1932 / 139 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Jun 1932 18:00:01 GMT) scan diff

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Ne ichs

heute für die

Antrag zu unterstüßen Die Pachtzinsen seien Kleinpachter hn- bi zehnmal so hoh wie vor dem Kriege Die Arbeiterschaft d1 en uud besonders auch die Pachter wüßten, daß sie von n Parlament eine Hilfe nicht zu er I 1CTeN ï 1 L l

Der Antrag des Ausschusses wird angenomnten.

Bei Besprechung des Ausschußantrages auf Ablehnung ines kommunistishen Antrages, der Landwirtschastsïammer Provinz Ostpreußen alle Staatszuschüsse sofort zu ent- s f

Í ¡e r - Miersdorf (Komm.), die Nationalsozialisten

hre vor den Kammerwahlen abgegebenen Versprehungen

) Die Kammer habe bisher nicht das geringsie fün l io n Al

T4 hin nh y innalin

ie Bauernschaît geleitet, obwohl die Xatlonai]}oz1

eßt maßgebenden Einfluß hatten. Auch hiex tritt das Haus dem Ausschußantrag bei.

Zux Besprechung kommt daun ein weiterer Antrag des Ausschusses, der die Annahme eines Zentrumsantrages empsichlti, auf Beschleunigung der Umschuldung sowie auf Unterlassungder Kürzung dergene- cellen Osthilfe hinzuwirken.

Abg. Kerff (Komm.) nen: agrarkapitaliftish Die ganze ka} laufe leßten Endes nur darauf hinaus, den Großbanken Gläubiggrn den Erwerb von Betrieben zu erleichtern

den Antrag ausgespxochen

(t italistishe Umschuldungsakt1o:

.

Dex Ausschußantrag findet Annahme, ebenso ein vom Ausschuß abgeänderte Zentrumsantrag auf Schaffung einer Westhilfe zur Besserung der Lage der Landwirt schaft und des Weinbaues im Westen, Es soll unter anderen in Verbindung mit der Reichsregierung auf die Rentenbank kreditanstalt und die Preußenkasse dahin eingewirkt «werden, daß von dort aus Mittel zur individuellen Entschuldung von bäuerlichen und Winzerbetrieben des Westens bereitgestellt werden,

Entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses wird schließ lich auch ein nationalsozialistischer Antrag angenommen, wo- nach die Beschlagnahme von Milchgeldansprüchen zux Bei=- ireibung von Steuern und sonstigen Abgaben durch preußische Staats- und Kommunalbehörden zu unterbleiben hat und die Finanzämter entsprechend angewiesen werden sollen, nach dem Abg. Rau (Komm.) den Nationalsozialisten kleinbauern- feindliche Haltung vorgeworfen und Streiks empfohlen hatte.

Es folgt die zweite und dritte Beratung des national ozialistishen Antrages auf Annahme eines Gesehentwurfs Uber die Gewährung wvonStraffreiheit. (Auf der Ministerbank nimmt Justizminister Sh m i d t Play.

Abg. S ting (Nat. Soz.) gibt als Berichterstatter die Aus [chußbeschlüsse wieder. Dex Ausschuß hat bekanntlich die Vorlage insofern unverändert gelassen, als Straferlaß gewährt werden soll für die zur Zeit des Fnkrafttretens des Geseßes von preußi- schen Gerichten rechtskräftig erkannten und noch mniht verbußten Strafen, insofern sie auf Taten aus ausschließlich oder vor- wiegend politischen Beweggründen zurückgehen. Ausgeschlossen ollen von der Straffreiheit Landesverrat und Verrat militäri cher Geheimnisse sein, außerdem auch auf Beshluß des Aus- chusses Brandsiiftung und vorsäßliche Gefährdung eines Eisen bahntransportes. Auch Dienststrafen sollen unter die Amnestie fallen.

Justizminister Dr. Schmidt: Meine Der jeßt zur Beratung stehende Geseßentwurf, von Straffreiheit, ist an und für sich von so großer Bedeutung und seine Gestaltung nah den Ausshußbeshlüssen sür das ge- samte Rechtsleben unseres Staates, für dessen Justizverwaltung ih die Verantwortung trage, von so weittragenden Folgen, daß ih mi veranlaßt sehe, mit einigen Ausführungen dazu Stellung zu nehmen. Mit dieser Stellungnahme will ih niht eine Ein wirkung auf die von den Parteien dieses Hauses zu entscheidende Frage versuchen, ob die Zeitumstände überhaupt den Erlaß eines Amnestiegeseßes erfordern oder niht. FJch will mih vielmehr darauf beshränken, aus völlig unparteiishen, rein rehtlihen Erwägungen auf eine Gestaltung des Geseyes hinzuwirken, durch welche die Rehtssicherheit und das Reht3bewußt- sein niht exshüttert werden. Von diesem Gesichtspunkt aus halte ich mich für verpflichtet, in vollex Uebereinstimmung mit den Sachbearbeitern meines Ministeriums die ernsten Be- denken, welhe mein Vertreter, Herx Ministerialdirektor Huber, im Rechtsausshuß bereits zur Sprache gebracht hat, an dieser Stelle zu wiederholen und zu unterstreichen.

Jn exstex Linie, meine Damen und Herren, muß ih eîn- dringlich vor einex allzu weitgehenden Aus- dehnung dex Amnestie warnen. Die bisherigen Amnestiegeseßbe des Reiches und Preußens haben regelmäßig davon abgesehen, auch für die shwersten Verbrehen Straffreiheit zu gewähren. Das gilt namentlih von den shweren Körper- verlezungen und den s{chwersten Fällen des Raubes, insbesondere abex von den Verbrechen gegen das Leben.

Eine Amnestie für Delikte gegen das Leben ist bishex nux einmal duxch Gesey gewährt worden, und zwar durch das mit verfassungsändernder Mehrheit zustandegekommene Reichs8gesey vom 24. Oktober 1930. Wenn damals zum ersten und bisher einzigen Male die Bedenken gegen die Einbeziehung der Verbrechen gegen das Leben in ein Amnestiegesey zurüd- gestellt worden sind, so geshah es nah den ausdrücklichen Aus- führungen der Sprecher der Reichstagsfraktionen in der Er- wägung, daß es sich um Taten handelte, die viele Jahre zuritk- liegen und unter den ganz anormalen politishen Verhältnissen des Kapp-Putsches, der oberschlesishen Wirren, der Rheinland- besezung und des Seperatismus begangen waren, also unter Verhältnissen, die abgeschlossen hintec uns liegen. Es kam hinzu, daß sih die Besaßungsmächte durch die mit den Haager Ver- handlungen verknüpfte Räumungs8amnestie die Gewährung von Strafsreiheit für Delikte ausbedungen hatten, die während der Besahungszeit zum Nuben und zugunsten der Besaßung8armee begangen waren. Bei dieser Sachlage wuxde es damals als Ungerechtigkeit und Rechtsungleichheit empfunden, wenn diese Vergünstigungen niht auf Strastaten ausgedehnt würden, die von heimattireuen Personen aus wirkliher oder vermeint- lichen patciotishen Beweggründen gegen die Besayungsmäte begangen waren. Aus diesen besonderen Gründen wurd&E damals die Befreiung der Rheinlande zum Anlaß sür eine Amnestie genommen, die verhindern sollte, daß das deutshe Volk nah dem Abzug der Besazungstruppen sih immer aufs neue in unfrucht-

Damen und Herren!

betr. Gewahrung

1932. S.

und Staatsanzeiger Nr. 139 vom 16. Juni

baren innerpolitishen Diskussionen Übe l Krankheits-

ersheinungen einer sturmbewegten Zelt be 6 Vor der-

artigen aanz anormalen Erschetnungen aber wI el n die jeßige Geseßesvi e in Betracht kc S

eben nticht Na, na! bei der Nationaljoztaliitisen

Deutshen Arbeiterpartei.) Heute handelt es sich zumeist um

Straftaten, die im Streit der Parteien von Volksgenosjen gegen- (Sehr richtig! links.) Es handelt Presse allex Parteien, ins-

einander begangen werden sich um Straftaten, die in der

besondere natürlih in der Presse der Partei der jeweiligen Opfer der Straftaten, auf das schwerste gebrandmarkt werden (sehr

chtig! links), um Taten, welhe die Oeffentlichkeit auf das erntete DeuUnruhtaecn Und 1mmer wieder u etinent drtmmg ien Appell an die Polizei- und Justizbehörden führen, mit aller Schärfe gegen diese Gewaltakte einzuschreiten (Sehr richtig! links.) Derartige Sitratitaten ind. \L Cine Amnestie niht geeignet. (Lebhafte Zustimmung links.) Mein Vertreter im Ausshuß hat bereits die Zahlen mit-

geteilt, aus denen hervorgeht, in wie erschreckendem Maße in den leßten Monaten Angriffe auf Leib und Leben des politischen Gegners verübt sind. Fh weise darauf hin, daß allein im laufen

l mindestens 40 s{chwere Bluttaten zur Kenntnis

, den ¡Fahre bereit Fustizministeriums gelangt sind. Um aber einen richtigen Ueberblick über die Wirkungen des Straffreiheitsgeseßes zu ge winnen, habe ih die Fustizbehörden ersucht, nach dem Stande

Des

Por 1 Ui die bereits rehtsfräftig ecledigten und die noch s{chwebenden trafverfahren auf die Anwendbarkeit des vom Ausschuß beschlossenen Geseßentwurss zu üÜberprüfen. Bis auf einen einzigen kleineren Landgerichtsbezirk, der mit einer Meldung noch aussteht, liegt mir das Ergebnis der an- gestellten Prüfung jeßt vor. Daraus ergibt sih für die 84 Landgerichtsbezirke, die berichtet haben, folgendes Bild: 13 249 Rersonen, die rechtskräftig zu Strafen vercrurteilt sind, die ihre Strafen abex noch niht verbüßt haben, würde Straf erlaß gewährt werden. (Hört, hört! links.) Bei 25 724 Personen wären die gerihtlich anhängigen oder bei der Staatsanwaltschaft woch s\chwebenden Verfahren einzustellen. Fnsgesamt würden 38973 Personen unter dieses bisher im Entwurf hergestellte Amnestiegeseß fallen. Untex diesen Verurteilten oder Beschul digten befinden sich aber, was ih ganz besonders hervorheben muß 525 Personen, die wegen eines Verbrechens gegen das Leben, also wegen Mordes oder Totschlags verfolgt werden (lebhaftes Hört, hört! links ferner 79 Personen, die wegen s{hwerer Körperverleßung, und 15 Personen, die wegen [chweren Raubes sich strafbar gemacht haben (Hört, hört! links) verurteilt sind oder deswegen noch gerihtlich oder von der Staats anwaltschaft verfolgt werden. Rechnet man diese Zahlen zu- sammen, fo ergibt sich, daß 619 Personen, denen besonders shwere Verbrechen zux Last gelegt sind und bei denen, soweit sie rehts- kräftig verurteilt worden sind, die exkannten Strafen nach den an mich ergangenen Meldungen zum Teil mehrere Fahre Ge- fängnis oder Zuchthaus von 2 bis 12 Fahren betragen, unter den Straferlaß fallen würden. (Abgeordneter Dr. Fyreisler: Nennen Sie doch die rechtskräftigen Zahlen!) Angesichts solcher Zahlen, meine Damen und Herren, muß der Zweifel erlaubt sein, ob ausreihende Gründe dafür bestehen, mit dem bis herigen Grundsay, die shwersten Straftaten, insbesondere die Tötungsdelikte, aus Amnestiegesepen herauszunehmen, diesmal zu brehen. Die Amnestierung so shwerer Stcraf- taten kann ntGt FLetgner [0in, der Au]sxreM1- erhaltung derx Ruhe, Sicherheit und Ordnung sowie des Ansehens des Staates zu dienen. (Sehr wahr links.) Jch kann die ernste Sorge niht unterdrücken, daß die Amnestierung der Tötungsdelikte Hemmungen aus- [halten muß, die in einex Zeit, in der die Neigung zur Miß- achtung des Lebens politishen Gegners in bedauerlichstem Maße zunimmt, unentbehrlih sind, daß sie vielmehr geradezu einen Anreiz für die Begehung weiterer gleihartiger Straftaten bilden kann.

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Deshalb meine Damen und Herren, halte ih es für meine Pflicht, Sie eindreinglihst zu bitten, die Aenderungsanträge, die heute von der Zentrumsfraktion und der Fraktion der Deutsch- nationalen Volkspartei vorgelegt worden sind, anzunehmen, die vorshlagen, in § 4 des Entwurfs wenigstens die Verbrechen gegen das Leben, die shweren Körperverlezungen und die Fälle des § 251 des Strafgeseybuches aufzunehmen. Fch weise darauf hin, daß auch dexr von dem Hessishen Landtag beschlossene Am- nestiegeseßentwurf die Herausnahme dieser Delikte aus der Am- nestie vorgesehen haite.

Alle diese Bedenken, die ih gegen die bisher vor- gesehene Ausdehnung des Geseyes vorgetragen habe, gelten in verstärktem Maße auch gegen die im Rechtsausshuß an- genommene Entschließung, soweit sie in denselben Umfang also auch bei den shweren Strafiaten gegen Leib und Leben vom Staatsministerium Aufshub und Unterbrehung der Strafvoll- streckung fordert.

Weitere s{hwere Bedenken hege ih gegen § 2 Abs. k des Ent- wurfs, welcher ohne Festsezung eines Stichtags die Einstellung des Verfahrens vorschreibt, wenn die -—— aus politishen Boweg- gründen begangene Tat vor dem Tage des Fnkrafttretens dieses Gesetzes begangen ist. Meine Damen und Herren, ob das Hesey zustande kommt, wann es in Kraft tritt, läßt sih heute noch gar nicht absehen. Wenn Sie das Gese in dritier Lesung beschließen, dann darf das Staatsministerium es noh nicht sogleich verkünden. Denn nah Art. 42 der Preußischen Verfassung steht dem Staatsrat der Einspruch gegen das Geseh zu; will der Staatsrat Einspruch erheben, so hat er ihn innerhalb zweier Wochen nah der Schlußabstimmung im Landtag beim Staats- ministerium einzulegen. Erst wenn feststeht, daß der Staatsrat von seinem Einspruchrecht keinen Gebrauch macht, ist der Entwurf ein verfassungsmäßig zustande gekommenes Gese. Erst dann kann das Staatsministerium zur Verkündung shreiten und damit die Vorausseßung dafür schaffen, daß das Gese, wie im leßten Paragraphen des Entwurfs vorgesehen ist, am Tage nah der Verkündung in Kraft tritt. Zwischen der Schlußabstimmung des Landtags und dem Jukrasttreten des Geseyes vergeht daher ein

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Zeitraum von mindestens zwei bis verlängert fih, wenn etwa der Staatsrat die Einlegung des Ein- spruchs beschließen sollte; denn damit würde das Zustandekommen

Gesetzes verzögert, bis entweder der Landtag das Geseh noch-

drei Wochen. Dieser Zeitraum

b ade 2 Os 444 l r O »{ li C O vhov oi und zwar mit Zweidrittelmehrheit, beschließt, oder aber ein

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M lf 4 id Í e daa San Volksentscheid herbeigeführt wtrd.

Für diesen ganzen in der Zukunft liegendên Zeitraum will der Entwurf in der bisherigen Fassung Straffreiheit gewähren für alle Straftaten aus politishen Beweggründen außer den bis- her in § 4 genannten, also sogar für Verbrèchen gegen das Leben. Danach würde also von der Schlußabstimmung des Landtags ab i ein Zeitraum geschaffen,

tischen Beweggründen Verbrechen

Fnkrafttreten des Geseves in welchem Us poltt ( gegen das Leben begangen werden könnten, ohne daß der Täter eine Bestrasung auch nur zu befürchten hätte. (Hört, hört! im Zentrum und bei der Sozialdemokratishen Partei.) Der Landtag würde sich mit Vor- nahme der Schlußabstimmung jedes Einflusses hierauf begeben; eine einmal gewährte Straffreiheit läßt sich nicht rückgängig machen. Jch verzichte darauf, an Beispielen zu illustrieren, welche cktraftaten aegen das Leben im einzelnen in der bezeihneten Zeit unter garantierter Straflosigkeit begangen werden könnten. Jh vill auch nicht auf die Frage näher eingehen, ob die erörterte Vorschrift niht praktisch für die bezeichnete Zeit die Straf- drohungen des Reichsstrafgeseßzbuches, also des Reichsrehts, außer Kraft seßt und daher ihre Gültigkeit auch rechtlichen Bedenken

Fch will nux darauf hinweisen, daß diese Zeit, in welchex der Entwurf im voraus Straflosigkeit für Verbrechen gegen das Leben zusichert, zusammenfällt mit der Vorbereitung tagswahl, also einer Zeit höchster politisher Erregung. Fch bitte Sie daher, der Praxis aller bisherigen Amnestie- geseßze des Reiches und Preußens zu folgen und einen in der 2 Abs. 1 des Entwurfs

Unteritlegt.

Vergangenheit liegenden Stichtag in § einzuseßen.

Besondere Bedenken, und zwar verfassungs*- rechtlicher Art hege ih fernex gegen den im Rechtsaus\{chuß neu eingefügten § 6a des Entwurfs. Nach dieser Vorschrift soll ein Ausschuß des Landtags eingeseßt werden zur Nach- prüfung derjenigen gerihtlihen Entscheidungen, welche die Straf» freiheit versagen, und diesex Ausschuß soll auch die Befugnis ergangene gerichtliche Entscheidungen ganz oder teilweise abzuändern. (Abg. Kuttner: Gefesselte Justiz!) Der Aus\chuß soll also als eine den ordentlichen Gerichten übergeordnete Jn- stanz deren Entscheidungen auf ihre Richtigkeit nahprüfen und abändern dürfen. Es kann meiner Ansicht nah nicht zweifelhaft sein, daß hierin ein verfassungswidriger Eingriff in die unabhängige Rechtspflege zu erblicken ist. (Zuruf bei der Nationalsozialistishen Deutschen Arbeiterpartei: Das stimmt ja gar nicht!) FJch will das gleich begründen. Nach Artikel 103 derx Reichsverfassung wird die ordentlihe Gerichts- barkeit durch das Reichsgericht und die Gerichte der Länder aus- geübt; ebenso heißt es im Artikel 8 der Preußischen Verfassung, daß die Rechtspflege durch unabhängige, nur den Gesegen unter- worfene Gerichte ausgeübt wird. Nah Artikel 105 der Reichsverfassung sind ferner Ausnahmegerichte unstatthafi. Mit diesen verfassungsrechtlihen Vorschriften ist die Einseßung eines Landtagsausschusses, der in bestimmten Fällen gerichtlihe Ent- scheidungen auf ihre Richtigkeit nahprüfen und abändern dürfte, unvereinbar (Zurufe bei dexr Nationalsozialistishen Deutschen Arbeiterpartei) ih komme auf diesen Gedanken gleich —z denn er übernimmt damit Funktionen, die ausschhließlih ordent» lichen Gerichten vorbehelten sind. Vielleicht wird dies besonders flar an folgendem Beispiel: Jm Falle des Fnkrafttretens des Amnestiegeseßes würde das Reichsgericht bei Entscheidung jeder Revision von Amts wegen zu prüfen haben, ob etwa das Geseh anwendbar ist; denn die Anwendbarkeit der Amnestie würde ein Prozeßhindernis darstellen. Würde nun das Reichsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß politische Beweggründe nicht vor- liegen und daher im Einzelfalle die Anwendbarkeit des Amnestie- geseßes verneinen, so würde es in der Sache selbst entscheiden. Es würde also z. B. zux Verurteilung wegen einer nah seinex Meinung nicht politischen Straftat gelangen. Der Ausshuß des L 6a des Entwurfs aber würde alsdann in dex Lage sein, das Urteil des Reichsgerichts zu ändern. Meine Damen und Herren, das geht unmögli. (Sehr wahr! bei der *Sozialdemokratischen Partei.) Der § 6a der Vorlage steht auch im Widerspcuch zum Gerichts3verfassungs8geseh; denn die Länder sind nicht befugt, die dort reichsrechtlich geregelte Gerichtsorganisation zu durchbr-chen. Nun ist im Rechtsausshuß gesagt worden und das wurde vorhin in einem Zwischenruf auh wieder hervor- gehoben ——, dem Ausschuß des § 6 a werde keine cichterlihe Tätig- keit zufallen, weil seine Tätigkeit Ausübung des Gnadenrechts, also Verwaltungstätigkeit sei. Das Uit nit richtig. Es handelt sich für den Ausshuß nicht üm die Er- teilung von Gnadenerweisen im Einzelfall, die dem freien, an besondere Gesezesvorschristen niht gebundenen Ermessen der Gnadeninstanz überlassen ist, sondern um die Feststellung, ob ein Geseg, nämlih das vom Landtag beschlossene Gesez über Straffreiheit, auf einen bestimmten Tatbestand Anwen - dung zu finden hat. Das aber ist richterliche Tätig- keit, die den Gerichten im Rahmen der anhängigen oder an- hängig gewesenen einzelnen Strafverfahren als den Organen der Rechtspflege zusteht und in der sie dahex die verfassungs-

mäßig gewährleistete Unabhängigkeit genießen.

haben,

Selbst wenn es sich aber hier um Verivaltungstätigkeit handeln würde und man sih auf diesen Standpunkt stellen wollte, wäre die Einseßung des Ausschusses aus einem anderen Grunde verfassungswidrig; denn sie wäre nicht vereinbar mit der Preußischen Verfassung. Nach Artikel 54 Abs. 1 der Preußi- shen Verfassung übt nämlih das Staatsm inisterium namens des Volkes das Recht der Begnadigung aus, nicht aber ist der Landtag zur Ausübung des Gnadenrechts berufen. wäre es auch verfassungswidrig, wenn der Ausschuß zur Nieder- \chlagung von s{hwebenden Strafverfahren ermächtigt

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weisen, daß au der leßte Sab des Abs. 1 des § 6a versassung®

imenhang hiermit will ich noch kurz darauf hin-

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) nach dieser Vorschrift hat das taats- ministerium nach eigenem pflichtaemäßen Er- messen und mit eigener Verantwortlichkeit, die ihm keine andere Stelle, auch niht der Landtag, abnehmen kann, über die Gewährung von Gnadenerweisen zu entscheiden und kann daher nicht in seiner Entscheidungsfreiheit vom Landtag beschränkt

Nach alledem besorge ih, daß 6a des Entwurfs \\- wohl vom Staat s8gerichtshof als gegen die Reichsver- fassung und —-soweit nicht etwa die Erfordernisse verfassungs- ändernder Geseßgebung erfüllt werden sollten als gegen die Preußische Verfassung verstoßend angesehen würde, wie auch vom RNeichsgericht, wenn auf Grund des Art. 13 Abs. 2 der Reichsverfassung angerufen wird, als mit dem Reichsrecht un vereinbar bezeichnet werden würde.

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werden.

Jh empfehle daher drin gend st , den L 6a aus dem Entwurf herauszustreichen Eventuell könnten die Befugnisse eines etwa einzuseßzenden Ausschusses so gestaltet werden, wie sie hon im § 4 des alten Geseßes vom 26. Zuli 1922 über die Gewährung von Straffreiheit geregelt worden sind.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie zum Schluß noch mals dringend, diesen meinen Ausführungen Rechnung zu Fch habe sie gemaht aus ernster Be \org- nis um die Aufrechterhaltung der fün unseren Staat und seine Justiz absolut lebensnotwen- digen Rehtsgrundlagen. (Bravo! bei den parteien Lachen und Zurufe bei der Deutschen Acbeiterpartei.)

Abg. Dr. Muh s (Nat. Soz.): Die Bedenken des Justiz ministers gegen die Amnestie sind nicht stihhaltig. Von Parteien die eine Amnestie früher in jeder Beziehung befürwortet haben, wird heute behaupiet, daß die Amnestie die Staatsautorität ge- fahrden würde. Die Staatsautorität kann niht durch eine Amnestie gefährdet werden, sondern einzig und allein dur die Mängel der Autoritätspersonen. (Sehr richtig! bei den National sozialisten.) Wenn ein verheirateter Minister mit einer Freundin Amtsreisen unternimmt, darf ex sich nicht wundern, daß seine Autorität im Volke dahin ist. (Sehr richtig! bei den National jozialisten.) Die Rechtssicherheit ist nah unserer Ansicht heute [hon ziemlich restlos beseitigt, und es besteht überhaupt niht mehr die Möglichkeit, nach diesex Richtung hin durch eine Amnestie noch etwas zu gefährden. Man müßte, wenn man die verflossenen Zustände betrachtet, geradezu zu der Ueberzeugung kommen, daß mit der Amnestie einer höheren Gerechtigkeit gedient wird. Auch die Behauptung, daß die Amnestie den Terror fördern werde, ist nicht stichhaltig. Jm Gegenteil ist das Vorhandensein von Terror lediglih ein Ausfluß der Shwäche derx Staatsgewalt. Wir sind überzeugt, daß die StaatsgewaWSin . Zukunft die Macht haben wird, die Garantie dafür zu. übernéhmen, daß Terrorakte unter bleiben. Auch, die Befürchtung, daß dur die Amnestie die poli tishen Delikte zunehmen würden, ist falsch. Solche Befürchtung hat man bei den verflossenen Amnestien niemals gehegt. Man

s Die Ursachen

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hat sonst Amnestien immer für notwendig gehalten der politischen Delikte sind in der Einengung des politishen Lebens zu suhen. Man spricht von der freiesten Demokratie der Welt und hat einen Zustand geschaffen, der trostloser ist als das finsterste Mittelalter. Die Amnestiè ist in dem Umfange, wie wix sie vom Landtag ‘fordern, durhaus notwendig. Wir stellen fest, daß in allen Meicuen große Lücken und Widersprüche vorhanden sind, und daß diese Mängel der Gesetze geradezu allen Jerrtümern und sogar der Willkür der Rechtspflege Tür und Tor öffnen. Es ist be zeihnend, daß bis auf den heutigen Tag fast {ämtlihe Parteien, die nicht in der Regierung saßen, Amnestie verlangt haben und daß auch diese Amnestie von den Nichtregiecungsparteien gefordert wurde. Daraus ergibt sih, daß die Parteien, die nicht iu der Regierung sind, die Ueberzeugung haben, daß der bestehende Rechts zustand sich lediglich gegen sie rihte. Dies wird in gewisser Weise von dem Reichspräsidenten bestätigt, dex im Fahre 1925 eine Amnestie forderte mit dem Hinweis, daß die bisherige Handhabung derx Justiz eine Amnestierung notwendig mache. Von dem che- maligen Justizminister Radbruh ist einmal bchauptet worden, daß eine Amnestie nur Berechtigung habe, wenn sie am Anfang einer neuen Epoche stehe. Fch bin persönlich derselben Ansicht. Gerade aus diesem Grunde halte ih eine Amnestie jeßt für an gebracht, da wir heute am Anfang einex neuen Epoche stehen. Wer die Zeichen zu deuten weiß, kann sih darüber keinem Zweifel hingeben. Ueber den Umfang der Amnestie kann man verschiedener Meinung sein. Daß die Amnestie in erster Linie Straftaten aus politishen Beweggründen betrifft, ist selbstverständlih, da in poltisher Hinsiht die größten Ungerechtigkeiten in dex Recht sprehung begangen worden sind. Gesetze, die niht dazu angetan sind, Recht zu schaffen, die vielmehr dem Rechtsempfinden des Volkes widersprehen, vergrößern das Unrecht und sanktionieren die Rechtlosigkeit.- Die wirtshaftlihe Not ist heute derartig groß, daß sie bei Beurteilung von Straftaten durhaus niht in dem erforderlichen Umfang berücsihtigt worden is. Wir fordern des- halb, daß die Amnêéstie sich auch auf Strastaten erstreckt, die aus Not heraus begangen worden sind. Auszuschließen sind Straf- taten, die mit besonderer Rohheit begangen worden sind. Fh be- rufe mich darauf, daß bei allen Amnestien und von sämtlichen Parteien bislang immer gefordert worden ist, daß auch die politishen Verbrechen unter die Amnestie fallen sollen, so auch in dem Antrag der deutschnationalen Fraktion vom Fahre 1928. Man muß sih auch vor Augen halten, daß es sih dabei niht um gemeine Verbrechen im landläusfigen Sinne handelt, sondern um Straftaten, die begangen worden find von Märtyrern ihrer Ueber- zeugung, also Menschen, die durchaus edel und anständig gehandelt haben. Vom Justizminister ist geltend gemacht worden, daß die für die unrecht entlassenen Arbeiter, Angestellten und Beamten geforderte Entschädigung zu hoch sei und in keiner Weise dexr Not- lage des Staates Rechnung trage. Wir stehen auf dem Stand- Pin daß man diesen Arbeitern, Angestellten und Beamten [chweres Unrecht zugefügt und ihre wohlerworbenen Rechte mit Füßen getreten hat. Die verlangte Entschädigung ist außer- ordentlich» klein und durhaus niht in der Lage, das Unrecht vieder gutzumachen. Außerdem hat man kein Recht, sih auf die Notlage des Staates zu berufen, wenn“ es sih um die Wiedergut- nachung eines begangenen Unrechts handelt. Die Behauptung des Justizministers, daß der beantragte Amnestieaus\schuß der rehtlihen Grundlage entbehre, ist lediglich eine juristishe Spih- findigkeit, um eine Hinausschiebung des Amnestiegesezes zu er- wirken. Wir sind niht gewillt, durch derartige juristishe Spitz- [indigfeiten unsere SA-Leute und Parteigenossen länger im Ge- [angnis schmachten zu lassen. Wir haben deshalb einen Ab- änderungsantrag eingebracht, um diesen Einwendungen aus dem Wege zu gehen und eine Beschleunigung des Amnestiegesetes herbeizuführen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Amnestie in Anbetracht der Zustände auf dem Gebiete der Rechts- pflege îm politishen Leben notwendig ist, ja sogar eine Pflicht en den Voiksgenossen bedeutet. (Beifall bei den National- oztalisten.)

Abg. Kuttner (Soz.) wendet sih dagegen, daß man über ernsthaste rehtlihe Bedenken mit der Bemerkung hinweggehen le, auf solche Spibfindigkeiten lassen wix uns nicht ein, Fh

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Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 139 vom 16, Juui 1932. S.

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in nicht der Anicht, daß es sich bei diesem Geseh um eine Necht3- D F F T4 J +4 Y 9 »+ { 9 ï S, Í 425A a 4

rage handelt. LTatjahlUch liegt hier ledigli ein politisher Zwedck-

unftur, daß fie gemeinschaftlich die Mehrheit haben, iSnuyen wollen (Unruhe bei den Nationalsozialisten), um sich gegenseitig für begangene Straftaten Straffreiheit zu verschaffen. (Anhaltende Unrube und Zwischenrufe bei den National jozialisten.) Fm Ausschuß haben die Nationalsozialisten kein j|chlihes Wort der Begründung für das Amnestiegesey gefunden. Pier im Plenum haben wir von Dr. Muhs gehört, das Amnestie gesey sei diktiert von einer höheren Gerechtigkeit. (Sehr richtig! bei den Nationalsozialisten.) Vor vierzehn Tagen haben wir an dieser Stelle eine ganz andere Belehrung über den Begriff deu hi heren Gerechtigkeit erlebt. (Unruhe bei den Nationalsoziakisten.) Bor vierzehn Tagen, am 3. Junt, hat nämlih Herr Dr. Freisle1 in einer Polemik gegen das Zentrum gesagt: „Ft das Christen

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andel zwishen extremen Parteien vor, die die gegen

tum, daß man Jjahrelang organisiertes V davontommen läßt? Nein!“ Freisler habe auch gesagt, daß das Verbrechen in einem Volk niht überhandnehmen dürfe. Was ift denn nun eigentlih bei Fhnen höhere Gerechtigkeit? Es scheint lich auch hier zu zeigen, daß Sie (zu den Nationalsozialisten) eine höhere Gerechtigkeit mit doppeltem Boden haben. (Lärm bei den Nationalsozialisten.) Fn Fhrer (zu den Nationalsozialisten) Presse verlangen Sie drakonishe Maßnahmen dann, wenn politische Verbrechen gegeu- Fhre Leute begangen werden. So haben Sie Jeßt wieder im „Angriff“ geschrieben, das deutshe Volk würde es nicht verstehen, wenn ein Verbrecher, wie der kommunistische Redakteur Wollenberg, freigelassen würde. Das deutshe Volk kann das nicht verstehen, aber Sie (zu den Nationalsozialisten) wollen ihn durch das Amnestiegeseß freilassen (Stürmische minutenlang andauernde Lärmszenen bei den Nationalsozialisten und Rufe: Sie verstehen nihts vom deutshen Volk! Abtreten!

Es gelingt dem Vizepräsidenten Wittmaack kaum, dem Redner die Fortseßung seiner Ausführungen zu ermöglihen. Als der Redner weiter ausführt bei dem Amnestiegeseß wolle jeder von den beiden Befürwortern derx Freilassung von 40 000 politischen Berbrechecrn, nämlich sowohl Nationalsfozialisten wie Kom munisten, den anderen Teil betrügen, erhebt sich aufs neue lang anhaltender Lärm bei den Nationalsozialisten bis der Fraktions

führer, Abgeordneter Kube [Nat. Soz.], die Fraktion duxch eine Pandbewegung zur Ruhe auffordert.) Fun Wirklichkeit, so fährt

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der Redner fort, wollten die Nationalsozialisten nux ihre Ve fahren eingestellt wissen. Die Kommunisten täten nur so, als ob die 40000 vom Minister genannten politishen Verurteilten lediglih oder überwiegend Kommunisten seien. Jn der Tat treffe dies aber niht zu. Vielmehr sollten jebt viele Nationalsozialisten uit befreit werden, die teilweise bis zu 12 Fahren Zuchthaus

halten haben. (Rufe bei den Nationalsozialisten: Fn

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hrem sogenannten Rechtsstaat!)) Wir glauben, daß kein Rechtsstaat es ungestrafi dulden darf, daß Mord, Raub, Zchändung von Gotteshäusern und Friedhöfen be- gangen werden. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Wir geben den Kommunisten zu, daß in manchen Fällen politische Bergehen auf der Rechten zu milde geahndet worden sind (Lärm bei den Nationalsozialisten). Es ist aber unlogish, deshalb auch noch die Verurxteilten befreien zu wollen, die zu Reht im Ge- fängnis sigen. (Rufe bei den Kommunisten: „Nieder nit der Klassenjustiz!“) Dieser Amnestieentwurf verstößt gegen jedes Ge- rehtigkeitsgefühl. (Lärm bei den Nationalsozialisten und Rufe: Unerhört!) Es ist kein Rechtsstandpunkt, wenn man, wie im vorliegenden Entwurf, eine formale Beleidigung und die Tötung eines Menschen auf die gleihe Stufe stellt. (Anhaltende Unruhe bei den Nationalsozialisten; Vigzepräsident Wittmaack ersucht wiederholt um Ruhe und meint, daß insbesondere dexr Geschäfts- fuhrer dex nationalsozialistishen Fraktion Abgeordneter Hinkler nh ruhiger verhalten solle.) Der sogenannte Amnestieaus- |chuß seve allem die Krone auf. Diefer Ausschuß solle einfach rihterlihe Urteile aufheben können, das sei auch in Rechts- blättern, wie z. B. der „Kölnischen Zeitung“, scharf gegeißelt worden. Der Redner zitiert Ausführungen, die Senatspräsident Baumbach vor“ vielen Fahren schon gegen die Amnestie gemacht habe. Baumbach habe ausgeführt, daß diese Amnestie die Richtec tief durchdringen müsse von dem Gefühl der Sinnlosigkeit ihres Zuns. Die S. P. D. wisse aber, daß die Nationalsozialisten die Amnestie niht machten, damit die amnestierten Taten abnähmen, jondern damit diese Taten zunähmen. (Lärm bei den National- jozialisten.) Sie (zu den Nationalsozialisten) wollen ja Amnestie aus diesem Grunde sogar auf Vorshuß geben. Wir Sozial- demokraten würden gern die Hand zu einer Amnestie geben, die dem allgemeinen Frieden dient. Fhre (zu den Nationalsozialisten) Amnestie aber soll niht dem allgemeinen Frieden dienen, sondern der Legalisierung des Terrors (Händeklatshen bei den Sozial- demokraten; anhaltender Lärm bei den Nationalsozialisten). Es gibt für uns keine Rechtfertigung für die Vernichtung des Lebens des anderen (anhaltendex Lärm bei den National- jozialisten und Rufe: „Das hast Du selber aber niht beachtet !“). Wenn in den nächsten Wochen abermals Dugzende unserer Mit- bürger ermordet auf der Straße liegen, kann niemand, der diese Amnestie mit beschlossen“ hat, beiseite treten und sagen: Jch bin unschuldig an diesem Blut! (anhaltender Lärm rehts). Jm Aus- chuß hâtten die Nationalsozialisten den sozialdemokratishen An- trag abgelehnt, der au in der Not begangene Delikte amnestieren wollte. Aus dem Munde des Nationalsozialisten Dr. Muhs habe er, der Redner, jeßt gehört, daß nunmehr die Natioal- jozialisten diesen sozialdemokratishen Antrag abgeschrieben hätten (Lärm bei den Nationalsozialisten). Die Not ist Jhr (zu den Nationalsozialisten) Agitationsmittel von vorgestern. Des- halb haben Sie kein Fnteresse mehr daran, heute noch Not- delifte zu amnestieren. Denn die ven den Nationalsozialisten tolerierte Regierung Papen erhöht die Not der Bevölkerung (an- haltender Larm bei den Nationalsozialisten; Rufe bei den Sozialdemokraten: Warum schasft Präsident Kerrl keine Ruhe?). h lehne es ab, so erklärt der Redner, mih von diesem Präsi- denten schüßen zu lassen. Das vorliegende Amnestiegesez müßte man ein Schutgesey für den politishen Terror nennen. Wenn die Bevölkerung nicht mehre vorx politishem Terror geschüßt werden soll, ist ste berehtigt und verpflichtet, sich selbst zu s{hüten. Jn diesem Sinae werden wir handeln. : i x

N Abg. Kr emer (Zentr.): Der vorliegende Geseßentwurf [&asst eine bisher niht erlebte Ausdehnung in Amnestiefragen. Weine politishen Freunde haben so starke Bedenken gegen ein solches Geseb, daß sie ihm niht zustimmen können. Dieses Gese steigert? die Rechtsunsicherheit und stört die Staatsautorität, zumal es Straffreiheit auf Vorshuß gewährt. Besondere Be- denken haben wir au gegen die Weiterausdehnung des Kreises der zu Amnestierenden Ursprünglih sollten nux Landesverrat und Vercat militärisher Geheimnisse von der Amnestie aus- geschlossen werden. Jm Ausschuß haben wir bisher nur erreicht, e wenigstens auch Brandstiftung und vorsäßlihe Transport- gefährdung aus der Amnestie herausgelassen werden. Unsere Porde runs auch schwere Körperverleßung und {weren Raub owie Totschlag aus der Amnestie herauszulassen, ist noch nicht erfüllt. Ja, man will sogar die Fälle amnestieren, in denen der Täter von vornherein beabsichtigt hat, einem anderen Menschen [chwere Körperverlezungen zuzufügen, nämlih die Fälle des S 225 St.-G.-B.. (Hört, hört! im Zentrum und links.) Auch schwerer Raub soll mit amnestiert werden, obwohl man untex

schwerem Raub versteht, daß ein Mensch bei der Beraubung ge- martert wurde. (Stürmishes Hört, hört! links und im Zen- trum.) Solhe Amnestien können wir nicht verstehen. Die größten Bedenken aber haben wir gegen die Aufnahme von

Was soll im kommenden Politiker, die in

Mord und Totschlag in die Amnestie. Reichstagswahlkampf geschehen, wenn man

S L e ) L DE Ô 3 L : ; y L Á, Ï s L Wenn aber BVogelfr r C ¿ Pari g 0) 1 R f C 21 | L Ï L Î î Ra uhron“ Wel 1 + Ly soll das uUYren 7 S0) QIau , daß Tei nihter L H Ad 8 C3 Í B r D Partei immer jein, dietem Amnestiegeset imen kann. S j outido ndor T4 N t y r SIONES SYEI preußiWher Richter würde hl verantworten r O 7) ava v t troh + Ql 4s r : können, diese Vorlage anzunehmen. (Lebhafte Zustin g im Dontriit 115 Tlinfa CD is M end A C d, 4 17 Jentrum und Unks.) Dlele L macht aus Gerechtigkeit Un- gereWtigieli; le macht d N vert stumpf und unteraräbt alle Grundlagen einer geordneten Rechtsprehunag. (Sehr wahr! inte 1, 4 » 1, Di daes Gail 7 F links und in der Mitte.) Diese Vorlage widerspricht abei nicht

t e nur dem weltlihen Geseß, sondern auch dem göttlihen Gebot: ( / 4

Du solist niht töten! (Zustimmung links und in der Mitte. Ubg. Kube [Nat. Soz.]: Fhr Koalitionskollege Kuttner hat aber zetotet!) Zum Schluß unterstreiht der Redner die vom Justiz- minister aufgestellte These, daß der im Entwn V | e Amnestieausshuß des Landta verfassungswidrig sei. Jch bin so erflärt er, lang: genug Richter und darf daher versichern, daß in unserem Richierstande noch der alte preußishe Geist le dig ist (Sehr wahr! dei den Kommunisten), der Geist der unbedingten Pflichttreue „Und Gerechtigkeitsliebe. (Beif l i Zentrum.) «Oenn aver dI1ejer Sntiwurf zum Geseß erhoben trotird, dann wtrd Preußen aufgehört haben, ein Rechtsstaat zu 1 flatshen im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.)

i lba Ste Î 1119 n nnt! es 4! , erh ie Provotation, daß au Abgeordnete Kuttner zu be- haupten wage der Mordierror legalisiect werden jolle Das waat er der Redner, derselbe Herr Kuttner zu jagen, der 1919 Führer einer weißgardistishen OÖffi- zierSgarde war, dîe als Gruvpe Reichstag die Arbeiterschaft mit

brutalitem Mordt shlug. Es is} eine Provokation, daß die sozialdem ausgerehnet Herrn Kuttne hier Z r 3 auftreten läßt. (Sehr wahr! bei Amnestieforderung t die Kl tarlis gegenuber dem [eheuren T } ürgerlihe Klafsenjustiz gegen die Arbeiterschaft W ati L iten ebenso wie wir eine

e 5 nun taktishe Maßnahme. Sie

ätten es 1 Amnestie für sich zu be- an|spruchen Justiz r Braun-Severing-Regter 1ng lnd fle jehr milde angefaßt worden. (Zuruf von den 9 nal- jozialisten: 1000 Fahre Gefän ) Das bestreiten wir, so» lange sie uns das beweisen. Die Nationalsozialisten haben

dem Reichsinnenminister Groener eine Liste von Toten Uber- reiht, die angeblich von Kommunisten ermordet worden sind. Es itellte ih aber heraus, daß auf dieser Liste auch 16 Leute geführ

werden, die 1923 beim Putsh von der Polizei erschossen wurden

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(Hort, hort! bei den Kommunmisikn), mehrere, die eines natür- lihen Todes gestorben waren, und zum Teil auch von eigenen Parteigenossen ermordet worden sind. (Dex Redner zählt einige Falle cuf, um diese Behauptungen zu belegen, wobei ihm die National}ozialisten zurufen: Unerhörter Schwindel!) Auf der anderen Seite aber, so

fährt der Redner fort, sind von den ¡talisten 1930 41, 1931 59 und 1932 bisher 4

gemeuchelt worden. (Hört, hört! bei den Kommunisten. Wider- jpruch bei den Nationalsoztalisten.) (Bei * Aufzählung einzelner Falle entstehen erregte Auseinandersebungenn zwischen National- ozialisten und Kommunisten.) Die Justiz aber spriht härteste Strafen gegen Arbeiter aus, die sich in Abwehr befanden, während sie den Nationalsozialisten mmer das Notwehrrecht zuspricht.

m (Errogte Zuruse bei den Nat

6 Arbeiter

M ++ 5 ational:

fast onaljozialijten.)

Das Haus vertaat die 11 Uhr. Schluß 7 Uhr

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Parlamentarische Nachrichten.

Der Aeltestenrat des Preußischen Landtags, der vor Beginn der Plenarsißung gesiern tagte, beschloß, Len gegènwärtigen Sißungs8abschnitt am Donnerstag enden zu lassen. Hauptgegen- stände dieser kurzen Tagung ist die Beratung des *Amnestie- geseßes, für die eine Redezeit von 114 Stunden je Fräktion vor- gesehen ist, sowie die Aussprache über die Notvecrordnung, zu der auch Finanzminister Klepper das Wort nehmen will, Der Land- tag wird sih dann bis Mittwoch, den 22. Funi, vertragen. Am 22. «Juni soll außer dex endgültigen Wahl des Landtagspräsidiums auch die Wahl des Ministerpräsidenten auf die Tagesordnung ge- seßt werden Außerdem will man bis dahin die Anträge zuc Arbeitsbeschaffung in den Ausschüssen soweit vorberaten, daß das Plenunt sih mit ihnen beschäftigen kann.

Nummer 17 des „ReicchSsSaurbeits8blatts“ vom 15. Juni 1932 hat folgenden Jnhalt: Teil 1. Amtlichex Teil; I. Ar- beitsvermittlung und Arbeitslosenversiherung. Geseße, Verord- nungen, Erlasse: Freiwilliger Arbeitsdienst und landwirtschaft- lihe Siedlung. 11. Avrbeitsverfassung, Avrbeitsvertrag, Tarifs vertrag Arbeit8gericht8sbarkeit, Schlihtungswesen. Bescheide, Urteile: 43. Prüfungspflicht des Arbeitsgerihts bei Ersaßzustim= mung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. 44, § 92 dexr Grundsäße für die Anstellung der Jnhaber eines Versor- gungsscheins vom 31. Juli 19% schüßt Angestellte ohne Versor- gungéschein nur dann gegen Entlassung, wenn ein Fnhaber des Versorgungsscheins auf Privatdienstvertrag angestellt werden soll, III. Arbeitsshubß. Geseße, Verordnunen, Erlasse: Be- kanntmahung. Betr.: Verpackung von Thomasmehl. Bes heide, Urteile: 45. Anerkennung der neuen Vorschriften nebft Ausführungsregeln für den Betrieb von Starkstromanlagen und für elektrishe Bahnen. Teil 111. Arbe1itsschuÿ. Das “Fnternationale Uebereinkommen über das Mindestalterx für die Zulassung von Kindern zu nihtgewerblihen Arbeiten. Von Dr. Feig, Ministerialdirigenten im Reichsarbeitsministeriuum. Fnternationales Uebereinkommen - über den Shuyß der Hafen- arbeiter. Bericht über die Verhandlungen auf der 16. J. A. K. oom 11. bis 30. April 1932. Von Stiller, Oberregierungsrat im Reichsarbeitsministerium. Aus dem Jahresberiht dex Ver- suchsanstalt für Landarbeitslehre Pommriy Sa. 1931. Bericht- erstatter: Prof. Dr. Derliti, Pommriyß, Sa. Zerknall einer Heißwasserumkaufheizung. Von Gewerbeassessor Dipl.-Fng. Hans Banik, Altona. Beleuchtungsmessung mit photographischem Lichtmeßgerät. Von Regierungsgewerberat Rißer, München. Stummer oder sprehender Film für die Unfallverhütungs- YY 9 N M4 js ¿, vorber © Dy % Adol propaganda? Von Regierungsgewevberat 1. Kl. Dr.-Fng. Adolf Baumann, München. Untersuhungen über das Bädcerekzem und dessen Ursachen. Von Dr. L. Teleky, Düsseldorf, und Dr. Erna Zibßke. Eingesandtes: Rükschlagsiherung aus Holz! Von Ge- werbeassessor Dr. W. Lenz, Berlin. Unfall-Lehren: Vers brenr1ngsunfall beim Trocknen von Wasserwellen. Von Ge- werbereferendar Dipl.-Jung. Friß Stein, Kassel. Neues vom Arbeitsschuß: Eine neuartige Shußvorrihtung an Abrichthobel- maschinen. Von Ministerialrat Dipl.-Jng. Kremer, Berlin. Mitteilung: Verein Deutscher Revisions8-JFngenieure E. V. Berlin. Bücher- und Zeitschriftenshau. Teil V1. Bekannt- machungen über Tarifverträge.