Märtyrerthums der Bestrasten. Die liberale Presse, die schon jegt lber Häufigkeit poli- tischer Prozesse Klage führt, würde dann selbst aus diefen Klagen gar nicht mehr herauskommen können. Und die Bewegung im Sanzen, die do nit bloß in einzelnen maßlosen Ausbrüchen, sondern als solhe im Prinzip eminent revolutionär ist, könnte mit solten Verurtheilungen Einzelner, Mehrerer, Vieler nimmermehr getroffen werden. L E /
So if eine wirksame Bekämpfung der genen efährlihen Agi- tation der Sozialdemokratie niht mit Repressivma regeln, wie fie Strafgeseßparagraphen allein an die Hand geben, B wie seither, im Wesentlichen mit Präventivmitteln zu unternehmen. /
Der Schwerpunkt der erg ent id zua A e er- ahrungsgemäß in der Benuyung der Vereine und Ber]ammlungen e Ver resse; je mehr ihr sachliche Berehtigung und Basis mangelt, desto mehr spielt bei ibr der perfônlice Cinfluß einzelner, mit besonders agitatorisher Kraft begabter Individuen eine Rolle. Deshalb muß die Präventive nach diesen Richtungen hin thâtig werden. D A
Dem wird das bestehende Gese dadurch gerecht, daß es bestimmt, Vereine, welche durch sozialdemokratishe Bestcebungen den Umfturz der bestehenden Staats- oder Gesellshaftsordnung bezweden, oder in denen solhe Bestrebungen in einer den öffentlihen Frieden gefährdenden Weise zu Tage treten, ebenso Versammlungen, con denen durch Thatsachen die Annabme gerechtfertigt ift, daß ste zur Förderung solchec Bestrebungen bestimmt find, find zu verbieten ; Versammlungen, in denen solche Bestrebungen zu Tage treten, find aufzulösen; Druckschriften, in welchen solhe Bestrebungen in frieden- gefährdender Weise zu Tage treten, sind zu verbieten, und zwar kann bei periodishen Druckttfchriften gleichzeitig das fernere Erscheinen unter- sagt werden ; gegen verurtheilte Agitatoren fann gleichzeitig auf dète Zulässigkeit der Einschränkung ihres Aufenthalts, fowie bei Wirthen und bei den am Preßgewerbe Betheiligten auf Untersagung ihres Gewerbebetriebs erkannt werden; auch foll die Landes-Polizeibehörde Agitatoren und überhaupt auf Grund des Sozialiftengefeges Ver- urtheilten die Befugniß- zur öffentlihen Verbreitung von Druck- shriften sowie die Befugniß zum Handel mit Dructshriften im Um- herziehen entziehen dürfen; endlich Zulässigkeit des Verbots von Geldfsammlungen für sozialistishe Umfturzzwecke und Zulässigkeit des sogenannten fleinen Belagerungêzuftandes für solche Bezirke uad Ort- schaften welche dur die gekennzeihneten Bestrebungen mit Gefahr für die öffentlihe Sicherheit bedrobt find. Dur die leztere Maßregel fann intbesondere der Polizeibehörde das Reht zar Ausweisung folcher Personen verliehen werdex, von denen eine Gefährdung der öffentlihen Sicherheit und Ordnung zu besorgen i
So f\{wer nun auch die Auêweifung die wirthfchaftlie Eristenz nit bloß der unmittelbar Betroffenen in Frage ftellt, fo gebässig auch die verfügten Ausweisungen ausgebeutet worden find, so schwer fich auch der Liberalièmus mit ihrer Zulässigkeit auf die Dauer auseinanderzusezen vermag: gerade auf e wird angesichts der betonten und dur die Erfahrung aufgewiefenen Des» deutung des perfönlihen Einflusses Einzelner auf die fritiklofen Massen unseres Erachtens ‘nicht wohl verzichtet werden töênnen; ne bilden das einzige Gegengewicht gegen die [ur die Allgemeinheit bier besonders verderbliche Freizügigkeit. S :
Die Einführung dieser Ausweisung8möglihkeiten in das gemeine Recht erscheint uns hinsichtlih der Bestimmung der Voraus! Da ihrer Zulässigkeit überhaupt unmögli. Und für die infungen der Vereins-, Rede- und Preßfreiheit würden die Vorausfegungen ibrer Zulässigkeit fo eng, an bestimmte concretifirte Thatbeitände anknüpfend, formulirt werden müfsen, daß die unbedingt erforderliche rashe Bewegungsfreiheit der Präventive, das find die Verwaltungs» behörden, vereitelt wäre. Die Agitation der Unmfsturzpartet bat in der Wahl ibrer Methoden und Formen so fchöpferisch ih erwiesen, daß keine thatbeftandlih formulirende Gefeggebung mit ihr piel E zu J Bus ag; Be ian Bestim» mungen des Sozialistenge}fezes mt threm en auf die sozialdemokratishen, jozialistishen und kommunistishen Be- ftrebungen, welhe den Umsturz der bestehenden Staats» und Seseil- \caftsordnung bezwecken, vermeiden dur Kennzeinung des Bodens, auf dem jene Bestrebungen erwasen sein müssen, und ihres staats gefährdenden Zwecks diefe Klippe; fie vermögen dies aber eben nur vermöge ihrer Anknüpfung an die in ihrem Auftreten allgemein de» kanuten Tendenzen gerade der fozialiftifwen en. :
Der Ruf: Gleiches Ret für Alle! entfpringt aus einem idealen Gedanken. Auf ideale Gefühlspolitik kaun aber die Partei nicht An}jpruh erheben, welhe den gewaltsamen Umsturz aller des
che Verfolgung gegen Déroulède, Rihard Galliau, die Deputirten Laguerre, Laisant, Turquet und den
aufgetreten, allmählich in gemeines Recht sich umgefeßzt haben.
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stehenden Ordnung im Staate und in der SefcUschaft auf ihre