1868 / 296 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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die ZJinsgarantie bis zur Hälfte des Anlagekapitals Über- nehmen soll. ; ; : :

Das Folkething verwarf heute die Forderung des Ma- rine-Ministers, die zum Bau cines großen Panzerschiffs erfor- derlichen Mittel zu bewilligen. :

13. Dezember. (W. T. B.) Seitens des Königs von Dänemark und des Prinzen von Wales find Telegramme an den König Georg nach Athen gerichtet worden , um denselben zu bestimmen, den gerechten Forderungen der Pforte zu ent- \sprehen und ihn auf die Gefahren aufmerksam zu machen, welche die Situation für die Dynastie herbeiführen könnte.

Amerika. New-York, 9. Dezember. Aus Neuschott- land sind hier Nachrichten von einem heftigen Sturme ein- getroffen. Jn Halifax richtete derselbe zu Land und Wasser großen Schaden an; 30 Schiffe wurden mehr oder minder be-

schädigt.

D Asien. Hongkong, 21. November. Englische Kriegê-

schiffe find nach Nanking abgegangen, um die Ansprüche des englischen Konsuls auf Entschädigung für die in Hangtschau und auf Formosa verübten Gewaltthaten zu unterstüßen. An ersterem Orte machten 500 Chinesen einen Angriff auf das britische Missions8haus; in Formosa verweigerte ein Mandarin

den sich zu ihm Flüchtenden Schut.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 14. Dezember. Jn der Sizung des Hauses der Abgeordneten am 12. d. M. äußerte bei der General-Diskussion über den Etat der geistlichen 2c. Angelegenhciten der Minister Dr. v. Mühler, in Anschluß an die Rede des Abg. Wehren- pfennig, was folgt : 10

Der Herr Abgeordnete , der so eben gesprochen hat, ist in seiner Rede von einer Auffassung ausgegangen, die ih voll- kommen theile.

Ja, meine Herren, er ist ausgegangen von der Auf-

fassung, daß der Standpunkt, den das Unterricht8wesen im 16. Jahrhundert eingenommen hat, für heute, für das 19. Jahrhun- dert nicht mehr durchaus passe, daß Entwickelungen in dem Kultur- leben vorgegan en seien, die nicht ignorirt werden bürften. Das

ist ein Saß, den die Geschichte unsres Unterrichtswesen8 von Schritt zu Schritt und von Stufe zu Stufe belegt, der aber in keiner Weise die Konsequenzen und die Vorausseßungen recht- fertigt, welhe im Laufe des Vortrages vorgekommen sind. Allerdings ist von der Zeit der Reformation her bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts für die höheren Bildung8anstalten ein anderes Prinzip nirgend in Deutschland anerkannt gewesen, als das der ausschließlich konfessionellen Gestaltung der einzelnen Schulen. Die Reformation hat zuerst auf dem Gebiete der evangelischen Kirche höhere Bildungs8anstalten auf dem Fuße, wie wir sie heute besien und mit dem Namen der Gymnasien zu bezeichnen pflegen, ins Leben gerufen. Die katholische Kirche " Folgte ihr nicht lange danach, und beide Klassen von Bildungs- anstalten gingen parallel, in häufigem Kampfe und Widerstreit mit einander, den Gang ihrer Entwicklung. Das höhere Schul- wesen wurde zur Zeit des westfälishen Friedens und noch zur Zeit des Reichsdeputations - Hauptschlusses in dem Maße als ein Annexum der kirchlichen Gliederung angesehn, daß es in diesen genannten Reich8akten als. Perti- nenz derjenigen Religionspartei bezeichnet wurde, welcher ein größeres oder geringeres Maß von Berechtigung in einem Lande zuerkannt wurde. Wenn in einem Lande einem der beiden Bekenntnisse der öffentlihe Religionsstatus garantirt war, so wurde ihm gleichzeitig damit nicht nur der Besiß seiner kirchlichen Anstalten, sondern auch die damit verbundenen und in Zusammenhang stehenden höheren Unterrichtsanstalten als ein rechtmäßiger konfessioneller Besiß garantirt. Dieses Prinzip und die daraus für die Konfession hervorgehende Berechtigung ist auch in der eklatantesten Weise von dem Könige Friedrich 11. anerkannt worden. Als durch päpstliche Bulle der Jesuiten- orden aufgehoben wurde, war es König Friedrich der Große , welcher den Jesuitenorden in Schlesien nicht aufhob, sondern ihn fortbestehen ließ, so lange bis er zu einer Reorga- nisation des höheren Schulwesens schreiten konnte. Dann that er es, entzog aber die Mittel, welche der Jesuitenorden für das höhere Schulwesen besaß, nicht dem fatholishen Schulwesen, sondern er centralisirte fie zu cinem schlesishen katholischen Haupt-Schulfonds , aus welchem heutigen Tages noch die schle- sischen katholishen Gymnasien erhalten werden.

So isst nach jeder Seite hin-das Prinzip der Gerechtigkeit von unsern Königen gehandhabt worden, Die Entwicklung, die das öffentliche Leben und die Verhältnisse der Konfessionen in Deutschland genommen haben , hat aber vornehmlich seit dem Beginn dieses Jahrhunderts einen veränderten Weg eingeschla- gen. Vis zum Reichsdeputations-Hauptschluß waren im Großen

und Ganzen die Regierungen und die Bevölkerungen der Ein aaten konfessionell gleichartig, mit AußSnahmen , die sich a n Preußen zuerst entwickelt hatten. Durch den Reichddey B tions-Hauptshluß aber trat. diese Mischung der konfessionell Verhältnisse in Deutschland ein, daß kaum ein Stagt üb 4 blieb, wo nicht unter einem katholischen Regenten bedeutent evangelische Landstriche sih befunden hätten, und umgekehi E einem evangelischen Regenten bedeutende katholische U riche.

Im weiteren Verlauf der Geschichte ist ein Durheinande dringen der Konfessionen, eine Mischung dersclben in den vet schiedenen Landestheilen in einem noch viel höheren Maße her vorgetreten. Die Natur eines großen Staates bringt es mj sich, daß nicht in jeder Stadt und in jeder Provinz, für jedes Amt und für jede Stelle die konfessionelle Frage und die foy, | fessionelle Eigenschaft dessen, der da berufen werden soll, maß, gebend sein kann, sondern daß bei der Berufung sehr oft evange: lische Beamte, evangelische Staatsdiener in katholische Gegenden kommen und umgekehrt. Es ist eine Nothwendigkeit, daß die Bevölkerung beider Konfessionen sih gegenseitig kennen und achten lernen muß, wenn der Bestand des Staates gesichert sein soll. Dieses Nesultat des gegenseitigen sich kennen und achten Lernens is bei uns in der preußischen Monarchie , wir dürfen es mit Dank gegen Gott bekennen, in einem Maße ent- wickelt, wie vielleicht in keinem anderen Staate! Wir dürfen die Freude darüber ausdrücken, daß dieses gena e si kennen und achten Lernen , dieses gegenseitige Respektir, de; Rechte und Stellungen , die jeder Theil hat, gewiß no@ im Wachsen scin wird, und daß, wo Vorurtheile auf der elnen oder andern Seite noch bestehen , dieselben in einem sffigenden Maße ihren Boden verlieren werden. Diese Mischung dex kon fessionellen Verhältnisse hat dann aber mit Nothwoendigke? da: hin geführt, daß die scharfe und absolute Scheidung “zwischen rein evangelischen und rein katholischen Anstalten nicht durdy weg hat aufrecht erhalten werden können und aufrecht erhalten werden dürfen. Die ersten Fälle dieser Art, daß aus konfessio- nell gesonderten Anstalten Simultananstalten für Evangelische und Katholische entstanden , sind gerade aus solchen Terri torialveränderungen hervorgegangen. Dies is zuerst ge \shehen in Essen und in Erfurt, wo früher zwei verschie- dene, fkonfessionell geschiedene , kaum lebensfähige Anstalten vorhanden waren und wo durch die Vereinigung dieser beiden schwer lebensfähigen Anstalten auf dem gemeinsamen christlichen Boden je eine lebensfähige hergestellt worden ist. Das war die Arbeit der preußischen Regierung. Als im Jahre 1862 ein Fall , den ih in der vorigen Sißung schon erwähnt habe von dem Herrn Abg. von Sybel der Antrag gestellt wurde, alle höheren Lehranstalten der preußischen Monarchie , so weit sie nicht durch Statut ausdrücklih als konfessionell bezeichne! seien , für konfessionslos zu erklären , habe ih mich diesem An trage widersezt. Jch habe aber zu gleicher Zeit erklärt, daß die Königliche Staatsregierung keineswegs auf dem absoluten Prinziþ einer konfessionellen Schendung sämmtlicher Anstalten, auch der neu entstehenden , beharre , daß sie vielmehr , wo die gegebenen Verhältnisse es nothwendig machen und ein Bedürfni deutlid erkennbar sei , sie ihrerseits gern die Hand dazu bieten werde, daß gemeinschaftliche Anstalten für die beiden Konfessionen gründet würden. Diese Erklärung liegt in den Akten de Hauses. Es ist nun auch dem Magistrat in Breslau ganz il dem Sinne, wie im Jahre 1862 hier die Erklärung abgegeben ist, der Bescheid zu Theil geworden; es ist von Seiten der Regierung nicht der mindeste Widerspruch entgegengesech! worden , eine Anstalt zu gründen , welche für die beiden in Breslau bestehenden Konfessionen errichtet werden möchte. Der Magistrat hat dies aber nicht für annehmbar gehalten. Di Regierung hat keineswegs die Stellung genommen, daß L eine evangelische oder nur eine auss\ließlih katholische Ansta dort gegründet werden solle; sie hat die Hand zum Frieden gt boten, zur Ausgleichung der beiderseitigen Differenzen. Wenn nun von Seiten der städtishen Behörden und von Seiten der jenigen Herren, die den Anspruch derselben zu dem rge machen, die Frage so gestellt wird: konfessionslos oder e fessionell? so ist diese Scheidung nicht erschöpfend, sie umge! und verschweigt das in der Mitte Liegende, was durch gei lie Entwickelung seine Berechtigung auch in unserem a erhalten hat; sie verschweigt die Frage von Simultan- a paritätischen Anstalten. Daß die Königliche Staatsregierun bei der Festhaltung dieses Prinzips des Simultanen oder D 4 tätischen, Über welches hinauszugehen sie sich nicht veranla G funden hat, sich im Einklange befindet mit denjenigen e K säßen, welhe die Verwaltung des preußischen Unterricht wi früheren Stadien bereits an den Tag gelegt hat/ pi es ihr fkeineswegs darum zu thun ist, eine Schroff i der konfessionellen und religiösen Beziehungen erzeugen d wollen, wie es ihr fälschlicherweise zur Last gelegt wi“

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ie sich sehr wohl bewußt ist, für die Schule und in d daf Le nur die großen Grundsäße des religiösen und fittlichen Lebens zu pflanzen, zum Beweise dessen erlauben Sie, daß ich Jhnen einige Aktenstücke vorlegen darf, von denen das eine us der Verwaltung des früheren Staats-Ministers von Alten-

ein herrührt, und die ganz das au8drücken, was die König- liche Staatsregierung au heute noch festhält. Jn einem Er- lasse des Staats-Ministers von Altenstein vom 28. Juni 1826 eißt es unter Nr. 7: »Vor Allem muß der Lehrer bei dem eligionsunterrichte niht aus dem Auge verlieren, daß cs dem Staate darum zu thun ist, in den Mitgliedern seiner Schulen Christen zu erziehen, daß also auch nicht auf eine blos in der Luft schwebende, alles tieferen Grundes beraubte sogenannte Moralität, sondern auf eine gottesfürchtige sittliche Gesinnung, welche auf den Glauben an Jesum Christum und der wohl- begründeten Erkenniniß der christlichen Heilswahrheiten beruht, hingearbeitet werden muß. «

Das ist das Prinzip, welches für das höhere Unter- rihtswesen in dem Jahre 1826 von dem Minister von Alten- stein etablirt worden ist und ferner befolgt wird. Es liegt noch eine andere Verfügung vor aus dem Jahre 1859, und zwar das Reglement für die Realschulen. Darin heißt es: »Die höhere Aufgabe der beiden oberen Klassen der Realschulen darf nicht dazu verleiten, Theologie statt der Religion zu lehren ; es fommt darauf an, den Jünglingen, die in diesen Klassen über Religion zum lehten Mal eine eigentliche Unterweisung bekom- men, die rechte Ausrüstung für das Leben mitzugeben. Die Behandlun der evangelischen Heilslehre muß ihren Au®Lgang und ihre egründung immer im Zusamenhange der heiligen Schrift finden und den ethischen Gehalt der Lehren in Bezug auf die kirchliche Gemeinschaft und das innere Leben des Ein- zelnen fruchtbar zu machen sich angelegen sein lassen. Die kon- fessionellen Unterscheidungslehren müssen besprochen werden, aber von dem Bewußtsein aus, daß in denselben die kirchliche Grundlehre und der protestantische Lehrbegriff so wenig wie der Inhalt des göttlichen Wortes sich crschöpft.

Für das Verständniß der heiligen Schrift in ihrem inneren Zusammenhange, welches eine Hauptaufgabe der Schule bildet, haben vereinzelte. Notizen aus der sogenannten Einleitung in das alte und neue Testament nur geringen Werth und find auf das Nothwwendigste zu beschränken. Dasselbe muß bei den Mittheilungen Über Sekten und Lehrstreitigkeiten geschehen, weil der kirchengeschichtliche Unterricht hier vielmehr die Aufgabe hat, die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden in großen Zügen darzustellen und biblisch zu begründen. « __ Meine Herren! Wenn Sie diese Erlasse sich vergegenwär- tigen, so glaube ih, daß die Hinweisung darauf allein genügt, um den Borwurf eines engherzigen Konfessionalis8mus, für den fein Grund vorhanden isst, zurückzuweisen. Auf die Spezia- lien in Beziehung auf die Unterrichts - Verwaltung einzugehen, glaube ih mir versagen zu dürfen, es würde leicht sein, auch diese Schritt für Schritt zu widerlegen. Jch bemerke nur, daß die Grundsäße, nach denen die preußische Schulvcrwaltung, so- wohl auf dem Gebiete des Elementarschulwesens, wie auf dem Gebiete des höheren Schulwesens zu Werke geht und welche für die Elementarschule in den bekannten Regulativen nieder- gelegt sind und für das höhere Schulwesen in den Aktenstücken, die ich vorgetragen habe, durchaus aicht übereinstimmen mit dem Bilde, welches der Herr Abgeordnete von den früheren Zuständen in Hessen uns vorgehalten hat, daß also die preu- ische Regierung keineswegs Willens sein wird, die früheren Zu- stände, wenn sie so sind, wie sie geschildert worden, zu erhalten, vielmehr das Schulwesen auf denjenigen Fuß zu bringen, wie (in unseren alten Provinzen bestanden hat und noch besteht. Ih beshränke mich auf diese Bemerkungen und behalte mrx vor, im weiteren Laufe der Diskussion, wenn noch That- sachen vorkommen, auch darauf Antwort zu geben.

_— Im weiteren Verlauf der Diskussion erwiderte der Ninister Dr. v. Mühler dem Abg. Grafen v. Bethusy-Huc : Der Herr Abg. Graf Bethusy-Huc hat in seiner Rede zwei Gegenstände vornehmlich zur Sprache gebracht, den konfessions- losen Charakter der Schule und die Kreissynoden. Jh werde mi bei der vorgerückten Zeit kurz fassen. Er begründet die Forderung, daß das höhere Schulwesen konfessionslos sein soll, auf den Saß, daß beide, Religion und Wissenschaft, sich am besten befinden würde, wenn ihre Gebiete getrennt sind, Eines at in das Andere eingreift. Dieser Sag hat auf den höheren lufen der wissenschaftlichen Bildung seine volle Berechtigung, und ih bitte Sie, auf unsere Universitäten zu blicken, in wel- den, soweit sie nicht ausdrücklich Bildungsanstalten für Theo- S der einen oder der andern Konfession sind, das Prinzip r wissenschaftlichen Freiheit unabhängig von dem konfessio- nellen Charafter seine vollständige Ausbildung erlangt hat. e Anderes aber is es, wenn es sich um Schulen handelt, 09 die Zöglinge eintreten, in die Gymnasien mit dem

9. Jahre, in die Vorschulen, die bei den meisten Gymnafien sind, mit dem 7. oder 8. Jahre, während sie erst mit dem 14. ann das Alter erreichen, welches sie befähigt, innerhalb ibrer Kon- fession ein bestimmtes religiöses Bekenntniß abzulegen, und wo der leßte Theil ihres Aufenthalts in der Schule, vom 14. bis 16. Jahre, in der Regel der kleinere und kürzere Zeitraum ist, den sie in dieser Anstalt zubringen. Jch glaube nicht, daß man Prinzipien, die auf einer höheren Stufe, bei dem s{hon heran- reifenden Jünglinge ihre S Ang haben, ohne Weiteres Übertragen kann, auf eine Stufe, die dem Kindesalter so nahe steht, R K Theil noch in demselben \ih befindet. eine Herren! Wenn die Meinung ausgesprochen ist, da das Wort »konfessionslos« in einer e eater Weise von der Gegenseite aufgebracht worden sei, so wird mir ja der Herr Abgeordnete aus Breslau bezeugen müssen, daß dieses Wort ae in den Vorstellungen des breslauer Magistrats ausge- prochen ist, und daß es dort als eine ganz bestimmte Forderung hingestellt ist. Nicht von Seiten der Regierung oder von irgend einer anderen Seite hat man jener Forderung diesen Namen aufge- drängt, Jene Seite hat diesen Namen selbst gewählt zur Be- zeichnung dessen, was sie damit hat ausdrücken wollen, und wäre dieser Au8druck ein in sich so klarer, nach allen Seiten hin durchsichtiger, daß man die Tragweite desselben übersehen fönnte, so würde das Ja oder Nein auf diese Forderung nicht blos an der Stelle, die zunächst darauf zu antworten hat, son- dern auch in den weiteren Kreisen der Presse und öffentlichen Bersammlungen, ih bîn es überzeugt. ein einfacheres und sichereres sein, als es im Augenblicke is. Welche Folgen, welche Konsequenzen hat der Ausdru: »fonfessionslo8«? Bezieht er sich nur darauf, daß evangelische u nd katholische Lehrer an solchen Anstalten fungiren können? Das ist etwas, was zulässig ist, Bezieht er sih darauf, daß auch ein jüdischer Lehrer an solcher Anstalt fungiren lann? Auch das ist vom Standpunkt evangelischer Toleranz für zulässig angesehen worden, und es findet statt. Bezieht er sih aber darauf , daß ein weder evangelisches, noch fatholisches, noch jüdisches, noch sonst einer be- stimmten religiösen Färbung angehörendes Religionswesen das herrschende und bestimmende an der Anstalt sein soll, so bin ih wohl berechtigt, die Frage aufzuwerfen und die Forderung zu stellen, daß man mir erst nachweise, was denn das für cine Religion und was für ein Religionswesen es sein solle. Ich, für meine Person, bin nicht im Stande, mir eine Religion vorzustellen, die weder evangelisch ist, noch katholisch, noch jü- disch, noch einen andern bestimmt ausgesprochenen Charakter hat. Jch erkenne auch an, daß in den beiden großen christ- lichen Konfessionen, der katholischen und der evangelischen, un- geachtet der tief greifenden Differenzen zwischen ihnen, doch eine große Summe gemeinsamen christlichen Bestandes vorhanden ist, die wohl im Stande if, auch unter gegebenen Umständen ein gemeinsames Unterrichtswesen zu tragen. Aber damit allein ershöpft sich die Frage niht. Die Schule kann sich in ihrer ganzen Existenz gar nicht losmachen von einer Menge bestimmter religiöser Fragen und Forderungen. Wie hat sich die religionslose Schule zu verhalten in Beziehung auf die Feier der Sonn- und Fest- tage? Soll sie den Sonntag allein feiern und den Sabbath, den Sonnabend, nicht? Dann is} das ungerecht gegen die Juden. Soll die religionslose Schule die katholischen und evangelischen Feiertage, die außerhalb des Sonntags liegen, allein feiern, so is es ungerecht gegen die Juden, die ihre be- sonderen Feiertage haben. Und wenn andere Religionsparteien noch an demselben Orte bestehen, die ihrerseits wieder andere Festtage haben, so haben auch diese, wenn der Begriff des kon- fessionslosen zur vollen Konsequenz durchgeführt wird, die Be- rechtigung zu fordern, daß an diesen Tagen nicht blos die Schüler ihrer Konfession von der Schulpflicht freigelassen werden, sondern daß die Schule selbst feiere. Bei einer so extendirten Berücksichtigung aller möglichen Feiertage würde aber ein geordnetes Schulwesen nicht bestehen können. Die Schule hat einen Unterrichtsstoff, in dem si das religiöse Wesen ganz entschieden aus8prägt. Die Schule hat ihre Schul- feierlihkeiten, und na den Prüfungen is es gewöhnlich und Üblich, daß wir am Schlusse einer solchen Feier das Lied zu singen pflegen: »Nun danket Alle Gott«, ein Lied, das gewiß feinen exfklusiv konfessionellen Charakter trägt, aber allerdings den christlichen Charakter hat, nicht einen ausschließlich evange- lischen oder fkatholischen. Es enthält aber dieses Lied in seinem dritten Verse das Bekenntniß zu dem dreieinigen Gott. Ja, wenn die Schule sich niht mehr christlich nennen darf, wenn sie konfessionslos sein soll, in dem Sinne, daß- auch jedes nicht christlihe Bekenntniß in voller Gleichberechtigung darin steht, so darf auch dieses Lied nit mehr gesungen werden, und Sie berauben die Jugend dieses Liedes. Die Schule beschäftigt sih mit unsrer deutschen Literatur. Wir haben auf den Boden unsrer deutschen Literatur keine großartigere Erscheinung, als Luther; er i} der Vater dex

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