1932 / 225 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Sep 1932 18:00:01 GMT) scan diff

Neichs3- und Staatsanzeiger Nr. 225 vom 24, September 1932. S. 2

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li Teltowfkanal:

{ln und alle Stationen am he Fracht wie Groß Berlin. Der Frachtführer erhält Teltowkanalgebühren vom Empfänger vergütet. Unter Teltowkanalgebühren“ sind verstanden die Kosten für die Einfahrt in und die Ausfahrt aus dem Teltowkanal und Neufköllner Stichkanal, liber Grund fracht Groß Berlin

Le E E L E L RM 0,10 je Kotsdam, Non Z 00 H Ketin 0,40 1e

0,55 Ie 0,65 1e 0,80 Ie L, 1€ 1,35 je 0,50 je 1,30 ie 0,30 je 040 je 030 je 0,70 je

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Senzig . Storkow Rüdersdorf

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T} E aa erberg (Mark) Fracht wie Groß Berlin

(Hohenzollern-Kanal) Fracht

Eberstvalde wie Groß Berlin

Eberswalde (Finow-Kanal) „, . . . 5

Heegermühle, Wolfswinkel, Kupfer : hammer E 4 0,50 1e

Zehdenick, Mildenberg, Burgwall 1,35 je

Marienthal v. d. Schl... . 1,40 1e É L V Oi s 1,50 je

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Bredereiche (Notstandsfracht) . °

Fürstenberg i. Mecklenburg (Notstands- E r C 0

Neuruppin

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Fürstenberg (Mark) v. d. Schl. Ï L d. d. Schl.

Frankfurt, Küstrin, Gr. Neuendorf, E A

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unter Grund- iracht

S Dl ao Sin o 0 0,50 je Groß Nach Küstrin-Wartheablage muß der Berlin Empfänger außerdem das Schlepp- lohn von Küstrin bezahlen. Hohensaaten (nur für Großkähne) . . Hohensaaten (für Finow-Kähne tarif- lich nicht erfaßt) Hohenwußen . Ö Müllrose Es Fürstenwalde, Ketschendorf . . . Cosel-Hafen: Landsberg (Warthe) Oppeln: Landsberg (Warthe) . « Breslau: Landsberg (Warthe) .

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Notstandsfracht

4,40 } für obershl,

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Breslau /Maltsch: Landsberg E «(404 A 3,— Brennstoffe Für Warthe- und Neße-Stationen oberhalb gilt mindestens die Landsberger Fracht.

für niedershl,

Stettin und Umgebung, Peene- und Haff-Stationen 1

Stettin, einschließlich Grabow, Bredow, Züllchhow, Goßlow, Hedwigshütte E

Stettin-Frazwieck, Stolzenhagen . « Odermünde, Finkenwalde . « Klein-Reglib . S N Scholwin, Podejuch, Altdamm

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Wollin, Uckermünde, Lebbin .

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Wolgast, Cammin, Griestow b, Can1min

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Stettiner Grundfracht

RM 0,10 je + über 0,10 je Grund- 0,15 je fracht 0,20 je Stettin 0,10 je L 0,20 je 0,25 je 0,60 je 0,60 je 0,65 je 0,75 je 0,80 je 0,85 je l,— je

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Stralsund, Puddemin. # « j O e 6a è «2 1,25 je / Die Frachten nah Peene- und Hass-St@ætionen verstehen sich bei Gewährung freien Dampfes von Stettin nah der Bestimmungsstation und zurück und Erstattung des Hafengeldes an der Empfangsstelle. Für hier nicht namhaft gemachte Stationen ist eine Vereinbarung von Fall zu Fall zu treffen.

Für im Tarif nichtgenannte Empfangspläße mit sreier Frachtver- einbarung muß zum mindesten die Tariffracht der nächstgelegenen Tarifstation gefordert und gezahlt werden.

Für Ladungen, die ursprüuglich nach außerhalb der Tarifgrenzen des Frachtenaus\chusses liegenden Empfangspläßen mit freier Fracht- vereinbarung verschlossen werden, jedoch an irgendeiner vor dem ursprünglichen Bestimmungsort liegenden Tarifstation zur Entlöshung kommen, ist die für diese Station geltende Tariffracht des Frachten- ausschusses zu zahlen, wean diese Tarifssracht höher als die Schluß- fracht ift,

Zur Vermeidung von Verlusten empfiehlt es sich, in allen Fracht- abschlüssen sowohl mit der Kundschaft als auch mit den Schiffern den Vermerk anzubringen:

„Zu den Bedingungen und Tarifen des Frachtenaus\chusses für die Oder.“

An die Verladefirmen ist das dringende Ersuchen gerichtet, den Schiffern die endgültige Order spätestens in Fürstenberg a. O. zu erteilen,

Bei Konsignationsladungen is eine Wartezeit des Schiffers zugestanden, jedoch höchstens 24 Stunden, die bei der Entlöschung in Anrechnung zu bringen ist,

Breslau, den 11, Juni 1932. Frachtenaus\{chuß für die Oder, Graegß.

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Vsrbot Auf Grund des § 6 Absay 1 Nummer 4 der Verordnung des Reichspräsidenten gegen politishe Ausschreitungen vom 14. Juni 1932 (RGBl. 1 S. 297) verbiete ih das Erscheinen der Zeitung „Volks war t“ auf die Dauer von drei Mo- naten, und zwar für die Zeit vom 6. November 1932 bis zum 5. Februar 1933 einschließlich. O Nach § 6 Absay 3 der Verordnung des Reichspräsideten gegen politishe Ausschreitungen vom 14. Funi 1932 (RGVl. 1 S. 297) in Verbindung mit § 13 Os 2 des Ge- seßes zum Schutze der Republik vom 25. März 1930 (RGBl. I S. 91) umfaßt dieses Verbot sämtliche Kopfblätter sowie jede angeblich neue Druckschrift, die sih sachlich als die alte dar- stellt oder als ihx Ersaß anzusehen ist.

Magdeburg, den 23. September 1932,

Der Oberpräsident der Provinz Sachsen. i J. V.: Fansen.

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Nichtamtliches. Preußischer Landtag.

20. Sibßung vom 23. September 1932, d. Nachrichienbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Prôâsident Kerxl eröffnet die Sißung um 10,15 Uhr. Eintritt in dîie Tagesordnung gibt Abg. Kube (Nat. Sog.) folgende Erklärung ab: Der Abg. Steuer hat in einer seiner gestrigen Reden mit der bei ihm bekannten Phantasie er- klärt, ih hätte auëgerechnet ihm gegenüber Herrn Dr. Bracht als den für uns Nationalsozialisten in Frage kommenden Viinister präsidenten in Preußen benannt. Fm alten Landtag hat der Abg. Steuer unaufgefordert am nationa!sozialistishen Tisch 1m Restaurant Plaß genommen und in seiner wortreihen Art jeine Auffassung Uber die parlamentarische Lage und gewisse politische Perjönlichkeiten im Landtag vorgetragen. Jch stelle fest, daß 1h mit ihm nie über die Persönlichkeiten der nattonalsugialijtischen Kandidaten für das preußishe Ministerpräsidium gesprochen habe und daß es eine objeftive und subjektive Unrichtigkeit des Abg. Steuer ist, daß, wie erx hier im Hause und auch draußen in der Oeffentlichkeit im „Lokalanzeiger“ behauptet, 1h ausge- rechnet Herrn Dr. Bracht als Ministerpräsidenten der National- sozialisten für Preußen genannt hätte. Herr Steuer ist niht nur hier im Hause, sondern au sonst dafür bekannt, daß er in for- mal überzeugenden Worten Dinge behauptet, die lediglich in seiner Phantasie vorhanden sind. (Stürmishes Hört, hört!) Abg. Ko ch (D. Nat.) weist darauf hin, daß in der gestrigen Sitzung gegenüber dem Abg. Steuer aus den Reihen der national sozialistishen Fraktion der beleidigende Zuruf „Fudenjunge“ ge- fallen sei. (Heiterkeit rechts.) Wir weisen diesen Vorwurf aufs allerschärfste zurück und erwarten, daß die Fraktion den Zwischen- rufex veranlassen wird, diesen Auëdruck mit Bedauern zurück zunehmen. Abg. Steuer (D, Nat.) erwidert dem Abg. Kube, er möge zunächst einmal das Stenogramm nachlesen. Tatsächlih habe er gesagt, daß der Abg. Kube ihm erzählt habe, ein Oberbürger- meister einer westlihen Großstadt sei als Ministerpräsidentschafts- kfandidat in Ausficht genommen. (Als der Redner dann seine Aus- führungen fortseßt, ertönen von den Nationalsogialisten und namentlih vom Abg. Kube stürmische Protestrufe.) Präsident Kerrl entzieht dem Abg. Steuer das Wort, als ex sagt: Der Abg. Kube lüge, wenn er ... Abg. K ube (Nat. Soz.) stellt fest, daß er das unkorrigierte Stenogramm des Abg. Steuer noch gestern Abend nachgelesen habe. (Als der Redner von einer lügnerishen Behauptung des Abg. Steuer spricht, wird er vom Prasidenten zur Ordnung ge- rufen.) Abg. Kube erklärt weiter, daß ex nicht daran denke, zu irgendeiner Zeit auêgerehnet mit Herrn Steuer über Koalitions- fragen verhandelt zu haben, Herx Steuer sei bekannt dafür, daß er stets Privatgesprähe und dieses hiex habe bestimmt nicht stattgefunden nachher politisch ausnuße, Steuer habe oft am Tisch der Nationalsozialisten auch Bemerkungen über Herren seiner Partei gemacht, die jeder Auffassung von politischer Ritter- lichkeit widersprähem, (Hört! Hört-Rufe und Gelächter bei den Nationalsozialisten.) Was den Zuruf „Judenjunge“ angehe, so nehme er keinen Anstand, für seine Fraktion zu erklären, daß dieser Zuruf bedauert und niht aufrehterhalten werde. Aber wenn die Deutschnationalen derartige Zurufe zum Gegenstand der Kritik von dex Tribüne des Hauses machten, dann müsse man von dieser Stelle auch eine Bemerkung der deutshwationalen Aba. von Watter aufs shärfste zurückweisen, die die Nationalsozialisten „Schweine“ genannt habe. (Stärmishe Pfui-Rufe bei den Nationalsogialisten, die sih in erregten Kundgebungen gegen die Deutschnationalen wenden.)

Auf klommunistishen Antrag wird ein Beschluß des Hauptaus\chusses sofort bestätigt, der das Staatsmini- sterium ersucht, sofort den Betrag von 380000 Mark derx Landwirtschaftskammer der Provinz Bran- denburg zur Verfügung zu stellen zwecks unverzüglicher Verteilung an die durh die Unwetterkatastrophe im ucker- märkischen Tabakbaugebiet Geschädigten, mit dèr besonderen Auflage, daß eine Anrechnung ctwa von den Kommunen gezahlter Wohlfahrtsunterstüßungen auf die Entschädigungs- summe in keinem Falle stattfinden darf. Die Verteilung des Geldes soll unter Mitwirkung dexr von den Geschädigten gewählten Kommission erfolgen.

Auf Antrag Winzer (Soz.) wird ein auf sozial- demokratishen Antrag zurückgehender Beschluß des Woh- nungsausschusses angenommen, der sich mit den Miet- verYältniiséen der alten Sladtvogter am Molkenmarkt zu Berlin beschäftigt, Der Reichs- kommissar wird darin ersucht:

1, den Vertrag zwischen dem Fiskus und den Schippanowski- schen Erben zum frühesten Termin zu lösew, 2. Mittel bereit- zustellen zur anderweitigen Unterbringung der in nicht mehr instandsezungsfähigen Wohnungen auntergebrahten Mieter, 3, die Polizei anzuweisen, die Schippanowski’shen Erben zur shnellsten Herstellung eines polizeimäßigen Zustandes zu zwingen, 4. Herab- sebung der Mieten auf die durhschnittlihe Höhe, wie sie dem Pachtvertrag entspricht, mindestens aber um 50 vH, 5. bei etwaiger späterer Weiterverpachtung des Gebäudes im Vertrag die Nußung als Wohnraum auszuschließen und 6. dem Landtag bis zum 1, November von dem Veranlaßten Bericht zu erstatten.

Weiter wird ein A Lo des Beamten- ausschusses bestätigt, der den - Reichskommissar ersucht, bei der Durchführung der Verordnung über die Neu- gliederung von Landkreisen dafür zu sorgen, daß die ausgesprochenen Kündigungen von Ange- stellten Dex Loudtretile Ad Amtsgerichte sofort rückgängig gemacht werden, im Einvernehmen mit den Angestelltenräten und Gewerkschaften die Unterbringung in anderen Stellen durchgeführt wird und Dauerangestellte

¿gen ihren Willen nur unter Bewilligung der geseßlichen Nnbearider entlassen werden. Ausscheidende Angestellte sollen auf eine Abfindungssumme Anspruch haben. :

Das Haus tritt dann in die Tagesordnung ein. Als erster Punkt stehen zur Beratung die Anträge der Kom- munisten, des Zentrums und der Nationalsozialisten auf Strafunterbrehung für politishe Gefan-

ene. Verbunden mit der Beratung is der sozialdemo- fratische Autrag über die Nachprüfung dex Urteile dex Sondergerichte, S

Abg. Kuttnex (Soz.) begründet den sozialdemokratishen Anirag Und erklärt, daß at Urteile der Sondergerichte mit dem Rechtsempfinden der C S Las nicht das mindeste zu tun hätten. Ee Allertraurigste sei, daß Personen, die in keiner Ver- bindung zur Politik stehen, wegen Vergehen, die sonst harm!os seien, shwer bestraft würden. Wenn der politische Terrorx in den lezten Wochen nachgelassen habe, so habe das nicht an den dra- konishen Strafen der Sondergerichte gelegen, sondern. daran, daß ausnahmêweise in diesem Jahre einige Wochen mal nicht Wahlen vor der Tür ständen. Er sei leider Erg, daß bei den kom- menden Reichstagswahlen die politishen Exzesse auch wieder ein-

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tigen, die diese politiscen Verhältnisse her-o hätten. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Tragise sei, daß bei den Sondergerichten vielfach zweifel- , 0b au wirklich die Täter und niht Unschuldige bestraft seien. Der Redner fkritisiert namentlich das Sonder- ¿rihtsverfahren wegen der Vorgänge in der Hollmanunstraße in Es sei eine Ungeheuerlihkeit, daß es das Gericht abge- sih den und damit die Lichtverhältnisse am tort in ten Abendstunde anzusehen. Er fürchte, daß 5 dem Gericht nicht hell genug gewesen sei bei diesem Urteil. Gegen die Sondergerichtsurteile gebe es nur das Wiederaufnahme- verfahren, das unter den heutigen Rechtsverhältnissen außer- ordenitlih s{chwierig sei. Es müsse daher sofort etwas geschehen, und dem solle der sozialdemokratische Antrag dienen.

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Abg. Steinfurth (Komm.) begründet einen Antrag auf ortige Haftentlasjung derx kommunistishen An- klagten im Felseneck-Prozeß. Jnsbesondere wendet

der Redner dagegen, daß der Landtagsbeshluß vom 16. Juni

niht durchgeführt werde, da diejenigen Verurteilten, die länger als sechs Monate Strafe zu verbüßen haben, jeßt ihre Strafe an- treten sollten. Er verlangt Freilassung der im Felseneck-Prozeß angeklagten Kommunisten und spricht von der Tätigkeit der Son- dergerihte. {Fn vier Wochen seien gegen links 140 Prozesse durch- gefuhrt und 571 antifaschistishe Arbeiter vor die Schranken des Gerichts gestellt worden. Die Sozialdemokratie habe den Weg geebnet zu der Sonderjustiz. Der sozialdemokratishe Urantrag bitte um die Gnade des Herrn von Papen, die Kommunisten aber forderten, daß alle Verurieilten, die niht gegen die Fnteressen der Arbeiterklasse verstoßen haben, sofort aus den Strafanstalten ent- lassen werden. Abg. Dr. Freisler (Nat. Soz.) richtet sharfe Vorwürfe gegen die kommissarishe Regierung, die den Beschluß der Braun- Severing-Regierung, bis zur Erledigung der Amnestiegeseßent- würfe politische Gefangene von der Vollstreckung der Haft zu ver- schonen, aufgehoben habe. Die gegenwärtige Regierung verfolge besonders die Nationalsozialisten. Zu der Frage dex Sonder- gerichte erklärt der Rebier: Es ist selbstverständlih, daß eine Nation, die im Aufbruch begriffen ist, sih dagegen sichert, daß die Unterwelt sie durch Terrormaßnahmen hindert. . Was jeyt ge- schehen ist, bedeutet aber zum großen Teil, daß an die Stelle eines geordneten Gerichtswesens die Möglichkeit der Willkür tritt, Die Erhebung der Beweismittel wird in das freie Ermessen des Ge- richts gestellt, dessen Zusammenseßung vielen Zufälligkeiten unter- liegt. Das is] nicht mehr Sicherung des Rechtes, sondern Er- möglihung des freien Waltens dexr Willkür. Das widerspricht dem Grundsaß des Rechtsstaates, das hat nihts zu tun mit der Notwendigkeit, mit dem Terror Schluß zu machen. Niemals ist (ane Erregung durch das Volk gegangen wie aus Anlaß des Irteils des Beuthener Sondergerichts, a das fünf deutsche Kämpfer für das deutsche Volk mögen sie sih vergangen haben oder niht zum Tode verurteilt wurden, weil sie einen Unter- weltmenschen, einen polnishen Fnsurgenten, getötet haben. (Lärm bei den Kommunisten.) Das Sondergerihtsverfahren hat dazu geführt, daß das Material der Verteidigung niht berücksichtigt werden konnte, daß es erst 48 Stunden nah dem Urteil in den Besiß der Verteidigung kam. Dex Redner seßt sich weiter mit den Kommunisten auseinander. Wenn die Kommunisten ehrlih seien, müßten sie den nationalsozialistischen Abänderungsantrag annehmen, der die Befreiung derjenigen Gefangenen verlangt, die nicht gegen die Lebensinteressen des deutshen Volkes verstoßen haben.

Abg. Dr. Zubke (D. Nat.) stellt fest, daß auf Grund des Entschließungsantrages des Landtags ein großer Teil der Ges- fangenen tatsächlich entlassen worden sei. Das Amnestiegeseß, das die Grundlage bildete, sei bisher niht zur Annahme ge- kommen, so daß. das Verfahren des Justizministeriums rechts» mäßig ei, Nach seiner Kenntnis habe das Justizministerium bereits angeordnet, daß diejenigen * politishen Gefangenen, die nux noch einen Monat zu verbüßen haben, freigelassen werden. Es könne sich nux um die Frage handeln, ob diese Grenze auf 6 Monate erweitert werde. Die deutshnationale Fraktion werde dem Zentrumsantrag zustimmen. Die hier an den Sonder- gerichten geübte Kritik sei eine sehr billige. Tatsächlih werde die Beweisaufnahme stark beschränkt und könne durh die Gerichte abgekürzt werden, auch die Rechtsmittel des Angeklagten seien beshränft. Es müsse aber berücksichtigt werden, daß wir in einer Zeit leben, die Sondermaßnahmen verlange. Die Anträge auf Aufhebung der Verordnung über die Sondergerichte würden die Deutschnationalen ablehnen. Jm Falle Felseneck sei es bedauer- lih, daß durch die aufgetretenen Prozeßschwievigkeiten die Ange- klagten in Haft bleiben müßten. Die deutschnationale Fraktion lehne es ab, von hier aus in das Verfahren einzugreifen, sei aber bereit, dem Verlangen zuzustimmen, daß die Behörden prüfen, ob und iuwieweit die Haftbefehle aufzuhebew seien,

Abg. Steinfurth (Komm.) wendet sih gegen die Unter- stellung, daß es den Kommunisten darum zu tun sei, eine Kluft wischen Angestellten und Arbeitern zu schaffen. Gegenüber dem lbg. Freisler müsse er shon sagen, daß Sondergerichtsverhand- lunger in der überwiegenden Mehrzahl gegen proletarishe Ar- beiter geführt würden. Die Behauptung, daß der von National- sozialisten ermordete Pietrzuch ein polnischer FFnsurgent sei (Zuruf von den Nationalsozialisten: Straßenräuber! Gegenruf von den Kommunisten: Unerhört!), sei leiht zu widerlegen. Pietrzuh sei im Gegenteil bis 1919 Mitglied von deutschen Grenzschuß- formationen gewesen. Er sei nach Urteil seiner Vorgeseßten cin besonnener wnd ruhiger Mensch gewesen, der nihts mit polnischen Insurgenten zu tun gehabt habe. Jm Gegenteil habe er sich ge- weigert, für Polen zu optieren. (Hört, hört! bei den Kommunisten. Luruf von den Nationalsozialisten: Das sind Behauptungen!) Es set bezeihnend, daß die Nationalsozialisten diesen bestialijhen Mord an einem Arbeiter zu verteidigen bereit seien, Pietrzuh sei eine Stunde lang grausam mißhandelt worden. Und mit den Mördern erkläre sih Hitlex. solidarisch! Er nenne das Eintreten für sie eine Ehrenaufgabe für die Partei. (Hört hört! bei den Kommunisien. Zuruf bei den Nationalsozialisten: Sie ver- gessen wohl Horst Wessel!) Es sei unerhört, daß dieser Mord noch gebilligt werde. Nationalsozialistishe Zeitungen hätten so- gar die Ausnahme einer Berichtigung der Mutter des Ermordeten abgelehnt und im Gegenteil behauptet, die Mutter hätte gesagt, es sei niht shade um ihren Sohn. (Pfui!-Rufe bei den Nationalfozialisten.) Die Massen würden dieses Verhalten: der Nationalsozialisten entsprehend bewerten. (Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.) i

Es folgen die Abstimmungen. Annahme findet der nationalsozialistishe Antrag, der das Staatsministeriunt ersucht, in den Strafsachen, in denen auf Grund der Ent- schließung des Landtags vom 16. Funi 1932 eine Straf- unterbrechung oder Pans angeordnet worden ist, die Strafe weiterhin nicht zu vollstrecken, bzw. falls in- zwischen eine Vollstreckung wieder angeordnet ist, dieselbe zu unterbrechen, sofern es K um Freiheitsstrafen oder Nest- strafen von niht mehr als sechs Monaten handelt. Fn allen

übrigen Fällen soll die Strafe dann unterbrochen werden, wenn die Weitervollstreckung für den Verurteilten oder seine Angehörigen, insbesondere auch unter Berüsichtigung einer bereits erfolgten Strafunterbrechung, eine besondere Härte darstellen würde. Der gleihlautende Zentrumsantrag ist damit erledigt. :

Annahme findet auch der fommunistische Antrag, der die

Durchführung der Landtagsentschließung vom 16. Juni

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seyen würden und daß die Bluturteile dex Sondergerichte daran

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gar nichts ändern würden. Verantwortlich für die Sondergerichte

fordert.

Neich8- und Stäatsanzeiger Nr. 225 vom 24, September 1932, S. 3

Angenommen wird weiter ein sozialdemokratischer An- trag, worin das Staatsministerium ersucht wird, alle von den Sondergerichten gefällten Urteile mit größter Beschleunigung nahzuprüfen und in allen gecigneten Fallen durch Begnadigung unverhältnismäßig shwere Strafen entsprechend herabzuseßen. Ein hierzu von den National- sozialisten eingebrachter Aenderungsantrag, wonach das Staatsministerium ersucht werden sollte, alle von den Sonder- gerichten gefällten Urteile mit größter Beschleunigung nach- zuprüfen und alle die Verurteilten, die nit gegen die Lebens- belange des deutschen Volkes verstoßen haben, sofort aus den Strafanstalten zu entlassen, wurde abgelehnt. Annahme findet dagegen ein weiterer nationalsozialistisher Antrag, der die Regierung ersucht, unverzüglich bei der Reichsregie- rung die sofortige Aufhebung der Verordnung der Reichs- regierung über die Bildung von Sondergerihten vom 9. August 1932 zu fordern. Auch ein deutschnationaler Entschliezungsantrag wird angenommen, der die Regierung ersucht, die Anklagebehörde anzuweisen, von dex im § 4 der Verordnung über die Bildung von Sondergerichten vor- gesehenen Befugnis, die Strafsachen an die Staatsanwaltschaft ¿ur Behandlung im ordentlihen Verfahren abzugeben, im weitesten Umfange Gebrauch zu machen.

Unter Ablehnung eines Zentrumsantrages, den kom- munistishen Antrag auf Haftentlassung der An- geklagten des Felseneck-Prozesses der Aus- shußberatung zu überweisen, wird an Stelle des kommunisti- {hen Antrags ein nationalsozialistischer Aenderungsantrag an- genommen, wonach die kommissarishe Staatsregierung be- auftragt wird, die Staatsanwaltschaft beim Landgericht 111 Berlin anzuweisen, sofort alle Maßnahmen zu prüfen, damit die im Felseneck-Prozeß angeklagten Untersuhungsgefangenen aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Das Haus beschäftigt sich dann mit einem Antrag des Haudelsausshusses, der das Staatsministerium ersucht, alle irgendwie möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um den B e - trieb des Peiner Walzwerks undder JFlseder Hütte aufrechtzuerhalten. Mit der Beratung verbunden sind mehrere andere Bergwerksanträge.

Abg. Vogt (Soz.) begründet den sozialdemokratishen An- trag gegen die beabsichtigte Stillegung der Zeche „Präsi- dent? in Bohum und betont, daß auch die beabsichtigte Still- legung der Zehe „Präsident“ vier N ahbarzehen gefährdet würden. Jn der Bevölkerung Bohums habe die Ankündigung der Stillegung ungeheure Erregung hervorgerufen. Es handele fd um modernste Schahtanlagen. Das Unternehmen, das rüher durhaus gesund gewesen sei, sei durch hemmungslose Kongzentrationsbestrebungen und Angliederung dem Ruin ent- egengeführt worden. Jn seinen weiteren Ausführungen sett ih der Redner für die Verstaatlihung des Bergbaues ein. Das System der Subventionen könne man nur als NUebergangs- erscheinung betraten, und nur beim Erzbergbau werde eine Aus- nahme gemacht, weil dieser zu den konjunkturempfindlichsten Be- trieben gehöre.

Abg. Dr. Me ye r - Westfalen (Nat. Soz.) erklärt, daß die Fovderungen seiner Partei zum ersten Male positive Maßnahmen zum Schuße des Bergarbeiters Sen haben. Für die Be- denken der Regierung habe er kein Verständnis. Ein Staat, dem das Leben seiner Bergarbeiter am Herzen liege, sei immer in der Lage, formelle Bedenken zu überwinden. Auch für die von der Reaktion gestüßte Notverordnung der Papen-Regierung über Tarifauflockerung und Lohnsenkung könne man kein Verständnis haben. Heute im Bergbau von Lohnsenkung zu sprechen, sei ein Vergehen gegen die Gesundheit des schaffenden Volkes, Jm nationalsozialistishen Staat ständen Gesundheit, Leben und Sicherheit über allem. (Beifall rechts.) Die Deutschnationalen es mit ihrer Wirtschaftspolitik die besten Bundesgenossen des Volschewismus. (Erneuter Beifall bei den Nationalsozialisten.)

Abg. Rütten (Zentr.) hält grundlegende Aenderungen im Ruhrgebiet angesicht der ungeheuer gestiegenen Not für notwendig. Es peise alles getan werden, um nun die Stillegung auh noch der Zeche „Präsident“ zu verhindern. Die neue Lohnsenkung habe im Ruhrgebiet ungeheure Empörung hervorgerufen. Wer bisher immer um Hilfe für den Osten gerufen habe, sollte sih jeßt auch die Ver- hältnisse im Westen einmal näher ansehen. Dort sei heute die Not mindestens ebenso groß. Der Redner wendet sih gegen Aus- ührungen der , Rhetnish-Westfälishen Zeitung“ und erklärt, die Rationalisierung sei im Ruhrgebiet von den Unternehmern plan- mäßig und ohne Rücssiht auf die Juteressen der Avbeiter]chaft durchgeführt worden. Die Lohnpolitik des Staates und der Ge- werkshaften könne man unter keinen Umständen für die heutige Lage verantwortlih machen. Das Ziel müsse die Stärkung des BVinnenmarktes und der Kaufkraft der Massen sein. Das habe die Regierung von Papen außer aht gelassen, und somit sei auch mit dieser Notverordnung das Ziel der Ankurbelung nicht erreicht worden. Der soziale Gegensaß zwishen Schwerindustrie und Arbeiterschaft wäre niht notwendig, wenn auf der anderen Seite mehr Verständnis für die Lage der Arbeiterschaft bewiesen würde. Das könne man nicht erreichen, wenn man in Broschüren des Bergbaus-Vereins die hristlihen Gewerkschaften und das Zentrum mit unwahrhaftigen Vorwürfen bekämpse,

Abg. Krämer (Komm.) wendet sich gegen die Still- legung der Flseder Hütte und des Peiner Walzwerks, die am besten das Aufbauprogramm der Regierung illustrierten. Der Redner bekämpft die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie, die allein verantwortlich seien für Lohnabbau und Tarifeinbruh, da sie zusammen mit Brüning diese Aktion begonnen hätten.

Abg. Dr. von Waldthausen (D. Nat.) erklärt, es werde immer wieder der Eindruck erweckt als ob die Notlage im Berg- bau nux auf Mutwillen und nihts weiter zurückzuführen set. Diese Verhältnisse würden auch von den Deutschnationalen auf das tiefste bedauert, Nach der Rationalisierung habe nicht der Bergbau gerufen, sondern die Gewerkschaften hätten aufs Laune darauf gedrängt, ohne daß man ihnen einen Vorwurf eshalb machen fönne. Fmmer wieder habe die Arbeiterschaft den Unternehmern die großen tehnishen Fortschritte vorge- rie Hinzu sei die Lohnpolitik gekommen, die dazu geführt abe, daß innerhalb weniger Jahre aht Lohnerhöhungen im Bergbau durchgeführt worden seien. Eine objektive Prüfung müsse daher ergeben, daß die Arbeiterschaft an der heutigen Not mcht unschuldig sei. Der Redner bittet, den Antrag über die Stillegung der Zeche „Präsident“ dem Ausschuß zu Uberweisen. Er wend:t sih gegen die Vorwürfe, daß seine Partei reaktionär sei, und weist under großem Gelächter der Nationalsozialisten darauf hin, daß auch im deutshnationalen Parteiprogramm das Wort „sozial“ enthalten sei.

_ “Abg. Ker rl (Nat. Soz.) nennt die Forderung auf Soziali- vie des Peiner Walzwerks und der Jlseder Hütte demagogisch, a jeinerzeit, als die Frage einmal afut war, ausgerehnet die sozialdemokratish-kommunistische Betriebsvertretung sih mit allen Mitteln dagegen gesträubt habe. (Widerspruch und Gelächter bei den Kommunisten.) Der Redner erklärt, seine damaligen Vor- ausfagungen e „in allen Punkten eingetroffen, und das deutsche Volk habe ja in den leßten Jahren auch gezeigt, auf welcher Seite es die bessere Einsicht erkenne. (Gelächter bei den Kommunisten.) Auch die Regierung Papen gehe heute wieder den falshen Weg, wenn sie mit Subventionen der Wirtschaft helfen wolle. Das sei nur auf dem umgekehrten Weg zu erreichen, daß

Die vom Ausf\huß vorgeshlageneu Anträge werden

darauf vom Haus bestätigt. Das Staatsministerium wird ersucht, die Bestimmungen zum Schuße des Lebens der Berg- arbeiter in aller Schärfe anzuwenden und gegen Gruben- beamte, die dagegen verstoßen, mit äußerster Strenge vor- zugehen. Fede Maßregelung der geseßlichen Betricbsvertre- tungen soll reichsgeseßlih verhindert, die technischen Gruben- beamten nah spätestens zehnjähriger Dienstzeit in ein un- kündbares Dienstverhältnis übergeführt werden. Durch eine Verfügung sollen die geseßlichen Betriebsvertretungen er- mächtigt sein, bei dringender Gefahr für Leben und Gesund- heit der Bergarbeiter Arbeitspunkte stillzuseßen, bis die Ent- scheidung der Aufsichtsbehörde herbeigefuhrt ist. : Ein weiterer Antrag ersucht das Staatsministerium, alle Maßnahmen zu ergreifen, um den Betrieb des Peiner Walz- werks und der Flseder Hütte aufrechizuerhalten. Nach einem Antrag über den Metallerzbergbau soll auf die Reichs- regierung eingewirkt werden, daß die Einfuhr ausländischer Erze kontingentiert und erforderlichenfalls mit Boll belegt wird und notleidenden Unternehmungen Subventionen zur Aufrechterhaltung ihrer Betriebe gewährt werden. Auch der Ausschußantrag über die Förderung des Verbrauchs von deutshem Schwefelkies wird bestätigt, ebenfalls der sozial- demokratische Autrag gegen die beabsichtigte Stillegung der Zeche „Präsident“,

Es folgt die 2. Beratung des Geseßentwurfs über die Vorverlegu ng der Ge- meindewahlen auf den 6. November. Nah einem neuen Antrag der Nationalsozialisten sollen im ein- zelnen außer den Gemeindevertretungen gewählt werden die Provinziallandtage, die Kommunallandtage und die Kreis- tage. Neuwahlen kommunaler Wahlbeamter sollen vor Zu- sammentritt der neuen Vertretungen nicht stattfinden. Wahl- berechtigt sollen alle Personen sein, die am 1. November in einer Gemeinde wohnen.

Abg. Brückner (Nat. Soz.) begründet den Antrag seiner Fraktion, die Neuwahl der Gemeindevertretungen am 6. No- vember stattfinden zu lassen. Die Bedenken, daß eine Verbindung dieser Wahl mit der Reichstagswahl nicht tunlih sei, erledigten sih durch die Tatsache, daß auch im Mai 1924 schon beide Arten Wahlen zusammen durchgeführt worden seien. Die Neuwahl sei angesihts der heutigen Zusammenseßung der Gemeindeparlamente durchaus am Playe. Reaktion und Sozialdemokraten ständen in ciner merkwürdigen Einheitsfront gegen die baldige Neuwahl. Die „Deutschnationale Staatspartei“ heitere Zustimmung bei den Nationalsozialisten, so müsse man die D.N.V.P. heute wohl nennen, scheine sih damit zu begnügen, daß da und dort einige sozialdemo- kratishe Landräie und Oberpräsidenten beseitigt worden seien, im übrigen aber in den Gemeinden die Sozialdemokraten weiter herrshten. Fn der Gemeindepolitik der leßten Jahre sei selbst unter sozialdemokratisher Führung keine Spur von Sozialiësmus zu spüren gewesen, sondern die überall zu beobachtende Anleihe- politik sei die beste Unterstüßung des fkapitalistishen Systems gewesen. Der Sturmlauf gegen das System Braun-Severing sei doch niht damit zu Ende, daß an ihre Stelle Dr. Bracht trete und im übrigen ein Staatsrat weiter belassen werde, der als Fort- seßung des Systems Braun-Severing angesehen werden könne. (Lebhafte Zustimmung bei den Nationalsozialisten.) Auch unter Hugenberg habe sich an dem Kurs der Hilfsbereitshaft für die Hochfinanz nihts geändert. Die Neuwahl der Provinziallandtage werde zeigen, daß der deutsche Bauer hinter Hitler stehe und niemals wiéder zur bürgerlihen Weltanshauung zurückehren werde, und ebenso auch nicht zur proletarishen. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Besonders im Osten zeige sich schon heute diese Entwicklung. Der Redner übt weiter Kritik an der ein- geleiteten und geplanten Verwaltungsreform, die vielfah vom grünen Tisch aus und ohne Fühlungnahme mit der Bevölkerung begonnen worden sei. Neuwahlen zu den Gemeindeparlamenten am 6. November würden auch eine vernünftige Verwaltungs- reform an Haupt und Gliedern nah sih ziehen. Wir begrüßen, p fährt der Redner fort, jeden Wahlkampf um so mehr, als die eutshe Revolution auch nah dem 31. Juli ungeheure Fortschritte gemacht hat dadur, daß nunmehr auch durhch die Gewerkschaften ein großes Erwachen geht. Man beginnt sih dori endlich auf den eigentlihen Ursprung und die parteipolitishe Ungebundenheit einer Gewerkschaft zu besinnen. Das ist durch den Druck dex großen Welle unter dem Hakenkreuz herbeigeführt worden. Dieses Erwachen wird geeignet sein, die sozialistishen Grundlagen der Wirtschaftsordnung im Aufmarsh gegen den internationalen Kapitalismus zu garantieren. Weil wir das schon seit langem erxschnt haben, begrüßen wir alle kominenden Kämpfe, die uns in einer gans anderen Kampflage sehen werden, in der die blinde Haßstellung der Gewerkschaften gegen uns einer wohlwollenden Neutralität weihen wird. Wir freuen uns angesichts dessen des kommenden Kampfes und der Blindheit der {hon heute ge- shlagenen Reaktion. (Lebhafter Beifall bei den Nationalsozialisten.) Es wird ein lustiger Wahlkampf werden, der das Sündenregister des sozialdemokratishen Volksbetruges in den Gemeinden auf- deckt. Die jahrelange Anleihepolitik der Gemeinden war eine Verschleierung des Betruges, der in Ausgaben ohne Deckung liegt. Wenn der Abg. Steuer meint, wir wollten das parlamentarische System retten, so ist er im Jertum. Wix wollen das deutsche Volk retten vor einem Mißbrauch der Staatsgewalt. Die Deutsch- nationalen verweisen immer auf eine shwarz-braune Koalition. Es hat noch gar keine gegeben und außerdem gäbe es dann nur eine braun-shwarze. (Heitere Zustimmung bei den National- sozialisten.) Wir könnten sie jederzeit eingehen, denn wir hätten es ja niht nötig, im Anhängewagen des Zentrums zu sigen. Braun würde die Führung stellen und die Richtung geben. Wenn sich das Zentrum, inzwishen durch dreizehnjährige Erfahrung belehrt, wieder auf alte Grundlagen zurückfindet, dann stehen wir auf dem christlihen Standpunkt, daß man sich freuen soll über jeden Sünder, der Buße tut. (Heiterkeit.) Herr Steuex hat über den Stahlhelm gesprohen. Als Frontsoldat erkläre ih, daß die Persönlichkeit des Oberstleutnants Duesterberg nux menshlih interessieren kann und überhaupt nicht in eine politische Ausein- andersezung hineingehört. Aber es ist sehr wichtig, zu wissen, daß das ganze Rabinat und die Großbanken schon seit zehn Jahren von der jüdischen Abstammung der Familie Duesterberg gewußt haben und deshalb glauben konnten, daß ihnen dieser Bund nie- mals gefährlih werden kann. Die Juden wissen schon, wie weit ih der Stahlhelm völkisch zeigen wird, solange Duesterberg Bundesführer ist. Wir stehen niht nur auf, so erklärt der Redner abschließend, gegen Schändung des Sozialismus durh den Marxismus, sondern auch gegen eine Schädigung des Natio- nalismus durch den Liberalismus. Gerade der deutshe Sozialis- mus unter dem Hakenkreuz ist von der höchsten staatsbildenden Kraft, weil er den Riß in der Nation beseitigt und die Volks- einheit geistig und physish herstellt. Das hat als einziger schon 1919 Adolf Hitler erkannt. (Stürmischer Beifall bei den Retianab sozialisten.) Abg. Hensen - Godesberg (Zentr.) befürchtet, daß die in Aussiht genommene Verwaltungsreform auch noh den Rest der Selbstverwaltung beseitigt. Das Zentrum lehne die Vorlage aus grundsäßliher Einstellung ab. Die Gemeinden müßten vor den Gefahren und Erschütterungen neuer Wahlen angesichts der all- gemeinen Notlage bewahrt werden. Bei den Gemeindevertretungen komme es pre als bei Reichs- und Landtagswahlen auf Er- fahrung und Persönlichkeit der gewählten Vertreter an als auf

nationalsozialistischen

man größere Massen von Arbeitern wieder in Arbeit bringt,

die politishe Einstellung.

Abg. Harn is ch (Soz.) wendet si zunächst gegen die Natio« nalsozialisten, die doch alle Anstrengungen machten, einen Land- tagswahlkampf zu vermeiden. Fhnen komme es nur darauf an, die deutshnationalen Vertreter in den Gemeinden zu verdrängen, Die Sozialdemokratie scheue eine Wahl nicht, sehe aber gegen- wartig dazu keine Notwendigkeit. Die große Verwaltungsrefornm habe bisher nicht durchgeführt werden können, weil die Rechte sie verhindert habe. Die Notlage der Gemeinden sei entstanden durh die Wirtschaftskcise und die Fürsorgetätigkeit, die Sozial- demokratie trage dafür keine Verantwortung. Fett, wo der Ent- scheidungskampf um die großen politishen Probleme und um Weltanschauungen geführt werde, sei keine Zeit für die kleinlihen Gesichtspunkte, die bei Gemeindewahlen eîne Rolle spielen

Abg. Shwenk (Komm.) greift die Schlußworte des redners auf und erklärt, die Kommunalpolitik dürfe eben von den kleinen und fkleinlihen Gesichtspunkten aus behandelt werden, wie es die Sozialdemokraten möchten, Die Kommunisten wurden die Zusammenhänge zwishen Kommunalpolitik und der großen Politik aufzeihnen, Die Herunterdrückuna des F bedarfs der Gemeinden von 76 Milliarden im Fahre 192 jeßt 5,6 Milliarden bei gleihzeitigem Anshwellen der Wo lasten beweise, daß der Hungerkurs rücksichtslos durchaef Die Drosselung der Ueberweisungen an die Gemei |ystematijch durchgeführt, um die Gemeinden zu zwingen Unterstüßungszahlungen e:nzustellen. Es ei ‘beabsichtigt lezten Spuren der Selbstverwaltung zu beseitigen : Abg. Dr. von Kries (D. Nat.) erinnert daran den Beschlüssen des Aeltestenrats die jeßige Aussprache einer allgemeïnen politishen Debatte führen # Verwaltungsreform früher nit zustande gekommen sei, so trage 01e alte Koalition die Schuld daran, die sih aus politishen Grün- den niht einigen fonnte. Die Deutschnationalen ständen Neu- wahlen durhaus sympathish gegenüber und fürchteten auch nicht die Verbindung von Reichstags- und Gemeindewahlen Sie stimmten dem Antrag auf Neuwahl der Gemeindevertretungen aber nit zu, weil sie mit Bestimmtheit erwarteten, daß die Re- gtlerung Bracht, nachdem der jeßige Landtag cine ordnungsmäßige Regierung niht bilden könne, in aller Kürze eine viel weiter- geyendere Verwaltungsreform auf dem Gebiet der Städie und -andgemeinden ins Werk seßen und dabei auf Grund der wailtungsreform die Vertretungen der Kommunalverbände neu ien lassen werde. Eine Verschiebung der Kommunal- Vvayien um ein oder zwei Monate sei wertvoller als zwei Mal

in verhaltnismäßig furzer Zeit zu wählen.

L n der Abstimmung wird der nationalsozialistische Antrag, am 6. November 1932 neben den Gemeindevertre- tungen au) die Provinziallandtage, Kommunallandtage und Kreistage neu zu wählen, mit den Stiminen der National- sozialisten und der Kommunisten angenommen. Die gleiche Mehrheit beschloß, daß vor Zusammentritt der neu gewahlten Gemeindevertretungen Neuwahlen fommunaler Wahlbeamter nicht stattfinden sollen, und daß ferner zu diesen Wahlen stimmberechtigt sein sollen alle über 20 Fahre alten Reichs- deutschen, die am 1. Oktober 1932 ihren Wohnsiß im Gemeindegebiet haben. Abgelehnt wurde der deutsch- nationale Antrag, den Tag der Neuwahl nicht festzulegen. n einfaher Schlußabstimmung wird das ganze Geseß in dieser Fassung mit den Stimmen der Antragsteller und der Kommunisten angenommen. :

Das Haus sett dann die am Donnerstag unterbrochene Aussprahe über die Haushaltsnotverordnun g fort. Mit der Beratung verbunden sind u. a. die Badepolizei- verordnung Dr. Brachts und ein kommunistischer Antrag auf Amtsenthebung des Berliner Polizeipräsidenten Dr. Melcher.

…_ Abg. Schmelzer (Ztr.) erwidert dem Abg. Heilmann auf seine Ausführungen über Demokratie und Parlamentarismus, daß es die wichtigste Aufgabe des Parlaments sei, durch Mehr- heitsbildung eine gesunde Staatsführung zu gewährleisten. Wenn sih das Parlament als unfähig erweist, Staatsnotwendigkeiten zu beschließen, auch wenn sie unpopulär sind, dann bedeutet das den Tod des demokratish-parlamentari’chen Systems. Möglich- keiten einer Mehrheitsbildung dürfen nicht zershlagen werden; ob sie vorhanden sind, wird sich ja aoch erweisen. Jn einex jolchen Arbeitsgemeinschaft wird sid das Zenicum jedenfalls niemals einseitig festlegen lassen. Wir wollen das Varlament niht ausschalten lassen von der Führung der Geschäfte des Staats. Aber ein Parlament darf nicht einer Regierung immer in den Arm fallen und muß es ertragen, unpopuläre Maßnahmen auf fh zu nehmen. Bismarck hat einmal gesagt, daß jede Regierung der Korrektur durch das Parlament und eine freie Presse bedarf. Wir sind der Meinung, daß in dieser Krise des Parlaments alles getan werden muß, um die Volksrechte, für deren Erkämpfung sih auch die Sozialdemokratie eingeseßt habe, nicht verlorengehen zu lassen in einem Augenblick, in dem die Not der Wirtschaft die Ueberlegung der Massen behindert. Wenn wir die Volksrehte nicht zugrunde gehen lassen wollen, müssen wir eine starke arbeitsfahige Me rheit bilden und Sympathie und A ee »as Wohl des Staates zurückstellen, Wir sind niht der Meinung des Abg. Brückner, daß dabei die eine Partei die andere mazjorisieren soll. Die Führung wird sih nachher shon von selbst herauskristallisieren. Wir fühlen uns durchaus niht als reuige Sünder, sondern wic sind frei von jeder Bindung und bereit, uns auf ein praktishes Arbeits- programm zu einigen. Der Redner erinnert an die Zeit nah dem Ruhrkampf und der Jnflation, um zu betonen, daß das Zentrum damals wie heute, unter Marx wie unter Brüning, unpopuläre Maßnahmen auf sich genommen habe, daß für das Zentrum immer erster Grundsaß gewesen sei, das Vaterland zu retten, auch wenn die Partei dabei zugrunde gehe. Auch heute ershöpfe sih die Opposition des Zentrums niht im Negativen, sondern sie sei durhaus bejahender Natur. Wenn sie auch das Programm der Regierung Papen nicht für rihtig hält, so sei sie doch zu einer Zusammenarbeit auch im Reiche bereit. Jn den Verhandlungen, die zwischen Zentrum und Nationalsozialisten in den leßten Wochen gepflogen wurden, sei ein Arbeits- beschaffungsprogramm zustande gekommen, das nach Meinung des Hentrums schneller durchzuführen und besser zu finanzieren sei und die Staatsfinanzen niht in Unordnung bringe. Wenn die Zusammenarbeit mit uns, so erklärt der Redner weiter, so furhtbar s{hwer wäre, wie Herr Heilmann gemeint hat, daun würden die Sozialdemokraten diese Zusammenarbeit nicht so gut überstanden haben. Heilmann hat \sich auf Herrn Dr. Heß be- rufen, der gesagt Faden soll, daß mit der radikalen Rechten niemals in einer Koalition zusammengearbeitet werden könne. Sie (zu „den Sozialdemokraten) kennen Herrn Dr. Heß viel zu prnau, als daß Sie glauben könnten, daß dieser kluge Mann en veränderten politishen Verhältnissen niht Rehnung getragen ätte. Wer heute eine starke Mehrheitsbildung im Reiche ver- indert, besorgt die Geschäfte des Herrn Hugenberg. Das wollen auh Sie nicht, Herr Heilmann. Das war der Widerspruch in Jhrer Rede. Wenn Hugenberg im neuen Wahlkampf die Schlüsselstellung erhält, die er erstrebt, dann wird dadurch die Regierung Papen gefestigt, hinter der nicht der geringste Volks- willen e t, Die Regierung DOEng ist es gewesen, die uus auf außenpolitishem Gebiet zu Erfolgen geführt hat, die von der jeßigen Regierung nicht vertieft worden sind. rüning hat bewiesen, daß es. möglih ist, mit einer autoritären Regierung die Schwierigkeiten zu meistern, die sich aber troßdem den breiten Massen des Volkes verantwortlih fühlt und eine Mehr- heit hinter sich hat. Brüning hätte niht drei Milliarden in

Lausanne unterschrieben, denn er konnte es niht und hatte sid