4932
Landestheile, eins{ließlich des Geldwerthes der Freiholzabgaben, in Vergleich stellt mit dem Bruttoertrag der alten Landestheile, welche ähnlihe Forstkultur-Verhältnisse haben. Jch meine die Provinzen Rhein, Westfalen und Sachsen. Daraus ergiebt sih nun, daß der vorliegende Etat für die neuen Landestheile einen Bruttoertrag in Aussicht stellt von 55 Sgr., während in den bezeichneten alten Landes- theilen der Bruttoertrag im Jahre 1866 59 Sar. betragen hat. Auch diese Uebereinstimmung der Zahlen deutet wohl daraufhin, daß die Ansäße des Etats für die neuen Landestheile als angemessene betrachtet werden können. Für die neuen Landestheile is allerdings der Reinertrag ein sehr bc- schränkter, er is um 1,9 Sgr. geringer, als durchschnittlich für die übrige Gesammtmonarchie, und er ist sogar um 12 Syr. geringer, als in den zur Vergleichung geeigneten westlichen Provinzen, Rhein, West- falen nnd Sachsen. Meine Herren, dieser geringe Reinertrag der Staat®forften in den ueuen Landcstheilen is eine Folge cinerscits der dort allerdings noch schr hohen Administrationskosten, andererseits haupt- sächlich aber ist er eine Folge des Umstandes, daß die Forsten in den neuen Landestheilen noch ganz außerordentlich mit Servituten und Freiholzabgaben belastet sind. Von welchem Belange dies ist, werden Sie, meine Herren, ermessen, wenn ih erwähne, daß allein im han- noverschen Harz durch Freiholzabgaben der Staatskasse ein Verlust erwächst von 340,000 Thlr. , daß ferner im Regierungsbezirk Cassel auf Grund eines dort bestehenden besonderen Geseßes Über die Verwerthung der Waldprodufte der größte Theil des Holzein- \chlages nach geseßlich festgestellten Taxen aus freier Hand weggegeben werden muß; ferner daß im Regierungsbezirk Cassel circa 15 pCt. der gesammten Staatsforsten aus sogenannten Halbengebrauchswaldun- gen besteht, aus welchen nah Abzug der den Berechtigten zustehenden Bezüge wenig oder gar kein Reinertrag übrig bleibt. Diese auch volkswirthschaftlih schr ungünstigen Verhältnisse zu bescitigen , is die Staatsregierung eifrig bemüht. Es liegt aber in der Natur der Sache , daß damit nur langsam vorgegangen werden kann , und wir werden uns his dahin , wo die Purifikation der dortigen Waldungen erreicht sein wird, mit geringeren Reinerträgen begnügen müssen. Meine Herren, wenn in der Presse und namentlich in österrcichi- hen Blättern, neuerdings die tendenziöse Behauptung verbreitet wor- den ist, daß die preußische Forstverwaltung nicht mehr nachhaltig wirth- \chafte, sondern, um nur viel Geld zu beschaffen, übermäßig viel Holz schlage, so halte ih mich verpflichtet, Jhnen die beruhigende Versiche- rung zu geben und hier öffentlich zu erklären, daß diese Behauptung durchaus unwahr ist. Meine Herren, es gehört cine große Portion Unwissenheit oder Böswilligkeit, vielleicht auch Neid dazu, wenn man daraus, daß die Einnahme für Holz in den preußischen Staatsforsten \cit dem Jahre 1849 bis 1865 von 45 auf 95 Millionen Thaler ge- sticgen sind, deduziren will, dies könne nicht mit rechten Dingen zu-
gchen und fönne nur durch cine Raubwoirthschaft erreicht werden. Nein, meine Herren, es is} tas die naturgemäße Folge eines intelligenten Wirthschaftsbetriebes und einer günstigen Entwickelung der forstwirth- \chaftlichen Ertragsverhältnisse überhaupt. Ein ganz ähnliches Steigen, wie es bei uns stattgefunden, hat in allen übrigen deutschen Staaten mit fleißiger und intelligenter Forstwirthschaft auch stattgefunden Bei uns beträgt das Steigen von 1849 bis 1865 107 Prozent,
in Bayern beträgt es für denselben Zeitraum 102 Prozent und jene 107 pCt. lassen sich auch rechnungsmäßig ganz genau nach- weisen. Sie sind herbeigeführt erstens durch die sorgfältigere Aus- nußung und Verwerthung der Hölzer, durch die Verbesserung der Transportmittel mittelst Eisenbahnen, Chausscen, Wegebauten und die Eröffnung neuer Wasserstraßen, namentlich in Preußen und durch die steigenden Holzpreise und erhöhte Nußholzkonsumtion im Allge- meinen. Der Effekt dieser verschiedenen Momente, meine Herren, stellt sih dar in einem Steigen der Nußholzquoten in dem angegebenen Zeitraume von 21 bis 31 pCt. und in dem Steigen der durchschnittlichen Verwertihungspreise für den Kubikfuß Derbholz von 1,3 auf 2,2 Sar. Hierdurch, meine Herren, haben wir schon einen Zuwachs von 70 pCt. ‘Das Steigen is} ferner herbeigeführt durch den verbesserten Zustand der Waldungen überhaupt, durch den intensiveren Kulturbetrieb und durch die Verbesserung und Erhöhung des Ertragsvermögens der Forsten. Durch die Taxationsrevision i} ermittelt, daß hierauf 18 pCt. Stei- gerung zu rechnen sind. Es i} diese drittens herbeigeführt durch die fortsreitende Ablösung der Forstservitute und namentlich der Frei- holzberechnungen. Wir haben, meine Herren, von 1849 bis 1865 auf die Ablösung von Forstservituten, namentli Freiholzberechtigungen, ein Werthkapital von 10,000,000 Thlr. verwendet.
Die Zinsen dieses Kapitals ergeben ein Steigen von 19 pCt. Diese 19, 18 und 70 pCt. stellen genau jene 107 pCt. dar. Meine Herren, der Holzeinschlag in den preußischen Staatsforsten bewegt sich seit einer teihe von Jahren zwischen 14 und 155 Kubikfuß jährlicher dur- \chnittlicher Abnußung pro Morgen Holzboden. Wie mäßig das ist, meine Herren, werden Sie daraus ermessen, daß nach den schr mäßigen Ertragstafeln von Pfeil bei den gewöhnlichen Umtriebszeiten auf einem Boden, welcher in der Mitte steht zwischen den beiden \chlech- testen Boden , der jährlihe Durchschnittszuwachs pro Morgen für Kiefern 15, für Buchen 19 und für Fichten 32 Kubikfuß beträgt, der Durchschnitt dieser drei wichtigsten Holzarten ist also 22 Kubikfuß. Wenn wir nun blos 14 bis 155 Kubikfuß abnußen, so ernten wir damit schr mäßig, und find mit dieser Abnußung auch noch erheblich hinter der Abnußung zurückgeblieben, die in andern Staaten stattge- funden hat. So hat dieselbe beispielsweise im Jahre 1865 betragen im vormaligen Königreich Hannover 225 Kubikfuß, in Bayern 23, in Sachsen 83.
Meine Herren! Jh gebe Jhnen die Versicherung und verbürge mich dafür, daß in der Abnuzung der preußischen Staatsforsten die Grenze der unbedingten Nachhaltigkeit, so lange ih die Ehre habe, der technischen Leitung der Verwaltung vorzustehen, weder bisher je Über- schritten worden ist, noch künstig je überschritten werden wird.
—- Ju dem Etat für die Verwaltun : der geistlichen 2c. Angelegenheiten gab der Geheime Ober-Regie: rungs-Rath Dr. Knerfk folgende Erläuterungen :
Meine Herren ! Der Jhnen vorliegende Etat des Kultus-Minis, riums weist bei den Einnahmen ein auf Seite 12 speziell erläutertes Mehr ven 310 Thlr. nah. Derselbe ergiebt ferner, daß es möglich gewesen ist, zu neuen fortdauernden Ausgaben die Sunune von 234,663 Thlr. zu übernehmen. Es vermindert \ich solche um 1000 Thaler, welche zur Erhöhung der Besoldungen des Unter-Staats-Setre, tärs und des Präsidenten des Evangelischen Ober-Kirchen-Raths in Ansaß gebracht waren, nah dem Beschlusse des Staats-Ministeriums aber wieder abzuseßen sind; ferner steht derselben ein Ersparniß von 9731 Thlr. gegenüber, so daß die Staatskasse nur mit ciner Mehraus. gabe von 223,932 Thlr. belastet wird. An der eben genannten Summe find mit wenigen Ausnahmen sämmtliche Zweige der Verwaltung des Kultus - Ministeriums betheiligt. Jch darf mich wohl Ihrer Zustimmung, meine Herren, erfreuen, wenn ih e unterlasse, Jhnen in Zahlen vorzuführen, welche Beträge den cinzelnen Titeln zugewiesen sind, da der Etat und die demselben beigefügten speziellen Nachweisungen hierüber genaue Auskunft geben Hervorzuheben erlaube ih mir nur, daß zur L a Besole dungen der Universitätslehrer 10,000 Thlr., zur weiteren Ausführung des Normal-Besoldungsctats für die Direktoren und Lehrer an den Gymnasien landesherrlichen Patronats 10,000 Thlr., zur Verbesserung des Diensteinkommens der Elementarlehrer 100,000 Thlr., zur An. stellung von zwei Lehrern der Landwirthschaft an den Universitäten Königsberg und Breslau 2400 Thlr. und zur Reorganisation des Medizinalwesens in der Provinz Nassau 7220 Thlr. in Ansaß gebracht worden sind. Jch thue dies besonders deshalb, um den Beweis zu liefern, daß das Kultus-Ministerium bemüht gen ist, den von dem Hohen Hause bei der Etatsberathung pro 1868 gefaßten Beschlüssen so weit als irgend thunlich Rechnung zu tragen. Sämmtliche Mehr- ausgaven sind in der Anlage A. speziell erläutert; ih beziehe mi, um Wiederholungen zu vermeiden, auf diese Erläuterungen und hbe- halte mir vor, dieselben bei der Spezialberathung auf Verlangen zu ergänzen.
5 Zum Bedauern der Regierung haben in Folge der allgemeinen Finanzlage viele Bedürfnisse auf dem Gebiete der Unterricht8verwaltung unbefriedigt bleiben müssen, und die Beschlüsse des Hohen Hauses wegen Erhöhung der Dotationen für die Akademie der Wissenschaften und für die hiesige Königliche Bibliothek niht zur Ausführung gebracht werden können.
Dem Extraordinarium sind nur 476,520. Thlr., mithin gegen den Etat von 1868 222,684 Thlr. weniger zugewiesen worden. Jn Folge dessen hat man sih darauf beschränken müssen, zur Fortseßung der von dem Hause bereits genehmigten und in Angriff genommenen Bauten mäßige Beträge zum Ansaß zu bringen, dagegen zum großen Bedauern der Regierung, mit wenigen Ausnahmen, von der Erbik- tung erster Bauarten für Neubauten bei den Universitätsinstituten, Gymnasien und Seminarien ganz zu abstrabiren.
In der Hoffnung, daß der Etat pro 1870 der Unterrichtsverwal- tung die zur Befriedigung der vorliegenden dringenden Bedürfnisse erforderlichen Mittel wird gewähren können, soll die unausgeseßte Sorge darauf gerichtet sein, alle Vorbereitungen so zu treffen, daß mit der Ausführung der Bauten nah der Feststellung des Etats pro 1870 unverweilt vorgegangen werden kann.
— Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Mühler erwiderte dem Abg. Richter (Sangerhausen) Folgendes:
Der Herr Abgeordnete hat Veranlassung genommen, bel der Einleitungsdebatte über das Budget des mir anvertrauten Ministeriums cinen Ueberblick über das System zu geben, nach welchem die Verwaltung dieses Ministeriums nach seiner Ansicht geleitet wird. Er hat diesen Ueberblick über die ver- schiedenen Gebiete und Zweige derselben hin geführt. Jch folge ihm auf diesem Gange in derselben Reihenfolge, die er aufge stellt hat, und fasse zuerst die Verhältnisse ins Auge, die si in Beziehung auf die evangelische Kirche ihm dargeboten haben, Den Schlüssel zu der Verwaltung, welcher vorzustehen ih die Ehre habe, hat er in ciner Auffassung zu finden geglaubt, oder in meinem System, welches den Grundsäyen der Selbstver- waltung auf diesem Gebiete durhaus zuwider sei, welches Alles nur von oben her, von einem Punkte aus, reguliren und be- herrschen wolle und der Freiheit der Entwickelung, 0 sie sich rege, Schranken entgegenseze. Jh kann ihm dies seine Behauptung eben so wenig zugeben, wie ih dic Beweise, die er dafür anführt, als richtig und stringent ant kennen fann. Wenn er zurückblickt auf Momente meint eigenen Vergangenheit, so hätte er wohl auch, insofern er s eben mit der Person beschäftigt, auf öffentliche Manifestationen auf dem Gebiete der Literatur zurückgehen können, die von mir ausgegangen sind, und in denen ih gerade für den Bereich der evangelischen Kirche und der evangelischen Kirchenverfassung !n einer umfassenderen wissenschaftlichen Arbeit den Grundsaß einer synodalen Entwickelung als eine Nothwendigkeit für die evan gelische Kirche unseres Vaterlandes anerkannt habe. — Son dazumal — 8s ist vor 22 Jahren gewesen — bin ich auf v Wege hinzuweisen bemüht gewesen, wie diesem Ziele näber gé treten werden könne. Es ist richtig, daß ih vor zwei Jahrel) als hier über das Budget des diesseitigen Ministeriums berathen wurde, sagte, daß ih das als eine Wohlthat, die meinem
des Ministeriums
4933
inisterium zu Theil geworden sei, anerkenne, daß fi
Mim die Kirche in Frieden habe weiterbauen fönnen. Wenn nun aber in leßterer Zeit eine größere Unruhe auf diesem Gebiete sich gezeigt hat, jo kann ich das do nicht als ein Unglück und einen Schaden für die Sache ansehen. Denn die Bewegung hat ihr Gutes und eben aus der Bewegung und dem Kampfe — davon bin ich fest überzeugt — wird sich gerade ür unsere evangelische Kirche Vieles und Gutes entwickeln, und ih bin nicht derjenige, der die Bewegung und den Kampf heut, wenn er geboten wird. Aber wenn man mir den Vor- wurf macht, daß in den zwei Jahren, die rückwärts liegen, die Entwickelung der synodalen Verfassung auf dem kirchlichen Gebiete keine weiteren Fortschritte gemacht habe, so ist das cin Vorwurf, den ih für meine Person nicht annehmen fann. Es liegt diese Entwickelung nicht in meiner Hand, ih habe nach der bestehenden Verfassung dabei nur ein beglei- tendes Votum, dergestalt, daß ih durch meinen Einspruch zwar bis zu einem gewissen Grade Schritte hindern fann, aber ich habe nicht die Jnitiative. Allerdings wäre es mein lebhafter PVunsch gewesen, daß in diesen zwei Jahren die Entwickelung des synodalen Wesens in unseren alten Provinzen jedenfalls bis zur Stufe der Provinzialsynode zur Ausführung gekommen wäre. Denn ich halte dafür und spreche cs ganz offen aus, daß die Vildung einer evangelischen Provinzialsynode in unse- ren östlihen Provinzen — die westlichen besißen eine solche — das nächste Und dringendste Bedürfniß und die unerläßliche Aufgabe unserer Kirchenentwickelung is, und daß, was in meinen Kräften stcht, um dieses Ziel zu erreichen, — und ¡war in einer Weise, die kein bloßer Schein ist, sondern der Synode einen wirklichen Repräsentativcharakter verleiht — ich es daran nicht werde fehlen lassen.
Gehe ih von da über auf das, was in den neuen Pro- vinzen geschehen, so sind in der so eben gehaltenen Rede nur zwei Provinzen erwähnt, Hessen und Hannover, beide nicht in dem richtigen Lichte. In Hannover fand die preußische Regie- rung, als das Land unter lhre Leitung kam, ein Geseß vor, wel- ches die Bildung von Kirchenvorständen, von Bezirkssynoden und demnächst einer Landessynode vorschrieb. Zur Ausführung gebracht war in dem Augenblicke, wo die preußische Regierung eintrat, nur die Bildung der Kirchenvorstände. Gleich in den ersten Vochen, nachdem das Land preußisch geworden, ist es geschehen, daß das preußische Gouvernement, das Ministerium, dem ich vorstehe, nah Hannover hin ganz bestimmte Anweisungen er- ließ, daß mit der Bildung von Bezirkssynoden und demnächst der Landessynode unverzüglich vorgegangen werde, und es ist von da an in kurzen Terminen der Fortschritt der Sache genau kontrolirt und gefördert worden, in aller und jeder Veise, Die Schwierigkeit der Durchführung lag auf dem Gebiete der Administration. Die Abgrenzung der alten Superintendenturbezirke inm vormaligen Königreich Han- nover beruhte nämlih zu einem großen Theile auf ganz alten historischen Entstehungsgründen ; es fanden sih Stellen vor, wo ein Synodalbezirk in zwei oder drei von einander räumlich getrennte, wie Inseln zerstreut belegenen Stücke zerrissen war, während die dazwischen liegenden Stücke wieder andern ange-
| hörten. Daß eine solche territoriale Zersplitterung nicht eine rich-
tige Basis darbieten konnte, um einer in sich konsolidirten Syno- dalverfassung zum Unterbau zu dienen, war offenbar ; es mußte also, wenn man die Bildung von Bezirkssynoden so ins Leben führen wollte, daß darin eine dauernde Grundlage geschaffen würde, eine Ausgleichung dieser Unzuträglichkeiten eintreten, die zum Theil nicht ohne langwierige Verhandlungen , auch nicht ohne Aufwendungen aus den zur Verfügung der Regierung stchenden Mitteln hat geschehen können. Erst auf diesem Wege i es möglich geworden, daß in dem E en Momente bon hundert und einigen Synoden der Provinz Hannover zwei Drittel bereits zusammengetreten und in Uebung sind, das leßte drittel in der ersten Hälfte des kommenden Jahres zusammen- ireten wird, und der Zusammentritt der Landessynode, wie mir von den Behörden jeßt berichtet und versichert worden ist, mit Sicherheit im Herbste des bevorstehenden Jahres erwartet werden kann. ch bin den Kirchenbchörden in Hannover das Zeugniß s{ul- dig, daß sie in dem Fortgange dieser Angelegenheit mit der rößten Gewissenhaftigkeit zu Werke gegangen sind und den lhnen ertheilten Anweisungen genau Folge geleistet haben; ich habe nie wahrzunehmen Gelegenheit gehabt, daß sie mit hinter- haltigen Gedanken die Ausführung ‘der Synodalordnung zu hintertreiben bemüht gewesen seien, vielmehr muß ich ihnen das Gegentheil bezeugen.
Wenn der Herr Abgeordnete auf Berufungen , die in der Provinz Hannover stattgefunden haben, Bezug nimmt, so ge- stehe ich, ich weiß nicht, welche er damit meint ; es haben feine Berufungen stattgefunden in dem Sinne, den er hier bezeichnet
9 Förderungen einex preußenfeindlihen Gesinnung. Mir wird so eben der Ober-Konsistorial-Rath Uhlhorn genannt, Der
Ober - Konsistorial - Rath Uhlhorn hat unter der preußischer Regierung keine neue Stellung erhalten, er is nur in denjenigen Stellungen verblieben , die ihm bereits unter dem früheren Gouvernement überwiesen waren. Er ist Mitglied des Landeskonsistoriuums und des Konsistoriums in Hannover gewesen, noch che die preußishe Regie- rung in Funktion trat, und in dieser Stellung is} er noch gegenwärtg.
Was die Fonds anlangt, auf welche der Herr Abgeordnete Bezug genommen hat, welche sih in unserem Etat aufgeführt finden, jo sind dieselben wohl zum größten Theil — ih glaube, wenn man sie speziell durcginge, würde es fast von allen nach- zuweisen sein — in ihren Verwendungen so bestimmt, daß zu elner freieren und selbstständigen Dispofition Über dieselben durch andere Organe kaum noch cin Raum übria bleiben möchte. Jch kann aber versihern , daß prinzipiell ganz und gar fein Grund für die Staatsregierung vorhanden ist, ciner Synodalverwaltung, wenn sie \sich erst entwickelt haben wird, auch aus den der Staatsregierung zu Gebote stehenden Mitteln für die den Synoden zuständigen Gebiete das Ent-
sprechende vorzuentyhalten; ein prinzipieller Grund besteht dem gegenüber nicht.
__ Ich gehe von Hannover über zu Hessen und antizipire vielleicht, wenn ich schon jeßt einige Worte über die Proposition der Staatsregierung sage, welche darauf hinausgeht, für die Bildung eines Gesammtkonsistoriums in Marburg die ent- sprechenden Mittel vonSeiten der Landesvertretung zu erhalten. Jn der Provinz Hessen waren es drei Konsistorien, welche die Re- glerung vorfand, eines in Cassel, eines in Marburg und eines in Hanau. Die Bestellung dieser drei Konsistorien hatte ihren Grund in den Verwaltungseinrichtungen, welche die kurhessische Regierung im Jahre 1821 hatte ins Leben treten lassen. waren damals vier Regierungen in Hessen geschaffen worden und da die eine dieser Regierungen, die in Fulda, nur eine geringe Zahl von evangelischen Bewohnern in ihrem Bezirke hatte, so hatte man sich auf die drei Konsistorien in Hanau, Marburg und Cassel beschränkt und diese an die dort vorhandenen Regierungen angelehnt. Mit dem Wegfall dieser drei Regierungen und der Einrichtung eines Gesammt- Regierungskollegiums für Hessen hat auch die Möglichkeit auf- gehört, diese drei Konsistorien bestehen zu lassen, es blieb nur Übrig, ein Konsistorium an deren Stelle zu seßen. Die Wahl des Ortes Marburg hat wesentlich darauf beruht, daß in der Zeit, in welcher Hessen noch eine einheitliche kirchliche Gestaltung hatte, ehe die Scheidung in Reforinirte und Lutherische eintrat, die sich erst in späterer Zeit vollzog, Hessen in Marburg seinen Mittelpunkt hatte, daß Marburg die älteste protestantische Universität in Deutschland is, daß die Zujammen- sezgung der Fakultät die Garantie bot zu einer gesun- den und keineswegs einseitigen tendenziösen Entwickelung, wie das Gegentheil irrigerweise von dem Herrn Vorredner vor- ausgeseßt worden ist. Es trat noch das Moment hinzu , daß von den vorhandenen Konsistorien das in Hanau namentli den Wunsch hatte , Marburg möge als Mittelpunkt gewählt werden, weil es räumlich am meisten in der Mitte des Landes liegt; und endlich is auch das Motiv noch von der Staats- regierung nicht ganz außer Acht gelassen , daß dieselbe , ihrer ursprünglichen Ansicht nach, für die ganze Provinz Nassau- Hessen ein Gesammtkonsistoriuum gewünscht hatte, und daß fie erst später von diesem Plan hat abgehen müssen , weil die Verschiedenheit von Nassau einerseits und Hessen andererseits eine zu große war, als daß eine Zusammenschmelzung dieser beiden Be- standtheile in dem kurzen Uebergangstermin von Einem Jahre, in dem die Regierung frei walten konnte, sich hätte bewirken lassen. Sobald das Gesammtkonsistorium in Marburg ins Leben getreten sein wird, wird es die erste Aufgabe desselben sein — und die Vorbereitungen sind bereits in dieser Beziehung ge- troffen — auch für Hessen die Einrichtung einer Synodal- ordnung herbeizuführen.
In Nassau und in dem ganzen Bezirke des Konsistoriums von Wiesbaden sind die nöthigen Schritte dazu bereits geschehen, das Konsistorium zu Wiesbaden hat eine Presbyterialordnung, in Anlehnung an die Bestimmungen der rheinisch-westfälischen Kirchenordnung, entworfen, es hat zu deren weiteren Durch- führung die Genehmigung der Regierung erhalten, und dieser Entwurf wird jeßt an die Kirchenvorstände in Nassau gehen, um, von diesen begutachtet, demnächst ins Leben geführt zu werden. — In gleicher Weise sind Aufträge an das Konsisto- rium in Kiel ergangen, welches ebenfalls für Schleswig-Holstein die weiternSchrittezu thun beauftragt ist, um eine presbyteriale und demnächst eine synodale Ordnung für diese Provinz ins Leben zu führen. Jch führe diese Thatsachen als Belege an, daß die Königliche Staatsregierung weit entfernt davon ift, einer selbstständigen Entwickelung der evangelischen Kirche in den ihr neu zugefallenen Landestheilen entgegentreten zu wollen, daß
61745 ®