1909 / 198 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Aug 1909 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Nr. 8 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs- R Las vom 15. August 1909 enthält im Amtlichen Teile unter A die Anzeige der vom Bundesrat vollzogenen Wahl des Königlih württembergischen Ministerial- rats Dr. von Köhler zum nichtständigen Mitgliede des Reichs- versichherungsamts an Stelle des Dae ene Staatsrats von Schier, sodann unter B (Unfallversiherung) eine Be- rihtigung des Verzeichnisses der für leistungsfähig erklärten Kommunalverbände sowie Rekursentsheidungen über folgende Gegenstände:

Telegraphishe Rekurseinlegung ist zulässig; in diesem Falle genügt als Unterschrift die Bezeihnung der E: genossenschaft; ein von dem Geschättsführer der Berufs3-

enossenshaft ohne Vollmacht des Vorstands eingelegter Rekurs ann auch nach Ablauf der Frist ¡jzur Einlegung des Nechts- mittels von dem Vorstande genehmigt werden (2318 Er- weiterter Senat). *) :

Zur Frage der Versicherung von Holzfällungs- und Holz- abfuhrarbeiten (2319).

Unfall eines herrschaftlichen Kutschers bei der Fütterung eines in anderer Jahreszeit auch zum geringen Teile in der Landwirtschaft benußten Kutschpferdes ist kein landwirtschaft- liher Betriebsunfall (2320).

Die Abteilung C (Jnvalidenversicherung) enthält eine Bekanntmachung des Reichsversiherungsamts vom 7. August 1909, betreffend die Ausdehnung der Bestimmungen des S 5 Abs. 1 und des § 6 Abs. 1 des Jnvaliden- versicherungsgeseßes (Befreiung von der Versicherungs- pflicht), sowie ein Rundschreiben des Reichsversicherungs- amts vom 17. April 1909 an die Vorstände der sämtlichen Landesversicherungsanstalten (Versiherungsanstalten) und be- sonderen Kasseneinrihtungen, betreffend die Betätigung der Versicherungsträger auf dem Gebiete der Jnvalidenhauspflege. 5 Es folgen Revisionsentscheidungen über folgende Gegen- tände:

Ueber die Pflicht des Schiedsgerichts zur ershöpfenden Beweiserhebung (1405).

Gelangt das Schiedsgericht bei der Augenscheinseinnahme zu einem vom ärztlihen Befund abweichenden e so muß es seine Fest A eingehend im Protokoll oder im Urteile wiedergeben (1406).

Ueber die Bewertung ärztliher Gutachten und des Er- gebnisses der Augenscheinseinnahme (1407).

Grenzen der freien Beweiswürdigung, wenn verschiedene Schäßungen der Sehschärfe vorliegen (1408).

Ueber die Grenzen der freien Beweiswürdigung (1409).

Ueber die Grenzen der freien Beweiswürdigung; das rihterlihe Ermessen gegenüber ärztlichen Gutachten darf kein willkürliches, kann vielmehr nur ein sahlihes, mit Gründen gestüßtes sein (1410).

Der bloße Eindruck persönliher Glaubwürdigkeit von Personen, die am Ausgange des Rechtsstreits beteiligt sind, reiht nicht aus, um die von ihnen bekundeten Tatsachen ohne weiteres für erwiesen anzusehen (1411).

Die Frage, ob das Schiedsgericht verpflichtet ist, der zum Verhandlungstermine geladenen, in diesem aber niht ver- tretenen Versiherungsanstalt ein in diesem Termin erstattetes ärztliches Gutachten vor der Entscheidung mitzuteilen, wird in mehreren Revisionsentscheidungen je nah der Sachlage ver- schieden beurteilt (1412—1415).

Hat das Schiedsgericht die Versicherungsanstalt zu einer für den Verhandlungstermin in Ausficht genommenen ärzt- lihen Untersuchung des Klägers geladen, so ist es niht ver- pflihtet, dem Antrage der Versicherungsanstalt: „falls sie im Termine nicht vertreten sein sollte, die Entscheidung auszuseßen und ihr das Terminsgutachten zur Aeußerung mitzuteilen“, Folge zu geben (1416).

Das Recht des Schiedsgerichts, eine Sache an den Vor- stand der Versicherungsanstalt zurückzuverweisen , wird in einem Falle verneint (1417).

Die Aufrehnung überhobener Rentenbeträge mit der laufenden Rente wird durch ein geschäftlihes Versehen des Feststelungsorgans nicht ausgeschlossen (1418).

Eine Militärrente, die für eine durch Dienstbeshädigung hervorgerufene völlige Jnvalidität gewährt wird, ist dann nicht als Unfallrente im Sinne des § 15 Abs. 2 Sat 2 des Jn- validenversiherungsgeseßes anzusehen, wenn die Dienstbeshädi- iso ht durch einen Betriebsunfall verursaht worden ift 1419).

Beiträge, die für eine irrtümlih für versiherungspflichti gehaltene Tätigkeit entrihtet sind, können unter Umständen au eine andere, versicherungspflichtige Beschäftigung angerechnet werden (1420).

Zun 4 der Erwerbsunfähigkeit (1421).

en Schluß bilden Nachweisungen über die Renten- zahlungen und Beitragserstattungen der 31 Versicherungs- anstalten im Juni 1909 sowie über den Erlös aus Beitrags- marken für Monat Juli 1909.

Der Nichtamtliche Teil enthält Anzeigen der ver- siherungswissenshaftlihen Vorlesungen an der Handelshoch- shule Berlin und an der Akademie für Sozial- und Handels- wissenschaften in Frankfurt a. M., ferner der Broschüre des Landesmedizinalrats, Professors Dr. Liniger in Düsseldorf über Begutachtung der Finger- und Handverlezungen mit Zu- ammenstellung der neuesten Entscheidungen des Reichs- versicherungsamts“ sowie der Abhandlung des Professors Dr. Rumpf in Bonn über „ärztliche Zeugnisse und Gutachten“.

Der Senatspräsident Dr. Herz vom Reichsmilitärgericht ist vom Urlaub zurücgekehrt.

Der Königlih norwegische Gesandte von Ditten ist nah Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.

Baden.

Jhre Majestät die Königin-Mutter Margherita von Ftalien stattete, „W. T. B.“ zufolge, am Freitag- nahmittag Jhren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Frau Großherzogin in Baden-Baden einen kurzen Besuch ab.

*) Die neben den einzelnen Entseidungen stehenden eingeklammerten gaten geben die Ziffer an, unter welher diese in den „Amtlichen achrichten“ verôffentliht sind.

Frankreich,

Wie die Pariser Morgenblätter melden, beabsichtigt der Marineminister folgende Aenderungen in der Organi- sation der Flotte: Die bisher als Mittelmeer- und Nord- eshwader bezeihneten Geschwader sollen fortan 1. und 2. Ge- f wader heißen. Jedes der beiden wird bestehen aus einem Ge- \shwader von sechs Panzerschiffen, einer Divifion von vier Panzer- kreuzern, einer Flottille von 12 Torpedobootszerstörern, eingeteilt in zwei Divisionen, an deren Spiße je ein Kreuzer erster Klasse steht. Alle U werden volle Besaßung führen. Außerdem wird jedem Geschwader eine Reserve mit halber Besaßung beigegeben und zwar je ein Panzershiff und ein

anzerkreuzer. Die nah Marokko und Algier beorderten

isfe bilden eine unabhängige Division. Die beiden Divi- sionen im äußersten Osten und im Stillen Ozean werden zu einer Division zusammengezogen.

Türkei.

Der Ministerrat beshloß, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel gemeldet wird, in seiner gestrigen Sizung, die griehische Antwortnote als befriedigend anzunehmen, und beschäftigte sih sodann in langer Beratung mit der leßten gemeinsamen Note der Shußmächte, ohne jedoch hierüber einen Beschluß zu le i

Der Schlußsißung der türkischen Kammer am Sonnabend wohnten der Großwesir, mehrere Mitglieder des Kabinetts und zahlreiche militärische und geistlihe Würdenträger bei, Der Präsident der Kammer Ahmed Riza gab in einer kurzen Schlußrede einen Rücblick auf die ereignißreihe Tagung und forderte die Abgeordneten auf, während der Ferien die Jdeen der Freiheit und der Verfassung im Lande zu ver- breiten. Sodann verlas der Großwesir ein Kaiserlihes Jrade, das die erste Session des Parlaments für geschlossen erklärt n ee der nächsten Session auf den 14. November d. J. anseßt.

Der Marineminister erklärte, „W. T. B.“ zufolge, in einem Jnterview, die türkische Flotte werde solange in den Gewässern von Karpathos bleiben, bis die Lage auf Kreta für die Pforte befriedigend sei. /

Wie aus Smyrna und Saloniki gemeldet wird, is der Boykott gegen T e S Waren täglich im Wachsen begriffen. Die qriecSen chiffahrtsgeselschaften haben den Verkehr mit Saloniki eingestellt. i

„Sabah“ berichtet über einen Sieg türkisher Truppen über die Aufständigen in Yemen, die große Verluste erlitten haben sollen.

Afrika.

Wie „W. T. B.“ aus Melilla meldet, wurde am Frei- tag ein spanischer Militärtransport von-den Mauren, die aus dem Jnnern Verstärkungen erhalten hatten, an- gegriffen, wobei die Spanier einen. Verlust von 2 Toten und 6 Verwundeten hatten. Am Sonnabend griffen die Mauren bei einem Blockhause einen Proviantzug an, wurden aber zurückgeshlagen. Die Rifkabylen sind bis vor Sidi rie vorgerückt und haben einen Lebensmitteltransport angegriffen.

us Alhucemas wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß die Stadt am Freitag und besonders um Mitternacht dem Feu er der Kabylen ausgeseßt war. Gegen Morgen gaben sie au aht Kanonenschüsse ab, die von den Batterien der Garnison erwidert wurden. Bei Penon de la Gomera, das die Kabylen hon am Sonnabend - heftig beschossen hatten, kam es gestern ebenfalls wieder zu einem Feuergefecht, in das au das Kanonenboot General Concha eingriff, indem es die S Stellungen beshoß. Auf spanischer Seite sind keine

erluste.

Wie der „Matin““ meldet, hat die spanisheRegierun den General Marina neuerdings davon benachrichtigt, daf ihm alles bewilligt werden würde, was er fordern sollte; er solle nur mit größter Sicherheit vorgehen. Der General Marina habe deshalb außer den bereits getroffenen Vor- sihtsmaßregeln noch eine Verstärkung von 8000 Mann Jn- fanterie erbeten, wodurch der Gesamtbestand der Truppen auf 48 000 Mann erhöht wird.

Koloniales.

Eine botanische Forshungasreise nah dem Norden von Deutsh-Südwefstafrika.

In der Zeit von November 1908 bis Fanuar 1909 hat der

Botaniker Dinter eine Studienreise nach dem Norden von Deutsch--

Südwestafrika unternommen; sein Bericht ist jet im „Deutschen Kolonialblatt“ veröffentliht worden. In diesem Berichte fällt auf, daß der Reisende allenthalben reihliche NRezenfälle fest- gestellt hat, teilweise sogar überreihlihe, die ihn nötigten, von dem Besuch einzelner Punkte abzusehen. Die Farmer in der Grootfonteiner Gegend bauen deshalb an vielen Stellen Mais. So traf der Reisende diht hinter der Otavipforte auf rost- braunem, tiefgründigem Boden ¡wei Maisfelder der Otavi. Minen- und Cisenbahrgesellschaft von zusammen 6 ha, die das beste Resultat versprahen. Cins davon war sauber mit der Maschine gedrillt. Der Farmer Pohlmann besißt sogar 60 ha mit Mais bestar den. Auf der Südseite des Otavitales zieht sh am Fuße der dicht be- waldeten Bergkette ein mindestens 75 000 Stämme zählender Tamboti- bestand in einem mehrere Kilometer langen, {malen Streifen ent- lang. Wenn in den Waldgebirgen der „South West Africa Co.“ eine vorfichtige, in die Zukunft s{hauende Waldwirtschaft getrieben würde, wenn vor allen Dingen dem jährlihen Gcasfeuer der Talsoblen der Eintritt in den unteren Bergwald verwehrt werden kö1nte, sodaß der junge, noch dünnrindige Stockanschlag der gefällten Bäume nicht

sogleih wieder zerstört würde, dann brauhte sich der Waldbestand !

dieses unschäßbaren Gebietes troy des bedeutenden Holzkonsums nicht zu vermindern. Eine Nutbarmahung der sonst in den Tropen als Zerstôörer so sehr gefürhteten Termiten durch Busch- [eute erlebte der Reisende bei Neitsas. Diese hatten am Fuße eines jeden Termitenhügels ein großes Loh mit senkrechten Wänden ge- graben und darüber eine brennende Fadel befestigt. In wenigen

Minuten war das Loh von den aus dem Hügel hervorkommenden Termiten gefüllt. Der Inhalt wurde dann in einen Sack entleert, ! Die Termiten | j auf das im Berichttjahre insgesamt niht weniger als 2421 Anfragen

und das Loch füllte sih dann noch ein- bi3 zweimal. enthalten ein farbloses Oel von gutem Geshmack, das durch {rathes Prefsen sehr leiht gewonnen werden kann. Dinter meint, daß bei rihtiger Organisation in einer Naht vielleicht 50 bis 109 Zentner der Tiere gefangen werden könnten, die 10 bis 20 Zentner Ö:l er- gäben. Indefsen bietet sid die Gelegenheit nur an einem oder zwei Abenden im Jahr. Zum S#S#[uß tritt der Reisende der in der Mitte und im Süden von Deutsh-Sückwestafrika weit verbreiteten Ansicht entgegen, daß im Norden und Nordosten der Koloaie eine rentable Viehiuht nit möglih sei. Er beruft si auf die durch Erfahrungen

begründete Ansicht der Farmer jener Gegend, besonders derjenigen, |

die Sandfeldweide haben. Alle behaupten einmütig, als Vieh- ¡üter nie mit einer Farm im Herero- oder Namalande

tauschen zu wollen. „So viel is mir als Laien auf diesem Gebiete klar: eine Farm im Norden kann in den meisten Jahren dank derx großen Regenwafsermengen bis in ihre entlegensten Winkel hinein ausgenußt werden, dem Mangel an Brakstellen kann leiht und mit geringen Kosten aus den Salzvorräten der Etoshapfanne abgeholfen werden. Mag indessen recht haben, wer will, die Zukunft des ganzen Nordostens liegt weniger auf dem Gebiete der Viehzucht als auf dem des Ackerbaues. Schon in den allernähsten Jahren wird hier sicher- lich mit menschen- und zeitsparenden Maschinen gearbeitet werden.“

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Die Schiffahrt auf dem Viktoria-Niansa.

An der Schiffahrt auf dem großen Viktoria-Niansa ift Deutsch- land leider noch nicht so beteiligt, wie es wünschenewert wäre. Die deutshen Behörden fördern deshalb jedes derartige Unternehmen und unterstüßen es, So ist das Schiffahrtsgeschäft von sämtlichen Steuern befreit, und au die Konzessionsgebühren für Holzschlagen find in Wegfall gekommen. Zum Erleichtern des Löschens und Laden find sechs große Piers errihtet worden, und ein in den See mündender Fluß, der bisher nit \{iffbar war, ift zu einer Wasserstraße aus- eb ie “Deutsche Niansa-S@iffahrisgesellschaft m. b. H.* if

e „Deutsche Niansa- ahrtsgese m. b. H." ift zurzeit bestrebt, ihre Flotte zu vergrößern, weil das vorhandene Material für die vom Transportverkehr gestellten Ansprüche niht ausreiht. Die Gefellschaft will zu ibren zwei kleinen Dampfschiffen und den unter- wegs befindlihen zwei Leihtern noch weitere zwei unter eigener Kraft fahrende Dampfleichter, jeder etwa 35 & fassend, und zwei Dampf- pinafsen mit zwei Leichtern anschaffen.

Die Kaiserlihe Gouvernements\chule in Tsingtau hat jeyt ihren Bericht über das mit dem 10. Juli abgeschlofsene Sguljahr versandt. Die Anstalt hat seit Anfang dieses Jahres die Berechtigung, ihre die Untersekunda absolvierenden S(üler mit der Befähigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst zu versehen. Im Berichtsjahre haben vier Schüler dieses Ziel erreiht, von denen drei in das praktische Leben treten werden, während der vierte eine deutsche Oberrealshule weiter besuhen will. Die Schule war wegen Erkran- kungen von Lehrern und ähnlicher Hindernisse nicht immer den Regeln und unsern Anschauungen entsprehend besuht, aber die Leistungen waren, wenn man die Klassenberihte ansieht, recht gut. Auch sonst scheinen in Tsingtau Schulversäumnisse einzutreten, wo wir sie niht immer für berechtigt ansehen, z. B. wegen eines Aus- fluges oder wegen Familienfestlihkeiten. Die Leitung lehnt daher „jede Verantwortung für die Nachteile ab, die den Schülern aus der- gle ihen Schulversäumnifsen entstehen“.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Tätigkeit der Zentralauskunftsftelle für Auswanderer

(Berlin, Scellinastraße 4) hat ihrem Geschäftsbericht für das Jahr vom 1. April 1908 bis 31. März 1909 zufolge während dieses Zeit- raums im Vergleih mit der im Vorjahre 1907/08 entfalteten aber- mals eine erheblihe Zunahme erfahren. Es wurde im Berichtsjahre 11359 Auswanderungslustigen (im Vorjahre 8570, i. J. 1906/07 5435 Personen), die 18 529 Anfragen (gegen 15 864 und 8975 in den beiden Vorjahren) über die vershiedenen Auswanderungsgebiete stellten, \{hriftlihe oder mündlihe Auskunft erteilt.

Von den Anfragen bezogen \sich 10980 (im leßten Vorjahr 11 617) auf die deutschen Kolonien. tervon entfielen auf Deutsh-Südwestafrika 4565 (4492), Deutsh-Östafrika 2209 (2305), Kamerun 732 (911), Togo 618 (772), Samoa 280 (403), Deutsch-Neuguinez 182 (358), iautschou 129 a Karolinen-, Palau- und Marianeninseln 103 (362), Marschall- inseln 9 (1), Salomonirseln 2 (2), deutsche Südseeinseln im all- gemeinen 88 (69), deutschen Kolonien im allgemeinen 2063 (1716). Die Zahl der Anfragen über die deutshen Kolonien if somit gegenüber dem Vorjahre etwas zurückzegangen. Es darf jedoch hieraus nicht der Schluß gezogen werden, daß das Interesse der Auswanderungslustigen fich im Berichtsjahre weniger als früher den deutshen Kolonien zugewendet habe; man wird vielmehr in dem Rückgang der Anfragen nur ein Anzeichen dafür sehen können, daß allmählich auch die breiteren Sichten der Bevölkerung mit den klimatishen und wirtshaftliGen Verhältnissen der Shuß- gebiete befser bekannt zu werden beginnen. Im Anschluß an die mit den Neuwahlen zum Reihttag im Januar 1907 eins seßende koloniale Bewegung war 1907/08 eine bedeutende Zu- nahme der Anfragen über die deutshen Kolonien (von 6801 auf 11617) eingetreten, aber die große Mehrzahl dieser An- fragen rührte von Personen her, die von den Kolonien nit viel mehr als die Namen kannten, und für die eine Auswanderung na einem deutschen Schußtgebiet niemals ernstlich in Frage kommen konnte. Im Berichtsjahre war hierin eine wesentlihe Aenderung zu verzcihnen. Die im Vorjahre so häufigen Anfragen von An- gehörigen aller Beruftarten, die in Deutsch, Ostafrika, Kamerun, Togo oder Deutsh-Neuguinea Beschäftigung als Plantagenarb:iter wünschten oder unter der Bedingung, daß ibnen freie Reise, freies Land und Geldunterstüßung gewährt werde, ih zur Ansiedlung in den Kolonien „bereit erklärten“, waren im Berihtejahre nur mit einer geringen Minderheit vertreten, während für die Mehrheit der Frege eller nach Beruf und Mitteln eine Auswanderung nah den

olonien wenigstens im Bereich der Möglichkeit lag. Es ist in dieser Beitehung bezeihnend, daß die Anfragen über Deutsh-Südwestafrikz, dessen Aufnahmefähigkeit für die deutsche Auswanderung \sih niht auf die Angehörigen einzelner Berufsarten beschränkt, an dem NRückgang der Anfragen über die deutshen Kolonien nicht beteiligt sind, sondern au gegenüber dem Vorjahre eine Zunahme aufweisen. Unter diesen Umständen wird die Abnahme der Zahl der Anfragen über die übrigen Schußgebiete nur dahin gedeutet werden können, daß mit dem wahhsenden Interesse weiterer Kreise an den kolonialen Fragen auch die Kenntnis der Kolonien besser geworden ist.

Unter den fremden Auswanderungs8gebieten steht im Berichtsjahre Südbrasilien mit 1676 Anfragen (gegen 753 im Vor- jahre) voran. Dann folgen Argentinien mit 1301 (932), die Vereinigten Staaten von Amerika mit 572 (334), Mittelbrasilien mit 443 (83), Kanada mit 341 (295), Chile mit 333 (333), Australien mit 316 (127), Brasilien im allgemeinen mit 252 (84), Paraguay mit 165 (148), Uruguay mit 128 (55), Bolivien mit 122 (55), Britisch-Südafrika mit 103 (40), Mexiko mit 81 (95), China mit 61 (26), Nordbrafilien mit 50 (32), Peru mit 48 (52), Niederländisch-Indien mit 41 (13), Aegypten mit 31 (19), Britisch- Iadien mit 29 (5), Japan mit 24 (12), Kolumbien mit 22 (3), Venezuela mit 22 (12), Guatemala mit 16 (8), Abessinien mit 16 (9) usw. Auf Südamerika im allgemeinen bezogen si 165 (116), auf Mittelamerika im allgemeinen 13 (10), auf europäishe Staaten 232 (72) Arfragen, davon auf Rußland 50 (12), auf Italien 33 (3), auf England 32 (19) usw. Gegenüber dem Vorjahre haben die Anfragen über die fremden Au‘wanderungsgebiete um 77,6 v. H. zugenommen- Die ungewöhnlich starke Zunahme der Anfragen über Brasilien,

(gegen 952 im O entfielen, ist in erster Linie der neuen Ein- wanderungspolitik der brasilianishen Bundesregierung zuzuschreiben, die durch weitgehenve Vergünstigungen (Gewährung freier Reise für Landwirte mit Fam lie, Erleihterung der Ansiedlung für Unbemittelte usw.) die Einwanderer heranzuziehen sucht und um so mehr geeigne ift, das Interesse der Auswoanderungeéluftigen auf Brasilien zu [enfen, als die werbende Kraft der neuen Einwanderungspoliti durch die Verschlechterung der deutshen Erwerbsverhältnifse in In- dustrie und Gewerbe wesentlich verstärkt wird. An den Anfragen über Brasilien waren auch am stäifsten nit die Landwirte, [Es die Handwerker und Induftriearbeiter beteiligt, von denen der grobe?

Teil allerdings vom Lande stammte und mit landwirtshaftliher

ut war. M E: Einfluß der finkenden Konjunktur auf die Steigerung der

wanderungslust ift auch im allgemeinen während des Berichts- inbes deutli wahrnehmbar gewesen. Im Gegensaß zu den Vor- jahren wurde in einer großen Anzahl von Fällen der Entschluß zur Auswanderung mit der ungünstigen Gestaltung der Erwerbsbedingungen in Deutschland motiviert, ren Wirkung auch darin zum Ausdruck fam, daß die Zahl der f onen, die fih als mittellos bezeihneten, gegen das Vorjahr unverhältnismäßig stark von 593 auf 1428 gewachsen ist. Mit der Tatsache, daß in weiteren Kreisen der Bevölke- rung fih eine wachsende Neigung zur Auswanderung bemerkbar macht, steht es auch nicht im Widerspruch, daß die Auswanderung felbst z¡urückgegangen ist und im Jahre 1908 den niedrigsten Stand seit 1871 erreiht bat; denn ‘die Ersheinung, daß eine Steigerung der Au?wanderungslust mit einer Abnahme der Auswanderung Hand in Hand geht, wird immer häufiger eintreten müssen, je enger die einzelnen Länder in das Net der weltwirtshaftlißhen Beziehungen verstrickt werden. Der Rückgang der Konjunktur in einem einzelnen großen Wirtschaftsgebiete bedeutet heute fast immer einen Rückgang der Weltkonjunktur und erstreckt {ih in seinen nahteiligen Wirkungen auf einen immer größer werdenden Kreis von Ländern, und dann tritt der Fall ein, daß die Vershlehterurg der Erwerb3verhältnisse im - eigenen Lande vielen den Gedanken einer Auswanderung nahebringt, ohne daß fie aber diese Absicht ausführen können, weil sie keine Aussicht haben, zur gleihen Zeit im Auslande günstigere Bedingungen für thr Fortkommen zu finden als in der Heimat. Für Deutshland kommt noch insbesondere in Betracht, daß die Auswanderung nah den Vereinigten Staaten von Amerika, die nach wie vor die Hauptmasse der deutschen Auswanderer aufnehmen, nur: zum kleinsten Teile eine \spontane, auf dem freien, unbeeinflußten Entshluß des Einzelnen beruhende ist. Es if vielmehr wesentli die Anziehungskraft der Milltonen dort anfäfsiger Stammes- und Sprachgenoffen, die den Strom der deutschen Auswanderung nah den Vereinigten Staaten lenkt, und für die Mehrzahl der Aus- wanderer sind nicht die günstigeren Erwerbsverhältnisse, sondern ver- wandtschaftliße Beziehungen bestimmend. Die amerikanische Ein- wanderungsftatiftik zeigt, daß die deutshen Einwanderer {ih großens teils zu Verwandten begeben, und auch die Wahrnehmungen der Zentralauskunftsstelle für Auswanderer lassen deutlich den maßgebenden Einfluß verwandtschaftliher Beziehungen auf die Aus- wanderung nach der Unton erkennen. Mehr als neun Zehntel der über die Vereinigten Staaten Auskunft Begehrenden haben dort Verwandte, von denen sie zum Kommen aufgefordert sind, und ihre Anfragen beziehen \ich viel seltener auf die Erwerbtaussfichten als auf die Einwanderungsgeseßzgebung, den Reiseweg, die Kosten der Reise usw. Bei ungünstiger Wirtshaftslage sind die in Amerika An- fässigen natürlich weniger als sonst geneigt, Verwandte zum Kommen zu veranlassen, und dies kann nicht ohne Einfluß auf die Aus- wanderung bleiben.

Was die Herkunft der Anfragen betrifft, so steht Preußen mit 7573 (gegen 5383 im Vorjazhre) an der Spitze, und unter den preußishen Provinzen nimmt Brandenburg mit Berlin mit 4052 (2585) die erste Stelle ein, während die Rheinlande mit 693 (492), Sachsen mit 487 (333), S@lesien mit 356 (395) und Hefsen-Nafsau mit 345 (250) folgen. Den Schluß machen Pommern mit 219 (168) Anfragen, Westpreußen mit 170 (183), Posen mit 133 (97) und Hohenzollern mit 1 (3). Unter den übrigen deutshen Staaten steht das Königreich Sachsen mit 776 (622) Anfragen voran. Dann folgen Bayern mit 630 (640), Hamburg mit 353 (242), Baden mit 331 (260), Württemberg mit 253 (279), Elfaß-Lothringen mit 150 (98), Hessen mit 129 (93), Mecklenburg-Schwerin mit 73 (57). Aus den deutshen Kolonien gi1gen 49 (34) Anfragen, davon 31 aus Deuts{- Südwestafrika, aus dem Auslande 578 (473) ein, die meist von Reichsangebörigen herrührten.

Nach der Berufsangehöritgkeit waren unter den Anfragenden wiederum die Handwerker mit 2855 (1799) am zahlrei{hsten vertreten und unter ihnen die Schlosser mit 521 (261), die Tischler mit 341 (216) und die Maurer mit 239 (203) Anfragen am stärksten beteiligt. An zweiter Stelle folgen die Kaufleute mit 2028 (1670), die Landwirte und Gärtner mit 1359 (1347), die Architekten, Ingenieure und Techniker mit 559 (390), die Arbeiter mit 559 (250), die Bureaubeamten mit 136 (106), die Offiziere mit 114 (123), die Lehrer mit 103 (64), die Schüler höherer Lehranstalten mit 71 (26), die Studenten mit 62 (111), die Aerzte mit 55 (31). 777 (577) Anfragen rührten von Personen weiblihen Geshlechts hec, und zwar von weiblihem Dienjstpersonal 165 (132), von Konto- ristinnen usw. 100 (78), von Lehrerinnen und Erzieherinnen 65 (66). Von 1611 männlichen und 314 weiblihen Auskunftbegehrenden wurde ein Beruf nicht angegeben.

. Das Alter der Anfragenden is in 7470 Fällen bekannt. Am stärksten find mit 4719 die Angehörigen der Altersklafse von 20 bis 30 Jahren vertreten, auf die von den 7470 Anfragenden mit Altersangabe nicht weniger als 63,1 v. H. kommen; dann folgt die Altersklasse von 30 bis 40 Jahren mit 1294, während 379 An- fragende im Alter von 40 bis 59 Jahren standen und 121 über 50 Jahre alt waren. Weniger als 20 Jahre zählten 957. Von den 7470 Perfonen, die ibr Alter angaben, waren somit 6970 oder 90,7 v. H, 15 bis 40 Jahre alt, und auch in den 3889 Fällen, in denen Angaben über das Alter fehlten, ließ sih häufig aus anderen Umständen der Schluß ziehen, daß die Fragesteller den jüngeren Altersklafsen angehörten. Angaben über den Familienstand wurden von 8726 Anfragenden gemacht. Von diesen waren 6378 ledig, 2261 verheiratet und 87 verwitwet.

Mitteilungen über die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel maten von den Fragestellern 4577. Von diesen waren 1428 mittellos, und 1107 befaßen toeniger als 1000 46, d. h. in den meisten Fällen nur wenig mehr als die Mittel zur Reise nach dem Auswanderungsziel. Von den übrigen 1000 M: 233, über 1500 4 : 120, über 2000 4: 252, über 3000 4: 157, ‘über 40009 4: 78, über 5000 : 136, über 6000 6: 85, über 10000 Æ: 125, über 15000 #: 70, über 20000 : 114, über 25000 #: 28, über 30000 4: 44, über 40 000 4: 31, über 50000 6: 28, über 60000 #: 17, über 80000 4: 9, über 100000 #: 17, über 150000 #: 4, über 200 000 4: 1, über 250000 4: 4, über 300 000 4: 5, über 400 000 b : 3, über 450070 #: 3, über 500000 4: 3. In 2834 Fällen wünschten die Anfragenden in den betreffenden Aus- wanderungsgebteten Stellung zu erhalten oder hatten solche in Aussicht oder angenommen.

In 2338 (1768) Fällen gingen die Anfragen von Familien oder Gruppen von Personen und Familien aus. Nimmt man an, daß die ohne nähere Angaben im Namen von Familien oder mehreren Personen gestellten Anfragen si{ch durhschnittlich nur auf le drei Personen bezogen, so ergibt ih, daß die im Berichtsjahre erteilten Auskünfte für rund 18 000 Pers

ersonen unmittelbar be- stimmt waren. Da die Kenntnis der erteilten Auskünfte erfahrungs- gemäß fast niemals auf die unmittelbar Beteiligten beschränkt bleibt, sondern si in der Regel auf einen weit größeren Kreis erstreckt, so ist es zweifellos, daß die Auskünfte und Naitschläge der Zentral- auskunftsftelle für Auswanderer einer viel größeren Zahl von Personen zugänglich gemacht worden sind. Bei “der Be- antwortung der Anfragen wurde stets daran festgehalten, unter Vermeidung allez S ematishen und Formelhaften die Aus- künfte den persönlichen Verhältnissen der Fragesteller anzu- passen, da die Erfahrung gelehrt hat, daß die Auskunfts- erteilung ihren Zweck um so vollkommener erfüllt, je mehr e fich an den Auswanderungslustigen als Einzelpersönlichkeit wendet. MRatshläge und Warnungen wurden niemals ohne eine entsprehende Begründung gegeben, weil sie ohne solhe erfahrungs- emäß fast immer wirkungslos bletben. Auch bei der mündlichen usfunftserteillung wurde stets nah diesen Grundsäßen verfahren, seh die stetize Zunahme der Anfragen darf als Beweis dafür ange- so N werden, daß diese Methode der Auskunftserteiluung be- nders geeignet ist, der Zentralauskunftsftelle für Auswanderer

S

verfügten über rund.

das Vertrauen der Auswanderungslustigen zu gewinnen. Ge- drucktes Auskunftsmaterial wurde im meen nur zur Er- L der \{riftlich oder mündlih erteilten Auskünfte abgegeben. In zahlreihen Fällen wurde die Annahme von Engagements in den Kolonien und im Auslande von der Auskunft der Zentral- auskunftsftelle für Auswanderer abhängig gemaht. Auch ift es im Berichtsjahre wiederum häufig vorgekommen, daß selb von weiter entfernten Orten, wie Hamburg, Breslau, Danzig, München, Wiesbaden, Straßburg i. E. usw. Personen eigens zur mündlichen in pit Mara nah Berlin kamen. Wie in den Vorjahren, wurden häufig Anfragen Auswanderungslustiger von dem Auswärtigen Amt, dem Reichskolonialamt und dem Kolonialwirtshaftlißen Komitee der Zentralauskunfts\telle für Auswanderer zur Erledigung überwtesen.

Zur Arbeiterbewegung.

In Leipzig haben, wie die „Lpz. Ztg." mitteilt, die Straße n- reiniger an den Magistrat eine Cingabe um Regelung und Auf- befserung threr Lohn- und Arbeitsverhältnifse gerihtet und dazu be- stimmte Forderungen gestellt. Vom Rat sind diese Forderungen nicht in vollem Umfange bewilligt, wohl aber verschiedene Verbesserungen eingeführt bez. iugesagt worden. Eine Versammlung der in Frage kommenden Arbeiter erklärte sich damit nit zufrieden und be chloß anderweite Maßnahmen, die in einer demnächst einzuberufenden Ver- sammlung beraten und beshlossen werden follen.

Der „Figaro" meldet aus Orléans: Die Bäcker beschlossen in einer am 20. d. M. abgehaltenen Versammlung, in den Ausstand zu treten. Die Stadtderwaltung trifft Maßnahmen, um die Herstellung von Brot mit Hilfe der Militärbäckereien zu sichern.

In Pitt sburg kam es, wie „W. T. B.* meldet, am gestrigen Sonntagabend zu Aus|\chreitungen der streikenden Arbeiter. Die Ausständigen griffen, von ihren Frauen aufgeheßzt, die Werke der Steel Car Company an. Herbeigerufene Truppen gaben Feuer und nahmen zahlreihe Verhaftungen vor. Der Anwalt des Sheriffs, ein Soldat und drei Ausländer wurden getötet. Zwanzig Personen sind verwundet, darunter viele tödlih.

Kunft und Wissenschaft.

Der Geheime Regierungsrat, Professor Dr. Robert in Halle an der Saale hat sein Amt als auswärtiges Mitglied der Zentral- direktion des Kaiserlichen Archäologishen Instituts niedergelegt.

Das Verhältnis von Wetterprognose und Luftschiffahrt hat sih infolge der großen Fortschritte der Aeronautik in den letzten Jahren wesentlichß vershoben. Zahlreihe Vorshläge sind gema(ht worden, wie die Praxis der Luftshiffahrt durch die Meteorologie unterstüßt und gefördert werden könne. Viele dieser Vorschläge scheiden für die Praxis aus. Anders steht es um diejenigen, die ein hervorragender Praktiker und ein namhafter Vertreter der aeronautishen Wissenschaft, der Geheime MNegierungsrat Professor Dr. Aßmann, Direktor des Königlichen aeronautischen Dbservatoriums in Lindenberg, bei der 6. Tagung der internationalen Kommission für wissenschaftliche Luftshiffahrt in Monaco vorgetragen hat. Dem Vortrag, der jeßt in Heft 1 des 3. Bandes der „Bei- träge zur Physik der freien Atmosphäre“ (Leipzig, Otto Nemnih) unter dem Titel „Die Verwertung aerologisher Be- obachtungen im Interesse der Wetterprognose und Luft- \chiffahrt* ersbienen ist, seien folgende Ausführungen entnommen:

Wie es unmögli ist, die Verteilung der meteorologishen Faktoren über einem größeren Teile der Erdoberfläche zu erkennen, wenn man nur eine oder wenige meteorologishe Stationen zur Verfügung hat, \o verhält es sich auch mit den wissenshaftlihen Forshungen der Aerologie und deren Anwendung für praktishe Zwecke, der Witterungsprognose sowie dem Warnungsdiens für die Seeschiffe und für die Luftschiffe. Und wie die auf \synoptishen Darstellungen beruhende moderne Witte-

‘rungsprognose im Grunde nichts weiter ist als ein wohlorganisierter

internationaler „Vorpoftendienst“, so müssen auch Vorposten in den obern Luftschichten aufgestellt werden, um eine Synopsis der Höhe zu ermöglichen, die gestattet, die Gestaltung der oberen Aktionszentren Shriit vor Schritt zu verfolgen und ihr Zusammenwirken mit den unteren zu erforschen. Zwar if man si in denjenigen Kreisen, die mit offenen Augen und vorurteilslos an der Arbeit sind, wohl \{on jeßt darüber klar, daß auh hier die Probleme um fo s{chwieriger werden, je mehr man si mit ihnen beschäftigt, und daß der ,holde Traum“ einer „neuen Offenbarung*“ und einer Entshleierung aller NRätsel der Atmosphäre sowie einer wesentlichen und unmittelbaren Ver- besserung der Witterungsprognosen durch die Herbeiziehung der oberen Luftschichten zunächst eben noch ein „Traum“ bleibt, aber man sieht doch den Weg vor si, auf dem man sih, wenn auch vielleicht „a\ymp- totisch“", diesem Ziele nähern kann. Fast alle im ersten Stadium der neuen Wissenschaft aufgestellten „plausibeln“ Annahmen über den zeit- lichen und kaufalen Zusammenhang der „unteren“ Witterung mit der gleichzeitig herrshenden „oberen“ haben sich als Irrtümer erwiesen: die Theorie einer in der Nichtung ihrer Bahn nach vorn geneigten Axe der barometrishen Depressionen, welche die „obere Witte- rung als einen Vorläufer der „unteren“ ersheinen ließ, mußte wegen mangelnder Beweise verlassen werden; die Hoffnung, daß eine in der Höhe gefundene Temperaturumkehr nah einigen Tagen ¡um Erdboden herabkommen. und dort Erwärmung eintreten lassen werde, hat \ch als trügerisch erwiesen, und selbst die größte Entdeckung der Aerologie, die „obere Tem- peraturumkehr“, scheint in ihrer Höhenlage mehr von den Vorgängen in dea unter ihr liegenden Luftschichten beeinflußt zu sein, als daß sie selbst einen Eiofluh auf diese ausübte. Der Weg, der allein zum Ziel führen kann, ist durch eine Synopsis der oberen Luft- {hichten gegeben, die, analog denen für die erdnahen Schichten, ge- stattet, tägliche Wetterkarten für die Niveaus von 1000, 2000, 3000 m und hoffentlich noch höher hinauf zu entwerfen, die uns erkennen lassen, welhe Gestalt die Jsobaren und Jsothermen in der Höhe im Vergleich mit denen an der Erdoberflähe besien, wie Winde verschiedener Richtung und Stärke, verschiedener Herkunft und mit verschiedenen Eigenschaften übereinander hinströmen, wie labile, indifferente und stabile Gleihgewichtslagen räumlih neben- und übereinander bestehen, und wasserdampfarme mit gesättigten Luftmassen abwehseln. Das Zukunftsbild hat aber eine unerläßlihe Voraussetzung : die planmäßige Zusammenarbeit etner Rethe von wirllihen, ohne Unterbrehung tätigen aerologishen Obse: vatorien! Zwar haben die seit nunmehr 13 Jahren in allen Kulturländern ausgeführten internationalen Simultanausfstiege ein schon überreihes Material für eine Synopsis der höheren Schichten zusammengebraht, und diejenigen, die sih an die Lösung der von der Deutschen Meteorologischen Gesellshaft gestellten, hierauf bezüglichen Preisaufgabe machen werden, dürften manche interessante und lehrreiche Höhenwetterkarte zeichnen können aber auch diese sind und bleiben nur „Stichproben“, die ebensowenig eine direkte praktishe Nut- anwendung gestatten, wie wenn die meteorologishen Stationen statt täglich an drei Terminen, nur monatlich an einem oder etnigen Beobachtungen anstellen würden. Um tatsächlihe Fortschritte zu er- zielen, meint Geheimer Rat Aßmann, seien wenigstens 30 europäische, dauernde aerologishe Observatorien nötig.

Mit Hilfe dieser Observatorien dürfte es dann möglich sein, täglihe synoptishe Wetterkarten von genügender Genauigkeit zu ent- werfen und die großen Züge der Vorgänge in böheren Luftshichten über unserm Kontinent darzustellen. Für die tägliche EMtterungde prognose kommen nur solhe Methoden in Frage, die eine sofortige Auswertung und telegraphishe Weitergabe der Beobachtungen gestatten, also Drachen- und Fesselballonaufstiege mit Registrterapparaten, während die für die theoretishe Forshung unentbehrlihen Ballonssondes diesem Zwecke unmittelbar niht zu dienen vermögen. Von Wiwtigkeit sind nun in neuerer Zeit noch die zuerst von Kremser im Jahre 1893 vorgeshlagenen und On Au!sttege und trigonometrischen Verfolzungen von Porn ons geworden. Die Anwendbarkeit dieser Methode is natürlihch auf durchsihtige Luft beshränkt und kann des- halb die Drachen- und Fesselballonaufstiege niht ersetzen, ganz ab-

esehen davon, daß sie nur über die Richtung und Geschwindigkeit der orizontalen Luftftröômungen, nah Hergesells Erörterungen vielleiht au der vertikalen, Aufschluß gibt. Die geringen Kosten und Mühen ibrer Ausführung sowie die Möglichkeit der s{chnellen Ermittlung ihrer Ergebnisse lassen sie jedoch auch für die Weiterprognose und besonders

‘für den Vorpostendien|t im Interesse der praktisden Luftshiffahrt ge-

eignet ersheinen. Für den leßtgenannten Zweck werden sie neuer- dings bei den meisten sportlihen Ballonfahrten in Anwendung ge- braht, um die zu erwartende Richtung und Geschwindigkeit der Fahrten zu ermitteln. Am Aeronautishen Observatorium Lindenberg laufen seit längerer Zeit zahlreiche Ses um derartige Angaben ein, die auf Grund der Drachen- und Ballonaufstiege und mittels ilotballonaufstiegen telegraphisch abgegeben werden. Eine besondere

rganisation für die zahlreihen Fahrten von Luftschiffen ist neuers dings von der Motorluftschiffstudiengesellshaft in Berlin in das Leben erufen worden, bei der von vier Stationen aus, die Berlin in Ent- ernungen von 30 bis 120 km umgeben, in Bitterfeld, Potsdam, Gberswalde und Lindenberg, vor jeder Fahrt des arseval- Ballons, telegraphishe Nachrichten über das Verhalten der Luftstrômungen bis zu 2000 m Höhe abgegeben werden. Die Nüglichkeit eines derartigen höheren Vorpostendienstes für die Benahhrichtigung der Luftschiffer von herannahenden Böden und Gewittern liegt auf der Hand. Noch größer wird ihr Nugzen werden, wenn man dahin gekommen sein wird, die in der Luft befindlihen Fahrzeuge mittels Wellentelegraphie auch während thres Fluges von herannahenden Gefahren zu benachrichtigen, und die ger dürfte niht fern sein, wo man an den größern aerologischen

bservatorien etnen kleineren Motorballon oder Drachenflieger, dem die Bewegungsenergie durch ein Kabel zugeführt wird, dauernd in der Höhe halten und zur Abgabe von drahtlosen Warnungsdepeschen an alle im weiteren Umkreise fahrenden Luftschiffe benußen kann. Dann werden die aerologishen Observatorien einen wertvollen und wesente lien Anteil an der mittels der Luftschiffahrt geleisteten Kulturarbeit zu nehmen imstande sein.

Bauwesen,

Gin Wettbewerb, betreffend Saalbau mit Gesell- schaftshaus in Reutlingen, wird unter den in Württemberg ansässigen oder dort geborenen Architekten bis 15. November 1909 ausgeschrieben. Für die dret besten Lösungen stehen Preise zur Gesamtsumme von 5000 4 zur Verfügung. Die Unterlagen sind gegen Bezahlung von 3 4 durch Kommerzienrat E. Fischer in Reut lingen zu beziehen.

__ Ein Wettbewerb zur Gewinnung von Vorentwürfen für den Neubau einer Schul- und Klosteranlage der Congregatio Beatae Mariae Virginis in Esffen wird unter den in Rheinland und Westfalen ansässigen Architekten bis zum 15, Oktober ausgeschrieben. Die Unterlagen sind gegen Gins sendung von zwei Mark von der Congregatio B. M, V. in Effen, 2, Ura 15, zu beziehen. Als Preise sind insgesamt 1800 46 vor- gesehen.

Verkehr8anstalten,

Gestern fand die Eröffnung der Bahnstrecke Lewski— Feri statt, die eine dritte Verbindung Sofias mit der Donau erstellt.

Theater und Musik,

Friedrih Wilhelmstädtishes Schauspielhaus.

Das Friedrich Wilhelmstädtishe Schauspielhaus eröffnete am Sonnabend die neue Spielzeit mit einer darstellerisch wohlgelungenen Aufführung von Shakespeares Lustspiel „Der Wider- spenstigen Zähmun g“. So anerkennenswert es auch war, dem Stück das Vorspiel voranzushicken, in dem der sinnlos betrunkene Kefselflicker Schlau als Lord verkleidet zum besten gehalten wird, ein Erperiment, das übrigens auch vom Sghillertheater mit Glück ausgeführt worden ist so wenig wollte es doch unserem heutigen Geshmack behagen, den Ortswech|el der Begebenkbeiten, wie angeblich zu Shakespeares Zeiten, durch geschriebene Tafeln angezeigt zu sehen. Shakespeare ist auf der modernen Bühne vollkommen lebensfähig; wozu also ein Zurückgreifen auf Unzulänglich- keiten früherer Tage. Sie können nur illusionszerstörend wirken. Von dieser Regtieschrulle abgesehen, bewegte sch die Auf- führung auf sehr achtbarer Höhe. Herrn Werners Petrucchto ersreute dur kraftvolle Männlichkeit und Frau Korns Katharina zeigte über- zeugenden Troß. Aber auch alle anderen Mitwirkenden gefielen durch ibre trefflichen Leistungen, fo Fräulein Henschel (Bianca), die Herren Sladek (Lucentio), Sarnow (Tranto), de Nolte (Biondinetto), Cornelius (Grumio), Eyben (Baptista), Moebius (Gremio) und Arnold (Schlau). Das Publikum folgte der humoristischen Handlung mit regem Interesse und ließ es an Beifall nicht fehlen.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Dienstag, „Die Walküre*, erster Tag des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“ von Rihard Wagner aufgeführt. ges Grüning singt den Siegmund, Herr Bischoff den Wotan. Die Rolle des Hundin gibt Herr von Schwind als Gast. Die weiblihen Partien sind inr die Damen Plaichinger (Brünnhilde), Denera (Sieglinde), von Scheele- Müller (Fricka), das Walkürenensemble durch die Damen Herzog, Dietrih, Rothauser, Rose, Ekeblad, Ober und Parbs vertreten. Dirigent is der Kapellmeister von Strauß. (Anfang 7 Uhr.). In der für Mittwoch angekündigten Aufführung der eHugenoiten“ wird Fräulein Margarete Siems vom Königlichen Hoftheater in Dresden die Rolle der Königin Margarete singen.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen, Dienstag, E. von Wildenbruchs „Rabensteinerin* mit Fräulein May in der Titelrolle wiederholt.

Im Berliner Theater fand am Sonnabend die 100. Auf- führung von Kalishs Posse „Einer von unsere Leut’* statt. Das lustige alte Stück, das im vergangenen Winter den Spielplan fast auss{ließlich beherrshte, sheint sich feine Lebent fähigkeit au über den Sommer hinaus bewahren zu wollen. Das zahlrei an- wesende Publikum erfreute sich wieder an dem hebaglihen, barmlosen

umor der Großvaterzeit ebenso sehr, wie an den neuen witzigen

oupletversen, die die alten abgelöst baben, und spendete den Dar- stellern, insbesondere den Herren Meinhardt, Sabo, Clewing, Pia, Hoffmann, e Schmasow und Frau Dora lebbaften Beifall.

Maria Labia ist von threm Urlaub zurückgekehrt und tritt in der Komischen Oper morgen zum erften Male în Puccinis ,Totca* in der Titelpartie auf. Die Partien des Cavaradossi und Scarpia sind mit den Herren Marak und Hofbauer beseßt.

Im Hebbeltheater ist für die ersten Monate der Spielzeit 1909/10 der Spielplan nunmehr festgeseßt worden. Die erste Neu aufführung wird die Komödie „Hanna Jagert* des früh verstorbenen Otto Erich Hartleben sein; dann folgt Leonid Andrejews Schzuspiek „Das Wunder* (lgnis sanat). Im Oktober geht Henri Batailles Komödie „Lo scandale“ in Szene, die in Paris den großen Erfolg ers rungen hat. Die deutshe Ueberseßzung is| von Dr. Julius Elias. dierauf folgt wieder die Erstaufführung des Werks eines deutsden

ihters, und zwar von Julius Meter-Gräfes dreiaktigem Künstlers drama „Adam und Eva”.

Die Erdffnungsvorstellung der Volksoper KFudet Dienêtag, den 31. August, statt. Sie bringt Verdis vieraktige arcde Oper ,Ernani* în durGgebends neuer Audstattung. Das Werk wird am 1. September wiederdbolt werden. Die Leiter der VorsteUtung find die Herren: Oberregisseur Glesinger, Kapellmeister Exders und C direktor Tomicih. Der Spielplan der ersten Wotde entbält erur: Waffenschmied", „CTraviata*, „Freis@üt und , Troubadour. * Die Wledererweckung von Lorßings dretaktiger komischer Oper „Hans Sas". die mit Richard Wagners , Meistersingern* diele tertliFe Weener

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