1889 / 118 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 May 1889 18:00:01 GMT) scan diff

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Grundsay es sei, der Regierung volles Vertrouen in Bezug A und Können genzubringen und sie zu ' wo és nur li ist. Seine Partei glaubte daß die e dieses fehes wesentlih hinausgingen Kaiserli i; unn es auch R und

des Staates ist, Bürger anzuhalten, si in der der Kraft so weit zu daß sie au în der Zeit der Arbeitsunfähigkeit und Alterss@wäche ein Existenz- Minimum haben, so muß er doch Alles, was dar- über hinausgeht, dem Einzelnen überlassen. - Die Jn- validenrente 3. und 4. Klasse geht über dieses Minimum hinaus. Einerseits #hafft sodann das Gese eine nteressengemeins{haft zwischen Berufsarten der vershiedensten Bee und Wirthschaftskreise uad andererseits wiederum eine Disparität in der Behandlung der Arbeiter, welche den Osten E muß, indem es den Anreiz zum Zuge nah dem en vermehrt. Zu den höheren Löhnen des Westens, der rößeren Ungebundenheit des Lebens, dem Reize größerer eselligkeit wird das Moment der höheren Rente noch an- reizend hinzutreten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Agenten dasselbe ebenfalls ausnußgen werden. Die von konser- wativer Seite vorgeschlagene Einheitsrente würde ihm das Geseg noch niht aunehmbar machen, aber ex beklage do, daß fie niht in das Gese aufgenommen sei. Das absolute Eristenzwinimum liege überall nahe bei einander und die staatlihe Versiherung darf niht darüber hinaus- gehen. Der §. 18a zeigt allerdings bereits eine Annäherung an die Einheitsrente. Die sonst sehr werthvollen Anträge Lohren sind für ihn N, weil sie zu große Diffe- renzen in den Beiträgen schaffen. Jedenfalls haben die neuen Beschlüsse die pekuniäre Belastung gegen die ursprüngliche Megierungsvorlage erböht, so die Beiträge der weiblichen Ar- beiter und die der ersten Lohnklasse, welhe für die Landwirthe die entscheidende ist. Jeßt betragen hier die Beiträge wöchen!- li pro Mann 14 L, pro Jahr also 7 Æ Für ein Gut mit 500—600 „# Grundsteuer, das Jahr aus Jahr ein 100 Mann beschäftigt, bedeutet das eine vermehrte Last von 700 # Eine Suttoitung bezügli der Armenpflege tritt nit ein, weil diese nicht die alten Leute, sondern die Wittwen und Waisen betrifft. Kapitalisirt man jene 700 k, Fo ergiebt das eine vermehrte Schuldenlast von 20 000 In Westpreußen ist wemg alter fundirter Grundbesig, eine große Zahl der Besizer hat nur -20—30 000 F Eigen- thum an ihrem Gut. Diese verlieren also durch das Gefeß den lezten Rest ihres Besißzes. Graf Mirbach habe auch voll- ständig Recht, wenn er sagte, die Arbeitgeber werden auch die

über

Beiträge für ihre Arbeiter zahlen müssen. Die Arbeit ist in

Westpreußen durch die Sachsengängerei weit mehr gefragt, als das Angebot beträgt. Die Beiträge werden aljo in die Lohn- bewegung eine erheblih erböhenode Tendenz bringen. Nach diesem werde man e ihm nicht verargen, wenn er gegen das Geseg stimme, zumal es auf dem Lande ein Bedürfniß nicht ist. Hier finden, wie Knaben und Mädchen, auc invalide Arbeiter ihre lohnende, ausreichende Beschäftigung, wenn diese in der Jndustrie lange niht mehc ihr Brot verdienen können. Die Unfallinvaliden sind durch das Unfalversicherungsgeseß geshüßt und Berufsinvaliden giebti-es auf dem Lande nicht. Erst durch dieses Geseß werden hier die Jnvaliden gezüchtet werden, da dur dasselbe ein lebhafter Anreiz zur Simulation gegeben ist. Es ist dem Betreffenden auch rit zu verdenken, wenn er, nachdem er vom 16. bis zum 60. oder 64. Jahre Beiträge gezahlt hat, ih die Rente ugang) will. Wenn er bis zum 70. Jahre auf die Altersrente wartet, bekommt er weit weniger, als wenn er lange vorher si die ZFnvaliden- rente vershafft. Damit aber ist er der Produktion entzogen, und er geht in die Klasse der Konsumenten über. Db dieses Verhältniß sozial von Vortheil fein wird, ob der Juvalide, wie es Graf Mirbach idyllish scilderte, vor der Thüre sigen und ruhig seine Pfeife rauchen wird, scheine ihm fraglich. Er wird, wenn er feine Rente in baar bekommt, die benachbarten Wirthshäuser aufjuhen und dort

Lehren aufjaugen, die nicht zum sozialen Frieden beitragen; | Die Strafbestimmungen | l | emphatiïch mit der SWlufibemerkung ges{lofsen hat: | was Sie wollen,

Müßiggang ist aller Laster Anfang. ; est des Geteges scheinen ihm vollends unhaltbar, da in ihnen nicht der nahweisbare Dolus, das Kriterium für die Strafbarkeit

ist. Der Arbeitgeber ift verantwortlih für die Handlungen | feiner ganzen Beamten, denn die mcisten werden, wie er, dur |

die Oeffentlichkeit dermaßen in Änfpruh genommen, daß es ihnen nicht möglich ift, die Listen zu fkontroliren; troßdem haften fie dafür. Es wird in vielen Dörfern ferner unmög- lich fein, einen pafienden Gemeindevorsfteher zu finden, da die

meisten Bewohner noch mit der Feder auf dem Kriegsfuß } den k hle ren, î 0 8 1 j | tation, die bier ershienen ift, einem fehr verbürgten Gerüchte zufolge pflihtungen mändert ihren Werth für die wirthschaftlichen | rundweg erflärt hat, von der sozialdemofratishen Unterftütung nihts

leben. Das Heranziehen der Arbeiter zu ehrenamtlichen Ver-

Obliegenheiten. Wenn ihm ein Schäfer, unter denen ja ge-

ihn auf die Folgen seiner ehrenamtlichen Stellung aufmerksam zu machen, Éóônne er nach §. 139 mit Geldftrafe bis 1000 M

oder dreimonatiger Haststrafe belegt werden. Derartige Straf- | bestimmungen müßten do jedenfalls aus dem Getey entfernt |

werden. Wolle man die Wohlthaten der Kaiserlichen Botschaft sinngemäß dem Lande zugänglich machen, fo sei erstes Erfor-

derniß, die Landwirthschaft von den anderen Berufsarten zu |

trennen. Dann werde man das ganze Verwaltungsfystem ein- facher und billiger einrichien können. Die Fnvalidenrente Tönnte vollfiändig gestrihen und durch eine günstige Alters- rente erseßt werden. So würde dem Arbeiter als Ersaß für feine verloren gegangene Arbeitskraft eine hinreichende Mitgifst der Reichskanzler gebrauchte dafür einst das Wort pecuinum zu Theil, die ihn seinen Verwandten als angenehmen Hausgenossen erscheinen lasjen würde. Zur Ehre der östlichen ländlihen Arbeiter müße er hervorheben, daß auch heute dort die alten Leute

inuner gern von ihren Kindern aufgenommen werden, daß die Pietät dem Alter gegenüber noch nicht vollständig erloschen sei. Wenn bie alten Leute noch eine Rente be- tommen, werben sie uw so lieber ausgenommen werden, zu- mal dieje noch immer im Hause einige Hülfe leisten können und es ermöglichen, daß die Frau auch ihrem Verdienst nach- geht. Der 8. 23a würbe aus dem Gesey entfecnt werden müssen, weil er bazu verführt, daß Frauen und “Mädchen sich ihre Dame: herauszahlen lassen, damit ihr Teras t preisgeben und so für ein Linsengericht Heu ihre Ersigeburt pertausen. Der 8. 23b ist ei falls zu sireiher, die Fürsorge für die Witwen und

ijen muß in anderer Weise getroffen wecden, Die Zrennung der Landwirthschast und Industrie würde

ch eniweder durch eine Neuorganisation der Be- O n ften oder Gnrihtung einer landwirth- schaftlichen klasse in d Geseh jene wohl vollführen lassen. És werde auch möglich sein, dèn Uebertritt der Arbeiter von der Judustrie zur Landw ast durch irgend eine Ver- rehnung möglih zu t, nun dieser Uebertritt nicht erleichtert werde, halte er es auch nicht für ein Unglück, denn das Geseh dürfe nicht einen Anreiz zum Wechsel der Verufs- art bieten. Au das kleine Handwerk habe sich in seinem Wahlkreise entschieden 1 das Gese ausgesprochen. Auf das Verhältniß von itgeber und Arbeiter werde das Gese ebensowenig pet n wirken. Jur Osten sehe der Ar- beiter no& jet in seinem Arbeitgeber mehr, als den Mann, der ihm Lohn für seine Arbeitsleistung zahle: er sehe in ihm en Helfer in der Noth und seinen Fürsorger. Das

ertrauen des Arbeiters zu seinem Arbeitgeber gehe au über das Arbeitsverhältniß hinaus; es zeige sih bei den

Wahlen.“ Wo ein liberaler Gutsbesiger wohne, werde liberal ray ein konservativer, konservativ.

Die Zusammen- ung des heutigen Reichstages sei ein Zeichen, daß die Arbeitgeber auf dem Lande ihre Führerrolle wohl angewendet haben zum Nußen des Landes. Das geheime, direkte Tw recht ist nur dadurch möglih, daß die Gebildeten, politisch Neifen die Führung der Ungebildeten, politish weniger Reifen übernehmen. Jn dieses Verhältniß wird dur dieses Geseh ein wesentliher Riß gebraht. Wenn der Arbeitgeber \ich pekuniär durch die Beiträge ershöpft hat, wenn er ferner durch den Zwang die Freudigkeit am Wohlthun verliert, dann bleibt wirklih niht mehr viel Raum für andere Wohlthaten. Der Arbeitgeber hat bisher seine Obliegenheit erfüllt. Jet aber seßt ih der Staat an seiner Stelle in das R LGEUE Verhältniß. Er wolle nicht wünschen, daß, wenn die Ver- mittelung des Arbeitgebèrs fehlo, die direkte Führung dem Staat weniger gut gelingt als bisher den ländlihen Arbeit- gebern. Er wolle seinen Befürchtungen in dieser Richtung keinen Ausdruck geben. Diese Bedenken aber gehörten zu den wesentlichsten, die es ihm unmöglih machten, für das Gesetz, wie es heute vorliege, zu stimmen.

Staatssekretär von Boetticher:

J@& kann es nit für die Aufgabe der Stelle, von der aus i spre(e, balten, în alle Detailfragen des Gesetzes bei der General- besprehung cinzugeben. Jh kann dethalb aud den Herren Vor- rednern niht auf alle die einzelnen Erinnerungen, welche sie gegen gewisse Paragraphen des Gesehes vorgebraht haben, folgen, mufß mich vielmehr darauf bes{ränken, einige allgemeine Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen, von denen i@ annebme, daß se geeignet fein werden, die Besorgnisse, wel&e die Herren Vorredner an die Wirkung des Gescßes geknüpft haben, bezichung3weise die Erinnerungen, die sie gegen die Vorschriften des Gesetzes gezogen baben, zu beseitigen.

Meine Herren, es i| eine eigenthümlihe Erscheinung, daß, während im November 1881 die Kaîserlihe Botschaft im ganzen Neich, ausgenommen von einer einzigen Partei, durchaus freudig be- arkt wurde, und während man damals annahm, daß mit den Zielen dieser Kaiserlichen Botschaft, wenn sie erreiht werden, nun wirklich ein großes vaterländisches, den inneren Frieden bringendes Werk zu \{ha}en sein würde, daß beute nach noch nit 8 Jahren sich aus den verschiedensten Parteien Gegner finden, die hartnäcktig und lebbaft die Verfolgung dieses A bekämpfen. Man könnte fast annehmen, daß man sich bezüglih des Wechiels in der Ieaara gegenüber unserer sozial- politischen Pr amm vor ‘inem Näthfe finde. Allein, meine Herren, im Laufe dèr Diskussion über dieses Geïet ist es mir immer klarer und klarer geworden, daß, was Hr. von Manteuffel so richtig betont hat, einmal die fortgesette Unbekanntschaft mit den Bestim- mungen dieses Gesetzes zu der von mir socden bervorgehobenen Ab- neigung die Nahrung giebt, und daß zweitens politishe Gründe eine vrinzipielle Opposition erzeugen, politische Gründe, deren Berechtigung i in keiner Weise anerkennen Tann.

Meine Herrer, daß die Sozialdemokraten seit dem Jahre 1881 Gegner und eingefleiste Gegner unsercs fozialpolitishen Programms find Hr. Singer hat es heute „zu seinem Muhm*", wie er sagt, betont, daß von vornberein diz Sozialdemokraten von dieser Gesetz- gebung nits haben wiffen wollen das ift durchaus erflärlid. Der

| halten, daf

| fozialdemokratijche Weizen blüht nit auf unserem sozialpolitishen

Programm; es ift unmögli, daß die Sozialdemokratie dabei vrosperiren kann, und wenn Hr. Singer seine beutigen Ausführungen „Matben Sie, wir wiffen, daß unjer Standpunkt von Millionen deutscher Arbeiter verstanden und gewürdigt werden wird, daß Millionen deuts{her Arbeiter uns wegen unserer Haltung bier ibre An- fennung zollen“, fo möhte ich dem Hrn. Abg. Singer doch vor- son cines ganze Anzabl von deutschen Arbeitern sih entgegen dicsem Stantpunkt für die DurSführung au dieser

| gesetzgeberishen Maßregel erklärt haben, und daß die neuesten Vorgänge,

von denen er ja au gefprohen hat, das Verhalten der Arbeiter in den märkischen Koblenrevieren, insbesondere das Verhalten der Depu-

wissen zu wollen. Aber, meine Herren, selbft wenn diese Anzeichen

wöhnlich verständige Leute sind, zu einem Ehrenamt berufen | niht vorlägen, so würde ib aus den mir sehr bekannt gewordenen werde, jo könne er ibn für fein Gut übergaupt niht brauchen, denn er ift für die Zeit seines Ehrenamtes dur feine andere | Person zu ersezeu. Wenn er (Redner) sich aber nun erlaube, |

Wirkungen der bisheriger fozialpolitishen Gesetze, insbesondere des Krankenkafsengesetzes, von dem au Hr. Singer und feine Partei damals, als wir es maten, nihts bat wijen wollen, doc die Ueberzeugung gewinnen, daß die Arbeiterwelt, wenigstens soweit sie ihre Lage richtig beurtheilt, die fegensreihe Wirkung unserer sozialpolitishen Gesete

| fehr wohl zu würdigen weiß. Ni&t allcin, daß die Zufriedenheit mit

unserer Krankenkfaftengeseggebung und Unfallversiherungsgefepgebung in den Arbetiterkreisen immer weitere Herzen erfaßt; nicht allein, daß der Arbeiter die Wohlthaten, bie thm felten zu Theil werden, sehr richtig würdigt; die Sacbe liegt aub fo, daß die Stimmen sih täalih mehren, welche beispielsweise die Kranfkerkafsengesetgebung auch auf die Familienmitglieder ausgedehnt wissen wollen und welche wünschen, daß die UnfallversiGerungsgeseßgebung auch auf solche Arbeiterkreise ausgedehnt warden möge, die bisher noech niét davon erfaßt sind,

Also, meine Herren, die Thatsache ift nit zu leugnen, daß auch der deutsGe Arbeiter den Segen dieser Beseitemnag empfindet.

Nun fage ich weiter; Hr. Singer hat neben vielen anderen Gründen, welche er gegen das Gesch ins Gefecht geführt und aus denen beraus er füx scine Partei die Nothwendigkeit abgeleitet hat, diesem Sesey die Zustimmung zu versagen, mit einer gewissen Betonung, welche nach außen hin wohl im Stande ift, cinen Eindruck hervorzurufen, au) gemeint; das ist keine Sozial- reform, durch dieses Gesey werden die berechtigten Ansprüche ber Arbeiter nicht befciediat, folglich fkôöônnea wir das Gesey nicht mitmawen,. Meine Herrea, eine vollständige Sozial- refocrm haben wir nit machen wollen, am allerwenigsten im Sinne des Hen, Abg, Singer; für eine solhe Reform würden wir, glaube id, memals fie Zustimmung der Majorität bieses Reichstages over icgend eines künftigen Reichstages finden, Fch halte auch überhaupt ein sozgales Reformprogramm, welches alle Zweige unserer wirthschaftliten Thätigkeit auf andere Men bringt, abgesehen von seiner Gefährlichfeit, überhaupt gar nicht flir aufstell- bar und durchfühcbar. Was ih aber für aufftellbar und burchführ- bar halte, das ist die Beseitigung der dringendsten und herechtigsten Klagen dec Arbeiterbevölkerung, und unter diesen Klagen ist die Beschwërde ller die MNMothlage, welhec der inyalide Acbeitex zur Zeit noch auésgesegt if, eine ter dringendsten und eine ber berzchtigtsten. Wir werden fortgelevt \chrittweise yor- gehen, und wir werden nicht mit dem Hrn. Alg, Singer ein Pro-

gram vereinbaren können, welhes die Welt in andere Fugen welst, wie gesagt in Fugen, die wir für haltbar nit ansehen können.

tun aber, meine Herren, bitte ih Sie, doch mal zu be- traten, wel@er Widérsinn eigentliGß in dieser Argumentatiön liegt, wenn man sagt: weil der Arbeiter nicht alle seine Ansvrüdhe, die wix für berechtigt halten, dur dieses Gesey befriedigt erhält, debbalb lehnen wir das Gesey ganz ab, Man sollte sagen, daß der Hungernde, wenn er kein belegtes Butterbrod bekominen kann, auch mit einem einfachen Butterbrod zufrieden sein könne; Hr. Singer aber will das belegte Butterbrod oder gar keins, Das wird der Arbeiter {on verstebén, daf diese Herren ihm au das unbelegte Butterbrod vorenthalten wollen.

Nun, meine Herren, sagt der könnten au um deswillen dem Gesehe ni „verdienstlich sei, dem Volke klar zu machén, was für Humbug mit ibm getrieben werde*, Nun, ineine Herren, glaube i, daß bei allen den patriotischen Männern, welche bisher warm an diesem Werk tnitgearbeitet baben, auch nicht der leiseste Hintergedanke bestanden hat, geschweige denn, das man von einem Humbug reden könnte, mit diesem Ges» seße etwas zu machen, was, wie Hr. Singet ih auszudrücken beliebte, dem Volke „Sand in die Augen s\treut“, was das Volk beruhigt, eitweise berubigt, vielleilt zu dem Zweckl, um größere Ansprüche

intanzuhalten.

Meine Herren, was wir gethan häben, das haben wir in der oftmals ausgesprolênen tet endung gethan, daß es nothwendig sei, dem Arbeiter zu belfen für seine alten Tage. Wie man diese Hülfe sie mag ja unzureichend sein; über das WVaß mag man streiten mit dem Namen „Humbug*“ bezeihnen kann, das, in der That, mag der Hr, Abg, Singer verstehen; der deutsche Ar- beiter ih wiederhole das —— dtaußen wird es niht verstehen. Er wird den Hrn, Abg. Singer dafür verantwortlich machen, daß der Hr. Abg. Singer ihm diesen „Humbug" nichk gewährt.

Meine Herren, dêr Hr. Aba. Singer hat nun aber au) und er hat die Mangelhaftig eit um nicht zu sagen Schwäche seiner Ausfübrungen damit nicht zugedecklt auf einen Weg verwiesen, auf dein man eine auggiebigere Fürsorge für den Arbeiter herstellen lönne; das ist der Weg elner allgemeinen RNei{hseEinkommensteuer, Ich gehe nicht nähex auf biesen Gedanken ein, weil \ch mit dem Hrn, Abg. Siyger die von ihm ausgesprochene Ueberzeugung habe, däß dieses Projekt auch bier im Reichstage keinen sonderlichen Beifall finden wird, jedenfalls also keine Majorität au? sich vereinigen wird. Aber, meine Hexren, wenn dexr Hr, Abg, Einger diesen Vorshläg weiter mit der Aufforderung begleitet hat! macht doch ten Beutel auf! #0 sage ich: wer hält denn hier nach den Dispositionen dieses Gesehes den Beutel zu? Der Arbeitgeber wird {a sogär gezwungen, den Beutel aufzumachen und muß ein Drittel dessen, was aufgebracht wied, zahlen, und das Reich selbst mit seinen Reichszushuß macht in allen seinen Gliedern den Beutel auf, Also, He, Singer, auch dieser Vorwurf, daß wir zurückhaltend seien in dem Aufthuen unseres Beutels, in der pekuniären Mithülfe bei diesem Gesetz, ist un- gere{!fertigt.

Nun, meine Herren, nachdem ih einige der Bemerkungen des Hrn, Singer beleuchtet habe ich kann, wie esagt, niht auf Alles eingehen, tch halte das für absolut unmöglih und ih glaube, daß die Spezialdiskussion auh einen besseren Anhalt gewähren wird, die einzelnen Punkte zu besprehen —, möchte \ch mich doch noch mit einigen Worten zu den Bemerkungen tes Hrn, Abg. Holy wenden. Es thut mir aufricht\g leid, daß die westpreußische Landivitrtb\chaft, ebenso wie wir es \a auch von der ostpreußischen Landwirthschaft gehört haben, ih auf elnen ablehnenden Standpunkt stellt. Aber ih kann nicht den Eindruck hier Veri mean, den ih namentli an der Hand der in Dirschau gefaßten Mesolutionea und an der Hand der heutigen Ausführungen des Hrn, Abg. Holy ge- wonnen habe, den Eindrulk nämlich, dah auch hier die Unbekann1schast mit dem Gesetze und die falshe Darstellung seines Zweckes und seiner Bestimmungen dazu beigetragen hat, Beschlüsse herbeizuführen, die sich wirklich gegenüber dem Geseye nicht rechtfertigen lassen,

Meine Herren, i bin nicht gewohnt, etwas zu behaupten, was nitt dargethan werden kann; ih werde also an der Hand jener RNe- solution, die hier vor mir licgt, wenigstens mit einigen Worten deu Nachweis antreten.

Was heißt es denn z. B, ich kabe mich vergeblich bemüht,

8 Abg. Singer weiter, sle t

dabinter zu kommen, was die Herren in Dirschau eigentlih darunter '

verstanden haben —, wenn in der Nesolution 11 gesagt ist: Abgesehen davon, daß der zur Zeit im Reichstage zur Be- ratbung stehende O über Alters- und Invaliditäts- versicherung auf einem Prinzip beruht, welches die Kaiserliche Bot- \{aft nicht erkennen läßt, u. st. w. ?

Jch weiß gar nicht, welches Prinzip überhaupt gemeint sein kann. Das Prinzip, also die Grundlage der Kaiserlichen Botschaft, ist werk- thätige Menschenliebe gegenüber dem Arbeiterstande. Dies Prinzip fiadet au bier in der Vorlage setnen Ausdruck. Oder ist vielleicht darunter gemeint, daß das Prinzip der Organisation in der Botschaft ein anderes wäre? Aber die Kaiserliche Botschaft zeichnet ja für die Lösung der datin gestellten Aufgaben gar keine bestimmte Organisation in ihren Details vor, sondern sie sagt nur : es soll durch korporative Zusammenfassung das Ziel der Kaiser- lichen Botschaft angestrebt werden. Ja, meine Herren, ist das keine „korporative Zusammenfassung“, wenn ih die Arbeitgeber cines be- stimmten Beztrks vereinige, wenn ih eine selbstverwaltete Versiche- rung8anstalt gründe, zu der die sämmtlichen Arbeitgeber und die sämmtlichen Arbeiter dieses Bezirks ihre Beiträge zu zahlen haben? It das keine korporative Zusammenfassung ?

Also \chon diese Fassung der Resolution, welche gewiß ihren Eindruck nicht verfehlt hat, indem sie den Leuten die Meinung bei- bringt, das, was jeßt vorgeschlagen sei, stehe in direktem Widerspruch mit der Kaiserlihen Botschaft, also schon diese Fassung des ersten Punktes der Resolution hat meines Erachtens eine innere Be-

rehtigung nit. ] / Nun kommt weiter die Resolution 111. Jn dieser Resolution wird gesagt : l j „Die Landwirthschaft wird in dem Gesche mit der Indu ‘rie und dem Gewerbe in _ eine Intere1sengemeinshaft gezwängt, welche zum Nachtheil der ersteren nothwendig ausfallen muß."

Warum diese Interessengemeinschaft „zum Nachtheil der ersteren nothwendig ausfallen muß“, verschweigt des Sängers Höflichkeit. Bis jeyt habe ich bloß Befürhtungen darüber vernommen, daß die Industrie, die noch dazu in den Provinzen, um welhe es sich hier handelt, gar niht der mäctigere Faktor ist, gleihwohl in ihrer Zusammenschweißung mit der Landwirthschaft daßin gedrängt würde, ihre Interessen in den Vordergrund zu drängen, und zwar auf Kosten der Landœirthscbaft. Aber, meine Herren, wo ist denn hier überhaupt von einer Interessengemeinshaft die Rede, die darüber hinaus- ginge, ‘daß für den Arbeiter eine bestimmte Versicherung her- gestellt wird in ciner Anstalt, zu der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleihmäßige Beiträge zahlen? Daß u Ur engem aiats, die, wie gesagt, cine gleiche Verdammniß für alle Betheiligten enthält, für einen Theil, insbesondere für die Landwirthschaft, eine gefährliche werden sollte, ist absolut niht anzunehmen. N

Nun ist ja aber dur den §. 17, namentlih, wenn Sie ihn in der Fassung annehmen, wie sie len beantragt ist, eine reichliche Gewähr dafür gegeben, daß die Verschiedenheit des Nisikos, welches in ben einzelnen Berufsarten des wirthschaftlichen Lebens bestehen mag, avuch in den Beiträgen und folgewelse in den Renten zum Ausdruck kommt, Also ih glaube kaum, dah diese Zusammenfassung der sämmtlichen Wirthscha{tsgruppen cines und desselben ay irgendwelhe Gefahr für den einen oder anderen Theil in sich birgt.

In dec Resolution Nr, 4 findet ih erstens der Sa daß es zu beklagen sei, „daß die Versorgung dexr Wittwen und Waisen nit gleichzeitig in Aussicht genommen wäre,“ Dann aber wird die in meinen Augen sehr kühne Behauptung ausgestellt

Bleibt die Landwirthschast für }\ch, 10 läßt \ch annehmen, bas) ohne EQLIung ta durch das Geseh in Aussicht genommenen Veiteäge auch die Versorgung der Wittwen und Waisen durchgeführt werden fann,

zustimmen, weil es

Nun, ich habe diese Behauptung eine kühne genannt. Wir Haben auch unsere Berechnungen liber de Wittwen- und Waisen- verlorguns ängesteUt, und wenn wir nur eine Nente für die Wittwen zum Betrage ven 60 4 und flir die Waisen, zum Betrage von 30 4 q Kopf annehmen, so wird die Belastung von Arbeitern und Ar- eitgebern misammen 120 Millionen Mark im Reih machen, \o daß also auf Westpreußen ich habe mir das auch in der Schnelle aus- rehnen lassen etwa 2 Millionen fallen. (Es ist le gar nicht daran zu denken, daß die westpreußishe Landwirthschaft durch eine etwalge Jsolieung und Loslôsung von den librigen wirthshastlihen Gruppen bezüglich der Arbeiterversiherung soviel würde ersparen fönnen, um auch die Wittwen- und Waisenversorgung durchzuführen. Aher allerdings die Behauptung ist auh geeignet, einen Schrecken hervorzurufen, wenn man sagt: wir werden durch dieses Gesetz so \tark belastet, da wenn wir allein blieben, unsere Wittwen- und Waisen noch eben e mit ecoont werden könnten, als dur dieses Gesetz für die nya n Aussicht genommen ist. ais 5 Belastung anlangt, ich glaube ja, daß die Herren das e 19 glauben, —- aber was sie sih da einreden, das ist doch etwas übertrieben, Ih will also einmal z. B. annehmen, der Hr. Abg. Holy soll Necht haben (obwohl mir das auch recht reeaan ist), wenn er behauptet, daß er auf einem Gute, welches 500 bis 600 M Grundsteuer bezahlt, Fahr aus Nahr ein 47 Wochen hindurch 100 Mann be- [GA ta, (Burn) Sun ja, die Sache ist auch mir, wie gesagt, recht zweifelhaft, aber i will dem Hrn. Abg. Holy einmal glauben, wenn er mir nur die eine Konzession machen will, daß es doch noch schr von der Art des Wirthschaftsbetriebes abbängig ist, ob er wirklich 100 Mann Jahr aus Jahr ein in Beschäftiguna hat. Dann beträgt die Belastung nah meiner Nehnung 700 M, (Zuruf : das Doppelte !) nein, aht das Doppelte, sondern eine Uebernahme des Arbeiter- aro dur dle Arbeitgeber is in dvicser Summe \chon mit in Anschlag gebracht ; cs sind in der ersteu Periode und in der 1, Lohn- flasse, welhe Hr. Holy für scine Verhältnisse in Rechnung gestellt hat, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen 14 4 pro Woche ju zahlen, bas macht für 47 Wochen bei 100 fortwährend Mt rbe pon Arbeitern praeter propter 700 Das wird ungefähr so stimmen, enauer sind es etwa 660 ÆffÆ Ich weiß nicht, wie die Löhne bei den fien Abgeordneten steben, aber ich kann mir denken, es wird unge-

den Arbeiter

ähr auf das binausfommen, was ich neulich gesagt habe, daß bei der Untwirthschaft im Oslen die Mehrbelastung, welche für die Arbeit- geber dur dieses Gesetz herbeigeshrt wird, im großen Durchschnitt etwa 1 A pro Mark Lohn beträgt.

Nun, meine Herren, wiederhole ih, was ih neulih gesagt habe : ist venn diese Belastung von durchs{chnittlich cinem Pfennig pro Mark des Lohnes wirklih eine so bohe, daß um devwillen der Mann, der 100 Arbeiter Jahr aus, Jahr ein in der Landwir1hschaft beschäftigt, zu verzweifeln nöthig haben wird 7 Peine Herren, wenn Sie die Belastungs- frage stillen, so sage ich, viel s{werer zu tragen ist die Sache viel- lelcht in den Krelsen der kleinen Leute, wo man für cinen oder zwei Arbeiter im Jahre 6 bis 7 M aufbringen muß, Va haben wahr- ga die großen Herren in tec Landwirthschaft keinen Grund zur Klage, Und nun weiter, Wenn der Hr, Abg, Holy heute wieder auf die angeblich ganz nothwendige Störung des patriarchalishen Ver- hältnisscs, welhes zwishen Arbeiter und Arbeitgeber bestehe, zurlüickgelommen ist, und in einem der folgenden Punkte der Dirshauer Mesolution is davon auch die Neve so weis ich in der That nicht mehr, was ih noch weiter dem hinzu- fügen soll, was ich neulich darüber gesagt have. Meine Herren, Noth und Elend zu lindern, dazu wird es auch nach dem Inkraft- treten dieses Geseßes noch sehr viel Gelegenheit geben, Und wenn der wohlthätige Gutsbesißer, welcher jeßt si seiner alten Leute in sehr dankenvwerther Weise annimmt leider Gottes, ih wiederhole das, geschieht es niht überall wenn bieser Gutsbesißer künftig, nahdem diesen alten Leuten cine Rente bewilligt ist, seine milde Hand nur aufthun will, an Gelegenheit dazu wird es ihm nicht tnangeln, und ih zweifle auch gar niht, daß, wenn in der Uebung solcher Charität ein Segen liegt, bieser Segen ld dadurch bemerkbar machen wird, kaß der Arbeiterstand treu zu ihm hält und daß er ganz in derselben Weise die Leute an sich zu fesseln wissen wirb, wie er es jeyt thut. Und wenn nun und da könnte man allerdings der Hr. Abg. Singer wolle mir verzeihen mit der Behauptung „Sand in die Augen streuen“ kommen wenn nun der Herr Abgeordnete weiter meint, „mit diesem Gesetze züchtet Ihr die Invaliden“, so hat er wohl aus der Aufnahme dieser Hyperbel s{chon bemerkt, daß cs nicht Viele im Neicbétage giebt, welche diesem Ausspruche ihre Zustimmung geben. Meine Herren, wir wollen keine6wegs Invaliven züchten, wir wollen vielmehr bei der Prüfung der Invalidität mit aller Sorgfalt vor- gchen, und bei dec Ausführung tieses Geseyes darauf weist hon das Interesse der Versicherungsanstalt hin auch die entsprechenden Kautelen treffen, und vor Allem möglichste Kautelen gegen die Simu- lation. Den Vorwurf wird man uns dereinst sicherlich niht zu maden haben, daß wir „Invaliden züchten“, Das dagegen wollen wir, und danach streben wir, die Invaliden aus unglücklihen und hülflosen zu zufriedenen Menschen zu machen, und wenn wic wie nie dies mit Zuversicht hoffen dürfen, dieses Ziel erreihen, dann wird auch die weitere Behauptung des Herrn Abgeordneten sich nicht bewahrheiten, in der ec sagte: „die Leute, die ihr jeßt zu Rentnern macht, werden vor der Thüre sigen und ihre Pfeife rauhen, oder ins Wirthshaus gehen und sih der Sozialdemokratie au Gtesen. Meine Herren, der Mann, der besißt, der ein ganz gesichertes Einkommen hat, ist viel wenigec geneigt, Sozialdemokrat zu werden, als der Mann, dec nichts hat, und daraus gerade, daß wir diesen alien Leuten ein gesihertes Cinkommen, ein sicheres' Brod zuweisey, gerade daraus \{öpfen wir die Hoffnung, daß diese Leute, soweit sie etwa an sich noch Neigung dazu haben sollten, der Sozialdemokratie sich nicht mehr besonders zuwenden werden. Meine Herren, was die Strafbeslimmungen anlangt, die der Herr Vorredner bemängelt hat, jo gehe ich darauf nit ein _ Seine Wünsche in dieser Beziehung werden vielleicht bei der Spezialberathung noch mehr zum Ausdruck gebraht werden. Auch ich bin kein Freund von harten Strafen und von ungerechtfertigten Strafen. Wenn daher in dieser Beziehung zulässige Milderungen gewünscht werden, so wird sih darüber gewiß reden lassen, es braucht das kein Grund zu sein, um auch nach Außen hin gegen das Geseg einzunehmen, darüber wer- den wir uns sehr leiht verständigen. '

Damit, meine Herren, könnte ih meinen Vortrag beendigen. Ih \{li-ße mit dem Wunsch, daß jeßt noch alle diejenigen Herren, die wirkliche Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Geseßes haben, sih dazu herbeilassen, sich mehr auf den allgemeinen Standpunkt zu stellen. Meine Herren, ein Gesey zu hafen, was alle Wünsche befriedigt, ist insbesondere in dieser Materie absolut unmöglich. Sie können heute beschließen, die definitive Entscheidung zu vertagen, Sie werden do nah 6 Monaten, nach JIahreëfrist, nah 2 Jahren, ja nach 10 Jahren ganz denselben Kampf der Meinungen erleben, den Sie heote führen. Es ist unmögli, daß die Meinungen über das Geseg sih flären, so lange man noch nicht die erforderlihen Unterlagen für seine praktishe Brauch- barkeit geschaffen hat, und, meine Prets diese Unterlagen werden nur geschaffen und können zweckmäßig nur geschaffen werden durch die Berabschiedung dieses Fe und dessen praktische Anwendung.

ch will nun noch mit einigen Worten es fällt mir das eben ein ein Bedeuken widerlegen, das, wenn es berechtigt wäre, wohl dazu führen könnte, die Entscheidung über die Annahme des Geseges in erheblichem Maße zu erschweren, das Bedenken nämlich, daß, wenn wir diefes Geseß bekommen, wir cs nie wieder los werden, und daß es namentli au unmegis sein wird, die Mängel, die es au sich trägt, zu beseitigen. Meine Herren, mit demselben Maia von Ver- antwortung, mit dem wir, die wir an dem Gese gearbeitet haben, ede einzelne Bestimmung desselben auf ihre Durchführbarkeit geprüst haben =—- sind wir auch an die Frage hberangetreten, und bin ih ind- besondere an die Frage herangetreten, ob uns etwa, weun die Vorlage in ihrer gegenwärtigen Gestalt Gese wird, eine Fessel angelegt wird, welche es unmögli macht, die Korrékturen, die man heute {hon als nüßlich und als nöthig bezeichnet, später noch vorzunehmen, Jch habe

aber in dieser Beziehung bloß eiñe einzige Bestimmung gefunden, welche allerdings einer Aenderung niht füglih unterzogen werben kann, und das ist die Bestimmung über die Höhe ber Renten, Was Sie heute in minimo dem Arbeiter an Renten iert haben, werden Sie ihm ohne ernste Gefahren später nicht entziehen können, Alles Uebrige: die Form. in der das Geseh in Wirksamkeit tritt, die Modalität der Abgrenzung seiner Wohlthaten, alles Uebrige können Sie von A bis Z später, wenn ie zu der Ueber- eugung kommen, daß die hier getroffenen Bestimmungen nit praktisch sind und einer Abänderung bedürfen, ohne jedes Bedenken und ohne ede Schwierigkeit anders Eten Fch will e daran erinnern, wenn Sie zu der Ueberzeugung kommen, die ter Hr. Äbg, Hos heute hat, daß es den Vorzug verdiene, die Landwirthschaft füc

u einer Berufsgenossenschaft, zu einer Korporation zujammen- zufassen, welhe das Versicherungsgeschäft, losgelöst von den übrigen denen es jeyt zusammengefügt i, über- nehmen soll, so hat das nicht die geringste Schwierigkeit. Ebenso hot es gar feine Sckwierigkeit, wenn Sie die einzelnen Bestimmungen über die Organisation später ändern wollen. Sie können auch die Lohnklafsen ändern, Sie können neue Lohnklassen einführen, Sie können ferner auch nach ter Idee des L Singer in der Abgrenzung der Lohnklassen höher gehen. Genug, es ist nach meiner Ueberzeugung und ich habe den (Entwurf darauf sehr sorgfältig geprüft, keine Vorschrift in dem ganzen Entwurf, die niht geeignet wäre, später einer Korrektur unterworfen zu werden, die man etwa an der Hand der gesammelten Erfahrungen als eine wirklihe Verbesserung erkennt,

Meine Herren, je sicherer ich aber in dieser Ueberzeugung bin, um fo dringender und aut otiger fann ich Ihnen auch nur empfehlen : Machen Sie cinen Versuch mit dem Geseg, versagen Sie dem deutshen Arbeiter die ihm zugesicherten Wohlthaten nicht, {aen Sie zur Ehre und zum Ruhm des Vaterlandes einen Vorgang, der für die ganze Arbeiterwelt in allen übrigen civilisirten Ländern das Ben sein wird, untec dem sie einem glückliweren und zufriedeneren Zustande entgegengeht, als der ist, unter dem sie sih jeßt befindet.

Abg. Barth: L die Ausführungen des Staats- sekretärs von Boetticher sowohl wie des Abg. von Manteuffel gehen zwei Gesichlspunkte, die gleihsam einen beherrschenden Charakter in den Ausführungen zu Gunsten des Gesezes an- genommen haben. Einmal sagt man: das Geseh ist allerdings unvollkommen, in manchen Beziehungen bedenklich, die Folgen lassen sih nicht S aber fange man nur erst einmal an, etwaige Mängel könne man später korrigiren. Ferner sagt man, die Bedenken außerhalb des Neichstages gegen das Gesez beruhten auf der mangélnden Kenntniß desselben. Aber bei keinem Gesetz trifft dieje Behauptung so wenig zu wie bei diesem. Von vornherein ist man gerade für dieses Geseh gewesen, aber je E man sich damit ai desto mehr treten die Schwierigkeiten hervor. o hat sih in den leßten Wochen der Widerstand im Lande gegen das Geseh befestigt, und auch hier im Hause sind die Bedenken von Woche zu Woche gewachsen. Wenn die Negierüñng das Lees fallen ließe und vertagte, wäre Niemand sroher als die Majorität, die das Gesey mit Ah und Krach durchbringen will. Jn der Ver- ftärkung der Bedenken gegen das Q ehe er aber eine ge- sunde Reaktion gegen die siaatssozialistishen Fdeen ver lehten zehn Jahre. Es scheint sich im Volke langsam das Gesühl durchzukämpfen, daß der Staat doch niht im Wege der bee

ebung die soziale Lage der Bevölkerung wesentlich bessern ann, man besinnt sich darauf, daß die Quellen der Vollskraft in der ‘Jnitiative des Einzelnen und der freien Koalition im Gegensayz zum geseßlihen Zwange liegen. Früher warf man den Manchestermännern vor, sie hätten kein Herz für den Arbeiter und wollten ihm nmcht die Wohlthaten zu- kommen lassen wie der Staat. Auch bei dem Staats- sekretär von Boetticher klang dieser Gedanke heéuté in seinen Aeußerungen gegen den Abg. Singer dur, als ob hier etwas durch den Staat aus sich heraus geschaffen werden könnte. Der wirthschaftlihe Liberalismus hat \sich auf das Eifcigste bemüht, die Arbeiter besser zu stellen, und trt auf dem allein wirksamen Wege, daß er den Antheil des Arbeiters am Pro- dukt beständig zu erweitern bestrebt war. Der große Kultur- prozeß auf dem Gebiet der Volkswirthschaft in diesem Fahr- hundert qu den Antheil des Arbeiters am Produkt ständig wachsen lassen, während die gebige soziale Bewegung diesen Antheil verringern will. Alle protektionistishen Maßregeln der lezten zehn Jahre, wie die Schugzölle und dergleichen, haben den Antheil des Kapitals an der Produktion, die Ka- pitalsrente und die Nente aus Grundbesig auf Kosten der Arbeiter erhöht. Dieser Geseßentwurf bringt die Arbeiter auch in keine wesentlih günstigere wirthschaftlihe Position. Die Auf: bringung der Beiträge unter Betheiligung des Neichs und der Arbeitgeber scheint zwar für die Arbeiter insofern günstig zu sein, als auch die Arbeitgeber einen Theil der Kosten übernehmen, aber auch die Arbeitgeberbeiträge werden doch wieder auf den Preis der Waare abgewälzt, sodaß schließlich die Konsumenten in ihrer Gesammtheit die ganzen Lasten tragen werden. Die Arbeitgeberbeiträge werden nihts An- deres als neue Produktionskosten sein. Die Arbeitnehmer- beiträge werden ebenfalls vermittelst der Lohnerhöhung auf den Preis wirken; dazu werden große Lohnstreitigkeiten auf- treten, und die Dauer dieses Prozesses läßt sich noch nicht übersehen. Das f\{limmste Bedenken gegen den Geseß- entwurf ist, daß er im Gegensaß zum Kranken- und zum Unfallversicherungëgesep gar keine Versicherung enthält, sondern eine Versorgung. Daß man die Alters- und die Jnvaliditätsversiherung in einen Topf mit derselben Prämie geworfen hat, is shon vom Standpunkt der Versiche- rung bedenklich. Der ganze Entwurf fei unlogish konstruirt und deshalb habe man in dem Hauptpunkt, der Bemessung der Beiträge und Renten, von dem eriien Regierungsentwurf zum zweiten und von einer Lesung zur anderen in der Kom- mission und auch im Plenum hin- und hergeshwankft, und was man au thun möge, nian werde im Sinne der Ver- sicherung nichts erreihen. Nachdem man die Versicherungs- grundsäße aufgegeben habe, müsse man auf Willkür und zu ewigen Ungerechtigkeiten kommen, von denen das Geseg wimmele. Jn der ersten Lohnklasse be- komme ein Jnvalide nah fünf Jahren 114 F für 60 Beiträge, in der vierten 140 # für 35 F Beiträge. So ist es überall; und alle Rentenempfänger werden unter fich einen Vergleich anstellen, ob ihre Renten na Gerechtigkeit bemessen sind oder nicht. Hätte man nah Versicherungsgrundsägen den Entwurf aufgebaut, so wäre davon nicht die Rede, dei einer Lou haben aber Alle den gleichen Anspru. Der Reichszuschuß il das Bedenklichste. Selbst Leute, die fsonf (At [de Anwandlungen haben, haben Bedenken gegen den Reichszushuß. Professor Schäffle hält den Reichszuschuß nur für eize Uebdergangsperiode ae igt, billigt ihn aber nicht als dauerndes

meint, daß der Rei Staatgzushuß beim Bau von Kanälen, enanlagen oder Meliorationen des Landes und dergleichen, die im Juteresse der Allgemeinheit gemacht werden. diesen Sachen handelt

Elementen, mit

lied im Gejeg. Hr. von Bennigsen | zushuß nichts Anderes sei, als der |

|

es sich aber um außerpersönlihe Jnteressen, hier en um - M. Eingriff in die Einzelwirthschast des Menschen. Dieser Vorgang is noch in keiner Ges gus vorhanden, daß direkte Zuschüsse in die Taschen des Einzelnen zu dessen Le E gegeben werden. Führt man einen Reichs- j chuß von 50 M ein, kann man auch einen höheren, oder chließlich die ganzen Kosten auf das Neih übernehmen. Hr. von Boetticher schien das auch zu fühlen. Denn er hielt einen Neichszushuß von 50 M für berechtigt, aber die aus- \{hließlihe Uebernahme der Kosten auf das Reih für einen sozialdemokratishen Gedanken, den er niht mitmachen kann ; er veyene sih also hinter das Wort „ausschließlich“. Diese Logik sei ihm unverständlih; ob 50 A oder eine andere Summe, sei ganz gleichgültig. Später wird man auch 60 oder 99 M und schließlich das Ganze verlangen. Etwas Prinzipielles läßt sich dann dagegen nicht einwenden; man könnte höchstens Zweckmäßigkeitsgründe anführen. Schon jeßt bricht sih der Gedanke einer Erweiterung des Reichszuschusses Bahn, die Kölner Handelskammer hat sich hon gefragt: Warum überhaupt die Beiträge? Kommt man so zur Üeber- nahme der ganzen Kosten auf das Reich, so wird auch die Einheitsrente angestrebt werden, und die Kosten werden durch allgemeine Reichssteuern aufgebraht werden mtissen. Die kommunale Armenpflege würde dann nur in eine Reichs- Armenpflege mit fixirten Renten umgewandelt. Daß die Sozialdemokratie dadurch S beseitigt wird, beweisen die Reden der Sozialdemokraten hier im Hause. Auch das Gesetz selbst erkennt die sozialdemokratishen Grundsäße an. Auf dieser Bahn wird es immer weitergehen, zumal diese Politik niht auf Prinzipien beruht, sondern ins Blinde hinein experimentirt, Diese Bahn führt s{chließlich zum sozialistischen Staat, die Freisinnigen gäben deshalb sowohl im allgemeinen cFnteresse, wie in dem der Arbeiter dem Geseß ihre Zu- stimmung nicht.

Abg. Gehlert: Durh den Widerspruch einer Éleinen Minorität der Großgrundbesißer könne seine Partei sich nicht hindern lassen, das Geseh zu Stande zu bringen. Es ent- spricht erst reht nicht der Hoheit des staatsmännischen Geistes, welcher dieses Gese seinen Ursprung verdankt, zu fragen, ob die Jndustrie oder die Landwirthschaft dabei besser fährt. Der Vorredner pries die wirthschaftlihe Freiheit. Das Manchester- thum und der Kapitalismus hat aber nur zur Schund- produktion, zur Unterdrückung der wirthschaftlich Schwachen und zur Massensterblichkeit unter den Armen geführt. Es giebt zwei Wege der Förderung des allgemeinen Wohls : Ueberredung und Zwang. Seit 2000 Fahren sucht das Christenthum die enshen zu überreden, daß man seinen Nebenmenschen liebe wie sich selbs. Was hat das geholfen? Der Einzelne vermag überhaupt nicht diesem Gebote nachzugehen; die mitleidlose, unerbittlihe Diftatur der Konkurrenz verbietet es ihm; er muß thun, was Alle thun. Er habe nicht einen Fall erlebt, wo ein Besißender dem Nichtbesißenden seine vollen Nehte hat zu Theil werden lassen, den vollen Arbeitsertrag bewilligt hätte oder hätte bewilligen können. Was der Einzelne thun kann, sind nur Tropfen im Meere; und es ift beshalb nit wohigethan, vem Staat in den Arm fallen zu wollen, wenn er sh der Schwachen anzunehmen anschickt. Der Antrag Hiße will die Wohlthaten des Geseßes auf dié Arbeiter der Großindustrie beschränken; aber wo hört die Großindustrie auf, wo fängt die Kleinindustrie an? Der Antrag will in den Fabriken Siaatszwang, and:-rwärts Spon- taneität. Wenn nun ein und derselbe Mann zugleich Fabrikherr und Landwirth ist, so erscheint er in der Fabrik als der s{chlechte Kerl, der durch Staatszwang zum Rechten angehalten werden muß, in der Landwirth- schaft als ein Mensch, der aus Menfchenliebe seine Pflicht thut! Die Furcht vor der ausländishen Konkurrenz könne \scine Partei nicht abhalten, das, was im Jnteresse unferer Arbeiter nothwendig ist, ihnen zu gewähren. Der Staat habe andere Mittel, die heimishe Produktion zu schüßen. Beden- ken gegen einzelne Bestimmungen des Gesehes habe auch er; aber für ihn stehe in erster Linie das große Prinzip des Gesetzes, und deshalb werde er für das Gesey stimmen.

Abg. von Komierowski: Der Grund, weshalb das Gefe troß vielfacher Anerkennung, troß der mühevollsten Arbeit in der Kommission nicht allseitigen Beifall findet, liegt in der Verschiedenartigkeit der sozialpolitishen Auffafuna, wie der der gewerblihen Verhältnisse. Die Polen hätten in der ersten Lesung ihre volle Sympathie für den Entwurf kundgegeben, die Bedenken aber nicht ver- shwiegen. Diese haben sich leider nicht beseitigen lassen. Die öffentliche Meinung und die Landwirthschaft sprechen sich über- wiegend gegen das Gesey aus. Wenn heute den fo Ur- theilenden Unkenntniß des Gesetzes vorgeworfen ift, fo kann ih niht anders, als dieses als eine Nedensart bezeichnen. Das Haus kenne ebenso die Geseze, wie der Bundesrath. Auch beim Branntweinsteuergesey habe man das Haus ge- beten, die Bedenken fallen zu lassen, da die Folgen andere sein würden, als es meinte. Jeßt aber sehe man deutlih, welches die Folgen sind. Auch bei diesem Geseß werden, wie bei so vielen anderen, Revisionen fehr bald unvermeidlich sein. Die Verschiedenartigkeit der Stellung der Arbeiter im Osten und der Arbeiter in den Fndustriebezirken int schon hervorgehoben. Als Vorjsizender eines Bauernvereins könne er dieses nur be- stätigen. Fn Posen liege ein großer Theil des ländlichen Be- sißes in den Händen kleiner Bauern, die die Belastung durch dieses Gefez nicht ertragen können, fondern auswandern müssen. Die Arbeit ifff hier nicht wie bei den westlichen Fa- brikbesißern wejentlih Akkordarbeit; dort forge man auch bei Krankheit und Erwerbsunfähigkeit für den Arveiter. Deshalb kann der kleine ländliche Besißer cin Bedürfniß für dieses Gese nicht anerkennen. Für den Reichsbeitrag tönne er fich nicht erwärmen, weil derjelde do nux dur die Steuern der Gejammïtheit aufgebracht werde. Die Polen hätten im leßten Jahrzehat durch die Polengcfeze cinen jo harten Druck emppjun- den, wie kein Volk in Europa. Das würde se aber niht ab- halten, die Sozialpolitik der verbündeten Regierungen anzus ertennen, nit in der Allgemeinheit, micht n der Phrazje, sondern in dem ?konbveten Falle. Für diefes Gesey aber ver- nöhten see nicht zu stimmen. A

_ Abg. Wintever crflärt im Namen der Eljaß:Lothringer, daß fic gegen das Gries stimmen müßten, cinmal wegen des dauernden Neichszuschusses und dann wegen der Ausdehnung des Gejecyes über don Umfang dec ÜUnfallversicherung hmaus. Den Handwerkern werde eine große Last aujeriegt gerade în dem Augenbli, wo die Reihs-Gewerbeordnung in Eljaß- Lothriagen pur Einführung gelange, auh die LandwärthsGaît Us ehe cxhebüth bolastet, so daß sie die Lst nmiht tragen dunn.