1889 / 160 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Jul 1889 18:00:01 GMT) scan diff

22. Dezember 1869 (Gesez-Samml. von 1870 S. 1). Vom

19, Juni 1889. erlin, den 9. Juli 1889. Königliches Gefez-Sammlungs-Amt. Jn E ath.

Abgereist: 1 Minister für Landwirthshaft, Domänen und Freiherr Lucius von Ballhausen, nah Schlesien ;

Se, nah dem

Se. Excellenz der Staats-Minister und orsten, Dr. er Provinz

cellenz der Minifter des Jnnern, Herrfurth, egierungsbezirk Gumbinnen.

FNightamltliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 9. Juli. Auf der Fahrt Sr. Majestät des Kaisers und Königs durch den Hardanger O am Donnerstag, den 4. Juli, wurde „Greif“ beordert, bei der Telegraphenstation von Utne, kurz vor dem Ein- gange in den Sörfjord zurück zu bleiben, um die bis zum Abend einkommenden Depeschen der Yacht nachzubringen. Nachdem die Yacht vor Odde im Sörfjord gegen 4 Uhr geankert hatte, begaben Se. Majestät Sih im Fagdanzuge ans Land, unter- nahmen eine etwa 11/stündige Spazierfahrt im Kariol, welhes von Sandven auf der Yacht mitgeführt war, bis an den See Sandven, und kehrten zur Tafel um 6 Uhr sehr be- friedigt an Bord zurück. Während der Abendstunden ließen Se, Majestät die elektrischen Scheinwerfer der Yacht in Thätigkeit seßen, welche eine Lichtstärke von je 40 000 Kerzen repräsentiren und beobachteten die Wirkung derselben, indem Se. Majestät Allerhöchstselbst die Direktion des einen Apparats leiteten. „Greif“ war mittlerweile nah Odde nahgekommen und über- brachte einige Depeschen. : :

Nach einer sehr guten Nacht begaben Sih Se. Majestät am Freitag, den 5, um 71/4 Uhr orgens ans Land, be- stiegen daselbst mit dem Dr. Güßfeld und dem General Grafen Waldersee je ein Kariol und begaben Sih wieder nach dem Sandven-See, woselbst das Gefolge bereits zu Fuß angelangt war. Nachdem bereit gestellte nordishe Jollen Se. Majestät mit Gefolae über den See gebracht hatten, wurde von Jordal aus gegen 81/, Uhr Morgens der Marsh nah dem Buar Brä angetreten. Der Weg führte über Steingeröll und auf {eidlihem Fuß- pfade durch ein auf allen Seiten von hohen Felswänden ein- geshlossenes Thal ohne nennenswerthe Steigung. Birken und Ulmen gaben einigen Schuß gegen die heiße Sonne. Gegen 101/, Uhr wurde der L des Gletschers erreicht, in Nähe desselben das bereit gestellte Frühstück eingenommen und dann noch längere Zeit an dem Gletsher verweilt. Während der Anwesenheit lösten sih Theile der Eismafsen und fielen mit großem Getöse in den reißenden Fluß. Gegen 1 Uhr traten Se. Majestät sehr befriedigt von dem Ausfluge den Rückweg an und langten gegen 3 Uhr an Bord zurück. Nah dem um 5 Uhr eingenommenen Mahle schossen Se. Majestät nach der Scheibe mit der Büchse und mit der Pistole. „Greif“ war auf Allerhöchsten Befehl Morgens nah Stavanger gegan, um die Post von dort abzuholen und sie am Sonnabend nah Odde zu bringen.

Weiter berichtet „W. T. B.“: „Se. Majestät der Kaiser besuhte am Sonntag den Wasserfall von Wöringsfos. An Stelle des prachtvollen Wetters, welches Se. Majestät während des zweitägigen Aufenthalts in Ddde und auch noch am Freitag beim Besuh des Buar-Gletschers begleitet hatte, war am Sonntag Regen eingetreten.“

Aus Bergen, 8. Juli, Abends, berichtet „W. T. B.“: „Se. Majestät der Kaiser ist Nachmittags 4 Uhr hier ein- g, bis jeßt aber an Bord der „Hohenzollern“ ver-

ieben.“

Nach §. 129 des Strafgeseßbuhs is die Theil- nahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesegzen durch ungeseßlihe Mittel zu verhindern oder zu entkräften, mit Gefängniß zu bestrafen. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, I. Strafsenat, durch Urtheil vom 28. März d. J., ausge- sprochen, daß unter ungeseßlihen Mitteln nicht nur straf- bare, sondern überhaupt gegen ein Geseg verstoßende Mittel zu verstehen sind.

Der Kaiserlihe Gesandte am Königlich \{chwedi}{- norwegischen Hofe, Wirkliche Geheime Legations-Rath Bu #ch, ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaube nah Stockholm zurücgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Gesandte der Republik Costa-Rica am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Don Manuel Peralta, hat Berlin auf einige Zeit verlassen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlih bayerischer Ministerial-Rath Heller und Königlich sächsischer Géheimer Regierungs-Rath Vodel sind von hier abgereist.

Der Präses der General-Ordens-Kommission, General der Kavallerie von Ra uh, General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, hat sich mit fünfwöchentlichem Urlaub nach der Schweiz begeben.

In der Ersten Beilage des „Reihs- und Staats- Anzeigers“ befinden sich „Mittheilungen über den gegen- wärtigen Stand der Saaten und die Ernte-Aussichten in der preußishen Monarchie“, E ein „Bericht über die Thätig- keit der Geologischen Landesanstalt im Jahre 1888“,

__— S. M. Kbt.-, A Kommandant Kapitän- Lieutenant Zeye, ist am 8. Juli in Kapstadt“eingetroffen und beabsichtigt, am 9. August cr. wieder in See zu gehen.

Württemberg. Stuttgart, 6. Juli. Die am 6. d. M,

ausgegebene Nummer des „Regierungsblatts für das König- reich Württemberg“ enthält das Finanzges eh für die Finanz-

wahlen. Der Abg. Klaus berihtete über die Anfehtung der R E für den Landbezirk Heilbronn. Hier ijt der Gemeinde-Rath Wagner von Großgartah mit 2085 von 3860 abgegebenen Stimmen gewählt worden. Der Einspruh wu1de damit begründet, daß der Gegenkandidat Dr. Lipp durch Verschulden der zuständigen Behörden erst am Tage vor der Wahl in den Vesiß der Urkunde über die Ertheilung des württembergishen Staatsbürgerrechts gekommen sei, ferner wurden Wahlbeeinflussungen von Seiten mehrerer Schultheißen behauptet und soll durch Spenden von Cigarren, Bier und Wein die Wahlfreiheit verlegt worden sein. Der einstimmige Antrag der Legitimationskommission geht auf Ucbergang zur Tages- ordnung bezüglich der angefochtenen Wahl. Der Abg. von Bocks hammer wünschte gegenüber den Anfeindungen und Beschuldigungen, welche von gewisser Seite gegenüber den Gemeinde- und Staatsbeamten fortwährend verbreitet würden, klargestellt zu sehen, daß es ein Reht der Beamten sei, sih außeramtlih am politischen Leben zu betheiligen. Es liege im Jnteresse des Staats, daß nicht dur den Terrorismus der Volkspartei und ihrer Presse die Beamten so eingeshüchtert würden, daß sie sih vom politischen Leben zurückzögen. Sonst kämen die radikalsten Elemente, die demagogishen Streber allein noch zum Wort in der Volksvertretung. Der Abg. Hauß- mann erkannte an, daß die Beamten von ihren bürgerlichen Rechten Gebrauh machen dürften, aber es sei nothwendig, daß sie dabei genau die Grenzen der Unparteilichkeit einbielten und nicht den Einfluß, den ihnen ihr Amt gebe, gebrauchten, um für politishe Ansichten Propaganda zu machen. Da diese Grenzen s\{hwer zu finden seien, sollten sie sich lieber eine Reserve auferlegen, als \ich in die Wahl mischen; die Stellung des Beamten leide andernfalls Noth. Der Redner führte einige Fälle von Beeinflussungen durch Beamte an, insbesondere einen Brief des früheren Ober - Amtmanns von 00 4 Der Staats- Minister des Jnnern, von Schmid, stellte als Grundsaß und politishe Maxime der Regierung fest, daß sie wünsche, daß bei den Wahlen die Willensmeinung des Volks in thun- lihster Reinheit zum Ausdruck gelange, und daß sie es als ihre Aufgabe betrachte, zu verhindern, daß von irgend einer Seite eine amtliche Beeinflussung der Wahl sich vollziehe. Aber das werde man zugestehen müssen, daß der Beamte nicht bloß der ideal passive Zuschauer bei den Wahlen sein solle, sondern daß er an seinem Theil auch Rechte, wie Pflichten, niht etwa bloß der Regierung, son- dern auch dem Staatswesen und seiner gedeihlihen Entwicke- lung gegenüber habe. Der Minister wies sodann nah, daß Dr, Lipp selbst Schuld daran trage, wenn seine Auf- nahme in das württembergishe Staatsbürgerreht so spät erfolgt sei. Was das Schreiben des Ober- Amtmanns von Künzelsau betreffe, so habe dieser Ober - Amt- mann mit seinem Schreiben die ihm gezogenen Grenzen überschritten, allein die Regierung sei für dieses Schreiben in keiner Weise verantwortlich. Schließlih kam der Minister auf die eigenthümliche Erscheinung zu sprechen, daß in ein- elnen Bezirken, insbesondere auh im Amt Heilbronn, die emokratie mit der Sozialdemokratie sich verbunden habe. Der Kommissionsantü wurde hierauf angenommen. Ueber” die angefohtene Wahl für den Ober-Amtsbezirk Eßlingen berichtete der Abg. Sachs. Derselbe beantragte, über die Anfechtung zur Tagesordnung überzugehen, welcher Antrag auch angenommen wurde. Bezüglich der angefohtenen Wahlen für Backnang und Neuenburg wurde gleichfalls zur Tagesordnung übergegangen, mit dem Antrage, die Regierung zu ersuchen, über die behaupteten Ordnungswidrigkeiten Er- hebungen zu machen. Bei der Wahl für den Ober-Amts- bezirk Göppingen war die Anfechtung darauf gegründet, daß die Wahlzettel des Gewählten ein äußeres Kennzeichen, einen Falz, getragen hätten. Der Antrag der Kommissionsmehrheit ging auf Uebergang zur Tagesordnung, da durch die gemachten Erhebungen der Beweis erbracht sei, daß der Falz auf einem Theil der Wahlzetlel aus zufälligen, zunächst niht beachteten Umständen beim Zershneiden der Wahlzettel entstanden fei. Der Kommissionsantrag wurde mit 63 gegen 15 Stimmen angenommen.

Jn der Sißung vom 19. Juni wurde auf Btirag der Kommission über die gegen die Wahl für den Ober-Amtsbezirk Weinsberg erhobenen Einwendungen zur Tagesordnung üdber- gegangen und die von Wählern des genannten Bezirks vor- getragene Bitte um Wiedereinführung von Wahlcouväts der staatsrechtlihen Kommission überwiesen. Der Abg. Pr obst und 21 Genossen stellten den Antrag, die Regierung um Einbrin- gung eines Geseßentwurfs, nah welchem die Entscheidung über die Gültigkeit der Abgeordnetenwahlen der Abgeordneten- kammer anheimgegeben werden solle, und um Verweisung dieses Antrages an die staatsrechtlihe Kommission zu bitten. Der leßtere Antrag wurde angenommen. An Nachtrags- forderungen zum G sind eingebracht und wurden genehmigt 255 M für Herstellung einer unterirdishen Telegraphenleitung von Stuttgart an die württembergisch - badishe Landesgrenze bei Q: 200000 /& Beiträge an Gemeinden zu chullehrer- gehalten und Schulhausbauten; 80000 A zu Fortseßung der Bohrversuhe auf Steinkohlen bei Sulz; 13600 für Verbesserungsbauten an den ständishen Gebäuden; 311 874 M Mehrbedarf für den Matritularbeitrag; 24 562 M für Erhöhung der Alterszulagen der Volksschullehrer. Dagegen wurde von einer Forderung von 23400 # für Arbeits- aushülfe bei den Kameralämtern, entgegen dem auf Bewilligung gehenden Kommissionsantrag, bei namentliher Abstimmung A gegen 33 Stimmen nur der Betrag von 6000 H

ewilligt.

Vaden. Karlsruhe, 7. Juli. (Allg. Zt.) Se. Königliche Es der Großherzog begab si gestern früh mit dem

inanz-Minister und dem General-Direktor der Eisenbahnen Über Tedihurg, wo der Erbgroßherzog den Reisenden sich anschloß, nah Zell im Wiesenthal, um der Eröffnung der Bahnstree Zell—Schönau—Todtnau beizu- wohnen. Abends fuhr Se. Königlihe Hoheit nah Schopf- heim zurück, wo Höchstderselbe heute der Einweihung der trie evangelischen Kirche beiwohnte und dann hierher zurüd- ehrte.

Sachsen-Meiningen. Meiningen, 7. Juli. (Magdb.

Ztg.) Se. Hoheit der Herzog traf heute aus der Schwei dier wieder ein und begab sich nach Liebenstein. S

(Y.) Die Abgeordnetenkammer verhandelte in der Sißung vom 18. Juni über beanstandete Abgeordneten-

Großbritannien und Jrland. London, 8. Juli. (Allg. Corr.) Der Schah begah fich gestern Nachmittag zu einem Besuch des Marquis von Salisbury nah Hatfield. Jn den nächsten Tagen wird der Schah noch einigen Peers Besuhe abstatten und dann nach Birmingham, Sheffield, Liverpool und Manchester gehen, von wo er nach Paris abzureisen gedenkt. Der persishe Premier-Minister, Amin-us-Sultan, erschien gestern in Marlborough House und überreihte dem Prinzen von Wales Namens des Schahs den Kaiserlihen Akdas- Orden und den Prinzen Albert Victor und George von Wales die Jnsignien des persishen Timsul Humaiom- Ordens mit dem Bildniß des Schahs.

(W. T. B.) Nah hier eingetroffenen amtlichen Mel- dungen aus Kairo wird die Streitmacht der Derwischhe von Oberst Woodhouse auf 5000 Mann mit 300 Kameelen veranschlagt; die egyptishen Streitkräfte seien nicht stark ge- nug, um die Derwische anzugreifen. Oberst Woodhouse folgt denjelben in Dampfern und empfiehlt, eine starke Streitmat in Affsuan zusammenzubringen. Die erforderlihen Vor- bereitungen hierzu seien bereits im Gange.

Frankreich. Paris, 8. Juli. (W. T. B.) Der Marine-Minister K ranz hat sih damit einverstanden erklärt, daß die Berathung der Jnterp ellation de Lanessan's über den ungenügenden Zustand des Marine-Materials m o r- gen stattfinde.

E Senat ist der allgemeine Bericht über das Budget vorgelegt.

Vor dem Assisen- Gerichtshofe der Seine wurde heute gegen die Journale „Juntransigeant“ und „La Presse“ wegen verleumderischer Beleidigung des General- Prokurators Beaurepaire verhandelt; der: verantwortliche Peer des „Jntransigeant“ wurde zu einem Monat

efänaniß, 1000 Fr. Geldbuße und zu einer Entschädigung von 2000 Fr. verurtheilt, dem Drucker der „Presse“ wurden 300 Fr. Geldbuße und 1000 Fr. Entschädigung auferlegt.

9, Juli. (W. T. B.) Jm Departement Dordogne

haben am Sonntag und Montag anläßlich einer von

aguerre und Déroulède dahin unternommenen Reise Seitens der Anhänger wie Seitens der Gegner derselben öffentlihe Kundgebungen stattgefunden; in Nontron kam es zwischen den Boulangisten und den Anti- boulangisten zu stürmischen Austritten.

Jtalien. Nom, 8. Juli. (W. T. B) Jn der Deputirtenkammer bemerkte der Minister-Präsident Crispîi bei der Beantwortung der von Cavallotti am 4. d. M. eingebrahten Fnterpellation, er habe in Folge der Meinungsverschiedenheiten in der Affaire von Gabez (Tunis) eine Untersuhung angeordnet, welche jedoch ebensowenig, wie die von dem fran- zösishen Vertreter angeordnete bis ¿eut beendigt sei. Zn Betreff des in den istrishen Gewässern vorge- kommenen Zwischenfall s erklärte Crispi, daß der öster- reichishe Schiffskommandant, welcher übrigens in die Lust und nicht auf das italienishe Schiff „Jda“ geschossen habe, seines Postens enthoben worden sei. Die Verhaftung der beiden Bürger, von denen der eine nicht italienisher Nationalität, der andere ein Deserteur, sei vollkommen gefeplic, ebenso seien au die gegen Ausflügler in Triest und in Riva und Trento da gelegent- undgebungen vorgekommen wären. Die Erklärungen des österreihishen Ministers des Aeußern, Grafen Kälnoky, in den Delegationen seien würdig, klug und weise; Cavallotti selbst hätte in der Le Kálnoky’'s N anders sprechen können, denn Würde und Klugheit er- heishten die Aufrehterhaltung der Bündnisse. Der Minister- Präsident erklärte sodann noch hinsichtlich des Katholiken- kongresses, derselbe habe ohne Betheiligung der öster- reihishen Regierung stattgefunden, und verwies in dieser Be- ziehung auf die Erklärungen des Gráfen Taaffe gelegentlich der Beantwortung einer Jnterpellation, worin derselbe die Aufrechterhaltung der Freundschaft mit Jtalien als Haupt- zweck bezeichnete. Cavallotti erklärte, von der Antwort des Ministers nicht befriedigt zu sein, stellte jedo keinen Antrag. gere beshloß die Kammer die Vertagung bis zum

erbst.

Türkei. Konstantinopel, 8. Juli. (W. T. B.) (Telegramm des „Reuter'shen Bureaus“.) Nachdem der türkishe Spszialbevollmächtigte auf Creta, Mahmud, die Forderungen der unzufriedenen Partei abge- p lagen, haben die Bauern in den westlihen Distrikten die Auszahlung des Zehnten verweigert. Die Truppen und die Gendarmerie, welche bei der Einsammlung des Zehnten helfen sollten, haben sih, um Blutvergießen zu vermeiden, vor der Bevölkerung zurückziehen müssen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 8. Juli. (W. T. B.) Der Advokat Stang (Rechte) erhielt heute den Austrag, ein neues Ministerium zu bilden.

ergriffenen Maßregeln gerechtfertigt, lih des Ausfluges irredentistische g

Zeitungsstimmen.

Die Sozialdemokraten betrahten bekanntlih das Sparen des Arbeiters als einen volkswirthschaftlihen Fehler. Dem- gegenüber bemerkt die von Dr. Victor Böhmert herausgegebene Ï O : _ yDie besten Waffen gegen derartige Lehren sind Hinweise auf solche Fabriken, deren Arbeiter alle ohne Ausnahme sparen und ih freiwillig cinen Zwang zum Sparen auferlegt haben. Bei David Peters in Neviges z. B. ift der Sparzwang auch für Erwachsene durch einstimmigen Beschluß der Arbeitervertretung eingeführt; mehrere Male hatten die Arbeiter eine allgemeine Abstimmung über die Frage der Fortdauer dieses Zwanges : sie erklärten sh einstimmig dafür. Ihre GCrfahrung muß ihnen wohl gekehrt haben, daß das Sparen kein Fehler ift.

Ein anderes Beispiel gewährt uns der eben erschienene 25. Rechen- \aftsberiht des Spar-, Konsum- und Bauvereins der Fabrikgenossen- {aft von P. C. Turck Wwe. in Lüderscheid. Die Mitglieder dieses Vereins, welche sich freiwillig verpflihten, mindestens 5 9/ ihres Lohnes zu an find von 93 î. J. 1864 auf 649 angewachsen, deren Guthaben betrug am 1. Januar 1889 eins{ließlich Dividenden und Prämien 192 690 # So haben z. B. 8 Wittwen Guthaben zwischen 728 und 1704 4, 6 Jungfrauen zwisben 538 und 763 4, 4 Jüng- linge zwischen 951 und 1547 4, 5 Mädchen konnten zu ihrer Hocbzeit zwischen 200 und 450 # Sparkapital erheben; ein Mitglied sparte N 130 M, ein zweites 156, ein drittes 165, ein viertes gar Wenn die sozialistishen Lehrer die Sparsamkeit aus eigener

periode vom 1. April 1889 bis 31. März 1891.

Praxis ebenso gut kennten, wie, diese Arbeiter, so würden sie anders darüber schreiben. Oder was noch wahrsceinliher ist, \sie würden

e Sozialdemokraten mehr sein, nicht mehr in Phantasiegebilden e cth was in der gegenwärtigen Welt bereits zu finden ift. Bluntschli sagt: „Eine Spareinlage ift ein Damm gegen kfummunistisde Ge- luste. Keiner der nah Schluß der Pariser Nationalwerkstätten gefangenen und gefallenen Arbeiter hatte ein Sparbuch.“

Der „Düsseldorfer Anzeiger“ wirft aus Anlaß des Zustandekommens des Jnvaliditäts- und Altersversicherungs- Gesezes einen Rückblick auf die zehn Jahre Sozial- politik, welche nunmehr hinter uns liegen. Einleitend schreibt er in einem ersten Artikel : E

„Den Ausgangspunkt unserer Sozialpolitik bildet das Jahr 1878. Die sozialistishe Bewegung hatte damals so weit um sih gegriffen, batte einen so bohen Grad erreiht, daß die preußishe Regierung ch zu geseßgeberishen Maßnahmen geaen den gemeingefährlichen Charakter dieser Bestrebungen genöthigt sah. Bei den hierauf ge- rihteten Erwägungen bra si zugleih die Erkenntniß Babn, daß die Repression allein keine genügende Abhülfe darstellen könne, sondern daß die leßtere rorzugêweise auf dem Gebiet positiven Schaffens zu suchen sei. Die Mordversuhe gegen den Hochseligen Kaiser Wilhelm bezeichneten den Höhepunkt jener Bewegung. Sie öffneten der Nation die Augen und ließen sie in den Abgrund blicken, an defsen Rand man gelangt war. Ward daher einerseits das Verlangen allgemein , die bedrohte Gesells(aftsordnung mit hinreihendem Schußt gegen die ihr nahenden Gefahren umgeben zu sehen, so gewann andererseits die Ueberzeugung mehr und mehr Boden, daß eine Aussöhnung der entstandenen Gegen- säße angestrebt werden und auf eine Ausfüllung der Kluft Bedacht genommen werden müsse, die zwishen Besißenden und Besißlosen, zwishen Arbeitern und Arbeitgebern fi geöffnet hatte. Dies konnte nur dadurch bewirkt werden, daß eine Hauptquelle der Armuth und Verarmung, die Erwerbslosigkeit, verstopft wurde.“

Weiter wird auf die dasselbe 0 verfolgenden Versuche einer weiteren Ausgestaltung des Hastpflichtgeseßes hingewiesen und dann bemerkt : :

„Aber diese Anläufe erwiesen \sich bald als aussihtslos. Auf dem gewöhnlihen Rehtswege war eine so große Ausgabe wie die, welcher Staat und Gesellschaft sh gegenüber gestellt sahen, nit zu lösen: es war vielmehr ein neues soziales Recht zu schaffen, welches einen allgemeinen Versiherungszwanag bes gründete und das Prinzip der öffentlih-rechtlickchen Versicherung als wirksamstes Vorbeugungs8mittel gegen die Erwerbslosigkeit einführte. Es war damit ein neuer Kreis von Rechten und Pflichten eröffnet, der die gesammten arbeitenden Klassen der Nation in seinen Rahmen eins chloß. Im März 1881 gelangte die erste derartige Vorlage an den Reichstag, welche den Wohlfahrtszw e ckdes Staats den bisherigen Staatszwecken einreihte und auf den ihm gebührenden Play erhob. Die damalige Vorlage, welbe eine Reihs-Versicherungsanstalt und einen Reichs» zushuß einführen wollte, ward vom Reichstage zwar in einer Form angerommen, welche die Zustimmung des Bundesraths nicht finden fonnte, aber immerhin war über den Grundsaß des Versicherungs- zwangs volle Uebereinstimmung erzielt und damit die wesentlicste Grundlage der ganzen Gesetzgebung, die Erseßung der Haftpflicht durch öffentlich-rehtlihe Versicherung, sichergestellt. Dem nächsten Reichs- tage, im November desselben Jahres, ging dann die Kaiserliche Botscbaft

zu, welhe einen Markstein in der Entwickelung niht nur des Deutschen Reis, sondern der gesammten Kulturarbeit unserer Zeit bezeichnet und als einer der hellsten Sterne im Ruhmeskranze unseres Königs- bauses durch die Jahrhunderte leuchten wird. In Erfüllung diefer Botschaft ward dem Reichstage ein Unfallversicherungsgeseß und ein Krankenversiherungsgeseh vorgelegt. Der Reichstag ging nur langsam an die so folgenschwere Arbeit, welche durch das Ueberwiegen oppositioneller Elemente nicht unerheblich verzögert wurde. Erst am 15. April 1883 konnte das Krankenversicherung®- gese verkündet werden, welches in den 6 Jahren seines Bestehens sh fo eingelebt hat, daß, wie noch fkürzlih ein Redner im Reichs- tage hervorgehoben, heute Niemand es entbehren möchte. Die Er- ledigung des Unfallversiherungsgeseßes wurde von dem greisen Kaiser durch eine besondere Botschaft an den Reichstag vom 14, April 1883 dem legteren nobmals nachdrüdlich an das Herz gelegt, doch entschloß die Regierung sich zu einer erneuten Um- arbeitung der Vorlage, welde im März 1884 vorgelegt wurde und am 11, Juni 1884 als Geseyz verkündet werden

fonnte. Aber mit der \ckchwierigen Gesehgebungsarbeit war es nicht -

gethan. An dieselbe {loß sch die fast noh s{chwierigere Ausführungs- und Organisationtarbeit, dur welche den Arbeitern die Wohlthaten namentlich der Unfallversiherung zugewendet werden konnten, „sie machte eine Reihe weiterer Geseße und Ausfährungêverordnungen er- forderlich.“ Z Ueber den Einfluß der deutschen sozialpolitishen Gesepgebung auf andere Staaten schreibt die „Kölnische eitung“: 4 S dem unabweisbaren Einfluß der sozialpolitishen Geseß- gebung des Deutschen Reichs beginnt auch in den nichtdeutschen Staaten die Erkenntniß durhzudringen, daß der Staat berechtigt sei, zu wirtb\{aftlihen Zwecken von seiner Zwangsgewalt Gebrauch zu men, Die französishen Kammern haben in den leßten Tagen einem Geseßentwurf ihre E gegeben, welher die Kranken- und Altersversiherung der in rgwerken beschäftigten Arbeiter von dem Standpunkt des Versicherungs- ¡zwangs aus durhführt. Für ein Land, in welchem die Abneigung gegen die staatlihe Regelung der wirth\{aftlichen Verhältnisse noch so groß ist wie in Frankrei, dessen tonaugebende Wirthschafts- politiker sich noch immer in den ausgefahrenen Geleisen der Lehre von dem freien Wettbewerb der Kräfte bewegen, ift diese erste An- erkennung des Zwangs als Erziehungsmittels ein sehr bedeutsamer Vorgang, der mit Nothwendigkeit srüher oder spätec zu weiteren Maßregeln dieses Inhalts führen wird und muß. Man hat si auch in der französishen Kammer grundsäßlih gegen die Berechti- gung des Versicherungszwangs erklärt und vor den bedenklichen Folgen gewarnt, die hieraus entstehen würden. Allein die Stimme dieser Prediger des „freien Spiels der Kräfte“ verhallte ungehört und die Mehrheit der Abgeordneten stimmte der Einführung des Versicherungszwangs zu. Bekanntlich ist auch in England in den leßten Jahren die grundsäßzlihe Abneigung gegen den Zwang sehr merklich in den Hintergrund getreten. Wenn aber in den beiden Staaten, die man mit Fug und Recht noch heute als die Hoch- burgen der Manefterlehre bezeihnen kann, der Grundgedanke, auf welchem die deutsche sozialpolitishe Geseßgebung beruht, mehr und mehr Beifall findet, wenn ih die öffentlihe Meinung und die Ge- seßgebung mit ihm zu befreunden beginnt, fo darf dies wohl als ein ¡war niht nothwendiger, aber doch immerhin nit zu verwerfender Beweis für die Richtigkeit und Nüglichkeit derselben angesehen werden, Dem winzigen, je länger je stärker zusammenshmelzeuden Pausteit der Feinde des Versicherung8zwangs in Deutschland, die in uhtönenden Worten von einem „logishen Nihilismus* und ähn- lihen Dingen \prehen, sollten diese Vorgänge in Frankreich do wohl zu denken geben !*

Statistische Nachrichten.

Sterblichkeits- und Gesundheitsverhältnisse.

Gemäß den Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesund- heitsamts sind in der Zeit vom 23. bis 29. Juni cr. von je ‘1000 Einwohnern, auf den Jahresdurchsnitt berehnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 32,8, in Breslau 34,3, in Königs- erg 35,4, in Köln 43,0, in Frankfurt a. M. 26,1, in Wiesbaden 19,3, in Hannover 26,0, in Kassel 25,9, in Magdeburg 52,1, in Stettin 44,5, in Altona 22,2, in Straßburg 20,8, in Me 23,7, in Münten 28,7, in Nürnberg 85,9, in Augsburg 32,3, in Dresden 25,6, in Leipzig 29,8, in Stuttgart 18,7, in Karlsruhe 22,7, in Braun- {weig 27,0, in Hamburg 27,1, in Wien 23,6, in Pest 28,8, in rag 24,8, in Triest 18,4, in Krakau 32,5, în Amsterdam 25,2, in rüfsel 21,0, in Paris 20,2, in Basel —, in London 15,2, in

Glasgow 21,6, in Liverpool 20,5, in Dublin 23,2, in Edinburg 14,3, in Kopenhagen 21,7, in Stocktholm 21,0, in Chriftiania 32,0, in St. Petersburg 29,5, in Warschau 37,3, in Odessa 26,9, in Rom —, in Turin —, in Venedig 26,0, in Alexandria —. Ferner in der Zeit vom 2. bis 8. Juni cr. in New-York 23,2, in Dptaetvta 19,4, in Baltimore 14,0, in Kalkutta 25,1, in Bombay 9, in Madras 48,5. ; s Die Sterblichkeitsverbältnisse blieben auch in dieser Berihtswoche in den meisten Großstädten Europas, namentlich in den deutschen, keine günstigen, wenn auch in einer Anzahl der leßterin ‘(wie _in Berlin, München, Breslau, Königsberg, Danzig, Braunschweig u. a. D.) die Sterblichkeit etwas kleiner als in der Vorwoche wurde. Einer sehr geringen Sterblichkeit (bis 15,0 pr. M.) erfreuten s nur Lübeck, Mainz und Edinburg. Günstig (bis 20,0 pr. M.) war die Sterb- liGfkeit in Wiesbaden, Stuttgart, Bremen, Triest, London. Auch in Altona, Karlsruhe, Straßburg, Brüfsel , Paris, Kopenhagen, Stock- bolm, Glasgow, Liverpool war die Sterblichkeit eine mäßig bohe (etwas über 20,0 pro Mille). Aus Köln, Königsberg, Magdeburg, Stettin, Nürnberg, d Charlottenburg, Potédam, Halle wurden von den deutshen Städten sehr bobe (über 35,0 pro Mille) Sterblich- keitsziffern berihtet. Die hohe Sterblichkeit wurde auch in dieser Wotdbe durch die zahlreihen Todesfälle an Darm- fatarrken und Brechdurhfällen hervorgerufen, wele, wenn sie au in einigen Städten (wie in Berlin, Breélau, Königsberg, Straßbrrg) abzunehmen beginnen, doch noch immer faft in allen größeren Orten, außer den bereits genannten, in Köln, Magde- burg, München, Hamburg, Dresden, Leipig, Stettin. Brauns&weig, Wien, St. Petersburg, Warschau, London, Paris u. a. ungemein zahlreihe Opfer dahinrafften. Der Antheil des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb ein hoher, doch wurde er in Berlin und Münthen ein kleinerer. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 207, in München 131 Säuglinge. Dagegen führten akute Entzündungen der Äthmung8organe feltener zum Tode. Von den Infektionskrankheiten gelangten Todesfälle an Keucbusten, Unterleibstyphus und Podcken häufiger, an Masern, Starlach und Diphtherie weniger zur Mittheilung. So haben Todcsfälle an Masern in Breslau, Frankfurt a. M,, München, Nürnberg, Wien abgenommen, während sie aus Köln, Paris, London, St. Petersburg etwas häufiger zur Anzeige kamen; au neue Erkrankungen wurden aus Breélau, Wien, St. Petersburg und aus bem Regierungsbezirk Düsseldorf in geringerer, aus Pest und Christiania in etwas gesteigerter Zahl berichtet. Das Séarlachfieber wurde in Königsberg und St. Petersburg häufiger, in London seltener Todesursade. Erkrankungen kamen aus Berlin, Wien, Kopenhacen etwas zahlrei@er, aus St. Petersburg felterer, aus Hamburg und Edinburg in _ fast gleiher Zahl wie in der Vorwoche zur Berichterstattung. Die Sterblichkeit an Diphtberie und Croup war in Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Wien, Pest und St. Petersburg eine etwas gesteigerte, dagegen in Breslau, Königsberg, Magdeburg, Hannover, Stettin, Braunschweig, Kopen- hagen, London eine verminderte, in Paris fast die glei hohe, wie in der Vorwoche. Erkrankungen wurden aber aus Berlin, Breslau, Hamburg, Nürnberg, dem Regierungsbezirk Schleëwig, Pest und St. Petersburg in größerer, aus Kopenhagen in wenig gegen die Vorwoche verminderter Zahl gemeldet. Sterbefälle an Unter- leibstyphus waren in London, Paris und St. Peters- burg gesteigert, auch neue Erkrankungen wurden aus Berlin und Pest in größirer, aus St. Petersburg in etwas verminderter Zahl zur Anzeige g¿braht. An Flecktyphus kamen aus Danzig, Warschau je 1, aus St, Petersburg und Odessa je 2 Todesfälle, aus Edinburg und St Petersburg auch je 1 Erkrankung zur Mittheilung. Epidemische Genickstarre veranlaßte in Breslau 1 Todesfall, im Reg.- Bezirk Aurich eine Erkrankung. Der Keuchhusten forderte in Berlin und St. Petersburg weniger, in London, Liverpool, Paris mehr Opfer. Vereinzelte Todesfälle an Po cken kamen aus Berlin, Wien und seinen Vororten, aus Brünn, Lemberg, Lyon, mehrfache aus St. Petersburg, Prag, Venedia und Warschau zur Anzeige; Erkrankungen aus Breslau 1, aus Berlin 2, aus Wien 3, aus Pest 4. Der Gesurdhcits;ustand in Berlin war au in dieser Berichts- woche kein günstiger und die Sterblichkeit eine hohe, wenn auch eine gegen die leßten Vorwochen verminderte. Noch immer war die Zahl der zum Vorschein kommenden uud tödtlih endenden Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder eine bedeutende, wenn avch die Zahl der Sterbefälle von 679 der Vorwoche auf 408 zurüdtgirg. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkcit blieb eine hohe, wenngleich auch sie erheblih geringer war, als in den Vorwohen. Akute Entzündungen der Athmungsorgane riefen weniger Erkrankungen hervor. Unter den Infektionskrankheiten haben Masern, Scharlach, Diphtherie und typhöse Fieber etwas mehr Erkrankungen als in der Vorwoche veranlaßt, doch kamen sie in keinem Stadttheile in nennenswerther Zahl zum Vorschein, nur die Diphtherie zeigte si in der jenseitigen Luisenstadt und in Moabit häufiger. Rosenartige Ent- zündungen des Zellgewebes der Haut veranlaßten etwas mehr Er- krankungen ; Erkranfungen im Wochenbett kamen nur wenige zur An- zeige; dagegen wurden 2 Erkrankungen und 1 Todesfall an Pocken gemeldet. Das Vorkommen von Keuchhusten blieb ein beschränktes, der Verlauf überwiegend ein milder. Rheumatische Beschwerden aller Art zeigten gegen die Vorwoche keine wesentliche Veränderung.

Kunft und Wissenschaft.

Gegenwärtig ist das von dem Münchener Künstler v. Miller angefertigte Modell zu dem auf der Esplanate in Met zu errichtenden Denkmal für Kaiser Wilhelm T in einem Saale des Vezirképräsidiums zur allgemeinen Ansicht aufgestellt. Das mit allem Zuhebör an 1,50 m hohe Model! zeigt, auf kräftig auëschreitendem Pferde mit starker Mähne und langem Slckweife, die verehrte Gestalt weiland unseres Kaisers in späteren Lebensjahren, do in voller Rüstigkeit, mit dem vorne offenen Feldmantel bekleidet, zur Uniform die Pickelhaube auf dem Haupte, leßteres etwas nach links gerichtet, der rechte Arm mit der halbgeöffneten Hand ausgestreckt nach der Ferne weisend, keine gebieterische oder herrische, sondern eine unge- mein freie und natürliche Bewegung, wie die der ganzen Kaiserlichen Gestalt. Alles Einzelne bei \sprechend ähnlihen Gesichtszügen ist meisterhaft aearbeitet und durchgeführt, namentlich ist auch dem Falten- wurf des Mantels, von rückwärts gesehen, eine der Körperform folgende, ganz vortrefflihe Form gegeben. Das in abgerundeten

ormen erscheinende Piedestal des Erzbildes, für die Aus- ührung in auserlesenem Gestein p denken, wird auf der Vorderseite durch zwei Knabengestalten (in antiker Wapp- nung) sehr angemessen verziert, welhe über cinem sehr s{chön wirkenden Renaissance-Wappenschilde die Kaiserkrone halten, auf dem Schilde die Inschrift „Wilhelm 1.* Die entsprehende Rückseite ist der Widmungsinschrift vorbehalten. Dazu find an den Längösseiten des Sodels links und rechts in länglih viereckigen Rahmen Relief- Gußbilder Vorle! der „Kronprinz“ (Kaiser Friedrich III.) bei seinem leßten Besuch in eß), Volksscene auf dem Kaiser- Wilhelm - Play 1886), und zweitens Prinz Friedrich Carl zu Pletve an der Spiße seiner Truppen zum Angrif} vorgehend. ie Ausführung des Modells, das hier emel Anklang findet, erfordert einen Kostenauswand von 150 000 A Bis jeßt haben die Sammlungen bereits gegen 120 000 M ergeben. 7

In Sparta, unweit des alten Amyklai, hat nah der „Berl. Phil. Wochenschr.“ der griehishe Gelehrte Tsonntas ein altes Gra b aufgedeckt, das ungewöhnlich reihe Ernte son geliefert hat und noch weiter verheißt. Das Grab bestand, ähnlich wie das Grab bei Mykenai, welhes unter dem Namen „Scchaßhaus des Atreus* bekannt ift, aus einem dur Ueberragen der ein- zelnen Steine gebildeten bienenkorbförmigen unterirdischen Kuppelbau , zu * dessen Eingang ein langer, gleicfalls ge- mauerter Gang, Dromos genannt, führte. Diesen Gang hat Tfonntas bereits aufgededt und er ist in das Kuppelgrab vor- gedrungen, dessen Wölbung zwar eingestürzt sein, dessen Jnhalt

bisßer ausgegrabenen Denkmälern seiner Art zu sein, was mit der Vermuthung Otfried Müller's zusammenpaßt, daß hier ein achâishes Fürstengrab vorliegt (bekanntlid saßen vor dem Ein- dringen der Dorier in den Peloponnes überall Achäer dort; das Königsgeschlecht der in Sparta wohnenden Achäer hatte seinen Si in Amyklai). Die großen Gräber von Myfkenati werden freilich mindestens eben so reib gewesen sein, allein den gol- denen Inhalt des größten bat Veli Pascha, der glückliche Finder, ein- \chmelzen lassen, und die Steindenkmale bat er nach England an Lord North verkauft. Tsonntas fand im Innern des Grabes gleich in den ersten Tagen zwei goldene Beer mit Reliefs, gegen 30 geschnittene Steine, einige Amethyste, drei goldene Ringe, Schwerter, Messer, eine Art und verschiedene kleine Gegenstände. Die Schalen follen allein mebr als 400 g Goldgewiht baben. Man kann auf weitere Nachrichten sehr gespannt sein. : ; Ueber neue Ausgrabungen in Eleusis schreibt im leßten Heft der „Athenishen Mittheilungen“ der erfte Sekretär vom Arcäologischea Institut in Athen, Dr. Dörpfeld: „Nachdem die ältere griehische Grenzmauer des heiligen Bezirks (aus ungebrannten Lehmziegeln auf einem Fundament und Sockel von Kalkstein bestehend) aufgedeck war, galt es, zu untersuhen, ob noch Reste eines griechisGen Thores erhalten seien. In der That fanden si bei Tiefgrabungen unter dem römischen, von Appius Clau- dius Pulcher errihteten Propylon noch wohlerhaltene Reste eines großen Thurmes, welcher den älteren, nit als Practthor, sondern als Festungsthor ausgebildeten Eingang zum heiligen Bezirk flankirte. Außerhalb der großen Propyläen wurde ein sehr geräumiger, mit Steinplatten geprflasterter Vorhof aufgefunden, von dem vorläufig nur ein Theil aufgedeckt werden konnte. An der Grenze dieses Vorhofes \tehen einander gegenüber die Reste zweier Triumphbogen, welche die Gesammtheit der Griehen dem Kaiser und den beiden Göttinnen geweiht hatte. Es befindet \ich neben dem östlichen dieser Triumphbogen ein Wasserbehälter, welcher mit einer größeren Anzabl von Ausgüssen und entsprechenden Wafser- becken versehen war. Diese Anlage erinnert lebhaft an ähnliche Einribtungen in den Vorhöfen der modernen türkischen Moscheen. Die alten eleusinischen Mysten werden ch wohl in ährlicher Weise wie die Türken einer Waschung haben unterziehen müssen, bevor sie das Heilig- thum betreten durften. In der Mitte des Vorhofes liegen die längst bekannten Fundamente eines Tempels der Artemis Propylaia. cküd- westlich von den großen Propyläen fanden sich wohlerhaltene Reste von Privatwohnungen mit interessanten Wandmalereien aus römischer Zeit. Bei den Ti-fergrabungen im \üdliGen Theil des Bezirks wurden mehrere schr alte Mauern aufgedeckt. Außerdem ergab ih, daß: dieser ganze Theil, welcher das Buleuterion und ene Sâulenhalle enthielt, ursprünglih niht zum Bezirk gehörte. Leßterer {loß vielmehr im Süden {hon mit dem mittleren der drei runden Thürme an der Ostmauer ab. Die Erweiterung des Bezirks und die Erbauung des dritten, südlihen Rundthurmes, sowie der anstoßenden Festungsmauer fällt aber noch in griechische Zeit, vielleicht ins vierte Jahrhundert. Schließlih wurde noh außer- halb des heiligen Bezirks bei der Kapelle des heiligen Zacharias ge- graben, wo man seit der Auffindung des berühmten eleusinishen Reliefs einen Tempel: des Triptolemus anzuseßen pflegte. Anstatt eines alten Tempels kamen nur geringe Reste cines römischen Privathauses und die Fundamente einer großen byzantinischen -Kirhe ans Licht. Als Fuß- boden dieser Kirhe hat das bekannte Relief mit vielen anderen Marmorplatten gedient. Es wird aus dem heiligen Bezirk dorthin versbleppt worden fein. Die Anseßung des Triptolemuêtempels bei der Zacharioskapelle ist demnach unrichtig. R S Eine Ausstellung von Alphabeten wird in nähfter Zeit im Londoner British Museum stattfinden, die den Ursprung und allmähli&e Entwickelung der verschiedenen Schreibsysteme nah- weisen soll, In einem großen Kasten sind in drei über einander liegenden Abtheilungen Gronologish die Alphabete geordnet. Zuerst die verschiedenen egyptiscen Schreibweisen, die hieroglyphische, die priesterlihe und die volksthümliche, diesen folgen die egyptish-phöni- zishen, welche beweiscy, wie von Egypten über Phönizien das Alphabet nach_ Griechenland gelangte; dann kommen hal- däishe urxd assyrishe, die Keilshrift der Perser und die verschiedenen Screibformen der Chinesen. In einer der lehte- ren ift eine Inschrift vorhanden, die 1400 v. Cbr. entstanden ift. Nun folgen die Alphabete der Srpracen, die aus dem Chinesischen her- geleitet sind, wie annamitisch, japanesisch u. f. w. Eines derselben, unter der Bezeichnung Niuchi bekannt, ist äußerst eigenthümlich und verdankt einem der Vorfahren der Manchu-Dynastie, die jeßt in China berrsht, scin Enistehen, ist jedoch ganz au®sgestorben. Alphabete vershiedener sfcmitisher Sprachen find dann zu seben, die umfassende Klasse indisher Handschriften, darunter die von Holländish - Oftindien, attis&e Systeme, eins{ließlich einer altgriehisden Inschrift, die aus dem Jahre 600 v. Chr. stammt. Lateinishe Schriftformen, unter denen fi der Ravenna- Papyrus und andere alte Schriftyroben befinden, runische und \chließ- lih koptishe : alle diese füllen die obersten beiten Abtheilungen des Kastens. In der unterslen befinden sih berühmte Beispiele für die vershiedenen Systeme, wie cine Wiedergabe des großen egyptishen Rituals „Das Buhh der Todten“, ein wahrcs „oeuvre de luxe“, das vor Kurzem in einem egyptishen Grabe gefunden wurde; eine Nbschrift von dem Rofetta-Stein, Inschriften von Sennaherib und Nebukadnezar in der priesterlidzen Schreibweise und viele andere.

Land- und Forstwirthschaft.

Im Regierungsbezi:k Marienwerder hat si die Lage der ländlichen Grundbesiger in der leßten Zeit keineswegs günstiger ge- staltet. Zwar haben die Landwirthe ihre Erzeugnisse zu höheren Preisen wie früher verwerthen können, dafür waren aber die geernteten Mengen geringer. Ein Symptom für den Rückgang der landwirth- \haftlihen Verhältnisse bildet die Thatsache, daß bei der Einkommen- steuerberanlagung für das Steuerjahr 1889/90 das auf das platte Land entfallende Veranlagungsfoll wiederum um 2700 4 zurück- gegangen ist, wogegen si dasselbe bezüglih der Städte um 9936 4 ehoben hat. In den Monaten Februar, März und April kamen zur Nivandöveriteigetund 43 landwirthschaftlid benußte Grundsftücde mit 3610 ba 80 a 38 qm Fläche; hiervon waren 3% Besitzungen unter 100 ha, 4 Güter von 100—200 ba, 2 Güter von 200—500 ha und 2 Güter von 500—1000 ha. 3 Grundstücke mit 84 ha 19 a 50 qm gingen von Polen auf Deuts(e, 2 Grundstücke mit 43 ha 97 a 20 am von Deutschen auf Polen über, während im Uebrigen der nationale Besigstand unverändert blieb. : j

In dem Regierungébezi:k Kassel haben sich die Preise für die landwirthschaftliben Erzeugnisse im Allgemeinen be- hauptet, der gute Stand der Winterfruht hat nur einen geringen Rückgang für Weizen und Roggen zur feige gehabt, Hafer und Gerste hat sich gehalten, dagegen ist der Viehbandel ein regerer ge- worden, und die Preise sind namentlich für Jungvieh und Milchkühe gestiegen. Im Uebrigen ist die Lage der Landwirthschaft unverändert L di Klagen über die Höhe der Arbeits- und Dienstlöhne dauern for

Ueber Italiens Anbauflächen und Ernte-Erträge bringt das von der Generaldirektion der Königlich italienischen Statistik herausgegebene „Annuario statistico italiano, 1887—88“ eingebendere Angaben. Die „Stat. Corr.“ entnimmt dieser Quelle, daß im Durchschnitt der Jahre 1879—83, der jüngsten Periode, sür welhe desfallsige Erhebungen vorliegen, von sämmt- lihen Früchten in Italien die größte Flähe dem Anbau des Weizens eingeräumt ward. Die mit diesem leßteren bestandene Fläche wurde nämli in jenem Zeitraum auf 4 433 741 ba geschäßt, während mit Roggen nur 160686 ha besäet waren. Nächst dem Weizen beanspruchte der Mais die größte Anbaufläche (1 893 117 ba). In verhältnißmäßig geringerem Umfange wurden in der Berichts- periode die übrigen Halm- und Hülsenfrüchte angebaut, indem geshäßt wurde die betreffende Fläche: beim Hafer auf 444 960 ha, bei der

aber sonst unberührt aufbewahrt sein soll. Nah dem, was bis

jeßt darüber gemeldet wird, \cheint es das reichste von den

Gerste auf 346 782 ha, beim Reis auf 201 807 ha, bei den Hülsen- frühten (Erbsen, Bohnen, Lupinen u. \. w.) auf 720 619 ha, beim